Peter Jenny 07 I H R S P I E L M I T D E M F E U E R Kreativit채t mit rotem Kopf
Ve r l a g H e r m a n n S c h m i d t M a i n z
Peter Jenny Ihr Spiel mit dem Feuer Kreativit채t mit rotem Kopf
Edition Jenny jenny@arch.ethz.ch http://www.jenny.arch.ethz.ch
© 2010 Prof. em. Peter Jenny Kleinrussigen 6 CH-8755 Ennenda Tel. (++41) 055 640 59 81 Fax (++41) 055 640 95 81 jenny@arch.ethz.ch Erste Auflage 2010 Gestaltung David Schlatter Mitarbeit David Schlatter Nicole Benz Benjamin Roffler Gesamtherstellung: Universitätsdruckerei H. Schmidt, Mainz Inhalt: 135 g/m² LuxoArtSamt Umschlag: 270 g/m² Peydur Feinleinen
ISBN: 978-3-87439-812-1 Quellennachweis S. 94: Morris/Goscinny; Lucky Luke.
1
Sammlung 30
2
Funktion 38
3
Entsorgung 46
4
Kontraste 52
5
Elemente 66
6
Täuschung 72
7
Alphabetisierung 78
8
Collage 84
9
Stempel 90
10
Schatten 94
11
Spuren 102
12
Rauchformen 108
13
Russformen 114
14
Bedeutung 120
15
Brand 126
16
Zitat 132
17
Brandszenen 140
18
Gestaltprägnanz 146
19
Bewegung 152
20
Strichmännchen 158
21
Performances 166
22
Schönheit 174
6 «Nur …» Auch in Zukunft wird der kreative Mensch das letzte Wort behalten. Gerade weil Beruf und Kreativität nicht immer unter einen Hut zu bringen sind, suchen Innovative und kulturell Interessierte nach Kulturtechniken, die neue Denkmuster – zwischen Routine und Veränderung – bilden. Da es beides braucht, ist der Blick auch immer bereit, sich nicht vorzeitig festlegen zu lassen. Gerade aus dem Profanen kann ein Spiel entstehen, wenn die Spielelemente alltäglich und billig überall erhältlich sind. Wie weit banale Dinge zum Transportmittel für Ideen werden können, ist abhängig davon, wie wir sie wahrnehmen, nach welchen «Missverständnissen» wir zu suchen bereit sind. Faszinierend sind die paradoxen Ideen. Sie sind die Energie, welche Vorurteile abbaut und das Gleiche zum überraschend Unterschiedlichen macht. Um mit angestrebten Missverständnissen umzugehen, braucht es mit Vorteil den
«geschützten Raum», den übersehbaren Ort (ein A4-Blatt oder kleiner), die begrenzte Auswahl von Spielelementen, die festgelegte Zeitspanne (die auch Zeitlupe zulässt), leicht beherrschbare Techniken, Selbstvertrauen und die Lust, Veränderungen leichtsinnig zu begrüssen. All dies lässt sich mit Streichhölzern relativ einfach herstellen. Nur Streichhölzer, dem NUR kommt dabei besondere Bedeutung zu. Ein Gegenstand, den wir für gewöhnlich nur in die Hand nehmen, um Feuer zu entfachen, kann auch zum Gegenstand für den geistigen Gebrauch werden. Dabei sei an Max Bill und Marcel Duchamp erinnert. Sie verstanden ihre künstlerischen Arbeiten als Objekte für den geistigen Gebrauch. Im Gegensatz zu Duchamp, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts alles und jedes, auch sein Werkzeug, zum geistigen Gebrauch frei gab, verstand Bill seine Kunst als Werkzeug. Ob Objekt oder Werkzeug, der Verwendungszweck bleibt offen.
8
Verwandte ersten Grades (das Elementare)
1
2
3
Nach dem Sicherheitsstreichholz das Sparstreichholz f端r noch mehr Sicherheit
12 Es braucht dazu allerdings eine Spielbereitschaft mit dem Ziel, Ideen zu finden, bei denen Individualität höher gewichtet wird als das Allgemeingültige. Dieses Spielerische bedeutet nicht, Regeln zu leugnen, sondern «rollende» Regelveränderungen zu begrüssen. Der unübersehbaren Fülle begegnen wir mit knappster Begrenzung, die Fülle erst ermöglicht. Beispiel: Im Streichholz verbirgt sich auch der Balken. Das Ding ist also nie endverbraucht, es zielt auf «und so weiter» ab. Man muss die Zwischenformen drehen und wenden, so lange sie neu sind, damit den Bildern viele Richtungen offen stehen. Ein Schema, das mit emotionalen Prinzipien bearbeitet wird, ist eine Sicherheit, die Freiheit provoziert. Dieses Schema sagt: tasten, riechen und sehen – was uns seit jeher vertraut ist. Die Unterschiede ergeben sich erst durch Übersteigerung. Im Zusammenhang mit Feuer gibt es kein «kühles» Sehen, weil die Haut am Begreifen beteiligt ist. So erweist sich die Knappheit
einer kleinen Streichholzflamme, die Form und Funktion des Hölzchens, als Reservoir für Metaphern, das sich leicht für Spiele nutzen lässt. Die Blicke in Glut und Asche machen die Zukunft zwar nicht sichtbarer, dahinter versteckt sich aber eine Vielzahl von ausgeprägten Physiognomien, nach deren Bildqualitäten nur geschürft werden muss. Die Zahl der Bilder ist grenzenlos und es gehört zur Neugierde, sich mit ihnen zu beschäftigen. Aber genau das Grenzenlose verlangt nach Einschränkung, um den Wunsch nach Freiheit zu fördern. Ein Sortiment von farbigen Tinten und verschieden zugespitzten Streichhölzern reicht aus, um Hieroglyphen, filigrane Schraffuren, vieldeutige Umrisse, Ordnungen von Spritzspuren usw. zu schaffen. Dies ergibt eine Vielzahl von Unterschieden, die der Alltag so nicht einfach bietet, aber mit alltäglichen Dingen herstellbar ist, die bemerkenswert werden durch die kleinen Widerhaken, die wir dem Gewohnten
16 sich alle bewegen, die mit Freude (kann recht anstrengend sein) probieren, basteln, verwerfen und entwerfen. Repetieren für Neues Gewisse Übungen und Betrachtungsweisen (wie z. B. Spuren) wiederholen sich, dienen jedoch dazu, neue Bildformen zu entdecken unter Berücksichtigung verschiedener Bildelemente. Wiederholungen unter diesen Bedingungen sind wichtig, weil sie die Bandbreite des Bildrepertoires kontinuierlich erweitern und schrittweise in das Thema der Variationen führen. Die Ursachen mögen die gleichen sein, die Wirkungen aber das Verschiedenartige und das Individuelle begünstigen. Die Angst vor Bildbeispielen weicht somit dem Mut zum Eigenständigen. Die Nachahmung wird verdrängt durch die Lust, Dinge zu (ver)suchen anstatt zu imitieren. Bekanntes bleibt eine Voraussetzung für das Tasten im Neuland.
Das Streichholz, die Latte, der Balken, das Gebälk, der Raum, das Haus, das Dorf, die Stadt, das Feuer, die Glut, die Asche, der Baum, der Wald ‌
Bauen
Malen
Zeichnen
20
Brenndauer
Erfindungen, die in dieses Zeitfenster passen. Erfinden Sie (Auswahl): Mündlich: – ein Märchen («Es war einmal …») – eine Wegbeschreibung («Sie sind da und möchten nach …») – einen Witz («Kennen Sie den …?») – ein Rezept («Man nehme …») – eine Geschichte («Ich war …») – eine Definition («Schönheit ist …») Visuell: – eine Linie – eine Schraffur – Gekritzel mit Farben – ein Farbpaar bestimmen
Robinson Crusoes letztes Streichholz
30
1
Sammlung Sammeln Sie verschiedene Streichhölzer und präsentieren Sie diese als «wertvolle» Fundstücke. Requisiten für die Präsentation könnten eben falls Fundstücke sein.
38
2
Funktion Erfinden Sie neue Funktionen, die ein Streichholz erfüllen könnte. Da die gebräuchlichen Anwendungen bekannt sind, bieten sich überraschende Verwendungszwecke im Sinne von Metaphern und im Bereich der Fantasie.
Roger Federer kurz vor seiner Niederlage gegen Rafael Nadal
Franz Kafka geht in Gedanken versunken 端ber die Karlsbr端cke
Der Galerist und Richard Serra vor dessen neuster Plastik
Romeo bringt Julia ein St채ndchen
Sisyphus bei der Arbeit
Mittagspause auf der noch nicht ganz fertigen Pyramide