Journal 2 2015

Page 1

ISSN 1432-4334 JAHRGANG 24 HEFT 2 April 2015

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Chronische Obstipation: Epidemiologie und Mythen

Pathophysiologie der chronischen Wunde: Die Schlüsselrolle der Proteasen Für alle chronischen Wunden ohne Infektion: UrgoStart-Wundauflage mit TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® Heroinabhängigkeit: Retardiertes Morphin für die Substitutionstherapie

Multiple Sklerose: Mit Interferon beta-1a s.c. der Behinderungsprogression entgegenwirken

Risikomanagement bei COPD: Roflumilast reduziert Exazerbationen und Hospitalisierungen on Top zu Triple-Therapie Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom: Gute Verträglichkeit der physiologischen Steroidsubstitution unter Abirateronacetat-Therapie Fortgeschrittenes Mammakarzinom: Hohe Effektivität von Everolimus auch nach Exemestan-Vorbehandlung Chronische Hepatitis C: Neues interferonfreies Therapieregime besticht durch hohe Heilungsraten

Safinamid – eine neue Option zur Behandlung von Parkinson-Patienten im mittleren bis späten Stadium Neue Therapieoption bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen: Remsima® – das erste Infliximab-Biosimilar

VERLAG

PERFUSION


Tiefenaktives Narbengel mit Dreifachwirkung Signifikante Ergebnisse klinisch belegt1

1.

wirkt Entzündungen entgegen

Extr. Cepae

2.

hemmt Fibroblastenproliferation

3.

lockert die Kollagenstruktur auf

Leitliniengerecht: Contractubex® Gel zur Prävention und Therapie von Narben2 fördert nachweislich die Elastizität von Narbengewebe verbessert sichtbar die Narbenstruktur lindert spürbar Juckreiz, Schmerz und Spannungsgefühl Fordern Sie unsere „Wissenschaftliche Produktmonographie“ zu Contractubex® per Fax unter 069 1503830 an. 1

2

Willital GH, Simon J. Efficacy of Early Initiation of a Gel Containing Extractum Cepae, Heparin, and Allantoin for Scar Treatment: An Observational, Noninterventional Study of Daily Practice. J Drugs Dermatol 2013;12:38–42. Nast A et al. German S2k guidelines for the therapy of pathological scars (hypertrophic scars and keloids). J Dtsch Dermatol Ges 2012;10:747–62.

Contractubex ®, Gel. Zusammensetzung: 100 g Gel enthalten: Arzneilich wirksame Bestandteile: 10,0 g Extr. Cepae; Heparin Natrium 5000 I.E.; 1,0 g Allantoin. Sonstige Bestandteile: Methyl-4-hydroxybenzoat 150 mg, Sorbinsäure 100 mg, Macrogol 200, Xanthangummi, Gereinigtes Wasser, Geruchsstoffe. Anwendungsgebiete: Hypertroph., keloidförmige, bewegungseinschr. u. opt. störende Narben nach Operationen, Amputationen, Verbrennungen u. Unfällen; Kontrakturen wie Dupuytren’sche Kontraktur u. traumat. Sehnenkontrakturen; Narbenschrumpfungen (atrophe Narben) (nach Wundschluss). Gegenanzeigen: Überempf.-keit gegen d. Wirkstoffe Extr. Cepae, Heparin-Natrium od. Allantoin, gg. Sorbinsäure od. Methyl-4-hydroxybenzoat (Paraben) od. einen d. sonst. Bestandteile. Nebenwirkungen: Contractubex® wird auch i. d. Langzeitbehandl. im Allg. ausgezeichnet vertragen. Ein während d. Behandl. mit Contractubex® gelegentl. beobachteter Juckreiz ist Ausdruck der gewünschten geweblichen Umgestaltung d. Narbe. Ein Abbruch d. Therapie aus diesem Grunde ist i.d.R. nicht erforderlich. Die am häufigsten aufgetretenen Nebenwirk. waren lokale Reakt. am Ort d. Behandl. Folgende Nebenwirk. wurden beobachtet: Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10): Pruritus, Erythem, Teleangiektasie, Narbenatrophie. Gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100): Hyperpigmentierung d. Haut, Hautatrophie. Häufigkeit nicht bekannt: pustulöser Ausschlag, Überempf.-keit (allerg. Reaktion), Parästhesien, Kontaktdermatitis, Urtikaria, Ausschlag, Pruritus, Erythem, Hautreizung, Papel, Hautentz., brennendes Gefühl d. Haut, Spannungsgefühl d. Haut, Schwellung, Schmerzen a. d. Appl.-stelle, Hautschuppung im Bereich d. Applikationsstelle. Weitere Informationen zu Nebenwirk. aus Studie und Spontanberichten s. Fachinformation. Stand Dezember 2014 Merz Pharmaceuticals GmbH, 60048 Frankfurt


EDITORIAL

41

Herumstochern im Placebome Mit der Überschrift „Ist der Placeboeffekt bei manchen Menschen genetisch verankert?“ berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am 15. April [1] über eine gerade elektronisch vorab veröffentlichte Publikation einer Forschergruppe der Bostoner Harvard Universität [2]. Keine zwei Wochen später lassen sich über Google zu der im Titel der Publikation verwendeten Sprachschöpfung „Placebome“ bereits fast 15.000 Fundstellen ausmachen – Anlass, die Angelegenheit etwas näher zu betrachten, bevor durch „Stille Post“ aus einer Mücke ein Elefant geworden ist (oder umgekehrt) ... Kurze Rückblende: Schon 2012 berichtete das Deutsche Ärzteblatt („Gen bestimmt Placebowirkung“ [3]) über eine Studie derselben Arbeitsgruppe zum gleichen Thema. Kathryn Hall et al. hatten damals eine „Nachanalyse“ von Blutproben der Teilnehmer einer klinischen Studie von Patienten mit Reizdarmsyndrom durchgeführt, die randomisiert drei verschiedenen „Placebo-Interventionen“ zugeteilt worden waren [4]. In der Gruppe mit „Placebo forte“ („augmented interaction“) war bei bestimmten Patienten eine besonders deutliche Abnahme der Schmerzsymptomatik beobachtet worden. Bei diesen Patienten lagen typischerweise eine Steigerung der Dopaminkonzentration um den Faktor 3–4 und ein homozygoter „met/ met-Genotyp“ des Katechol­ amine abbauenden Enzyms Catechol-O-Methyltransferase

(COMT) vor mit Austausch der Aminosäure Valin nach Methionin an Position 158. Bei Teilnehmern mit dem val/met-Genotyp war die Placebowirkung weniger stark ausgeprägt und am geringsten bei Teilnehmern mit dem val/val-Genotyp. Da lag natürlich die Überlegung nicht fern, dass eventuell ähnliche Polymorphismen auch bei anderen Neurotransmittern vorliegen könnten, die mit einer Response/Non-Response auf Placebos in Verbindung gebracht werden. Die aktuelle Übersichtsarbeit fokussierte deshalb außer auf Katechol­ amine auch auf Opioide, Endocannabinoide und Serotonin. Und damit das Kind einen Namen hat, wurde das „Placebome“ erfunden – Synonym für genetisch bedingte Placeboeffekte. Wozu das Ganze? Nun, die Autoren weben ein argumentatives Gespinst vor allem um die Frage, ob jetzt klinische Studien anders geplant werden müssten und ob ggf. Zulassungsstudien für Arzneimittel in Zukunft gezielt Patienten mit einem „passenden“ Genotyp rekrutieren sollten. Und natürlich darf auch das Schlagwort „individualisierte Medizin“ nicht fehlen: Was immer man therapeutisch vorhat, ein Gentest weist den Weg! Noch immer tut sich die Medizin mit der Vorstellung schwer, dass man Krankheiten nicht nur „beherrschen“ kann, indem man sich für eine „RetortenSubstanz“ entscheidet, der die Krankheit nichts entgegenzu-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

setzen hat, sondern dass man auch die „innere Apotheke“ eines Patienten zum Verbündeten machen kann. Dabei ist letztere Strategie uralt – sie war seit Menschengedenken der zentrale Heilansatz, lange bevor das Arzneimittelrecht erfunden wurde, lange bevor sie wusste, dass sie Placebome heißt ... Ein funktionierendes Placebome brachte in der Tat schon immer einen Überlebensvorteil. Wenn wir erleben, dass ein schneller Schnappschuss mit dem Handy Elemente abbildet, die wir selbst nicht wahrgenommen hatten, dann zeigt das auch, dass wir in der Lage sind, Dinge auszublenden. Meist hat dies den Zweck, unsere Signalverarbeitungskapazität auf das in der Situation Wesentliche zu bündeln. In der Entwicklungsgeschichte waren sicherlich diejenigen im Vorteil, die z.B. Schmerzen einer Verwundung © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

42

ausblenden konnten, um einem Raubtier oder einem anderen Feind zunächst einmal davonzulaufen. Kein Wunder also, dass das Ausblenden genetisch verankert ist. Insofern kann ich weder den Enthusiasmus der Bostoner Forscher noch den Hype um ihre „bahnbrechende Erkenntnis“ nachvollziehen. Um die Potenziale des Placeboeffekts bestmöglich therapeutisch nutzbar zu machen, ist ein wenig logisches Denken [vgl. auch 5] möglicherweise wesentlich hilfreicher und Erfolg versprechender als aufwendiges analytisches Herumstochern im Placebome. Karl-Ludwig Resch, Bad Elster

ÜBERSICHTSARBEITEN Chronische Obstipation: Epidemiologie und Mythen Thomas Frieling

44

Pathophysiologie der chronischen Wunde: Die Schlüsselrolle der Proteasen Ralf Lobmann

48

INTERVIEWS Obstipation im Alter – ein häufiges Problem 46 Gespräch mit Prof. Dr. med. Elisabeth Steinhagen-Thiessen Trotz Basistherapie sind immer noch zu viele Asthma-Patienten symptomatisch Gespräch mit PD Dr. med. Stephanie Korn

60

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Für alle chronischen Wunden ohne Infektion: UrgoStartWundauflage mit TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® 52 Heroinabhängigkeit: Retardiertes Morphin für die Substitutionstherapie

53

Multiple Sklerose: Mit Interferon beta-1a s.c. der Behinderungsprogression entgegenwirken

56

Risikomanagement bei COPD: Roflumilast reduziert Exazerbationen und Hospitalisierungen on Top zu Triple-Therapie

58

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Quellen 1 h ttp://www.reuters.com/article/2015/ 04/15/us-placebo-effect-genesidUSKBN0N62L220150415 2 H all KT, Loscalzo J, Kaptchuk TJ. Genetics and the placebo effect: the placebome. Trends Mol Med 2015 Mar 25. pii: S1471-4914(15) 00043X. doi: 10.1016/j.molmed.2015.02. 009. [Epub ahead of print] 3 h ttp://www.aerzteblatt.de/nachrichten/52142/Gen-bestimmt-Pla 4 H all KT, Lembo AJ, Kirsch I et al. Catechol-O-methyltransferase val158met polymorphism predicts placebo effect in irritable bowel syndrome. PLoS One 2012;7:e48135 5 R esch KL. Spezifische, unspezifische und systemische Effekte. J Pharmakol Ther 2011;20:69-70

Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom: Gute Verträglichkeit der physiologischen Steroidsubstitution unter Abirateronacetat-Therapie 62 Fortgeschrittenes Mammakarzinom: Hohe Effektivität von Everolimus auch nach Exemestan-Vorbehandlung

64

Chronische Hepatitis C: Neues interferonfreies Therapieregime besticht durch hohe Heilungsraten

66

Safinamid – eine neue Option zur Behandlung von Parkinson-Patienten im mittleren bis späten Stadium

69

Neue Therapieoption bei chronisch-entzündlichen Erkran70 kungen: Remsima® – das erste Infliximab-Biosimilar

RUBRIKEN Kongresse 72 Wissenswertes 59, 61, 68, 76

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


Lead the 4th Revolution in Interventional Cardiology

Absorb

Bioresorbable Vascular Scaffold System

It’s easy to move forward when you leave nothing behind

NEW DATA:

Absorb has shown proven safety and efficacy compared to XIENCE in the first randomized clinical trial, ABSORB II# #

NEW SIZES AVAILABLE: 8 mm and 23 mm length

Serruys, ABSORB II data presentation, TCT 2014 Washington D.C.

Abbott Vascular Germany, Tel: +49 64 41 87 07 50, Austria, Tel: +43 1 89 12 20, Switzerland, Tel: +41 41 7 68 43 33 ABSORB II is an Abbott sponsored trial. Absorb is a trademark of the Abbott Group of Companies. Products intended for use by or under the direction of a physician. Prior to use, it is important to read the package insert thoroughly for instructions for use, warnings and potential complications associated with the use of this device. Information contained herein is for distribution in Germany, Austria and Switzerland ONLY. Photo(s) on file at Abbott Vascular. For more information, visit our website at www.abbottvascular.com. Š 2014 Abbott. All rights reserved. 1-DAC-2-4744-01 10-2014


ÜBERSICHTSARBEIT

44

Chronische Obstipation: Epidemiologie und Mythen Thomas Frieling Medizinische Klinik II, HELIOS Klinikum Krefeld

Wann liegt eine chronische Obstipation vor?

Eine chronische Obstipation liegt vor, wenn unbefriedigende Stuhlentleerungen berichtet werden, die seit mindestens 3 Monaten bestehen und mindestens 2 der folgenden Leitsymptome aufweisen [1]: • starkes Pressen, • klumpiger oder harter Stuhl, • subjektiv unvollständige Entleerung, • subjektive Obstruktion oder • manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation jeweils bei 25 % der Stuhlentleerungen oder • <3 Stühle pro Woche. Die chronische Obstipation wird also wesentlich durch die subjektive Beeinträchtigung und weniger durch objektive Parameter wie die Stuhlfrequenz bestimmt. Dies bedeutet einerseits, dass Patienten auch bei formal normaler Stuhlfrequenz ein Verstopfungsgefühl durch eine erschwerte Stuhlentleerung mit der Notwendigkeit des Pressens entwickeln können, und andererseits, dass beschwerdefreie Patienten mit über mehrere Tage ausbleibendem Stuhlgang nicht verstopft sind. Die chronische Obstipation ist insofern eine typische „Eisberg-Erkrankung“, bei der der Übergang von normal zu krank

fließend ist. Es ist zu berücksichtigen, dass eine Stuhlretention über retrograde Nervenverbindungen zum oberen Verdauungstrakt auch Motilitätsstörungen von Magen und Dünndarm verursachen kann. Mit der chronischen Obstipation sind daher häufig Dyspepsie, Blähgefühl bzw. Gasbildung, das Gefühl der unvollständigen Entleerung und die Stuhlinkontinenz verbunden. Untersuchungen zeigen hierbei, dass die chronische Obstipation die Lebensqualität in vergleichbarem Ausmaß wie bei anderen chronischen Erkrankungen einschränkt. Dies mag die große Überlappung (80 %) zum obstipationsdominanten Reizdarmsyndrom erklären [2, 3]. Epidemiologie

Die chronische Obstipation ist eine der häufigsten Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung. So klagten nach einer Umfrage der Apothekenumschau innerhalb eines Jahres etwa 8 % der befragten Bundesbürger über Verstopfung [4]. Nach einer aktuellen Untersuchung [5] nehmen in Deutschland etwa 20 % der Obstipierten Abführmittel ein, wobei in 60 % der Fälle Laxanzien ohne ärztliche Verordnung einge-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

nommen wurden. Nur 30 % waren mit der Therapie vollständig zufrieden, etwa in der Hälfte der Fälle wurden mehr als 2 Laxanzien, zusätzliche Medikamente bzw. eine höhere als die empfohlene Dosis eingenommen. In abnehmender Häufigkeit wurden hierbei Bisacodyl bzw. Natrium-Picosulfat, Makrogole bzw. Laktulose genutzt und Ballaststoffe nur selten eingesetzt. Die Unzufriedenheit mit Laxanzien bestand in einer unzureichenden Wirkung auf Blähungen (16  %), einer mangelnden Behebung der Einzelsymptome der Obstipation (13 %), der schlechten Vorhersagbarkeit des Wirkungseintritts (12  %), des zu langsamen Wirkungseintritts (13 %) und der Angst vor Nebenwirkungen (7 %). Es ist zu erwarten, dass die Häufigkeit der chronischen Obstipation in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung rasant ansteigen wird [6]. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) haben kürzlich eine aktuelle Leitlinie für die chronische Obstipation er-stellt [7], die kostenlos verfügbar ist (www. dgvs.de). © VERLAG PERFUSION GMBH


45

ÜBERSICHTSARBEIT

Obstipation und Mythen

Die chronische Obstipation ist von zahlreichen Mythen begleitet, für die es keine wissenschaftlichen Belege gibt [8]. So existieren Vorstellungen, dass die tägliche Stuhlentleerung lebenswichtig sei und seltenere Stuhlgänge zu einer Autointoxikation führen würden. Neuere Untersuchungen zeigen demgegenüber, dass diese Erwartungshaltung in der Bevölkerung von einem Stuhl pro Tag unrealistisch ist und dass in der Normalbevölkerung nur etwa 40 % der Männer und 30 % der Frauen einen täglichen Stuhlgang aufweisen. Hierbei korreliert die subjektiv empfundene Obstipation nicht mit der Stuhlfrequenz. Ein weiterer Mythos ist die Vor-

stellung, dass ein zu langer Darm für die Verdauung und die Passage von Darminhalt hinderlich sei und eine Verstopfung generiere. Auch hierfür fehlen wissenschaftliche Grundlagen. Hieraus resultiert, dass die chirurgische Entfernung von „verlängerten“ Darmsegmenten zur Therapie der Obstipation heute als obsolet gilt und in der Regel zur Verschlechterung der Darmfunktion und der Lebensqualität führt. Auch der Einfluss von Hormonen (z.B. Schilddrüsenunterfunktion) auf die Darmfunktionen wurde früher überschätzt [8]. Ebenfalls ist nachgewiesen, dass die empfohlenen Allgemeinmaßnahmen wie „gesunde Lebensweise“ mit ausreichender körperlicher Aktivität, Reduktion des Übergewichts

MMW-Preis 2015 geht an Prucaloprid (Resolor®) Alljährlich ehrt die renommierte Münchner Medizinische Wochenschrift (MMW – Fortschritte der Medizin) ein herausragendes Medikament. Der Preis für einen „Klassiker mit Zukunft“ geht 2015 an Prucaloprid (Resolor®), das derzeit einzige in Deutschland verfügbare Prokinetikum. Frauen mit chronischer Obstipation, bei denen eine Änderung des Lebensstils und die Anwendung von Laxanzien keine Besserung bewirken konnte, können von der Normalisierung der Darmmotilität durch Prucaloprid profitieren, der auch älteren Patienten verordnet werden darf. Eine Erweiterung der Zulassung für Männer wurde bei der EMA eingereicht. Bei Prucaloprid handelt es sich um einen selektiven Serotonin(5HT4)-Rezeptoragonisten mit prokinetischer Aktivität im MagenDarm-Trakt. Serotonin (5-HT) ist einer der zentralen Modulatoren der peristaltischen Aktivität. Seine Freisetzung erfolgt durch das enterische Nervensystem (ENS) sowie durch enterochromaffine Zellen der Darmschleimhaut. Die serotonerge Beeinflussung der Darmfunktionen basiert auf einer komplexen Aktivierung verschiedener 5-HT-Rezeptoren, die in der Muskulatur, im Epithel, auf sensorischen Nervenfasern und im ENS exprimiert werden. Die 5-HT4-vermittelte Stimulation führt zu einer präsynaptischen Aktivierung cholinerger Synapsen, die daraufhin vermehrt den erregenden Transmitter Acetylcholin ausschütten. Acetylcholin wiederum stimuliert den peristaltischen Reflex und aktiviert direkt die Muskelzellen. Daher können Substanzen wie Prucaloprid, die den 5-HT4-Rezeptor aktivieren, die Darmmotilität steigern.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

und Vermeidung von Stress bzw. eine „gesunde Ernährung“ mit ausgewogenen Nahrungsgmitteln und ausreichender Flüssigkeitszufuhr bzw. die Optimierung der Ballaststoffzufuhr einen nur begrenzten Effekt aufweisen. Hierbei werden konventionelle Ballaststoffe häufig wegen der Entwicklung von Meteorismus abgesetzt. Bei der Auswahl von Ballaststoffen sollte daher spezielle Aufmerksamkeit auf nicht blähende Präparate (z.B. Flohsamen, lösliche Ballaststoffe) gelegt werden. Die Bauchdecken-Kolon-Massage und die Akupunktur sollten nicht als Standardtherapie empfohlen werden. Moderne Therapie der chronischen Obstipation

Bei der Selbstmedikation sollten die Leitlinien der DGVS und DGNM befolgt werden [7], d.h. zunächst die Basistherapie („gesundes Leben“, Flüssigkeit, Ballaststoffe) und hiernach Füll- und Quellstoffe, salinische, osmotische Laxanzien bzw. Makrogole und schließlich aktive Laxanzien. Bei den aktiven Laxanzien gibt es wissenschaftlich keinerlei Hinweise über autonome Nervenschädigungen, vermehrte Kolonkarzinome, Elektrolytentgleisungen bei bedarfsadapiertem Gebrauch, eine Gewöhnung des Darms, eine physische/psychische Abhängigkeit bzw. eine „Rebound Obstipation“ nach dem Absetzen [8]. Auch die bei chronischer Einnahme von Antrachinon-haltigen Laxanzien zu beobachtende Melanosis coli ist nicht krankhaft und spricht nicht gegen deren weiteren Gebrauch. Das größte Problem der stimulierenden Laxanzien ist ihr Missbrauch. Bei regelhaftem Gebrauch © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

46

sind sie sichere und effektive Medikamente. Aufgrund ihrer Wirkweise können sie Bauchschmerzen und Durchfall erzeugen. Eine Dosissteigerung ist manchmal erforderlich und eventuell Ausdruck der sich verschlechterten Obstipation. Die Langzeitanwendung von Laxanzien bei Obstipation ist also möglich. Allerdings führt auch der regelmäßige Gebrauch verschiedener Laxanzien bei einigen Patienten nicht zur Normalisierung der Verdauung. Bei Patienten ohne Entleerungsstörungen empfiehlt die Leitlinie den Einsatz von Prucaloprid, das als selektiver Serotonin(5-HT4)Rezeptoragonist das Potenzial

hat, die Darmmotilität zu steigern und daher als Prokinetikum eingesetzt werden kann (siehe Insert auf S. 45). Literatur 1 Drossmann DA. Rome III. The functional gastrointestinal disorders. Lawrence, KS, USA: Allen Press, Inc.; 2006 2 Shekhar C, Monaghan PJ, Morris J et al. Rome III functional constipation and irritable bowel syn-drome with constipation are similar disorders within a spectrum of sensitization, regulated by serotonin. Gastroenterology 2013;145:749-757 3 Frieling T, Schemann M, Pehl C. Das Reizdarmsyndrom – eine Fehlbezeichnung? Z Gastroenterol 2011;49:577-578 4 GFK Marktforschung Nürnberg. Die 100 wichtigsten Krankheiten. Woran die Deutschen nach Selbsteinschätzung leiden. Apothekenumschau 2006;1

5 Müller-Lissner S, Pehl C. Laxanziengebrauch und Zufriedenheit chronisch obstipierter Frauen – eine Umfrage bei Patientinnen und Gastroenterologen in Deutschland. Z Gastroenterol 2012;50:573-577 6 Frieling T. Funktionelle gastrointestinale Erkrankungen und Alter. Z Gastroenterol 2011;49:47-53 7 Andresen V, Enck P, Frieling T et al. S2k Leitlinie Chronische Obstipation. Z Gastroenterol 2013;51:651-72 8 Müller-Lissner SA, Kamm MA, Scarpignato C et al. Myth and miscon-ceptions about chronic constipation. Am J Gastroenterol 2005;100:232-242

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Thomas Frieling Medizinische Klinik II – Gastroenterologie, Hämatologie, Onkologie, Hepatologie, Palliativmedizin, Infektiologie HELIOS Klinikum Krefeld Lutherplatz 40 47805 Krefeld E-Mail: thomas.frieling@helios-kliniken.de

Obstipation im Alter – ein häufiges Problem Interview mit Frau Professor Elisabeth SteinhagenThiessen, Charité – Universitätsmedizin Berlin Mit zunehmendem Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an einer chronischen Obstipation zu erkranken. In Pflegeheimen leiden bis zu 80 % der Bewohner daran. Die Gründe dafür sowie die therapeutischen Möglichkeiten erläuterte Frau Professor Steinhagen-Thiessen in einem Gespräch. Frau Professor SteinhagenThiessen, alte Menschen leiden besonders häufig unter einer chronischen Obstipation. Woran liegt das? Prof. Steinhagen-Thiessen: Tatsächlich sind ältere Menschen, insbesondere ältere Frauen, häufig von chronischer Obstipation betroffen. Das hat mehrere Gründe. Patienten über 70 Jahre

sind häufig auch multimorbide Patienten. Die Multimorbidität wiederum erfordert eine Polypharmazie, also die Einnahme mehrerer Medikamente auf einmal. Einige Medikamente können dabei eine Obstipation auslösen oder verschlimmern. An erster Stelle stehen die Schmerzmedikamente und besonders die Opiate. Eines unserer obersten Gebote als Ärzte ist es, unseren Patienten ein möglichst schmerzfreies Leben zu ermöglichen. Also behandeln wir sie. Dabei ist aber zu beachten, dass eine sehr häufige Nebenwirkung die Obstipation ist. Ältere Menschen sind zudem oft immobil – das erschwert beispielsweise den regelmäßigen Zahnarztbesuch. Einige Patienten sind seit Jahren nicht mehr beim Zahnarzt gewesen und passen ihre Nahrung

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Prof. Dr. med. Elisabeth SteinhagenThiessen, Leiterin der Forschungsgruppe Geriatrie am Evangelischen Geriatriezentrum Berlin (EGZB) der Charité – Universitätsmedizin Berlin

an ihr schlechtes oder nicht mehr vorhandenes Gebiss an. Außerdem sind sie oft nicht mehr in der Lage, regelmäßig frisches Gemüse einzukaufen, auch wegen der zunehmenden Immobilität. Das heißt, es fehlt Ihnen

© VERLAG PERFUSION GMBH


INTERVIEW

47

an ballaststoffreichen Lebensmitteln. Die normale Zufuhr an Ballaststoffen sollte 30 g pro Tag betragen. Neben einer gesunden, ausgewogenen Ernährung ist die tägliche Trinkmenge bei vielen alten Menschen ein Problem. Sie haben nicht nur ein vermindertes Durstgefühl im Vergleich zu jungen Menschen, sie trinken auch oft absichtlich weniger, weil sie unter einer Inkontinenz leiden. Auch das kann eine Obstipation hervorrufen. Dies sind einige der Gründe, warum gerade ältere Menschen verstärkt unter Obstipation leiden.

Patienten eine Obstipation infolge einer verzögerten Kolonpassage sein.

gleichzeitig an die Gefahr der Obstipation denken und entsprechend handeln und vorsorgen.

Gibt es Erkrankungen, bei denen besonders häufig eine chronische Obstipation auftritt? Prof. Steinhagen-Thiessen: Patienten mit Krebserkrankungen und Opiatbehandlungen stehen an erster Stelle der Betroffenen bei der Obstipation. Die Mangelernährung wie auch die Immobilität begünstigen ebenfalls die Obstipation. Als weitere Ursachen sind auch systemische Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Sklerodemie und Amyloidose zu nennen.

Könnten auch mit dem Alter einhergehende körperliche Veränderungen eine Rolle spielen? Prof. Steinhagen-Thiessen: Zu den körperlichen Veränderungen gehören natürlich zunehmende Immobilität, verringertes Durstgefühl, und z.B. die Inkontinenz. Hinzu kommt die häufige Mangelernährung bei multimorbiden Patienten, bei Patienten mit konsumierenden Erkrankungen und hospitalisierten Patienten. Auch kommen gerade bei älteren Patienten häufig neuromuskuläre Erkrankungen vor, die wiederum zur chronischen Ob­ stipation führen. Über 80  % der älteren Krankenhauspatienten weisen einen Typ-2-Diabetes auf. Viele dieser Diabetiker leiden unter einer autonomen diabetischen Neuropathie. Das Ergebnis kann bei diesen

Welchen Einfluss haben Medikamente bei der Entstehung der Verstopfung? Prof. Steinhagen-Thiessen: Viele Medikamente aus den unterschiedlichsten Gruppen beeinflussen den Stuhlgang. Hier seien die Häufigsten aufgezählt, die zu einer Obstipation führen können: • Opiate • Anticholinerigika • Trizyklische Antidepressiva • Neuroleptika • Monoaminooxidase-Hemmer • Antiepileptika • Antihistaminika • Kalziumhaltige Antazida • Antihypertensiva • Spasmolytika • Sympathomimetika • Diuretika • Colestyramin Bei Verordnung dieser Medikamente muss der behandelnde Arzt

Was kann man therapeutisch tun? Gelten bei alten Menschen besondere Empfehlungen oder geht man so vor wir bei jüngeren Betroffenen? Prof. Steinhagen-Thiessen: Bevor man sich für eine Therapie entscheidet, sollte unbedingt eine strukturierte Diagnostik vorausgehen, so wie es in der S2-Leitlinie vorgesehen ist. Arzneimittel der ersten Wahl sind Laxanzien wie Makrogol, Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Anthrachinone und Zucker bzw. Zuckeralkohole wie z.B. Laktu­lose. Zu den neueren medikamentö sen Therapieansätzen gehören Lubiproston, Alvimopan und Linaclotid. Diese 3 Medikamente stehen uns in Deutschland jedoch nicht zur Verfügung. Wenn neben komplementären Therapien wie z.B. Bauchdecken- und Kolonmassage die Arzneimittel der ersten Wahl nicht greifen, bietet sich die Therapie mit dem 5-HT4-Rezeptoragonisten Prucaloprid (Resolor®) an. Dieses Medikament ist in Deutschland zunächst nur für Frauen mit schwerer Obstipation zugelassen (siehe Insert auf Seite 45).

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Das Interview führte Dr. Eva Husen-Weiss.

© VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

48

C

hronische Wunden stellen eine besondere Herausforderung im klinischen Alltag dar. Als chronische Wunde wird eine Läsion bezeichnet, die trotz kausaler und sachgerechter lokaler Behandlung innerhalb von 4–5 Wochen nicht abheilt bzw. keine eindeutige Heilungstendenz zeigt. Diese chronischen Wunden sind meist Folgen einer relevanten weiteren Grunderkrankung, wie beispielsweise Diabetes mellitus oder einer arteriellen Verschlusskrankheit. Biologie der normalen Wundheilung

Die physiologische Reaktion auf eine Gewebeverletzung ist ein zeitlich und strukturell geordneter zellulärer Prozess, der in einer annähernd vollständigen Wiederherstellung der anatomischen und funktionellen Integrität endet. Die einzelnen Phasen der Wundheilung – Inflammation (Akutphase), Proliferation (Granulation) und Epithelialisierung (Remodeling) – sind zum Teil überlappend und werden durch Zytokine und Wachstumsfaktoren koordiniert. Dabei spielt das zeitliche und konzentrationsabhängige Arrangement dieser Faktoren eine wichtige Rolle. Klinisch können die Wunden aufgrund der zeitlichen Dynamik der Wundheilung in akute und chronische Wunden eingeteilt werden. Bei chronischen Wunden ist der Wundheilungsprozess verlängert oder unvollständig und äußert sich in einem unzureichenden anatomischen und funktionellen Ergebnis. Generell ist die Wundheilung abhängig von verschiedenen Faktoren, z.B. der Wundlokalisation, der Wundursache, dem Alter und der

Pathophysiologie der chronischen Wunde: Die Schlüsselrolle der Proteasen Ralf Lobmann Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie, Stuttgart physischen Kondition des Patienten sowie weiteren, die Wundheilung beeinträchtigenden Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus oder Niereninsuffizienz. Wundheilungsphasen Im komplexen und strukturierten Ablauf der Wundheilung sind verschiedene Zellpopulationen (Thrombozyten, neutrophile Granulozyten, Makrophagen, Fibroblasten, Keratinozyten), lösliche Faktoren (Zytokine und Wachstumsfaktoren) und Matrixkomponenten involviert. Initial nach der Gewebeverletzung kommt es durch die Exposition von extrazellulärer Matrix zu einer Migration der Thrombozyten, die adhärieren, aggregieren und somit einen hämostatischen Pfropf bilden; Neutrophile, Plättchen und rote Blutzellen verschließen dann den Wundraum für die ersten 2 Tage. Zeitgleich mit der Aggregation setzen die Thrombozyten verschiedene Wachstumsfaktoren aus ihren Granula frei. Unter anderem werden PDGF (Platelet-derived Growth Factor), PDAF (Plateletderived Angionetic Factor), TGF-β (Transforming Growth Factor-β) und EGF (Epidermal Growth Fac-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

tor) freigesetzt, die insbesondere chemotaktisch auf die Migration nachfolgender Zellen der Wundheilung wirken. Neutrophile Granulozyten sind die erste Zellpopulation, die im Wundareal auftritt. Sie kontrollieren die bakterielle Kontamination der Wunde und reinigen sie von Zelldetritus. In der innerhalb von 6 Stunden nach der Gewebeverletzung beginnenden inflammatorischen Phase werden Monozyten durch Complement 5a, Abbauprodukte von Fibrin und TGF-β in das Wundgebiet gelockt. Die Monozyten wandeln sich im weiteren Verlauf in Wundmakrophagen um, die die vorherrschende Zelllinie während der Reparaturvorgänge sind. Inflammation und Proliferation überschneiden sich während der Wundheilung, wobei die Proliferationsphase primär durch die Bildung von Granulationsgewebe gekennzeichnet ist. In dieser Phase sind Matrix-Metalloproteasen am strukturierten Aufbau des Granulationsgewebes und der Angiogenes beteiligt. Die sich aus Monozyten bildenden Makrophagen beginnen ab dem zweiten Tag der Wundheilung mit der Produktion von Wachstumsfaktoren. Sie stellen die größte Zellfraktion zwischen dem dritten und © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

49

Abbildung 1: Normale versus gestörte Wundheilung. MMP = Matrix-Metalloproteasen, ROS = reaktive Sauerstoffspezies („Sauerstoffradikale“), ECM = extrazelluläre Matrix.

fünften Tag dar. Die Makrophagen führen die Freisetzung von PDGF, MAF (Makrophage Angiogenesis Factor) und TGF-β fort. Die Kombination von PDGF, TGF-β und Angiotensin fördernden Faktoren führt zur Bildung von Granulationsgewebe, das den Wundraum ausfüllt. Daneben ist PDGF auch für die Wundrandkontraktion von Bedeutung. EGF, KGF (Keratinocytes Growth Factor) und PDGF stimulieren epidermale Zellen zur Migration, Teilung und zur Deckung des Granulationsgewebes. In der Phase des Remodelings bzw. der Epithelialisierung konzentriert sich das Geschehen auf die Proliferation, Migration und die Differenzierung von epithelialen Zellen, speziell von Keratinozyten, um die intakte Hautoberfläche wieder herzustellen.

Pathophysiologie der Wundheilung bei chronischen Wunden

Störungen der Wundheilung beginnen oft (exemplarisch z.B. bei Patienten mit Diabetes mellitus) auf zellulärer Ebene. Sie sind zunächst durch eine Dysfunktion der Granulozyten mit gestörter Freisetzung von Mediatoren und einem gestörten Profil von Wachstumsfaktoren gekennzeichnet. Daher finden sich in diabetischen Wunden erniedrigte Spiegel von PDGF und deutlich erhöhte Spiegel von Proteasen – und hier insbesondere von Matrix-Metalloproteasen (MMPs). Im weiteren Heilungsverlauf sind sowohl das zeitliche Zusammenspiel als auch die jeweiligen Konzentrationen der Faktoren im Wundgewebe gestört (Abb. 1).

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Bedeutsam ist, dass die erfolgreiche Wundheilung einer ausgewogenen Interaktion von Wachstumsfaktoren, Zytokinen, Proteasen und extrazellulärer Matrix bedarf. Gerade in den Sekreten chronischer Wunden (wie z.B. Ulcus cruris, diabetischem Fußsyndrom) ist dagegen eine deutlich erhöhte Proteasenaktivität festzustellen. In der ersten Phase der normalen Wundheilung sind MMPs für das zelluläre Wunddebridement und die Fenestrierung der Basalmembran verantwortlich, wodurch die Zellmigration in das Wundgebiet gefördert wird. In den späteren Phasen der Granulation und des Remodelings sind MMPs entscheidend für den geordneten Matrixaufbau, die Fibroblastenstimulation und die Neo-Angiogenese. © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

50

Im Verlauf dieser Gewebsreparation kommt es mit fortschreitender Heilung zu einem Anstieg der Inhibitoren der Matrix-Metalloproteasen (TIMP-1, TIMP-2), welche die Proteasenaktivität reduzieren und schließlich zum geordneten Abschluss der Wundheilung beitragen. Persistierend hohe Konzentrationen der MMPs können dagegen zu einer Chronifizierung von Wunden führen, indem neben der protrahierten physiologischen Wirkung der Proteasen eine hohe MMP-Aktivität geeignet ist, Wachstumsfaktoren und auch deren Rezeptoren zu denaturieren. Die erhöhten Spiegel von Proteasen im Wundgebiet führen zu einer unkoordinierten Wundheilung mit gleichzeitigen Auf-, Um- und Abbauprozessen der Matrix und der Zerstörung der die Wundheilung unterhaltenden Wachstumsfaktoren. Matrix-Metalloproteasen

Die normale Wundheilung erfordert ein Gleichgewicht synthetisierender und abbauender Mechanismen. Matrixabbauende Enzyme sind Proteasen, unter denen die Matrix-Metalloproteasen (MMPs) die wichtigste Bedeutung bei der Wundheilung einnehmen. Zur Familie der Matrix-Metalloproteasen gehören Kollagenasen, Gelatinasen, Stromelysine und membrangebundene MMPs. Bisher wurden rund 20 verschiedene Matrix-Metalloproteasen identifiziert und charakterisiert. Jedes dieser Enzyme ist spezifisch für ein bestimmtes Substrat. Sie sind aktiv in die Prozesse der Gewebsreorganisation, der Inflammation und des Remodelings eingebunden. Unter physiologischen Umständen

führt die komplexe Interaktion der Matrix-Metalloproteasen untereinander – mit diversen Rezeptoren sowie Wachstumsfaktoren – zu einer effizienten Aufrechterhaltung der Matrix. Störungen der Regulation dieser Matrix-Metalloproteasen finden sich bei verschiedenen pathologischen Prozessen, wie z.B. dem Tumorwachstum, der Arthritis, beim Emphysem und schließlich im Rahmen der gestörten Wundheilung. Die Aktivität der Matrix-Metalloproteasen wird auf 3 Ebenen kon­ trolliert. Erstens beginnend mit der Transkription, zweitens auf molekularer Ebene durch Zytokine, Proteasen (über Interaktion zwischen verschiedenen MMPs) und Wachstumsfaktoren, die notwendig sind, um die sezernierten Pro-Formen der Enzyme in die biologisch aktiven Formen überzuführen. Auf der dritten Ebene werden MMPs durch die Tissue-Inhibitors of Metalloproteases (TIMPs) inhibiert. Generell werden Matrix-Metalloproteasen als Proenzyme sezerniert. Um in die biologisch aktive Form überführt werden zu können, müssen die Propeptid-Domänen entfernt werden. Die Inaktivierung der MMPs findet über ihre Gewebsinhibitoren (TIMPs) statt. Diese TIMPs wirken hemmend, indem sie einen stabilen Komplex mit den MMPs bilden, welche dann eine geringere biologische Aktivität gegenüber der extrazellulären Matrix aufweisen. Ein weiterer in der Literatur beschriebener Weg ist, dass TIMPs die MMPs inaktivieren, indem sie den Prozess der Aktivierung verlangsamen. Die Induktion der Expression von MMPs wird von verschiedenen Wachstumsfaktoren gesteuert, insbesondere von EGF, PDGF, In-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

terleukin-1 und TNF-α. Die Aktivierung mittels dieser Wachstumsfaktoren geschieht vorwiegend auf Ebene der Gen-Induktion. Während diese Faktoren primär die Produktion von MMPs stimulieren, kann TGF-β die Produktion verschiedener MMPs durch Transkriptionshemmung reduzieren. Matrix-Metalloproteasen in der Wundheilung

Die proteolytische Degradation der Extrazellularmatrix ist ein essenzieller Bestandteil von Reparatur und Remodeling während der Wundheilung. Matrix-Metalloproteasen sind sowohl notwendig beim initialen Wunddebridement als auch während des kontinuierlichen Matrixumsatzes in der Proliferations- und Modulationsphase der Heilung. Sie kontrollieren die Fragmentation von Basalmembranen und von Komponenten der Extrazellularmatrix; sie entfernen Matrixbarrieren gegenüber der Zellmigration und ermöglichen so elementare Vorgänge der Entzündungsreaktion, Angiogenese und Epithelialisierung (Tab. 1). Die Expression von MMPs kann zu verschiedenen Zeitpunkten der Wundheilung bei Entzündungszellen, Fibroblasten, Endothelzellen und Keratinozyten nachgewiesen werden. Die Kontrolle der räumlichen und zeitlichen Expression von verschiedenen MMPs ist dabei direkt assoziiert mit einer erfolgreichen und geordneten Wundheilung. Die Expression von MMP-1 ist typischerweise verbunden mit der Migration von Keratinozyten. MMP-3 ist sowohl in akuten als auch chronischen Wunden exprimiert und wird in erster Linie für die Restrukturierung der neuen Basalmembran benötigt. Beide © VERLAG PERFUSION GMBH


51

ÜBERSICHTSARBEIT

Funktion der MMPs in der Wundheilung • • • • • •

elluläres Wunddebridement in der Phase der Inflammation Z Fenestrierung der Basalmembran Matrixaufbau in der ersten Wundheilungsphase Förderung der Zellmigration (insbesondere Fibroblasten) Wund-Remodeling in der Granulationsphase Unterstützung von Epithelialisierung und Angiogenese

Tabelle 1

(MMP-1 und MMP-3) werden generell von dermalen Fibroblasten sezerniert und sind dabei auch für das zelluläre Debridement von Granulationsgewebe und für die Auflösung von Hautgewebe notwendig. Für Störungen auf dieser Ebene der Wundheilung können eine inadäquate Synthese der extrazellulären Elemente, erhöhte Spiegel aktivierter Matrix degenerierender Enzyme und ein Verlust in der Regulation der degradierenden Enzyme und deren Inhibitoren verantwortlich sein. In chronischen Wunden konnten erhöhte Spiegel von Matrix degradierenden Proteasen und ein Mangel ihrer Inhibitoren nachgewiesen werden. In chronischen Wunden sind in erster Linie die Matrix-Metalloproteasen zu finden, wobei eine hohe MMP-Aktivität geeignet ist, endogene Wachstumsfaktoren und ihre Rezeptoren zu denaturieren. Erhöhte Spiegel von Gelatinase A (MMP-2) und MMP-9 konnten z.B. in verschiedenen chronischen Wundflüssigkeiten nachgewiesen werden. Das für die Bewertung der biologischen Aktivität vermutlich wichtigere Verhältnis der Spiegel von MMPs und TIMPs ist in chronischen Wunden erhöht. Diese für eine geordnete Wundheilung notwendige Balance zwischen Proteinasen und deren Inhibitoren scheint bei chronischen Wunden gestört zu sein. Das heißt, dass die Interaktion und das Verhältnis von MMPs und TIMPs für eine erfolg-

reiche Wundheilung von entscheidender Bedeutung sind. Vergleicht man akute Wunden mit Wundflüssigkeiten von schlecht heilenden venösen Läsionen, so findet man hohe Spiegel von aktivierten Gelatinasen und erniedrigte Spiegel von TIMP-1. Entsprechend ist auch die Expression von TIMPs von Keratinozyten in chronischen Wunden reduziert. Klinische Therapiestudien mit Protease-Inhibitoren

Als Inhibitor von Proteasen kommt experimentell Doxycyclin infrage, das über eine Hemmung der NOSynthese TNF-α und Proteasen bei chronischen diabetischen Fußläsionen reduzieren kann. Auch Alltrans-Retinsäure reduziert die Aktivität von MMPs und erhöht die Syntheserate von Kollagen in der Haut von Diabetikern im Zellkultur-Modell. Wundauflagen auf der Basis von metallischen Ionen vermögen Sauerstoffradikale und die MMP-2-Produktion in vitro zu reduzieren und die topische Applikation des Anti-TNF-α-Antikörpers Infliximab senkte die MMP-Konzentration in chronischen Wunden, erhöht die Spiegel der TIMPs und verbessert die Wundheilung. Daneben werden auch neu entwickelte Wundtherapeutika eingesetzt, die speziell Proteasen in der Wunde binden, um somit den oben geschilderten Weg der Wundchronifizierung zu unterbrechen. In In-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

vitro-Studien konnte für mit NOSF (Nano-OligoSaccharid-Faktor) beschichtete Wundauflagen die proteaseninhibierende Wirkung gezeigt werden. Die klinische Wirksamkeit dieser TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® und die damit verbundene schnellere Wundheilung wurden in der randomisierten kontrollierten Doppelblindstudie CHALLENGE nachgewiesen (Einzelheiten siehe Beitrag auf Seite 52). Empfehlung für die Praxis

Wunden, die länger als 4 Wochen ohne Heilungstendenz bestehen, gelten als chronische Wunden. Hier hat insbesondere ein verändertes Zusammenspiel von Zytokinen (Wachstumsfaktoren) und Proteasen einen besonderen Stellenwert. Diese Patienten sollten unbedingt in dafür spezialisierten Zentren versorgt werden, denn eine koordinierte und strukturierte Wundversorgung kann in bis zu 80 % der Fälle eine chronische Wunde noch zur Abheilung bringen. Dazu tragen die folgenden innovativen Therapieoptionen bei: • Reduktion der erhöhten Konzentration von Proteasen durch Proteaseninhibitoren • Ausgleich des Mangels an Wachstumsfaktoren • Proteaseninhibitoren mit antimikrobieller Wirkung Innovative Therapieoptionen scheinen zwar zuerst erhöhte Kosten zu verursachen, verkürzen aber die Behandlungsdauer und können somit zumindest kostenneutral sein.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Ralf Lobmann Klinikum Stuttgart – Bürgerhospital Tunzhofer Straße 14-16 70191 Stuttgart E-Mail: r.lobmann@klinikum-stuttgart.de © VERLAG PERFUSION GMBH


C

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

hronische Wunden heilen schwer bis überhaupt nicht ab – Studien zufolge ist jedes zweite venöse Ulkus auch nach 6 Monaten noch offen. Ursache ist in der Regel ein Überschuss an Matrix-Metalloproteasen. Bei akuten Wunden bauen die MatrixMetalloproteasen die beschädigten Bestandteile der extrazellulären Matrix ab und werden in ihrer Aktivität durch Hemmstoffe reguliert. Anders ist das bei chronischen Wunden: Hier liegen die proteolytischen Enzyme in massiv erhöhter Konzentration vor, bauen neu gebildetes Gewebe ab und blockieren so die Wundheilung. Die Wunde verbleibt im Reinigungsstadium und zeigt über Wochen oder Monate keine Heilungstendenz. Um diesem Überschuss an Matrix-Metalloproteasen entgegenzuwirken, hat URGO die TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® entwickelt und auf die UrgoStartWundauflagen aufgebracht. Der darin enthaltene Nano-Oligosaccharid-Faktor (NOSF) bindet und neutralisiert die überschüssigen, gewebeabbauenden Matrix-Metalloproteasen, beschleunigt dadurch die Wundheilung und verhindert die fortschreitende Chronifizierung. Unterstützt wird der Heilungsprozess durch die Lipidokolloid-Technologie (TLC) in der Wundauflage, die Hydrokolloidpartikel und Lipide in einem Netz aus Polyesterfasern kombiniert. Die Hydro­ kolloidpartikel verflüssigen sich in Kontakt mit dem Wundexsudat und bilden mit den Lipiden einen Lipidokolloidfilm an der Grenzschicht zwischen Wunde und Wundauflage. Diese Gelschicht gewährleistet ein physiologisches, heilungsförderndes Wundmilieu und schützt die neu gebildeten Gewebestrukturen beim Ablösen der Wundauflage. Darüber hinaus stimuliert die TLC-Wundheilungs-

Für alle chronischen Wunden ohne Infektion: UrgoStart-Wundauflage mit TLC-NOSFWundheilungsmatrix® matrix® die Proliferation der lokalen Fibroblasten, die wiederum durch die Produktion von Kollagen für ein stabiles Gewebe sorgen. Klinisch belegte Wirksamkeit

Die klinische Wirksamkeit der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® wurde in einer randomisierten kontrollierten Doppelblindstudie* nachgewiesen. 187 Patienten, die an chronischen Unterschenkelgeschwüren venöser oder gemischter Ätiologie litten, wurden zusätzlich zu einer adäquaten Kompressionstherapie 8 Wochen lang entweder mit UrgoStart mit der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® oder einer identisch aus-

sehenden Schaumstoffwundauflage ohne NOSF behandelt. Die Studie zeigte eindeutig die Überlegenheit von UrgoStart: Die Wundoberfläche reduzierte sich in der UrgoStart-Gruppe median um 58,3 % gegenüber 31,7 % in der Vergleichsgruppe (p=0,0021, Abb. 1). Zudem heilten die Wunden in der UrgoStart-Gruppe doppelt so schnell (10,83 vs. 5,15 mm2/Tag; p=0,0056) und die Patienten litten bei Studienende seltener unter Schmerzen, Angst und Depression. Hydroaktive Wundverbände für jede Indikation

Die TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® gibt es in Kombination mit un-

Abnahme der Wundoberfläche 0 p=0,0021

-10 -20 Median (%)

52

Kontrolle

-30 -40 -50 -60

-31,7 UrgoStart

-58,3 0 10 20 30 40 50 60 Behandlungsdauer (Tage)

Abbildung 1: In der CHALLENGE-Studie* war die Wundauflage UrgoStart mit TLC-NOSFWundheilungsmatrix® der Wundauflage ohne NOSF deutlich überlegen.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


53

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Heroinabhängigkeit: Retardiertes Morphin für die Substitutionstherapie

S

eit Ende März steht mit Substitol® das erste zugelassene retardierte Morphin für die orale Substitutionstherapie bei Opioidabhängigkeit in Deutschland zur Verfügung. Das neue Substitut ist genauso effektiv wie die Standardtherapie mit Methadon bei gleichzeitig signifikant geringerem Craving (Substanzverlangen) nach Heroin. Die bessere Verträglichkeit führt bei den Patienten zu einer signifikant höheren Zufriedenheit und insgesamt zu einer besseren Lebensqualität. Die Haltequote, ein entscheidender Faktor, um den Betroffenen eine Chance zur gesundheitlichen und sozialen

Rehabilitation zu geben, ist wesentlich höher als unter anderen Substituten (Abb. 1). Substitol® eröffnet damit einen neuen Weg in der Behandlung der Heroinabhängigkeit. Weniger Craving nach Heroin und bessere Haltequote

Morphin ist in seiner chemischen Struktur dem Heroin sehr ähnlich und scheint deshalb besonders gut als Substitut geeignet. Es greift ebenfalls am µ-Opioid-Rezeptor an und wirkt dort primär analgesierend und angstlösend. Die

Haltedauer bei Heroinsubstitution Haltedauer bei Heroinsubstitution 1.0 1.0 0.8 0.8

� Morphin Morphin retard retard � Buprenorphin Buprenorphin � Morphin retard � Levomethadon Levomethadon � Buprenorphin � Methadon Methadon � Levomethadon � Buprenorphin/ Buprenorphin / Naloxon � Methadon � Buprenorphin / Naloxon Naloxon

0.6 Haltequote

Haltequote

terschiedlichen Trägermaterialien. Bei UrgoStart Tül besteht der Träger aus einem Polyestergitter. Die flexible Gazewundauflage passt sich optimal an das anatomische Relief der Wunde an und eignet sich daher vor allem zur Behandlung von Wunden an schwierigen Lokalisationen, zerklüfteten Wunden sowie zum Tamponieren tiefer Wunden. UrgoStart ist eine mit der TLCNOSF-Wundheilungsmatrix® be­schichtete, absorbierende Schaum­ stoffwundauflage, die überschüssiges Exsudat abführt und auf diese Weise das Gewebe vor Mazeration schützt. Sie empfiehlt sich bei allen chronischen Wunden ohne Infek­ tion, die eine geschädigte oder empfindliche Wundumgebung aufweisen, ist zuschneidbar und kann auch unter einem Kompressionsverband getragen werden. Erst kürzlich auf den Markt gekommen ist UrgoStart Border. Die Wundauflage besteht wie UrgoStart aus einer mit TLC-NOSFMatrix beschichteten Schaumstoffkompresse, enthält zusätzlich ein hochabsorbierendes Vlies und besitzt einen wasserfesten Träger, sodass die Wundauflage auch unter der Dusche getragen werden kann. Dank des zusätzlichen Silikonhaftrandes benötigt UrgoStart Border keinen Sekundärverband. Geeignet ist diese Wundauflage insbesondere für Patienten mit chronischen Unterschenkelgeschwüren, aber auch Dekubitalulzera oder diabetischem Fußsyndrom. Brigitte Söllner, Erlangen

0.6

0.4

0.4

0.2 0.2

* Meaume S et al. A randomized, controlled, double-blind prospective trial with a LipidoColloid Technology-Nano-OligoSaccharide Factor wound dressing in the local management of venous leg ulcers. Wound Repair Regen 2012;20:500-511

0 00

200

400 600 800 1000 200Tage in Behandlung 400 600 800 1000 Tagefür inGesundheit Behandlung modifiziert nach: Bundesministerium Österreich 2013: 0

Epidemiologiebericht Drogen 2012/2013, Wien 2013die Haltequote unter retardiertem Morphin Abbildung 1: Epidemiologische Daten zeigen, dass modifiziert nach: Bundesministerium für Gesundheit Österreich 2013: deutlich höher ist als unter anderenDrogen Substituten (mod. nach [5]). Epidemiologiebericht 2012/2013, Wien 2013

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


54

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Retard-Formulierung sorgt für eine verzögerte, kontinuierliche Wirkstofffreisetzung im MagenDarm-Trakt. Durch die so erzielten gleichmäßigen Plasmaspiegel kommt es zu einer Wirkung über 24 Stunden ohne den sogenannten „Kick“ [1]. Studiendaten zeigen, dass Substitol®, gemessen am Heroinbeigebrauch, genau so wirksam ist wie Methadon [2] bei gleichzeitig signifikant geringerem Craving nach Heroin [3, 4]. Unter Substitol® wurden zudem signifikant weniger Nebenwirkungen beobachtet. Insbesondere das typische starke Schwitzen, in der Dauertherapie besonders belastend, war deutlich reduziert. Auch die psychische Stabilität war besser. Aus der guten Verträglichkeit resultiert eine signifikant höhere Patientenzufriedenheit. So bevorzugten nach der Cross-Over-Phase 65 % der Patienten Morphin retard, nach der Extensionsphase waren es 83 %. Dies fördert auch die Therapietreue: Epidemiologische Daten zeigen, dass die Haltequote unter retardiertem Morphin deutlich höher ist als unter anderen Substitutionsmitteln (Abb. 1) [5]. Dies ist vor allem bedeutsam, um die Betroffenen langfristig vor den Gefahren des „Straßenheroins“, der Ansteckung mit Hepatitis oder HIV sowie vor Beschaffungskriminalität und Prostitution zu schützen. Mit Substitol® steht außerdem eine besonders sichere Therapie zur Verfügung: Im EKG zeigt sich keine QT-Zeit-Verlängerung [3]. Zudem wird Morphin primär über eine Glukuronidierung metabolisiert, wodurch es deutlich seltener zu Interaktionen mit anderen Arzneimitteln kommt – ein wichtiger Aspekt, der der Realität der Behandlung von häufig komorbiden Patienten gerecht wird.

Substitutionsbehandlung – Chance auf eine bessere gesundheit­ liche und soziale Lebenssituation bei Heroinabhängigkeit Opioidabhängigkeit ist eine schwere, chronische Erkrankung, die – wie andere chronische Erkrankungen auch – behandelbar ist. Die Abhängigkeit bleibt allerdings ein Leben lang: Auch wenn der Abhängige abstinent wird, besteht immer das Risiko eines Rückfalls. Das evidenzbasierte substitutionsgestützte Therapiekonzept stellt heute die Behandlungsmethode der ersten Wahl bei manifester Opioidabhängigkeit dar. Primäres Behandlungsziel ist nicht mehr wie in der Vergangenheit die Abstinenz. Es geht vielmehr um die Verbesserung der gesamten – gesundheitlichen wie auch psychosozialen – Situation des Patienten, d.h. Reduktion oder Beendigung des Opiatgebrauchs, Verhinderung opiatbedingter Schädigungen sowie Verbesserung von Lebensqualität und Wohlbefinden. Der ganzheitliche Ansatz des Therapiekonzeptes schließt neben der Substitutionsbehandlung auch die Behandlung von Begleit- und Folgekrankheiten sowie die individuelle psychosoziale Betreuung ein. Die Behandlungsziele umfassen somit die Sicherung des Überlebens, die Reduktion des Beigebrauchs, die gesundheitliche und psychische Stabilisierung sowie die selbständige Teilhabe am Leben bzw. in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz bis hin zur Opioidfreiheit [6]. Wann substituieren? Die Richtlinien der Bundesärztekammer beschreiben u. a. die Indikationsstellung zur Substitutionsbehandlung. Danach müssen 3 der folgenden Kriterien über einen Zeitraum von 12 Monaten zutreffen: starker bis übermäßiger Wunsch, Opiate zu konsumieren; verminderte Kontrollfähigkeit; Nachweis einer Toleranzentwicklung; körperliches Entzugssyndrom; steigende Vernachlässigung anderer Interessen zu Gunsten des Substanzkonsums; anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutig schädlicher Folgen [6]. Vor Behandlungsbeginn muss anamnestisch u.a. geklärt werden, welche Substanzen aktuell und in der Vergangenheit konsumiert werden oder wurden und welche therapeutischen Behandlungen bereits unternommen worden sind. Auch eine Erhebung somatischer Begleit- und Vorerkrankungen sowie eine psychiatrische Anamnese sind erforderlich. Zusammen mit der körperlichen Untersuchung entscheiden die Ergebnisse, ob ggf. weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Behandlungsplan, -vertrag und Meldung an das Substitutionsregister sind weitere notwendige Schritte [7]. Die Psychosoziale Betreuung (PSB) ist ein wichtiger Baustein innerhalb des ganzheitlichen Ansatzes der Substitutionstherapie. Ihre Aufgaben orientieren sich an den individuellen Zielen der jeweiligen Behandlungsvereinbarung. Im Zentrum stehen die motivierende Arbeit, die Bewältigung von Krisensituationen, psychiatrische Komorbiditäten, die soziale Stabilisierung und die Arbeitsintegration. Diese komplexen Aufgaben erfordern eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem substituierenden Arzt [8].

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Die Vorteile einer Substitution sind unbestritten … Die Substitutionstherapie ist eine der wirksamsten pharmakologischen Therapieformen für die Behandlung der Heroinabhängigkeit. Sie reduziert sowohl Mortalität als auch Morbidität. Durch die orale Substitution wird der intravenöse illegale Substanzkonsum reduziert oder beendet, was mit einem geringeren Risiko einer Infektion mit HIV oder Hepatitis B/C einhergeht. Die Therapie kann den Abhängigen aus der Beschaffungskriminalität herausführen – eine wichtige Voraussetzung, um sich ein neues soziales Umfeld aufzubauen und die Lebensqualität zu verbessern [9]. Die Substitutionstherapie bietet damit für viele Abhängige die Chance auf eine gesundheitliche und psychische Stabilisierung, wodurch eine Rehabilitation und Reintegration, d.h. der Wiedereinstieg in ein geordnetes und selbstbestimmtes Leben, möglich wird. ... dennoch wird zu wenig substituiert Von den circa 200.000 heroinabhängigen Menschen erhalten nur knapp 77.300 eine Substitutionstherapie (Stand 2013). Sie werden von rund 2.700 Ärzten versorgt, die ihre Patienten an das Substitutionsregister melden. Demgegenüber steht die Zahl der von den Ärztekammern gemeldeten suchttherapeutisch qualifizierten Ärzte. Mit ca. 8.400 potentiellen „Suchtärzten“ (Stand 2012) liegt sie deutlich höher als die Zahl der tatsächlich substituierenden Ärzte, die weiterhin abnimmt. Es droht eine schwerwiegende Unterversorgung, da es zudem an Nachwuchs für die häufig älteren Substitutionsärzte fehlt [10, 11].

Darreichung und Dosierung

Der Wirkstoff Morphinsulfat steht als Hartkapsel mit Retard-Pellets in 2 Wirkstärken – 100 mg und 200 mg – für eine einmal tägliche Gabe zur Verfügung. Der RetardEffekt wird ausschließlich durch die Matrix der Pellets bewirkt und nicht durch die Kapselhülle.

Zur Sichtvergabe kann die Kapsel auch geöffnet und der Inhalt nach dem Schlucken mit ausreichend Wasser verabreicht werden. Die Retard-Pellets müssen auf jeden Fall unzerkaut und unzerkleinert geschluckt werden. Bei Neueinstellung erhalten die Patienten eine Initialdosis von 100–200 mg. Kommt es zu Ent-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

55

zugssymptomen, können nach 6 Stunden weitere 200 mg gegeben werden. Danach erfolgt eine individuelle, schrittweise Dosisanpassung bis zur Erhaltungsdosis. Die Umstellung von Methadon auf Morphin geschieht im Verhältnis 1 : 6(–8). Die typische Dosis in einer Erhaltungstherapie liegt bei 500–800 mg pro Tag [1]. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Beck T et al. Addiction 2014;109:617-626 2 Hämmig R et al. J Subst Abuse Treat 2014; 47:275-281 3 Falcato L et al. J Clin Psychopharmacol 2015;35:150-157 4 Fachinformation Substitol®, Stand: Januar 2015 5 Bundesministerium für Gesundheit Österreich 2013: Epidemiologiebericht Drogen 2012/2013, Wien 2013 6 Bundesärztekammer. 2010: Richtlinien zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger 7 Kompendium Substitutionstherapie. Wissenschaftliche Leitung: Dr. med. Jörg Gölz, Berlin, Dr. med. Manfred Nowak, Landau. Stand: Februar 2012 8 Positionspapier Psychosoziale Betreuung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, Hamm 2010 9 Backmund M et al. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS e.V.): Therapie der Opiatabhängigkeit – Teil 1: Substitutionsbehandlung Suchtmed 2014;16:7-20 10 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bericht zum Substitutionsregister, 2014 11 http://www.drogenbeauftragte.de/drogenund-sucht/illegale-drogen/heroin-und-andere-drogen/substitution.html (Abruf 04.03. 2015)

© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

56

D

ie Behinderungsprogression ist ein entscheidender Parameter, um die Wirksamkeit von MS-Therapien zu beurteilen. Für Patienten mit MS ist es vor allem wichtig, die Zunahme der Beeinträchtigungen zu verzögern und lange gehfähig zu bleiben – entsprechend relevant ist die Risikoreduktion als Therapieziel. Interferon beta-1a s.c. (Rebif®) kann das Risiko für eine Behinderungsprogression um 58 % verringern und ist mit 15 Jahren praktischer Erfahrung in der langjährigen Anwendung der MS-Therapie ein bewährtes, krankheitsmodifizierendes Medikament mit breiter Zulassung [1, 2]. Langfristige Perspektive ist entscheidend

Neurologen werten als Indikator der Wirksamkeit von MS-Therapien ein Voranschreiten körperlicher Beeinträchtigungen als die relevante Größe für die Lebensqualität der MS-Patienten vor der Schubreduktion [3]. Behinderungsprogression entsteht im Verlauf der MS-Erkrankung durch neurodegenerative Prozesse. Zu Krankheitsbeginn überwiegt die schubförmig remittierende Verlaufsform (RRMS). Die durch Schübe auftretenden Symptome bilden sich meist innerhalb von 6–8 Wochen zurück. In den Phasen zwischen den Schüben findet weiterhin Krankheitsaktivität statt, die zur Progression beiträgt. Nach 10–15 Jahren kann die MS – unbehandelt – in den sekundär progredienten Verlauf (SPMS) übergehen; die schubfreien Intervalle werden zunächst kürzer, bis es unabhängig von Schüben zu fortlaufenden, bleibenden Verschlechterungen kommt. Nur bei ca. 10–15 % der

Multiple Sklerose: Mit Interferon beta-1a s.c. der Behinderungsprogression entgegenwirken Patienten beginnt die MS mit einem primär progredienten Verlauf (PPMS). Hier treten neurologische Symptome und schleichende Behinderung meist ohne Schübe auf; häufig entwickelt sich früh eine spastische Gangstörung. Die Schubfrequenz ist nur bedingt relevant für die Behinderungsprogression; ihre Senkung führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Behinderung langsamer voranschreitet. Aus Patientensicht wird die Relevanz besonders deutlich: Kann die Zunahme von Defiziten verlangsamt werden, vergrößert dies die Chance auf eine anhaltend aktive Lebensgestaltung. Signifikante Verzögerung der Behinderungsprogression

Dieses Therapieziel kann durch Interferon beta-1a (INF β-1a) s.c. signifikant unterstützt werden: Die Ergebnisse der PRISMS-Studie zeigen, dass die Behinderungsprogression um 3 Jahre verzögert wird. Dies entspricht einer Risikoreduktion um 58 % bei Patienten mit einem EDSS-Grad >3,5 gegenüber Placebo [1]. Nach einer 15-jährigen hochfrequenten Anwendung (44 µg; 3 × wöchentlich) sind 90 % der Patienten weiterhin gehfähig [4]. Laut den unabhängigen Autoren einer 2013 publizierten Cochrane-Metaanalyse sind

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

INF β-1a s.c. (3 × 44 µg) und das nur für die (hoch-)aktive Verlaufsform zugelassene Natalizumab in Bezug auf die Behinderungsprogression signifikant wirksamer als alle anderen untersuchten MSTherapeutika (kombinierte Analyse von RRMS und SPMS, Zeitraum von 24 Monaten, vs. Placebo, zweithöchster Evidenzgrad) [5]. Bei der Prävention von Schüben zeigte sich INF β-1a s.c. (3 × 44 µg) bei RRMS über einen Zeitraum von 24 Monaten – mit dem höchsten Evidenzgrad – allen anderen MS-Basistherapeutika überlegen (Verum vs. Placebo); die Reduktion der Anzahl von Patienten mit Schüben betrug in der Metaanalyse 55 % gegenüber Placebo [5]. Von CIS bis SPMS: Breite Zulassung in allen wichtigen Phasen der Erkrankung

Der Effekt einer Therapie mit Rebif® ist über die verschiedenen Erkrankungsphasen der MS bestätigt und der Wirkstoff wurde durch die European Medicines Agency (EMA) für eine breite Anwendung zugelassen – ab einer frühen MS vom ersten klinischen Ereignis (CIS) bis zur sekundär progredienten MS (SPMS) mit aufgesetzten Schüben. In einer Subgruppenanalyse der REFLEX-Studie [6] zeigt INF β-1a s.c. eine Risikoreduktion © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

EDSS-Skala Der Schweregrad der Behinderungen von MS-Patienten wird häufig anhand der EDSS-Skala (Expanded Disability Status Scale), auch Kurztke-Skala, angegeben. Die Skala basiert auf neurologischen Untersuchungen und der Quantifizierung der maximal möglichen Gehstrecke mit und ohne Gehhilfe.

Bei EDSS-Grad 1 und 2 wird nach Symptomen unterteilt, z.B. Sehstörungen oder Schwindel. Ab dem EDSS-Grad 3 wird nach der Gehstrecke in Metern gewertet, die zurückgelegt werden kann. Bei EDSS 6 ist eine Gehhilfe erforderlich, ab EDSS 7 ein Rollstuhl.

RebiSmart™ Rebif® kann als einzige MS-Basistherapie mithilfe des RebiSmartTM verabreicht werden. Der elektronische Injektor ist auch bei eingeschränkter Geschicklichkeit einfach und sicher anzuwenden. Das Gerät speichert Datum, Zeitpunkt sowie Dosierung und erleichtert dem Patienten die Einhaltung des Therapieschemas. Außerdem lässt sich damit die Therapieadhärenz objektiv dokumentieren. Laut der READOUTsmart-Studie geht die Verabreichung von Interferon beta-1a s.c. mit dem RebiSmart™ mit einer hohen Adhärenz einher: Nach einem Beobachtungszeitraum von 3 Monaten waren 77 % der Patienten zu 100 % adhärent; das heißt, alle verschriebenen Injektionen wurden auch tatsächlich durchgeführt [8]. Informationen zu Injektionszeiten und verabreichten Dosen können gespeichert und drahtlos an den sicheren MSdialog-Server gesendet werden. Patienten, die MSdialog nutzen, können sich auch per E-Mail oder SMS an die Selbstapplikation ihres Medikaments erinnern lassen.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

57

von 56 % für die Konversion vom CIS zur klinisch gesicherten MS (CDMS). Basierend auf belegter Wirksamkeit, umfassender Erfahrung und bestätigter Sicherheit, auch in der langjährigen Anwendung, bleibt INF β-1a s.c. anerkannter Standard in der MS-Therapie. Zu neuen Therapieoptionen liegen bisher keine vergleichbaren Erfahrungen in diesem Umfang vor. So wurde laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) für Dimethylfumarat kein Zusatznutzen gegenüber Interferon beta-1a s.c. (3 × 44 µg) nachgewiesen [7]. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 PRISMS Study Group: Randomised double-blind placebo-controlled study of interferon beta-1a in relapsing/remitting multiple sclerosis, Lancet 1998;352:498-1504 2 The PRISMS Study Group and the University of British Columbia MS/MRI Analysis Group. PRISMS-4: Long-term efficacy of interferon beta-1a in relapsing MS. Neurology 2001;56:1628-1636 3 Message & Brand Performance Monitoring MS; Produkt + Markt Healthcare; Mai 2014 (n = 101, niedergelassene Neurologen) 4 Kappos L et al. Cumulative dose-effect of up to 15 years of subcutaneous interferon β-1a on clinical outcomes in relapsing-remitting multiple sclerosis: exploratory analysis of patients from the PRISMS study. 22nd Meeting of the European Neurological Society (ENS) 2012, Poster Nr. P470 5 Filippini G, Del Giovane C, Vacchi L et al. Immunomodulators and immunosuppressants for multiple sclerosis: a network meta-analysis. Cochrane Database Syst Rev 2013;6:CD008933. 6 Freedman MS, De Stefano N, Barkhof F et al. Patient subgroup analyses of the treatment effect of subcutaneous interferon b-1a on development of multiple sclerosis in the randomized controlled REFLEX study. J Neurol 2014;261:490-499 7 https://www.iqwig.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/dimethylfumarat-bei-ms-zusatznutzen-ist-nicht-belegt.6230.html 8 Rieckmann et al. 65th Annual Meeting of the American Academy of Neurology (AAN) 2013, Poster P01.166 © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

58

D

as Risikomanagement ist ein wichtiges Therapieziel bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD. Neue Studiendaten belegen, dass Roflumilast (Daxas®) die wesentlichen Risiken wie die Zahl an mittleren und schweren Exazerbationen sowie die Zahl an Hospitalisierungen nochmals signifikant reduzieren kann, wenn Patienten bereits eine maximale Therapie bestehend aus LABA, LAMA und ICS erhalten [1]. Wegweisende Ergebnisse der REACT-Studie

In der 52-wöchigen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie REACT (Roflumilast in the prevention of Exacerbations in COPD patients treated with Appropriate Combination Therapy) wurde erstmals in einer prospektiven Studie der Effekt von Roflumilast ergänzend zu einer Dual- oder Triple-Therapie geprüft. Primärer Endpunkt war die Rate an mittelschweren und schweren COPD-Exazerbationen pro Patient und Jahr, nach Intentto-treat-Prinzipien analysiert. Die 1.935 in die Studie eingeschlossenen Patienten mit schwerer COPD sowie chronischer Bronchitis und häufigen Exazerbationen erhielten zusätzlich zu einer Triple-Therapie aus einem lang wirksamen Beta-2-Agonisten (LABA), inhalativen Steroiden (ICS) und einem lang wirksamen Muskarinantagonisten (LAMA) (70 % der Studienteilnehmer) bzw. zu einer Dual-Therapie aus LABA plus ICS (30 % der Studienteilnehmer) entweder einmal täglich Roflumilast 500 µg oder Placebo. Die Ergebnisse von REACT stützen den Einsatz des Phosphodies-

Risikomanagement bei COPD:

Roflumilast reduziert Exazerbationen und Hospitalisierungen on Top zu Triple-Therapie

Roflumilast Roflumilast (Daxas®) ist ein Phosphodiesterase-4(PDE 4)-Inhibitor, der – im Gegensatz zu Inhalativa, die auf eine schnelle Linderung der Symptome abzielen – systemisch gegen die COPD-spezifische Entzündung wirkt [2]. Durch die einmal tägliche orale Gabe wird die Aktivität von PDE 4 reduziert und der Abbau von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) zu Adenosin-5-Monophosphat (5‘-AMP) verhindert. In der Folge werden die Funktion und Aktivität von Entzündungszellen gehemmt und Exazerbationen vermieden [3].

Roflumilast ist indiziert zur Dauertherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerer COPD (FEV1 nach Anwendung eines Bronchodilatators weniger als 50 % vom Soll) und chronischer Bronchitis sowie häufigen Exazerbationen in der Vergangenheit, begleitend zu einer bronchodilatatorischen Therapie [2].

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

terase-4-Inhibitors Roflumilast als zusätzliches Therapieprinzip neben Bronchodilatatoren und inhalativen Kortikosteroiden: Trotz bereits maximal dosierter TripleTherapie verringerte Roflumilast die Rate an schweren Exazerbationen nochmals um 24,3 % im Vergleich zu Placebo (p=0,0175) und die Rate an krankenhauspflichtigen Exazerbationen um 23,9  % (p=0,0209). In der gesamten Studienpopulation ging die Rate an mittleren bis schweren Exazerbationen um 13,2  % (p=0,0529, PoissonRegressionsanalyse) bzw. 14,2 % (p=0,424, neg. binominale Regression) zurück. Positive Auswirkungen auf die Lungenfunktion

Mit Roflumilast konnte in einem der sekundären Endpunkte eine

statistisch signifikante Verbesserung der Lungenfunktion im Vergleich zu Placebo erreicht werden, mit einer Erhöhung der FEV1 nach Bronchodilatation um 56 ml und Zunahme des FVC-Wertes um 92  ml (beide p<0,0001). Darüber hinaus zeigten sich nochmals leichte, aber dennoch signifikante Effekte auf den Einsatz von Notfallmedikation (p<0,0027).

tionstherapie alleine scheint bei Menschen mit COPD in den fortgeschrittenen Stadien nicht mehr Mittel der Wahl zu sein. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur

Fazit für die Praxis

Ein derartiger Effekt bei Patienten mit multipler Inhalationstherapie – vor allem auf die Rate der krankenhauspflichtigen Exazerbationen – konnte für einen COPDWirkstoff zum ersten Mal nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der REACT-Studie könnten daher zu einem Umdenken in der COPDTherapie führen – eine Inhala-

1 Martinez, et al. Effect of roflumilast on Exacerbations in patients with severe COPD uncontrolled by combination therapy: a multicentre randomised study. Lancet 2015;385:857-866 2 Fachinformation Daxas® Stand August 2013 3 Bateman ED, Izquierdo JL, Harnest U et al. Efficacy and safety of roflumilast in the treatment of asthma. Annals of Allergy, Asthma & Immunology 2006,96:679-686

Quelle: Pressekonferenz „REACT – Neue Studiendaten zum Einsatz von Roflumilast“ am 19. März 2015, Veranstalter Takeda GmbH

pharmazeutischen Unternehmen sowie von Vertreibern/Herstellern bestimmter Medizinprodukte zusammengefasst. In der vorliegenden Ausgabe findet sich das völlig überarbeitete Kapitel „Antidotarium“, erarbeitet unter der Federführung von Professor Florian Eyer und Dr. Norbert Felgenhauer, Klinikum rechts der Isar, München. Weitere Kapitel wurden aktualisiert, allen voran „Verschreiben von Betäubungsmitteln“ durch den Leiter der Bundesopiumstelle beim BfArM, Dr. Peter Cremer-Schaeffer. B. S.

ROTE LISTE® 2015 Die Daten der ROTE LISTE® 2015 sind ab sofort digital und in Buchform verfügbar, 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche: • online (www.rote-liste.de) • als App (ROTE LISTE® Medikamente) in den App Stores • als Buchausgabe • Daten im XML-/ACCESS-Format • Intranet-Version • AMInfo-DVD • Win-CD Die aktualisierte Version des Arzneimittelverzeichnisses umfasst knapp 20.000 Medikamente. Diese sind in 5.503 Präparate-Einträgen mit 6.685 Darreichungsformen und 19.370 Preisangaben von 428

59

Die ROTE LISTE® ist mit 275.000 Exemplaren das auflagenstärkste Arzneimittelverzeichnis in Deutschland. Neben der jährlich aktualisierten Buchausgabe sind verschiedene elektronische Publikationen und eine Online-Version verfügbar, die zweimal jährlich aktualisiert werden.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Die ROTE LISTE® 2015, Buchausgabe erhältlich ab April 2015 ISBN-13: 978-3-939192-90-9, Preis: 78,00 € inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten, Internet: www. rote-liste.de © VERLAG PERFUSION GMBH


INTERVIEW

60

„Trotz Basistherapie sind immer noch zu viele AsthmaPatienten symptomatisch“

Z

iel der Asthma-Therapie, wie es Leitlinien formulieren, ist eine weitgehende Symptomfreiheit [1]. Dennoch leiden viele Asthma-Patienten nachts an Atemnot und sind tagsüber weniger leistungsfähig in Beruf und Privatleben. Wie eine aktuelle Umfrage ergab, hat trotz verfügbarer Basistherapien* noch fast jeder zweite Asthma-Patient Symptome [2]. Was symptomatisches Asthma für die Patienten bedeutet und was dagegen getan werden kann, erläuterte PD Stephanie Korn, die als Studienkoordinatorin in verschiedenen klinischen Prüfungen sowie als Leiterin der Asthma- und COPD-Ambulanz am Universitätsklinikum Mainz Forschungsmit Praxiserfahrungen bei der Behandlung ihrer Patienten vereint, in einem Interview.

mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) und langwirksamen Beta2-Agonisten (LABA) immer noch Symptome haben. Dies deckt sich auch mit wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass gemessen an den Standards der Asthma-Kontrolle fast jeder zweite AsthmaPatient trotz verfügbarer Dauertherapien weiterhin Symptome hat [3, 4].

Bei einer aktuellen Umfrage unter Allgemeinmedizinern und Pneumologen gaben die befragten Ärzte an, dass bis zur Hälfte ihrer Asthma-Patienten trotz Basistherapie weiterhin Symptome aufweisen. Wie schätzen Sie das ein? Dr. Korn: In unserer Klinik stellen sich schwerpunktmäßig Patienten mit schwerem, unkontrolliertem Asthma vor und dementsprechend sehen wir überrepräsentativ viele Patienten, die trotz einer Therapie

Laut Umfrage waren Atemnot, Husten, Giemen in der Nacht und am Tag sowie Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. bei Alltagsaktivitäten diejenigen Symptome, unter denen Patienten weiterhin leiden. Was bedeutet diese mangelnde Symptomkontrolle für Asthma-Patienten? Dr. Korn: Anhaltende Beschwerden bedeuten für Patienten eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Sie können nicht wie gesunde Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dies kann etwa eine deutliche Beeinträchtigung bei einer Ausbildung oder im Beruf bedeuten, viele können keine sportlichen Aktivitäten ausüben oder ins Theater gehen. Unter Umständen ist es nicht einmal möglich, in den Urlaub zu fahren. Patienten, die dauerhaft unter Symptome leiden, zeigen oft auch ein erhöhtes Risiko für Exazerbationen.

* Therapie mit mindestens einem inhalativen Kortikosteroid (ICS) / einem langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA)

Warum sind Ihrer Meinung nach Asthma-Patienten trotz Basistherapie noch immer symptomatisch?

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

PD Dr. med. Stephanie Korn, Leiterin Klinische Forschung Pneumologie, Asthma- und COPD-Ambulanz, III. Medizinische Klinik und Poliklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Dr. Korn: Asthma wird häufig als leicht zu therapierende Erkrankung wahrgenommen. Patienten und Ärzte nehmen ein gewisses Maß an Rest-Symptomen in Kauf. Eine andere Begründung liegt möglicherweise darin, dass sich im Verlauf der Erkrankung wie bei vielen chronischen Erkrankungen die Wahrnehmung der Asthma-Patienten ändert. Die häufige Frage im Anamnesegespräche „Wie geht es Ihnen?“ wird oft mit „gut“ beantwortet. „Gut“ bedeutet jedoch in der Regel nicht „beschwerdefrei“, sondern „unverändert“ oder „wie immer“. Die immer noch vorhandenen Symptome werden nicht erwähnt, da man sich bereits daran gewöhnt hat. Dies deckt sich mit Untersuchungen, die gezeigt haben, dass über 90 % der Asthma© VERLAG PERFUSION GMBH


61

INTERVIEW

Patienten sich für optimal therapiert halten [3]. Was können Ärzte in der Praxis tun, um ihre Asthma-Patienten für eine weitgehende Symptomfreiheit zu sensibilisieren? Dr. Korn: Anstatt den Patienten wie üblich zu fragen, wie es ihm geht, wäre eine Option, ihn zu fragen: „Wenn man etwas von Ihrem Asthma sofort löschen könnte, was wäre das?“ Patienten, die nach wie vor Symptome haben, werden darauf die Einschränkungen oder Beschwerden nennen, die sie am meisten belasten. Zusätzlich kann der Arzt durch einfache Fragen im Gespräch mit dem Patienten gezielt dessen noch vorhandene Symptomlast erfragen [5]: • Wenden Sie Ihre Bedarfsmedikation häufiger als zweimal pro Woche an? • Werden Sie nachts öfter wach aufgrund von Atemnot oder Husten? • Ringen Sie öfter verstärkt nach Luft, z.B. bei Anstrengung oder Anspannung? Sobald nicht alle Fragen mit nein beantwortet werden, sollte eine Therapieanpassung in Betracht gezogen werden. Seit September 2014 ist Spiriva® (Tiotropium) Respimat® als Zusatztherapie für symptomatische Asthma-Patienten zugelassen. Was sind Ihre ersten Erfahrungen mit der neuen Behandlungsoption? Dr. Korn: Wir sehen in unserer Ambulanz viele Patienten, deren Asthma mit einer mittleren bis hohen ICS-Dosis und einem LABA nicht ausreichend kontrolliert ist und die damit Kandidaten für eine zusätzliche Therapie mit Tiotropium darstellen. Tiotropium führte bei einer Vielzahl solcher Patienten zu einer besseren Symptomkont-

rolle und damit besseren Lebensqualität. Dies deckt sich mit den umfassenden Studienergebnissen, die unter anderem eine Verbesserung der Lungenfunktion und eine Reduktion des Risikos für eine Verschlechterung des Asthmas um ca. 31 % gezeigt haben [6]. Wie bewerten Sie den Inhalator Respimat®, in dem Tiotropium für die Asthma-Therapie bereitgestellt wird? Dr. Korn: Der Respimat® ist ein innovatives Inhalationsgerät, das eine gleichmäßig strömende und lang anhaltende sanfte Sprühwolke erzeugt und Patienten eine leichte Inhalation ermöglicht; so werden feinst verteilte Mikro-Tröpfchen bis in die peripheren Lungenbereiche gebracht. Die „weiche Inhalation“ – wie sie von vielen Patienten beschrieben wird – ist insbesondere beim Asthma von Vorteil, da sie in der Regel keine Bronchialreizung auslöst. Darüber hinaus ist der Respimat® auch als Inhalationsgerät bei schwerer Obstruktion geeignet. Frau Dr. Korn, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Literatur 1 Global Initiative for Asthma (GINA). Global Strategy for Asthma Management and Prevention. http://www.ginasthma.org/ documents/4 2 Asthma-Umfrage im Auftrag von Boehringer Ingelheim, August 2014, durchgeführt von esanum.de 3 FitzGerald JM et al. Can Respir J 2006; 13:253-259 4 Holgate ST et al. BMC Pulm Med 2006; 6(Suppl 1):S2 5 Nationale Versorgungsleitlinie Asthma 2009, letztes Update 8/2013, http://www. versorgungsleitlinien.de/themen/asthma 6 Dhand R. J Aerosol Med 2005;18:261-263

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

OFEV® zur Therapie der idiopathischen Lungenfibrose Bislang gab es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten für die idiopathische Lungenfibrose (IPF) – eine Krankheit, deren Überlebensprognose schlechter ist als bei vielen Krebserkrankungen. Seit 15. März steht in Deutschland mit OFEV® (Nintedanib) eine neue Therapieoption für erwachsene IPF-Patienten zur Langzeitbehandlung ab einem frühen Krankheitsstadium zur Verfügung. Der niedermolekulare Tyrosinkinase-Inhibitor hemmt gezielt Signalwege, die an den Pathomechanismen der IPF beteiligt sind. IPF-Exazerbationen um 68 % reduziert

In beiden zulassungsrelevanten INPULSIS®-Phase-III-Studien reduzierte Nintedanib die jährliche Abnahme der Lungenfunktion (forcierte Vitalkapazität, FVC) bei einem breiten Patientenspektrum um etwa die Hälfte und verlangsamte damit die Krankheitsprogression signifikant. Nintedanib ist darüber hinaus die einzige Therapie, die das Auftreten adjudizierter akuter IPF-Exazerbationen nachweislich um 68 % reduziert hat. Die in den INPULSIS®-Studien nachgewiesene Wirksamkeit ging mit einem akzeptablen Nebenwirkungsprofil einher. Die häufigsten Nebenwirkungen waren gut beherrschbare gastrointestinale Beschwerden. Mit 2 × täglich einer Kapsel ist die Behandlung mit OFEV® einfach und praktikabel. E. W. © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

62

Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom:

Gute Verträglichkeit der physiologischen Steroidsubstitution unter Abirateronacetat-Therapie

D

as Prostatakarzinom ist in Deutschland mit 65.830 Erkrankungsfällen im Jahr 2010 die häufigste Krebserkrankung des Mannes. Bei den tödlich verlaufenden Tumorerkrankungen bei Männern steht das Prostatakarzinom hierzulande an dritter Stelle: 2010 verstarben 12.676 Patienten an seinen Folgen [1]. Therapieempfehlung laut Leitlinien

Beim metastasierten Prostatakarzinom erfolgt zunächst eine konventionelle antihormonelle Therapie. Die primäre Hormonmanipulation besteht in der Regel aus einer Androgendeprivationstherapie (ADT) mit LHRH-Analoga oder -Antagonisten; Möglichkeiten der sekundären und tertiären Hormonmanipulation sind die Addition eines Antiandrogens zur maximalen Androgenblockade und der Antiandrogenentzug. Diese Manipulationen verlieren jedoch mit der Zeit ihre Wirksamkeit, sodass der PSAWert wieder steigt. Da die Tumorzellen in diesem – vermeintlich hormonrefraktären – Stadium hormonabhängig bleiben, wird es heute metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC)

genannt [2]. Nach aktuellen Erkenntnissen tragen beim mCRPC mehrere Resistenzmechanismen dazu bei, dass der Androgenrezeptor trotz eines Testosteron-Serumspiegels unter der Kastrationsgrenze von <50 ng/dl aktiviert wird und der Tumor daher weiterhin Androgen-abhängig wächst [3]. Zudem persistiert die Androgenproduktion unter der konventionellen antihormonellen Therapie, weil diese nur auf die Hoden abzielt, die Androgenbiosynthese aber auch in den Nebennieren und den Tumorzellen stattfinden kann. Demgegenüber unterdrückt Abirateron die Androgenproduktion sowohl in den Hoden als auch in den Nebennieren und im Tumorgewebe selbst [4]. Gemäß der aktuellen Leitlinie der European Association of Urology (EAU) liegt ein mCRPC vor, wenn während einer ADT der Testosteron-Serumwert unter 50  ng/ dl oder 1,7 nmol/l liegt und ein biochemischer (PSA-Anstieg bei 3 aufeinander folgenden Kontrollen im Abstand von je einer Woche mit zweimaligem Anstieg um 50 % über Nadir und PSA-Wert >2 ng/ ml) oder radiologischer Progress (Auftreten von mindestens 2 Knochenläsionen oder Zunahme von Weichteilläsionen nach den RECIST-Kriterien) eintritt [3].

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Nach der aktuellen S3-Leitlinie sollte Patienten mit nicht oder mild symptomatischem mCRPC mit dem hier höchsten Empfehlungsgrad (B) Abirateronacetat angeboten werden. Alternativen, die verabreicht werden können, sind jeweils mit Empfehlungsgrad 0 Sipuleucel-T, wenn keine viszeralen Metastasen vorliegen, oder Docetaxel [5]. In der Zweitlinie nach Versagen von Docetaxel stellen – unter Berücksichtigung des Allgemeinzustands – Abirateronacetat, Enzalutamid, Cabazitaxel sowie bei ossärer Metastasierung Radium-223 von der S3-Leitlinie empfohlene Behandlungsmöglichkeiten dar [5]. Ziel der Kombination von Abirateronacetat mit Prednison oder Prednisolon

Die Zugabe von niedrig dosiertem Prednison oder Prednisolon zu Abirateronacetat (Zytiga®) ist eine physiologische Steroidsubstitution, von der die Patienten profitieren können. Abirateron, der aktive Metabolit von Abirateronacetat, führt aufgrund seiner hocheffektiven Hemmung der Androgenbiosynthese zu einer Androgenelimination. Damit einhergehend kommt © VERLAG PERFUSION GMBH


63

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Abirateronacetat Abirateronacetat (Zytiga®) ist ein steroidaler Androgenbiosynthese-Inhibitor. Abirateron, der aktive Metabolit, unterdrückt die beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom trotz Androgenentzugstherapie persistierende Androgenproduktion in den Hoden, den Nebennieren und dem Tumorgewebe [11]. Die European Medicines Agency (EMA) hat Zytiga® am 5. September 2011 basierend auf der Studie COU-AA-301 zugelassen in Kombination mit Prednison oder Prednisolon zur Behandlung des mCRPC bei erwachsenen Männern, deren Erkrankung während oder nach einer Docetaxelhaltigen Chemotherapie progredient ist. Am 18. Dezember 2012 erfolgte durch die EMA basierend auf der Studie COU-AA-302 die Indikationserweiterung für die Behandlung in Kombination mit Prednison/Prednisolon von nicht oder mild symptomatischen mCRPC-Patienten, bei denen nach Versagen der ADT eine Chemotherapie noch nicht klinisch indiziert ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sieht bei beiden Indikationen von Abirateronacetat basierend auf den Zulassungsstudien einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen [12, 13]. Zytiga® wurde inzwischen weltweit bei mehr als 150.000 Patienten eingesetzt.

es zum Abfall der Kortisol-Spiegel und zu einem Anstieg der Mineralkortikoid-Spiegel, die Nebenwirkungen wie Hypertonie, Hypokaliämie und Flüssigkeitsretention zur Folge haben können. Die Substitution mit niedrig dosiertem Prednison/Prednisolon bewirkt eine Normalisierung der physiologischen Kortisol- und eine Reduktion der Mineralkortikoid-Spiegel, was die Schwere und Inzidenz der mineralkortikoiden Nebenwirkungen verringert [6, 7]. Studien belegen geringe Inzidenz der Kortikoid-bedingten Nebenwirkungen

Nach einer aktuellen Analyse der Phase-III-Studien COU-AA-301 und COU-AA-302 führt die Substitution mit niedrig dosiertem Prednison/Prednisolon im Rahmen der Abirateronacetat-Therapie nicht zu einer Zunahme der Nebenwirkungen. Die Verträglichkeit

dieser physiologischen Steroidsubstitution ist auch bei langfristiger Anwendung vergleichbar zwischen dem Verum- und dem Kontrollarm [8]. Die Auswertung repräsentiert eine Prednison-/Prednisolon-Exposition von 2006 Patientenjahren. Demnach betrug die Inzidenz von Kortikoid-bedingten Nebenwirkungen 25 % bei allen Studienteilnehmern, 26 % bei den Teilnehmern unter Abirateron­ acetat plus Prednison/Prednisolon (Verum) und 23 % bei Teilnehmern unter Placebo plus Prednison/Prednisolon (Kontrolle). Die Inzidenz der Nebenwirkungen mit einem Schweregrad von ≥3 lag in diesen Gruppen bei 5 %, 5 % bzw. 4 %. Die häufigsten ≥3-Grad-Nebenwirkungen, die bei ≥0,1 % der Patienten vorkamen, waren Hyperglykämie (2 %), Katarakt (0,4 %), Diabetes mellitus (0,4 %), gastrointestinale Blutungen (0,3 %), Niereninsuffizienz (0,1 %), Hüftfraktur (0,1 %), Meläna (0,1 %) und osteoporotische spinale Kompres-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

sionsfraktur (0,1 %). Eine Zunahme des Körpergewichts (Grad 1/2) wurde in den genannten Gruppen bei 4 %, 4 % bzw. 5 % der Patienten beobachtet. Bei einer Auswertung in Abhängigkeit von der Dauer der Exposition (in 3-Monats-Intervallen bis zu ≥30 Monate) fluktuierten ≥3-Grad-Nebenwirkungen zwischen 1 % und 2 %, aber es zeigte sich kein Anstieg mit längerer Therapiedauer. Das galt ebenfalls für die Gewichtszunahme [8]. Signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens

In der Zulassungsstudie COUAA-302 hatte Abirateronacetat (1 × täglich 1000 mg) plus Prednison/ Prednisolon (2 × täglich 5 mg) bei nicht oder mild symptomatischen mCRPC-Patienten in der Erstlinientherapie das mediane Gesamtüberleben gegenüber Placebo plus Prednison/Prednisolon signifikant von 30,3 auf 34,7 Monate verlängert (Hazard Ratio 0,81; p=0,0033) [9]. Dies war zuvor ebenfalls in der Zulassungsstudie COU-AA-301 gelungen. Hier hatte Abirateron­ acetat plus Prednison/Prednisolon gegenüber Placebo plus Prednison/ Prednisolon bei mCRPC-Patienten in der Zweilinientherapie nach Versagen von Docetaxel das mediane Gesamtüberleben signifikant von 11,2 auf 15,8 Monate verbessert (HR 0,74; p<0,0001) [10]. In beiden Studien zeigte sich auch bei sekundären und weiteren Endpunkten eine signifikante Überlegenheit von Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Robert Koch-Institut, Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. (Hrsg.). Krebs in Deutschland 2009/2010. 9. Ausgabe. Berlin; 2013 © VERLAG PERFUSION GMBH


64

2 Miller K. Kastrationsresistentes Prostatakarzinom 2011. Aktuel Urol 2011;42:95102 3 Mottet N et al. Guidelines on prostate cancer. European Association of Urology 2014, Update April 2014: www.uroweb. org/guidelines/online-guidelines 4 Attard G et al. Selective inhibition of CYP17 with abiraterone acetate is highly active in the treatment of castration-resistant prostate cancer. J Clin Oncol 2009; 27:3742-3748 5 S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 3.1, Oktober 2014. AWMF Registernummer: 043/022OL. http://leitlinienprogrammonkologie.de/Leitlinien.7.0.html 6 Attard G et al. Phase I clinical trial of a selective inhibitor of CYP17, abiraterone acetate, confirms that castration-resistant prostate cancer commonly remains hormone driven. J Clin Oncol 2008;26:45634571 7 Auchus RJ et al. Use of prednisone with abiraterone acetate in metastatic castration-resistant prostate cancer. Oncologist 2014;19:1-10 8 Fizazi K et al. Assessment of corticosteroid-associated adverse events with longterm exposure to low-dose prednisone given with abiraterone acetate to metastatic castration-resistant prostate cancer patients . ASCO-GU 2015, 26.-28.2.2015, Orlando, Florida, USA, General Poster Session A: Prostate Cancer, BOARD H5: Abstr 169: h t t p : / / a b s t r a c t s . a s c o . o rg / 1 5 9 / A b s tView_159_141201.html 9 Ryan CJ et al. Abiraterone acetate plus prednisone versus placebo plus prednisone in chemotherapy-naive men with metastatic castration-resistant prostate cancer (COU-AA-302): final overall survival analysis of a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 study. Lancet Oncol 2015;16:152-160 10 Fizazi K et al. Abiraterone acetate for treatment of metastatic castration-resistant prostate cancer: final overall survival analysis of the COU-AA-301 randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 study. Lancet Oncol 2012;13:983-992 11 Aktuelle Fachinformation Zytiga® 12 Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII – Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V – Abirateronacetat, Stand: 29.3.2012: https://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/19/ 13 Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII – Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V – Abirateronacetat (neues Anwendungsgebiet), Stand 4.7.2013: https://www.g-ba.de/ informationen/nutzenbewertung/60/

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Fortgeschrittenes Mammakarzinom:

Hohe Effektivität von Everolimus auch nach Exemestan-Vorbehandlung

D

ie derzeit in Deutschland in rund 400 Zentren laufende Beobachtungsstudie BRAWO liefert kontinuierlich aktuelle Daten zur Therapie mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus (Afinitor®) in Kombination mit dem Aromatase-Inhibitor Exemestan unter den Routinebedingungen des klinischen Alltags. Eine neue, auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) präsentierte Subgruppenanalyse der ersten 500 Teilnehmerinnen spricht für den Nutzen dieses Regimes in unterschiedlichen Kollektiven und belegt ein mit den bisherigen Erfahrungen übereinstimmendes Sicherheitsprofil [1]. Für die nicht interventionelle Studie sollen rund 3.000 Patientinnen mit fortgeschrittenem, hormonrezeptorpositivem (HR+), HER2-negativem Mammakarzinom dokumentiert und ein Jahr lang nachbeobachtet werden. Die Einschlusskriterien sind breiter als in der zulassungsrelevanten Studie BOLERO-2, da auch mit Exemestan und mehr als einer Chemotherapie vorbehandelte Patientinnen aufgenommen werden können. Damit wird BRAWO relevante Daten für die Anwendung von Everolimus im klinischen Alltag liefern. Der Abschluss der Auswertung ist für Dezember 2016 geplant. Die Studie wird unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Seno-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

logie (DGS), vom Arbeitskreis klinische Studien (AKS) und der Deutschen Sporthochschule Köln. Das primäre Studienziel ist die Auswertung der Therapieeffektivität (PFS) und deren Beeinflussung durch körperliche Aktivität. Sekundäre Studienparameter sind die Lebensqualität und ihre Beeinflussung durch körperliche Aktivität, die Prophylaxe und Handhabung von Stomatitis in der klinischen Routine sowie Erkenntnisse zu Therapiesequenz und Arzneimittelanwendung. Kombination aus Everolimus und Exemestan als Erst- oder Zweitlinientherapie

Mehr als die Hälfte der 500 bis jetzt ausgewerteten Patientinnen in BRAWO (55 %) erhielt Everolimus plus Exemestan als Erst(28,8 %) oder Zweitlinientherapie (26,2 %) nach Versagen eines nicht steroidalen Aromatase-Inhibitors beim fortgeschrittenen, HR+, HER2/neu-negativen Mammakarzinom. Dieses Verordnungsverhalten entspricht den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), die den Einsatz der Kombination beim hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom in diesem Setting mit dem höchsten Empfehlungsgrad (++) bewertet (Erstlinienempfeh© VERLAG PERFUSION GMBH


65

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

lung bei Frührezidiv innerhalb von 12 Monaten) [2]. Die Rationale der Kombination von Everolimus als mTOR-Inhibitor in Kombination mit dem Aromatase-Inhibitor Exemestan liegt in der Resistenzüberwindung und Hemmung der Proliferation beim fortgeschrittenen Mammakarzinom [3, 4, 5]. Längeres progressionsfreies Überleben bei frühem Einsatz

Das progressionsfreie Überleben der ersten 500 Patientinnen liegt im Median bei 8,0 Monaten (95%-KI: 6,7–9,1) und entspricht damit dem im Gesamtkollektiv der BOLERO2-Studie beobachteten progressionsfreien Überleben (7,8 Monate vs. 3,2 Monate unter Placebo, HR 0,45, 95%-KI: 0,38–0,54 [lokale radiologische Beurteilung]) [6]. Everolimus war besonders effektiv bei Patientinnen, die die Kombination nach Versagen eines nicht steroidalen Aromatase-Inhibitors beim fortgeschrittenen, HR+, HER2/neu-negativen Mammakarzinom als Erst- oder Zweitlinientherapie erhielten (PFS 10,1 Monate [95%-KI: 6,7–17,6] bzw. 10,3 Monate [95%-KI: 8,2–12,2]). Auch dieses Ergebnis bestätigt die Daten aus BOLERO-2 zur First-Line-Therapie (11,5 Monate vs. 4,1 Monate unter Placebo, HR=0,39, 95%-KI: 0,25–0,62 [lokale radiologische Beurteilung]) [7] und spricht für den frühen Einsatz von Everolimus im Rahmen der Therapiesequenz. Vergleichbar effektiv auch bei Exemestan-Vorbehandlung

Anders als in der Phase-III-Studie wird Everolimus plus Exemestan in BRAWO auch bei mit Exemes­

tan vorbehandelten Patientinnen eingesetzt und erwies sich in dieser Subgruppe mit einem progressionsfreien Überleben von 8 Monaten (95%-KI: 5,3–11,6) als ebenso effektiv wie im Gesamtkollektiv [1]. Zudem war die Effektivität von Everolimus plus Exemestan mit 7,2 Monaten (95%-KI: 5,5– 19,0) bei hormonsensitiver und 8,0 Monaten (95%-KI: 6,2–10,3) bei hormoninsensitiver Erkrankung vergleichbar hoch und damit unabhängig vom Ansprechen auf die vorherige Hormontherapie [1]. Eine gute Wirksamkeit der Kombination wurde auch in der Subgruppe von Patientinnen mit langem rezidivfreiem Intervall nach adjuvanter Therapie beobachtet: Das progressionsfreie Überleben unter Everolimus plus Exemestan betrug im Median 14 Monate (95%-KI: 4,0–NR [not reached]), d.h. länger als ein Jahr, ohne Progression [1]. Frühzeitiger Therapienutzen bei gutem Verträglichkeitsprofil

BRAWO dokumentiert die Erfahrungen beim Everolimus-Einsatz im Praxisalltag. Den breiten Nutzen einer Therapie mit Everolimus hatte BOLERO-2 gezeigt: Hier erzielte jede zweite Patientin (51,3 %) unter der Kombination mit Exemestan einen frühzeitigen und lang anhaltenden Therapienutzen (vs. 26,4 % unter Placebo plus Exemestan, p<0,0001), mehr als zwei Drittel der Patientinnen zeigten unter Therapie mit Everolimus plus Exemestan einen Rückgang in der Tumorlast [8]. Die Ergebnisse zur Sicherheit und Verträglichkeit von Everolimus plus Exemestan in BRAWO sind konsistent mit den bisher beim fortgeschrittenen Mammakarzinom berichteten Daten und

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

bestätigen das gut etablierte Verträglichkeitsprofil. Häufigste Nebenwirkung ist die Stomatitis, die meist Grad 1 (23,2 %) oder Grad 2 (17,0 %) erreichte (Grad 3 und 4: 3,4 % bzw. 0,2 %). Der Anteil an Patientinnen mit Stomatitis war in BRAWO niedriger als in BOLERO-2 (39,8 % vs. 59 %) [1]. Die Compliance im Verlauf der Everolimus-Therapie war gut: Bei mehr als 90 % der Patientinnen lag die Einnahmerate in den ersten 12 Behandlungsmonaten zwischen 80 und 100 % [1]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Jackisch C et al. Subgroup analysis of efficacy in routine treatment – Results of the 2nd interim analysis of BRAWO, the non-interventional trial “Breast Cancer Treatment With Everolimus and Exemestane for HR+ Women”. SABCS 2014; Poster P5-19-12 2 Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO). Guidelines Breast Version 2014.1D. Diagnostik und Therapie primärer und metastasierter Mammakarzinome: Endokrine und zielgerichtete Therapie des metastasierten Mammakarzinoms. Online unter: http://www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/maerz2014/de/2014D_19_Endokrine_und_ zielgerichtete_Therapie_metastasiertes_ Mammakarzinom.pdf. Zuletzt aufgerufen am 16.12.2014 3 Boulay A et al. Dual inhibition of mTOR and estrogen receptor signaling in vitro induces cell death in models of breast cancer. Clin Cancer Res 2005;11:5319-5328 4 Baselga J et al. Phase II randomized study of neoadjuvant everolimus plus letrozole compared with placebo plus letrozole in patients with estrogen receptor-positive breast cancer. J Clin Oncol 2009;27:2630-2637 5 Beeram M et al. Akt-induced endocrine therapy resistance is reversed by inhibition of mTOR signaling. Ann Oncol 2007;18: 1323-1328 6 Yardley DA et al. Everolimus plus exemestane in postmenopausal patients with HR+ breast cancer: BOLERO-2 final progresion-free survival analyses. Adv Ther 2013;30:870-884 7 Beck JT et al. Everolimus plus exemestane as first-line therapy in HR+, HER2-advanced breast cancer in BOLERO-2. Breast Cancer Res Treat 2014;143:459-467 8 Burris H et al. Characterization of response to everolimus in BOLERO-2: A phase III trial of everolimus plus exemestane in postmenopausal women with HR+, HER2- advanced breast cancer. SABCS 2013; Poster P2-16-17 © VERLAG PERFUSION GMBH


66

S

eit Kurzem ist das rein orale, interferonfreie Therapieregime von AbbVie, bestehend aus VIEKIRAX® (Ombitasvir/ Paritaprevir/Ritonavir) + EXVIE­ RA® (Dasabuvir) mit oder ohne Ribavirin (RBV), zur Behandlung der chronischen Hepatitis C vom Genotyp 1 (GT1) in Deutschland verfügbar. Mit VIEKIRAX® + EXVIERA® kann eine große Bandbreite von Patienten behandelt werden, darunter selbst bislang schwer zu behandelnde Patienten mit kompensierter Leberzirrhose, HCV-HIV-Koinfektion und nach Lebertransplantation. Die Behandlungsdauer beträgt für fast alle Patientengruppen einheitlich 12 Wochen. Zudem erhielt VIEKIRAX® mit RBV die Zulassung für die Behandlung von HCV-Patienten mit Genotyp 4 (GT4). Fast 100%ige Chance auf Heilung

Die Marktzulassung der Europäischen Kommission am 15. Januar 2015 erfolgte auf Grundlage von 6 klinischen Phase-III-Studien, in denen mit VIEKIRAX® + EXVIERA® mit oder ohne RBV insgesamt 97 % der chronischen HCV-Patienten mit Genotyp 1 geheilt werden konnten, darunter mehr als 99 % aller Patienten mit Genotyp-1b-Infektion ohne Zirrhose sowie 96 % der GT1-Patienten mit Zirrhose – eine bislang schwer zu behandelnde Patientengruppe [1–7]. In den klinischen Phase-III-Studien schlossen 98 % der Patienten die Therapie mit VIEKIRAX® + EXVIERA® mit oder ohne RBV ab. Die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen bei der Therapie mit VIEKIRAX® + EXVIERA® mit oder ohne RBV war sowohl in den Phase-II- als auch in den Phase-IIIStudien gering (0,2 %) [1–7].

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Chronische Hepatitis C: Neues interferonfreies Therapieregime besticht durch hohe Heilungsraten Erstes HCV-Therapieregime mit drei direkt antiviral wirksamen Substanzen

VIEKIRAX® + EXVIERA® ist das erste und einzige in Deutschland verfügbare HCV-Therapieregime, das 3 direkt antiviral wirksame Substanzen (direct-acting antivirals, DAA) mit unterschiedlichen Wirkmechanismen und sich nicht überlappenden Resistenzprofilen miteinander kombiniert. So wird das Hepatitis-C-Virus in verschiedenen Phasen des viralen Lebens-

zyklus angegriffen [1, 2]. Die Zulassung von VIEKIRAX® + EXVIERA® stützt ein großes, robustes klinisches Studienprogramm mit über 2300 GT1-Patienten in mehr als 25 Ländern, darunter auch Deutschland [3–9]. Es war darauf ausgerichtet, die Sicherheit und Wirksamkeit des Therapieregimes zu untersuchen. Das Studienprogramm schließt das bislang größte HCV-Phase-III-Studienprogramm bei GT1-Patienten ein. Unter anderem beinhaltete es eine separate Studie, die ausschließ-

VIEKIRAX® + EXVIERA® VIEKIRAX® + EXVIERA® sind zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit einer chronischen HCV-Infektion vom Genotyp 1, einschließlich Patienten mit kompensierter Leberzirrhose, zugelassen. VIEKIRAX® besteht aus der Fixdosiskombination aus Paritaprevir 150 mg (NS3/4A-Protease-Inhibitor) und Ritonavir 100 mg mit Ombitasvir 25 mg (NS5A-Inhibitor) 1× täglich. EXVIERA® besteht aus Dasabuvir 250 mg (nichtnukleosidischer NS5B-Polymerase-Inhibitor) 2× täglich. VIEKIRAX® + EXVIERA® werden mit oder ohne Ribavirin (RBV) verabreicht, das ggf. 2× täglich gegeben wird. Für GT4-Patienten besteht das Therapieregime aus einer Fixdosiskombination aus Paritaprevir/Ritonavir (150 mg/100 mg) mit Ombitasvir (25 mg) 1× täglich sowie RBV 2× täglich. Während der Therapie mit VIEKIRAX® + EXVIERA® steht den Patienten in Deutschland AbbVie Care zur Verfügung, ein speziell auf die Bedürfnisse der Patienten ausgerichtetes, kostenloses Unterstützungsprogramm. Es bietet Hilfe für Arzt und Patient und umfasst mehrsprachige Informationsmaterialien, einen Erinnerungsservice für die Medikamenteneinnahme und Arzttermine sowie eine kostenfreie Service-Hotline (Mo–So, 8–22 Uhr).

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


67

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Die Entwicklung der HCV-Therapie 1986

1990–1995

1996 1998

2000–2006

2011

2014

2014/2015

Der Erfolg von Interferon-alpha (INF-alpha) bei der Behandlung der Hepatitis B führt bereits vor der Entdeckung des Hepatitis-C-Virus zu einer Pilotstudie bei Patienten mit NANB-Hepatitis an den amerikanischen National Institutes of Health. Erste positive Ergebnisse veranlassen weitere kontrollierte Studien, die eine teilweise Wirksamkeit von INF-alpha bei Patienten mit NANB-Hepatitis belegen. Eine dreimal tägliche Gabe von INF-alpha über 24 Wochen führt zu einer End-of-treatment-response bei ca. einem Drittel der Patienten. Die meisten Patienten erleiden jedoch einen Rückfall, sodass das anhaltende virologische Ansprechen (sustained virologic reponse, SVR) bei nur 6 % liegt. Studien zur Bestimmung einer angemessenen Dosierung sowie der notwendigen Therapiedauer zeigen, dass eine Verlängerung der Therapie mit INF-alpha auf 48 Wochen die SVR-Raten auf ca. 16 % erhöht. Die Therapie ist allerdings mit bestimmten Nebenwirkungen verbunden, z.B. grippeähnlichen Symptomen, Müdigkeit, Gewichtsverlust und Depression. Zudem bestehen zahlreiche Kontraindikationen, sodass viele Patienten nicht für eine Therapie mit Interferon infrage kommen. Es zeigt sich, dass Ribavirin alleine zwar die Leberwerte im Serum senkt, nicht jedoch die Vermehrung des Virus in der Zelle.

Ribavirin wird in Kombination mit INF-alpha untersucht – mit Erfolg. Die SVR-Raten steigen auf ca. 34 % bei einer Therapiedauer von 24 Wochen und auf 42 % bei einer Therapiedauer von 48 Wochen. Durch die Gabe von Ribavirin kommen jedoch weitere Nebenwirkungen zu den bereits bestehenden hinzu, insbesondere Anämie. Dies führt dazu, dass viele Patienten die Therapie abbrechen oder erst gar nicht behandelt werden wollen.

Durch die sog. Pegylierung wird die Pharmakokinetik von Interferon verbessert. Dies führt zu einer weiteren Erhöhung der SVR-Raten sowie zu einer Verringerung der In­ jektionsfrequenz. An der schlechten Verträglichkeit ändert sich jedoch nichts. Studien, die die einmal wöchentliche Injektion von pegyliertem Interferon über 48 Wochen untersuchen, ergeben SVR-Raten von ca. 39 %. In Kombination mit Ribavirin steigen die Heilungsraten auf ca. 54–56 %. Weitere Untersuchungen zeigen, dass die SVR-Raten bei Patienten mit Genotyp 2 und 3 höher liegen (76–82 %) als bei Patienten mit Genotyp 1 (42–46 %). Zudem genügt bei Patienten mit Genotyp 2 und 3 eine Therapiedauer von 24 Wochen, wohingegen Patienten mit Genotyp 1 über 48 Wochen behandelt werden müssen.

Mit den Proteaseinhibitoren der ersten Generation kommen die ersten direkt antiviral wirksamen Substanzen auf den Markt. Sie greifen direkt in den Replikationszyklus des Virus ein und hemmen diesen. In Kombination mit pegyliertem Interferon und Ribavirin werden bei Patienten mit Genotyp 1 SVR-Raten von mehr als 70 % erreicht. Allerdings kommen für die Patienten weitere Nebenwirkungen hinzu wie teilweise schwere Hautausschläge und anorektale Beschwerden. Die sogenannte Triple-Therapie wird zum Standard of Care. Mit der Zulassung einer neuen Generation direkt antiviral wirksamer Substanzen werden die SVR-Raten weiter erhöht. Patienten mit Genotyp 1 erreichen jetzt mit einer TripleTherapie Heilungsraten von knapp 90 %. Die Therapiedauer liegt in der Regel bei nur noch 12 Wochen. Genotyp-1-Patienten mit Kontraindikationen oder Unverträglichkeit von INF-alpha und gleichzeitiger dringender Therapieindikation können erstmals interferonfrei behandelt werden.

Auch die Therapie von Patienten mit Genotyp 1 wird durchgehend interferonfrei. Neu zugelassene Therapieregime wie VIEKIRAX® + EXVIERA® mit bis zu 3 direkt antiviral wirksamen Substanzen mit oder ohne Ribavirin läuten eine neue Ära in der HCV-Therapie ein. Jetzt können nahezu 100 % der Patienten in kurzer Zeit bei geringen Relapseraten und guter Verträglichkeit geheilt werden.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

© VERLAG PERFUSION GMBH


68

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

lich Patienten mit kompensierter Leberzirrhose untersuchte, sowie einen Head-to-Head-Vergleich mit der Triple-Therapie mit Telaprevir. Die wichtigsten Ergebnisse fasst Studienleiter Professor Stefan Zeuzem, Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Frankfurt am Main, zusammen: „Die Heilungsraten in den Phase-III-Studien waren über die verschiedenen Patientenpopulationen vergleichbar, unabhängig davon, welchen Subtyp die Patienten hatten, ob sie bereits vorbehandelt waren oder eine Leberzirrhose vorlag. Das heißt, alle Prädiktoren, die bei der interferonbasierten The-

rapie einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Heilung hatten, spielen jetzt keine oder nur noch eine untergeordnete Rolle.“ Elisabeth Wilhelmi, München

Das topisch wirksame Steroid Budesonid (Budenofalk®) ist die Therapie der Wahl bei mild bis moderatem ileozökalem Morbus Crohn. Zudem ist Budenofalk® weltweit das einzige Arzneimittel, das zur Therapie der kollagenen Kolitis zugelassen ist. Seine spezielle Galenik setzt den Wirkstoff ab dem terminalen Ile­um mit wirksamen Spiegeln im Kolon frei. Der Wirkstoff wird bei der ersten Leberpassage zu über 90 % abgebaut, sodass eine hohe Wirksamkeit an der Darmschleimhaut mit einer geringen Rate systemischer Nebenwirkungen resultiert.

7

Literatur 1 Fachinformation VIEKIRAX® (Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir). Stand der Information: Januar 2015 2 Fachinformation EXVIERA® (Dasabuvir). Stand der Information: Januar 2015 3 Feld JJ et al. Treatment of HCV with ABT450/r-ombitasvir and dasabuvir with ribavirin. N Engl J Med 2014;370:1594-1603 4 Zeuzem S et al. Retreatment of HCV with ABT-450/r-ombitasvir and dasabuvir with tibavirin. N Engl J Med 2014;370:16041614 5 Andreone P et al. ABT-450, ritonavir, ombitasvir, and dasabuvir achieves 97% and

Vereinfachte Therapie – bessere Compliance

Budenofalk® 3mg Kapseln jetzt auch als Einmaldosierung bei Morbus Crohn und kollagener Kolitis

6

Seit Kurzem sind Budenofalk® 3 mg Kapseln für die tägliche Einmaldosierung in den Indikationen Morbus Crohn und kollagene Kolitis zugelassen. Die Möglichkeit, die gesamte Tagesdosis von 3 Kapseln Budenofalk à 3 mg Budesonid in einer Einmal gabe einzunehmen, vereinfacht die Therapie dieser chronisch entzündlichen Darmerkrankungen deutlich. Das dürfte sich günstig auf die Compliance der Patienten und damit auch auf den Behandlungserfolg auswirken. Die Zulassung für den mild bis moderaten ileozökalen Morbus Crohn (200 < CDAI* < 400) erfolgte basierend auf den Ergebnissen einer randomisierten, doppelblinden, double-dummy Studie an 471 Patienten. Diese wurden 8 Wochen entweder mit einer 1× täglichen Dosis von 9 mg Budesonid oder 3× * CDAI: Crohn’s Disease Activity Index

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

8

9

100% sustained virologic response with or without ribavirin in treatment-experienced patients with HCV genotype 1b infection. Gastroenterol 2014;147:359-365 Ferenci P et al. ABT-450/r-ombitasvir and dasabuvir with or without ribavirin for HCV. N Engl J Med 2014;370:1983-1992 Poordad F et al. ABT-450/r-ombitasvir and dasabuvir with ribavirin for hepatitis C with cirrhosis. N Engl J Med 2014; 370:1973-1982 Clinicaltrials.gov. A study to evaluate the efficacy and safety of three experimental drugs compared with telaprevir (a licensed product) in people with hepatitis C virus infection who have not had treatment before (MALACHITE 1). https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01854697 Clinicaltrials.gov. A study to evaluate the efficacy and safety of three experimental drugs compared with telaprevir (a licensed product) for treatment of chronic hepatitis C infection in treatment-experienced adults. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/ NCT01854528

täglich mit einer Dosis von 3 mg Budesonid behandelt. Als primärer Endpunkt wurde die klinische Remission (CDAI < 150 nach 8 Wochen) definiert. Beide Therapieregime waren vergleichbar gut wirksam und verträglich. So wurde der primäre Endpunkt von 71,3 % Patienten in der 9-mg-Gruppe und von 75,1 % in der 3×3 mg-Gruppe erreicht. Die Nebenwirkungsrate war mit 4,6 % vs. 4,7 % in beiden Behandlungsarmen niedrig. Bei der akuten kollagenen Kolitis konnten mit 1× täglich 9 mg Budesonid 80 % der Patienten nach 8 Wochen in klinische Remission (≤3 Stühle pro Tag) gebracht werden. Die mediane Zeit bis zum Erreichen der klinischen Remission betrug unter diesem Regime nur 7 Tage. Das zugelassene Therapieregime zur Behandlung der Autoimmunhepatitis bleibt weiterhin 3× täglich 3  mg (morgens, mittags, abends). E. W.

© VERLAG PERFUSION GMBH


69

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Ü

ber 75 % der Patienten, die an der Parkinson-Krankheit leiden, werden mit Levodopa behandelt. Eine längerfristige Therapie mit Levodopa führt allerdings zu ernsthaft einschränkenden motorischen Fluktuationen, Phasen der normalen Bewegungsfunktion (ON-time) und Phasen beeinträchtigter Bewegungsfunktion (OFF-time) wechseln einander ab. Außerdem kommt es bei vielen Patienten durch die hochdosierte Medikation mit Levodopa bei fortschreitender Krankheit zu unwillkürlichen Bewegungen, die als Levodopa induzierte Dyskinesien (LID) bekannt sind. Im Verlauf erhält der Patient daher weitere Medikamente, wobei der Fokus auf der Behandlung der Symptome sowie der Einschränkung von LID und „OFF-time“-Effekten von Levodopa liegt. Aktuelle Therapien zielen auf das dopaminerge System, das in die Pathogenese der Parkinson-Krankheit involviert ist, und die meisten Medikamente wirken durch die Erhöhung der dopaminergen Übertragung, die zu einer Verbesserung der motorischen Symptome führt. Problematisch sind jedoch Parkinson-Symptome wie die Dyskinesie, die sich durch die dopaminergischen Therapien nicht kontrollieren lassen. Mit Safinamid (Xadago®) steht seit dem 27. Februar 2015 eine Behandlungsoption zur Verfügung, die eine Kontrolle dieser motorischen Symptome ermöglicht, denn der neue Wirkstoff beeinflusst neben dem dopaminergen auch das nicht dopaminerge System. Zugelassen ist Safinamid zur Behandlung der idiopathischen Parkinson-Krankheit im mittleren bis späten Stadium mit motorischen Fluktuationen als Zusatztherapie zu einer konstanten Dosis von Levodopa allein oder in Kom-

Safinamid – eine neue Option zur Behandlung von Parkinson-Patienten im mittleren bis späten Stadium

bination mit anderen ParkinsonMitteln. Dualer Wirkmechanismus

Safinamid ist ein neuer chemischer Wirkstoff mit einem einzigartigen Wirkmechanismus, der zugleich dopaminerge und nicht dopaminerge Systeme beeinflusst. Einerseits sorgt der Wirkstoff für eine selektive und reversible Hemmung der Monoaminoxidase B (MAO-B) und verlängert somit die dopaminerge Wirkung, andererseits kommt es durch die Blockade der spannungsabhängigen Natriumund Kalziumkanäle zu einer Hemmung der Glutamatausschüttung. Klinische Studien haben bestätigt, dass Safinamid eine ausgewogene Kontrolle motorischer Symptome und motorischer Komplikationen ermöglicht, die auch langfristig (über 2 Jahre) anhält. Die Ergebnisse aus den doppelblinden, kontrollierten Studien über 24 Monate zeigen, dass Safinamid eine signifikante Wirkung auf die motorischen Fluktuationen (ON/OFF-Zeit) hat, ohne das Risiko für Dyskinesien zu erhöhen. Safinamid ist sicher und gut verträglich, hat ein geringes Nebenwirkungsprofil und zeigt keine

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

bedeutsamen Arzneimittelwechselwirkungen. Das Medikament ist einfach anwendbar durch eine einmalige tägliche Dosierung. Es ist keine Anpassung der L-DopaDosis erforderlich und es müssen aufgrund seiner hohen MAO-B/ MAO-A-Selektivität keine diätetische Einschränkungen beachtet werden. Fazit für die Praxis

Da Levodopa im Lauf einer langjährigen Einnahme mit motorischen Komplikationen einhergehen kann, besteht Bedarf an alternativen Therapieoptionen. Die gezielte Einwirkung mit Safinamid auf nicht dopaminerge Systeme könnte eine solche Alternative darstellen, um motorischen Komplikationen zu begegnen bzw. sie zu kontrollieren, die Wirksamkeit von L-Dopa zu erhöhen und zudem eine Dosissteigerung sowie eine dadurch bedingte Zunahme motorischer Komplikationen zu vermeiden. Auf diese Weise ließe sich die ON-Zeit bei Patienten mit motorischen Fluktuationen unter alleiniger oder kombinierter Levodopa-Therapie verbessern. Fabian Sandner, Nürnberg © VERLAG PERFUSION GMBH


70

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Neue Therapieoption bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen:

Remsima® – das erste Infliximab-Biosimilar

W

enn bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen die First-Line-Therapien nicht mehr ausreichend wirksam sind (z.B. DMARDs, disease-modifying anti-rheumatic drugs bei RA, NSAR, nicht steroidale Antirheumatika bei AS, 5-ASA-Präparate oder Kortikosteroide bei CED, Retinoide bei Psoriasis), werden seit Jahren erfolgreich TNF-α-Blocker eingesetzt. Das breite Einsatzgebiet der TNF-α-Blocker erklärt sich dadurch, dass TNF-α eine zentrale Rolle im Rahmen der Pathogenese all dieser mit Autoimmunprozessen einhergehenden chronisch-entzündlichen Erkrankungen spielt. Je nach Erkrankung manifestieren sich die Folgen an den Gelenken, der Haut, dem Gastrointestinaltrakt oder verschiedenen Organen gleichzeitig. Durch die Blockade von TNF-α werden die Entzündungsprozesse reduziert. Seit Februar 2015 steht mit Remsima® das erste Biosimilar des TNF-α-Blockers Infliximab (Remicade®) zur Verfügung. Die Ergebnisse der Zulassungsstudien PLANETAS und PLANETRA, haben gezeigt, dass Remsima® sowohl bezüglich pharmakokinetischer Parameter, wie der Bioverfügbarkeit, als auch in den klinischen Parametern Wirksamkeit und Sicherheit eine hohe Ähnlichkeit mit Remicade® aufweist. Die European Medicines Agency (EMA) hat das Biosimilar daher

für alle Indikationen zugelassen, in denen auch das Referenzpräparat zugelassen ist: rheumatoide Arthritis (RA), ankylosierende Spondylitis (AS), Psoriasis-Arthritis (PsA), Psoriasis (Pso) sowie den beiden chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) (beide inkl. Kinder und Jugendliche von 6–17 Jahren). Echte Alternative zu Originalpräparaten

Nach Ablauf des Patentschutzes können für Biologika „Biosimilars“ auf den Markt kommen, die laut Definition der EMA „Ähnlichkeit zum medizinischen Referenzprodukt hinsichtlich biologischer Aktivität, Sicherheit und Wirksamkeit aufweisen, basierend auf einer umfassenden Vergleichbarkeitsprüfung“ [1]. Aufgrund der umfangreichen Prüfungen ist sichergesellt, dass „ein zugelassenes Biosimilararzneimittel [...] genauso wirksam und sicher [ist] wie das Referenzarzneimittel. Es wird gewöhnlich in derselben Dosis zur Behandlung derselben Krankheiten verwendet wie das Referenzarzneimittel“ [2]. Zugelassene Biosimilars unterscheiden sich demnach nicht klinisch relevant von den Originalprodukten, sowohl bezogen auf die Wirksamkeit als auch auf die

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Immunogenität. Sie bewegen sich in einem molekularen Variationskorridor, der von den Originatorprodukten vorgegeben ist. Eine – ebenfalls klinisch nicht relevante – Variabilität kann man sogar zwischen den verschiedenen Chargen desselben Produktes nachweisen. Biosimilars sind aus pharmazeutischer Sicht daher eine echte Alternative zu den Originalprodukten. In vielen Ländern wird das Infliximab-Biosimilar bereits in der Praxis angewendet (z.B. Norwegen, Portugal, Finnland, Südkorea); insgesamt wurden bereits mehr als 4.000 Patienten erfolgreich mit Remsima® behandelt. Head-to-Head-Studien belegen vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit

Das neue Infliximab-Biosimilar wurde in 2 randomisierten doppelblinden Multicenterstudien ge­ prüft, der Phase-I-Studie PLANETAS [3] mit 250 AS-Patienten und der Phase-III-Studie PLANETRA [4] mit 606 RA-Patienten (in Kombination mit Methotrexat + Folsäure). Dabei zeigte sich eine äquivalente Bioverfügbarkeit zwischen Remsima® und Remicade®. Darüber hinaus belegen die Phase-I-Daten ein frühes Therapieansprechen der AS-Patienten auf Remsima® – vergleichbar mit Remicade®. Auch in der Langzeittherapie (über 102 Wo© VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

71

Abbildung 1: In der Phase-I-Studie PLANETAS erzielte Remsima® eine mit Remicade® vergleichbare Wirksamkeit bezüglich der 20- und 40%igen ASAS-(Assessment of SpondyloArthritis international Society)-Scores [3, 5].

Abbildung 2: In der Phase-III-Studie PLANETRA reduzierte Remsima® die Krankheitsaktivität bei Patienten mit RA vergleichbar gut wie Remicade®, gemessen an den ACR20, ACR50 und ACR70 (American College of Rheumatology)-Scores [4, 6].

chen) war Remsima® erfolgreich: 63,9 % der Patienten erreichten in der Extensionsphase der Studie, in der die gesamte Studienpopulation Remsima® erhielt, bis Woche 102 eine mindestens 40%ige Verbesserung des ASAS(Assessment of SpondyloArthritis international Society)-Scores [5]. Die Phase-III-Studie PLANETRA bestätigte die Äquivalenz beider Substanzen [4]. Bis Woche 30 erreichten rund 60 % der Patienten beider Gruppen eine mindestens 20%ige Verbesserung der Symptomatik im ACR(American College

of Rheumatology)-Score. Ebenso wie bei Patienten der PLANETASStudie blieb der Therapieeffekt in beiden Gruppen bis Woche 102 erhalten (Abb. 2) [6]. Auch die Antikörperbildung war unter beiden Substanzen vergleichbar. Umfassende Zulassung wie Remicade®

Aufgrund der in Phase I nachgewiesenen analogen Pharmakokinetik fordert die Europäische Arzneimittelagentur EMA zur Zulassung

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

eines Biosimilars in allen Indikationen, in denen die Referenzsubstanz zugelassen ist, nur eine klinische Prüfung in der sensitivsten Indikation, im Fall Remsima® RA. Daher hat die EMA Remsima® die umfassende Zulassung für alle Indikationen, in denen auch Remicade® zugelassen ist (RA, AS, PsA, Pso, MC, CU), erteilt [7]. Wie wird Remsima® verabreicht?

Die Gabe von Infliximab erfolgt als intravenöse Infusion durch qua© VERLAG PERFUSION GMBH


72

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL/KONGRESSE

lifiziertes medizinisches Fachpersonal. Anders als bei der Selbstinjektion subkutan verabreichter TNF-α-Blocker durch die Patienten hat der Arzt hierdurch die Kontrolle, dass die Therapie in den vorgesehenen Intervallen erfolgt. Kommt es während der Infusion zu schweren Reaktionen, können sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 EMA Guideline 2012: Guideline on similar biological medicinal products containing monoclonal antibodies – non-clinical and clinical issues 2 Pro Generika e.V. (Hrsg.). Handbuch Biosimilars, S. 20 3 Park W et al. A randomised, double-blind, multicentre, parallel-group, prospective study comparing the pharmacokinetics, safety, and efficacy of CT-P13 and innovator infliximab in patients with ankylosing spondylitis: the PLANETAS study. Ann Rheum Dis 2013;72:1605-1612 4 Yoo DH et al. A randomised, double-blind, parallel-group study to demonstrate equivalence in efficacy and safety of CT-P13 compared with innovator infliximab when coadministered with methotrexate in patients with active rheumatoid arthritis: the PLANETRA study. Ann Rheum Dis 2013;72:1613-1620 5 Park W et al. Efficacy and safety of CTP13 (infliximab biosimilar) over two years in patients with ankylosing spondylitis: comparison between continuing with CTP13 and switching from infliximab to CTP13. American College of Rheumatology/ Association of Reproductive Health Professionals (ACR/ARHP) Annual Meeting, San Diego, CA, USA, 25.–30. Oktober 2013, Abstract #L15 6 Yoo DH et al. Efficacy and safety of CTP13 (infliximab biosimilar) over two years in patients with rheumatoid arthritis: comparison between continued CT-P13 and switching from infliximab to CT-P13. American College of Rheumatology/Association of Reproductive Health Professionals (ACR/ARHP) Annual Meeting, San Diego, CA, USA, 25.–30. Oktober 2013, Abstract #L1 7 http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/ document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/002576/ WC500151486.pdf

Wirksame Behandlungs­ optionen für Patienten mit lebensbedrohlichen Lungenerkrankungen Anlässlich eines Pressegesprächs der Roche Pharma im Rahmen der 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) erörterten Experten die medikamentösen Behandlungsoptionen bei lebensbedrohlichen Lungenerkrankungen. Wie Dr. Stefan Frings, Medizinischer Direktor bei Roche, ausführte, hat das Unternehmen mit dem antifibrotischen Wirkstoff Pirfenidon (Esbriet®) sein Portfolio in der Pneumologie um die Indikation der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) erweitert. Avastin® (Bevacizumab) stellt in der First-Line-Therapie des nicht kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) einen wichtigen Kombinationspartner dar. In der SecondLine-Therapie ist Tarceva® (Erlotinib) aufgrund der Balance aus Wirksamkeit und Lebensqualität eine wertvolle Therapieoption. IPF: Bewährte Therapie mit Pirfenidon

Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 20−40 % liegt die Sterblichkeitsrate bei der idiopathischen Lungenfibrose höher als bei manchen Malignomen. Wichtigste Therapieziele sind deshalb die Reduktion der Mortalität und die Verlangsamung der Krankheitsprogression. Mit der EU-Zulassung von Pirfenidon im Jahr 2011 wurde es erstmals möglich, eine leichte bis mittelschwere IPF bei Erwachsenen zu behandeln. Der

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

innovative antifibrotische Wirkstoff hat sich seit mehr als 3 Jahren als wirksame und verträgliche Therapieoption bewährt. Wie aktuelle gepoolte Daten der Zulassungsstudien zeigen, verringerte sich die Gesamtmortalitätsrate innerhalb der ersten 12 Monate unter Pirfenidon um 48 %. Parallel dazu verminderte sich die Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) um 45 %. Darüber hinaus reduzierte die Pirfenidon-Behandlung den Patientenanteil mit signifikanter Krankheitsprogression um 48 %. „IPF kann Betroffene in ihrer Lebensqualität stark einschränken. Schon bei kleinen körperlichen Belastungen wie Treppensteigen kommt es zu Atemnot“, betonte Professor Andreas Günther, Gießen. Nach seiner Erfahrung bietet Pirfenidon eine effektive Therapieoption für die medikamentöse Langzeittherapie: „Die Patienten profitieren sowohl von einem längeren Überleben als auch von einem langsameren Voranschreiten der Erkrankung. Daraus resultiert eine deutlich bessere Lebensqualität.“ NSCLC: Bevacizumab als wirksame Ergänzung zur Chemotherapie

In der First-Line-Therapie des NSCLC können Ärzte bessere Therapieergebnisse erzielen, indem sie zusätzlich zur Chemotherapie Bevacizumab (Avastin®) einsetzen. Wie die Daten der SAiL-Studie belegen, wurde bei dieser Vorgehensweise das mediane Gesamtüberleben von mehr als 14 Monaten konsistent bei allen Chemotherapie-Schemata erreicht. Hierzu zählen auch Patienten, die Bevacizumab zusammen mit einer Cis­ platin-haltigen Dublette erhalten hatten. In Kombination mit Carbo© VERLAG PERFUSION GMBH


73

KONGRESSE

platin zeigte sich in der Subgruppe der Patienten mit Adenokarzinom ein deutlicher Überlebensvorteil von 3,9 Monaten gegenüber einer alleinigen Chemotherapie. Die Erhaltungskollektive mehrerer Studien belegen mediane Überlebenszeiten von durchschnittlich 18 Monaten bei Patienten, die auf die First-Line-Therapie mit Bevacizumab mit einer Remission oder Krankheitsstabilisierung ansprachen. Bei Gabe des Antikörpers gelang es, 7 von 10 Patienten zum Abschluss der Induktion stabil oder besser zu halten. „Durch die hohe Wirksamkeit kann eine Progression oftmals hinausgezögert werden“, erläuterte Professor Dr. Wolfgang Schütte, Halle an der Saale, den Vorteil für die Patienten. „Daher ist Bevacizumab eine adäquate Therapieoption – auch für ältere Patienten, die meist Komorbiditäten aufweisen.“ Der VEGF-Antikörper wird in den aktuellen Guidelines der European Society for Medical Oncology (ESMO) in der First-Line-Therapie des fortgeschrittenen NSCLC zweimal mit dem höchsten Empfehlungsgrad bewertet. Wirksame NSCLC-Behandlung mit Erlotinib in der Second-Line-Therapie

Studiendaten beim fortgeschrittenen NSCLC bestätigen, dass Erlotinib (Tarceva®) wirksam und verträglich ist und die Lebensqualität der Betroffenen erhält. So reduziert die First-Line-Therapie mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor das Progressionsrisiko von Patien­ ten mit fortgeschrittenem, EGFRMutations-positivem NSCLC gegenüber einer platinbasierten Chemotherapie signifikant um 66 %. In der Second- oder Third-

Line-Therapie verbessert Erlotinib das Gesamtüberleben bei NSCLC-Patienten aller histologischen Subgruppen, die für eine weitere Chemotherapie nicht geeignet waren. Die Wirksamkeit nach einer Platin-Vorbehandlung ist unabhängig vom EGFR-Mutationsstatus. Auch Lungenkrebstypische Beschwerden wie Husten, Dyspnoe, Schmerzen traten seltener auf und die physische Funktion (31 vs. 19 %; p=0,03) und die globale Lebensqualität (35 vs. 26 %; p<0,0001) verbesserten sich. „Hinzu kommt, dass die flexible, orale Anwendung zu einer höheren Lebensqualität beiträgt“, so Schütte. „Für viele Patienten ist Erlotinib daher eine wertvolle Alternative zur Chemotherapie in der Second-Line-Therapie“, resümierte er. Die Empfehlungen der ESMO-Guidelines erwähnen Erlotinib als wertvolle Therapieoption in der Zweitlinie unabhängig vom EGFR-Mutationsstatus und bestätigen somit diese Einschätzung. Elisabeth Wilhelmi, München

Aflibercept in der Zweitlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms Der Wirkstoff Aflibercept vermittelt infolge seiner breiten antiangiogenetischen Wirksamkeit signifikante Überlebensvorteile bei Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom und Versagen einer Erstlinientherapie. Von der Behandlung profitieren den Daten zufolge alle Patientensubgruppen. Dabei ist Aflibercept gut verträglich und weist im klinischen Alltag sogar noch eine deutlich geringere Toxizität auf als in der Zulassungs-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

studie, wie aktuelle, beim ASCOGI in San Francisco vorgestellte Befunde einer Phase-IIIb/IV-Studie belegen. Dies betrifft auch ältere Patienten sowie Patienten mit Bevacizumab-Vorbehandlung, erläuterten Experten beim Pressegespräch „4. Expertise CRC“ in Berlin im Nachgang zum Kongress. Breit wirksame Angiogenesehemmung

Bei der Behandlung des kolorektalen Karzinoms (CRC) hat es in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich Fortschritte gegeben. Beigetragen dazu hat laut Professor Ralf Hofheinz, Mannheim, nicht zuletzt die Zulassung des Wirkstoffs Aflibercept (Zaltrap®), eines rekombinanten Fusionsproteins, das eine breit wirksame Angiogenesehemmung vermittelt. Denn Aflibercept inhibiert sowohl VEGF A (Vascular Endothelial Growth Factor) als auch VEGF B sowie den plazentaren Wachstumsfaktor PIGF (Placenta Growth Factor). Der Wirkstoff ist indiziert zur Zweitlinientherapie in Kombination mit einer Chemotherapie aus Irinotecan/5-Fluorouracil/Folinsäure (FOLFIRI) bei Progress des metastasierten CRC (mCRC) unter oder nach einem Oxaliplatinhaltigen Regime. Signifikanter und klinisch relevanter Überlebensvorteil

Die gute klinische Wirksamkeit von Aflibercept wurde in der Zulassungsstudie VELOUR dokumentiert. In der Studie wurden 1226 Patienten mit mCRC nach Versagen einer Oxaliplatin-haltigen Chemotherapie placebokontrolliert mit FOLFIRI oder © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

74

FOLFIRI plus Aflibercept behandelt. 28 % der Patienten waren mit Bevacizumab vortherapiert. Die zusätzliche Gabe des Angiogenesehemmers Aflibercept führte zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens als primärem Endpunkt der Studie von 12,1 auf 13,5 Monate, berichtete PD Dr. Stefan Kasper, Essen. „Damit wurde für Aflibercept ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Überlebensvorteil bei der Zweitlinientherapie des mCRC belegt“, betonte der Onkologe. Besonders bemerkenswert ist aus seiner Sicht, dass die Überlebenskurven nicht quasi in Bananenform verlaufen, sondern praktisch von Beginn an über den gesamten bisherigen Beobachtungszeitraum von 36 Monaten kontinuierlich weiter auseinanderweichen. „Es gibt somit eindeutig Patienten, denen Aflibercept langfristig nutzt“, folgerte Kasper. Von Aflibercept profitieren alle Subgruppen

Die Ergebnisse der VELOUR-Studie wurden nach seinen Angaben unter anderem auch auf mögliche prognostische Biomarker und auch auf prädiktive Marker für das Ansprechen auf den Angiogenesehemmer analysiert. Es zeigte sich, dass Patienten mit einem hohen VEGF-A-Level insgesamt eine eher schlechte Prognose haben, die Behandlung mit Aflibercept jedoch die Prognose dieser Patienten auf das Niveau von Patienten mit niedrigen VEGF-A-Leveln verbessern kann. Auch bei Patienten mit einem hohen Interleukin-8-Level ist die Prognose schlecht und diese Patienten profitieren laut Kasper in besonderem Maße von der Behandlung mit Aflibercept.

Für Aflibercept spricht dabei auch die Tatsache, dass in den vorliegenden Studien kein negativer prädiktiver Biomarker für die Wirksamkeit des Angiogenesehemmers zu identifizieren war, dass es also keinen Hinweis auf einzelne Subpopulationen gab, die keinen Nutzen von der Behandlung hatten. Signifikanter Überlebensvorteil auch nach BevacizumabVorbehandlung

Bestätigt wird die gute klinische Wirksamkeit bei zugleich guter Verträglichkeit in einer Interimsanalyse der Phase-IIIb/IV-Studie ASQoP/AFEQT zur Therapiesicherheit und Lebensqualität unter Aflibercept. An der Studie nehmen laut PD Dr. Sebastian Stintzing, München, rund 1000 Patienten weltweit teil, davon 44 Patienten in 20 Zentren in Deutschland, die in etwa der Patientenpopulation in der VELOUR-Studie entsprechen. Primärer Studienendpunkt ist die Therapiesicherheit, sekundärer Endpunkt die Lebensqualität. In der aktuellen Zwischenauswertung wurden die Daten von 730 Patienten analysiert mit einer medianen Zyklenzahl von 6 bis zum Data cut-off. Die Patienten waren im Mittel 61,6 Jahre alt, 33,3 % der Teilnehmer waren älter als 65 Jahre und rund 10 % sogar älter als 75 Jahre. Insgesamt 56 % der Patienten waren mit Bevacizumab vorbehandelt, wobei auch in diesem Kollektiv analog zu den Beobachtungen in der VELOUR-Studie ein signifikanter Überlebensvorteil einer Zweitlinienbehandlung mit Aflibercept resultierte. „Die Daten belegen somit eindeutig, dass Aflibercept auch nach einer vorherigen Bevacizumab-Gabe noch wirksam ist“, betonte Stintzing.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Aflibercept erwies sich in der Studie ASQoP/AFEQT sogar als noch besser verträglich als in der VELOUR-Studie. So lag die Rate der Grad-3/4-Nebenwirkungen bei 72 % gegenüber 83 % in der VELOUR-Studie mit insbesondere einer deutlich geringeren Häufigkeit an Diarrhöen. Kein Unterschied bestand hinsichtlich der Toxizität zwischen den Patienten, die mit Bevacizumab vorbehandelt worden waren, und denen, die zuvor noch keinen Angiogenesehemmer erhalten hatten. Bei älteren Patienten war laut Stintzing die Nebenwirkungsrate erwartungsgemäß insgesamt etwas höher als im Gesamtkollektiv, in der ASQoP/AFEQT-Studie war die Rate der Grad-3/4-Nebenwirkungen jedoch ebenfalls um mehr als 10 % geringer als in der kontrollierten klinischen VELOUR-Studie. Die auftretenden Nebenwirkungen wie etwa eine Hypertonie waren in aller Regel gut zu kontrollieren. Hoffnung auf weitere Fortschritte durch neue Biomarker

Weitere Fortschritte bei der Behandlung des mCRC sind nach Meinung der Experten durch die Etablierung neuer prädiktiver wie auch prognostischer Biomarker zu erwarten. Denn die Entwicklung neuer spezifischer Behandlungsverfahren ist in der modernen Krebsmedizin eng an die Entwicklung von Biomarkern geknüpft. Bislang wird zur Therapiesteuerung beim CRC lediglich die RASMutation klinisch genutzt. „Wir brauchen jedoch dringend weitere Marker, die für die Behandlung richtungsweisend sind“, forderte Professor Hofheinz in Berlin. Elisabeth Wilhelmi, München © VERLAG PERFUSION GMBH


75

KONGRESSE

Kombination aus Oxycodon und Naloxon: signifikant überlegen bei neuropathischem und nozizeptivem Schmerz Eine neue Auswertung der nicht interventionellen Studie im PROBEDesign (prospective, randomized, open-label, blinded endpoint) der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) zeigt, dass insbesondere Patienten mit Rückenschmerzen neuropathischer Genese von der Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon (Targin®) im Vergleich zu Oxycodon und Morphin profitieren. Die Daten stellte PD Dr. Michael Überall, Präsident der Deutschen Schmerzliga e.V., Vizepräsident der DGS und Medizinischer Direktor des Instituts für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie in Nürnberg, im Rahmen des Deutschen Schmerzund Palliativkongresses in Frankfurt am Main vor. In die Studie wurden insgesamt 901 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen aufgenommen. Voraussetzung war eine nicht ausreichende Vortherapie mit NichtOpioidanalgetika bzw. schwach wirksamen Opioiden der WHOStufe 2. Erste Auswertungen der PROBE-Studie hatten bereits gezeigt, dass die Kombination aus Oxycodon und Naloxon auch bei chronischen Rückenschmerzen nozizeptiven Ursprungs signifikant stärker wirksam sowie überlegen verträglich war. Dabei lag die 70-%-Responderquote für Oxycodon/Naloxon bei neuropathischen bzw. nozizeptiven Rückenschmerzen bei 51,1 % bzw. 49,6 %, während die entsprechenden Quoten für Oxycodon mit 33,3  % (p<0,001) bzw. 36,2 % (p=0,007) und für Morphin mit 28,8  %

(p<0,001) bzw. 33,1 % (p=0,001) signifikant niedriger waren. Oxycodon/Naloxon auch bei Alltagsfunktionalität und Lebensqualität überlegen

Analog zur Verbesserung der Schmerzintensität war Oxycodon/ Naloxon hinsichtlich therapierelevanter Endpunkte wie „Alltagsfunktionalität“ und „Lebensqualität“ sowohl für nozizeptive als auch neuropathische Schmerzen signifikant überlegen. Die Werte für neuropathische Schmerzen lagen auch hier höher als für nozizeptive Schmerzen. Für den Bereich Alltagsaktivität bei neuropathischen bzw. nozizeptiven Schmerzen betrug die 70-%-Responderquote unter Oxycodon/Naloxon 51,1  % bzw. 46,8 %, für Oxycodon 21,6 % bzw. 27,4 % (jeweils p<0,001) und für Morphin 11,5 % bzw. 23,5 % (p<0,001 für beide). Für den Bereich Lebensqualität lagen die Werte unter Oxycodon/Naloxon bei 55,3 % bzw. 51,9 %, für Oxycodon bei 13,8 % bzw. 19,6 % (jeweils p<0,001) und für Morphin bei 7,7 % bzw. 12,5 % (p<0,001 für beide). Günstiges Sicherheitsprofil sichert Therapieadhärenz

Die gute Lebensqualität unter Oxycodon/Naloxon spiegelte sich in den Daten zur Verträglichkeit wider. „In dieser Studie konnte eindrucksvoll nachgewiesen werden, dass Rückenschmerz-Patienten unter Oxycodon/Naloxon nicht nur von einer effektiven Schmerzlinderung profitieren, sondern auch von der überlegenen Verträglichkeit“, kommentierte Studienleiter Überall. „Nebenwirkungen können die Compliance der Patienten

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

stark beeinträchtigen und sogar zum Abbruch der Behandlung führen.“ Hier zeige sich der therapeutische Vorteil der Fixkombination in besonderem Maße. Die mit dem Bowel Function Index (BFI) gemessene Darmfunktion lag zu Studienende bei der Behandlung mit Oxycodon/Naloxon bei 30,1 und somit im Normbereich. Unter Morphin und Oxycodon waren die Werte mit 53,6 und 48,3 deutlich höher, die Darmfunktion war somit im Vergleich zu Oxycodon/ Naloxon stark eingeschränkt. Weitere Studien bestätigen die überlegene Verträglichkeit von Targin® – auch im Hinblick auf Übelkeit, Bauchschmerzen und Schwindel – verglichen mit Tramadol, Tilidin/ Naloxon, Fentanyl, Morphin und Oxycodon allein. Adhärenz als Indiz für gute Verträglichkeit

Mit durchschnittlich 10,2 Wochen war die Dauer der Studienteilnahme bei mit Oxycodon/Naloxon behandelten Patienten signifikant länger als in der Morphin- und OxycodonGruppe mit 9,0 bzw. 9,3 Wochen. Dies ist ein Indiz für die gute Verträglichkeit. Zudem war die Anzahl der Patienten, die die Behandlung vorzeitig abgebrochen haben, bei Gabe der Fixkombination deutlich niedriger. Während unter Morphin 129 und unter Oxycodon 115 Patienten die Therapie vorzeitig beendeten, waren es unter der Fixkombination nur 76 (p<0,001). „Die Studie bestätigt damit nicht nur unsere Erwartungen einer grundsätzlich besseren Verträglichkeit von Oxycodon/Naloxon, sondern überraschenderweise auch dessen analgetische Überlegenheit“, resümierte Überall. Fabian Sandner, Nürnberg © VERLAG PERFUSION GMBH


WISSENSWERTES

76

Premiere für neues Doppel bei COPD:

Fixkombination Brimica® Genuair® Mit Brimica® Genuair® ist der bei COPD am häufigsten eingesetzte langwirksame Beta-RezeptorAgonist (LABA) Formoterol als Fixkombination mit dem langwirksamen Muskarin-RezeptorAntagonisten (LAMA) Aclidinium erhältlich. Die LAMA/LABAFixkombination aus 400 µg Aclidiniumbromid und 12 µg Formoterolfumarat wird zweimal täglich verabreicht und ist indiziert zur bronchialerweiternden Erhaltungstherapie zur Linderung von Symptomen bei Erwachsenen mit COPD. Basis für die Zulassung waren die Studien ACLIFORM-COPD und AUGMENT. Brimica® Genuair® verbesserte die Lungenfunktion der Patienten gegenüber den jeweiligen Monotherapien sowie Placebo signifikant. Eine klinisch bedeutsame bronchodilatatorische Wirkung zeigte sich innerhalb von 5 Minuten nach Erstdosis-Gabe. Der Effekt hielt über das gesamte Dosierungsintervall an. Schnelle und anhaltende Symptomlinderung im Fokus

Die Rationale für eine Fixkombination von Aclidinium und Formoterol war die Zusammenstellung zweier Wirkstoffe, die sich bei der Bronchodilatation in ihrem pharmakologischen Profil ergänzen: Von Formoterol erwartete man sich einen raschen Wirkbeginn, von Aclidinium einen lang anhal-

tenden Effekt über viele Stunden. Die koprimären Studienendpunkte von ACLIFORM-COPD (n=1729) und AUGMENT (n=1692) waren daher so angelegt, dass sie nicht nur die Wirkung von Aclidinium/ Formoterol gegenüber Placebo, sondern auch den Zusatznutzen gegenüber den Monotherapien prüfen konnten. Für die Erfassung der Zusatzwirkung von Formoterol wurde die FEV1 eine Stunde nach Gabe der Substanzen gemessen. Sie verbesserte sich unter der Fixkombination in der ACLIFORM-COPD-Studie nach 24 Wochen vs. Placebo im Mittel um 299 ml, in der AUGMENT-Studie um 284 ml (jeweils p<0,0001). Die entsprechenden Ergebnisse vs. 400 μg Aclidiniumbromid-Monotherapie waren 125 ml (ACLIFORM-COPD) bzw. 108 ml (AUGMENT) (p<0,0001). Zum Einschätzen der Zusatzwirkung von Aclidinium wurde die FEV1 unmittelbar vor Verabreichung dokumentiert: Hier zeigte Brimica® Genuair® vs. 12 μg Formoterolfumarat eine Verbesserung um 85  ml (ACLIFORM-COPD, p<0,0001) bzw. Um 45 ml (AUGMENT, p=0,01). Gegenüber Placebo ergab sich eine Verbesserung um durchschnittlich 143 ml (ACLIFORM-COPD) bzw. 130 ml (AUGMENT) (jeweils p<0,0001). Gute Linderung der Atemnot und weniger Exazerbationen

Seit 2011 betont die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) in ihren Empfehlungen, dass COPD-Schweregrade nicht mehr ausschließlich nach der Lungenfunktion, sondern auch nach Symptomschwere und Exa-

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

zerbationsrisiko eingeteilt werden sollen. Für Brimica® Genuair® wurde eine klinisch bedeutsame Verbesserung der Atemnot (gemessen mit dem Transitional Dyspnoea Index, TDI) um im Mittel 1,29 Einheiten vs. Placebo in der ACLIFORM-COPD-Studie (p<0,0001) und um im Mittel 1,44 Einheiten in der AUGMENT-Studie (p<0,0001) nach 24 Wochen festgestellt. Eine Verbesserung von mehr als einer Einheit wird als klinisch relevant angesehen. Erneut ließ sich eine Überlegenheit der dualen Bronchodilatation gegenüber den Monotherapien dokumentieren: vs. Aclidinium durchschnittlich um 0,4 Einheiten (p=0,016), vs. Formoterol um 0,5 (p=0,009) (gepoolte Analyse ACLIFORM-COPD und AUGMENT). Die Studien ACLIFORM-COPD und AUGMENT untersuchten zudem die Reduktion der Häufigkeit mittelschwerer bis schwerer Exazerbationen gegenüber Placebo. Die gepoolte Analyse zeigte eine durchschnittliche Senkung um 29 % gegenüber der Placebogabe (0,29 vs. 0,42; p=0,036). Bewährter Multidose-Inhalator

Als Inhalator dient der bewährte Genuair®, der nicht nur durch eine akustische und optische Feedbackfunktion besonders patientenfreundlich ist, sondern auch als vorbefüllter Inhalator sofort angewendet werden kann. Patienten, die bisher eine Monotherapie mit Aclidinium (Bretaris® Genuair®: 2 × tgl. 400 µg Aclidiniumbromid) erhielten, müssen sich zudem bei der Therapieeskalation nicht an ein neues System gewöhnen. F. S.

© VERLAG PERFUSION GMBH


77

WISSENSWERTES

Ärzte ohne Grenzen startet Rettungseinsatz im Mittelmeer „Im Mittelmeer entsteht ein Massengrab, und die europäische Politik ist verantwortlich dafür“, sagt Loris De Filippi, Präsident der internationalen humanitären Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Italien. Im Mai wird Ärzte ohne Grenzen selbst in Kooperation mit MOAS (Migrant Offshore Aid Station) Rettungsfahrten auf dem Mittelmeer beginnen, ein Einsatz, der in den kommenden Wochen durch andere Maßnahmen verstärkt werden soll. Bitte unterstützen Sie diese Aktion durch eine Spende! Titelbild: Heroinabhängigen muss geholfen werden, denn Opioidabhängigkeit ist eine schwere, chronische Erkrankung. Durch die Behandlung mit einem Ersatzstoff, zumeist Methadon, seit Kurzem auch mit retardiertem Morphin (Substiol®), haben die Betroffenen die Chance, sich zunächst gesundheitlich und sozial zu stabilisieren und sich dann beruflich zu rehabilitieren. Mehr Informationen finden Sie unter www.bitte-substituieren-sie.de (Quelle: Mundipharma Deutschland GmbH & Co. KG).

Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2015 · 24. JAHRGANG

Die Zeitschrift erscheint 6mal im Jahr; Jahresabonnement € 66,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Einzelheft € 11,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Studenten-Abo zum halben Preis. Der Abonnementpreis ist im Voraus zahlbar. Stornierungen sind bis 6 Wochen vor Ablauf eines Kalenderjahres möglich. Abonnementbestellungen direkt beim Verlag. Geschäftsführerin: Sibylle Michna Anschrift wie Verlag

Erfüllungsort: Puschendorf Gerichtsstand: Fürth

Fälle höherer Gewalt, Streik, Aussperrung und dergleichen entbinden den Verlag von der Verpflichtung auf Erfüllung von Aufträgen und Leistungen von Schadensersatz.

Satz: Rolf Wolle, Schwabacherstr. 117 90763 Fürth

Chefredaktion: Brigitte Söllner (verantwortlich) Anschrift wie Verlag

Druck und Verarbeitung: DRUCK_INFORM GmbH In der Büg 8 91330 Eggolsheim

Herstellung/Layout: HGS5 – Rolf Wolle Schwabacherstr. 117 90763 Fürth Werbung, Beratung, Verkauf: Sibylle Michna Anschrift wie Verlag Die Annahme von Werbeanzeigen impliziert nicht die Empfehlung durch die Zeitschrift; die in den Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Auffassungen drücken nicht unbedingt die der Herausgeber, des wissenschaftlichen Beirates oder des Verlages aus. Der Verlag behält sich alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung jeglicher Art, sowie die Übersetzung vor. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

VERLAG

PERFUSION Verlag PERFUSION GmbH Storchenweg 20 90617 Puschendorf Telefon: 09101/990 11 10 Fax: 09101/990 11 19 www.Verlag-Perfusion.de E-Mail: perfusion@t-online.de

Journal

© VERLAG PERFUSION GMBH


GAS GEBEN Länger aktiv leben – was gibt es Wichtigeres? Außergewöhnliches Gesamtüberleben1 · 34,7 Monate im Median Gute Verträglichkeit im Alltag1 · ZYTIGA® + Prednison/Prednisolon bewährt bei über 150.000 Patienten

mCRPC: Starten Sie mit ZYTIGA® unmittelbar bei Progress unter LHRHa 1. Ryan CJ, et al. Lancet Oncol 2015; published online January 16, 2015; http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(14)71205-7.

Zeit zum Leben

q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Daher ist es wichtig, jeden Verdacht auf Nebenwirkungen in Verbindung mit diesem Arzneimittel zu melden. ZYTIGA® 250 mg Tabletten. Wirkstoff: Abirateronacetat. Zusammensetz.: Jede Tabl. enth. 250 mg Abirateronacetat. Sonst. Bestandt.: Mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Povidon (K29/K32), hochdisperses Siliciumdioxid, Natriumdodecylsulfat. Anw.geb.: Zusammen m. Prednison od. Prednisolon; z. Bhdlg. d. metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms b. erwachs. Männern m. asympt. od. mild sympt. Verlauf d. Erkr. nach Versagen d. Androgenentzugsther., b. denen e. Chemother. noch nicht klin. indiz. ist sowie z. Bhdlg. d. metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms b. erwachs. Männern, deren Erkr. währ. od. nach e. Docetaxel-halt. Chemother. progredient ist. Gegenanz.: Überempfindl. gg. Abirateronacetat od. einen d. sonst. Bestandt.; Leberschäden, schwere Leberfunkt.störg. (Child-Pugh-Klasse C); nicht z. Anw. b. Frauen sowie b. Kindern u. Jugendl.. Nebenwirk.: Sehr häufig: Harnwegsinfekt., Hypokaliämie, Hypertonie, Diarrhö, periph. Ödeme; häufig: Sepsis, Hypertriglyceridämie, Herzinsuff. (auch kongest. Herzinsuff., linksventrik. Dysfunkt. u. vermind. Ejektionsfraktion), Angina pect., Arrhythmie, Vorhofflimmern, Tachykardie, Dyspepsie, erhöhte Alaninaminotransferase, erhöhte Aspartataminotransferase, Hautausschlag, Hämaturie, Frakturen (alle m. Ausn. d. patholog. Frakturen); gelegentlich: Nebenniereninsuff., Myopathie, Rhabdomyolyse; selten: allerg. Alveolitis; nicht bekannt: Myokardinfarkt. Warnhinw.: Frauen, die schwanger sind od. sein könnten, sollen ZYTIGA® nicht ohne Handschuhe handhaben; b. Geschlechtsverkehr m. einer Schwangeren ist ein Kondom erforderl.; b. Geschlechtsverkehr m. einer Frau im gebärfähigen Alter ist ein Kondom u. gleichz. eine and. zuverlässige Verhütungsmethode erforderl.; bes. Vors. b. Pat. m. hohem Blutdruck, Herzschwäche, niedrigem Blutkaliumspiegel, and. Herzprobl. od. Probl. m. Blutgefäßen i. d. Anamnese, b. Pat. m. hohem Blutzucker, b. Pat. m. mäßiger Leberfunkt.störg., b. Pat. m. schwerer Nierenfunkt.störg., beim Absetzen v. Prednison od. Prednisolon; ZYTIGA® darf nicht zusammen m. Nahrungsmitteln eingenommen werden (mind. 2 Std. vor Einn. d. Tabl. u. mind. 1 Std. nach Einn. d. Tabl. soll keine Nahrungsaufnahme erfolgen); ZYTIGA® in Kombin. m. Prednison od. Prednisolon kann d. Vermind. d. Knochendichte verstärken; b. Pat., d. zuvor wg. e. Prostatakarzinoms m. Ketoconazol bhdlt. wurde, könnten gering. Response-Raten auftreten. ZYTIGA® kann zu e. Abnahme d. roten Blutzellen u. einer Vermind. d. Geschlechtstriebs führen. Vors. b. Pat., d. gleichz. m. Arzneim. bhdlt. werden, die m. d. Entstehung v. Myopathie/Rhabdomyolyse assoziiert sind. Vors. b. gleichz. Anw. v. Arzneim., d. durch CYP2D6 od. CYP2C8 aktiviert od. metabolisiert werden; starke CYP3A4 Induktoren sollen währ. d. Bhdlg. m. ZYTIGA® vermieden werden, es sei denn, es gibt keine therapeut. Alternative; siehe im Übrigen ausführl. Warn- u. Wechselwirkungshinw. gem. Fachinfo. Verschreibungspflichtig. Pharmazeut. Unternehmer: Janssen-Cilag International NV, B-2340 Beerse, Belgien. Stand d. Inform.: 07/2014.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.