ISSN 1432-4334 JAHRGANG 25 HEFT 2 April 2016
FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE
JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY
Neues zur Pathophysiologie und Therapie von chronisch-entzündlichen Gallenwegserkrankungen Neue medizinische Leitlinie Demenzen: Bessere Diagnostik und Therapie sind möglich Chronische Immunthrombozytopenie: Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist Eltrombopag verbessert die Behandlungsperspektiven Nächtliche Wadenkrämpfe: Therapie und Prophylaxe mit dem Wirkstoff aus der Chinarinde Unkontrollierbare Hyperhidrose: Systemische Therapie mit Methantheliniumbromid gibt Lebensqualität zurück Schmerzreduktion und Prävention von skelettbezogenen Komplikationen mit Denosumab Azacitidin in der Therapie von Hochrisiko-MDS und AML Lenvatinib zur Behandlung des Radiojod-refraktären differenzierten Schilddrüsenkarzinoms Nilotinib bei chronischer myeloischer Leukämie
VERLAG
PERFUSION
Colitis ulcerosa
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*Kruis et al. Gut. 2009;58:233-240.
Salofalk® Granu-Stix® 500mg/1000mg/1,5g/3g; Salofalk® 250mg/500mg magensaftresistente Tabl.; Salofalk® 250mg/500mg/1g Suppositorien; Salofalk® 2g/30ml bzw. 4g/60ml Klysmen; Salofalk® 1g Rektalschaum. Wirkstoff: Mesalazin (5-Aminosalicylsäure). Zusammensetzung: 1 Btl. Salofalk® Granu-Stix® 500mg/1000mg/1,5g/3g enthält: Arzneil. wirks. Bestandteile: 500 mg/1000 mg/1,5 g/3 g Mesalazin. Sonstige Bestandteile: Mikrokr. Cellulose, Hypromellose, hochdisp. Siliciumdioxid, Polyacrylat-Dispersion 40% (Eudragit NE40D; enthält 2% Nonoxinol 100), Magnesiumstearat (Ph.Eur.), Simeticon, Methylcellulose, Sorbinsäure (Ph.Eur.), Methacrylsäure-MethylmethacrylatCopolymer (1:1) (Ph.Eur.) (MW: ca. 135000) (Eudragit L100), Triethylcitrat, Talkum, Titandioxid (E171), Carmellose-Natrium (Ph.Eur.), Aspartam (E951), Citronensäure, Vanille-Custard-Aroma (enthält Propylenglycol), Povidon K25. 1 Tabl. Salofalk® 250mg/500mg enthält: Arzneil. wirks. Bestandteile: 250 mg/500 mg Mesalazin. Sonstige Bestandteile: Calciumstearat (Ph.Eur.), basisches Butylmethacrylat-Copolymer (Ph.Eur.) (= Eudragit E), MethacrylsäureMethylmethacrylat-Copolymer (1:1) (Ph.Eur.) (= Eudragit L), Glycin, hochdisperses Siliciumdioxid, Hypromellose, Macrogol 6000, mikrokristalline Cellulose, Natriumcarbonat, Povidon K25, Talkum, Farbstoffe: Titandioxid (E171), Eisenoxidhydrat (E172); zusätzl. Salofalk® 500mg Tabl.: Croscarmellose-Natrium. 1 Supp. Salofalk® 250mg/500mg/1g enthält: Arzneil. wirks. Bestandteile: 250 mg/500 mg/1 g Mesalazin. Sonstige Bestandteile: Hartfett; zusätzl. Salofalk® 500mg Supp.: Docusat-Natrium, Hexadecan-1-ol. 1 Klysma Salofalk® 2g/30ml bzw. 4g/60ml enthält: Arzneil. wirks. Bestandteile: 2 g bzw. 4 g Mesalazin. Sonstige Bestandteile: Natriumbenzoat (E211), Kaliummetabisulfit (Ph.Eur.) (E224), Kaliumacetat, Carbomer 947P, Xanthan-Gummi, Natriumedetat (Ph.Eur.), ger. Wasser. 1 Sprühstoß Salofalk® 1g Rektalschaum enthält: Arzneil. wirks. Bestandteil: 1 g Mesalazin. Sonstige Bestandteile: Natriummetabisulfit (Ph.Eur.) (E223), Cetylstearylalkohol (Ph.Eur.), Polysorbat 60, Natriumedetat (Ph.Eur.), Propylenglycol. Treibgase: Propan, Butan, 2-Methylpropan. Anwendungsgebiete: Salofalk® Granu-Stix® 500mg/1000mg/1,5g/3g: Akutbeh. u. Rezidivprophylaxe Colitis ulcerosa. Salofalk® 250mg/500mg Tbl.: Akutbeh. und Rezidivprophylaxe Colitis ulcerosa. Akutbeh. Morbus Crohn. Salofalk® 250mg/500mg/1g Supp.: Akutbeh. (1g: leicht bis mittelschwerer) Colitis ulcerosa, die auf das Rektum beschränkt ist. Zusätzl. Salofalk® 250mg Supp.: Rezidivprophylaxe Colitis ulcerosa. Salofalk® 2g/30ml Klysmen: Akutbeh. leichter bis mittelschwerer entzündl. Erkrank. des Dickdarms (Colitis ulcerosa), die auf das Rektum und Colon sigmoideum beschränkt sind. Salofalk® 4g/60ml Klysmen: Akuter Schub Colitis ulcerosa. Salofalk® 1g Rektalschaum: Beh. von leichter aktiver Colitis ulcerosa des Sigmoids und Rektums. Gegenanzeigen: Pat. mit bekannter Überempfindlichkeit gg. Salicylate oder einen der sonstigen Bestandteile, schwere Leber- u. Nierenfunktionsstörungen. Schwangerschaft und Stillzeit: Nutzen/Risiko-Abwägung. Zusätzl. Salofalk® Klysmen u. Rektalschaum: bei empfindlichen Personen (bes. mit Asthma- oder Allergievorgeschichte) wegen Gehalt an Sulfit, Natriumbenzoat. Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Schwindel, periphere Neuropathie, Abdominalschmerzen, Diarrhö, Flatulenz, Übelkeit, Erbrechen, Nierenfunktionsstörungen einschließlich akuter u. chron. interstitieller Nephritis und Niereninsuffizienz, Überempfindlichkeitsreaktionen wie allergisches Exanthem, Medikamentenfieber, Pancolitis, Lupus-erythematodes Syndrom, allergische u. fibrotische Lungenreaktionen (einschl. Dyspnoe, Husten, Bronchospasmus, Alveolitis, pulmonale Eosinophilie, Lungeninfiltrat, Pneumonitis) Peri- u. Myocarditis, akute Pankreatitis, Myalgien, Arthralgien, Blutbildveränderungen (aplastische Anämie, Agranulozytose, Panzytopenie, Neutropenie, Leukopenie, Thrombozytopenie), Veränder. d. Leberfunktionsparameter (Anstieg d. Transaminasen u. Cholestaseparameter), Hepatitis, cholestatische Hepatitis, Alopezie, Oligospermie (reversibel). Zusätzl. Salofalk® Rektalschaum: Abdominelles Spannungsgefühl, Analbeschwerden, Reizung am Verabreichungsort, schmerzhafter Stuhldrang. Salofalk® 1g Supp.: Verstopfung. Packungsgrößen: Salofalk® Granu-Stix® 500mg: 50 Btl. (N1), 100 Btl. (N2), 300 Btl. (N3); Salofalk® Granu-Stix® 1000mg: 50 Btl. (N1), 100 Btl. (N2), 150 Btl. (N3); Salofalk® Granu-Stix® 1,5g: 35 Btl. (N1), 100 Btl. (N2); Salofalk® Granu-Stix® 3g: 20 Btl. (N1), 50 Btl. (N2), 100 Btl. (N3). Salofalk® 250mg Tbl.: 120 Tbl. (N2), 400 Tbl. (N3); Salofalk® 500mg Tbl.: 50 Tbl. (N1), 100 Tbl. (N2), 300 Tbl. (N3); Salofalk® 250mg Supp.: 10 Supp. (N1), 30 Supp. (N2), 120 Supp. (N3); Salofalk® 500mg Supp.: 10 Supp. (N1), 30 Supp. (N2), 120 Supp. (N3); Salofalk® 1g Supp.: 10 Supp. (N1), 30 Supp. (N2), 90 Supp. (N3); Salofalk® 2g/30ml Klysmen: 7 Klys. (N1), 21 Klys. (N2); Salofalk® 4g/60ml Klysmen: 7 Klys. (N1), 21 Klys. (N2). Salofalk® 1g Rektalschaum: 1 Dose (N1), 4 Dosen (N3). Verschreibungspflichtig. Stand: 11/2012
EDITORIAL
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EbM: Prügelknabe Homöopathie Eigentlich ist dies nicht der Ort für Fortsetzungsgeschichten. Aus aktuellem Anlass soll aber heute eine Ausnahme gemacht werden. Anlass sind Messungen von Gravitationswellen vom September 2015, die seit Februar diesen Jahres Schlagzeilen machen. Jetzt wissen wir also, dass Einstein irrte [1], als er behauptete, Gravitationswellen würde es nicht geben (obwohl diese Schwingungen von Raum und Zeit sich aus der von ihm entwickelten Relativitätstheorie ergeben). Für eines dürften sowohl Einstein als auch der Nachweis der Existenz von Gravitationswellen stehen: dass unsere Welt nicht so (einfach) ist, wie wir uns das naiverweise vorstellen. Darüber hatte sich der Physiker Michael Springer nur wenige Wochen vor der obigen Sensationsmeldung in einem hoch inspirierenden Artikel zur Wirklichkeit der Natur Gedanken gemacht [2]. Dem handgreiflichen Erfolg der Quantenphysik steht das Rätselraten über die Deutung ihrer unanschaulichen Aussagen gegenüber, namentlich dem Umstand, dass sich Wirklichkeit erst in dem Moment formt, in dem etwas betrachtet wird. „Gibt es demnach überhaupt eine vom Beobachter unabhängige Wirklichkeit?“, fragt Springer. Da die Quantenforscher die Medizin nicht explizit von der Gültigkeit ihrer Erkenntnisse ausgenommen haben, ist mit hoher Plausibilität davon auszugehen, dass die Gesetze der Quantenmechanik vor der Medizin und ihrer Wirklichkeit nicht Halt machen. Die Beschreibung der Wirklichkeit in der Medizin – mit dem Ziel des Erkennens und/oder Behandelns von Erkrankungen – ist bekanntlich das genuine Anliegen der evidenzbasierten Medizin (EbM). Dabei darf das von Cato dem Älteren erfundene „Ceterum censeo“ nicht fehlen, der Hinweis, dass EbM nach Geist und Buchstaben ihrer Gründerväter die „Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung“ bedeutet [3]. Achtung: Mit der „bestmöglichen“
steht da seit 20 Jahren, nicht „mit der besten“! Genau da setzte meine Kritik im letzten Editorial an [4]. Der Gralshüter der EbM in Deutschland höchstes (und einziges) Gut ist inzwischen erklärtermaßen die Elimination jedes auch noch so reproduzierbaren Effekts, der nicht als „spezifisch“, also der (pharmazeutischen) Substanz oder (therapeutischen) Technik zuordenbar charakterisiert werden kann. Das impliziert auch, dass nicht unmittelbar von außen applizierte bzw. applizierbare Effekte wenn nicht geleugnet, so zumindest grundsätzlich für irrelevant erklärt werden. Deshalb prallen auch alle entsprechenden Argumente ab wie die eines G. Galileo an den Granden der Inquisition, die ihre (beschränkte) Realität mit der Erde (sprich ihnen selbst) im Mittelpunkt nicht infrage oder gar zur Disposition stellen wollten. Deshalb prallt auch die entsprechende Wirklichkeit chancenlos ab, z.B. das Phänomen, dass im Fußball und anderen Sportarten ein Trainerwechsel oft „Wunder bewirkt“. EbM-Reduktionisten würden das als Placebo-Effekt oder gar böswillige Ignoranz des Placebo-Berufs Trainer deklarieren. In der Logik des spezifischen Effekts müsste sich etwa die Klasse eines Fußballspielers allein durch seine technischen Fähigkeiten erklären lassen. Jogi Löw könnte auf Testländerspiele verzichten und eine Weltmeister-Elf allein auf der Basis vergleichender Untersuchungen zur technischen Qualität (z.B. Spurtschnelligkeit, Schussstärke, Treffsicherheit beim Elfmeterschießen etc.) zusammenstellen. Auch die FußballBundesliga oder ein Turnier wie die diesjährige Fußball-Europameisterschaft wären unnötig – und könnten bestenfalls die Validität der Testbatterie bestätigen. Wenn Sie spätestens hier rufen: „Halt, was soll der Unsinn?“, zurück zur Medizin, genauer zum IQWiG: Das IQWiG reklamiert für sich, den „Nutzen“ einer Intervention, also das, was unter dem Strich herauskommt, allein durch die
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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster
abstrakte Analyse von randomisiert kontrollierten Studien zur Quantifizierung des spezifischen Effekts (Erkennungsmerkmal: doppelte Verblindung) bewerten zu können, bei vorsätzlicher Ignoranz der Wirklichkeit (real life data, s.o.). Und damit komme ich endgültig zur Fortsetzungsgeschichte. Nun scheinen Inquisiteure des spezifischen Effekts im Gral der EbM, dem Deutschen Cochrane Center in Freiburg, angekommen zu sein. Untrügliches Indiz ist eine rezente Rundmail des DCC mit Link zu einer sog. „Freiburger Erklärung zur Homöopathie“ eines „Informationsnetzwerks Homöopathie“. Dahinter stehen drei selbst ernannte Experten eines kleinen, dogmatischen Vereins, der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.“ (GWUP), zu deren Lieblingsfeindbildern die Homöopathie gehört (der ich übrigens selbst ebenfalls skeptisch gegenüberstehe – aber unvoreingenommen!). Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Editorials erschöpften sich die Informationen zu den Hintergründen dieser Freiburger Erklärung auf ein paar Links zur Reaktion der Medien – Hintergründe oder gar eine faire, differenzierte © VERLAG PERFUSION GMBH
INHALT
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und wissenschaftlich nachvollziehbare Herleitung der Claims werden nicht geboten. Da wird gegen die Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie gepoltert, aber keine der Feststellungen auch nur mit einer einzigen Literaturstelle untersetzt, sieht man von einer Anzeige für ein einschlägiges Buch der „Leiterin“ des Netzwerks ab. Dabei unterstellen die drei Autoren u.a. „Selbsttäuschung von Patient und Therapeut“, konstatieren, dass es keiner „weiteren wissenschaftlichen Prüfung bedarf“ und sehen sich „in der Lage zu erklären, dass die Homöopathie sich selbst nicht erklären kann“. Will heißen, dass nicht sein darf, was nicht sein kann. Eigentlich würde ich diese „Freiburger Erklärung“ dorthin ablegen, wo sie hingehört, in den Ordner mit schlechten Beispielen, wie man eine Auseinandersetzung mit einem kontroversen Thema nicht führt – wäre da nicht eine gleichzeitig initiierte Kampagne, die auf die (persönlichen) Emotionen möglichst glaubwürdiger Persönlichkeiten setzt und dazu aufruft, eine „Petition“ zu unterzeichnen, die gegen die Techniker Krankenkasse (TK) gerichtet ist, deren Versicherte sich „bundesweit ohne Mehrkosten homöopathisch von niedergelassenen Ärzten behandeln lassen“ können [5]. Hat die GWUP irgendwelche validen und zuverlässigen Erkenntnisse, dass sie ausschließen kann, dass niedergelassene Ärzte damit ihren Patienten etwas Gutes tun können – und sei es nur, sie vor Nebenwirkungen zu bewahren und/oder der TK wesentlich höhere Kosten für andere, für die konkrete Situation nicht hinreichend evidenzbasierte Alternativen zu ersparen? Karl-Ludwig Resch, Bad Elster Quellen 1 Krauss LM. Wissenschaftliches Denken: Hier irrte Einstein. Spektrum der Wissenschaft März 2016, S. 41–45 2 Springer M. Die Wirklichkeit der Natur. Spektrum der Wissenschaft Februar 2016, S. 50–57 3 Sackett DL, Rosenberg WM, Gray JA et al. Evidence based medicine: what it is and what it isn‘t. BMJ 1996;312:71-72. (Deutsche Übersetzung: http://www. ebm-netzwerk.de/was-ist-ebm/leitartikel-sackett) 4 Resch KL. IQWiG: Moderne Inquisition. J Pharmakol Ther 2016;25:1-2 5 https://www.tk.de/tk/leistungen-a-z/h/ homoeopathie/157082
ÜBERSICHTSARBEITEN Neues zur Pathophysiologie und Therapie von chronisch-entzündlichen Gallenwegserkrankungen Michael Trauner
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Neue medizinische Leitlinie Demenzen: Bessere Diagnostik und Therapie sind möglich Fabian Sandner
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Chronische Immunthrombozytopenie: Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist Eltrombopag verbessert die Behandlungsperspektiven
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Nächtliche Wadenkrämpfe: Therapie und Prophylaxe mit dem Wirkstoff aus der Chinarinde
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Unkontrollierbare Hyperhidrose: Systemische Therapie mit Methantheliniumbromid gibt Lebensqualität zurück
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Schmerzreduktion und Prävention von skelettbezogenen Komplikationen mit Denosumab
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Azacitidin in der Therapie von Hochrisiko-MDS und AML
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Lenvatinib zur Behandlung des Radiojod-refraktären differenzierten Schilddrüsenkarzinoms
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Nilotinib bei chronischer myeloischer Leukämie
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RUBRIKEN Wissenswertes Kongresse
JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2016 · 25. JAHRGANG
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*Revolade ® (Eltrombopag) ist für die Behandlung erwachsener Patienten mit chronischer immun(idiopathischer)-thrombozytopenischer Purpura (ITP) indiziert, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind (z. B. Kortikosteroide, Immunglobuline). 1 Revolade® ist bei erwachsenen Patienten mit erworbener schwerer aplastischer Anämie (SAA) indiziert, die entweder gegenüber einer vorangegangenen Therapie mit Immunsuppressiva refraktär oder stark vorbehandelt sind und die für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht geeignet sind. 1 1. Fachinformation Revolade ®. 2. Desmond R et al. Eltrombopag in Aplastic Anemia, Seminars in Hematology, Vol 52, No1, January 2015, pp 31 – 37 31. 3. Cheng G et al. Eltrombopag for management of chronic immune thrombocytopenia (RAISE): a 6-month, randomised, phase 3 study. lancet 2011; 377: 393 – 402. Erratum in Lancet 2011; 377: 382. 4. Bussel JB et al. Update on the safety and effi cacy of EXTENDed treatment with eltrombopag (EPAG) in adults with chronic immune thrombocytopenia (ITP). Blood 2013; 122 (21): Abstract 2315 und Poster. Revolade® 25 mg / - 50 mg / - 75 mg Filmtabletten. Wirkstoff: Eltrombopag. Zusammensetzung: Jede 25 mg Filmtablette enthält Eltrombopagdi(olamin), entspr. 25 mg Eltrombopag. Jede 50 mg Filmtablette enthält Eltrombopagdi(olamin), entspr. 50 mg Eltrombopag. Jede 75 mg Filmtablette enthält Eltrombopagdi(olamin), entspr. 75 mg Eltrombopag. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Magnesiumstearat, Mannitol (E 421), Mikrokristalline Cellulose, Povidon (K30), Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A). Filmüberzug 25 mg: Hypromellose, Macrogol 400, Polysorbat 80, Titandioxid (E 171); Filmüberzug 50 mg: Hypromellose, Eisen(III)-oxid (E 172), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Macrogol 400, Titandioxid (E 171); Filmüberzug 75 mg: Hypromellose, Eisen(II)-oxid (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172), Macrogol 400, Titandioxid (E 171). Anwendungsgebiete: Revolade ist für die Behandlung erwachsener Patienten mit chronischer immun (idiopathischer)-thrombozytopenischer Purpura (ITP) indiziert, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind (z. B. Kortikosteroide, Immunglobuline). Revolade ist bei erwachsenen Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion zur Behandlung einer Thrombozytopenie indiziert, wenn das Ausmaß der Thrombozytopenie der Hauptfaktor ist, der die Initiierung einer optimalen Interferon-basierten Therapie verhindert oder die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung einer optimalen Interferon-basierten Therapie limitiert. Revolade ist bei erwachsenen Patienten mit erworbener schwerer aplastischer Anämie (SAA) indiziert, die entweder gegenüber einer vorangegangenen Therapie mit Immunsuppressiva refraktär oder stark vorbehandelt und für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht geeignet sind. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Eltrombopag oder einen der sonstigen Bestandteile. Stillzeit. ITP-Patienten mit Leberfunktionsstör. (Child-Pugh-Wert ≥ 5), es sei denn der Nutzen übersteigt ein bereits identifiziertes Risiko für eine Portalvenenthrombose. Bei SAA-Patienten mit bestehenden zytogenetischen Chromosom-7-Anomalien sollte keine Behandlung eingeleitet werden. Nebenwirkungen: ITP-Studienpopulation: Häufig: Parästhesie, Augentrockenheit, Übelkeit, Durchfall, Geschwüre im Mund, erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte, erhöhte Aspartat-Aminotransferase-Werte, Hyperbilirubinämie, abnormale Leberfunktion, Hautausschlag, Haarausfall, Myalgie, Muskelkrämpfe, Muskelschmerzen, Knochenschmerzen, Rückenschmerzen, Menorrhagie. Gelegentlich: Pharyngitis, Harnwegsinfektionen, Influenza, Herpes im Mund-Rachen-Raum, Pneumonie, Sinusitis, Tonsillitis, Infektion der Atemwege, Gingivitis, Hautinfektionen, rektosigmoidales Karzinom, Anämie, Anisozytose, Eosinophilie, hämolytische Anämie, Leukozytose, Myelozytose, Thrombozytopenie, erhöhte/erniedrigte Hämoglobin-Werte, erhöhte Zahl stabkerniger Granulozyten, Anwesenheit von Myelozyten, erhöhte Thrombozytenzahl, verringerte Zahl an weißen Blutkörperchen, Überempfindlichkeit, Anorexie, Hypokaliämie, Appetitlosigkeit, Gicht, Hypokalzämie, erhöhte Harnsäurewerte im Blut, Schlafstörungen, Depressionen, Apathie, veränderter Gemütszustand, Traurigkeit, Hypoästhesie, Schläfrigkeit, Migräne, Tremor, Gleichgewichtsstörungen, Dysästhesie, Hemiparese, Migräne mit Aura, periphere Neuropathie, periphere sensorische Neuropathie, Sprachschwierigkeiten, toxische Neuropathie, vaskuläre Kopfschmerzen, Zerebralinfarkt, verschwommene Sicht, Linsentrübung, Astigmatismus, kortikaler Katarakt, Augenschmerzen, erhöhte Tränensekretion, Netzhautblutung, retinale Pigmentepitheliopathie, verringerte Sehschärfe, abnormale Tests auf Sehschärfe, Blepharitis und Keratokonjunktivitis sicca, Ohrenschmerzen, Schwindel, Tachykardie, akuter Herzinfarkt, Herz-Kreislauf-Störungen, Zyanose, Sinustachykardie, verlängertes QT-Intervall im Elektrokardiogramm, tiefe Venenthrombose, Embolie, Hitzewallungen, oberflächliche Thrombophlebitis, Hautrötungen, Hämatome, Lungenembolie, Lungeninfarkt, nasale Beschwerden, oropharyngeale Bläschenbildung, oropharyngeale Schmerzen, Nasennebenhöhlenbeschwerden, Schlaf-Apnoe-Syndrom, Mundtrockenheit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Glossodynie, Blutungen im Mund, Bauchdeckenspannung, verfärbter Stuhl, Blähungen, Lebensmittelvergiftung, häufiger Stuhlgang, Hämatemesis, unangenehmes Gefühl im Mund, Cholestase, Leberläsion, Hepatitis, Hyperhidrose, generalisierter Juckreiz, Nesselsucht, Dermatose, Petechien, Kaltschweißigkeit, Erythem, Melanose, Pigmentstörungen, Hautverfärbung, Hautschuppung, Muskelschwäche, Nierenversagen, Leukozyturie, Lupusnephritis, Nykturie, Proteinurie, erhöhte Blutharnstoff-Werte, erhöhte Serum-Kreatinin-Werte, erhöhtes Protein/Kreatinin-Verhältnis im Urin, Brustschmerzen, Hitzewallungen, Blutung an der Einstichstelle, Asthenie, inneres Unruhegefühl, Wundentzündungen, Unwohlsein, Fieber, Fremdkörpergefühl, erhöhte Serum-Albuminwerte, erhöhte alkalische Phosphatase-Werte im Blut, erhöhtes Gesamtprotein, verminderte Serum-Albuminwerte, erhöhter pH-Wert des Urins, Sonnenbrand. Bei einem Patienten wurde die Behandlung wegen erhöhtem Retikulin im Knochenmark abgesetzt. HCV-Studienpopulation (in Kombination mit antiviraler Therapie mit Interferon und Ribavirin): Sehr häufig: Anämie, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Husten, Übelkeit, Durchfall, Juckreiz, Haarausfall, Myalgie, Fieber, Fatigue, grippeartige Erkrankung, Asthenie, Schüttelfrost, peripheres Ödem. Häufig: Harnwegsinfektionen, Infektion der oberen Atemwege, Bronchitis, Nasopharyngitis, Influenza, Herpes im Mund-Rachen-Raum, Gastroenteritis, Pharyngitis, maligne Neoplasie der Leber, Lymphopenie, hämolytische Anämie, Hyperglykämie, anormaler Gewichtsverlust, Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen, Verwirrtheit, Agitation, Schwindel, Aufmerksamkeitsstörungen, Dysgeusie, hepatische Enzephalopathie, Lethargie, Gedächtnisstörungen, Parästhesie, Katarakt, Netzhautexsudate, Augentrockenheit, Gelbfärbung der Augen, Netzhautblutungen, Palpitationen, Dyspnoe, oropharyngeale Schmerzen, Belastungsdyspnoe, produktiver Husten, Erbrechen, Aszites, Bauchschmerzen, Oberbauchschmerzen, Dyspepsie, Mundtrockenheit, Verstopfung, Blähbauch, Zahnschmerzen, Stomatitis, gastroösophagale Refluxkrankheit, Hämorrhoiden, Bauchbeschwerden, Gastritis, Ösophagusvarizen, aphtöse Stomatitis, ösophageale Varizenblutungen, Hyperbilirubinämie, Gelbsucht, Portalvenenthrombose, Leberversagen, Hautausschlag, trockene Haut, Ekzem, juckender Hautausschlag, Erythem, Hyperhidrose, generalisierter Juckreiz, Nachtschweiß, Hautläsionen, Arthralgie, Muskelkrämpfe, Rückenschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten, muskuloskeletale Schmerzen, Knochenschmerzen, Reizbarkeit, Schmerzen, Unwohlsein, Reaktionen an der Injektionsstelle, nicht kardial bedingte Brustschmerzen, Ödem, Exanthem an der Injektionsstelle, Brustbeschwerden, Juckreiz an der Injektionsstelle, erhöhter Bilirubinwert im Blut, Gewichtsabnahme, Abnahme der Zahl der weißen Blutkörperchen, Abnahme des Hämoglobins, Abnahme der Neutrophilenzahl, Erhöhung der INR (International Normalized Ratio), Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit, Erhöhung der Glukose im Blut, Abnahme des Albumins im Blut, Verlängerung der QT-Zeit im Elektrokardiogramm Gelegentlich: Dysurie. Bei Patienten mit chronischer HCV u. Leberzirrhose mit gleichz. Interferon-alpha-Therapie wurde häufiger eine hepatische Dekompensation bei Eltrombopag als bei Placebo berichtet. SAA-Studienpopulation: Sehr häufig: Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Husten, Dyspnoe, oropharyngeale Schmerzen, Rhinorrhö, Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit, erhöhte Transaminasenwerte, Ekchymose, Arthralgie, Muskelkrämpfe, Schmerzen in den Extremitäten, Fatigue, febrile Neutropenie, Fieber. Häufig: Neutropenie, Milzinfarkt, Eisenüberladung, Appetitlosigkeit, Hypoglykämie, vermehrter Appetit, Angstzustände, Depression, Synkope, Augentrockenheit, Augenjucken, Katarakt, Gelbfärbung der Augen, verschwommenes Sehen, beeinträchtigtes Sehvermögen, Mouches volantes, Epistaxis, Zahnfleischbluten, Bläschenbildung der Mundschleimhaut, Schmerzen in der Mundhöhle, Erbrechen, abdominelle Beschwerden, Bauchschmerzen, Verstopfung, Blähbauch, Dysphagie, verfärbter Stuhl, Schwellung der Zunge, Störung der gastrointestinalen Motilität, Blähungen, erhöhter Bilirubinwert im Blut (Hyperbilirubinämie), Gelbsucht, Petechien, Hautausschlag, Juckreiz, Nesselsucht, Hautläsion, makulöser Hautausschlag, Rückenschmerzen, Myalgie, Knochenschmerzen, Chromaturie, Asthenie, peripheres Ödem, Schüttelfrost, Unwohlsein, erhöhte Kreatinphosphokinasewerte im Blut. Weitere Nebenwirkungen in klinischen Studien bei SAA: Neue zytogenetische Anomalien beobachtet (darunter Veränderungen des Chromosoms 7). MDS oder AML nach Behandlung diagnostiziert. Verschreibungspflichtig. Weitere Hinweise: Siehe Fachinformation. Stand: Januar 2016 (MS 02/16.4). Novartis Pharma GmbH, Roonstr. 25, 90429 Nürnberg. Tel.: (0911) 273-0, Fax: (0911) 273-12 653. www.novartis.de
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ÜBERSICHTSARBEIT
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I
mmunologische Lebererkrankungen wie die primär biliäre Cholangitis (PBC) sind auf dem Vormarsch. So haben sich z.B. die Inzidenz und Prävalenz der PBC in den letzten 10 Jahren verdoppelt, was zum Teil natürlich auch auf eine verbesserte Diagnostik zurückzuführen ist. Durch die frühere Diagnose und Therapie nimmt die PBC heutzutage oft einen milderen Verlauf, der nicht notgedrungen zur Leberzirrhose führt. Allerdings muss angemerkt werden, dass schwere Verläufe, vor allem bei jüngeren Frauen, die auf die Standardtherapie nicht ansprechen, nach wie vor beobachtet werden können. Dies hat in Zusammenarbeit von PatientInnen-Selbsthilfe-Organisationen und Fachgesellschaften zur Namensänderung von „primär biliärer Zirrhose“ zu „primär biliärer Cholangitis“ unter Beibehaltung des Akronyms „PBC“ geführt (Abb. 1). Gallensäuren wie die Ursodesoxycholsäure (UDCA) stellen ein wichtiges Standbein in der Therapie cholestatischer Lebererkrankungen dar. Doch es sprechen nicht alle PatientInnen auf eine Therapie mit UDCA an, sodass ein großer Bedarf für therapeutische Weiterentwicklungen besteht.
Neues zur Pathophysiologie und Therapie von chronisch-entzündlichen Gallenwegserkrankungen Fettemulgierung und Resorption, eine Reihe weiterer wichtiger physiologischer Funktionen, die sich aus ihrer Rolle als intestinale/ enterohepatische Hormone ableiten lassen. So übermitteln Gallensäuren den Zellen unter anderem wichtige Informationen über den Ernährungszustand und sind somit an der Regulation des Fettstoffwechsels sowie der Glukose- und Energiehomöostase eng beteiligt. Über die Aktivierung von Rezeptoren in den Zellen des Immunsystems üben die Gallensäuren auch einen immunmodulierenden Effekt aus. Sie verfügen über bakteriostatische Eigenschaften und aktivieren intestinale Gene, die an der Verteidigung gegenüber der In-
vasion durch Darmpathogene und an der Erhaltung der Darmintegrität essenziell beteiligt sind. Daher können Gallensäuren als ein Teil des Immunsystems des Darms angesehen werden, welche das Mikrobiom kontrolliert. Somit sind zusätzlich zu ihrer Bedeutung in der Therapie cholestatischer Lebererkrankungen auch Auswirkungen für die Therapie von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und metabolischen Erkrankungen wie Fettleber, Diabetes und Adipositas zu erwarten. Neben der Aktivierung von Proteinkinasen entfalten Gallensäuren über die Aktivierung spezifischer Kernrezeptoren (z.B. FXR) und G-Protein-gekoppelter Membranrezep-
Gallensäuren als enterohepatische Hormone
Neue Einblicke in die molekularen Wirkmechanismen von Gallensäuren erlauben nun ein besseres Verständnis ihrer physiologischen und pharmakologischen Wirkungen und haben zu einer regelrechten Renaissance in der klinischen und experimentellen Gallensäurenforschung geführt. Gallensäuren haben, neben ihrer allgemein bekannten Rolle in der intestinalen
Abbildung 1: Krankheitsverlauf bei PBC.
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toren (z.B. TGR5) ihre spezifische Wirkung (Abb. 2). UDCA aktiviert interessanterweise FXR und TGR5 nicht, sondern entfaltet ihre therapeutische Wirkung vor allem über die Aktivierung von Proteinkinasen. Um die potenziell vorteilhaften Eigenschaften der Gallensäuren zu verstärken und ihre therapeutische Wirkung zu optimieren, wurden natürlich vorkommenden Gallensäuren chemisch modifiziert und ihr Wirkmechanismen in den letzten Jahren in experimentellen Modellen für verschiedene Lebererkrankungen erforscht. Einige dieser neuen Substanzen sind derzeit im Rahmen von klinischen Studien bereits in Erprobung. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven für die Therapie von Lebererkrankungen über die Therapie mit „konventionellen“ Gallensäuren (wie UDCA) hinaus, wobei sich UDCA-Derivate (z.B. Nor-Ursodesoxycholsäure, norUDCA) und Gallensäuren-Signaling-Mimetika (FXR und TGR5-Agonisten, rekombinanter FGF19) bereits in klinischer Entwicklung befinden. Behandlung der PBC
Die Standardtherapie der PBC besteht in der Gabe von UDCA (13–15 mg/kg KG/d), die bereits im asymptomatischen Frühstadium bei erhöhten Cholestasefermenten eingeleitet werden sollte. Die günstigen Effekte dieser hydrophilen Gallensäure werden auf zytoprotektive, antiapoptotische, antifibrotische und Galleflussstimulierende (choleretische) Effekte zurückgeführt, wobei die Gallensäuren-Zusammensetzung in Serum, Leber und Galle durch die Anreicherung von UDCA hydrophiler und damit weniger toxisch
Abbildung 2: Gallensäuren als enterohepatische Hormone.
wird. Etwa 2 Drittel der PatientInnen sprechen auf diese Therapie im Sinne einer biochemischen Response an und weisen eine normale Lebenserwartung auf. Ein biochemisches Ansprechen auf UDCA liegt vor, wenn nach einem Jahr Therapie die AP um mindestens 40 % des Ausgangswertes abgenommen hat („Barcelona-Kriterien“) oder die AP <3x ULN (upper limit of normal), AST <2x ULN, Bilirubin ≤1mg/dl („Paris-Kriterien“) liegt. Biochemische Non-Responder auf UDCA weisen ein erhöhtes Progressionsrisiko auf und bedürfen daher weiterer Therapieoptionen. In diesem Fall kommen derzeit als weitere Optionen die zusätzliche Gabe von Budesonid (6–9 mg/d) und die Gabe von Fibraten in Betracht. Zukünftig könnte die PBC ein Anwendungsgebiet für neue Therapieformen wie FXR-Liganden und die norUDCA (als neues UDCA-Derivat) werden (Abb. 3). PatientInnen mit portaler Hypertension und Leberzirrhose dürfen aufgrund der hohen Nebenwir-
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kungen, die teilweise sogar tödlich verlaufen können (cave: Pfortaderthrombose) nicht mit Budesonid behandelt werden. Fibrate sollten bei fortgeschrittener Lebererkrankung ebenfalls nicht zum Einsatz kommen. Aufgrund der derzeitigen Datenlage kann die Therapie mit Fibraten noch nicht für die klinische Routine empfohlen werden, die Daten einer europäischen Phase-II-Studie werden in Kürze erwartet. Mit dem FXR-Liganden Obeticholsäure (OCA) wurden bei PBC bereits eine internationale Phase-II- und -III-Studie erfolgreich abgeschlossen, welche positive Effekte auf die Laborwerte bei biochemischen Non-ResponderInnen mit PBC zeigten. Die wichtigste Nebenwirkung war hier allerdings der Pruritus. Primär immunologische und antibakterielle bzw. antivirale Therapieansätze haben bisher keinen Durchbruch in der Therapie der PBC gebracht. Zudem sollten beim Management der PBC-Begleiterkrankungen (andere Autoimmunerkrankungen, Osteoporose) berücksichtigt werden. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Abbildung 3: Gallensäure-Signalweg als Angriffspunkt für die medikamentöse Therapie.
Behandlung der PSC
Auch in der Therapie der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) kommt UDCA zum Einsatz, allerdings in etwas höherer Dosierung (15–20 mg/kg KG/d) als bei der PBC. Die bisherigen Studien konnten keinen Überlebensbenefit nachweisen. Bei noch höherer UDCA-Dosierung von 28–30 mg/ kg KG/d wurde sogar ein vermindertes Überleben beobachtet, sodass von derart hohen Dosierungen unbedingt abzusehen ist. Aktuelle Richtlinien der europäischen (EASL) und amerikanischen Lebergesellschaft (AASLD) sehen daher die Gabe von UDCA bei PSC durchaus kritisch. Es gibt Hinweise, dass UDCA das Risiko für ein Kolonkarzinom und möglicherweise auch für ein cholangio zelluläres Karzinom reduzieren könnte, was den Einsatz bei PSC zusätzlich rechtfertigten würde. Ungefähr 10–15 % der Patienten entwickeln dominante Strikturen mit Ikterus. In diesen Fällen ist die endoskopische Therapie (ERCP)
mit Dilatation und KurzzeitStenting der Strikturen indiziert. Zu den weiteren Maßnahmen zählen das Management von Pruritus und Osteoporose, KolonkarzinomMonitoring und -Prophylaxe (u.a. mit UDCA). Das Management dieser Patienten muss auch das erhöhte Risiko für ein cholangiozelluläres Karzinom berücksichtigen, vor allem bei der Entwicklung dominanter Strikturen sollte immer eine maligne Genese ausgeschlossen werden. Bei Versagen der medikamentösen Therapie liefert die Lebertransplantation bei chronisch cholestatischen Lebererkrankungen wie der PBC und PSC ausgezeichnete Langzeitergebnisse (70– 80 %: 10–15-Jahresüberleben). nor-Ursodesoxycholsäure als Weiterentwicklung der UDCA
Einen vielversprechenden neuen Ansatz für die Therapie von Leber- und Gallenwegserkrankungen stellt die nor-Ursodesoxycholsäure (norUDCA) dar, wobei die kli-
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nische Entwicklung für die Indikation PSC am weitesten fortgeschritten ist. norUDCA ist eine Seitenketten-verkürzte Modifikation von UDCA und hat im Tierexperiment ausgeprägte anticholestatische, antiinflammatorische und antifibrotische Effekte. norUDCA unterliegt einem cholehepatischen Shunting (zwischen Gallengängen und Leber), was in einer hohen Anreicherung im Gallengangsepithel resultiert und die Bikarbonatsekretion stimuliert. Aufgrund dieser Eigenschaften ist norUDCA auch für die Therapie von chronisch entzündlichen Gallenwegserkrankungen wie PSC und PBC von großem Interesse. Eine große multizentrische europäische Phase-II-Studie mit mehr als 160 PatientInnen zur Wirkweise von norUDCA bei PSC, an der zahlreiche Zentren in Deutschland und Österreich teilgenommen haben, wurde gerade erfolgreich abgeschlossen. Eine Phase-III-Studie ist bereits in Planung, eine PhaseII-Studie bei Fettleber wurde bereits begonnen. Eine weitere interessante Indikation stellt die PBC bei UDCA-Non-Respondern dar, zumal hier ein Defekt des Bikarbonatschutzschirmes vorliegt, der durch norUDCA wiederhergestellt werden könnte. Behandlung der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung
Neben den cholestatischen Lebererkrankungen stellen auch metabolische Erkrankungen wie die Fettleber ein wichtiges Anwendungsgebiet für Gallensäuren-basierte Therapien dar. Die starken Veränderungen der Lebensstil- und Diätgewohnheiten speziell der westlichen Bevölkerung haben zu © VERLAG PERFUSION GMBH
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einem rasanten Prävalenzanstieg des metabolischen Syndroms, der Adipositas und des Diabetes mellitus geführt. Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (engl.: NAFLD) ist als hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms hierbei genauso betroffen. Die NAFLD umfasst ein Spektrum, das von der „reinen“ Fettleber über die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) bis hin zur Leberzirrhose und zum hepatozellulären Karzinom (HCC) reicht, wobei das HCC alarmierenderweise zunehmend in präzirrhotischen Stadien beobachtet wird. Die NAFLD ist als hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms als Multisystemerkrankung zu sehen. Im Sinne der zugrunde liegenden metabolischen Komorbidität sind 60–100 % der FettleberpatientInnenen adipös, bei 60–85 % findet sich eine gestörte Insulinsensitivität, bei 18–33 % eine gestörte Glukosetoleranz bzw. bereits ein manifester Diabetes. Rezente Daten stellen die Bedeutung einer Differenzierung zwischen blander Fettleber und NASH in Frage und unterstreichen vielmehr die Bedeutung der (auch nichtinvasiv messbaren) Fibrose für die Prognose der NAFLD. Eine wichtige Aussage zur Erkrankungsprogression kann somit mittels Fibroelastografie (Fibroscan) erreicht werden, die mittels Controlled Attenuation Paramter (CAP) auch einen Hinweis auf den Fettgehalt gibt. Aus therapeutischer Sicht steht neben einer Lebensstilmodifikation vor allem die Therapie der metabolischen Komorbidität mit Insulinsensitizern (Metformin, Thiazolidindionen/Glitazonen) und Statinen im Vordergrund. Statine sind hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos bei NAFLD oft aus kardiometabolischer Sicht in-
diziert und haben einen positiven Einfluss auf die Lebererkrankung (Fibrose, portale Hypertension, HCC). Im Gegensatz zur landläufigen Meinung wird die Statingabe bei NAFLD gut toleriert und führt meist sogar zu einer Besserung der Leberwerte. Es wurde keine erhöhte Hepatotoxizität bei NAFLD beobachtet. Die Gabe von Vitamin E ist in erster Linie für nicht-zirrhotische und nichtdiabetische NASH-PatientInnen vorgesehen und wird bei Diabetes nicht empfohlen. Erste Ergebnisse mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten und DPP-4-Hemmern weisen auf eine Verbesserung der Leberwerte und Leberhistologie hin. Weitere interessante Therapieoptionen sind Liganden für PPAR alpha und delta, die neben positiven Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel auch antidiabetische Effekte haben, wobei die histologischen Effekte in einer aktuellen Studie eher enttäuscht haben. Liganden für den Gallensäurenrezeptor FXR (Obeticholsäure) haben zwar eine Verbesserung der Leberhistologie inklusive Fibrose gezeigt, das kardiovaskuläre Sicherheitsprofil (Reduktion von HDL-Cholesterin mit Zunahme des LDL-Cholesterins) sorgt jedoch derzeit für Diskussionen. Aufgrund vielversprechender präklinischer Daten (Verbesserung der Leberverfettung und antiatherosklerotische Eigenschaften) wurde mit norUDCA bereits eine multizentrische Phase-II-Studie in Deutschland und Österreich begonnen, die auf gutem Wege ist. Zusammenfassung
UDCA ist derzeit die einzige Gallensäure, die für die Behandlung von cholestatischen Lebererkrankungen wie PBC zugelassen ist.
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norUDCA stellt als Modifikation der UDCA einen vielversprechenden neuen Therapieansatz dar und unterscheidet sich von UDCA durch ihre besonderen physikochemischen Eigenschaften, die zur bikarbonatreichen Cholerese führen und für die protektiven Effekte von norUDCA verantwortlich sind. Eine Phase-II-Studie zum Einsatz von norUDCA bei PSC wurde gerade abgeschlossen, eine Studie zur Fettleber (NAFLD) läuft gerade, eine weitere mögliche Indikation stellt die PBC bei UDCA NonResponse dar.
Literatur 1 Beuers U, Gershwin ME, Gish RG et al. Changing nomenclature for PBC: from ‘cirrhosis’ to ‘cholangitis’. J Hepatol 2015 ;63:1285-1287 2 Beuers U, Trauner M, Jansen P et al. New paradigms in the treatment of hepatic cholestasis: from UDCA to FXR, PXR and beyond. J Hepatol 2015; 62(1 Suppl): S25-S27 3 Mueller M, Thorell A, Claudel T et al. Ursodeoxycholic acid exerts farnesoid X receptor-antagonistic effects on bile acid and lipid metabolism in morbid obesity. J Hepatol 2015;62:1398-1404 4 Trauner M, Halilbasic E, Claudel T et al. Potential of nor-Ursodeoxycholic acid in cholestatic and metabolic disorders. Dig Dis 2015;33:433-439 5 Traussnigg S, Kienbacher C, Halilbasic E et al. Challenges and management of liver cirrhosis: practical issues in the therapy of patients with cirrhosis due to NAFLD and NASH. Dig Dis 2015;33:598-607
Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Michael Trauner Medizinische Universität Wien Universitätsklinik für Innere Medizin III Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie Währinger Gürtel 18–20 1090 Wien michael.trauner@meduniwien.ac.at © VERLAG PERFUSION GMBH
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I
n Deutschland leben bis zu 1,5 Millionen Menschen mit einer Demenz, etwa zwei Drittel davon mit der Alzheimer-Demenz. Demenzerkrankungen stellen Medizin und Gesellschaft vor große Herausforderungen und belasten das Gesundheitssystem erheblich. Laut der letzten Erhebung des Statistischen Bundesamts im Jahr 2008 kostete die Behandlung von Demenzpatienten mehr als 9 Milliarden Euro im Jahr, das sind rund 4 % der gesamten Krankheitskosten in Deutschland. Ein schwer betroffener Patient schlägt mit bis zu 40.000 Euro pro Jahr zu Buche. Dabei wird nur etwa die Hälfte der neu an Demenz Erkrankten von ihrem Arzt als solche erkannt, wie die AgeCoDe-Studie (siehe www. knd-demenzen.de) gezeigt hat. Noch weniger erhalten eine Behandlung nach den medizinischen Standards. Nach mehr als 5 Jahren Arbeit stellten Neurologen und Psychiater am 27. Januar 2016 die vollständig neu überarbeitete „Leitlinie Demenzen“ vor. 23 Fachgesellschaften, Berufsverbände und Organisationen von Medizinern, Therapeuten, Pflegepersonal und Patienten haben sich auf Regeln für die Diagnostik und die Behandlung geeinigt. Den unter der Steuerung von Prof. Dr. med. Günther Deuschl von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Prof. Dr. med. Wolfgang Maier von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) erarbeiteten Empfehlungen der höchsten Qualitätsstufe S3 liegen allein 418 wissenschaft-
Neue medizinische Leitlinie Demenzen: Bessere Diagnostik und Therapie sind möglich liche Publikationen zugrunde. Begleitet wird die neue Leitlinie von Evidenztabellen und einem Methodenreport, der auf nahezu 150 Seiten größtmögliche Transparenz herstellt und insbesondere auch die Veränderungen und Ergänzungen gegenüber früheren Demenz-Leitlinien klarstellt. Anlässlich der neuen Leitlinie fordern Experten der beiden federführenden Gesellschaften DGN und DGPPN, die wissenschaftlich belegten Therapieoptionen stärker zu nutzen und gleichzeitig weniger sinnvolle Maßnahmen zu unterbinden. Im Einzelnen heben sie folgende Punkte hervor: Psychosoziale Interventionen sind gleichrangig mit medikamentöser Therapie
Neben der pharmakologischen Therapie spielen die psychosozialen Interventionen eine wesentliche Rolle: „Psychosoziale Interventionen wirken so gut wie Medikamente und sind gleichrangige zentrale Bausteine im Gesamtbehandlungsplan von De-
menzerkrankungen“, betont Prof. Wolfgang Maier von der DGPPN. „Die Wirksamkeit alltagsnaher kognitiver Stimulation, individuell angepasster Ergotherapie oder gezielter körperlicher Aktivitäten ist klar nachgewiesen. Die Anwendung solcher Verfahren sollte möglichst zu Hause erfolgen. Damit werden nicht nur Lebensqualität, Fähigkeiten und positive Gefühle der demenziell Erkrankten gefördert, sondern vor allem auch die Pflegenden entlastet.“ Intensive Angehörigentrainings sollten zudem eingesetzt werden, um einerseits bei den pflegenden Familienmitgliedern Belastungsfolgen (vor allem Depressionen, Burnout) zu vermeiden und weitere Erleichterungen herbeizuführen. Andererseits können auf diesem Wege Heimeinweisungen länger vermieden werden. „Wir fordern daher systematische Beratungs- und Trainingsangebote für Angehörige, damit sie entlastet werden und sie nicht selber infolge der Pflege erkranken“, so Maier. Psychosoziale Maßnahmen sind eine sinnvolle Investition, die von den Kostenträgern übernommen werden müss-
Download der Leitlinie Demenzen 2016 Die Leitlinie ist auf den Internetseiten der beiden Fachgesellschaften DGN und DGPPN zu finden: www.dgn.org und www.dgppn.de
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Abbildung 1: Empfehlungen der Leitlinien Demenz zu psychosozialen Interventionen (Empfehlungsgrade A, B, 0).
ten, weil damit belastende Krankheitsfolgen vermieden würden. „Ansätze und Ziele dieser Verfahren sind wesentlich breiter als die der pharmakologischen Therapien. Gleichzeitig ist aus methodischen Gründen die Qualität der Studien zu den einzelnen Verfahren oft geringer als bei pharmakologischen Prüfungen“, heißt es in der Leitlinie. Im Vergleich zu einer Medikamentenstudie ist beispielsweise eine Verhaltenstherapie weniger leicht zu verblinden, und sie ist wegen fehlender finanzieller Anreize auch schwieriger zu finanzieren. Seit der ersten Ausgabe der Leitlinie Demenz ist jedoch eine größere Zahl qualitativ hochwertiger Studien zu psychosozialen Interventionen erschienen, während es bei der Arzneimittelentwicklung keine größeren Fortschritte gegeben hat. Dies führte dazu, dass psychosoziale Interventionen heu-
te als gleichrangige zentrale Bausteine im Gesamtbehandlungsplan von Demenzerkrankungen angesehen werden (Abb. 1). Den Stellenwert der psychosozialen Intervention sollen folgende Beispiele verdeutlichen (die Zahlen in Klammern verweisen auf die entsprechende Empfehlung in der Leitlinie): Bei Patienten mit leichter bis moderater Demenz sehen die Experten Evidenz für den Nutzen einer kognitiven Stimulation, nicht jedoch für kognitives Training (73). Bei Reminiszensverfahren finden sich Hinweise auf Wirkung für alle Schweregrade der Demenz (74). Ergotherapeutische Maßnahmen sollten bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Demenz angeboten werden. Individuell angepasst und unter Einbeziehung der Bezugspersonen, können sie zum Erhalt der Alltagsfunktionen beitragen (75).
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Körperliche Aktivität und leichtes Training erscheinen ebenfalls nützlich. Es gibt Hinweise darauf, dass sich damit kognitive Funktionen verbessern lassen, ebenso Alltagsfunktionen, psychische und Verhaltenssymptome, Beweglichkeit und Balance (76). Hinweise auf günstige Effekte fanden die Demenzexperten zudem für bestimmte künstlerische Aktivitäten. So kann eine aktive Musiktherapie bei psychischen und Verhaltenssymptomen bei Alzheimer-Demenz angeboten werden (77) und eine rezeptive Musiktherapie kann geringe Effekte auf agitiertes und aggressives Verhalten haben (78). Einstimmig war das Votum der Experten bezüglich der Verwendung von Aromastoffen, denen „geringe Effekte auf agitiertes Verhalten und allgemeine Verhaltenssymptome bei Patienten mit mittel- bis © VERLAG PERFUSION GMBH
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schwergradiger Demenz“ attestiert werden (79). Positiv war das Votum für multisensorische Verfahren (Snoezelen) mit individualisierten, biographiebezogenen Stimuli, die Freude und Aktivität bei moderater bis schwerer Demenz fördern (80), außerdem für das Angehörigentraining zum Umgang mit psychischen und Verhaltenssymptomen der Kranken (82), familienähnliche Esssituationen (84) und eine strukturierte soziale Aktivierung tagsüber, die den Schlaf-Wach-Rhythmus verbessern kann (85). Die Pflegenden von Demenzkranken fühlen sich oft überfordert und entwickeln infolgedessen gesundheitliche Probleme. Daher sind intensive Angehörigentrainings besonders wichtig, die das Wohlergehen des Demenzkranken befördern und gleichzeitig zu einer Entlastung des Pflegenden Angehörigen führen (83, 86). Prävention: Kann man der Alzheimer-Demenz vorbeugen?
„Die Hinweise verdichten sich, dass eine Alzheimer-Demenz nicht allein Schicksal ist“, sagte Professor Frank Jessen aus Köln, Leitlinienkoordinator der DGPPN. „Wir haben gute Hoffnung, dass Alzheimer und andere Demenzen durch Präventionsmaßnahmen gebremst oder gar verhindert werden können. Als Faustregel gilt: Was dem Herz gut tut, hilft auch dem Gehirn.“ In der Leitlinie heißt es dazu eindeutig: Vaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen (z.B. Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Adipositas, Nikotinabusus) stellen auch Risikofaktoren für eine spätere Demenz dar. Daher trägt deren leitliniengerechte Diagnostik und frühzeitige Behandlung zur Primärprävention einer späteren Demenz
bei (94). Eine „Anti-Demenz-Diät“ gibt es zwar nicht, immerhin aber Hinweise, dass Fisch und eine Mittelmeerdiät protektiv sein könnten. Die Experten mahnen deshalb zu einer ausgewogenen Ernährung. Leichter bis moderater Alkoholkonsum zeigte zwar in einigen Studien protektive Effekte, wegen der Abhängigkeitsgefahr und toxischer Eigenschaften des Alkohols wird diese Strategie aber nicht empfohlen. Positiv ist das Votum dagegen für einen aktiven Lebensstil mit körperlicher Bewegung, sportlicher, sozialer und geistiger Aktivität (95). Den Beleg für eine medikamentöse Prävention mit speziellen Demenzpräparaten gibt es derzeit noch nicht. In den Leitlinien wird von der Einnahme von Hormonersatzpräparaten zur Prävention von Demenz abgeraten. Prävention Zum Schutz der geistigen (kog nitiven) Fähigkeiten und zur Risikoreduktion für eine De menz werden empfohlen: • Kontrolle und Behandlung von Hypertonie, Diabetes mellitus und Hypercholeste rinämie • Kontrolle und Behandlung von Hypertonie, Diabetes mellitus und Hypercholeste rinämie • Regelmäßige körperliche Ak tivität • Geistige und soziale Aktivität • Ausgewogene und vielfälti ge Ernährung • Verzicht auf Nikotin Nicht empfohlen werden: • Die generelle Einnahme von spezifischen Medikamenten, pflanzlichen Präparaten oder Nahrungsergänzungsmitteln • Regelmäßiger Alkoholkon sum
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Medikamente: Nur wenige wirken – differenzierter Einsatz erforderlich
Viele Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, die Patienten heute erhalten, sind wirkungslos. „Schätzungsweise 50.000 Wissenschaftler weltweit forschen an der Alzheimer-Erkrankung. Dutzende Wirkstoffe befinden sich in klinischen Studien – und doch gibt es noch kein Medikament, das einen krankheitsmodifizierenden Effekt besitzt, und es ist kurzfristig leider auch keines in Sicht“, konstatierte Professor Richard Dodel, Marburg, Mitglied der Leitlinien-Expertengruppe für die DGN. Das Wissen über ein kleines Arsenal von Medikamenten in der Alzheimer-Therapie hat sich allerdings verfestigt. Mit ihnen wird die sogenannte Kernsymptomatik, also der Verfall kognitiver Fähigkeiten, behandelt (Abb. 2). Sie müssen aber sehr differenziert je nach Patient, je nach Neben- und Wechselwirkung oder Grad der Erkrankung eingesetzt werden. Neu aufgenommene Empfehlungen betreffen die Medikamentengruppe der Acetylcholinesterase-Hemmer. Diese fördern die Fähigkeit der Patienten, ihre Alltagsaktivitäten zu verrichten, und stabilisieren die kognitive Funktion und den Gesamteindruck bei einer leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz. Daher werden sie zur Langzeitbehandlung von Alzheimer-Patienten eingesetzt. Bei klinischer Progredienz ins mittlere bis schwere Krankheitsstadium sollten sie nicht abgesetzt werden. Denn das Absetzen von Acetylcholinesterase-Hemmern birgt das Risiko einer klinischen Verschlechterung und sollte nur vorgenommen werden, wenn © VERLAG PERFUSION GMBH
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Abbildung 2: Empfehlungen der Leitlinien Demenz zu Antidementiva (Empfehlungsgrade A, B, 0).
die Nebenwirkungen den Nutzen übersteigen (34). Memantin ist bei moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz angezeigt, denn es wirkt auf Kognition, Alltagsfunktion und klinischen Gesamteindruck der Patienten (37). Bei leichtgradiger kognitiver Beeinträchtigung sehen die Experten jedoch keine Wirkung des Präparates und raten vom Einsatz ab (38). Zu den günstig beurteilten Präparaten ist Ginkgo biloba EGb 761 hinzugekommen. Hier gibt es Hinweise für die Wirksamkeit bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz und nicht psychotischen Verhaltenssymptomen. Daher heißt es in den Leitlinien: Eine Behandlung kann erwogen werden (42). Viele weitere Medikamente werden derzeit bei Demenzpatienten angewendet, obwohl sie in Studien keine Wirkung gezeigt haben. Die Leitlinie listet diese Wirkstoffe auf. Schließlich versprechen sich viele Patienten und Angehörige eine Besserung von Nahrungser-
gänzungsmitteln. „Doch auch hier zeigt die Leitlinie, dass von den derzeit zur Verfügung stehenden Präparaten keine sicher nachgewiesene Wirkung ausgeht“, betonte Dodel. Früherkennung – ein grundsätzliches Recht für die Patienten
„Allen Patienten mit klar definierten Vorzeichen einer AlzheimerDemenz kann schon Jahre vor einer ausgeprägten Manifestation eine Früherkennung angeboten werden“, sagte Professor Jörg Schulz, Aachen, Mitglied der LeitlinienExpertengruppe für die DGN. „Wenn die fachlich richtigen Methoden gewählt werden, können wir heute eine Alzheimer-Erkrankung mit einer Vorhersagestärke von 85–90 % prognostizieren.“ Jeder Patient mit sicher diagnostizierten klinischen Vorzeichen, der Demenzvorstufe MCI (Mild Cognitive Impairment), sollte über die Möglichkeiten einer Frühdiagnostik und die im Anschluss mögli-
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chen Präventionsmaßnahmen aufgeklärt werden. „Auch wenn es noch nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen ist, gehen wir davon aus, dass frühe präventive Maßnahmen die Chance erhöhen, den Fortschritt der Erkrankung zu bremsen. Jeder sollte ein Recht haben, diese Option zu nutzen“, betonte Schulz und ergänzte: „Das Recht auf Nichtwissen bleibt natürlich bestehen.“ Das bedeutet, dass die Frühdiagnostik nur nach vorheriger Aufklärung, mit Einwilligung des Patienten und auch mit einer entsprechenden Betreuung nach der Diagnose erfolgen darf. Dabei ist auch zu prüfen, inwiefern der Patient überhaupt einwilligungsfähig ist (2). Weder kognitive Tests und Kurztests noch apparative diagnostische Verfahren werden empfohlen, wenn keine Verdachtsmomente vorliegen (7). Anbieter solcher Privatleistungen für Selbstzahler werden von der Leitliniengruppe als nicht seriös angesehen. Bei der Früherkennung sind ausführliche Gedächtnistests zu empfehlen. Das Screening von © VERLAG PERFUSION GMBH
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Frühdiagnostik Pathologische Veränderungen des Gehirns beginnen – insbesonde re bei der Alzheimer Demenz –Jahre (bis Jahrzehnte) vor Sichtbar werden der klinischen Symptome. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Demenzerkrankung erlau ben klinische Untersuchungen Rückschlüsse auf deren Ursache und Differenzialdiagnose. Dazu zählen: • Neuropsychologische Untersuchungen • Laboruntersuchungen • Bildgebung (cCT, cMRT) • Liquordiagnostik (Bestimmung von „Neurodegenerationsmar kern“) • Nuklear medizinische Untersuchungen (Amyloid-PET, GlukosePET) Kognitive Kurztests • Kognitive Kurztests sind zur orientierenden Einschätzung und zur Schweregradeinteilung geeignet. • Die Sensitivität dieser Verfahren ist bei leichtgradiger und fragli cher Demenz jedoch begrenzt. • Sie sind zur Differenzialdiagnostik verschiedener Demenzen nicht geeignet. Demenz-Screening Von einem Screening gesunder bzw. beschwerdefreier Personen wird abgeraten.
haben, nicht nur die Symptome, sondern auch den Verlauf der Erkrankung zu modifizieren, also das Fortschreiten zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. „Damit gewinnen die Patienten möglicher-
weise Lebensqualität und Lebenszeit“, so Schulz. Fabian Sandner, Nürnberg Quelle: Gemeinsame Presseinformation der DGPPN und der DGN anlässlich der Pressekonferenz am 27. Januar 2016 in Berlin. © Ton Koene
Patienten ohne Beschwerden mit Kurztests (z.B. MMST, DemTEct, TFDD) wird allerdings nicht empfohlen (6). Eine liquorbasierte neurochemische Demenzdiagnostik kann in klinisch unklaren Fällen im Rahmen der Erstdiagnostik zur Differenzierung zwischen primär neurodegenerativen Demenzerkrankungen und anderen Ursachen eines Demenzsyndroms einen Beitrag leisten (17). Auch die Darstellung des zerebralen Amyloids mittels PET (Positronen-Emissionstomographie) zur Differenzialdiagnose bzw. ätiologischen Zuordnung kann in unklaren Fällen angeraten sein. Ein positiver Amyloid-Nachweis mittels PET muss im Gesamtkontext, insbesondere unter Beachtung des klinischen Befundes interpretiert werden. Bei Demenz kann ein positiver Amyloid-PET-Befund eine zugrunde liegende AlzheimerKrankheit belegen, während ein negativer Amyloid-PET-Befund sie ausschließt (26). Wem tatsächlich die Frühdiagnose einer Demenz oder ein erhöhtes Risiko dafür attestiert wird, dem kann eine Teilnahme an Studien angeboten werden, die das Ziel
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Kurzinformation: Kyprolis® 60 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung Wirkstoff: Carfilzomib Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Jeder Verdachtsfall einer Nebenwirkung sollte gemeldet werden. Zusammensetzung: Arzneilich wirksamer Bestandteil: Jede Durchstechflasche enthält 60 mg Carfilzomib. Nach Rekonstitution enthält 1 ml Lösung 2 mg Carfilzomib. Sonstige Bestandteile: Hexakis- und Heptakis-O-(4-sulfobutyl)cyclomaltoheptaoseNatriumsalz (1:6,2-6,9), Citronensäure (E 330), Natriumhydroxid (zur pH-Wert Einstellung). Jeder ml der rekonstituierten Lösung enthält 7 mg Natrium. Anwendungsgebiet: Kyprolis® ist in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit multiplem Myelom indiziert, die mindestens eine vorangegangene Therapie erhalten haben. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Stillende Frauen. Da Kyprolis® in Kombination mit anderen Arzneimitteln angewendet wird, sind deren Fachinformationen bezügl. zusätzl. Gegenanzeigen zu beachten. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Pneumonie, Infektion der Atemwege, Nasopharyngitis, Thrombozytopenie, Neutropenie, Anämie, Lymphopenie, Hypokaliämie, Hyperglykämie, vermindeter Appetit, Schlaflosigkeit, Schwindel, periphere Neuropathie, Kopfschmerzen, Hypertonie, Dyspnoe, Husten, Erbrechen, Diarrhö, Konstipation, abdominale Schmerzen, Übelkeit, Rückenschmerzen, Arthralgie, Schmerzen in den Extremitäten, Muskelkrämpfe, erhöhtes Kreatinin im Blut, Infusionsreaktionen, Pyrexie, periphere Ödeme, Asthenie, Fatigue. Häufig: Sepsis, Grippe, Infektion der Harnwege, Bronchitis, Virusinfektion, febrile Neutropenie, Leukopenie, Dehydratation, Hyperkaliämie, Hypomagnesiämie, Hyponatriämie, Hyperkalzämie, Hypokalzämie, Hypophosphatämie, Hyperurikämie, Hypoalbuminämie, Angstzustände, Parästhesie, Hypoästhesie, Katarakt, verschwommenes Sehen, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, Tachykardie, Herzklopfen, tiefe Venenthrombose, Hypotonie, Hautrötung, Lungenembolie, Lungenödem, Epistaxis, oropharyngeale Schmerzen, Dysphonie, Keuchen, pulmonale Hypertonie, Dyspepsie, Zahnschmerzen, erhöhte Alanin-Aminotransferase, erhöhte Aspartat-Aminotransferase, erhöhte Gammaglutamyl-Transferase, Hyperbilirubinämie, Hautausschlag, Pruritus, Erythem, Hyperhidrose, muskuloskelettale Schmerzen, muskuloskelettale Schmerzen in der Brust, Knochenschmerzen, Myalgie, Muskelschwäche, akutes Nierenversagen, Nierenversagen, Nierenfunktionsstörung, verminderte renale Kreatinin-Clearance, Brustschmerzen, Schmerzen, Reaktionen an der Infusionstelle, Schüttelfrost, erhöhtes C-reaktives Protein, erhöhte Harnsäure im Blut. Gelegentlich: Arzneimittelüberempfindlichkeit, hämolytisch-urämisches Syndrom, Tumorlyse-Syndrom, Schlaganfall, Herzstillstand, Myokardinfarkt, myokardiale Ischämie, verringerte Ejektionsfraktion, Perikarditis, Perikarderguss, hypertensive Krisen, ARDS, akutes Lungenversagen, interstitielle Lungenerkrankung, Pneumonitis, gastrointestinale Perforation, Leberversagen, Cholestase, Multiorganversagen. Selten: thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, thrombotische Mikroangiopathie, posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom, hypertensive Notfälle. Weitere Angaben: s. Fach- und Gebrauchsinformation Verschreibungspflichtig. Stand der Information: November 2015 AMGEN Europe B.V., 4817 ZK Breda, Niederlande; (Örtlicher Vertreter Deutschland: AMGEN GmbH, 80992 München)
DE-P-CARF-1115-118434(1)
# Es handelt sich hierbei um Daten der KRd-Gruppe aus der Zulassungsstudie ASPIRE (vs Rd). 1 Stewart AK et al. N Engl J Med 2015;372:142-152. 2 Ludwig H et al. Leukemia 2013;1-12. 3 Suzuki K Clin Exp Nephrol 2012;16:659-671. 4 Paiva B et al. Blood. 2015;125(20):3059-3068.
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D
ie Immunthrombozytopenie (ITP, Morbus Werlhof) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich Autoantikörper gegen Thrombozyten bilden, sodass diese von Makrophagen und dendritischen Zellen z.B. in der Milz vermehrt abgebaut werden. Außerdem kann es zu einer Hemmung der Thrombozytopoese im Knochenmark kommen [1]. Das klinische Bild ist daher durch eine verstärkte Blutungsneigung bzw. Blutungen charakterisiert (Tab. 1). Man unterscheidet die primäre ITP, bei der keine auslösenden Faktoren erkennbar sind, von sekundären Formen, die durch Arzneimittel oder andere Grunderkrankungen ausgelöst werden. Eine chronische ITP liegt bei einer Erkrankungsdauer von mehr als 12 Monaten nach Diagnosestellung vor. Mit einer jährlichen Inzidenz von 2–4/100.000 Einwohner ist die ITP vergleichsweise selten, im Kindesalter stellt sie jedoch die häufigste Ursache einer Blutungsneigung dar (ca. 3–5/100.000 pro Jahr) [1]. • P etechien, meist an den Beinen oder/ und der Mundschleimhaut, weniger häufig an Rumpf, Armen oder im Gesicht • B lutungen der Schleimhäute von Mund und Nase • U rogenitale Blutungen, verstärkte Menstruationsblutungen
• V erstärkte Blutungen bei geringen Verletzungen
• H ämatomneigung schon bei kleinen Traumen
• S elten innere Blutungen (z.B. intrazerebrale Blutung) Tabelle 1: Typische Blutungssymptome bei Immunthrombozytopenie [1].
Therapieoptionen
Behandlungsziel bei der ITP ist in erster Linie die Vermeidung teilweise lebensbedrohlicher Blu-
Chronische Immunthrombozytopenie: Thrombopoetin-RezeptorAgonist Eltrombopag verbessert die Behandlungsperspektiven tungen. Entsprechend orientiert sich die Indikation zur Therapie der chronischen ITP primär an der Blutungsneigung und nicht an der Thrombozytenzahl [1]: • WHO Grad 0–I (keine/leichte Blutungen): Unabhängig von der Schwere der ITP besteht keine zwingende Therapieindikation, meistens wird allerdings eine Therapie durchgeführt; ebenso kann eine „Watch-and-Wait“Strategie verfolgt werden. • WHO Grad II–IV (mittelschwere/schwere) Blutungen: Hier ist eine Therapie indiziert, bei Grad II ggf. „Watch-andWait“-Strategie. Als Erstlinientherapie wird in der Regel ein Glukokortikoid eingesetzt, bei schweren Blutungen ist ggf. eine Notfalltherapie mit intravenösen Immunglobulinen erforderlich [1]. Eine Zweitlinientherapie ist indiziert bei Auftreten von Blutungen, wenn die Erkrankung auf die Primärtherapie nicht ausreichend anspricht oder die Thrombozytenzahl erneut abfällt. Eine mögliche Therapieoption ist die Splenektomie, die in bis zu 2 Drittel der Fälle zu einer partiellen oder kompletten Remission führt. Dem stehen mögliche Risiken und Komplikationen
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in Zusammenhang mit dem operativen Eingriff gegenüber (Tab. 2). Zudem spricht etwa jeder dritte Patient nicht an oder erleidet ein Rezidiv [1]. Aus diesen Gründen versucht man im klinischen Alltag häufig, die Splenektomie aufzuschieben oder zu vermeiden. Das Hinausschieben der Operation ist aufgrund der bis zum Ablauf des ersten Erkrankungsjahres häufigen spontanen Remissionen aber auch medizinisch sinnvoll und wird von vielen Leitlinien empfohlen [1]. Für die Splenektomie-aufschiebende Therapie werden Thrombopoietin-Rezeptor-Agonisten wie z.B. Eltrombopag sowie Rituximab eingesetzt, wobei Letzteres jedoch keine arzneimittelrechtliche Zulassung für die chronische ITP hat. • O P-Mortalität <1 % (bei älteren Patienten durchaus höher) • P ostoperative Morbidität ca. 10 % (Wundinfektionen, Pneumonien)
• L ebenslang erhöhtes Infektionsrisiko: OPSI-Syndrom (Overwhelming Post Splenectomy Infection) bei 1–5 % der Patienten, Letalität 40–70 %
• P ostoperative Thrombozytose • Venöse Thromboembolien • P ulmonale Hypertonie
Tabelle 2: Risiken und Komplikationen nach Splenektomie [1].
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Eltrombopag, Patient splenektomiert Placebo, Patient splenektomiert
Während der Behandlung
Nach der Behandlung
Mittlere Thrombozytenzahl pro µl (×103)
Eltrombopag, Patient nicht splenektomiert Placebo, Patient nicht splenektomiert
Studienwoche
Abbildung 1: Ergebnis der RAISE-Studie: Eltrombopag (Revolade®) erhöht die Thrombozytenzahlen unabhängig vom Splenektomie-Status des Patienten [3].
Fortschritte in der Behandlung der ITP durch ThrombopoetinRezeptor-Agonisten
Der Thrombopoetin-RezeptorAgonist (TPO-RA) Eltrombopag (Revolade®) ist in der EU seit 2010 zur Behandlung splenektomierter Patienten mit chronischer ITP zugelassen, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind. Im Januar 2016 erfolgte eine Zulassungserweiterung, derzufolge die Splenektomie keine Voraussetzung mehr für die Behandlung mit Eltrombopag darstellt [2]. Wirksamkeit und Sicherheit von Eltrombopag bei chronischer ITP wurden in 2 offenen und 2 randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien [3, 4] untersucht. An der Phase-IIIStudie RAISE [3] nahmen insgesamt 197 ITP-Patienten teil. Vor Studienbeginn wiesen sie mittlere Thrombozytenzahlen von 16.000/ μl auf. Die Startdosis in der Eltrombopag-Gruppe (n=135) betrug 50 mg täglich. Das Ansprechen auf die Therapie wurde definiert als Thrombozytenzahlen zwischen
50.000/μl und 400.000/μl ohne Notfallbehandlung. Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem das Auftreten von Blutungen, die mittlere Thrombozytenzahl sowie die maximale Dauer des Ansprechens. Unter Eltrombopag konnte ab Tag 15 bis zum Studienende ein mittlerer Anstieg auf 53.000/μl bis 73.500/μl beobachtet werden, und das unabhängig vom Splenektomie-Status (Abb. 1). Die Thrombozytenzahlen in der PlaceboGruppe betrugen über die gesamte Studiendauer zwischen 17.500/μl. und 23.000/μl (Abb. 1). 79 % der Patienten der Eltrombopag-Gruppe sprachen im Studienzeitraum mindestens einmal auf die Therapie an, in der Placebo-Gruppe waren es 28 %. Patienten im Eltrombopag-Arm wiesen ab Tag 15 eine knapp 50%ige Reduktion klinisch relevanter Blutungen auf – ein Wert, der über den gesamten Behandlungszeitraum konstant blieb [3]. Die Inzidenz von Nebenwirkungen war in der RAISE-Studie unter der Therapie mit Eltrombopag mit
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dem Placebo-Arm vergleichbar (Abb. 2). Die beobachteten Leberwertveränderungen waren meist leicht (Grad 1–2) und reversibel. Bei 2 % der mit Eltrombopag behandelten Patienten traten thromboembolische Ereignisse auf, im Vergleich zu 0 % im Placebo-Arm [3]. Behandlung bei Kindern
Am 28. Januar 2016 sprach die Europäische Arzneimittelagentur eine Empfehlung für die Zulassung von Eltrombopag zur Behandlung von Kindern mit chronischer ITP im Alter von einem Jahr und älter aus, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind [5]. Die zu erwartende Zulassungserweiterung basiert auf Daten zweier randomisierter, placebokontrollierter Multizenterstudien, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Eltrombopag bei pädiatrischen Patienten untersucht wurde [6, 7]. Aufgrund der Zulassungserweiterung und der Zulassungsempfehlung könnten in Zukunft noch mehr ITP-Patienten © VERLAG PERFUSION GMBH
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Abbildung 2: In der RAISE-Studie erwies sich Eltrombopag (Revolade®) als gut verträglich [3]. Literatur
Eltrombopag Bei Eltrombopag (Revolade®) handelt es sich um ein „small mole cule“ aus der Klasse der ThrombopoetinRezeptorAgonisten, das in Form von Filmtabletten zur Verfügung steht und einmal täglich oral eingenommen wird. Thrombopoetin (TPO) ist ein Glykoprotein, das primär in der Leber gebildet wird und durch Bindung an den TPORezeptor (TPOR) die Megakaryopoese und Thrombozytenpro duktion reguliert. Eltrombopag interagiert mit der Transmembran Domäne des TPOR und kann somit die Proliferation und Differen zierung von Megakaryozyten aus KnochenmarkVorläuferzellen stimulieren. Hierbei binden Eltrombopag und TPO an unterschiedli che Stellen des TPOR, wodurch sich synergistische Effekte einstellen können [9].
von einer Therapie mit Eltrombopag profitieren. Daten aus Frankreich weisen auf Wandel in der ITP-Therapie hin
Anlässlich des ASH-Kongresses 2015 präsentierte Daten aus Frankreich deuten auf den steigenden Stellenwert der TPO-RA in der Behandlung der ITP hin. In der prospektiven multizentrischen Querschnitts-Beobachtungsstudie SATURNE wurden Daten zur Behandlung der ITP aus den Jahren 2012–2013 (19 Monate) von 333
erwachsenen Patienten erfasst, darunter 278 mit chronischer ITP [8]. Die Ergebnisse zeigen den zunehmenden Einsatz von TPO-RA als Zweit- und Drittlinientherapie: So erhielten 40 % der ITP-Patienten mit Diagnosestellung innerhalb der letzten 2 Jahre in der Zweitlinientherapie einen TPO-RA. Bei Patienten, die vor 2–5 Jahren diagnostiziert wurden, lag dieser Anteil bei 15 %. Gleichzeitig reduzierte sich die Anwendung der Splenektomie im gleichen Zeitraum in der Zweitlinie von 31 % auf 9 % [8]. Elisabeth Wilhelmi, München
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1 Matzdorff A, Eberl W, Giagounidis A et al. DGHO Leitlinie Immunthrombozytopenie (ITP). Stand: November 2013. Online verfügbar unter: https://www.onkopedia.com/ de/onkopedia/guidelines/immunthrombozytopenieitp/@@view/html/index. html#ID0E2H. Zugriff am 29.03.2016 2 Community Register of Medicinal Products for Human Use. Product Information Revolade®. Online verfügbar unter: http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/ html/h612.htm. Zugriff am 29.03.2016 3 Cheng U, Saleh MN, Marcher MN et al. Eltrombopag for management of chronic immune thrombocytopenia (RAISE): a 6-month, randomised,phase 3 study. Lancet 2011;377:393-402 4 Bussel J et al. Update on the safety and efficacy of extended treatment with eltrombopag (EPAG) in adults with chronic immune thrombocytopenia (ITP). Blood 2013;122:Abstract 2315 (ASH 2013) 5 EMA Summary of Opinion: Revolade®. Online verfügbar unter: http://www.ema. europa.eu/docs/en_GB/document_library/ Summary_of_opinion/human/001110/ WC500200372.pdf. Zugriff am 29.03.2016 6 Bussel JB, de Miguel PG, Despatovic JM et al. Eltrombopag for the treatment of children with persistent and chronic immune thrombocytopenia (PETIT): a randomised, multicentre, placebo-controlled study. Lancet Haematol 2015;2:e315-e325 7 Graigner JD, Locatelli F, Chotsampancharoen T et al. Eltrombopag for children with chronic immune thrombocytopenia (PETIT2): a randomised, multicentre, placebo-controlled trial. Lancet 2015;386:1649-1658 8 Michel M, Adoue D, Cheze S et al. French observatory of adult chronic immune thrombocytopenia (ITP) treated by thrombopoietin receptor agonists (TPO-RAs). ASH Annual Meeting 2015, Orlando, Florida, 5.–8. Dezember 2015; Poster 2250 9 Fachinformation Revolade®, Stand: Januar 2016
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EIN GUTER START BEI IPF
OFEV® – FÜR EINE NEUE RICHTUNG BEI IPF
• OFEV® reduziert signifikant die jährliche FVC Abnahme um ca. 50 %1 • OFEV® reduziert signifikant das Risiko adjudizierter, akuter IPF-Exazerbationen um 68 %1 • nur 1 Kapsel 2x täglich
* Raghu G et al. Am J Respir Crit Care Med. 2015;192:e3-e19. 1. Richeldi L et al. Efficacy and Safety of Nintedanib in Idiopathic Pulmonary Fibrosis. N Engl J Med. 2014;370:2071-2082. Ofev® 100 mg / 150 mg Weichkapseln zum Einnehmen. Wirkstoff: Nintedanib. Zusammensetzung: Eine Kapsel enthält 100 mg / 150 mg Nintedanib (als Esilat). Sonstige Bestandteile: Gelatine, Mittelkettige Triglyceride, Hartfett, Glycerol (85 %), Titandioxid (E171), Phospholipide aus Sojabohnen (E322), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172), Eisen(III)-oxid (E172), Schellack, Eisen(II,III)-oxid (E172), Propylenglycol (E1520). Anwendungsgebiete: Ofev® wird angewendet bei Erwachsenen zur Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose (IPF). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Nintedanib, Erdnuss oder Soja oder einen der sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Diarrhoe, Übelkeit, Bauchschmerzen, Leberenzyme erhöht. Häufig: Gewichtsverlust, Appetitverlust, Epistaxis, Erbrechen, AlaninAminotransferase (ALT) erhöht, Aspartat-Aminotransferase (AST) erhöht, Gamma-Glutamyltransferase (GGT) erhöht. Gelegentlich: Hypertonie, Hyperbilirubinämie, alkalische Phosphatase (AP) im Blut erhöht. Dosierung: Die empfohlene Dosis beträgt 150 mg Nintedanib zweimal täglich, die im Abstand von ca. 12 Stunden eingenommen wird. Verschreibungspflichtig. Stand der Information: Januar 2016. Pharmazeutischer Unternehmer: Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Binger Str. 173, 55216 Ingelheim am Rhein, Tel.: 08 00 / 77 90 90 0, Fax: 0 61 32 / 72 99 99, E-Mail: info@boehringer-ingelheim.de 06/16
Hinweis für Apotheker: Nur Direktbezug über Hersteller mit Info-Service für Apotheker
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Nächtliche Wadenkrämpfe: Therapie und Prophylaxe mit dem Wirkstoff aus der Chinarinde
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hinin, ein natürliches Alkaloid aus der Rinde des Chinarindenbaums, lindert bei rezidivierenden nächtlichen Wadenkrämpfen effektiv die Schmerzen infolge der Muskelkrampflösung und schützt wirksam vor erneuten Krämpfen – unabhängig von der Krampfursache, denn der Naturstoff wirkt direkt an der motorischen Endplatte. Chinin ist der einzige Wirkstoff, der von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur effektiven Therapie von nächtlichen Wadenkrämpfen anerkannt ist [1]. 100 Jahre Forschung zur Muskelrelaxation mit Chinin
Chinin wurde erstmals im 19. Jahrhundert aus der Rinde des südamerikanischen Chinarinden- oder Cinchona-Baums gewonnen, der in den Hochwäldern der Anden in einer Höhe von 1.500 bis 2.700 Metern wächst. Der Name Chinin entwickelte sich aus der Sprache der Ureinwohner der Anden. Sie nannten die Chinarinde „Quinquina“ – „die Rinde der Rinden“. Dies spricht dafür, dass bereits damals die Besonderheiten der Rinde des Cinchona-Baums bekannt waren. Chinin wirkt analgetisch, antipyretisch und muskelrelaxierend – und wird wegen seines typischen bitteren Geschmacks Limonaden (Tonic
Water) und Spirituosen zugesetzt. Bereits früh wurden die antipyretischen und analgetischen Wirkungen des Naturstoffs aus der Chinarinde therapeutisch genutzt. Zu „Ruhm“ gelangte Chinin durch seine fiebersenkende Wirkung im Hochdosisbereich bei der Malaria. Vor 100 Jahren wurde erstmals eine hemmende Wirkung von Chinin auf experimentell ausgelöste tetanische Krämpfe nachgewiesen. Einige Jahre später wurde gezeigt, dass es sich bei der krampflösenden Wirkung von Chinin um einen dosisabhängigen Effekt handelt. Erst in den 1930er-Jahren entdeckte A. M. Harvey, dass Chinin die Reizüberleitung an der motorischen Endplatte reduziert und damit die Reaktion auf repetitive Reize verringert. Durch diese neurotrope Wirkung wird die Reizschwelle angehoben, die für die Auslösung einer Kontraktion überwunden werden muss. Weiterhin fand Harvey, dass Chinin die Refraktärzeit erheblich verlängert. Diese neurotrope Wirkung spielt die entscheidende Rolle bei der Prophylaxe von Wadenkrämpfen. Denn bei längerer Refraktärzeit wird das an den Nervenenden freigesetzte Acetylcholin von der Cholinesterase abgebaut, bevor es an der motorischen Endplatte Kontraktionen auslösen kann. Damit zählt Chininsulfat zu den peripheren Muskelrelaxanzien.
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Chinin wirkt am „Ort des Geschehens“ – ohne zentrale Nebenwirkungen
Da niedrig dosiertes Chininsulfat (200–400 mg pro Tag) als peripheres Muskelrelaxans direkt am „Ort des Geschehens“ wirkt, werden Wadenkrämpfe unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache verhindert, ohne dass zentrale Nebenwirkungen wie Müdigkeit den Patienten in seiner Alltagsfunktionalität belasten. Häufige schmerzhafte nächtliche Wadenkrämpfe gehen mit einem hohen Leidensdruck einher und erfordern eine effektive und schnelle Therapie, die unabhängig von der Krampfursache wirksam ist, da sich diese oft nur schwierig aufspüren lässt. Diese Anforderungen erfüllt Chininsulfat: Die klinischen Studiendaten, die Erfahrungen aus dem Praxisalltag und die Anwendung unter „Real-life“-Bedingungen belegen, dass unter der Behandlung mit Chininsulfat sowohl die Anzahl als auch die Intensität der Muskelkrämpfe rasch und effektiv verringert werden. Darüber hinaus verbessert sich unter der Therapie die Schlafqualität und der Tagesmüdigkeit wird vorgebeugt. Chininsulfat ist der einzige Wirkstoff, dessen Wirksamkeit bei nächtlichen Wadenkrämpfen klinisch gut dokumentiert ist. Auf die Wirksamkeit von Chininsulfat bei © VERLAG PERFUSION GMBH
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Wadenkrämpfen wird in der Leitlinie der DGN explizit hingewiesen. Hier heißt es: „Ausreichend belegt ist die Behandlung mit Chinin; alle anderen Maßnahmen und pharmakologischen Therapien sind nur schwach oder nicht ausreichend belegt“ [1]. In Deutschland ist als einziges Chininsulfat-Präparat Limptar® N zur Therapie und Prophylaxe sehr häufig auftretender oder besonders schmerzhafter nächtlicher Wadenkrämpfe bei Erwachsenen zugelassen und in dieser Indikation erstattungsfähig. Die Diagnose wird nach ICD-10 kodiert (R25.2 Krämpfe und Spasmen der Muskulatur) und die Behandlung entsprechend abgerechnet. Elisabeth Wilhelmi, München
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Unkontrollierbare Hyperhidrose: Systemische Therapie mit Methantheliniumbromid gibt Lebensqualität zurück
P
hysiologisches Schwitzen dient der Regulation der Körpertemperatur und hält den Säureschutzmantel der Haut aufrecht. Bei Hyperhidrose sind die Schweißdrüsen überaktiviert und produzieren ohne offensichtlichen Grund vermehrt Schweiß. Die idiopathische Form (primäre Hyperhidrose) tritt meist fokal auf. Prädilektionsstellen sind die Achselhöhlen, die Hand- oder Fußflächen sowie Kopf und Stirn. Tritt
der Schweiß an mehr als 3 Körperregionen auf oder schwitzt der gesamte Körper, liegt eine generalisierte Hyperhidrose vor. In diesen Fällen kann es sich auch um ein Symptom einer Grunderkrankung handeln (sekundäre Hyperhidrose), so z.B. Hypertonie und Diabetes, Schilddrüsenüberfunktion oder andere endokrine Erkrankungen. Die primäre Hyperhidrose äußert sich als temperaturunabhängiges, unvorhersehbares und willentlich
Methantheliniumbromid
Literatur 1 Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). S1-Leitlinie. Crampi/Muskelkrampf. AWMF-Registernr. 030/037; Stand: September 2012
Methantheliniumbromid (Vagantin® Riemser) ist ein quaternä res Ammoniumderivat, das durch eine Blockade postsynaptischer Muskarin-Rezeptoren die stimulierende Wirkung von Acetylcholin an den vorwiegend cholinerg innervierten Schweißdrüsen unter bindet und somit die Schweißsekretion reduziert. Wegen seiner Polarität penetriert das Anticholinergikum kaum die Blut-HirnSchranke und ist daher nicht ZNS-wirksam. Im Vergleich zu ande ren Anticholinergika sind damit keine zentralnervös bedingten Nebenwirkungen wie Schwindel, Übelkeit oder Schlafstörungen zu erwarten. Auch eine einschleichende Dosierung und ein schritt weises Absetzen sind nicht erforderlich [6]. So trat in der Zulas sungsstudie erwartungsgemäß lediglich leichte Mundtrockenheit häufiger auf [5]. Die Verträglichkeit der Substanz wurde von 87 % der Studienteilnehmer als sehr gut oder gut eingestuft [5]. Bei dauerhafter Therapie erfolgt die orale Einnahme dreimal täg lich, Methantheliniumbromid kann aber auch situativ, etwa bei ex ternen Stressoren wie Präsentationen oder Prüfungen, eingesetzt werden. Die Wirkung tritt normalerweise nach 30–60 Minuten ein und hält bis zu 6 Stunden an [7].
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nicht kontrollierbares Schwitzen. Dabei handelt es sich um bilaterales, relativ symmetrisches Schwitzen, mindestens einmal pro Woche, wobei nachts typischerweise kein übermäßiges Schwitzen zu beobachten ist [1]. Die Ursachen sind bisher nicht abschließend geklärt, jedoch scheint es sich um eine genetisch determinierte Funktionsstörung zu handeln, wie auch Studien zur familiären Vorbelastung zeigen [2]. Aktuell sind etwa 16 % der Deutschen von Hyperhidrose betroffen [3]. Behandlungsmöglichkeiten
Für die Behandlung der leichten fokalen Hyperhidrose eignet sich die topische Anwendung von Antiperspiranzien. In schwereren Fällen kann ein Versuch mit Leitungswasser-Iontophorese erfolgen, bei der die Schweißmenge mittels Gleichstrom verringert wird. Aus technischen Gründen ist sie jedoch meist den palmoplantaren Formen vorbehalten. Axillär können intrakutane Injektionen von Botulinumtoxin A die Schweißsekretion senken, wobei die SelbstzahlerIntervention nach circa 6 Monaten wiederholt werden muss. Ultima Ratio sind operative Verfahren wie Exzisionen der Schweißdrüsen, Kürettagen, endoskopische thorakale Sympathektomie oder die CT-gesteuerte perkutane Sympathikolyse, die jedoch in einem kompensatorischen Schwitzen münden können. Bei therapieresistenten Formen der fokalen Hyperhidrose werden Anticholinergika empfohlen [1]. Wenn bei sonst Gesunden die krankhafte Schweißdrüsenaktivität unter den Achseln seit mindestens
einem Jahr besteht und mit topischen Behandlungen nicht ausreichend zu kontrollieren ist, steht für die Behandlung der primären axillären Hyperhidrose als einzige, nicht ZNS-gängige, systemische Bedarfs- und Dauertherapie das Anticholinergikum Methantheliniumbromid (Vagantin® Riemser) zur Verfügung [4]. Belegte Wirksamkeit und Sicherheit
Methantheliniumbromid wird seit mehr als 50 Jahren wegen seiner guten Erfolge in der Praxis als systemische Therapie angewendet. Es war in Deutschland bereits unter dem Handelsnamen Vagantin® fiktiv zugelassen und befand sich seit 2012 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Zulassungsverfahren. Im November 2015 wurde Vagantin® Riemser mit dem gleichgebliebenen Wirkstoff Methantheliniumbromid auf Basis einer Phase-IIIb-Studie in Deutschland für die Therapie der persistenten, exzessiven idiopathischen primären Hyperhidrosis axillaris bei Jugendlichen ab 12 Jahren und Erwachsenen zugelassen. Das Symptom muss für die Anwendung des Medikaments seit mindestens einem Jahr bestehen und mit topischen Behandlungen nicht ausreichend kontrollierbar sein. Ab dem 1. April 2016 wird Vagantin® Riemser in den Markt eingeführt und ist somit erstattungsfähig [4]. Die Zulassungsstudie mit 339 Patienten konnte zeigen, dass Methantheliniumbromid die übermäßige Schweißbildung bei axillärer Hyperhidrose signifikant reduziert [5]. Die mittlere gravimetrisch ge-
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messene Schweißmenge bei Patienten mit klinisch manifester, axillärer Hyperhidrose verringerte sich nach vierwöchiger Behandlung mit 3 × 50 mg Methantheliniumbromid im Vergleich zur Placebogabe signifikant (p=0,004). Dass die Reduktion des Schweißflusses direkt mit der Lebensqualität der Patienten korreliert, zeigten die Ergebnisse für den sekundären Endpunkt der Studie: Die anhand der Schweregrad-Skala „Hyperhidrosis Disease Severity Scale“ (HDSS) beurteilte Symptomstärke erreichte unter dem Verum bereits in der 2. Woche signifikant bessere Werte, die sich bis zum Studienende nach 4 Wochen noch steigerten (p=0,02 bzw. p=0,002). Analog verbesserte sich die mittels „Dermatology Life Quality Index“ (DLQI) beurteilte Lebensqualität sowohl in der 2. als auch der 4. Woche signifikant stärker unter Methantheliniumbromid (p=0,006 bzw. p=0,003) [5]. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Deutsche Dermatologische Gesellschaft, DDG: S1-Leitlinie „Definition und Therapie der primären Hyperhidrose“. Stand: 15.01.2012 2 Ro KM et al. J Vasc Surg 2002;35:382-386 3 Augustin M et al. Dermatology 2013;227: 10-13 Riemser, 4 Fachinformation Vagantin® Stand: November 2015 5 Müller C et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2013;10:1278-1284 6 Müller C. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung 2011; P6/5; www.egms. de/static/en/meetings/dkvf2011/11dkvf118. shtml 7 Müller C et al. Eur J Clin Pharmacol 2012; 68:1473-1481
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
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ie schmerztherapeutische Behandlung von Patienten mit Knochenmetastasen ist häufig nicht optimal. Dabei ist die Inzidenz von Knochenmetastasen bei vielen Tumorentitäten hoch: Immerhin entwickeln 65–75 % der Frauen mit einem Mammakarzinom und ein ebenso hoher Anteil der Männer mit einem Prostatakarzinom mit dem Fortschreiten der Erkrankung Metastasen in den Knochen. Bei der Prävention von skelettbezogenen Komplikationen aufgrund solider Tumoren hat sich Denosumab (Xgeva®) bewährt. Dank der effektiven Osteoprotektion können auch durch Knochenmetastasen ausgelöste Schmerzen besser kontrolliert werden. Für die Patienten ist das besonders wichtig, denn Knochenmetastasen sind die häufigste Schmerzursache bei fortgeschrittener Tumorerkrankung [1]. Knochenmetastasen fördern das Auftreten weiterer Komplikationen
In aller Regel kommt es durch die Knochenmetastasen früher oder später zu erheblichen Komplikationen wie pathologischen Frakturen, vertebralen Kompressionssyndromen und unter Umständen auch zu einer Hyperkalzämie [2]. Weitere potenzielle skelettbezogene Komplikationen sind eine Radiatio sowie operative Techniken, da beide als Surrogatmarker für Knochenschmerzen und drohende bzw. schon stattgefundene Frakturen gelten. Das zieht vermehrte Arztbesuche und Klinikaufenthalte, Nebenwirkungen der Schmerzbehandlung und eine eingeschränkte Mobilität nach sich. Ziel der Behandlung ist es daher, eine weitere Knochendestruktion aufzuhalten,
Schmerzreduktion und Prävention von skelettbezogenen Komplikationen mit Denosumab d.h. eine antiosteolytische und somit eine osteoprotektive Therapie zu initiieren. Möglichkeiten hierzu bietet der RANK-Ligand-Inhibitor (Receptor Activator of Nuclear Faktor κB-Ligand-Inhibitor) Denosumab. Der voll humane monoklonale Antikörper bindet mit hoher Spezifität an RANKL und hemmt dadurch die Neubildung und Funktion der knochenabbauenden Osteoklasten. Signifikant längere Zeitspanne bis zum Auftreten einer skelettbezogenen Komplikation
In Phase-III-Studien bei mehr als 5.700 Patienten mit Mammakarzinom [3], Prostatakarzinom [4] oder anderen soliden Tumoren [5] und Knochenmetastasen wurde geprüft, inwieweit Denosumab im Vergleich zum Bisphosphonat Zoledronsäure die Zeit bis zum Auftreten einer ersten skelettbezogenen Komplikation hinauszögert [6]. Die Studien dokumentieren dabei insgesamt eine unter Denosumab signifikant um 8,2 Monate längere Zeitspanne ohne skelettbezogene Komplikationen, was einer 17%igen Risikoreduktion entspricht. Denosumab verzögerte außerdem bei verschiedenen Tumoren
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die Schmerzprogression signifikant gegenüber Zoledronsäure um 22 %, weshalb unter dem RANKLInhibitor seltener als unter dem Bisphosphonat eine Erhöhung des Analgetikabedarfs zu beobachten war [7]. Denosumab erhält zudem länger als das Bisphosphonat die Lebensqualität der Patienten [8]. Bemerkenswert ist auch, dass jeder zweite Patient in einer offenen Extensionsphase der Zulassungsstudien berichtete, sogar eine Schmerzreduktion durch die Behandlung mit Denosumab zu erfahren. Weniger als 5 % der Patienten benötigten eine Steigerung der analgetischen Dosierung oder den Übergang der Schmerztherapie in eine höhere WHO-Stufe [9]. Elisabeth Wilhelmi, München
Literatur 1 Mercadante S et al. Pain 1997;69:1-18 2 Diel J et al. Semin Oncol 2001;28:75-80 3 Stopeck AT et al. J Clin Oncol 2010;28: 5132-5139 4 Fizazi K et al. Lancet 2011;377:813-822 5 Henry DH et al. J Clin Oncol 2011;29: 1125-1132 6 Lipton A et al. Eur J Cancer 2012;48:30823092 7 Cleeland CS et al. Cancer 2013;119:832838 8 Fallowfield L et al. Posterpräsentation SABCS 2010; Abstract P1-13-05 9 Stopeck AT et al. Support Care Cancer 2015, Sept 3 (Epub ahead of print)
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Azacitidin in der Therapie von Hochrisiko-MDS und AML
D
ie akute myeloische Leukämie (AML) ist eine maligne Erkrankung des hämatopoetischen Systems. Sie entsteht durch die Entartung und unkontrollierte Proliferation unreifer Vorläuferzellen (Blasten) der myeloischen Reihe, aus denen sich unter anderem Granulozyten, Monozyten, Erythrozyten oder Megakaryozyten entwickeln. Die Blasten breiten sich rasch im Knochenmark aus, wo sie die Hämatopoese zum Erliegen bringen, können aber auch andere Organe infiltrieren und schädigen [1]. Unbehandelt beträgt die Prognose der Patienten meist nur wenige Monate [2]. Durch die Einführung neuer Therapieoptionen in den letzten Jahren konnten die Überlebenszeit und auch die Heilungschancen deutlich verbessert werden, was vor allem auf jüngere Patienten zutrifft, da sie unter anderem häufiger für intensive Therapien infrage kommen. AML tritt jedoch meist erst im höheren Alter auf, sodass für viele ältere Patienten, die nicht intensiv therapiert werden können, wirksame Behandlungsoptionen fehlen. Mit der Zulassungserweiterung von Azacitidin (Vidaza®) bei AML mit mehr als 30 % Knochenmarkblasten kann diese Lücke nun ein Stück weit geschlossen werden. Indikationen von Azacitidin
Azacitidin ist in der EU seit 2008 zur Therapie erwachsener Pati-
enten mit myelodysplastischen Syndromen (MDS) der IPSS-Risikogruppen „intermediär-2“ oder „hoch“ zugelassen, die nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet sind. Zudem ist es indiziert zur Behandlung der CMML mit 10–29 % Blasten im Knochenmark ohne myeloproliferative Störung sowie der AML mit 20–30 % Blasten im Knochenmark und gleichzeitiger Mehrlinien-Dysplasie nach WHO-Klassifikation. Seit Oktober 2015 ist Azacitidin nun auch zur Behandlung von erwachsenen Patienten ab 65 Jahren mit AML mit mehr als 30 % Knochenmarkblasten gemäß WHO-Klassifikation angezeigt, die für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht geeignet sind. Für Patienten ab 65 Jahren ist der Einsatz von Azacitidin in der AML-Therapie jetzt unabhängig von der Blastenzahl möglich [3]. Deutlicher Überlebensvorteil bei Hochrisiko-MDS
Die Effektivität und Verträglichkeit von Azacitidin bei MDS-Patienten wurde bereits 2002 in einer PhaseIII-Studie der Cancer and Leukemia Group B (CALGB) mit 191 Patienten eindrucksvoll demonstriert [5]. Auf ihrem Design aufbauend schloss die kontrollierte, randomisierte Multicenter-Studie AZA-MDS-001 358 Patienten mit Hochrisiko-MDS ein, von denen 179 Azacitidin in einer Dosierung von 75 mg/m2 i.v. an den Tagen
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1–7 eines 28-Tage-Zyklus erhielten (mindestens 6 Zyklen). Die 179 Patienten der Vergleichsgruppe wurden mit konventionellen Therapieschemata (Conventional Care Regimen; CCR) behandelt. Davon erhielten 105 eine bestmögliche Supportivtherapie (Best Supportive Care; BSC), während 49 neben BSC mit niedrig dosiertem Cytarabin (Low-Dose Ara-C; LDAC) und 25 mit einer Standard-Chemotherapie behandelt wurden [6]. Im primären Studienendpunkt des Gesamtüberlebens (Overall Survival; OS) bewirkte Azacitidin gegenüber CCR eine Verlängerung um 9,5 Monate (medianes OS: 24,5 vs. 15,0 Monate), was eine signifikante Reduktion des Mortalitätsrisikos um 42 % bedeutete (HR 0,58; p=0,0001) (Abb. 1). Durch Azacitidin wurde das 2-JahresÜberleben fast verdoppelt: Nach 2 Jahren waren noch 50,8 % der Patienten im Azacitidin-Arm gegenüber 26,2 % in der Kontrollgruppe am Leben (p<0,0001). Ein Überlebensvorteil unter Azacitidin ergab sich dabei in allen zuvor definierten Subgruppen (z.B. Alter, Geschlecht, ECOG-PerformanceStatus, FAB- und WHO-Klassifikation, IPSS-Risikoklasse). In den sekundären Endpunkten verlängerte Azacitidin die mediane Zeit bis zur AML-Transformation signifikant (17,8 vs. 11,5 Monate; p<0,0001) und führte bei 45 % der Patienten zu einer Transfusionsfreiheit (CCR: 11,4 %). Eine hämatologische Remission erreichten 29 % der Pati© VERLAG PERFUSION GMBH
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nach 6 Zyklen erstmals angesprochen hatten. Eine Weiterbehandlung mit Azacitidin nach dem ersten Ansprechen führte innerhalb von 6 Zyklen bei 48 % der Responder zu einer Verbesserung der Ansprechqualität, d.h. zum Erreichen einer kompletten oder partiellen Remission bzw. zu einem hämatologischen Ansprechen [8]. Überlebensvorteil nicht nur bei Remission Abbildung 1: Ergebnis der Studie AZA-MDS-001: Gesamtüberleben von Patienten mit myelodysplastischen Syndromen (MDS) unter Azacitidin im Vergleich zu konventionellen Therapieschemata (CCR) [6].
enten im Azacitidin-Arm (CCR: 12 %; p=0,0001), während sich eine hämatologische Verbesserung bei 49 % zeigte (CCR: 29 %; p<0,0001) [6]. Häufigste hämatologische Toxizitäten vom Grad 3/4 unter Azacitidin waren Neutropenie (91 %), Thrombozytopenie (85 %) und Anämie (57 %), wobei die beiden Letzteren seltener auftraten als unter der Standard-Chemotherapie oder LDAC. An nicht hämatologischen Toxizitäten wurden unter Azacitidin am häufigsten gastrointestinale Beschwerden (60,6 %) und Reaktionen an der Einstichstelle beobachtet (77,1 %), beide in der Regel vom Grad 1/2. Die meisten Toxizitäten unter Azacitidin traten zu Beginn der Therapie auf und waren vorübergehender Natur [6]. Effektiv und verträglich auch bei älteren Patienten Das mediane Diagnosealter von MDS-Patienten liegt zwischen 65 und 75 Jahren. Seymour et al. führ-
ten daher eine weitere Analyse der AZA-MDS-001-Studie durch, die 87 Patienten (Azacitidin: n=38; CCR: n=49) im Alter zwischen 75 und 88 Jahren einschloss, bei denen z.T. mehrere Komorbiditäten vorlagen [7]. Auch in diesem Kollektiv, das die Situation im Behandlungsalltag sehr gut widerspiegelt, war Azacitidin den konventionellen Therapieschemata überlegen. Die 2-Jahres-Überlebensrate war mit 55 % mehr als dreimal so hoch wie im Vergleichsarm (15 %; p<0,001). Zusätzlich zeigte sich, dass auch in diesem Patientenkollektiv die Behandlung mit Azacitidin effektiv und gut verträglich war [7]. Bessere Ansprechqualität bei längerer Therapiedauer In einer weiteren Analyse untersuchten Silverman et al. bei 91 Respondern der AZA-MDS001-Studie die Zeit bis zum ersten Ansprechen unter Azacitidin [8]. Hierbei zeigte sich, dass 50 % der Patienten nach 2 Zyklen und 91 %
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List et al. konnten darüber hinaus zeigen, dass ein Überlebensvorteil nicht nur bei Patienten mit einer kompletten oder partiellen Remission erreicht wird [9]. Vielmehr wiesen auch Patienten, die unter Azacitidin „nur“ eine hämatologische Verbesserung erreichten, eine signifikant höhere Überlebensrate auf. So überlebten 71,7 % der Patienten mit einem hämatologischen Ansprechen unter Azacitidin 2 Jahre (CCR: 26,2 %), obwohl sie keine komplette bzw. partielle Remission erreicht hatten [9]. Diese Daten belegen, dass der Behandlungserfolg unter dieser Therapieform keinesfalls nur am Erreichen einer Remission gemessen werden darf. Verbesserte Lebensqualität Da eine Vielzahl der Patienten aufgrund des fortgeschrittenen Alters und häufig bestehender Komorbiditäten mit palliativer Intention behandelt wird, ist es wesentliches Ziel der MDS-Therapie, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern oder zumindest zu erhalten. Im Rahmen der bereits erwähnten CALGB-Studie untersuchten Kornblith et al. daher auch den Einfluss von Azacitidin auf die © VERLAG PERFUSION GMBH
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Lebensqualität. Hierbei bewirkte die Behandlung mit Azacitidin im Vergleich zu den konventionellen Regimen signifikante Verbesserungen in den Parametern Fatigue, Dyspnoe, physische Leistungsfähigkeit, psychische Verfassung und Wohlbefinden [10]. Hohe Wirksamkeit bei AMLPatienten mit 20 bis 30 % Blasten
Dass Azacitidin auch bei AMLPatienten mit 20–30 % Blasten im Knochenmark das Gesamtüberleben gegenüber den konventionellen Regimen verbesserte, belegt eine weitere Subgruppenanalyse der AZA-MDS-001-Studie [11]. Sie zeigte unter Azacitidin einen Überlebensvorteil von 8,5 Monaten (24,5 vs. 16,0 Monate), was einer signifikanten Risikoreduktion um 53 % entsprach (HR: 0,47; p=0,005). Das 2-Jahres-Überleben in der Azacitidin-Gruppe war mehr als dreimal höher als in der Vergleichsgruppe (50 vs. 16 %; p=0,01) [11]. Aufgrund dieser Daten erhielt Azacitidin auch die Zulassung zur Behandlung erwachsener AML-Patienten mit bis zu 30 % Blasten im Knochenmark und gleichzeitiger MehrlinienDysplasie nach WHO-Klassifikation. Zulassung jetzt auch für ältere AML-Patienten mit mehr als 30 % Blasten
Patienten mit AML sind zumeist älter und erfüllen aufgrund von Komorbiditäten und reduziertem Allgemeinzustand häufig nicht mehr die Voraussetzungen für eine potenziell kurative Therapie wie die allogene Stammzelltransplantation. Für diese Betroffenen ste-
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hen bislang neben einer bestmöglichen Supportivtherapie nur wenige Alternativen zur Verfügung. Mit der am 28. Oktober 2015 erteilten Zulassungserweiterung kann Azacitidin in der AML-Therapie nun unabhängig von der Blastenzahl eingesetzt werden und erweitert somit das Spektrum der verfügbaren Therapieoptionen für diese schwierig zu behandelnden Patien ten. Basis der Zulassung bildete die randomisierte offene multizentrische Phase-III-Studie AZAAML-001 [12], die 488 Patienten ab 65 Jahren mit neu diagnosti-
zierter De-novo- oder sekundärer AML einschloss, die nach ärztlichem Ermessen bereits einer von 3 konventionellen Therapien (Conventional Care Regimen; CCR) zugeordnet worden waren. Neben einer alleinigen bestmöglichen Supportivtherapie (BSC) waren dies eine intensive Chemotherapie (IC) plus BSC oder niedrig dosiertes Cytarabin (Lowdose Ara-C; LDAC) plus BSC. In jedem der 3 Behandlungsarme erhielt etwa die Hälfte der Patienten die vorgeschlagene CCR, während die andere Hälfte jeweils in den Arm randomisiert wurde,
Wirkmechanismus von Azacitidin Azacitidin (Vidaza®) ist ein Pyrimidin-Analogon, das auf verschie denen Wegen antineoplastisch wirksam ist. So beruhen seine zy totoxischen Effekte bei abnormen hämatopoetischen Zellen im Knochenmark wahrscheinlich auf mehreren Mechanismen, ein schließlich der Hemmung der DNS-, RNS- und Proteinsynthese so wie dem Einbau in RNS und DNS [3]. Beim Einbau in die DNS führt Azacitidin zudem zur Inaktivierung von DNS-Methyltransferasen und dadurch zur Hypomethylierung der DNS. Damit wirkt die Subs tanz der für neoplastische Zellen typischen Hypermethylierung von Genen entgegen, die wesentlich für die Tumorentwicklung zu sein scheint. Die durch die Hypomethylierung ermöglichte Reexpressi on von Genen, die an der Steuerung des Zellzyklus, der Zelldiffe renzierung und den Apoptose-Pathways beteiligt sind, könnte in hämatopoetischen Zellen zu einer Wiederherstellung antineoplas tischer Funktionen führen [4].
Anfangsdosierung und Dosisanpassungen bei MDS und AML Die Dosierung von Azacitidin in der MDS- sowie in der AML-The rapie beträgt 75 mg/m2 an den Tagen 1–7 eines 28-tägigen Zyk lus [3]. Die Dosierungsempfehlung gilt dabei unabhängig von den Ausgangswerten des Blutbilds. Es wird empfohlen, die Behandlung bei guter Verträglichkeit über mindestens 6 Zyklen fortzusetzen und erst dann das Ansprechen zu beurteilen. Grundsätzlich sollte Azacitidin so lange gegeben werden, wie der Patient davon pro fitiert oder bis eine Progression eintritt [3, 4]. Beim Auftreten von z.B. hämatologischen Toxizitäten kann die Therapie oft durch ein Aufschieben des Folgezyklus oder eine Dosisreduktion individuell adaptiert weitergeführt werden.
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Abbildung 2: Ergebnis der Studie AZA-AML-001: Gesamtüberleben von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) unter Azacitidin im Vergleich zu konventionellen Therapieschemata (CCR) [12].
Abbildung 3: Ergebnis der Studie AZA-AML-001: Gesamtüberleben von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) je nach Behandlungsarm (LDAC = Low-dose Ara-C; IC = intensive Chemotherapie, BSC = bestmögliche Supportivtherapie) [12].
der Azacitidin plus BSC erhielt. Primärer Studienendpunkt war das mediane Gesamtüberleben (OS). Dieses war im AzacitidinArm mit 10,4 vs. 6,5 Monaten im CCR-Arm um 3,8 Monate verlängert (p=0,101), womit Azacitidin das bisher längste Gesamtüberleben bei älteren, nicht intensiv behandelbaren AML-Patienten in einer Phase-III-Studie ermöglichte (Abb. 2) [12, 13, 14]. Um auch den Einfluss von Folgetherapien bewerten zu können, wurden in einer im Voraus geplan-
ten Sensitivitätsanalyse Patienten zensiert, die im Anschluss an die Therapie im Studienarm eine weitere Behandlung erhielten. Der mediane Überlebensvorteil war für den Azacitidin-Arm mit 12,1 vs. 6,9 Monaten signifikant (p=0,019) [12]. Die univariate Analyse zeigte Vorteile im medianen OS für Azacitidin gegenüber CCR in allen Subgruppen einschließlich der Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik (6,4 vs. 3,2 Monate; p=0,019) oder einer AML mit Myelodys-
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plasie-assoziierten Veränderungen (12,7 vs. 6,3 Monate; p=0,036). Patienten, die mit Azacitidin behandelt wurden, profitierten auch dann von der Therapie, wenn sie keine komplette Remission (CR) erzielten: So war das mediane Gesamtüberleben von Patienten, die unter Azacitidin keine CR erreichten, signifikant länger als bei Patienten im Vergleichsarm, die keine CR erreichten (6,9 vs. 4,2 Monate; p=0,017). Auch wenn die Studie nicht über eine ausreichende Teststärke verfügte, um signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Subgruppen aufzuzeigen, ergaben sich in den jeweils vorausgewählten Behandlungsarmen im medianen OS signifikante oder numerische Vorteile für Azacitidin vs. CCR (Abb. 3). So erreichten mit Azacitidin behandelte Patienten, die ursprünglich für eine Behandlung mit LDAC vorgesehen waren, ein OS von 11,2 Monaten, verglichen mit 6,4 Monaten bei Patienten, die auf der vorgeschlagenen Therapie verblieben (p=0,43). Bei Patienten, die Azacitidin zusätzlich zu BSC erhielten, war der Unterschied im medianen OS gegenüber einer Behandlung mit BSC alleine signifikant (5,8 vs. 3,7 Monate; p=0,03) [12]. Die Therapie mit Azacitidin war im Allgemeinen gut verträglich. Das Sicherheitsprofil bei AML-Patienten stimmt mit den Erfahrungen aus der MDS-Therapie überein. Die häufigsten behandlungsassoziierten unerwünschten Ereignisse vom Grad 3 bzw. 4, die während der Studie neu auftraten, waren febrile Neutropenien (28,0 %), Neutropenien (26,3 %) und Thrombozytopenien (23,7 %). Der Anteil der Patienten, bei denen sich diese hämatologischen Nebenwirkungen vom Grad 3/4 zeigten, war bei den © VERLAG PERFUSION GMBH
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mit Azacitidin, LDAC und IC behandelten Patienten vergleichbar [12]. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Kompetenznetz AML unter http://www. kompetenznetz-leukaemie.de/content/patienten/leukaemien/aml/index–_ger.html 2 Leitlinien der DGHO unter https://www. onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/ akute-myeloische-leukaemie-aml/@@ view/html/index.html 3 Fachinformation VIDAZA®, Stand Oktober 2015 Leitlinien Myelodysplastische Syndrome (MDS). http://www.dgho-onkopedia.de/de/ onkopedia/leitlinien/mds 4 Silverman LR et al. J Clin Oncol 2002; 20:2429-2440 5 2009;20:223-232 6 Seymour JF et al. Crit Rev Oncol Hematol 2010;76:218-227 7 Silverman LR et al. Cancer 2011;117: 2697-2702 8 List A et al. J Clin Oncol 2008:26: Abstract #7006 and oral presentation ASCO 2008 9 Kornblith AB et al. J Clin Oncol 2002; 20:2441-2452 10 Fenaux P et al. J Clin Oncol 2010;28:562569 11 Dombret H et al. Blood 2015;126:291-299 12 Burnett AK et al. Cancer 2007;109:11141124 13 Kantarjian HM et al. J Clin Oncol 2012; 30:2670-2677
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Eine Probe – alle Antworten
Umfassende molekulare Tumoranalytik mit NEO – der Schlüssel zur erfolgreichen Therapieentscheidung Ein Meilenstein in der individualisierten Krebstherapie sind die „zielgerichteten Medikamente“. Sie nutzen tumorspezifische Genveränderungen als Angriffspunkte und können somit ganz gezielt gegen das Wachstum von Tumoren eingesetzt werden. Im Vergleich zur konventionellen Chemotherapie, die auch gesunde Zellen schädigt, sind die Ansprechraten bei diesen Mitteln hoch und die Nebenwirkungen gering. Das bedeutet einen noch nie dagewesenen Nutzen für die Patienten. Allerdings sind diese Medikamente nur bei jenen Patienten wirksam, deren Tumor die entsprechende Genveränderung aufweist. Eine umfassende molekulare Analytik vor Therapiebeginn ist darum nötig, um die jeweilige Schwachstelle des Tumors zu identifizieren und eine optimale Therapieentscheidung für den individuellen Patienten treffen zu können. Da jedoch immer mehr therapeutisch relevante Veränderungen identifiziert werden, stößt die konventionelle molekulare Tumordiagnostik zunehmend an ihre Grenzen. Sie dauert oft lange und benötigt bereits jetzt viel Tumormaterial – oftmals mehr, als im Rahmen einer Biopsie gewonnen werden kann. Dieses Problem wird sich mit jeder neu entdeckten therapeutisch adressierbaren Genveränderung noch verschärfen.
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Dank der Fortschritte in der molekularen Tumoranalytik ist es inzwischen jedoch möglich, alle Informationen zu therapeutisch relevanten Genveränderungen aus einem einzigen Test in kleinsten Mengen einer Tumor- oder Blutprobe zu gewinnen. Das Kölner Unternehmen NEO New Oncology AG bietet dazu die europaweit einzigartige molekulare Analytik plattform „NEO“ an: Innerhalb von 10–15 Arbeitstagen werden alle Informationen per Hybridcapture-basiertem Next Generation Sequencing (NGS) ermittelt, die der behandelnde Onkologe für die Auswahl einer zielgerichteten Therapie benötigt. Für den Patienten bedeutet dies einen Therapiebeginn ohne unnötige Verzögerungen. NEO detektiert zuverlässig und mit hoher Sensitivität alle therapierelevanten Punktmutationen, kleine Insertionen und Deletionen, Kopienzahlveränderungen und Genfusionen in Onkogenen und Tumorsuppressoren. Zudem wird auf Mikrosatelliteninstabilität getestet. Neu identifizierte, diagnostisch relevante Genveränderungen werden zeitnah in die Testung mit aufgenommen, um eine Behandlungsentscheidung gemäß den aktuellen medizinischen Erkenntnissen zu ermöglichen. Der Befund enthält außerdem Informationen über mögliche Therapieoptionen und klinische Studien; für Fragen steht jederzeit ein Tumorboard zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.newoncology.de. F. S.
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ie Inzidenz von Schilddrüsenkrebs ist im vergangenen Jahrzehnt signifikant angestiegen, und zwar um 69 % bei Männern und 65 % bei Frauen[1]. Die am häufigsten auftretenden Formen des Schilddrüsenkrebses sind das papilläre und das follikuläre Karzinom (einschließlich Hürthle-Zell-Karzinom), die als differenzierte Schilddrüsenkarzinome (DTC) klassifiziert werden und etwa 90 % aller Fälle ausmachen. 5–15 % der Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom entwickeln ein fortgeschrittenes Karzinom, das radioaktivem Jod gegenüber refraktär ist [2]. Bislang waren beim Radiojodrefraktären differenzierten Schilddrüsenkarzinom (RR-DTC) die Handlungsoptionen begrenzt. Seit etwa einem Jahr steht für RR-DTCPatienten mit dem TyrosinkinaseInhibitor Lenvatinib (Lenvima®) eine Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung, die bei einer hohen Ansprechrate das Fortschreiten der Krankheit lange verhindern oder zumindest stark verlangsamen kann. Progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben signifikant verlängert
In der Phase-III-Zulassungsstudie SELECT verlängerte Lenvatinib das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) auf 18,3 Monate vs. 3,6 unter Placebo (HR=0,21, 99%-KI: 0,14–0,31; p<0,001). Ein besonderes Merkmal von Lenva tinib beim RR-DTC war die hohe Ansprechrate von 64,8 % (vs. 1,5 % unter Placebo; OR=28,87; 95%-KI: 12,46–66,86; p<0,001) [3]. Auf dem europäischen Krebskongress (ECC) 2015 in Wien wur-
Lenvatinib zur Behandlung des Radiojod-refraktären differenzierten Schilddrüsenkarzinoms de eine aktualisierte Analyse der SELECT-Studie vorgestellt, in der sich zeigte, dass Lenvatinib bei RRDTC-Patienten das Gesamtüberleben gegenüber Placebo nominal signifikant verbessert (HR=0,53; 95%-KI: 0,34–0,82; nominaler pWert=0,0051) [4]. Eine weitere, auf dem ECC präsentierte Auswertung lässt den Schluss zu, dass Lenvatinib unabhängig von den jeweiligen Einschlusskriterien der RR-DTC-Patienten (entweder keine Aufnahme von 131I, Krankheitsprogression unter Radiojod-Therapie oder Erreichen der maximalen
I-Exposition) zu einer PFS-Verbesserung im Vergleich zu Placebo in diesen Patientengruppen führte und es keine Unterschiede im PFS zwischen diesen Gruppen gab [5]. 131
Patienten mit papillärem und follikulärem Schilddrüsenkarzinom profitieren
Eine präspezifizierte Subgruppenanalyse der SELECT-Studie konnte außerdem für die beiden histologischen Typen papilläres und follikuläres Schilddrüsenkar-
Lenvatinib Lenvatinib (Lenvima®) ist eine orale, zielgerichtete Therapie mit 3 Angriffspunkten, mit hoher Selektivität und einem Bindungsund Wirkmechanismus, der sich von dem der anderen Tyrosinkina se-Inhibitoren (TKI) unterscheidet. Lenvatinib hemmt gleichzeitig die Kinase-Aktivitäten mehrerer unterschiedlicher Rezeptoren ein schließlich vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktorrezeptoren (VEGFR), Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren (FGFR) und PDGF-Rezeptoren [7, 8]. Dies macht Lenvatinib möglicherweise zum ersten TKI, der gleichzeitig die Kinase-Aktivitäten von FGFR 1–4 und VEGFR 1–3 hemmt. Zudem stellte sich heraus, dass Lenva tinib einen neuen Typ-V-Bindungsmodus für die Kinase-Inhibition hat, der sich von dem Bindungsmodus der bisher verfügbaren Ki nase-Hemmer unterscheidet [9]. Lenvatinib ist indiziert für die Behandlung von erwachsenen Pa tienten mit progressivem, lokal fortgeschrittenem oder metasta siertem differenziertem (papillärem/follikulärem/Hürthle-Zell-) Schilddrüsenkarzinom, das nicht auf eine Radiojodtherapie ange sprochen hat [10].
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zinom einen klinischen Benefit nachweisen [6]. Patienten mit der papillären Form von RR-DTC, die mit Lenvatinib behandelt worden waren, wiesen eine mediane progressionsfreie Überlebensdauer von 16,4 Monaten vs. 3,5 Monaten bei Placebo auf (HR=0,27, 95%-KI: 0,19–0,38; p<0,001). Bei RR-DTC-Patienten mit follikulärer Histologie verlief das PFS der mit Lenvatinib behandelten Patienten sogar so günstig, dass zum Zeitpunkt der Analyse mehr als 50 % noch keine Progression zeigten im Vergleich zu 3,7 Monaten unter Placebo (HR=0,10, 95%-KI: 0,05–0,19; p<0,001). Außerdem hatten Patienten mit follikulärem Schilddrüsenkarzinom unter Lenvatinib einen klinisch bedeutsamen Gesamtüberlebensvorteil (HR=0,41, 95%-KI: 0,18–0,97; p<0,035) [6]. Elisabeth Wilhelmi, München
Literatur 1 Cancer Research UK. Thyroid cancer incidence statistics. http://www.cancerresearchuk.org/cancer-info/cancerstats/types/ thyroid/incidence/uk-thyroid-cancer-incidence-statistics 2 Thyroid Cancer Basics. 2011. http://www. thyca.org 3 Schlumberger M et al. N Engl J Med 2015;372:621-630 4 Guo M et al. ECC 2015, Abstract #2805 5 Kiyota N et al. ECC 2015, Abstract #2864 6 Elisei R. DGHO 2015, oral presentation #V91 7 Matsui J et al. Clin Cancer Res 2008;14: 5459-5465 8 Matsui J et al. Int J Cancer 2008;122:664671 9 Okamoto K et al. ACS Med Chem Lett 2015;6:89-94 10 Fachinformation Lenvima®, Stand: Mai 2015
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Nilotinib bei chronischer myeloischer Leukämie
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ie chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine lebensbedrohliche Form von Blutkrebs, die unbehandelt in wenigen Jahren zum Tod führen kann. In Deutschland sind aktuell etwa 11.000 Menschen von einer CML betroffen; in jedem Jahr kommen ca. 1.200 neue Erkrankungsfälle hinzu. Bei der Erkrankung kommt es im Blut und im Knochenmark zu einer unkontrollierten Vermehrung von Granulozyten. CML-Patienten können bis zu 500.000 Leukozyten pro Mikroliter Blut aufweisen. Eine CML entsteht in den meisten Fällen aufgrund einer genetischen Veränderung im Erbgut einer blutbildenden Stammzelle, die jederzeit während des Lebens auftreten kann. Die Folge dieser Mutation ist ein krankhaft verändertes Chromosom, das Philadelphia(Ph)-Chromosom. Dieses enthält ein abnormes Gen, das sogenannte BCR-ABL-Fusionsgen. Es codiert für ein Protein, das im gesunden menschlichen Körper normalerweise nicht vorkommt und die unkontrollierte Vermehrung der Leukozyten bei der CML zur Folge hat [1]. Fortschritte in der CML-Therapie
Die Einführung von Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) hat zu einer verbesserten Behandlung von CML-Patienten geführt; mit der Entwicklung von TKI der zweiten Generation wie Nilotinib konnten Wirksamkeit und Verträglichkeit
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weiter gesteigert werden [2]. Bedeutete die Diagnose CML noch vor einigen Jahren ein hohes Mortalitätsrisiko, so haben heutzutage CML-Patienten unter TKI-Therapie eine vergleichbare Lebenserwartung wie gesunde Menschen [3]. Unter TKI-Therapie mit Nilotinib rückt für die Betroffenen, die ein tiefes und lang anhaltendes Ansprechen erreichen, nun die Chance auf Absetzen der Therapie in greifbare Nähe. Tieferes Ansprechen unter Nilotinib bietet höhere Chance auf Absetzversuch
Das Erreichen einer tiefen Remission bietet Schutz vor Progression der Erkrankung und ist die wichtigste Voraussetzung für ein mögliches Absetzen der Therapie. Die ENESTnd-Studie untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit von Nilotinib sowie Imatinib bei neu diagnostizierten CML-Patienten in der chronischen Phase [1]. Im 6-Jahres-Update erzielten unter Nilotinib signifikant mehr Patienten ein tieferes molekulares Ansprechen (MR4*) als unter Imatinib (66,7 % bzw. 65,1 % gegenüber 42,8 %; jeweils p<0,0001). Die 4,5 MR **-Raten lagen unter Ni-
* MR4: Molecular Response ≤0,01% BCRABLIS (International Scale). ** MR4,5: Molecular Response ≤0,0032% BCR-ABLIS (International Scale).
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Nilotinib Nilotinib (Tasigna®) ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor der zweiten Ge neration mit selektiver Hemmung von BCR-ABL. Die Tyrosinkinase BCR-ABL liegt im BCR-ABL-Fusionsprotein konstitutiv aktiviert vor und löst unter Verbrauch von Adenosintriphosphat (ATP) die un kontrollierte Zellproliferation der Granulozyten bei Ph+ CML und Ph+ ALL aus. Sie kann bei 95 % der CML-Patienten und 20–30 % der Ph+ ALL-Patienten nachgewiesen werden und ist der wichtigste Angriffspunkt für die medikamentöse Therapie dieser Leukämie arten [5]. Nilotinib lagert sich an die ATP-Bindestelle der ABL-Kinase-Domä ne an und verhindert somit die Aktivierung weiterer Proteine [6].
Links: Im nativen Zustand bindet das BCR-ABL-Fusionsprotein ATP und überträgt eine Phosphatgruppe auf das Substratprotein, wodurch dieses aktiviert wird. Rechts: Nilotinib bindet an die ATP-Bindestelle und verhindert dadurch die Akti vierung gebundener Substrate (© Novartis Pharma GmbH).
Zudem sind die Bindungseigenschaften von Nilotinib aufgrund der rationalen Wirkstoffentwicklung weniger anfällig für kleine Än derungen in der Bindungsoberfläche, die zu Resistenzen führen können. Gegenüber älteren Wirkstoffen wie Imatinib lagert es sich selektiver an die BCR-ABL-Bindungstasche an [5].
Nilotinib (lila) lagert sich im Vergleich zu Imatinib (orange) sterisch passgenauer an die BCR-ABL-Bindungstasche an (© Novartis Pharma GmbH).
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lotinib ebenfalls signifikant über den Raten unter Imatinib (55,7 % bzw. 54,8 % vs. 32,9 %; jeweils p<0,0001). In den Nilotinib-Behandlungsarmen wurde dabei über alle Sokal-Risk-Score-Gruppen hinweg ein besseres Ansprechen als im Imatinib-Arm erzielt [1]. Wichtiger prognostischer Faktor der CML-Therapie ist ein frühes molekulares Ansprechen nach 3 Monaten (BCR-ABL-Wert ≤10 %). Unter Nilotinib erreichten mehr Patienten diesen Meilenstein als unter Imatinib (65,7 % bzw. 62,8 % vs. 44,3 %) [1]. Außerdem konnten in allen Behandlungsarmen mehr als 80 % der Patienten eine MR4 erreichen und über mehr als ein Jahr aufrechterhalten [1]. Voraussetzung für die Teilnahme an Absetzstudien ist insbesondere das Erreichen einer anhaltenden tiefen Remission. Im Update der ENESTnd-Studie erfüllten mehr Patienten unter Nilotinib vs. Imatinib die Kriterien für eine mögliche Teilnahme an der Absetzstudie ENESTfreedom (37,9% bzw. 34,2% vs. 21,6%) [1]. Nilotinib mit altersunabhängiger Wirksamkeit
Ob das Alter des Patienten einen Einfluss auf die Wirksamkeit der CML-Therapie hat, wurde in einer Subanalyse der ENEST1st-Studie untersucht [4]. Die ENEST1st diente zur Bestimmung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Nilotinib bei neu diagnostizierten CML-Patienten in der chronischen Phase. An der Subanalyse nahmen 307 Patienten aus 26 EU-Ländern teil. Sie wurden in 4 Gruppen unterteilt: junge Patienten (18–39 Jahre, n=243), erwachsene Patienten (40–59 Jahre, n=494), ältere Patienten (60–74 Jahre, n=300) © VERLAG PERFUSION GMBH
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und alte Patienten (über 75 Jahre, n=52). Im Rahmen der Studie zeigten sich über einen Zeitraum von 24 Monaten zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Erreichens tiefer Remissionen. Die Ergebnisse der Subgruppenanalyse der ENEST1st belegen daher die altersunabhängige Wirksamkeit von Nilotinib bei CML [4]. Ausblick: Chance auf Therapiefreiheit
Die aktuellen Daten der ENESTnd- und der ENEST1st-Subanalysen verdeutlichen die Wirksamkeit von Nilotinib und stellen für die
Betroffenen die Chance auf Therapiefreiheit in Aussicht − ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lebensqualität. Bei einer mindestens zweijährigen Nilotinib-Therapie und einer anhaltenden tiefen molekularen Remission (MR) von MR4 bzw. MR4,5 können Patienten die Therapie im Rahmen einer Studie kontrolliert absetzen. Novartis ist eines der wenigen Unternehmen, das in Deutschland Patienten in kontrollierten Absetzstudien einschließt und so die Chance auf ein therapiefreies Leben ohne Nilotinib erforscht. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur
1 Hochhaus A, Baerlocher GM, Brümmendorf TH et al. DGHO Leitlinie Chronische
ROTE LISTE® 2016: Offensive für fundierte Arzneimittelinformation in der Ausbildung Mit der Veröffentlichung der aktuellen Daten der ROTE LISTE® 2016 werden zum ersten Mal 10.000 Exemplare kostenfrei an PTA-, MTA- und Schulen für Pflegekräfte ausgeliefert. Schon während ihrer Ausbildung erleichtert die Nutzung des Arzneimittelverzeichnisses den angehenden medizinischen Fachkräften die Orientierung in der Arzneimitteltherapie. Die Daten der ROTE LISTE® 2016 sind ab sofort digital und gedruckt verfügbar. Die Arzneimittelinformationen stehen 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche zur Verfügung: • online (www.rote-liste.de) • als Smartphone-Version
• als Buchausgabe • Daten im XML/ACCESS-Format • Intranet-Version • AMInfo-DVD • Win-CD Die aktualisierte Version des Arzneimittelverzeichnisses umfasst knapp 28.000 Medikamente. Diese sind in 5.246 Präparate-Einträgen mit 6.373 Darreichungsformen von 409 pharmazeutischen Un-
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Myeloische Leukämie. Stand Januar 2013. Online verfügbar unter: https://www.dghoonkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien/cml 2 Hochaus A, Saglio G, Hughes TP et al. Impact of treatment with frontline nilotinib vs imatinib on sustained deep molecular response in patients with newly diagnosed chronic myeloid leukemia in chronic phase (CML-CP). ASH Annual Meeting 2015, Orlando, Florida, 5.–8. Dezember 2015; Abstract 2781 3 Kalmanti L, Saussele S, Lauseker M et al. Safety and efficacy of imatinib in CML over a period of 10 years: data from the randomized CML-study IV. Leukemia 2015;29:1123-1132 4 Giles FJ, Rea D, Baccarani M et al. Impact of age on efficacy and toxicity of nilotinib in patients with chronic myeloid leukemia in chronic phase (CML-CP): ENEST1st Sub-Analysis. ASH Annual Meeting 2015, Orlando, Florida, 5.–8. Dezember 2015; Abstract 479 5 Blay JY, Mehren M: Nilotinib: a novel, selective tyrosine kinase inhibitor. Semin Oncol 2011;38:S3-S9 6 Druker BJ: Translation of the Philadelphia chromosome into therapy for CML. Blood 2008;112:4808-4817
ternehmen sowie von Vertreibern/ Herstellern bestimmter Medizinprodukte sowie 7.088 Fachinformationen zusammengefasst. Die ROTE LISTE® bietet: • Prägnante, kurz gefasste Produktinformationen • Orientierung an Indikationen • Zusammenfassende Signaturen für die Übersicht von Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Intoxikationen, Warnhinweisen und Hinweisen von Wirkstoffgruppen • Hintergrundinformationen für die Praxis in den Sonderkapiteln In die Buchausgabe wurde in diesem Jahr ein grafischer Wegweiser integriert, um die Nutzung der umfangreichen Informationen zu erleichtern. B. S. Buchausgabe erhältlich ab April 2016 ISBN-13: 978-3-946057-00-0, Abonnement: 978-3-946057-01-7; Preis: 78.- € inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten, Internet: www. rote-liste.de
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Fatigue beim mCRPC: Unterschiede zwischen Abirateron und Enzalutamid im Therapiealltag? Aufgrund der Erfolge bei der Lebensverlängerung durch Medikamente, die in den letzten Jahren zugelassen wurden, rückt bei der Wahl der Therapie des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) der Erhalt der Lebensqualität zunehmend in den Fokus. Dies gilt auch im Hinblick auf einen früheren Einsatz moderner antihormoneller Therapien. Hierbei spielt unter anderem die Fatigue eine wichtige Rolle. Denn sie kann sehr belastend sein und betrifft laut einem systematischen Review 74 % der Prostatakarzinom-Patienten. Ergebnisse der Interimsanalyse einer Befragung von Betroffenen [1] liefern Hinweise, dass es hierbei womöglich Unterschiede zwischen zwei Medikamenten gibt, die beim nicht oder mild symptomatischen mCRPC nach Versagen der An drogendeprivationstherapie (ADT) zum Einsatz kommen können: Hier berichteten Patienten unter Abirateronacetat (Zytiga®) plus Prednison/Prednisolon im Vergleich zu Patienten unter Enzalutamid von einer geringeren Fatigue-Intensität und von weniger Einschränkungen ihrer Lebensführung durch den chronischen Erschöpfungszustand. Die multinationale Online-Befragung umfasst insgesamt 150 mCRPC-Patienten, die Interimsanalyse basiert auf den Daten von 62 Personen. 27 davon standen unter Behandlung mit Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon (Abirateron), 14 nach Versagen der ADT und 13 nach Versagen einer Chemotherapie. 35 Patienten bekamen Enzalutamid, 18 in einem Post-ADT-Setting und 17 nach einer Chemotherapie. Die
* p<0,05 Abbildung 1: Signifikante Unterschiede bei mittleren BFI-Subscores zur Schwere der Fatigue unter Abirateronacetat plus Prednison/Prednisolon versus Enzalutamid in der Interimsanalyse einer Online-Befragung von 62 mCRPC-Patienten (mod. nach [1]).
Erfassung der Fatigue erfolgte mithilfe des Fragebogens BFI (The Brief Fatigue Inventory). Wie die Auswertung ergab, lag der mittlere BFI-Summenscore in der Gesamtgruppe bei 3,7, was einer milden bis moderaten Fatigue entspricht. Bei allen erfragten Sub scores zur Schwere der Fatigue zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen Abirateron und Enzalutamid: bei der Schwere der „momentan erlebten Fatigue“, der „stärksten Fatigue während der vergangenen 24 Stunden“ sowie der „üblichen Fatigue während der vergangenen 24 Stunden“ (je p<0,05) (Abb. 1). Zugleich beeinträchtigte die Fatigue im Abirateron-Arm signifikant seltener in den vorangegangenen 24 Stunden die Lebensfreude, soziale Beziehungen, die Arbeitsfähigkeit sowie allgemeine Aktivitäten (je p<0,05) [1].
nison/Prednisolon: Abirateron vs. Placebo) deutlich bessern konnte. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben, die Änderung im BFI gehörte zu den explorativen Endpunkten. In der Gruppe mit klinisch signifikanter Beeinträchtigung des Alltags durch die Fatigue zu Studienbeginn (Abirateron: n=189, Placebo: n=92) war der Anteil mit Besserung dieser Fatigue-Interferenz unter Abirateron signifikant höher als unter Placebo (55 % vs. 38 %, p=0,0075). Zudem ließ sich in der Gruppe mit klinisch signifikanter Fatigue-Intensität zu Beginn (Abirateron: n=384, Placebo: n=186) unter Abirateron der Anteil mit Besserung der Fatigue-Intensität signifikant steigern (58,1 % vs. 40,3 %, p=0,0001) [2]. Demnach scheint Abirateron die Fatigue positiv beeinflussen zu können. F. S.
Abirateron: Besserung der Fatigue im Post-Chemo-Setting
Quellen 1 Dearden L et al. Heath-related quality of life and treatment satisfaction among patients receiving novel anti-androgen therapies for the treatment of metastatic castration resistant prostate cancer (mCRPC). ISPOR 18th Annual European Congress, Mailand, 7.–11.11.2015: PCN237 2 Sternberg CN et al. Effect of abiraterone acetate on fatigue in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer after docetaxel chemotherapy. Ann Oncol 2013;24:1017-1025
Die Online-Befragung stützt die Ergebnisse der Studie COUAA-301 [2], in der Abirateronacetat die Fatigue bei mCRPC-Patienten nach Versagen von Docetaxel gegenüber Placebo (je plus Pred-
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App zur Diagnose und Behandlung des Nierenzellkarzinoms In Zusammenarbeit mit einem 30-köpfigen Expertenteam hat Novartis Oncology die App „Nierenzellkarzinom Transparent“ entwickelt, um die Behandlung von Patienten mit Nierenzellkarzinom im Praxisalltag zu unterstützen. Die App wird sowohl im App Store als auch bei Google Play zum kostenlosen Download zur Verfügung stehen. Kompaktes Wissen von der Diagnose bis zur Nachsorge
Das Hauptmenü der App ist unterteilt in die Themen Diagnose, Therapiealgorithmus und -management, zugelassene Substanzen, Wechselwirkungen, Leitlinien und Nachsorge. Wer die Rubrik Diagnose aufruft, erfährt zum Beispiel Schritt für Schritt, wie vorzugehen ist, um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen oder das Tumorstadium korrekt zu klassifizieren. Welche Arzneimittel etwa beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom eingesetzt werden können, ist unter Therapiealgorithmus zu finden. Die App ist sehr übersichtlich gehalten. In allen Bereichen kann der Anwender auf Mindmaps zurückgreifen. Diese halten auf einen Blick die wichtigsten Informationen zu den Substanzen, etwa Dosierungsangaben und Einnahmemodalitäten, bereit. Ist der Anwender an zusätzlichen Details interessiert, kommt er dank der innovativen Navigationsführung ganz unkompliziert zu den Wirksamkeitsdaten und zum Sicherheitsprofil. Welche Nebenwirkungen bei welchem Arzneimittel auftreten und wie diese behandelt werden können, ist in Therapie-
APP Nierenzellkarzinom Transparent: Kostenloser Download bei Google Play (links) und im Internet (rechts).
management nachzulesen. Alle Arzneimittel plus alle relevanten Informationen sind darüber hinaus nochmals gebündelt in Zugelassene Substanzen aufgeführt. Da viele Patienten neben ihrer onkologischen Behandlung auf weitere Arzneimittel angewiesen sind, können in der App die Wechselwirkungen mit 22 häufig eingesetzten Arzneien abgefragt werden. Und da auf eine Therapie die Nachsorge folgt, erhält der Nutzer auch dafür evidenzbasierte Empfehlungen, und zwar sowohl für die Rehabilitation nach Akuttherapie als auch für die Nachsorge von Patienten mit Rezidivrisiko unterschiedlicher Schweregrade. Übersichtlichkeit bei gleichzeitig evidenzbasierter Informationstiefe
Stärke der App ist vor allem die reduzierte und übersichtliche Darstellung der komplexen Inhalte. Anspruch sind neutrale Informationen auf Basis der relevanten aktuellen internationalen und nationalen Leitlinien folgender Fachgesellschaften und Initiativen: EAU (2015), ESMO (2014), NCCN (2016), DGHO (2013) sowie DGU und DGHO (S3 Leitlinie 2015). Alle Aussagen sind mit Quellen hinterlegt. Da die Leitlinien regelmäßig aktualisiert werden, soll auch die App fortlaufend an die neuen Erkenntnisse angepasst werden. Neben Informationen auf
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hohem wissenschaftlichem Niveau, bietet die App einen Fundus an hilfreichen Extras, wie diverse Rechner, Modelle, Scores und Indices. An das Handling wurde ebenfalls gedacht: Mithilfe der Favoriten-Funktion kann jeder Nutzer die für ihn wichtigen Bereiche markieren und jederzeit mit nur einem Fingertipp erneut aufrufen. Außerdem kann er sich themenspezifische Notizen machen und aus der App E-Mails versenden. F. S.
Orales Vancomycin zur Behandlung der Clostridium-difficileassoziierten Diarrhö Mehr als 40 % der Clostridiumdifficile-assoziierten Diarrhöen (CDAD) treten heute außerhalb von stationären Einrichtungen auf. Doch damit nicht genug: Auch die Zahl an Therapieversagern und CDAD-Rezidiven nimmt stetig zu. Vancomycin Enterocaps® 250 mg überzeugt bei allen Formen der CDAD, auch bei der mehrwöchigen Therapie von Rezidiven. So ermöglicht der Wirkstoff auch über die Initialtherapie hinaus eine wirkungsvolle Behandlung bei multiplen rezidivierenden CDAD-Formen selbst im ambulanten Bereich. Hohe Heilungsraten
Im Praxis- und Klinikalltag hat sich orales Vancomycin in der Therapie aller Formen der CDAD bewährt: Studiendaten belegen eine hohe Wirksamkeit mit Heilungsraten von 98 % bei leichten und 97 % bei schweren CDADFormen bei guter Verträglichkeit. Im Vergleich dazu konnte mit Metronidazol bei schweren Fällen © VERLAG PERFUSION GMBH
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nur eine Heilungsrate von 76 % erreicht werden. Außerdem kommt es durch den vermehrten Einsatz von Metronidazol zunehmend zum Therapieversagen. Der Einsatz dieses Wirkstoffs erscheint daher nicht mehr zeitgemäß – nicht zuletzt wegen der zunehmenden Entwicklung von Rezidiven. Unter der Therapie mit oralem Vancomycin, das frühzeitig in einer Dosierung von 4 × 250 mg/d über mindestens 10 Tage eingesetzt werden sollte, sind die Patienten deutlich schneller beschwerdefrei und entwickeln auch sichtbar weniger schwere und komplizierte Verläufe.
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Pulsschema für die Rezidivtherapie
Gemäß der Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten (ESCMID) gilt orales Vancomycin insbesondere bei schweren und komplizierten Verläufen sowie bei Rezidiven als Mittel der ersten Wahl. Bei multiplen rezidivierenden CDAD-Formen empfiehlt sich die Anwendung des mehrstufigen Pulsschemas nach Högenauer gemäß der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH). Hierbei werden zunächst über 10 Tage 4 x 500 mg/d orales Vancomycin eingenommen. Ab Tag 11 wird die Dosis auf 4 x 250 mg/d reduziert und auch nur noch jeden 2. Tag verabreicht. Die Therapiewochen 4 bis 6 sehen eine niedrigere Vancomycin-Gabe mit einer Wirkstärke von 250 mg pro Dosis vor, die nur noch jeden 3. bzw. 4. oder 5. Tag appliziert wird. Ab Woche 7 werden 4 x 250 mg Vancomycin nur noch an einem Tag pro Woche gegeben. B. S.
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Zulassungsstudie coBRIM: Fast alle Patienten profitieren Duale Strategie beim fortgeschrittenen Melanom:
Überzeugende Langzeit wirkung von Cobimetinib plus Vemurafenib Mit der Kombination aus dem MEK-Inhibitor Cobimetinib (Cotellic®) und dem BRAF-Inhibitor Vemurafenib (Zelboraf®) steht seit November 2015 eine Weiterentwicklung für die Therapie des BRAFV600-Mutation-positiven fortgeschrittenen Melanoms zur Verfügung. Auf dem 32. Deutschen Krebskongresses (DKK) in Berlin zogen Experten eine erste Bilanz und erläuterten anhand der Studienergebnisse und ersten Praxiserfahrungen den Stellenwert der neuen Kombinationstherapie. Synergistische Wirkung zeigt deutliche Vorteile
Professor Axel Hauschild, Kiel, bezeichnete die Kombination aus MEK- und BRAF-Inhibitoren als neuen Therapiestandard für das fortgeschrittene Melanom: „Im Vergleich zur Monotherapie mit Vemurafenib zeigt die duale Hemmung mit dem MEKInhibitor Cobimetinib und dem BRAF-Inhibitor Vemurafenib eine deutlich verbesserte Wirksamkeit bei einem zugleich gut handhabbaren Sicherheitsprofil.“ Der Grund hierfür liegt in dem synergistischen Wirkansatz: Durch die Kombination der beiden Substanzen wird der Mitogen-aktivierte Proteinkinase(MAPK)-Signalweg an zwei Stellen blockiert und eine mögliche Resistenz gegen die alleinige BRAF-Hemmung überwunden.
Die Daten der Zulassungsstudie coBRIM belegen den Nutzen dieses dualen Wirkansatzes: Die Kombinationstherapie mit Cobimetinib plus Vemurafenib verlängerte sowohl das progressionsfreie Überleben (PFS) als auch das Gesamtüberleben (OS) gegenüber der Monotherapie mit Vemurafenib. Das mediane PFS verbesserte sich unter Cobimetinib plus Vemurafenib um 5,1 Monate auf 12,3 Monate (vs. 7,2 Monate in der Kontrollgruppe; HR: 0,58, 95%-Kl: 0,46–0,72). „Unter der Kombinationstherapie erreichten die Patienten erstmals ein PFS von mehr als einem Jahr“, hob der Kieler Dermatoonkologe hervor. Das mediane OS verlängerte sich zugleich auf 22,3 Monate (vs. 17,4 Monate unter der Monotherapie). Damit reduzierte sich das Sterberisiko um 30 % (HR: 0,70, 95%-Kl: 0,55– 0,90, p=0,005). Nach einem Jahr lebten 75 %, nach 2 Jahren noch 48 % der Patienten. „Die Daten sind wirklich beeindruckend, da eine überzeugende Langzeitwirkung erreicht wurde, obwohl 46 % der Patienten einen prognostisch ungünstigen erhöhten Laktatdehydrogenase-Wert aufwiesen“, kommentierte Hauschild. Mit 90 % profitierten nahezu alle Patienten mit einem BRAFV600Mutation-positiven fortgeschrittenen Melanom von der Kombinationstherapie Cobimetinib plus Vemurafenib: So zeigte die coBRIM-Studie eine mit 70 % gegenüber 50 % deutlich höhere objektive Ansprechrate (ORR) und eine mit 13 versus 9,2 Monaten deutlich längere Ansprechdauer. Zudem erreichten mehr Patienten eine komplette (16 % vs. 11 %) bzw. eine partielle (54 % vs. 40 %) Remis-
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sion unter der Kombinationstherapie. Bei 17 % der Patienten stabilisierte sich die Erkrankung. „Unsere bisherigen Erfahrungen in der Praxis decken sich mit den Erkenntnissen der Studie“, ergänzte Dr. Michael Fluck, Fachklinik Hornheide. „Viele Patienten zeigen unter der Kombination Cobimetinib plus Vemurafenib einen langfristig stabilen Krankheitsverlauf mit deutlich späterer Krankheitsprogression.“ Längere Überlebenszeit bei höherer Lebensqualität
In der coBRIM-Studie traten als häufigste unerwünschte Ereignisse (bei >20 % der Patienten) Durchfall, Übelkeit, Hautausschlag, Arthralgie, Fatigue, erhöhte Kreatinkinase-Werte, Photosensitivität, Fieber, erhöhte Leberwerte sowie Erbrechen auf. Ein Großteil dieser Reaktionen war jedoch mild oder moderat (Schwergrad 1 und 2) und vorübergehend. „In der Regel treten die Nebenwirkungen innerhalb der ersten 4 Wochen auf und die meisten Patienten können auf die Therapie gut eingestellt werden“, fasste Professor Stephan Grabbe, Mainz, zusammen. Die Studiendaten zeigen, dass sich durch die Kombinationstherapie ebenso die Lebensqualität verbessert. Die Patienten berichteten insbesondere über Verbesserungen bei Schlaflosigkeit, Schmerzen und sozialen Funktionen. Dies sieht Fluck auch in der Praxis bestätigt: „Wir beobachten im Klinikalltag, dass die Patienten in zweifacher Hinsicht von der Kombinationstherapie profitieren: durch längere Überlebenszeit bei zugleich höherer Lebensqualität.“ Fabian Sandner, Nürnberg © VERLAG PERFUSION GMBH
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Idiopathische Lungenfibrose: Nintedanib bremst den Krankheitsverlauf Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist eine chronische, progressive Lungenerkrankung unbekannter Ursache, die die Patienten schwer beeinträchtigt und in der Regel zum Tod führt. In Deutschland sind etwa 16.000 Menschen davon betroffen. Damit gehört IPF zu den seltenen Erkrankungen (Orphan Diseases). Ein wichtiges, für die Patienten relevantes Ziel der Behandlung ist es, das Fortschreiten der Erkrankung zu reduzieren. Therapieziele: Exazerbationen vermeiden, FVC-Verlust reduzieren
Eine Behandlung mit Nintedanib (OFEV®) kann nicht nur den Krankheitsverlauf signifikant um etwa die Hälfte bremsen, sondern auch das Risiko für akute Exazerbationen um 47 % signifikant reduzieren (HR 0,53; 95%-KI: 0,34–0,83; p=0,0047) [1]. Dies berichtete PD Dr. Claus Neurohr vom Klinikum Großhadern auf dem 57. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) in Leipzig. Basis der Analyse waren die gepoolten Studiendaten der zulassungsrelevanten Phase-II-Studie TOMORROW und der beiden Phase-III-Studien INPULSIS®-1 und -2 [1]. „Akute IPF-Exazerbationen sind für die Patienten sehr schwerwiegend und nicht zu vergleichen mit COPD-Exazerbationen. Etwa 50 % der Patienten versterben innerhalb von 3 Monaten und etwa 80–90 % innerhalb von 12 Monaten nach ei-
ner akuten Exazerbation. Diese zu vermeiden, ist daher ein vorrangiges therapeutisches Ziel“, betonte Neurohr. In den INPULSIS®Studien wurden die von den Prüfärzten berichteten akuten Exazerbationen zusätzlich von einem unabhängigen Expertengremium adjudiziert, um Fehldiagnosen auszuschließen. Nintedanib konnte das Risiko für diese so adjudizierten akuten Exazerbationen sogar um bis zu 68 % signifikant senken [2]. Dies ist ein Therapieeffekt, den bislang nur dieser Wirkstoff in klinischen Studien gezeigt hat. „Die Analyse der gepoolten TOMORROW- und INPULSIS®Studien zeigte ebenfalls, dass Nintedanib den jährlichen FVCVerlust gegenüber Placebo signifikant um etwa die Hälfte reduziert. Damit erfüllt Nintedanib gleich zwei wichtige patientenrelevante Therapieziele: Die Verlangsamung der Krankheitsprogression und die Reduzierung des Exazerbationsrisikos“, so PD Dr. Dirk Koschel, Coswig. Trend zur Reduktion der Mortalität
Die gepoolte Analyse wies außerdem auf einen Trend zur Mortalitätsreduktion hin. So war die Gesamtmortalität, definiert als Tod während des Studienzeitraums über 52 Wochen, numerisch um 30 % reduziert (HR 0,70; 95%-KI: 0,46–1,08; p=0,0954) [1]. Während der Zeit unter Behandlung mit Nintedanib hatten die Patienten im Vergleich zu Placebo ein um 43 % geringeres Sterberisiko (on-treatment mortality; HR 0,57; 95%-KI: 0,34–0,97; p=0,0274) [1]. Auch die Sterblichkeit aufgrund von Exazerbationen oder anderen respiratorischen Ereignissen war un-
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ter Nintedanib im Vergleich zu Placebo numerisch um 38 % reduziert (respiratory mortality; HR 0,62; 95%-KI: 0,37–1,06; p=0,0779) [1]. Diese Effekte auf die Mortalität könnten möglicher Ausdruck der unter Nintedanib verlangsamten Krankheitsprogression sein. IPF erfordert Dauertherapie
„Seit etwa einem Jahr steht OFEV® zur Behandlung von IPFPatienten aller Krankheitsstadien zur Verfügung. Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit werden allerdings fortlaufend in weiteren Studien erhoben“, berichtete Koschel. „Eine Zwischenanalyse der Folgestudie INPULSIS®-ON bestätigte über einen Zeitraum von 2 Jahren das bisherige Wirksamkeits- und Nebenwirkungsprofil von OFEV®. Die gebremste FVC-Abnahme setzte sich im zweiten Behandlungsjahr fort.“ In der offenen Folgestudie hatte Nintedanib eine konsistent positive Wirkung auf die FVC-Abnahme. Sie betrug in der INPULSIS®ON-Studie durchschnittlich 87 ml/ 11 Monate im Vergleich zu durchschnittlich 89 ml/12 Monate in den INPULSIS®-Studien (gepoolte Daten) [3]. Koschel fasst zusammen: „Das heißt, IPF-Patienten scheinen anhaltend von einer Behandlung mit OFEV® über einen längeren Zeitraum profitieren zu können.“ Sibylle Michna, Puschendorf Quellen 1 Richeldi L et al. Respir Med 2016;113:7479 2 Richeldi L et al. N Engl J Med 2014; 370:2071-2082 3 Crestani B et al. European Respiratory Society International Congress. Abstract 2015 © VERLAG PERFUSION GMBH
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Postoperatives Schmerz management in der Klinik: Viele Herausforderungen – eine gemeinsame Aufgabe Ein zentraler Bestandteil der postoperativen Versorgung ist die möglichst schnelle und umfassende Akutschmerz-Kontrolle mit dem vorrangigen Ziel, Lebensqualität und Genesung des Patienten zu fördern, direkte schädliche physiologische Folgen von Akutschmerz zu vermeiden und eine Schmerzchronifizierung zu verhindern. In der täglichen Routine werden diese Ziele nicht immer erreicht, viele Patienten klagen nach einer Operation über Schmerzen – das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Österreich und die Schweiz. D-A-CH-Experten aus den Gebieten der Anästhesie, der operierenden Fächer und der Pflege sehen daher einen Optimierungsbedarf beim postoperativen Schmerzmanagement in der Klinik, wie im Rahmen eines Pressegesprächs der Grünenthal GmbH deutlich wurde. Eine gute Schmerztherapie ist ein klares Muss nach Operationen
Trotz verschiedener Therapieoptionen bei der postoperativen Versorgung akuter Schmerzen, leidet etwa ein Viertel der Patienten am ersten postoperativen Tag unter starken Schmerzen, ungefähr die Hälfte hat mäßig starke bis starke Schmerzen. Etwa die Hälfte der Patienten berichtet erst über Schmerzen, wenn diese unerträglich werden. „Vielen Patienten ist es peinlich, sich aufgrund ihres Schmerzes beim Arzt oder Pflegepersonal zu melden, denn sie haben Angst davor, als empfindlich zu gelten. Lieber beißen sie
die Zähne zusammen und spekulieren darauf, dass es schon bald besser wird. Dabei ist das nicht nur schmerzhaft, sondern kann auch den Heilungsverlauf gefährden“, beschrieb Professor Wolfgang Koppert, Hannover, die Gemütslage vieler Betroffener. Ein weiteres Versorgungsproblem besteht aufgrund der häufigen nächtlichen Schmerzspitzen, die nicht selten erst zeitverzögert analgetisch versorgt werden. Entgegen der Erwartungen vieler Patienten und auch Ärzte lösen nicht nur große Operationen große Schmerzen aus, vielmehr sind die Schmerzwerte gerade bei kleinen Eingriffen trotz Behandlung oft unerwartet hoch, wie ein Vergleich zwischen 179 Operationsgruppen bei 50.199 Patienten am ersten Tag nach einer Operation gezeigt hat. „Die Versorgung des Patienten sollte so früh wie möglich erfolgen und nach dessen individuellen Schmerzen ausgerichtet werden. Optimal und in Leitlinien empfohlen, wäre hierbei eine nichtinvasive Analgetikagabe zum frühest möglichen Zeitpunkt. Es ist überdies wichtig, den Patienten in die Therapieentscheidung und dann auch in die postoperative Schmerztherapie einzubeziehen. Eine individuelle und bedarfsorientierte Versorgung kann zwar unter Umständen aufwendiger und kostenintensiver sein, erfüllt aber die Anforderungen an ein frühzeitiges und effektives postoperatives Schmerzmanagement besser und hilft so langfristig, Folgekosten zu senken“, betonte Koppert. Laut Professor Stephan M. Freys, Bremen, stellt ein adäquates postoperatives Schmerzmanagement einen wichtigen Baustein für die rasche Genesung des Patienten dar. Jeder Mensch hat darüber hinaus ein Anrecht auf eine an-
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gemessene Schmerzbehandlung, sowohl aus juristischer als auch ethischer Sicht. Dies ist vielen Patienten nicht bewusst und sie sehen Schmerzen insbesondere nach Operationen als notwendiges Übel an. „Ein gutes postoperatives Schmerzmanagement ist ein Muss – und das aus verschiedenen Gründen: Es führt zu einer deutlichen Reduktion des postinterventionellen Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos. Es ist eine Voraussetzung für die Mobilisation und damit für Maßnahmen der Physiotherapie und Rehabilitation, die die Heilung und die rasche Wiedereingliederung der Patienten in den normalen Alltag fördern. Ein adäquates postoperatives Schmerzmanagement ist für die Lebensqualität und die Patientenzufriedenheit wichtig und reduziert zudem das Risiko der Ausbildung chronischer Schmerzen als Folge- oder Späterscheinung operativer Eingriffe“, fasste Freys den hohen Stellenwert und die Ziele der Akutschmerz-Therapie nach operativen Eingriffen zusammen. Trotz einiger Verbesserungen in diesem Bereich müsse zum Wohle des Patienten an einer weiteren Optimierung gearbeitet werden. Postoperatives Schmerzmanagement: Gemeinsam zum Erfolg
„Die Qualität des postoperativen Schmerzmanagements ist sehr unterschiedlich“, wie Professor Jürgen Osterbrink, Salzburg, betonte. Dies liege auch daran, dass es sich hierbei um eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen handle, die eine gute Koordination aller Beteiligten notwendig mache, so der Pflegewissenschaftler weiter. Doch gerade hier kommt es zu Problemen, © VERLAG PERFUSION GMBH
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KONGRESSE
denn eine genaue Festlegung der Maßnahmen anhand von klinikeigenen Leitfäden ist häufig nicht vorhanden und die Zuständigkeiten von Pflegenden und Ärzten sind teilweise nicht klar definiert. Für eine Verbesserung des postoperativen Schmerzmanagements ist es deshalb erforderlich, tradierte Muster aufzugeben und die Kompetenzen aller Beteiligten – d.h. von Anästhesisten, Chirurgen und Pflegenden – zu nutzen und die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit zu stärken. Besonders wichtig ist die aktive Einbeziehung des Patienten in das postoperative Schmerzmanagement.
Das beginnt bereits mit der Einbindung in die Therapieentscheidung im Rahmen des der Operation vorausgehenden Prämedikationsgesprächs. Hier wird der Patient über die verschiedenen Optionen des postoperativen Schmerzmanagements aufgeklärt, idealerweise übernimmt er nach der Therapieentscheidung eine aktive Rolle bei der Analgesie. Es sollten weiterhin klare Absprachen der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten getroffen werden, die während und nach der Operation gelten. Zu den wichtigsten Strukturen gehören ein Akutschmerzdienst, der perioperative Patienten analgetisch versorgt und der bei etwa einem Fünftel
der Krankenhäuser fehlt, die Orientierung an Qualitätskriterien und eine regelmäßige Erfassung und Überwachung der Schmerzen und Qualitätskriterien. Wichtig ist zudem eine regelmäßige und teilweise gemeinsame Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegenden. „Sicher ist es für eine dauerhafte Verbesserung des postoperativen Schmerzmanagements vor dem Hintergrund geänderter Strukturen in Krankenhäusern auch wichtig, dass Pflegende, z.B. als Pain Nurses, eigenverantwortlicher handeln können“, stellte Osterbrink heraus. Jutta Sonst, Marienmünster
Titelbild: Das natürliche Alkaloid Chinin wird aus dem Chinarindenbaum (Cinchona pubescens) gewonnen. Der Wirkstoff Chininsulfat wirkt muskelrelaxierend und schmerzlindernd (Quelle: Klosterfrau Gesundheitsservice).
Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg
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