ISSN 1432-4334 JAHRGANG 24 HEFT 3 Juni 2015
FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE
JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY
Polycythaemia vera – unterschätzter Blutkrebs mit hoher Symptomlast Schöne Narben – ist das möglich?
Mehr Therapiesicherheit durch DNA-Tests zur individuellen Wirksamkeit von Arzneimitteln
S3-Leitlinie der AWMF zur palliativen Behandlung von Krebspatienten: Empfehlung von transmukosalem Fentanyl bei tumorbedingten Schmerzexazerbationen Patienten mit Lungenemphysem profitieren von einer minimalinvasiven Behandlung mit Coils COPD: Indacaterol/Glycopyrronium-Fixkombination verbessert Lungenfunktion signifikant stärker als Tiotropium plus Formoterol Vortioxetin – ein neues multimodal wirksames Antidepressivum für ein breites Patientenspektrum Fixkombination aus Adapalen und Benzoylperoxid – hoch wirksam in der Akne-Langzeittherapie
VERLAG
PERFUSION
für Ihren hämatokritischen Patienten mit Polycythaemia vera (PV)
PV-Patienten mit einem Hämatokrit-Wert < 45 % haben ein 4-fach geringeres kardiovaskuläres Mortalitätsrisiko im Vergleich zu Patienten mit einem Wert von 45 % – 50 %.1 Hämatokrit-Kontrolle und Symptom-Reduktion sind für Ihre PV-Patienten entscheidend!
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1. Marchioli R et al. N Engl J Med 2013;368(1):22–33.
EDITORIAL
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G7-Gipfel: Resistent gegen Antibiotika Unmerklich ist die Ebola-Epidemie, ein Dauerbrenner im zweiten Halbjahr 2014, aus den Schlagzeilen gerutscht und damit auch aus unseren Köpfen. Ein Nachfolger böte sich schon an: MERS (Middle East respiratory syndrome coronavirus), ein erst im Jahr 2012 entdecktes Coronavirus, das schwere Atemwegsinfektionen, Lungenentzündung und Nierenversagen verursachen kann und als eine Art Neuauflage von SARS daherzukommen scheint. Die SARS-Pandemie hatte in den Jahren 2002-03 mehr als 1000 Menschen das Leben gekostet. Laut einer aktuellen Pressemeldung – einer von insgesamt ca. 122 Millionen Treffern nach einer entsprechenden Google-Anfrage – sind mittlerweile 169 Menschen erkrankt und 25 an dieser Erkrankung verstorben [1]. Noch scheint das aber hierzulande niemand groß zu beunruhigen, obwohl meine Feststellung zu Ebola aus dem letzten Jahr auch hier Gültigkeit haben dürfte [2]. Infektionskrankheiten und ihre Bekämpfung (wie ihre Prävention) sind immer und automatisch ein politisches Problem auf einem Planeten mit mehr als 7 Milliarden Menschen. Erfreulicherweise schien diese Erkenntnis auf dem soeben zu Ende gegangenen G7-Gipfel, einer informellen Runde von Staatschefs aus 7 Ländern, die sich für die Wichtigsten halten (allerdings immerhin auch einen Anteil von ca. 45 % des globalen kumulativen Bruttoinlandsprodukts repräsentieren), angekommen zu sein. Tischgespräch bei Weißwurst, Brezen, Weißbier und strahlendem weiß-blauem Himmel war, „welche Lehren die internationale Gemeinschaft aus der Ebola-Krise ziehen kann, um zukünftig besser auf Epidemien vorbereitet zu sein“, so
ist zumindest der stolzen Verlautbarung des Gesundheitsministeriums zum Gipfel zu entnehmen [3]. Dass es da gar nicht um Strategien gegen virale, sondern ausschließlich gegen bakterielle Seuchen ging, macht angesichts des Erreichten wohl nur für Infektiologen und notorische Besserwisser einen Unterschied. In der 27-seitigen Abschlusserklärung (Link in [3]) sind dem Thema „Antibiotikaresistenzen“ immerhin 15 Zeilen gewidmet „Wir unterstützen uneingeschränkt den kürzlich beschlossenen globalen Aktionsplan der WHO zu Antibiotikaresistenzen“ heißt es da, und weiter: „Wir werden eine fachgerechte Verwendung von Antibiotika fördern und uns daran beteiligen, die Grundlagenforschung, die Forschung zu Epidemiologie, Infektionsprävention und -bekämpfung und die Entwicklung von neuen Antibiotika, alternativen Therapien, Impfstoffen und Schnelltests zu stärken.“ Das ist ein starkes Wort, über das es sich lohnt nachzudenken. Deshalb soll an dieser Stelle nicht auf Details des Anhangs zur Abschlusserklärung eingegangen werden, da dort das Thema eher quantitativ (2 von 19 Seiten!) als qualitativ (Wir „... stehen in der Pflicht“, „... unterstreichen die Bedeutung“, „... signalisieren die Notwendigkeit“, „... erkennen an, wie wichtig es ist“, „... sind bestrebt“, „... rufen auf“ etc.) weiter differenziert wurde. Immerhin wurde das Problem klar und deutlich benannt: Antibiotikaresistenzen. Nun gibt es anerkanntermaßen „viele Wege zur Antibiotikaresistenz“ [4], das bezieht sich aber nur auf die Tricks von Bakterien, sich gegen Antibiotika zu wehren, also Resistenzen zu bilden. Immer gleich ist demgegenüber das Prinzip „steter Tropfen höhlt den Stein“: Je mehr „Übungsmög-
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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster
lichkeiten“ Bakterien bekommen, desto mehr Resistenzen können sie entwickeln. Dass sie immer mehr Möglichkeiten bekommen zu üben, liegt ganz banal an den wirtschaftlichen Interessen von Anbietern und Kunden. In der Viehzucht, die z.B. in den USA 80 % der produzierten Antibiotika verbraucht [5], lässt sich auf diese Weise schlichtweg mehr erwirtschaften als ohne Antibiotika. Kein Wunder, dass die Perspektiven klar weiter in Richtung steigendem Verbrauch gehen (und über diesen „Umweg“ immer größere Mengen schließlich beim Menschen landen). Und dass ein Unternehmen, das mit teils immensem Aufwand ein Antibiotikum entwickelt hat, an einem Return on Investment existenzielles Interesse hat, gehört nun mal zu den Grundregeln unseres Wirtschaftssystems. Gleichzeitig lohnt sich die Entwicklung von neuen Antibiotika betriebswirtschaftlich offensichtlich immer weniger. Dies lässt sich zwanglos aus der Tatsache ablei© VERLAG PERFUSION GMBH
INHALT
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ten, dass zwischen 1990 und 2000 in Deutschland 21 neue Antibiotika auf den Markt kamen, zwischen 2000 und 2010 nur noch 8 – Tendenz weiter fallend. Einen Ausweg aus diesem Dilemma sehe ich ehrlich gesagt nur in einem grundsätzlichen (politischen) Entschluss, Antibiotika ebenso außerhalb des normalen Wirtschaftssystems zu positionieren wie die Feuerwehr: Kein Mensch käme auf die Idee zu fordern, die örtliche Feuerwehr müsse sich lohnen und wo’s nicht genügend brennt, wird sie abgeschafft. De facto hieße das, dass öffentliche Mittel gezielt bereitgestellt werden müssten, um eine klar problemorientierte Antibiotikaforschung und -vorhaltung zu finanzieren. Im Gegenzug müsste natürlich auch der Einsatz entsprechend reglementiert werden. Dass das vorgeschlagene „Modell“ noch nicht zu Ende gedacht ist, gebe ich gerne zu. Schließlich habe ich mich auch vor Jahren über die Ankaufspolitik der öffentlichen Hand unter dem Eindruck der Vogelgrippe echauffiert [6]. Aber was ein G7-Gipfel mit einem kolportierten Finanzaufwand von 360 Millionen Euro nicht einmal im ersten gedanklichen Ansatz hinbekommt ... Karl-Ludwig Resch, Bad Elster Quellen 1 h ttp://diepresse.com/home/panorama/ welt/4759394/MersVirus-in-Sudkoreaweiter-auf-dem-Vormarsch (Meldung vom 21.06.2015) 2 Resch KL. Ebola – ein politisches Problem. J Pharmakol Ther 2014;23:109-110 3 http://www.bmg.bund.de/ministerium/ meldungen/2015/abschluss-des-g7gipfels-in-elmau.html 4 Dantas G, Sommer MOA. Infektionskrankheiten: Die vielen Wege zur Antibiotikaresistenz. Spektrum der Wissenschaft März 2015:36-45 5 h ttp://www.welt.de/wissenschaft/article138671830/Antibiotika-Einsatz-inViehzucht-steigt-weltweit.html (Meldung vom 22.03.2015) 6 Resch KL. Vogel-Grippeviren: (K)ein Kraut gewachsen? J Pharmakol Ther 2006;15:6-7
ÜBERSICHTSARBEITEN Polycythaemia vera – unterschätzter Blutkrebs mit hoher Symptomlast Brigitte Söllner Schöne Narben – ist das möglich? Fabian Sandner
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Mehr Therapiesicherheit durch DNA-Tests zur individuellen Wirksamkeit von Arzneimitteln
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Patienten mit Lungenemphysem profitieren von einer minimalinvasiven Behandlung mit Coils
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL COPD: Indacaterol/Glycopyrronium-Fixkombination verbessert Lungenfunktion signifikant stärker als Tiotropium plus Formoterol
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Vortioxetin – ein neues multimodal wirksames Antidepressivum für ein breites Patientenspektrum
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Fixkombination aus Adapalen und Benzoylperoxid – hoch wirksam in der Akne-Langzeittherapie
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RUBRIKEN Kongresse 108 Wissenswertes 88, 94, 101, 112
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* vs. Warfarin ** FDA Medicare Daten erhoben anhand von Patienten älter als 65 Jahre. Pradaxa® ist in den USA in den Dosierungen 75 mg und 150 mg zugelassen. Die Ergebnisse basieren auf einer gemeinsamen Analyse beider Dosierungen. 1 Graham DJ et al., Cardiovascular, Bleeding, and Mortality Risks in Elderly Medicare Patients Treated with Dabigatran or Warfarin for Non-Valvular Atrial Fibrillation. Circulation. 2015;131:157-164. Pradaxa® 75 mg/110 mg/150 mg Hartkapseln, Wirkstoff: Dabigatranetexilat. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: Jede Hartkapsel enthält 75 mg/110 mg/150 mg Dabigatranetexilat (als Mesilat); Sonstige Bestandteile: Weinsäure, Arabisches Gummi, Dimeticon 350, Talkum, Hyprolose, Carrageenan, Kaliumchlorid, Titandioxid, Indigocarmin (E 132), Gelborange S (E 110), Hypromellose, Schellack, Eisen(II,III)-oxid (E 172), Kaliumhydroxid. Anwendungsgebiete: Primärprävention von venösen thromboembolischen Ereignissen bei erwachsenen Patienten nach elektivem chirurgischen Hüft- oder Kniegelenksersatz. Prävention von Schlaganfall und systemischer Embolie bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern mit einem oder mehreren Risikofaktoren, wie z.B. vorausgegangener Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke (TIA); Alter ≥ 75 Jahre; Herzinsuffizienz (NYHA Klasse ≥ II); Diabetes mellitus; arterielle Hypertonie. Behandlung tiefer Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) sowie Prävention von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile; schwere Beeinträchtigung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min); akute, klinisch relevante Blutung; Läsionen oder klinische Situationen, die als hohes Risiko einer schweren Blutung gewertet werden; spontane oder pharmakologisch bedingte Einschränkung der Hämostase; Beeinträchtigung der Leberfunktion oder Lebererkrankung, die Auswirkungen auf das Überleben erwarten lässt; gleichzeitige Behandlung mit systemisch verabreichtem Ketoconazol, Ciclosporin, Itraconazol, Dronedaron und anderen Antikoagulantien. Patienten mit künstlichen Herzklappen, die eine gerinnungshemmende Therapie benötigen. Nebenwirkungen: Anämie, Hämoglobin vermindert, Nasenbluten, gastrointestinale Blutung, urogenitale Blutung, Bauchschmerzen, Diarrhoe, Dyspepsie, Übelkeit, Thrombozytopenie, Hämatokrit vermindert, Arzneimittel-Überempfindlichkeit, Hautausschlag, Pruritus, Anaphylaktische Reaktion, Angioödem, allergische Reaktion, intrakranielle Blutungen, Hämatom, Hämoptyse, Wundblutung, Blutung, rektale Blutung, hämorrhoidale Blutung, gastrointestinale Ulzera, Gastroösophagitis, gastroösophageale Refluxkrankheit, Erbrechen, Dysphagie, abnorme Leberfunktion/abnormer Leberfunktionstest, Leberenzyme erhöht, Transaminasen erhöht, Hyperbilirubinämie, Hautblutung, Hämarthrose, Hämaturie, blutige Absonderung, traumatische Blutung, postoperatives Hämatom, postoperative Blutung/Anämie/Absonderung, Wundsekretion, Wunddrainage, Urtikaria, Blutung an einer Injektionsstelle, Blutung an der Eintrittsstelle eines Katheters, Blutung am Inzisionsort, postoperative Drainage, Bronchospasmus. Weitere Einzelheiten enthalten die Fach- bzw. Gebrauchsinformationen, sowie die Ratgeber und Patientenausweise, deren aufmerksame Durchsicht wir empfehlen. Stand der Information: Januar 2015 Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Binger Str. 173, 55216 Ingelheim am Rhein, Tel.: 08 00 / 77 90 90 0, Fax: 0 61 32 / 72 99 99, E-Mail: info@boehringer-ingelheim.de
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Backgrounder: ÜBERSICHTSARBEIT Polycythaemia vera – der unterschätzte Blutkrebs
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Polycythaemia vera – unterschätzter Blutkrebs mit hoher Symptomlast
it einer jährlichen Inzi- Polycythaemia vera (PV) ist eine seltene, maligne Bluterkrankung, denz von 0,7 bis 2,7 pro erhöhte Hämatopoese gekennzeichnet ist. Ursache ist in den meis 100.000 Einwohner ist die AB Polycythaemia vera (PV) zwar ins- Überaktivierung des JAK-STAT-Signalweges , die zu verstärkter Z gesamt selten, jedoch die häufigste und Zelldifferenzierung führt. Dies resultiert in einem erhöht Erkrankung unter den myeloproliferativen Neoplasien (MPN) [1] thromboembolische Komplikationen. Symptome wie z.B. schwer (Abb. 1). Kennzeichen sind eine (Fatigue) und brennender Juckreiz (Pruritus) bedingen eine hohe gesteigerte Erythropoese, Gra- zunehmende Krankheitslast für die betroffenen Patienten sowie eine nulopoese und Megakaryopoese. Ursache ist in den meisten Fällen der Leistungsfähigkeit. Aufgrund des unspezifischen Beschwerdeb eine Überaktivierung des JAK- PV vor allem in der frühen Phase oft unerkannt. Aktuelle Th kontakt manifestiert. be- tungsfähigkeit STAT-Signalweges* (vgl. Insert). insbesondere der Patienten auf Oft diestark Reduktion des Thromboembolie-Risikos a Die daraus resultierende gestei- lastende Symptome sind zudem tatsächlich beeinflussen kann, nur geringe Auswirkungen auf die Senkung der Symptomlas Konzentrationsstörungen, Schlaf- verdeutlichen gerte Zellproliferation, insbeson- mitunter die anlässlich des dere der Erythrozyten, führt zum losigkeit, Kopfschmerzen sowie ASH-Jahreskongresses 2014 prästarke Milzvergrößerung, ver-neben Anstieg der Blutviskosität, die ein Dieteils sentierten Ergebnisse einer bis- (PMF), Polycythaemia vera zählt der Primären Myelofibrose erhöhtes Risiko für thromboem- bunden mit Oberbauchbeschwer- lang einzigartigen, großen USund anderen zu den den (Abb. 2) [5]. (ET) Im späteren bolische Komplikationen mit sich Thrombozythämie amerikanischen Studie Philadelphia-Chrom [9], in der Verlauf besteht die Neoplasien Gefahr einer(MPN). bringt. Typische Symptome wie Myeloproliferativen unter Diese anderemhämato-onkologische 380 PV-Patienten Erkra schwere Erschöpfung (Fatigue) Transformation der Erkrankung: online befragt wurden. Dabei zeigeine gesteigerte Erythropoese, Granulopoese und Megakaryopoese g und brennender Juckreiz (Pruritus) Etwa 10 % aller Fälle gehen in eine te sich, dass sich die Krankheitshinaus kann dieetwa PV in sekundäre Akute Myeloische Leukämi sekundäre Myelofibrose, 6 %einelast bedingen eine hohe und im Verlauf Darüber nicht nur in der Symptomatik in eine sekundäre akute Leukämie zunehmende Krankheitslast für die eine niederschlägt, sondern auch auf3 Die PV-I sekundäre Myelofibrose (Post-PV Myelofibrose) übergehen. betroffenen Patienten sowie eine über – Verlaufsformen, die mit ei- Lebensqualität, Alltagsaktivitäten etwa zwei Fällen pro 100.000 Personen pro Jahr,4 womit die Zah Einschränkung der Leistungsfä- ner drastisch verkürzten Lebenser- und Arbeits-/Leistungsfähigkeit in [6, Deutschland bei 800 bis 1.600 Personen liegt. Das m wartung einhergehen 7]. higkeit. Aufgrund des unspezifi- Neuerkrankungen auswirkt. Den höchsten Wert für 1 Wie sehr die Erkrankung den Geschen Beschwerdebildes bleibt die Diagnosestellung die Symptomschwere gaben die beträgt 60 bis 65 Jahre. PV vor allem in der frühen Phase sundheitszustand und die Leis- Patienten für Fatigue an, gefolgt oft unerkannt. Aktuelle Therapien zielen insbesondere auf die Reduktion des Thromboembolie-Risikos ab, haben aber mitunter nur geringe Auswirkungen auf die Senkung der Symptomlast [2, 3]. Erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit
Die Patienten leiden unter sehr vielfältigen, vor allem initial oft unspezifischen Symptomen. Zu den häufigsten Beschwerden zählt Fatigue, die mitunter jede Aktivität zur Belastung werden lässt. Ein weiteres typisches Symptom Abbildung 1: Die Polycythaemia vera zählt neben der primären Myelofibrose (PMF), der esist aquagener Pruritus, der sich Abbildung senziellen Thrombozythämie (ET) und der anderenMyeloproliferativen Erkrankungen zu den Philadelphia-Chromo1: Einteilung Neoplasien nach K 5,6,7die durch das Fehlen eines speziellen som-negativen Neoplasien (MPN), als Juckreiz der Haut bei Wasser- World BCR-ABL: Fusionsgen (PhiladelphiaHealth myeloproliferativen Organization WHO (2008). Fusionsgens charakterisiert sind. Das Schema zeigt die Einteilung der MPN nach WHO [4]. Chronischer Myeloischer Leukämie vorliegt. = Fusionsgen (Philadelphia-Chromosom), das bei chronischer myeloischer Leukä JAK = Januskinase, STAT = Signaltrans- beiBCR-ABL mie vorliegt. duktoren und Aktivatoren der Transkription
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JAK: Januskinase
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Proliferationssignalen
über
den
JAK-STAT-Signalweg
verantwortlich,
die
durch
Rezeptorbindung von Zytokinen und Wachstumshormonen ausgelöst werden. Bei der 81 im ÜBERSICHTSARBEIT Polycythaemia vera handelt es sich in 95% der Fälle um eine JAK2 V617F-Mutation
Exon 14, in 3% im Exon 12.1 Die Mutation führt zu einer konstitutiven Kinase-Aktivierung und resultiert in einer
Ursache der PV: Überaktivität der Januskinase 2
von Störungen des sexuellen Ver-
gesteigerten Zellproliferation, von der insbesondere die langens, Erythropoese, auch die Inaktivität,aber Konzentra-
1 Bei der Mehrzahl und von Patienten mit Polycythaemia vera sind. liegt eine tionsstörungen, Granulopoese Megakaryopoese betroffen PV-Patienten weisenSchlafstörungen zusätzlich eine Punktmutation im Gen der Januskinase (JAK) 2 vor. Januskinasen und anderen Beschwerden. Etwa8 erhöhte Produktion an proinflammatorischen Cytokinen und Wachstumsfaktoren auf, die sind für die intrazelluläre Weiterleitung von Proliferationssignalen 2 Drittel der Patienten betrachten über den JAK-STAT-Signalweg* verantwortlich, die verantwortlich durch Rezepfür eine Vielzahl der Krankheitssymptome ist. Unterschied zu ET ihre Im Lebensqualität insgesamt als und 9 torbindung von Zytokinen und Wachstumshormonen ausgelöst eingeschränkt. Bemerkenswert PMF treten bei PV keine Mutationen im Calreticulin-Gen auf. werden. Bei PV handelt es sich in 95 % der Fälle um eine JAK2 war, dass selbst ein niedriges proV617F-Mutation im Exon 14, in 3% im Exon 12 [2]. gnostisches Risiko mit einer deut-
lichen Krankheitslast verbunden zu sein schien. So lautet eine der Schlussfolgerungen aus dieser Studie, dass Interventionen, die zur Besserung besonders belastender Symptome führen, bei der Behandlung mit eingeschlossen werden sollten, um die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit der Patienten zu verbessern [9]. Wegen der oft unspezifischen Symptomatik kann die Diagnosestellung schwierig sein und die Erkrankung über Jahre hinweg unerkannt bleiben, oder sie wird zufällig entdeckt. Das mediane Alter bei Diagnosestellung beträgt 60 bis 65 Jahre [2]. Wie die o.g. BeDie Mutation führt zu einer konstitutiven Kinase-Aktivierung fragung ergab, brachten viele Pati- 10 Abbildung 2: Überaktivierung von JAK2 führt zur unkontrollierten Zellproliferation. und resultiert in einer gesteigerten von der ins-2 beienten nicht mit der des Die mutationsbedingte konstitutiveZellproliferation, Aktivität der Januskinase PV ihre führtSymptome zur Überaktivierung JAK-STAT-Signalweges, unkontrollierten besondere die Erythropoese,aus aber der auch eine die Granulopoese und Hämatopoese, GrunderkrankungGranulopoese in Verbindung und Megakarypoese resultiert. Megakaryopoese betroffen sind. PV-Patienten weisen zusätzlich [9]. eine erhöhte Produktion an proinflammatorischen Zytokinen und Wachstumsfaktoren auf, die für eine Vielzahl der KrankheitssympWichtige Manifestationen: Erythrozytose und erhöhter Hämatokrit Diagnose der PV tome verantwortlich ist.
Die mit der Krankheit einhergehende Überproduktion von Erythrozyten sowie erhöhte
zeigtkommt das BlutHämatokritwerte Makrovaskuläre sind charakteristisch für die PolycythaemiaLabordiagnostisch vera. Konsekutiv es zu Makrovaskuläre Komplikationen Komplikationen bild bei PV eine Erythrozytose bei
Myokardinfarkt Myokardinfarkt
Schlaganfall die das Auftreten von Thromboembolien begünstigt.11 So einer gesteigerten Blutviskosität, Schlaganfall gleichzeitiger Leukozytose und/ Periphere arterielle Verschlusskrankheit Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Instabile Angina pectoris oder Thrombozytose [2]. Differen- 12 sind 45% aller Todesfälle bei PV auf thromboembolische Komplikationen zurückzuführen. Instabile pectoris TiefeAngina Venenthrombose
zialdiagnostisch ist die Erkrankung
Tiefe Venenthrombose Lungenembolie
Im späteren Verlauf Zerebrale der Erkrankung von Splenomegalien Lungenembolie Venenthrombose kann es auch zur Ausbildung von einer sekundären ErythrozyZerebrale Venenthrombose Intraabdominelle Venenthrombose
tose oder primären Erythrozytose so kommen.1 Weiterhin besteht bei PV die Gefahr einer Transformation der Erkrankung: Intraabdominelle Venenthrombose
mit gestörter Erythropoetin (EPO)gehenAllgemeine ca. 10% aller Fälle in eine sekundäre Myelofibrose, etwa 6% in eine sekundäre Allgemeine Symptome Mikrovaskuläre Symptome Symptome Mikrovaskuläre Symptome Fatigue
Erythromelalgie
Nachtschweiß
Schwindel Schwindel Sehstörungen Sehstörungen Parästhesie Parästhesie Trasiente Ischämien Trasiente Ischämien Intraabdominelle Venenthrombose Intraabdominelle Venenthrombose
Genregulation abzugrenzen.
Fatigue über3,13 – Verlaufsformen, Erythromelalgiedie mit einer drastisch verkürzten Lebensakute Leukämie Pruritus Kopfschmerzen Gemäß WHO basiert die Diagnose Pruritus Kopfschmerzen
Nachtschweiß Knochenschmerzen erwartung verbunden sind.14,15 Knochenschmerzen
Kachexie Kachexie Fieber Fieber Splenomegalie Splenomegalie
Abbildung 2: Symptome der Polycythaemia vera [8].
Novartis Oncology Stand: März 2015
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PV auf den 2 Hauptkriterien Erythrozytose und einer für PV meist charakteristischen Mutation (JA K2 V617F- oder Exon 12-Mutation) sowie den folgenden Nebenkriterien: Hyperzellularität aller © VERLAG PERFUSION GMBH
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Differenzialdiagnostisch ist die Erkrankung von einer sekundären Erythrozytose oder primären Erythrozytose mit gestörter Erythropoetin (EPO)-Genregulation abzugrenzen.1 Die Diagnose der PV erfolgt entsprechend den 2008 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ÜBERSICHTSARBEIT herausgegebenen Kriterien; wesentlich sind hierbei der Hämoglobinwert sowie der
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Nachweis der JAK2 V617F-Mutation oder einer Mutation im Exon 12. Die Diagnose PV wird gestellt, wenn beide Hauptkriterien und ein Nebenkriterium oder das erste Hauptkriterium und zwei Nebenkriterien vorliegen.1
3 Zelllinien, vermindertes Serumerythropoetin und endogene erythroide Kolonien in vitro. Erfüllt sein müssen beide Hauptkriterien und ein Nebenkriterium oder das erste Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien (Abb. 3) [2].
PV-Diagnose
+
oder
+ zwei Nebenkriterien
ein Nebenkriterium
Behandlungsziele
Vorrangiges Behandlungsziel ist die Reduktion des Risikos für thromboembolische Ereignisse durch Absenkung des Hämatokritwerts auf <45 %. Methode der Wahl sind wiederholte Aderlässe (Phlebotomien), um die Hyperviskosität des Blutes zu reduzieren. Weiterhin wird zur Vermeidung arterieller Thrombosen zusätzlich niedrig dosierte Acetylsalicylsäure empfohlen. Für die Mehrzahl der Patienten reicht diese Kombination jedoch langfristig nicht aus. In diesem Fall können zytoreduktive Therapien wie z.B. Hydroxycarbamid (Hydroxyurea/HU) in Betracht gezogen werden [2]. In einer retrospektiven Studie sprachen nach den Kriterien des European LeukemiaNet 66 % der Patienten nur unvollständig auf die Therapie an; in 10 % der Fälle lag eine Resistenz gegenüber HU vor [10]. Zudem können bei der Behandlung schwere Nebenwirkungen wie Hautulzerationen auftreten [11]. Eine mögliche Alternative ist die Gabe von Interferon-alpha, das jedoch für diese Indikation nicht zugelassen ist. Weitere wichtige Therapieziele sind sowohl die Verlängerung der Lebenserwartung durch Verhindern später Komplikationen wie sekundärer Myelofibrose und akuter myeloischer Leukämie als auch die Verbesserung der Lebensqualität durch Beseitigung oder Linderung belastender Symptome.
Erstes Hauptkriterium
Beide Hauptkriterien
Nebenkriterien
Hauptkriterien Hauptkriterien Erythrozytose
Hyperzellularität aller drei Zelllinien
JAK2 V617F- oder Exon 12-Mutation
Vermindertes Serumerythropoetin Endogene erythroide Kolonien in vitro 17
Abbildung 4: Diagnose der PV gemäß WHO Abbildung 3: Diagnose der PV gemäß WHO [2].
Ruxolitinib als neue kontrollierten, offenen Phase-IIIStudie RESPONSE [13]. Darin Therapieoption thromboembolischer Ereignisse. Des Weiteren ist die Therapie auf eine Verlängerung der Behandlungsziele
Aufgrund des hohen Risikopotenzials ist das vorrangige Behandlungsziel die Reduktion
wurden Wirksamkeit VerträgLebenserwartung durch Verhinderung von späten Komplikationen, wieund sekundärer Die Therapieziele bei myeloischer PV sind mit lichkeit von3 Ruxolitinib (n=110) Myelofibrose und akuter Leukämie ausgerichtet. Die Verbesserung der Lebensqualität durch Beseitigung oder Linderung Symptome, die vonTheraden den bisherigen Behandlungsmögmitbelastender der besten verfügbaren Patienten häufig sehr einschränkend stellt einen weiteren lichkeiten nur als bedingt erreichbar empfunden pie (bestwerden, available tharapy, BAT; wichtigen Aspekt der Behandlungsstrategie dar.7 [2]. Insbesondere haben sie nur n=112) bei Patienten mit TherapieGroße Bedeutung kommt in der Therapie der Senkung des Hämatokritwertes auf unter einen begrenzten Einfluss auf die resistenz oder Unverträglichkeit 45% zu, um thromboembolische Ereignisse wie Lungenembolie oder Schlaganfall zu Symptomlast der PV-Patienten. So gegenüber HU verglichen. Ruxoreduzieren. So weisen Patienten mit einem Hämatokrit zwischen 45% und 50% im war beispielsweise meist litinib wurde mit Wahrscheinlichkeit einer Startdosis Vergleich zu Patienten mitder Werten unter als 45% eine fast vierfach höhere 18 sehr empfundene aqua- von 10 mg zweimal verabauf, belastend an thrombotischen oder kardiovaskulären Komplikationen zu täglich versterben. gene Pruritus laut einer Studie nur reicht und die Dosis im Verlauf der Novartis Oncology inStand: 5,6 % aller Fälle mittels Phlebo- Studie nach Bedarf angepasst mit März 2015 tomie und zytoreduktiver Therapie dem Ziel, einen Hämatokritwert 4/6 zu beseitigen [6]. <45 % zu erhalten, die Milzgröße Durch die Zulassung von Ruxoli- zu reduzieren und die Leukozytentinib (Jakavi®) im März 2015 steht und Thrombozytenzahlen zu nornun eine neue Therapieoption für malisieren. Erwachsene mit Polycythaemia Die Ergebnisse zeigten eine sigvera zur Verfügung, die resistent nifikante Überlegenheit von Ruoder intolerant gegenüber Hydro- xolitinib im Vergleich zur BAT xycarbamid sind. Dieser Vertreter hinsichtlich des kombinierten Endder neuen Substanzklasse der JAK- punktes Kontrolle des HämatoInhibitoren bindet an die Januski- krits und Reduktion der Milzgröße nasen 1 und 2 und hemmt deren nach 32 Wochen (20,9% vs. 0,9 %; Aktivität, wodurch es kontrollie- p<0,001). Eine Hämatokrit-Kontrend in den dysregulierten JAK- rolle wurde von 60 % der PatienSTAT-Signalweg eingreifen kann. ten in der Ruxolitinib-Gruppe und Der Wirkstoff steht in Tabletten- von 19,6 % in der BAT-Gruppe erform zur Verfügung und wird zwei- reicht; 38,2 % bzw. 0,9 % wiesen mal täglich eingenommen [12]. eine mindestens 35%ige RedukDie Zulassung basiert auf den tion des Milzvolumens auf (Abb. Ergebnissen der randomisierten, 4). 24 % versus 9 % der Patienten
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ÜBERSICHTSARBEIT
Die Inzidenz von Anämien und Thrombozythämien vom Grad 3/4 bis Woche 32 betrug 2 % bzw. 5 % bei den mit Ruxolitinib behandelten Patienten und 0 % bzw. 4 % bei den Patienten, die BAT erhielten [13]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur
Abbildung 4: In der RESPONSE-Studie sprachen die Patienten signifikant besser auf die Behandlung mit Ruxolitinib (Jakavi®) an als auf die bestmögliche Therapie (BAT) [13].
erlangten eine komplette hämatologische Remission (p=0,003). Die Wahrscheinlichkeit, das primäre Ansprechen über ein Jahr aufrechtzuerhalten, lag bei 94 %. Die Rate thromboembolischer Ereignisse war unter Ruxolitinib geringer (1 Ereignis vs. 6 Ereignisse) [13]. In der Ruxolitinib-Gruppe der RESPONSE-Studie ließen sich Verbesserungen nahezu aller krankheitsrelevanten Einzelsymptome beobachten, während einige Symptome bei Patienten im BAT-Arm sogar zunahmen. Bei nahezu der Hälfte (49 %) der mit Ruxolitinib behandelten Patienten, jedoch nur bei 5 % unter BAT, kam es bis Woche 32 zu einer mindestens 50%igen Reduktion des MPNSAF**-Gesamt-Symptom-Scores. Weiterhin waren unter Ruxolitinib Verbesserungen der Funktionsfähigkeit auf körperlicher, emotionaler und sozialer Ebene festzustellen. Zu jedem Untersuchungszeitpunkt bis Woche 32 MPN-SAF: Myeloproliferative Neoplasm Symptom Assessment Form
**
fand sich in der Ruxolitinib-Gruppe ein höherer Anteil von Patienten mit klinisch relevanter Verbesserung der Lebensqualität. Mehr als fünfmal so viele Patienten in der Ruxolitinib-Gruppe als in der BAT-Gruppe beschrieben die Symptome als sehr viel besser oder viel besser. Zudem wurde eine mit den MPN-SAF-Daten konsistente Abnahme des Pruritus beobachtet, während sich unter BAT keine Veränderung oder eine Verschlechterung zeigte [13]. Die Behandlung mit Ruxolitinib wurde von der überwiegenden Mehrzahl der Patienten fortgesetzt: Die Abbruchraten betrugen 15,5 % im Ruxolitinib-Arm versus 96,4 % im BAT-Arm (mediane Therapie dauer 81 bzw. 34 Wochen). Häufigster Grund für einen Therapieabbruch war fehlendes Ansprechen (0 % vs. 87,5 %). Die Rate nicht hämatologischer unerwünschter Ereignisse vom Schweregrad 3 oder 4 pro 100 Patientenjahre lag in der Ruxolitinibgruppe niedriger als in der BAT-Gruppe (28,8 % vs. 44,0 %).
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1 Johansson P. Epidemiology of the myeloproliferative disorders polycythemia vera and essential thrombocythemia. Semin Thromb Hemost 2006;32:171-173 2 Lengfelder E et al. DGHO-Leitlinie „Polycythaemia Vera (PV)“; Stand Juni 2014. Online veröffentlicht unter: https://www. dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien/polycythaemia-vera-pv/polycythaemiavera-pv.pdf 3 Siegel FP et al. Aquagenic pruritus in polycythemia vera: characteristics and influence on quality of life in 441 patients. Am J Hematol 2013;88:665-669 4 Tefferi A, Vardiman JW. The 2008 World Health Organization classification system for myeloproliferative neoplasms. Leukemia 2008;22:14-22 5 Scherber R et al. The Myeloproliferative Neoplasm Symptom Assessment Form (MPN-SAF): International prospective validation and reliability trial in 402 patients. Blood 2011; 18:401-408 6 Tam CS et al. The natural history and treatment outcome of blast phase BCRABL-myeloproliferative neoplasms. Blood 2008;112:1628-1637 7 Gangat N et al. Leukocytosis in polycythaemia vera predicts both inferior survival and leukaemic transformation. Br J Haematol 2007;138:354-358 8 Marchioli R et al. Vascular and neoplastic risk in a large cohort of patients with polycythemia vera. J Clin Oncol 2005;23: 2224-2232 9 Mesa R et al. Impact of myeloproliferative neoplasms on patients’ overall health and productivity: results From the MPN LANDMARK SURVEY in the United States. ASH 2014, San Francisco, CA, USA. Abstract 3183 10 Alvarez-Larrán A et al. Assessment and prognostic value of the European LeukemiaNet criteria for clinicohematologic response, resistance, and intolerance to hydroxyurea in polycythemia vera. Blood 2012;119:1363-1369 11 Guillot B et al. Mucocutaneous side effects of antineoplastic chemotherapy. Expert Opin Drug Saf 2004;3:5795-87 12 Jakavi® Fachinformation, Stand: März 2015 13 Vannucchi AM et al. Ruxolitinib versus standard therapy for the treatment of polycythemia vera. N Engl J Med 2015; 372:426-435 © VERLAG PERFUSION GMBH
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ach einer Verletzung laufen verschiedene Reparaturprozesse ab, um die Wunde zu verschließen, eine Infektion zu verhindern und die Wundheilung herbeizuführen. Eine komplette Heilung ist nur bei inneren Organen möglich. Hautwunden repariert der Körper, indem er sie zuerst mit einem Blutgerinnsel verschließt und dann von innen mit Bindegewebe auffüllt. Das dabei gebildete Narbengewebe unterscheidet sich in Funktion und Aussehen deutlich von gesunder Haut: • Frisches Narbengewebe erscheint rot, später erfolgt eine Aufhellung. • Es werden keine Melanozyten in der Epidermis von Narben gebildet. Daher erfolgt hier keine Bräunung der Haut. • Haare, Talg- oder Schweißdrüsen werden im Narbengewebe nicht neu gebildet. • Narbengewebe hat einen geringeren Anteil an hochwertigen Kollagenfasern, sodass es weniger elastisch ist. Dadurch kann es zu Schrumpfungen oder Verhärtungen kommen. • Narbengewebe ist geringer durchblutet und enthält weniger Wasser. Zudem treten im Zuge der Narbenbildung häufig Rötungen, Schwellungen, Schmerzen und Juckreiz auf. Sie sind Ausdruck der Entzündungsreaktion im verletzten Gewebe. Im Idealfall sind ausgereifte Narben flach, blass und weich. Bei tiefen, ausgedehnten Verletzungen und schlechten Wundverhältnissen kann es dagegen zu Wundheilungsstörungen kommen, die sich negativ auf die kosmetischen und funktionellen Eigenschaften der Narbe auswirken. Die Bildung von entstellenden, pathologischen Narben lässt sich jedoch durch
Schöne Narben – ist das möglich?
eine frühzeitige Prophylaxe und Behandlung beeinflussen – und damit nicht nur das spätere Erscheinungsbild des Hautdefekts verbessern, sondern meist auch die Lebensqualität des betroffenen Patienten. Narbentypen
Eine gut versorgte, chirurgische Operationswunde mit glatten, eng aneinander liegenden Wundrändern heilt in der Regel schnell und ohne Komplikationen. Die dabei entstehenden Narben sind meist kaum sichtbar. Dagegen benötigen Wunden, bei denen große Hautflächen betroffen sind oder deren unregelmäßige Wundränder weit auseinanderklaffen, eine deutlich längere Heilungszeit. Oft bleiben auffällige und kosmetisch unschöne Narben zurück. Manche Narben schließen sich nicht richtig, werden wulstig, hart und spannen. Befinden sie sich im Bereich von Gelenken, kann dies die Beweglichkeit deutlich einschränken. Neben dem Verletzungsmechanismus, dem Verschmutzungsgrad, der Tiefe und Ausdehnung der Wunde haben auch die Lokalisation der Verletzung sowie patientenabhängige Faktoren wie bestehende Infektionen, Prädispositionen, Stoffwechselstörungen oder der Hormonstatus des Patienten einen
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Einfluss darauf, ob eine schmale, unauffällige oder eine beeinträchtigende, entstellende Narbe gebildet wird (Abb. 1). Bei den pathologischen Narben werden 4 Gruppen unterschieden: • Atrophe Narben entstehen, wenn bei der Wundheilung zu wenig Bindegewebsfasern für das zerstörte Gewebe produziert werden. Daher bilden sich grübchenartige Narben, die im Verhältnis zur umgebenden Haut tiefer liegen. Dies ist beispielsweise bei Akne der Fall (Abb. 2a). • Hypertrophe Narben entstehen durch eine Infektion der Wunde oder wenn die Wundregion erhöhten Zugkräften ausgesetzt ist. Noch im Verlauf der Wundheilung oder kurz danach bildet sich überschießendes Narbengewebe, das heißt, es kommt zu einer Überproduktion von Bindegewebsfasern. Die Narbe neigt zur Wulstbildung, sie erhebt sich über das sie umgebende Hautniveau, bleibt jedoch auf das Wundgebiet beschränkt (Abb. 2b). • Keloide entstehen, wenn sich wucherndes Narbengewebe über die Narbe hinaus auch auf die angrenzenden Hautareale ausdehnt. Sie sind wulstig, stark gerötet und verursachen häufig Symptome wie Juckreiz, Druckschmerz oder Brennen (Abb. 2c). Die oberste Haut© VERLAG PERFUSION GMBH
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Patientenabhängige Faktoren
Lokalisation
Umweltfaktoren
Genetik Ethnische Gruppe Hauttyp Hormonstatus Schwangerschaft Pubertät
Sternum Ohrläppchen Schultergürtel über den Gelenken
Entzündung Verbrennung Operation Zug/Spannung verzögerte Wundheilung
kann zu erheblichen schmerzhaften Bewegungs- und Funktionsbeeinträchtigungen führen, besonders dann, wenn sie sich auf oder in der Nähe eines Gelenks befindet. Narbenprophylaxe
Pathologische zelluläre Antwort Erhöhte Produktion von Wachstumsfaktoren (TGF- ) Erniedrigter Kollagen-Abbau
Fibroblastenproliferation und erhöhte Kollagen-Synthese
Pathologische Wundheilung
Abbildung 1: Faktoren, die eine pathologische Narbenbildung begünstigen (nach Gauglitz G et al. MMW Fortschr Med 2010;152:40-43).
a
b
c
d
Abbildung 2: Pathologische Narben: a) atrophe Narben bei einem Akne-Patienten, b) hypertrophe Narbe nach Struma-OP, c) Keloid, d) Kontraktur nach Verbrennung (Quellen: a: Fotolia, b, c: Dr. med. Dirk-J. Danneberg, Darmstadt, d: Merz).
schicht von Keloiden ist häufig sehr dünn und leicht verletzbar. Die Neigung zur Keloidbildung ist an Körperstellen mit großer Hautspannung stärker ausgeprägt und wird oft vererbt. Besonders häufig sind weibliche Jugendliche mit dunkler Hautfarbe betroffen. Ein hormoneller Einfluss auf die Keloidbil-
dung wird ebenfalls vermutet. • Kontrakturen entstehen häufig bei starker Dehnung der Haut oder im Zuge von Weichteilverletzungen, Verbrennungen oder Entzündungen. Während die Narbe schrumpft, zieht sich das Bindegewebe zusammen und die Narbe verhärtet (Abb. 2d). Diese Verhärtung
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Eine sorgfältige Narbenprophylaxe kann sich positiv auf das Aussehen der Narbe auswirken. Je früher das Narbengewebe behandelt wird, desto größer ist die Chance, dass sich die Haut (nahezu) vollständig regenerieren kann. Sobald sich die Wunde geschlossen hat oder die Fäden nach einer Operation gezogen wurden, kann mit der Narbenbehandlung begonnen werden. Eine regelmäßige und dauerhafte Anwendung ist dabei von großer Bedeutung. Bei einer frischen Narbe sollte der Patient Folgendes beachten: • Sie sollte vor äußeren Reizungen und vor Austrocknung geschützt werden. • Eine Dehnung des Narbengewebes ist zu vermeiden, um der Entstehung von breiten Narben vorzubeugen. Deshalb ist Vorsicht etwa beim Sport oder schwerem Heben geboten. • Frische Narben sollten mindestens ein halbes Jahr keinen starken Temperaturreizen ausgesetzt werden. Intensive Sonnen- oder UV-Strahlung, Solarium, Sauna oder aber extreme Kälte können das empfindliche neue Gewebe bei der Narbenbildung negativ beeinflussen und die Regeneration stören. Zudem können sich Farbe und Beschaffenheit der Haut verändern. Beim Sonnenbaden empfiehlt sich deshalb ein UVSchutz mit Lichtschutzfaktor 50+ im Narbenbereich. © VERLAG PERFUSION GMBH
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• Enge oder scheuernde Kleidung kann das empfindliche Narbengewebe reizen oder verletzen. • Vor allem Narben, die nahe am Knochen liegen, zum Beispiel am Ellenbogen, Schienbein oder am Sprunggelenk, sollten geschont werden. Denn durch eine erneute Verletzung würden sich die Heilungschancen verschlechtern, da sich die vorgeschädigte Haut schlechter regeneriert. Narbenbehandlung
Narbenbildung nach Wundheilung ist ein natürlicher Prozess und lässt sich nicht verhindern. Dennoch können verschiedene Behandlungsmethoden das Aussehen sich entwickelnder oder bereits bestehender Narben positiv beeinflussen. Dabei muss stets individuell abgewogen werden, welche Therapieformen geeignet sind. Grundsätzlich sollte jedoch den weniger invasiven Methoden der Vorzug gegeben werden. Operative Maßnahmen sollten erst am Ende der therapeutischen Bemühungen stehen. Folgende Therapieoptionen stehen zur Auswahl: Nicht invasive Therapien Narbengele: Sobald die Fäden gezogen bzw. der Schorf abgefallen ist, kann mit der Narbenbehandlung begonnen werden. Leichtes Massieren unterstützt dabei den Heilungsprozess. Für die Behandlung wird zum Beispiel das Arzneimittel Contractubex® Gel (Narbenspezifikum mit Extractum cepae, Heparin und Allantoin)
eingesetzt. Es reduziert Rötungen, wirkt auflockernd auf das Narbengewebe, lindert Schmerz und Juckreiz und verhindert das Wachstum von überschießendem Bindegewebe – die Hauptursache für die Entstehung von hypertrophen Narben und Keloiden. Narbenpflaster: Ihre Wirkung ist vermutlich auf den Okklusionseffekt zurückzuführen, d.h. die Blockierung der Abgabe von Wasser und Wärme durch die Haut. Narbenpflaster können sowohl bei frischen als auch bei alten hypertrophen Narben eingesetzt werden. Sie bestehen aus Polyurethan, das atmungsaktiv und wasserdampfdurchlässig ist. Das dadurch entstehende Hautklima regt Stoffwechselprozesse an und fördert die Erneuerung des Gewebes. Narbenpflaster bewirken durch die Ausübung von leichtem Druck auf die Narbe eine Umstrukturierung des Gewebes und machen es so elastischer. Sie enthalten keine pharmazeutischen Wirkstoffe. Ihre Anwendung ist in der Regel schmerzfrei, sie sind jedoch nicht bei großflächigen Narben anwendbar. Kompressionsverbände werden vor allem bei großflächigen Verletzungen (z.B. Brandverletzungen) eingesetzt, um die Narbenbildung positiv zu beeinflussen und die Keloidbildung zu verhindern. Für einen positiven Effekt müssen sie allerdings über mehrere Monate getragen werden. Ultraschall: Die Therapie ist besonders effektiv in Verbindung mit wirkstoffhaltigen Narbengelen, wie zum Beispiel Contractubex®. Dadurch können die Bestandteile des Gels tiefer ins Gewebe eindringen und dort ihre Wirkung noch besser entfalten. Aussehen und Funktion von Narben lassen sich so verbessern. Das Gewebe wird
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lockerer, Spannungen nehmen ab, die Heilung wird beschleunigt. Silikon-Folien/-Kissen: Die Behandlung führt zu einer Oberflächenverbesserung bei Keloiden und hypertrophen Narben. Sie werden vor allem in der Klinik angewendet, haben sich jedoch in der täglichen Anwendung als unpraktisch erwiesen. Einmalprodukte müssen bei Erneuerung jedes Mal exakt zugeschnitten werden. Wiederverwendbare Produkte erfordern eine tägliche Reinigung. In der Regel dauert die Behandlung bis zu einem Jahr. Mobilisierung: Durch Ziehen und Streichen des umliegenden Gewebes können Verklebungen des Narbengewebes mit den darunter liegenden Gewebeschichten gelöst werden. Das verhindert die Schrumpfung des Narbengewebes und bildet einen Reiz für die Umwandlung der Narbe zu funktionstüchtigem Gewebe. Dies ist eine bewährte Methode zum Beispiel nach operativen Eingriffen. Invasive Therapien Intraläsionale Injektionen: Das Einspritzen von Glukokortikoiden, 5-Fluorouracil oder Bleomycin in hypertrophes Narbengewebe führt zu einer Reduktion der Bindegewebsproduktion und bewirkt, dass die Haut geschmeidiger und flacher wird. Atrophe Narben können durch das Injizieren von Hyaluronsäure wieder aufgefüllt werden. Laser: Zum Abtragen von überschießendem Narbengewebe können verschiedene Lasertypen und -techniken (ggf. in Verbindung mit dem Narbenspezifikum Contractubex®) eingesetzt werden. Die Behandlung ist jedoch häufig mit einer hohen finanziellen Eigenbeteiligung durch den Betroffenen © VERLAG PERFUSION GMBH
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Extractum cepae Seine antiinflammatorischen, abschwellenden und antimikrobiellen Eigenschaften beugen Wundheilungsstörungen vor und fördern so die physiologische Narbenbildung. Es wirkt der Narbenhypertrophie und der Keloidbildung durch die Hemmung einer überschießenden Fibroblastenproliferation und der Freisetzung extrazellulärer Matrixbestandteile aus den Fibroblasten entgegen.
Heparin
Heparin dringt transepidermal in das Bindegewebe der Lederhaut (Corium) ein und wirkt dort antiphlogistisch, hydratisierend und zell- sowie geweberegenerierend. Heparin bindet an die Oberfläche des Narbenkollagens und hemmt dadurch die weitere Polymerisation des Kollagens. Dies bewirkt eine Auflockerung der Gewebestruktur.
Allantoin
Allantoin fördert die Wundheilung, wirkt hydratisierend und reizlindernd. Der häufig mit der Narbenbildung assoziierte Pruritus wird gelindert und die Haut geschmeidig. Tabelle 1: Wirkprofil von Contractubex®.
dem die Bereitschaft des Patienten, die Behandlung fortzusetzen. Aber auch ältere Narben lassen sich noch hinsichtlich Erscheinungsbild und Funktionalität verbessern. In diesen Fällen empfiehlt es sich, verschiedene Verfahren zu kombinieren. Je nach Indikation werden dann zusätzlich zu speziellen Narbengelen physikalisch-technische Verfahren wie Mikrodermabrasion, Ultraschall oder Laser eingesetzt. Kombination von Narbengel mit therapeutischem Ultraschall optimiert den Behandlungserfolg
Abbildung 3: Ergebnis der Behandlung einer 3 Wochen alten Narbe mit Contratubex® plus therapeutischem Ultraschall; links Ausgangsbefund, rechts Narbenbild nach 5 Wochen (© Dr. med. Dirk-J. Danneberg, Darmstadt).
verbunden. Beratung und Behandlung sollten ausschließlich durch einen Spezialisten erfolgen. Dermabrasion: Durch Abschleifen können Ränder von scharfkantigen Narben geglättet werden. Auch atrophe Narben lassen sich auf diese Weise verschönern, wenn sie nicht zu tief in der Haut liegen. Kryotherapie: Im Einzelfall lassen sich hierdurch überschießende Narben behandeln. Die betroffenen Hautareale werden mit flüssigem Stickstoff vereist und können abschließend abgetragen werden. Der Eingriff ist allerdings oft ziemlich schmerzhaft und mit der Bildung von Blasen, Erosionen oder Hyperpigmentierungen verbunden. Operation: Hypertrophe Narben und Keloide können mithilfe einer
speziellen Schnitttechnik entfernt werden. Dies ist vor allem dann indiziert, wenn eine Narbe als kosmetisch störend empfunden wird oder zu einer funktionellen Beeinträchtigung führt. Bei diesem Eingriff wird das Narbengewebe entfernt und die Wunde wieder vernäht oder mit einem Hauttransplantat verschlossen. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich erneut eine hypertrophe Narbe bzw. ein Keloid bildet. Daher sollte im Anschluss an die Operation konsequent eine Narbenprophylaxe (z.B. mittels Ultraschall in Verbindung mit Contractubex® Gel) durchgeführt werden. Grundsätzlich sollte so früh wie möglich mit der Narbenbehandlung begonnen werden. Die anfangs erzielten Erfolge erhöhen zu-
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Eines der am besten untersuchten Narbengele ist Contractubex®, das die Wirkstoffe Extractum cepae (Zwiebelextrakt), Heparin und Allantoin enthält (Tab. 1). In einer Anwendungsbeobachtung* bei über 1200 Patienten mit frischen oder älteren Narben infolge Operation, Schnitt- oder Schürfverletzungen, Verbrennungen oder Akne zeigte sich unter der 2x täglichen Anwendung von Contractubex® über 5 Monate eine deutliche Reduktion der Narbenbreite um 31 % (im Mittel von 8,9 mm auf 6,1 mm) und der Narbenhöhe um 39 % (im Mittel von 2,3 mm auf 1,4 mm). 56,9 % der Hautläsionen wiesen am Ende des Beobachtungszeitraumes eine normale Konsistenz auf und 67,3 % waren in ihrer Farbe mit der Haut vergleichbar. Durch eine zusätzliche Behandlung mit therapeutischem Ultraschall lässt sich die Wirkung des Narbengels noch weiter verbessern (Abb. 3). Denn Ultraschallwellen dringen tief in das Gewebe ein und fördern dort die Stoffwechselak*
illital GH et al. J Drugs in Dermatol W 2013;12:38-42 © VERLAG PERFUSION GMBH
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tivität der Zellen und damit auch die Aufnahme von Medikamenten. Beim Durchdringen des Gewebes wandeln sich die Schallwellen in Wärme und Vibrationen um, was sich positiv auf die Rückbildung von Narbengewebe auswirkt. Besonders ältere, verhärtete Narben können durch diese Kombinationstherapie optimal behandelt werden. Dies bestätigt eine offene Studie** mit 35 Patienten, in der die Wirksamkeit von Contractubex® auf das Erscheinungsbild und die Ausprägung unterschiedlicher Narben in Kombination mit einer Ultraschalltherapie untersucht wurde. Zusätzlich zur täg**
anneberg DJ. Kosmetische Medizin 2007; D 3:133-138
lichen Behandlung erfolgte alle 3 Tage eine Narbengel-Applikation mit therapeutischem Ultraschall. Der Zustand der Narben wurde zu Therapiebeginn, nach 3 und nach 5 Wochen dokumentiert. Beurteilt wurden anhand der Vancouver Scar Scale das Erscheinungsbild der Narbe inklusive Größe, Farbe und Konsistenz sowie Schmerzen und Pruritus. Bereits nach 3 Wochen verbesserte sich der mittlere Gesamtscore signifikant um 31 % (p<0,001) und erreichte nach 5 Wochen eine Reduktion um 65 %. Die Konsistenz verbesserte sich durchschnittlich um 40 %, die Rötung um 37 % und die Schmerzintensität um 73 %. Dabei zeigten sich positive Effek-
Ab sofort verordnungsfähig:
NYDA® Läuse- und Nissenkamm
Der GKV-Spitzenverband hat den NYDA® Läuse- und Nissenkamm in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen (Nr. 99.17.02.0001). Ab sofort ist der ergonomische Metallkamm gleichzeitig mit der Verordnung eines Pedikulozids über die Krankenkassen erstattungsfähig. Der NYDA® Läuse- und Nissenkamm überzeugt durch seine besonders eng stehenden, langen Metallzinken, die eine zuverlässige Diagnose und Nachbehandlung der Pediculosis capitis ermöglichen. Läuse und Nissen werden mit dem Läuse- und Nissenkamm schnell aus den Haaren gekämmt.
Physiotherapeuten entwickelten die ergonomische Form des Kammes: Die Durchsuchung auf Kopflausbefall und das Auskämmen der Insekten gelingen schneller und effektiver. Klinische Untersuchungen bestätigten die Wirksamkeit des Metallkamms. Nr. 1 im Kopflausmarkt
Das bewährte Pedikulozid NYDA®, der Marktführer in der
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te auch bei Narben, die älter als ein Jahr waren. Konsistenz bzw. Rötung verbesserten sich hier um 47 bzw. 63 %. Die Verträglichkeit wurde von allen Patienten und von Arztseite in 91 % der Fälle mit „sehr gut“ oder „gut“ beurteilt. Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Die Anwendungseigenschaften und die Ultraschallbehandlung wurden insgesamt als angenehm empfunden. Fabian Sandner, Nürnberg Quelle: Vortrag von Dr. med. Dirk-J. Danneberg auf dem Seminar „Chirurgie des Häufigen: Tipps und Tricks aus der Praxis für die Praxis – Prävention unphysiologischer Narben“ auf dem Bundeskongress Chirurgie, 01.03.2015 in Nürnberg
Therapie von Kopfläusen und Kopflauseiern, basiert auf zwei viskösen Dimeticonen – einem dünnflüssigen, bei Raumtemperatur leichtflüchtigen und einem dickflüssigen, schwerflüchtigen Dimeticon. Aufgrund der geringen Oberflächenspannung und der daraus resultierenden guten Kriech- und Spreiteigenschaft dringt NYDA® tief in die Atemsysteme der Kopfläuse und ihrer Vorstufen ein. Dort verdrängt es die Luft schnell und zuverlässig. Dann verdampft das flüchtigere Dimeticon – das Silikonöl verdickt und verschließt die Atemöffnungen irreversibel. Ergebnis: Mit diesem physikalischen Therapieprinzip erstickt NYDA® Kopfläuse und ihre Eier. Bereits nach 5 Minuten zeigen die Parasiten keine wesentlichen Lebenszeichen mehr. F. S.
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Mehr Therapiesicherheit durch DNA-Tests zur individuellen Wirksamkeit von Arzneimitteln
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ie individualisierte Arzneimitteltherapie ist insbesondere im Bereich der Onkologie eine wichtige Innovation. Doch auch auf anderen Gebieten wie den Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der Schlaganfall-Prophylaxe sowie Depressionen birgt die Analyse individueller genetischer Unterschiede eine Möglichkeit für mehr Therapiesicherheit. STADA bietet nun DNA-Tests an, mit deren Hilfe die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Antidepressiva, Statinen, Clopidogrel und Tamoxifen bestimmt werden können. Auf Basis der Tests kann bereits zu Behandlungsbeginn die für den jeweiligen Patienten geeignete Medikation gewählt und damit auch die Akzeptanz sowie die Therapietreue der Patienten verbessert werden. Enzympool entscheidet über Medikamentenwirkung
Jeder Mensch ist mit einer Vielzahl unterschiedlicher Enzyme und Transportproteine ausgestattet. Dieser individuelle Enzympool entscheidet darüber, ob ein Medikament die gewünschte Wirkung zeigt. Die Spannbreite der möglichen unerwünschten Reaktionen reicht von zu stark wirksam über unwirksam bis hin zu unverträglich. Jedes Jahr werden in
Deutschland ca. 200.000 Fälle von Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit von Arzneimitteln erfasst. Das Ziel, die Therapiesicherheit zu erhöhen, ist Hauptgrund dafür, dass die personalisierte Arzneimitteltherapie immer stärker in den Fokus rückt. Außerdem ermöglicht das Wissen um die genetische Ausstattung eines Patienten, die jeweils am besten geeignete, effektive Therapie auszuwählen. Dazu können die 4 DNA-Tests der Produktlinie „STADA Diagnostik“ beitragen, die über die individuelle Verträglichkeit und Wirksamkeit von Antidepressiva, Statinen, Clopidogrel und Tamoxifen informieren. Als Partner, der den Labortest durchführt, fungiert das Biotechnologie-Unternehmen humatrix, das über langjährige Erfahrung bei der Entwicklung und Anwendung von DNA-Diagnostik verfügt. DNA-Test Antidepressiva: Erleichterte Therapiefindung
Viele Antidepressiva werden sehr stark enzymabhängig verstoffwechselt, was diese Medikamente sehr empfindlich für Gen-Variabilitäten macht. Maßgeblich für den Abbau vieler Antidepressiva sind die beiden Cytochrom-P450-Enzyme CYP2C19 und CYP2D6. Etwa
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jeder zweite Patient trägt in diesen wichtigen Abbau-Enzymen funktionell relevante Abweichungen – von fehlender über verminderte und normale bis hin zu übermäßiger Aktivität. Ist der Patient beispielsweise in Bezug auf CYP2D6 ein sogenannter Poor Metabolizer, weist also eine stark verminderte Enzymaktivität auf, können diverse trizyklische und tetrazyklische Antidepressiva, aber auch Fluoxetin, Fluvoxamin und Venlafaxin akkumulieren. Es treten stark erhöhte Plasmaspiegel auf, obwohl der Patient die Standarddosierung erhält, und es resultieren massive Nebenwirkungen. Insgesamt sind rund 7 % der Patienten Poor Metabolizer in Bezug auf CYP2D6. Sie sollten deshalb nicht mit den genannten Antidepressiva behandelt werden bzw., falls es sich nicht vermeiden lässt, nur in einer sehr niedrigen Dosis. Umgekehrt ist, wenn der Patient hinsichtlich CYP2C19 ein Ultrarapid Metabolizer ist (bei ca. 5 % der Bevölkerung), mit einem beschleunigten Abbau von verschiedenen trizyklischen Antidepressiva sowie Citalopram und Escitalo pram zu rechnen, was zu verminderter Wirksamkeit oder sogar zu einem Wirkverlust führt. Alternativpräparate wären daher sinnvoll bzw. es müsste eine höhere Dosis verwendet werden. © VERLAG PERFUSION GMBH
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
Die Anwendungs- und Dosierungsempfehlungen für ein Präparat beziehen sich jedoch auf Patienten, die in beiden Enzymen eine normale Enzymaktivität haben. Das trifft allerdings nur für etwa die Hälfte der Menschen zu. Die andere Hälfte hat eine Kombination der verschiedenen Metabolisierungstypen für diese beiden Abbauenzyme, woraus sich für jeden Patienten ein individuelles Stoffwechselprofil ergibt. Daraus resultierende Fehldosierungen und Therapieversagen sind gerade bei Therapiebeginn eine große Herausforderung. Der neue DNA-Test gibt Aufschluss über empfehlenswerte Dosisanpassungen und Ausweichmedikationen, um eine optimale Behandlung bereits von Beginn an zu ermöglichen. Berücksichtigt werden dabei 16 verschiedene Substanzen aus den Wirkstoffklassen selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), Trizyklika und Tetrazyklika (Tab. 1). Alle getesteten Wirkstoffe gehören derzeit zu den am häufigsten angewendeten Therapieoptionen bei Depressionen. • • • • • • • • • • • • • • • •
Amitriptylin (TZA) Citalopram (SSRI) Clomipramin (TZA) Doxepin (TZA) Escitalopram (SSRI) Fluoxetin (SSRI) Fluvoxamin (SSRI) Imipramin (TZA) Maprotilin (Tetrazyklikum) Mirtazapin (Tetrazyklikum) Nortriptylin (TZA) Opipramol (TZA) Paroxetin (SSRI) Sertralin (SSRI) Trimipramin (TZA) Venlafaxin (SSNRI)
Tabelle 1: Beim DNA-Test Antidepressiva berücksichtigte Wirkstoffe.
DNA-Test Statine: Individuelle Therapieauswahl
Statine werden verordnet, um das Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen zu senken. Sie hemmen das Enzym HMGCoA-Reduktase und verringern dadurch die körpereigene Cholesterinsynthese. Man geht heute davon aus, dass sie die Häufigkeit von Todesfällen aufgrund von Herzinfarkt um mehr als ein Drittel senken konnten. Doch im klinischen Alltag zeigen gerade ältere Patienten, die von Statinen am stärksten profitieren, oftmals eine unzureichende Therapieadhärenz. Eine wesentliche Ursache dafür sind Nebenwirkungen, die sich häufig als Myopathien manifestieren. Ursache für diese Statintoxizität sind in der Regel erhöhte Wirkspiegel, die auf individuelle Genvariationen zurückgehen. Betroffen sind mehrere Transporterproteine, die die Resorption bzw. Ausscheidung der Statine im Darm regulieren: ein P-Glykoprotein (ABCB1-Gen), der organische Anionentransporter OATP1B1 (SLCO1B1-
Gen) und der ABCG2-Transporter. Je nachdem, welches Statin eingenommen wird und welche Transportprotein-Variationen beim Patienten vorhanden sind, ergibt sich ein unterschiedlicher Effekt bei gleicher Dosis. Für die Elimination von Simvastatin ist beispielsweise der hepatische Anionentransporter OATP1B1 wichtig. Ist seine Funktion vermindert, führt dies zu einem erhöhten Simvastatin-Blutspiegel. Eine Variation des ABCG2-Gens hingegen erhöht den Plasmaspiegel von Fluvastatin stärker als den von Simvastatin (Abb. 1). Die genetische Variabilität kann sich aber auch darin äußern, dass eine Standarddosis nicht für die gewünschte Cholesterinsenkung ausreicht. Denn auch das Zielenzym der Statine, die HMG-CoAReduktase, unterliegt genetischen Variationen. Der Test ermittelt das individuelle Statin-Wirkprofil des Patienten. Der Arzt erhält anschließend detaillierte Empfehlungen, welches Statin in welcher Dosis optimal wirken kann und zugleich das geringste Nebenwirkungsrisiko aufweist.
Einfluss von Variationen in verschiedenen Genen auf die AUC
Abbildung 1 Variationen der Transportproteine beeinflussen die Bioverfügbarkeit von Statinen.
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
DNA-Test Clopidogrel: Metabolisierungstyp entscheidend
Clopidogrel hemmt die Blutgerinnung und wird zur Prophylaxe gegen Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt. Dafür muss das Prodrug Clopidogrel zunächst in der Leber umwandelt werden. Maßgeblich ist hier insbesondere die genetische Variante das Enzyms CYP2C19. Zeigt diese eine verminderte Aktivität, ist von einer verringerten Effektivität der Clopidogrel-Therapie auszugehen und es besteht ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Die FDA hat aus diesem Grund eine „Black-BoxWarnung“ herausgegeben, erachtet die Testung als hilfreich und empfiehlt ggf. einen Wirkstoffwechsel. Auch eine Variabilität des Gens für das Transporter-P-Glykoprotein (ABCB1) kann zum Wirkverlust führen. Der Test ermittelt die Aktivität des Transporterproteins ABCB1 und informiert zudem darüber, wie gut das Prodrug von CYP2C19 in die aktive Form umgewandelt wird. Eine verringerte Resorptionsrate im Darm lässt sich mit einer erhöhten Clopidogrel-Dosis meist recht gut kompensieren. Bei einem Funktionsverlust des Enzyms CYP2C19 erübrigt sich dagegen eine – ineffektive – Behandlung mit Clopidogrel. Der Patient kann ein alternatives Medikament wie etwa Prasugrel erhalten, das von den genetischen Abweichungen nicht beeinträchtigt wird (Abb. 2). DNA-Test Tamoxifen: Optimierte Therapie
Die Mehrzahl der an Brustkrebs erkrankten Frauen weist einen hormonabhängigen Tumor auf und
Abbildung 2: Bei 3 der 4 Metabolisierungstypen für Clopidogrel empfiehlt sich eine Anpassung der Therapie.
UM PM
IM
EM
erhält nach der operativen Entfernung des Tumors adjuvant eine antihormonelle Therapie. Viele Ärzte setzen dazu den Hormonrezeptorblocker Tamoxifen alleine oder kombiniert mit Aromatasehemmern ein. Tamoxifen ist ein Prodrug, das in der Leber in den aktiven Metaboliten – Endoxifen – umgebaut wird. Dieser Schritt hängt vom Enzym CYP2D6 ab. Dessen genetischer Bauplan weist jedoch häufig Varianten auf, die sich auf die Aktivität des Enzyms auswirken. Daraufhin ist bei ca. 40 % der Frauen der Umbau von Tamoxifen zu Endoxifen nur eingeschränkt möglich. Bei etwa 7 % der Patientinnen erfolgt so gut wie gar kein Umbau des
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Abbildung 3: Die maßgeblichen Metabolisierungstypen von Tamoxifen: • Poor Metabolizer (PM): ca. 7 %. Die Aktivität des Enzyms CYP2D6 ist so schwach, dass die Tamoxifengabe so gut wie wirkungslos bleibt, weil nicht genug Endoxifen gebildet wird. • Intermediale Metabolizer (IM): ca. 40 %. Eine verminderte Enzymaktivität kann bei unangepasster Dosis die Tamoxifenwirkung beeinträchtigen. • Extensive Metabolizer (EM): ca. 50 %. Diese profitieren uneingeschränkt von der Standarddosis von 20 mg Tamoxifen/Tag. • Ultrarapid Metabolizer (UM): ca. 3 %. Die CYP2D6-Aktivität unter der Standarddosis ist so hoch, dass es durch die zu schnelle Metabolisierung zu erheblichen Nebenwirkungen kommen kann.
Prodrugs, 3 % zeigen dagegen eine erhöhte Enzymaktivität, die zu gesteigerten Nebenwirkungen führen kann (Abb. 3). Mit dem DNA-Test wird der jeweilige Metabolisierungstyp der Patientin bestimmt und daraufhin eine individuelle Therapieempfehlung für eine Mono- oder Kombinationstherapie ausgesprochen. Ablauf, Durchführung und Abrechnung der Tests
Bei den Tests handelt es sich um IGeL-Leistungen des behandelnden Arztes. Die Laborleistung können Patienten direkt in der Apotheke kaufen. Nach einer genetischen © VERLAG PERFUSION GMBH
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Informationen zur stratifizierten Therapie mittels DNA-Tests Was steckt hinter dieser innovativen DNA-Diagnostik für Arzneimittel, welche Evidenz besitzt sie in den jeweiligen Indikationen und wie lassen sich die Tests für eine individuell optimierte Therapie in den Praxisalltag integrieren? Hierzu informiert der STADA Diagnostik Newsletter. Jede Ausgabe beleuchtet als Schwerpunkt ein aktuelles Thema aus diesem relativ neuen und innovativen Gebiet. Ein kostenfreies Abonnement des Newsletters erhalten Sie unter: diagnostik@stada.de. Einen umfassenden Einblick in die Pharmakogenetik erlauben auch regelmäßige Live-Webinare. Sie greifen die Bedeutung genetischer Polymorphismen, wichtige Targets und Enzyme sowie deren Auswirkung auf die Metabolisierung auf. Neben allgemeinen Hintergründen der stratifizierten Therapie informieren sie jeweils ausführlich zu einer der Indikationen und dem entsprechenden Test. Dabei können über eine Chat-Funktion auch Fragen direkt an die Referenten gestellt werden. Registrierung unter: www.stada-diagnostik.de/webinare.
Beratung durch den behandelnden Arzt entnimmt dieser eine Blutprobe (1 ml gerinnungsgehemmtes Blut aus der Vene) und sendet diese an das humatrix-Labor. Dort erfolgt die DNA-Analyse. Anschließend werden die Ergebnisse an den
Arzt übermittelt, der die weitere individualisierte Therapie mit dem Patienten bespricht. Seit Januar übernimmt die Brandenburgische BKK als erste gesetzliche Krankenkasse die Kosten für den DNA-Test Statine. Zukünftig
können betroffene Versicherte die Gesamtrechnung über die Arzt- und Laborleistung für den Statin-Test im Rahmen einer Erprobungsregelung zur Erstattung einreichen. Fabian Sandner, Nürnberg
DNA-Tests im Praxisalltag: Vorteile, Abläufe und Beratung Gespräch mit Dr. med. Jörg Odewald Patienten reagieren aufgrund ihrer genetischen Ausstattung oder der individuellen Ausprägung ihrer Erkrankung oft sehr unterschiedlich auf Arzneimittel. So stellt sich etwa die Therapie mit Statinen, Gerinnungshemmern, Antidepressiva oder Tamoxifen hinsichtlich der Therapiesicherheit teils als problematisch dar – sei es nun in Bezug auf die Nebenwirkungen oder die Wirksamkeit des Medikaments an sich. Für diese Indikationen bietet STADA innerhalb der neuen Produktlinie
„STADA Diagnostik“ DNA-Tests der humatrix AG, Frankfurt, zur individuellen Optimierung der Therapie an. Wir sprachen mit Herrn Dr. Jörg Odewald, hausärztlicher Internist in Steinbach/ Taunus, über seine Erfahrungen mit den DNA-Tests im Praxis alltag. Herr Dr. Odewald, welchen Stellenwert besitzen Nebenwirkungen und mangelnde individuelle Wirksamkeit in der Therapie chronischer Erkrankungen in Ihrem Berufsalltag?
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Dr. med. Jörg Odewald, Facharzt für Innere Medizin, hausärztliche Versorgung, Pneumologie und Notfallmedizin, Steinbach/Taunus
Dr. Odewald: Als Hausarzt kommt mir die besondere Aufgabe zu, die Gesundheit und Lebensqualität des Patienten als Ganzes und dauerhaft im Blick zu behalten. Folglich gilt es, belastende Nebenwirkungen zu
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minimieren und die Compliance zu fördern. Häufig stellen auch individuell sehr unterschiedlich wirksame Medikationen ein Problem dar. Die Befragung der Patienten über Medikamenteneinnahme und -wirkung sowie eine genaue Dokumentation sind daher sehr wichtig. Schließlich kann jedes Arzneimittel Nebenwirkungen haben oder unzureichend schützen. Leider ist ein sorgfältiges Monitoring per Anamnese und klassischer Diagnostik häufig nicht möglich oder zumindest aufwendig. Verlässliche Daten zur individuellen Therapiesicherheit können da eine große Hilfe sein.
Und was bedeutet dies für Sie konkret im Praxisalltag? Dr. Odewald: Statt mit einer Probemedikation zu starten und ggf. immer wieder Anpassungen vorzunehmen, kann ich direkt zu Beginn das richtige Medikament und die passende Dosierung wählen. Die Zeit, die ich in Nachbesserungen investieren müsste, bleibt mir für ein ausführlicheres Patientengespräch. Der Trend geht somit weg von „trial and error“, hin zur individuell evidenzbasierten Therapie auf Basis der DNA-Diagnostik und detaillierter Aufklärung bzw. Beratung. Statt Arbeitsschritte zu wiederholen, kann ich die Patientenversorgung ausbauen. Wenn ich individueller Sie haben die neue DNA-Dia- behandle und schneller zum Ziel gnostik bereits im Praxisalltag komme, resultiert dies nicht zueingesetzt. Welchen Vorteil bie- letzt in einer besseren Patiententen diese Tests? bindung. Dr. Odewald: Ohne den DNATest benötigt man oft viel Zeit Welchen Aufwand stellt die Tesfür eine gute Therapieeinstellung tung für den Arzt dar? hinsichtlich Wirksamkeit und Dr. Odewald: Bei Gentests gibt Verträglichkeit – bei Statinen es besondere Auflagen hinsichtteils 3–5 Monate. In dieser Zeit lich der Beratung, doch diese geht kann die Wirksamkeit geringer schnell in Fleisch und Blut über. sein und es können vermehrt Die Abwicklung mit dem LaborNebenwirkungen auftreten. Für unternehmen, das den Test durchPatienten bedeutet die neue Di- führt, ähnelt einem Standardlaboragnostik folglich eine bessere auftrag und die IGeL-Abrechnung Lebensqualität und weniger ge- gemäß GOÄ über das dem Testset sundheitliche Risiken während beiliegende Formular verläuft reidieser Phase. Die Tests sind bungslos, somit entfällt der GKVeine nützliche Therapieergän- typische Verschreibungsaufwand. zung und ein Baustein für mehr Berücksichtigt man noch die ArSicherheit. Zudem werden Kos- beitsersparnis an anderer Stelle ten und Aufwand durch Probe und den nach einschneidenden verschreibungen, zusätzliche gesundheitlichen Problemen geneLaboruntersuchungen von Blut- rell hohen Beratungsbedarf – die und Stoffwechselparametern Test-Beratung kann ja in das Geund vermehrte Konsultationen spräch mit einfließen – sehe ich vermieden. Wenn der Test das keinen Grund, die Tests zu scheuEinstellungsprozedere verkürzen en. Und die Gewährleistung einer kann, profitieren demnach alle erfolgreichen Therapie bedeutet Beteiligten. letztendlich sowohl für den Patient
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als auch den Arzt ein großes Stück mehr Sicherheit. Für welche Patienten empfehlen Sie die Tests? Dr. Odewald: Ich selbst habe die Tests bisher erst bei Patienten mit bekannten Nebenwirkungen durchgeführt, gerade bei polypharmazierten Patienten mit diffusen Beschwerden und einem hohen Risiko durch Begleiterkrankungen. Vor dem Hintergrund oft aufwendiger und langwieriger Einstellung bei Statinen oder dem Unsicherheitsfaktor bei Clopidogrel sollte es meiner Meinung nach das mittelfristige Ziel sein, jeden Neupatienten zu testen – am besten so früh wie möglich. Auch wäre eine Berücksichtigung bei der initialen Versorgung im Krankenhaus vorteilhaft und eine flächendeckende Aufnahme als Kassenleistung wünschenswert. Wenn die Hürde der Eigenfinanzierung durch die Patienten wegfällt, werden mehr Betroffene von der Testung profitieren. Aus meiner Sicht ist das eine „Win-winSituation“ für Kassen und Patienten. Bereits jetzt empfehle ich meinen Patienten, eine Erstattung zu beantragen. Hierfür gebe ich ihnen ein Begleitschreiben mit, in dem ich den Patientennutzen und das Einsparpotenzial für die Kasse darlege. Wurden die Tests bei Ihnen bereits von Patientenseite nachgefragt? Dr. Odewald: Bisher noch nicht, dies kann sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad jedoch ändern. Ich sehe es ganz klar im Aufgabenbereich des Arztes, die Patienten im Rahmen der Therapieplanung über diese Option zu informieren und die Tests ggf. auch zu empfehlen. Ich rate Kollegen, diese Mög-
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lichkeit für mehr Therapiesicherheit zu nutzen. Und wie werden die Tests von den Patienten angenommen? Dr. Odewald: Wenn Patienten das Wort DNA-Test hören, haben sie oft Bedenken, die es auszuräumen gilt, etwa bezüglich der Aufdeckung von Krankheitsrisiken oder zum „gläsernen Menschen“ zu werden. Der Arzt sollte die genaue Funktion und die Vorteile des Tests erklären und deutlich machen, dass es sich nicht um die Aufdeckung von Krankheitsrisiken, sondern um eine Optimierung bei der Arzneiwahl geht. humatrix verpflichtet sich, sämtliche Genomdaten streng vertraulich zu behandeln und Proben nur auf Wunsch aufzubewahren. Zufallsbefunde werden nicht mitgeteilt. Bisher haben
Exzessive Tageschläfrigkeit bei Narkolepsie:
Therapie mit Modafinil hat sich bewährt
Exzessive Tageschläfrigkeit ist bei Narkolepsie-Patienten eines der meist verbreiteten Symptome – in der Regel verbunden mit einer hohen Einschränkung der Lebensqualität. Denn die Schlafattacken treten nicht nur in „eintönigen“ Situationen auf, in denen auch bei gesunden Menschen die Konzentration nachlässt, sondern auch bei Tätigkeiten wie Essen oder Sprechen. Wach zu bleiben ist für die Betroffenen keine Frage des Wol-
sich meine Patienten bei Empfehlung stets für den Test entschieden. Vor allem Patienten mit diffusen Beschwerden nehmen die neue Diagnostik sehr gut an. Worauf kommt es Ihnen bei der Darstellung des Testergebnisses an? Dr. Odewald: Kurz gesagt: auf Praxistauglichkeit. Das Ergebnis ist nutzerfreundlich aufbereitet mit einer detaillierten Übersicht und konkreten Empfehlungen für den Arzt sowie den Kernaussagen für das Patientengespräch. Damit geht die Therapieanpassung leicht von der Hand. Welche Erfolge haben Sie mit der empfohlenen Anpassung erzielt? Natürlich kann man durch die Tests nicht alle Nebenwirkungen eliminieren. Muskelbeschwerden
lens, sie können das Einschlafen häufig einfach nicht verhindern. Bisher existieren nur symptomatische Therapieansätze. Mit Modafinil (Vigil®), das zur Behandlung der Narkolepsie mit und ohne Kataplexie bei Erwachsenen zugelassen ist, steht eine sinnvolle Behandlungsoption zur Verfügung. Es induziert die natürliche Wachheit, ohne den Schlaf zu beeinflussen und zeichnet sich durch eine gute Verträglichkeit aus, ohne dass Gewöhnungs- oder Abhängigkeitseffekte auftreten. Modafinil unterliegt nicht dem Betäubungsmittelgesetz und kann somit in der ärztlichen Routine unkompliziert eingesetzt werden. Es ist laut laut Leitlinien der Deutschen Ge-
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gingen nach der Anpassung jedoch zurück und teils wurde eine deutliche Besserung von Laborparametern erreicht. Diffuse Beschwerden sind oft schwer zuzuordnen. Mit den Tests lassen sie sich besser eingrenzen und häufig verbessern. Dennoch ist der Nutzen individuell und nicht immer messbar, da auch das persönliche Befinden der Patienten eine Rolle spielt. So sinkt etwa die Aversion der Patienten gegen die (Sekundär-)Prophylaxe und die Therapie wird besser angenommen. Sicher kann man auch mit dem bisherigen Einstellungsprozedere Erfolge erzielen, aber mithilfe der DNA-Tests kommt man schneller und sicherer ans Ziel. Herr Dr. Odewald, haben Sie vielen Dank für das informative Gespräch.
sellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) das Mittel der Wahl, um die Tagesschläfrigkeit in den Griff zu bekommen. Die empfohlene Tagesdosis beträgt zu Beginn der Therapie 200 mg, die entweder als Einzeldosis am Morgen oder auf 2 Dosen verteilt (morgens und mittags) eingenommen werden können. Bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen kann die Tagesdosis auf bis zu 400 mg erhöht werden. Neben der bewährten 100-mg-Dosis steht auch eine 200-mg-Tablette zur Verfügung. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie nur noch 1–2 Tabletten am Tag einnehmen müssen und sich die Zuzahlungskosten reduzieren. F. S.
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S3-Leitlinie der AWMF zur palliativen Behandlung von Krebspatienten:
Empfehlung von transmukosalem Fentanyl bei tumorbedingten Schmerzexazerbationen
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eit Mai 2015 steht die neue S3-Leitlinie zur „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ zur Verfügung [1]. Unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. (DGP) wurden fachübergreifend Empfehlungen für die Versorgung von Tumorpatienten in der palliativen Phase erarbeitet, die u.a. die Themengebiete Obstipation, Atemnot, Schmerz und Depression aufgreifen. Beim Tumorschmerz wird explizit auch auf die Problematik der in vielen Fällen auftretenden Durchbruchschmerzen eingegangen. Hier empfiehlt die Leitlinie neben den oralen schnell freisetzenden Opioiden als Zusatzmedikation transmukosale Fentanyl-Darreichungsformen wie z.B. Effentora® Buccaltabletten. Die Leitlinie geht noch weiter und weist darauf hin, dass in einigen Fällen die transmukosalen Darreichungsformen aufgrund ihres schnelleren Wirkeintritts vorzuziehen seien [1].
erschmerzes auftreten (sog. tumorbedingte Durchbruchschmerzen, tDBS), stellen eine Belastung für den Tumorpatienten dar. Die Leitlinien-Empfehlungen bezüglich einer adäquaten Schmerztherapie bei Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung gehen explizit auch auf die tumorbedingten Durchbruchschmerzen ein. Schmerzexazerbationen, die trotz einer ausreichenden Opioid-Dauermedikation auftreten, sollen laut Leitlinie mit schnell freisetzenden oralen Opioiden behandelt werden. Dabei wird darauf hingewiesen, dass oral-transmukosales Fentanyl wirksamer ist als schnell freisetzendes orales Morphin [1]. Letzteres wird aber in der Praxis immer noch auch aus Kostengründen vermehrt eingesetzt, obwohl klar ist, dass der Wirkeintritt zu spät erfolgt. Bei derartigen Schmerzattacken ist eine Therapieoption angezeigt, deren Wirkung sich innerhalb weniger Minuten entfaltet und die entsprechend kurz anhält, um die Patienten nicht unnötig zu sedieren.
Schmerzexazerbationen benötigen spezifische Therapie
Plötzlich eintretende, kurze Schmerzattacken, die trotz eines analgetisch gut eingestellten Dau-
Bukkales Fentanyl in der Praxis bewährt
Effentora® Buccaltabletten haben aufgrund einer innovativen Ga-
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lenik (OraVescent®-Technologie) einen sehr schnellen Wirkeintritt und eine starke Wirkung. Der Wirkstoff Fentanyl wird innerhalb weniger Minuten über die Mundschleimhaut resorbiert, sodass der analgetische Effekt bei tumorbedingten DBS bereits 3–5 Minuten nach der Anwendung eintritt [2, 3, 4]. Zudem ermöglicht Fentanyl in der vorliegenden Tablettenform eine einfache Anwendung – bukkal in die Wangentasche oder sublingual unter die Zunge – und ist gut titrierbar. Sowohl in klinischen Studien als auch beim Einsatz in der täglichen Praxis hat Effentora® in der Behandlung von Tumorpatienten mit tDBS zu einer schnellen und starken Schmerzreduktion geführt. Steigerung der Lebensqualität
Dass sich die Lebensqualität von Patienten mit tumorbedingten Durchbruchschmerzen durch die Therapie mit Effentora® günstig beeinflussen lässt, belegt eine aktuell publizierte europäische Studie mit 330 Patienten [5]. Bei 85,5 % waren die Grundschmerzen durch die Tumorerkrankung und bei 11,8 % durch die Therapie bedingt. Die mediane Intensität der Grundschmerzen von 4,0 blieb im © VERLAG PERFUSION GMBH
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Studienverlauf konstant. Zur Behandlung der Durchbruchschmerzen wurde eine Therapie mit Fentanyl-Bukkaltabletten eingeleitet, wobei die Titration nach Randomisierung mit einer Startdosis von 100 μg oder 200 μg begonnen und danach individuell auftitriert wurde. Unter dieser Therapie kam es zu signifikanten Verbesserungen in den Bereichen allgemeine Aktivität, Stimmung, Gehvermögen, normale Arbeit, Beziehungen zu anderen Menschen, Schlaf und Lebensfreude – alles Zeichen dafür, wie positiv sich eine adäquate Therapie der Schmerzexazerbationen auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirkt. Elisabeth Wilhelmi, München
Literatur 1 h t t p : / / w w w. a w m f . o r g / u p l o a d s / t x _ szleitlinien/128-001OLl_S3_Palliativmedizin_2015-04.pdf 2 Portenoy RK et al. Clin J Pain 2006;22: 805-811 3 Slatkin NE et al. J Support Oncol 2007; 5:327-334 4 Müller-Schwefe, GHH et al. Deutscher Schmerzkongress 2011, Poster 5 Davies A et al. Improved patient functioning after treatment of breakthrough cancer pain: an open-label study of fentanyl buccal tablet in patients with cancer pain. Support Care Cancer 2015 [Epub ahead of print]
Patienten mit Lungenemphysem profitieren von einer minimalinvasiven Behandlung mit Coils
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ie chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zählt heute zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. Der COPD liegt eine chronische neutrophile Entzündung der Atemwege zugrunde, die zu einer chronischen Bronchitis mit Verengung der Atemwege und bei 30– 50 % der Patienten auch zu einem Lungenemphysem führt. Beim fortgeschrittenen Lungenemphysem weichen die Lungenbläschen und kleinsten Bronchien größeren Lungenblasen, die Luftvolumen „nutzlos“ aufnehmen und so zu einer krankhaften Überblähung der Lunge führen. Aufgrund des Lungenparenchymverlusts fehlt die elastische Rückstellkraft und es kommt es in der Exspirationsphase zum teilweisen oder vollständigen Kollaps der Bronchiolen, sodass das Ausatmen erschwert wird. Die Lungenfunktion verschlechtert sich zusehends, auch die kardiale Funktion wird zunehmend in Mitleidenschaft gezogen. Patienten, die an einem fortgeschrittenen Lungenemphysem leiden, haben selbst in Ruhe Atemnot und „ersticken an der eingeatmeten Luft“. Die Behandlung des Lungenemphysems erfolgt primär konservativ mit inhalativen Bronchodilatatoren mit bzw. ohne Glukokortikoide, bei fortgeschrittener Erkrankung und Symptomlast sind eine Heimbeatmung und Langzeitsauerstofftherapie indiziert. Lassen sich die
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Symptome damit nicht lindern, gibt es nur noch wenige Optionen, an erster Stelle steht dabei die Lungenvolumenreduktion. Lungenvolumenreduktion mittels Coil-Implantation als neue Therapieoption
Ziel dieses Verfahrens ist es, das Volumen der funktionsuntüchtigen Lunge (Lungenemphysem) zu vermindern und damit Lunge und Thorax zu „entblähen“. Darüber hinaus soll damit eine Verbesserung der neuromechanischen Verhältnisse der Atemmuskulatur und eine gesteigerte Ventilation in besser perfundierte Lungenareale erreicht werden. Während die Lungenvolumenreduktion in den 1990er Jahren noch im Rahmen einer aufwendigen Operation (Lung Volume Reduction Surgery, LVRS) mit hoher perioperativer Morbidität und Mortalität durchgeführt wurde, setzte sich in den vergangenen Jahren in vielen Zentren die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion (Bronchoskopic Lung Volume Reduction, BLVR) als minimalinvasive Alternative durch. Unter dem Begriff bronchoskopische Lungenvolumenreduktion werden heute unterschiedliche Verfahren zusammengefasst. Zu den wissenschaftlich besser untersuchten Methoden gehören die © VERLAG PERFUSION GMBH
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c Abbildung 1: Bei den RePneu® Coils handelt es sich um 100–150 mm lange Nitinoldrähte mit einer Spiral-Gedächtnisform. Sie werden bronchoskopisch unter Durchleuchtungskontrolle und in gestreckter Form über einen Katheter in den emphysematös veränderten Lungenlappen eingebracht (a). Nach Freisetzung aus dem Katheter nehmen die Drähte die Spiralform an und erzeugen durch die Geweberaffung Atelektasen (c). Außerdem spannen die Spiralen das umliegende Gewebe, wodurch die elastische Rückstellkraft gesteigert und die Luft in gesündere Lungenbereiche umgeleitet wird [1] (© PnemRx).
endobronchiale Ventiltherapie und als neue Therapieform die Implantation von Coils (Nitinolspiralen). Im Gegensatz zur Ventiltherapie, bei der nur eine Atelektase induziert wird, führt die Coil-Implantation zusätzlich zum volumenreduzierenden Effekt auch zu einer Verbesserung der Elastizität des Lungengewebes. Bei der Coil-Therapie werden kleine Nitrinolspiralen (RePneu®) mit Formgedächtnis in flexibler Bronchoskopietechnik in die erkrankten Bereiche der Lungenflügel implantiert (Abb. 1). Ziel ist, mit
den Coils das emphysematös veränderte Lungenparenchym zu raffen und zu komprimieren. Durch die Summation mehrerer so erzeugter Atelektasen kommt es im behandelten Lappen zu einer erheblichen Volumenminderung. Im Nachbarlappen wird dadurch eine stärkere Vordehnung möglich und die Umgebung des atelektatischen Bezirks erhält wieder mehr elastische Rückstellkraft [1]. Der exspiratorische Atemwegswiderstand sinkt, sodass die Patienten wieder wirksamer ausatmen können. Aufgrund ihrer elastizitätsfördernden
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Wirkung können die Coils durch ihren verankernden Effekt auch die kleinen Atemwege offen halten und sie beim Ausatmen vor dem Kollabieren schützen. Das Offenhalten der Atemwege verhindert einen Luftstau (Air-Trapping) und eine weitere Überblähung. Im Unterschied zum älteren Ventilimplantationsverfahren ist die Coil-Implantation auch bei kollateraler Ventilation wirksam. Denn sie erfordert nicht die Ausschaltung eines ganzen Lungenlappens durch Atelektase, sondern verbessert die Funktion des behandelten © VERLAG PERFUSION GMBH
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Lappens. Eine komplette Behandlung umfasst zwei separate Verfahren für jeweils einen Lungenflügel, bei denen jeweils 10–14 Coils über den emphysematös veränderten Lungenlappen verteilt implantiert werden. Zwischen dem ersten und dem zweiten Verfahren sollte ein Abstand von 45–60 Tage eingehalten werden. Über 12 Monate anhaltende klinische und funktionelle Verbesserungen
Die Behandlung des Lungenemphysems mit endoskopisch implantierten Spiralen aus Nitinol (RePneu® Coils) wurde in einer multizentrischen, prospektiven klinischen Machbarkeitsstudie untersucht, die in 11 Kliniken in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland durchgeführt wurde [2]. Eingeschlossen waren insgesamt 60 Patienten mit im CT angezeigtem bilateralem heterogenem schwerem Emphysem. In insgesamt 115 Eingriffen wurden den Patienten im Median 10 (5–15) RePneu® Coils eingesetzt, wobei 5 Patienten unilateral behandelt wurden. Die Patienten sprachen auf die Therapie mit einer deutlich verbesserten Lungenfunktion an: Nach 6 Monaten zeigten 48,0 % der Patienten eine mindestens 12%ige Verbesserung der Einsekundenkapazität (FEV1), nach 12 Monaten 40,6 %. Ebenso konnte eine Veränderung des Residualvolumens um mindestens 0,35 Liter beobachtet werden (6 Monate: 64,8 %; 12 Monate: 57,6 %). Über die Hälfte
der Studienteilnehmer erreichte eine Verbesserung im 6-MinutenGehtest um mindestens 26 Meter (6 Monate: 52,8 %, 12 Monate: 60,0 %). Die verbesserte körperliche Verfassung ging mit einer Steigerung der Lebensqualität, gemessen mit dem St. George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ), einher: Nach 6 Monaten berichteten 61,1 % der Studienteilnehmer über eine Steigerung von mindestens 8 Punkten, nach 12 Monaten traf dies auf 53,1 % der Patienten zu [2]. Außerdem zeigte sich in der Studie ein akzeptables Sicherheitsprofil für das minimalinvasive Verfahren mit Coils. Während der einmonatigen, postoperativen Phase kam es zu 18 schwerwiegenden unerwünschten respiratorischen Ereignissen, hauptsächlich COPDExazerbationen und Pneumonien. Im weiteren Studienverlauf blieben die schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse überschaubar (6 Monate: 17; 12 Monate: 11). Im gesamten Studienzeitraum trat kein Todesfall oder respiratorisches Versagen auf [2]. Auch bei Patienten mit homogenem Emphysem erfolgreich
Eine Post-hoc-Analyse der Studiendaten belegt auch den Nutzen und die Sicherheit der Coil-Behandlung für Patienten mit homogenem Emphysem [3]. Insgesamt 10 Patienten mit schwerem homogenem Emphysem wurden in 20 Eingriffen im Median 10 (10–12)
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Coils pro Lungenflügel eingesetzt. Innerhalb der ersten 30 Tage nach den Eingriffen traten ein Pneumothorax, der sich spontan zurückbildete, sowie 15 unerwünschte Ereignisse auf. In der Nachsorge wurden 2 schwerwiegende COPD-Exazerbationen, die eine Hospitalisierung der Patienten erforderten, sowie 8 weitere unerwünschte Ereignisse dokumentiert. Unerwünschte Ereignisse waren mit Standardmaßnahmen behandelbar. 6 Monate nach dem Eingriff konnte eine signifikante Verbesserung der Leistungsfähigkeit dokumentiert werden: Die Studienteilnehmer zeigten eine signifikante Verbesserung im 6-Minuten-Gehtest (289 vs. 350 Meter, p=0,005) und eine Steigerung des Lungenvolumens (FEV: 2,17 vs. 2,55 l, p=0,047; RV: 5,04 vs. 4,44 l, p=0,007), die mit einer Verbesserung der Lebensqualität einherging (SGRQ: 63 vs. 48 Punkte, p=0,028; CCQ: 3,0 vs. 2,3 Punkte, p=0,007). Fabian Sandner, Nürnberg Literatur
1 Klooster K, Ten Hacken NH, Slebos DJ. The lung volume reduction coil for the treatment of emphysema: a new therapy in development. Expert Rev Med Devices 2014;11:481-489 2 Deslée G, Kloster K, Hetzel M et al. Lung volume reduction coil treatment for patients with severe emphysema: a European multicentre trial. Thorax 2014;69:980-986 3 Klooster K, Ten Hacken NHT, Franz I et al. Lung volume reduction coil treatment in chronic obstructive pulmonary disease patients with homogeneous emphysema: a prospective feasibility trial. Respiration 2014;88:116-125
Quelle: Meet the experts: Lungenemphysem in Deutschland – neue Wege in der Therapie, Berlin, 19.03.2015, Veranstalter PneumRx, Inc.
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
COPD: Indacaterol/ GlycopyrroniumFixkombination verbessert Lungenfunktion signifikant stärker als Tiotropium plus Formoterol
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ur medikamentösen Dauertherapie bei mittelschwerer und schwerer chronischobstruktiver Lungenerkrankung (COPD) empfiehlt die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) langwirksame Bronchodilatatoren, denn sie: • haben einen günstigen Einfluss auf die Symptomatik, • verbessern die Lungenfunktion und Lebensqualität, • steigern die Belastbarkeit der Patienten und • senken das Risiko für Exazerbationen [1]. Darüber hinaus verringern sie – vermutlich über die Reduktion von mechanischem Stress – die Hyperinflammation [2].
unterbinden, wirken LABA auf direktem Weg bronchodilatierend, indem sie die Beta-2-adrenergen Rezeptoren an der Oberfläche der glatten Muskelzellen in den Bronchiolen aktivieren, sodass das dilatatorisch wirkende zyklische Adenosinmonophosphat ausgeschüttet wird (Abb. 1) [3]. Jedes der beiden Wirkprinzipien führt zu einer eigenständigen Bronchodilatation. Bei mittel- und schwergradiger COPD ist mit einer LABA- bzw. LAMA-Monotherapie ein FEV1-Anstieg um etwa 100 ml erreichbar [4, 5, 6]. Die bronchodilatatorische Wirkung von LABA und LAMA lässt sich durch eine Dosissteigerung jedoch nur begrenzt erhöhen, weil sich das
Risiko für Nebenwirkungen dann deutlich vergrößert [7–11]. Sinnvoller ist es, eine Kombination aus komplementär wirkenden Substanzen einzusetzen. Die Wirkung der dualen Bronchodilatation mit einem LABA und einem LAMA geht weit über den Effekt einer Monotherapie hinaus und kann bis zu einem Anstieg des Through-FEV1Wertes um bis zu 200 ml reichen [12]. In Studien konnte dies z.B. für die Kombination von Indacaterol plus Tiotropium (24 Stunden wirksames LAMA) im Vergleich zur Monotherapie mit Tiotropium [12] sowie für Formoterol (12 Stunden wirksames LABA) plus Tiotropium versus Tiotropium [13] belegt werden. Dabei kam es unter
LABA und LAMA wirken komplementär
Als geeignete Bronchodilatatoren stehen langwirksame Anticholinergika (LAMA) und langwirksame Beta-2-Sympathomimetika (LABA) mit einer Wirkung über 12 oder 24 Stunden zur Verfügung. Beide greifen in unterschiedliche Signalwege ein: Während LAMA an Muskarin-Rezeptoren binden und dadurch die bronchokonstriktorische Wirkung von Acetylcholin auf die glatten Muskelzellen
Abbildung 1: Komplementäre Wirkmechanismen von langwirksamen Anticholinergika (LABA) und langwirksamen Beta-2-Sympathomimetika (LAMA). AC = Adenylylzyklase, cAMP = zyklisches Adenosin-3’,5’-Monophosphat, PKA = Proteinkinase A, M3-Rezeptor = Muskarin-3-Rezeptor, PLC = Phospholipase C; MLCK = Myosin Light Chain Kinase [3].
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der LABA-LAMA-Kombination zu einer stärkeren Entblähung der Lunge, einer geringeren Symptomatik und einer besseren Lungenfunktion. Der Patient profitiert davon mit einer höheren körperlichen Belastbarkeit und einer besseren Lebensqualität. Indacaterol und Glycopyrronium als neue Fixkombination
Eine Fixkombination, die zwei einander ergänzende Signalwege der Bronchodilatation anspricht, ist der Ultibro® Breezhaler®. Er enthält den LABA Indacaterol sowie das Anticholinergikum Glycopyrroniumbromid in einem gemeinsamen Inhalationsdevice. Der duale Bronchodilatator ist zugelassen für die einmal tägliche brochialerweiternde Erhaltungstherapie zur Symptomlinderung bei erwachsenen Patienten mit COPD. Die empfohlene Dosis ist die einmal tägliche Inhalation einer Kapsel mit dem Breezhaler®-Inhalator (aus der Kapsel abgegebene Dosis = 85 μg Indacaterol und 43 μg Glycopyrronium). Die bronchodilatatorische Wirkung setzt innerhalb von 5 Minuten nach Anwendung der ersten Dosis ein und hält über das gesamte Dosierungsintervall von 24 Stunden unvermindert an. Wirksamkeit und Sicherheit des Ultibro® Breezhaler® wurden im klinischen Phase-III-Studienprogramm IGNITE erforscht, das insgesamt 11 Einzelstudien mit mehr als 10.000 Patienten in 52 Ländern umfasst. Dabei zeigte sich die duale Bronchodilatation sowohl gegenüber der Therapie mit den Monosubstanzen als auch gegenüber der LABA/ICS-Fixkombination Salmeterol/Fluticason hinsichtlich der Verbesserung der Lungenfunktion als überlegen [14].
NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
QUANTIFY-Studie zeigt Vorteile der Fixkombination gegenüber der freien Kombination bewährter Bronchodilatatoren
Kürzlich abgeschlossen wurde die QUANTIFY-Studie [15], in der die Indacaterol/Glycopyrronium-Fixkombination mit der freien Kombination des LAMA Tiotropium und des LABA Formoterol verglichen wurde – zwei für die COPD-Therapie häufig eingesetzten Bronchodilatatoren. Eingeschlossen in die multizentrische, randomisierte, verblindete Parallelgruppenstudie wurden 934 Patienten mit moderater bis schwerer COPD. Primäres Studienziel war der Nachweis der Nichtunterlegenheit von Ul tibro® Breezhaler® (Indacaterol/ Glycopyrronium 85/43 μg einmal täglich) gegenüber der freien Kombination aus Tiotropium 18 μg einmal täglich + Formoterol 12 μg zweimal täglich hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach 26 Wochen Behandlungsdauer (gemessen anhand des St. George’s Respiratory Questionnaire für COPD, SGRQ-C). Sekundäre Endpunkte waren der Transitional Dyspnoe-Index (TDI), die Lungenfunktion (FEV1-Wert nach 24 Stunden), die Vitalkapazität (FVC) sowie das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Ultibro® Breezhaler®. Der primäre Studienendpunkt wurde erreicht, d.h., hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität war die duale Bronchodilatation mit Ultibro® Breezhaler® gegenüber der freien Kombination aus Tiotropium und Formoterol nicht unterlegen (Differenz: –0,69 Units im SGRQ-C; 95% CI −2,31 bis 0,92; p=0,399). Außerdem war bei den mit Ultibro® Breezhaler® behandelten Patienten eine signifikante Verbesserung der Lungen-
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Abbildung 2: In der QUANTIFY-Studie erreichten signifikant mehr Patienten unter der Behandlung mit der Fixkombination aus Indacaterol und Glycopyrronium (QVA149, Ultibro® Breezhaler®) eine klinisch relevante Verbesserung der Atemnot als unter der freien Kombination aus Tiotropium und Formoterol [15].
funktion zu beobachten (FEV1Wert nach 24 Stunden +68 ml; p<0,001). Einhergehend damit zeigte ein signifikant größerer Anteil an Patienten unter Ultibro® Breezhaler® nach 26 Wochen eine klinisch relevante Verbesserung der Atemnot im Vergleich zur freien Kombination aus Tiotropium + Formoterol (49,6 % vs. 42,4 %; p=0,033; Abb. 2). Das Sicherheitsund Verträglichkeitsprofil von Ul tibro® Breezhaler® war mit dem der freien Kombination vergleichbar [15].
Fazit
Ultibro® Breezhaler® ermöglicht dank der komplementären Wirkung der beiden enthaltenen langwirksamen Bronchodilatatoren Indacaterol und Glycopyrronium eine bessere Kontrolle von patientenrelevanten COPD-Symptomen als zwei Monotherapien mit Tiotropium + Formoterol. Außerdem bietet es den Behandlungskomfort einer nur einmal täglich anzuwen© VERLAG PERFUSION GMBH
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denden, fixen Dosiskombination in einem Inhalationsgerät, was sich positiv auf die Adhärenz der Patienten auswirkt. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of COPD, Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) 2013; www.goldcopd.
COPD Patienten werden nicht leitliniengerecht auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel getestet Obwohl der Alpha-1-AntitrypsinMangel (AAT-Mangel) nahezu allen Ärzten bekannt ist, bleibt die Erbkrankheit in der Diagnose von Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) weitgehend unberücksichtigt. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage, die im Auftrag des Unternehmens Grifols im Rahmen des 121. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) durchgeführt wurde. Laut diesem Ergebnis wird der prinzipiellen Empfehlung nationaler und internationaler COPD-Leitlinien zur einmaligen Untersuchung auf das Vorliegen eines AAT-Mangels nicht gefolgt und den Betroffenen bleibt eine frühzeitige, adäquate Therapie verwehrt. Über 95 % der befragten Ärzte gaben an, die auf einem Mangel des Proteinaseinhibitors Alpha-1-Antitrypsin beruhende Erkrankung zu kennen, doch nur etwa 7 % folgt der Leitlinienempfehlung zur einmaligen Testung aller COPDPatienten auf diese zur COPD prä-
org/ guidelines-global-strategy-for-diagnosismanagement.html 2 Welte T. Am J Respir Crit Care Med 2008; 177:130-131 3 Roux E et al. Gen Pharmac 1998;31:34956 4 D’Urzo A et al. Respir Res 2011;12:156 5 Balint B et al. Eur Respir J 2009;34 (Suppl. 53):E4363 6 Kerwin E et al. Eur Respir J 2012;40: 1106-1114 7 Verkindre C et al. Respir Med 2010;104: 1482-1489 8 Vogelmeier C et al. Pulm Pharmacol Ther 2010;23:438-444 9 Bauwens O et al. Curr Med Res Opin 2009;25:463-470
10 Dahl R et al. Thorax 2010;65:473-479 11 Littner MR et al. Am J Respir Crit Care Med 2000;161:1136-1142 12 Tashkin D et al. COPD 2009;6:17-25 13 Mahler DA et al. Thorax 2012; doi: 10.1136/thoraxjnl-2011-201140 14 Vogelmeier C et al. Lancet Respir Med 2013;1:51-60 15 Buhl R et al. Efficacy and safety of oncedaily QVA149 compared with the free combination of once-daily tiotropium plus twice-daily formoterol in patients with moderate-to-severe COPD (QUANTIFY). Thorax 2015 January 13 [Epub ahead of print]. Online unter: http://thorax.bmj.com/ content/early/2015/02/12/thoraxjnl2014-206345.full.pdf+html
disponierenden vererbten Krankheit. Nach Schätzungen sind in Deutschland etwa 8.000 bis 16.000 Menschen von einem schweren AAT-Mangel betroffen. Aber da das Krankheitsbild dem der COPD ähnelt, vergehen vom Beginn der Symptomatik bis zur Diagnose des AAT-Mangels im Durchschnitt 7,2 Jahre. Nur 10 % der Betroffenen werden überhaupt als AAT-Mangel-Patienten erkannt und erhalten eine entsprechende Therapie.
humanem Alpha-1-Proteinaseinhibitor (Prolastin®) zur Erhöhung des AAT-Serumspiegels. Laut Leitlinien ist sie indiziert bei Patienten mit homozygotem AAT-Mangel (Serumspiegel <35 % des Normwertes), mittelgradiger Funktionseinschränkung (30 % Soll < FEV1 < 65 % Soll) und/oder ausgeprägter jährlicher Reduktion der FEV1 (Verlust >50 ml/Jahr).
AAT-Substitution als Therapie der Wahl
AAT ist eine Antielastase, die das bei entzündlichen Prozessen oder im Rahmen der Immunantwort freigesetzte proteinabbauende Enzym Elastase hemmt. Die Folgen des AAT-Mangels zeigen sich vor allem im Respirationstrakt, wo AAT die wichtigste Antielastase ist. Die alveolären Strukturen sind dann ungeschützt und werden von der ungehemmt aktiven Elastase mit der Zeit irreversibel geschädigt. Die Betroffenen leiden unter Atemnot, chronischem Husten und Auswurf, unbehandelt entwickelt sich – meist im 3. oder 4. Lebensjahrzehnt – ein Emphysem. Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Substitution von
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Schnelltest zum Erkennen eines AAT-Mangels
Um über die Erbkrankheit AATMangel aufzuklären und die Diskrepanz zwischen ärztlichem Wissen und diagnostischem Vorgehen aufzuheben, wurde die Initiative PROAlpha ins Leben gerufen. Ab sofort stellt die Partnerschaft von auf AAT-Mangel spezialisierten Centern, interessierten Ärzten, Selbsthilfegruppen und dem Unternehmen Grifols Ärzten den kostenfreien und leitlinienkonformen Schnelltest AlphaKit® QuickScreen zur Verfügung, der nach nur 15 Minuten einen AAT-Mangel identifiziert. Betroffene COPDPatienten können somit rechtzeitig einer angemessenen Therapie zugeführt werden. B. S.
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eit dem 4. Mai 2015 ist das neue, multimodal wirksame Antidepressivum Vortioxetin (Brintellix®) im Handel. Es ist robust antidepressiv wirksam und kann eingeschränkte kognitive Funktionen im Rahmen depressiver Episoden (gemessen mit neuropsychologischen Skalen) bessern und somit die allgemeine Funktionsfähigkeit sowie Lebensqualität fördern. Das spezielle Rezeptorprofil von Vortioxetin scheint sich außerdem in ein vorteilhaftes Verträglichkeitsprofil übersetzen zu lassen, sodass auch ältere Patienten wirksam und sicher behandelt werden können. Multimodales Wirkprofil
Der Wirkmechanismus von Vortioxetin vereint zwei komplementäre pharmakologische Wirkweisen: Zum einen hemmt es die Wiederaufnahme von Serotonin (5-HT) durch Blockade des SerotoninTransporters (SERT) und zum anderen wirkt es direkt auf verschiedene Subtypen des 5-HT-Rezeptors, die nachgeschaltete Neurotransmittersysteme modulieren (Abb. 1) [1, 2]. Präklinische Studien zeigen, dass die antidepressive Wirkung von Vortioxetin aufgrund seines multimodalen Wirkprofils nicht nur über das monoaminerge Transmittersystem vermittelt wird, sondern auch über glutamaterge und/oder GABAerge Projektionsbahnen.
Vortioxetin – ein neues multimodal wirksames Antidepressivum für ein breites Patientenspektrum berg Depression Rating Scale (MADRS) um mehr als 20 Punkte. Eine statistisch signifikante Differenzierung gegenüber Placebo unter 10 mg/d war schon ab der 2. Woche vorhanden. Zudem nahmen in beiden Vortioxetin-Armen auch Angstsymptome (nach der Hamilton Rating Scale for Anxiety, HAM-A) ab. Venlafaxin XR (225 mg/d) als Aktivreferenz, das Placebo ebenfalls ähnlich überlegen war, wies u.a. eine höhere nebenwirkungsbedingte Abbruchrate auf [3]. Auch bei Älteren wirksam und sicher
In der „Elderly Study“ (Durchschnittsalter der Teilnehmer 70,6 Jahre) waren sowohl 5 mg/d Vor-
tioxetin als auch die Aktivreferenz Duloxetin (60 mg/d) gegenüber Placebo in der 6. und 8. Woche signifikant stärker antidepressiv wirksam [4]. Beide zeigten sich gegenüber Placebo auch im verbalen Lernen und Erinnerungsvermögen (gemäß Rey Auditory Verbal Learning Test, RAVLT) signifikant überlegen, in dem Zahlensymboltest (Digit-Symbol Substitution Test, DSST) aber nur Vortioxetin. Anders als bei Duloxetin (26 %) waren der post hoc durchgeführten Pfadanalyse zufolge 83 % der DSST-Wirkung von Vortioxetin direkt und nur 17 % durch eine Verbesserung der Depression bedingt. Vortioxetin wurde auch von diesen älteren Patienten gut vertragen, nur Übelkeit war häufiger als unter Placebo (≥5 %) [4].
Vortioxetin
Starke klinische Wirksamkeit
In einer Doppelblindstudie [3] mit 429 Patienten verringerten 5 und 10 mg/d Vortioxetin die depressiven Symptome gegenüber Placebo nach 6 Wochen auf der Montgomery-Ås-
Abbildung 1: Vortioxetin hat eine multimodale Wirkweise, die Rezeptoraktivität und Wiederaufnahmehemmung kombiniert und so zur Modulierung der Neurotransmission in mehreren Systemen führt [1, 2].
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Signifikante Effekte auf kognitive Funktion
Kognitive Beeinträchtigungen finden sich bei 94 % der Patienten in der akuten Phase einer depressiven Episode [5] und auch nach einer Remission können Restsymptome das Arbeiten, Planen und Denken nicht zuletzt am Arbeitsplatz behindern. In der achtwöchigen FOCUS-Studie mit 602 Patienten verbesserte sich die kognitive Dysfunktion bei den mit Vortioxetin (10 mg/d oder 20 mg/d) behandelten Patienten im Vergleich zu Placebo signifikant (je p<0,0001) [6]. Die Vorteile des multimodalen Antidepressivums zeigten sich sowohl im Digit Symbol Substitution Test (DSST) zur Erfassung der Exekutivfunktion, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit als auch im Rey Auditory Verbal Learning Test (RAVLT), mit dem sich Gedächtnisprobleme aufspüren lassen. Die Studiendaten weisen darauf hin, dass es sich um einen direkten, von der Verbesserung des MADRS-Scores (Montgomery-Åsberg Depressionsskala) unabhängigen, Effekt handelt. Zudem zeigt sich eine Verbesserung der kognitiven Dysfunktion sowohl bei MADRSNon-Remittern als auch bei MADRS-Non-Respondern (Abb. 2) [6]. Bestätigt wurde dies jüngst in der doppelblinden, achtwöchigen CONNECT-Studie mit 602 Patienten [7]: Vortioxetin (10–20 mg/d) war Placebo nicht nur in der Verbesserung der (beeinträchtigten) DSST-Resultate signifikant überlegen, es verbesserte auch die alltagsrelevanten Fähigkeiten nach UPSA (University of San Diego Performance-Based Skills Assessment) (p<0,001). Beides gelang unter 60 mg/d Duloxetin als Aktiv-
Abbildung 2: Ergebnis der FOCUS-Studie: Wirkung von Votioxetin auf kognitive Funktionen bei Non-Respondern und Non-Remittern gemäß Montgomery-Åsberg Depressionsskala (MADRS) [6].
referenz versus Placebo nicht [7]. Unter anderem basierend auf den Ergebnissen der CONNECT-Studie hat der Ausschuss für Human arzneimittel (CHMP) der EMA Vortioxetin am 5. März 2015 ein positives Votum für die Erweiterung des European summary of the product characteristics (SmPC) um Effekte auf kognitive Funktionen bei Depression gemessen mit neuropsychologischen Tests anerkannt und die Fachinformation entsprechend ergänzt. Dazu gehören z.B. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisprobleme und Planungsschwierigkeiten. Gute Sicherheit und Verträglichkeit
Vortioxetin besitzt aufgrund seines spezifischen Rezeptorprofils ein vorteilhaftes Verträglichkeitsprofil. Studien zufolge ist Vortioxetin weitgehend gewichtsneutral, sediert nicht und stört den Schlaf nicht. Die Inzidenz sexueller Dysfunktionen – mit Sedierung die häufigsten Therapieabbruchgründe – ist gering: In einer Umstel-
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lungsstudie [8] war Vortioxetin dem Escitalopram nach dem CSFQ-Fragebogen (Change of Sexual Function Questionnaire mit 14 Items) deutlich überlegen. Die QT-Zeit des Herzens wurde nicht klinisch signifikant verlängert [9]. Vortioxetin wird vorwiegend über CYP2D6 verstoffwechselt; es besteht keine Einschränkung bei Patienten mit einer leichten bis mittleren Leberinsuffizienz [9]. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Mørk A et al. J Pharmacol Exp Ther 2012; 340:366-375 2 Bang-Andersen B et al. J Med Chem 2011; 54:3206–3221 3 Alvarez E et al. Int J Neuropsychopharmacol 2012;15:589-600 4 Katona C et al. Int Clin Psychopharmacol 2012;27:215-223 5 Conradi HJ et al. Psychol Med 2011; 41;1165-1174 6 McIntyre RS et al. Int J Neuropsychopharmacol 2014;17:1557-1567 7 Mahableshwarkar AR et al. Neuropsychopharmacology 2015 Feb 17. doi: 10.1038/ npp.2015.52. [Epub ahead of print] 8 Jacobsen P et al. Int J Neuropsychopharmacol 2014;17(Suppl S1):LP-03-18 9 Brintellix® Fachinformation, Stand 02/ 2015 © VERLAG PERFUSION GMBH
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Fixkombination aus Adapalen und Benzoylperoxid – hoch wirksam in der Akne-Langzeittherapie
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kne ist eine der häufigsten dermatologischen Erkrankungen, von der rund 70– 95 % der Jugendlichen betroffen sind [1]. Typische Charakteristika dieser chronisch-entzündlichen Erkrankung sind ein langer Krankheitsverlauf, häufige Rezidive sowie eine psychologische und soziale Beeinträchtigung. Als Folge können zudem – insbesondere bei steigendem Schweregrad – Narben in den betroffenen Hautarealen entstehen. Therapieziel sollte daher sein, durch eine frühzeitige, schnell wirksame Behandlung die bestehenden Läsionen zu bessern und schweren Verlaufsformen mit starker Narbenbildung entgegen zuwirken, was auch zu einer verbesserten Lebensqualität der Betroffenen beiträgt. Eingesetzt werden insbesondere Retinoide, Benzoylperoxid (BPO), Antibiotika, Azelainsäure und bei Frauen antiandrogene Kontrazeptiva. Im Einzelnen richtet sich die Behandlung nach dem Schweregrad der Akne und den individuellen Gegebenheiten des Patienten. Während bei schweren Verlaufsformen der Akne (Acne papulopustulosa nodosa und Acne conglobata) eine systemische Therapie indiziert ist, ist bei der leichten und mittelschweren Acne papulopustulosa initial unter anderem die Kombination aus topischem Retinoid und Benzoylperoxid die Therapie der
ersten Wahl [1]. Diese Kombination (z.B. enthalten im Gel Epiduo®) ist antibiotikafrei und kann langfristig eingesetzt werden. Topische Retinoide als integraler Bestandteil
Topische Retinoide gehören als Basistherapeutika sowohl in die initiale Therapie als auch in die Erhaltungstherapie der Akne. Sie greifen in die Entstehung der Akne ein, indem sie eine Normalisierung der follikulären Differenzierung und der Verhornung bewirken. Dadurch wird der Entstehung von Mikrokomedonen und somit auch der Bildung neuer Akne-Läsionen entgegengesteuert [1]. Adapalen, ein Retinoid der dritten Generation, zeichnet sich zudem durch seine antientzündliche Komponente aus [1]. Es ist bei der Acne comedonica und der leichten Acne papulopustulosa den klassischen Retinoiden Isotretinoin und Tretinoin vorzuziehen [1]. Adapalen (0,1 %) gilt als besser verträglich im Vergleich zu Tretinoin (0,025 %). Antimikrobielle Substanzen: Benzoylperoxid oder Antibiotika?
Gegen die Kolonisation mit dem Bakterium Propionibacterium ac-
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nes werden Benzoylperoxid und Antibiotika eingesetzt. Benzoylperoxid wird (mit Ausnahme der Acne comedonica) als ein Basistherapeutikum der ersten Wahl empfohlen [1]. Die Substanz wirkt über oxidative Abbauvorgänge und die Entwicklung von freien Radikalen. Dieser Mechanismus erlaubt eine Vermeidung der Resistenzinduktion vor allem bei P. acnes. Das ist insbesondere bei den mittelschweren und schweren AkneFormen in der Erhaltungstherapie, z.B. in Kombination mit einem topischen Retinoid (z.B. Adapalen), von Bedeutung. Bei schwerer Akne empfehlen die Leitlinien die Kombination aus topischem Retinoid und Benzoylperoxid in Kombination mit einer oralen Antibiose [1]. Überlegene Wirksamkeit der Fixkombination aus Adapalen und Benzoylperoxid
Die Kombination aus Adapalen 0,1 % und Benzoylperoxid 2,5 % (ADA-BPO, enthalten im topisch anzuwendenden Gel Epiduo®) greift in die entscheidenden Mechanismen der Entstehung von AkneLäsionen ein. Durch den zweifachen, synergistischen Wirkansatz werden bestehende Akne-Läsionen schnell symptomatisch gebessert und gleichzeitig die Entstehung von neuen Akne-Läsionen minimiert. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Baseline
3 Monate
9 Monate
Abbildung 1: Ergebnis der ELANG-Studie: Veränderungen des Akne-Schweregrads nach Leeds vom Therapiebeginn bis zur Abschlussvisite nach 9 Monaten [3].
Epiduo® Das Epiduo® 0,1%/2,5% Gel enthält das Retinoid Adapalen und Benzoylperoxid (BPO) in einer fixen Kombination und ist zur einmal täglichen Behandlung der Acne vulgaris mit Papeln, Pusteln und Komedonen zugelassen. Epiduo® enthält kein Antibiotikum und kann langfristig eingesetzt werden. Das Gel wird einmal täglich dünn auf die erkrankte Haut aufgetragen. Seit Juni 2014 ist Epiduo® auch im praktischen Dosierspender erhältlich, der pro Hub ein gleichbleibendes Aliquot von ca. 0,5 ml der Fixkombination abgibt.
Die überlegene Wirksamkeit der Fixkombination Epiduo® im Vergleich zu den Einzelsubstanzen und dem Gel-Vehikel wurde bei Patienten mit vorwiegend mittelschwerer Akne bei einer großen Studienpopulation mit 3.855 Patienten gezeigt. Insbesondere entzündliche Läsionen wurden durch Epiduo® effektiv um 66 % am Ende der Untersuchung von 12 Wochen reduziert (p<0,001). Ein früher Behandlungseffekt wurde bereits nach der ersten Woche beobachtet (p<0,05) [2]. In der kürzlich abgeschlossenen prospektiven, nicht-interventionellen Studie ELANG [3] wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Epiduo® in der Langzeitbehand-
lung von Akne-Patienten [3] sowie der Effekt der Behandlung auf Lebensqualität und Therapieadhärenz [4] unter Praxisbedingungen untersucht. 6.036 Patienten aus 178 deutschen Zentren wurden in die Studie eingeschlossen, davon standen 5.131 Patienten für Wirksamkeits- und 5.141 für SicherheitsBeurteilungen zur Verfügung. Die median 18 Jahre alten Patienten, die vorwiegend unter einer mittelschweren Akne (86,3 %) litten, wurden mit ADA-BPO allein oder in Kombination mit anderen Topika bzw. oralen Substanzen behandelt. 21,2 % der Patienten erhielten zusätzlich zu ADA-BPO eine Begleitmedikation (8,7 % orale Antibiotika). Die Beobachtungs-
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zeit erstreckte sich über 9 Monate mit einer Zwischenuntersuchung nach 3 Monaten [3]. Über den gesamten Studienverlauf verbesserte sich die Akne von einem Leeds-Grad von 5,6 (±1,5) bei der Aufnahmeerhebung zu 1,9 (±1,9) am Studienende, wobei 25,8 % der Patienten zum Ende der Studie frei von Akne-Läsionen waren (Abb. 1). Die Verbesserung der Akne korrelierte dabei signifikant mit dem Schweregrad zu Studienbeginn: Je höher der Schweregrad, desto deutlicher war die Verbesserung [3]. Auch die Lebensqualität verbesserte sich kontinuierlich. Darüber hinaus wiesen etwa 84 % der Patienten eine gute Adhärenz auf [4]. Die Daten bestätigen zudem die gute Verträglichkeit einer Langzeitbehandlung mit Epiduo®. Milde bis moderate Hautirritationen wurden bei 49,4 % der Patienten dokumentiert, jedoch brachen lediglich 1,7 % der Patienten die Behandlung mit ADA-BPO aufgrund lokaler Hautirritationen ab. Das Fazit der Autoren: Je länger die Behandlung mit Epiduo® aufrechterhalten wird, umso größer ist die Verbesserung bezogen auf den Akne-Schweregrad. Brigitte Söllner, Erlangen
Literatur 1 S2k-Leitlinie zur Behandlung der Akne; AWMF-Register Nr. 013/017; Nast A et al. J Dtsch Dermatol Ges 2010;8(Suppl 2):S1S59 2 Tan J et al. Synergistic efficacy of adapalene 0.1%-benzoyl peroxide 2.5% in the treatment of 3855 acne vulgaris patients. J Dermatolog Treat 2011;22:197-205 3 Gollnick HPM et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015 Jun. doi: 10.1111/jdv.13194 [Epub ahead of print] 4 Gollnick HPM et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015 Jun. doi: 10.1111/jdv.13195 [Epub ahead of print] © VERLAG PERFUSION GMBH
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Akne: Antibiotikafreie Therapiealternativen gewinnen an Bedeutung
Prof. Dr. Jan Buer, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Essen
Die Weltgesundheitsorganisation warnt in ihrem jüngsten Report vor der Zunahme von antimikrobiellen Resistenzen [1]. Darüber hinaus klären zahlreiche, auch deutsche, Kampagnen über einen rationalen Umgang mit Anti biotika auf – mit dem Ziel, den Resistenzdruck zu minimieren. Antibiotika gelten bei verschiedenen Hauterkrankungen als Therapiestandard. Insbesondere in der Therapie der Acne vulgaris kommen Antibiotika breit zum Einsatz. Doch Akne ist keine Infektionskrankheit, sondern eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Talgdrüsenfollikels [2, 3]. Da P. acnes Bestandteil der normalen Hautflora ist, kann die Bekämpfung des Erregers mit Antibiotika lediglich die Symptome bessern, jedoch nicht die zugrunde liegende chronische Erkrankung heilen [4]. Durch den weit verbreiteten Einsatz von topischen Antibiotika in der Akne-Behandlung nehmen weltweit die Resistenzen gegen P. acnes zu. In einigen Ländern liegt die Rate bereits bei 50 % und be-
trifft insbesondere topische Makrolide [5]. Die Wahrscheinlichkeit einer Resistenz von P. acnes steigt mit Zunahme des Patientenalters, der Erkrankungsdauer und der Therapiedauer mit topischen oder systemischen Antibiotika [4]. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass durch den Einsatz von Antibiotika in der Akne-Therapie Resistenzen auch bei anderen Bakterienklassen generiert werden. Dies konnte nach topischer Anwendung von Erythromycin gezeigt werden, wobei nach 12-wöchiger Behandlung 98 % antibiotikaresistente Koagulasenegative Staphylokokken isoliert wurden [6]. Die Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft zur Behandlung der Akne empfehlen daher, systemische oder topische Antibiotika nur zeitlich limitiert anzuwenden, um der Gefahr einer Resistenzbildung entgegenzuwirken [7]. Während bei den schweren Akne-Verläufen und bei Brust- und Rückenbeteiligung eine zeitlich limitierte systemische Antibiose indiziert ist, sollte auf Antibiotika verzichtet
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werden, wenn wirksame Alternativen vorliegen. Antibiotika gehören aber zu den am häufigsten verordneten Medikamenten gegen Akne, insbesondere topische Antibiotika als Rezeptur, Monooder Fixtherapeutika [8]. In einem Gespräch erläuterte Prof. Dr. Jan Buer, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Essen, neben den Gefahren der Antibiotikaresistenz auch die Chancen, die sich durch alternative Strategien in der Akne-Therapie bieten. Herr Professor Buer, wie entstehen Antibiotikaresistenzen? Prof. Buer: Es gibt eine Vielzahl von bakteriellen Resistenzmechanismen. So können Bakterien Enzyme bilden, die das Antibiotikum spalten und dadurch wirkungslos machen. Andere Bakterien sind in der Lage, das Antibiotikum wieder aus der Zelle zu pumpen, ein Mechanismus, der in der Dermatologie interessanterweise auch bei Melanomen eine Rolle spielt. Diese Tumorzellen sind
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besonders schwer mit Chemotherapeutika zu behandeln, weil sie diese Stoffe mit dem gleichen Pumpmechanismus wieder ausschleusen können. Es gibt auch antibiotikaresistente Bakterien, die die genetische Information, welche die Resistenz vermittelt, auf ringförmigen DNA-Elementen tragen, den Plasmiden. Diese Plasmide können zwischen Bakterien ausgetauscht werden, was ein sehr effizienter Weg ist, Informationen zu Resistenzen weiterzugeben. Darüber hinaus können bestimmte auf Bakterien spezialisierte Viren, die Bakteriophagen, von einem Bakterium auf das andere springen und dabei ebenfalls Resistenzinformationen übertragen. Wir wissen heute, dass die Gene für bakterielle Abwehrmechanismen nur hochreguliert werden, wenn wir Bakterien mit Antibiotika in Kontakt bringen. Das Schlüsselproblem ist also der Antibiotikaeinsatz. Das Potenzial zur Antibiotikaresistenz gibt es wahrscheinlich schon so lange wie Bakterien existieren, denn diese Eigenschaft ist für sie überlebenswichtig. Da Bakterien jedoch viel Energie für die Entwicklung der Antibiotikaresistenz aufwenden müssen, ist sie unter antibiotikafreien Bedingungen für die Bakterien ein Nachteil. Deswegen besteht nach der Fitness-Theorie die Vorstellung: Je weniger Druck man auf die Bakterien mit der Gabe von Antibiotika ausübt, desto weniger Resistenzen treten letztlich auf. Auch bei der Therapie der Akne spielen Resistenzen eine zunehmende Rolle. Welche Bedeutung haben resistente Propionibacterium-acnes-Stämme?
Prof. Buer: In Europa sind schätzungsweise 40–90 % der Propionibakterien antibiotikaresistent. Es gibt eine direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß und der Art des Antibiotikagebrauchs und der Resistenzrate. Für alle klassischen Antibiotika, die wir in der Dermatologie gegen Akne einsetzen, wie Erythromycin, Clindamycin oder Tetracyclin, liegen bei Propionibakterien mittlerweile Resistenzen vor. Heute gehen wir davon aus, dass die Gabe von Antibiotika nicht nur die Hautbakterien hemmt, gegen die therapiert wird, sondern auch andere Bakterien im Organismus beeinflusst. So wurde beispielsweise gezeigt, dass die Infektrate des oberen Respirationstrakts auch bei topischer Anwendung eines Antibiotikums erhöht wird. Aber auch die Darmflora kann betroffen sein. Der Mensch hat ungefähr 200 g Bakteriennormalflora auf der Haut und etwa 1 kg im Darm. Beide Systeme sind untereinander im ständigen Austausch. Es besteht folglich das Risiko, dass durch einen unkritischen Einsatz von Antibiotika in der Akne-Therapie zunehmend Resistenzen bei anderen Bakterienklassen generiert werden. Durch Übertragung von Resi s tenzinformationen von der einen auf die andere Bakterienklasse nimmt die Gefahr für schwere systemische Infektionen zu. So entstehen Antibiotikaresistenzen nicht nur gegen eine bestimmte Antibiotikaklasse, sondern gleich gegen ganze Gruppen von Antibiotika, sogenannte Kreuzresistenzen. Vor diesem Hintergrund und weil es keine Langzeitdaten zur Resistenzentwicklung gibt, rate ich: Wenn man eine wirksame Alternative hat, sollte man
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diese auch nutzen. Bei schwerkranken Patienten hat der Antibiotikaeinsatz durchaus seine Berechtigung, bei frühen oder leichten Erkrankungsformen sollte man jedoch zu Alternativen greifen. Ist die Gefahr der Resistenzbildung bei topischen Kombina tionspräparaten geringer als bei Monopräparaten? Prof. Buer: Topische Antibiotika-Monopräparate sind heutzutage in der Akne-Therapie obsolet. In den letzten Jahren hat sich die Kombination von BPO mit dem Retinoid Adapalen (Epiduo®) als klinisch sehr wirksam erwiesen und wird auch in den aktuellen Leitlinien empfohlen [8]. Einmal täglich angewendet, reduziert die Fixkombination Adapalen plus BPO bestehende Akne-Läsionen und minimiert die Bildung neuer Läsionen. Die Fixkombination aus Adapalen und BPO ist dabei auch gegen resistente P.-acnesStämme wirksam, was in einer klinischen Studie nachgewiesen werden konnte [9]. Welcher Wirkmechanismus liegt der Kombination des topischen Retinoids Adapalen mit BPO zugrunde? Prof. Buer: Es gibt sogenannte Toll-Gene, die zuerst bei Fruchtfliegen gefunden wurden und wichtig für Infektabwehr und Immunantwort sind. Diese Gene wurden später auch bei Mäusen und beim Menschen nachgewiesen, weshalb man sie heute als Toll-like Gene bezeichnet. Mittlerweile wissen wir, dass es auf allen Zellen im menschlichen Körper Toll-like Rezeptoren gibt, über die Gefahrensignale erkannt werden. Die B- und T-Zellen des
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Immunsystems sind sehr spezifisch für bestimmte Bruchstücke von Proteinen oder Peptiden. Die Toll-like Rezeptoren dagegen erkennen Klassen von pathogenspezifischen Proteinen, bestimmte gramnegative oder grampositive Bakterien oder bestimmte Bruchteile von Viren. Immer dann, wenn diese Toll-like Rezeptoren aktiviert werden, wird eine Vielzahl von Entzündungssignalen ausgesendet und auf diese Weise eine Entzündungsreaktion ausgelöst. Dieser komplexe Prozess läuft bei allen Erkrankungen ab. Die Propionibakterien auf der Haut stimulieren den Toll-like Rezeptor 2, wodurch vermehrt proinflammatorische Zytokine gebildet werden. Die Aktivierung des Toll-like Rezeptors 2 kann jedoch durch Gabe von Retinoiden inhibiert werden. Statt die Bakterien mit Antibiotika zu eliminieren, haben wir mit den Retinoiden wie Adapalen also einen völlig anderen Therapieansatz:
Autoimmunerkrankungen der Leber:
Effektive Therapiemöglichkeiten unterstreichen die Bedeutung der Frühdiagnose Vor allem bei unerklärlicher Müdigkeit und gleichzeitig erhöhten Leberwerten muss an eine Autoimmunerkrankung der Leber wie die Autoimmunhepatitis (AIH) gedacht und eine diagnostische Abklärung veranlasst werden. Dies forderte Professor Ulrich Beuers, Amsterdam, beim internationalen Falk Symposium 197 in Lissabon. Klagt der Patient über Juckreiz bei
In der Epidermis der Akne-Patienten wird die Aktivierung des Immunsystems blockiert. BPO wiederum tötet Bakterien durch Oxidation der bakteriellen Proteine ab. Was sollte der Dermatologe speziell bei der Behandlung von Patienten mit Akne beachten, um der Entwicklung von Resistenzen entgegenzuwirken? Prof. Buer: Jeder Dermatologe sollte für seine Praxis ein Hygienekonzept ausarbeiten, eine gründliche Diagnostik zur bakteriellen Charakterisierung durchführen und nicht „blind“ antibiotisch behandeln. Bei Akne müssen wir lernen umzudenken: von der Vorstellung von einer klassischen Infektionskrankheit hin zu einer chronischen Entzündungskrankheit, bei der wir ein Langzeitkonzept benötigen und die Nebenwirkungen so gering wie möglich halten müssen. Unter diesen Gesichtspunkten ist zugleich erhöhten Leberwerten, steht als Verdachtsdiagnose eine cholestatische Lebererkrankung wie die primär biliäre Zirrhose (PBC) oder die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) im Raum. Die frühzeitige Diagnose der Erkrankungen ist laut Beuers wichtig, weil bei vielen Patienten eine effektive Therapie möglich und prognostisch bedeutsam ist. Zunehmende Bedeutung der Autoimmunerkrankungen der Leber
Leberkrankheiten werden oft unterschätzt und spielen im allgemeinen Bewusstsein der Öffentlichkeit eine weitaus geringere Rolle als
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z.B. die Fixkombination aus dem Retinoid Adapalen und BPO eine effektive und gut etablierte Therapiealternative. Herr Professor Buer, wir danken Ihnen für das informative Gespräch. Quellen 1 World Health Organization. Antimicrobial Resistance: global Report on Surveillance 2014; http://www. who.int/drugresistance/documents/surveillancereport/ en/ 2 Thiboutot D et al. J Am Acad Dermatol 2009;60(Suppl 5):S1-S50 3 Gollnick H et al. J Am Acad Dermatol 2003;49(Suppl 1):S1-S38 4 Thiboutot D et al. J Drugs in Dermatol 2013;12:1331-1332 5 Nishijima S et al. J Dermatol 2000;27: 318-323 6 Mills O Jr et al. Acta Derm Venereol 2002,82:260-265 7 S2k-Leitlinie zur Behandlung der Akne. AWMF-Register Nr. 10/20111. http:// www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013017.html 8 Dreno B et al. Eur J Dermatol 2014; 24:330-334 9 Leyden JJ et al. J Clin Aesthet Dermatol 2011;4:22-26
Herzkrankheiten oder Krebserkrankungen. Dabei zeigen epidemiologische Studien weltweit einen deutlichen Anstieg chronischer Lebererkrankungen wie der Leberzirrhose und des hepatozellulären Karzinoms. Als Beispiel nannte Professor Pere Ginès, Barcelona, die Leberzirrhose. Die Erkrankung stand 1990 noch auf Platz 18 der Todesursachenstatistik. „Bis zum Jahr 2003 war sie bereits auf Platz 13 vorgerückt“, berichtete der Hepatologe. Leberzirrhose und Leberkrebs zusammen stehen bei der Todesursachenstatistik weltweit auf Platz 6. „Das wird jedoch kaum wahrgenommen“, mahnte Ginès. Zunehmende Bedeutung kommt insbesondere den Autoimmunerkrankungen der Leber (PBC, PSC © VERLAG PERFUSION GMBH
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und insbesondere AIH) zu, deren Inzidenz vor allem in den Industrienationen stetig steigt. Das spiegelt sich auch in dem enormen Zuwachs an wissenschaftlichen Publikationen zu diesen Krankheitsbildern. Falsch ist laut Professor Ansgar W. Lohse, Hamburg, die Annahme, es handle sich bei der AIH typischerweise um eine Erkrankung von Frauen im mittleren Lebensalter. Auch wenn überproportional viele Frauen um das 50. bis 60. Lebensjahr herum erkranken, ist mit der AIH doch in allen Altersgruppen zu rechnen und das auch bei Männern. Dabei steigen Inzidenz und Prävalenz bei Männern und Frauen. Autoimmunhepatitis: Steroide als Mittel der Wahl
First-Line-Therapie bei der AIH sind nach Professor Dermot C. Gleeson, Sheffield, Steroide, die gegebenenfalls mit Azathioprin kombiniert werden. Bei bis zu 90 % der Patienten kommt es unter dieser Therapie innerhalb von 6–12 Monaten zu einer Normalisierung der Laborwerte und bei 60–70 % der Patienten ist auch eine histologische Remission zu erzielen. Wichtig ist jedoch auf lange Sicht eine ausreichend hohe Steroiddosis, wobei als Alternative zu Prednison bei nicht zirrhotischen Patienten eine Behandlung mit Budesonid (z.B. Budenofalk®) zu erwägen ist, um die Nebenwirkungen der Therapie zu minimieren. So belegt die bislang größte AIH-Studie, dass Budesonid eine gute klinische Wirksamkeit bei der AIH besitzt, dabei jedoch erheblich weniger steroidassoziierte Nebenwirkungen verursacht als Prednison.
Primär biliäre Zirrhose: 2 von 3 Patienten sprechen gut auf Ursodesoxycholsäure an
Mittel der Wahl bei der PBC ist nach Professor Albert Parés, Barcelona, Ursodesoxycholsäure (UDCA, z.B. Ursofalk®), wobei 2 Drittel der Patienten auf die Gallensäure gut ansprechen und eine der Normalbevölkerung vergleichbare Lebenserwartung besitzen. Ein „unmet need“ für neue Therapieoptionen besteht jedoch bei den Non-Respondern, wobei an der Entwicklung verschiedener Strategien gearbeitet wird. Als eine mögliche Option der Therapieoptimierung nannte Parés die Kombination von UDCA mit Budesonid. Die Cholestase scheint sich auch durch eine Kombination von UDCA mit Fibraten zu verbessern. Gearbeitet wird ferner an der Entwicklung neuer Wirkstoffe, z.B. Obeticholsäure als Agonist des nukleären Farnesoid-X-Rezeptors (FXR), wie Professor Michael Trauner, Wien, berichtete. Es handelt sich hierbei um eine Modifikation der Chenodesoxycholsäure, von der sich die Wissenschaftler Therapiefortschritte bei der PBC versprechen. Primär sklerosierende Cholangitis: Bringt norUDCA den therapeutischer Durchbruch?
Als wichtigen Hoffnungsträger für eine Besserung der Therapiemöglichkeiten cholestatischer Lebererkrankungen stellte Trauner die nor-Ursodesoxychsolsäure vor. Diese Modifikation der UDCA reichert sich infolge eines cholehepatischen Shuntings in Leber und Galle an und entwickelt eindeutig „cholangioprotektive“ Effekte. Vor allem bei der PSC erhoffen sich
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die Hepatologen durch die modifizierte UDCA einen therapeutischen Durchbruch. Die ersten Studienbefunde waren vielversprechend, sodass der Wirkstoff derzeit im Rahmen einer europäischen multizentrischen Phase-II-Studie in seiner klinischen Wirksamkeit bei 160 Patienten mit PSC geprüft wird. Fabian Sandner, Nürnberg
10 Jahre „Wissen was bei Diabetes zählt: Gesünder unter 7“ „Wissen was bei Diabetes zählt: Gesünder unter 7“ steht für bundesweite, nachhaltige Aufklärung. Die Aktion kann auf ein Jahrzehnt erfolgreicher Arbeit zurückblicken: Über eine halbe Million Besucher an 46 Standorten und über 30.000 ausgewertete Risikochecks liefern fundierte Daten. Die von Sanofi initiierte Aktion kooperiert seit 2005 mit Fachgesellschaften, Patientenorganisationen, Krankenkassen und Medien. Anlässlich des zehnjährigen Geburtstages der Diabetesaktion radelten die Besucher in Dresden weit über 100 km auf dem Müslifahrrad. Damit wurde die Messlatte für die nächste Station der Diabetesaktion am 23. und 24. Juli 2015 in Sulzbach/Main-TaunusKreis hoch angesetzt. Mehr als 800 Besucher nahmen in Dresden am Diabetes-Risikocheck teil. Bei der Aktion gab es für die Besucher viele Informationen rund um die Volkskrankheit Diabetes – für die Prävention und Früherkennung sowie zur optimalen Versorgung der Menschen mit Diabetes. Ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sind für eine gute Blutzuckereinstellung unerlässlich. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Frühstück lieber nicht weglassen
Ein besonderer Schwerpunkt der Ernährung sollte nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Frühstück liegen – die erste Mahlzeit des Tages ist die wichtigste. So war bei Schulkindern in Großbritannien ein regelmäßiges Frühstück mit einer reduzierten Fettmasse im Körper und einer geringeren Insulinresistenz verbunden; beides trägt zur Vermeidung von Typ-2-Diabetes bei. In einer Studie mit erwachsenen Menschen mit Typ-2-Diabetes schnitten diejenigen am besten ab, die ein Drittel ihres gesamten Tagesbedarfs am Morgen aßen. Sie konnten sowohl ihre Blutzuckerwerte als auch ihr Körpergewicht besser kontrollieren als die Menschen mit Diabetes, die morgens ein Achtel ihrer Tagesenergiemenge zu sich nahmen. Langzeitblutzuckerwert HbA1c unter 7 % zur Vermeidung von Folgeerkrankungen
Gemäß dem Slogan „gesünder unter 7“ sollte der Langzeitblutzucker unter diesem Wert liegen, um Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu vermeiden. Aktuellen Studien zufolge erreicht etwa die Hälfte der Menschen mit Diabetes eine zufriedenstellende Blutzuckereinstellung. Lässt sich der Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) trotz mehr Bewegung und gesunder Ernährung sowie blutzuckersenkenden Tabletten nicht in den Zielbereich senken, sollte nach 3–6 Monaten die Therapie mit Insulin begonnen werden. Insulin ist der Wirkstoff, der den Blutzucker am wirksamsten senkt und die Chance bietet, die festgelegten Blutzuckerzielwerte zu erreichen. Denn: Liegt der HbA1c dauerhaft
unter 7 %, so ist das Risiko für Folgeerkrankungen des Diabetes nachweislich verringert. Menschen mit Diabetes konnten in Dresden darüber hinaus das Blutzuckermessgerät MyStar Extra® kennenlernen, das einen HbA1cSchätzwert und Trend berechnet und eine Orientierung zwischen den Arztbesuchen bietet. Fabian Sandner, Nürnberg
Turoctocog alfa – hohe Wirksamkeit auch peri- und postoperativ bei Menschen mit Hämophilie A „Ist bei einem Menschen mit Hämophilie eine Operation geplant, stellt dies eine große Herausforderung für Arzt und Patient dar“, konstatierte Dr. Birgit Brand, Zürich, auf einem Symposium im Rahmen der 59. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH). Wie eine aktuelle Sub-Studie zu chirurgischen Interventionen aus dem umfangreichen Guardian™ Studienprogramm bestätigt, ist der rekombinante Faktor VIII (rFVIII) Turoctocog alfa (NovoEight®)
auch in diesen Fällen wirksam und gut verträglich. 100 % erfolgreiche hämostatische Response
Ausgewertet wurden insbesondere die Daten von 26 Patienten mit schwerer Hämophilie A (FVIII:C ≤1 %) aus den Studien Guardian™ 1 und 2, die sich einem großen oder kleinen chirurgischen Eingriff unterziehen mussten. Die Patienten waren vorbehandelt (≥150 Expositionstage) und wiesen keine Hemmkörper in der Vorgeschichte auf. Laut Brand erfolgten bei den Patienten, darunter ein Jugendlicher, insgesamt 32 chirurgische Interventionen. In 17 Fällen handelte es sich um kleinere Eingriffe, vorwiegend zahnmedizinische Behandlungen; in 15 Fällen waren es größere Operationen, insbesondere orthopädische Eingriffe wie Synovektomien und Arthroplastiken. Turoctocog alfa wurde – nach einer präoperativen Aufsättigungsdosis – bei größeren Operationen perioperativ als Bolusinjektion oder kontinuierliche Infusion gegeben, bei kleineren Eingriffen nur als Bolusinjektion. Die Dosis wur-
Turoctocog alfa Bei Turoctocog alfa handelt es sich um ein mittels rekombinanter DNA-Technologie gemäß den neuesten EMA-Richtlinien produziertes und aufgereinigtes Faktor-VIII-Präparat der 3. Generation. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass die Substanzen frei sind von tierischem oder menschlichem Ausgangsmaterial – im Gegensatz zu den serumfreien Formulierungen der 2. Generation bzw. den Molekülen der 1. Generation, die in Kulturmedien mit Säugetierproteinen produziert werden. NovoEight® wurde im November 2013 durch die EMA zur Behandlung und Prophylaxe von Blutungen bei Hämophilie A zugelassen und ist der einzige rekombinante Faktor VIII, der einmalig bis zu 6 Monate bei Temperaturen bis zu 30°C gelagert werden kann, was Menschen mit Hämophilie mehr Freiheiten und Mobilität ermöglicht.
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de jeweils vom behandelnden Arzt festgelegt. Eine als „exzellent“ oder „gut“ bewertete hämostatische Antwort wurde als „erfolgreiche hämostatische Response“ definiert. Bei großen Eingriffen lag der mittlere Verbrauch an Turoctocog alfa am Tag der Operation zwischen 27 und 153 I.E./kg und der Gesamtverbrauch zwischen 219 und 1502 I.E./kg. Bei den kleinen Eingriffen betrug der Gesamtverbrauch zwischen 22 und 606 I.E./ kg. Postoperativ wurde die Therapie mit einer Prophylaxe-Dosis fortgesetzt. Die verabreichte Dosis fiel dabei kontinuierlich ab. Periund postoperativ lag die erfolgreiche hämostatische Response bei 100 % – sowohl bei kleinen als auch bei großen chirurgischen Interventionen, betonte Brand. Gutes Sicherheitsprofil
Bei 5 Patienten wurden unerwünschte Ereignisse während eines großen Eingriffes beobachtet, ein Zusammenhang mit der Studienmedikation wurde jedoch als unwahrscheinlich erachtet. „Diese chirurgische Sub-Studie bestätigte das gute Sicherheitsprofil von Turoctocog alfa: Es sind keine Sicherheitsbedenken aufgetreten und es kam zu keinen Hemmkörperbildungen oder postoperativen Blutungskomplikationen“, erklärte Brand. „100 % Behandlungserfolg während und nach den chirurgischen Eingriffen unterstreichen, dass Turoctocog alfa eine wirksame und gut verträgliche Therapie für Patienten mit Hämophilie A auch bei kleinen und großen Eingriffen ist“, lautete das abschließende Fazit von Brand. Elisabeth Wilhelmi, München
Vemurafenib und Vismodegib: Zielgerichtete Therapien für Patienten mit Hautkrebs Die seit 2012 bzw. 2013 zugelassenen zielgerichteten Therapien Vemurafenib (Zelboraf®) und Vismodegib (Erivedge®) haben nach Jahrzehnten ohne therapeutischen Fortschritt neue Maßstäbe in der Behandlung von Patienten mit Melanom bzw. Basalzellkarzinom gesetzt. Anlässlich der 48. Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) in Berlin erläuterten Dr. Peter Mohr, Buxtehude, und Prof. Dr. Ralf Gutzmer, Hannover, im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums der Roche Pharma AG den aktuellen Stellenwert beider Wirkstoffe im Therapiealltag und zeigten darüber hinaus zukünftige Behandlungsoptionen auf. Vemurafenib beim Melanom: Wirksamkeit, Evidenz und Erfahrung mit tausenden Patienten weltweit
Bei etwa der Hälfte aller Patienten mit malignem Melanom liegt eine Mutation im BRAF-Gen vor, die zu einer unkontrollierten Aktivierung des MAPK-Stoffwechselwegs führt und dadurch das Tumorwachstum vorantreibt. Hier setzt der orale BRAF-Inhibitor Vemurafenib an, der seit 3 Jahren zur Behandlung des BRAFV600-Mutationpositiven, nicht resezierbaren oder metastasierten Melanoms zugelassen ist. Seine klinische Wirksamkeit und gute Verträglichkeit konnte der Wirkstoff in Studien mit rund 4000 Patienten unter Beweis stellen. Damit ist Vemurafenib der BRAF-Inhibitor mit der größten Erfahrung.
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Studiendaten belegen, dass Vemurafenib die einzige First-LineTherapie beim metastasierten Melanom ist, die sowohl das progressionsfreie Überleben (PFS) als auch das Gesamtüberleben (OS) der Patienten gegenüber Dacarbazin (PFS: 6,9 vs. 1,6 Monate; OS: 13,6 vs. 9,7 Monate) signifikant verlängert – und das bei einem zugleich gut charakterisierten und beherrschbaren Sicherheitsprofil. Aus diesem Grund ist Vemurafenib die einzige zugelassene Therapie beim metastasierten Melanom, für die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein Zusatznutzen in der First-Line-Therapie anerkannt wurde. Sie gilt in dieser Indikation daher als zwecksmäßige Vergleichstherapie. „Neben den Studienergebnissen zeigen auch unsere Erfahrungen aus der Praxis, dass sowohl Patienten mit niedriger Tumorlast als auch solche mit hoher Tumorlast, also Patienten mit schlechter Prognose, von dem BRAF-Inhibitor profitieren“, betonte Mohr. Doch trotz aller Fortschritte bleibt das BRAF-Mutation-positive maligne Melanom eine schwer behandelbare und bösartige Erkrankung. Um die Therapieoptionen für diese Patienten zu erweitern, treibt die Roche Pharma AG ihre Forschung weiter voran. Einen wichtigen Ausgangspunkt stellt dabei der MAPK-Signalweg dar, der die Genexpression sowie das Zellwachstum und -überleben reguliert. Das Pharmaunternehmen untersucht derzeit weitere Möglichkeiten, auf die überaktivierte MAPK-Signalübertragung einzuwirken. Ein vielversprechender Ansatzpunkt könnte die Inhibition des Signalmoleküls MEK sein, welche die indirekte Hemmung des aktivierten BRAFs zur Folge hat. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Vismodegib beim Basalzellkarzinom: Bei 90 % der Patienten Größenreduktion der Läsionen
Für die Mehrzahl der Patienten mit Basalzellkarzinom (BCC) steht die operative Therapie im Vordergrund. Jedoch gibt es insbesondere in fortgeschrittenen Stadien Situationen, in denen eine Operation zwar technisch möglich wäre, diese allerdings zu gravierenden funktionellen und/oder ästhetischen Einschränkungen führen würde. Für diese Patienten ist der orale Hedgehog-Signalweg-Inhibitor Vismodegib eine effekti-
Neu: Pasireotid zur Behandlung erwachsener Patienten mit unzureichend kontrollierter Akromegalie Mit einer geschätzten Prävalenz von 1–2 Patienten pro 10.000 Einwohner in der Europäischen Union ist die Akromegalie eine seltene Erkrankung. Ursache der Stoffwechselkrankheit ist bei nahezu allen Patienten ein Adenom des Hypophysenvorderlappens, das unkontrolliert Wachstumshormon (GH) ausschüttet. Durch die dauerhafte Überproduktion von GH sowie indirekt über eine vermehrte Bildung von Insulin-like Growth Factor-1 (IGF-1) kommt es zu einer ausgeprägte Vergrößerung der Akren (Hände, Füße, Kinn und Unterkiefer), von Ohren und Nase sowie der inneren Organe. Schwerwiegende Komorbiditäten der Akromegalie sind kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Kardiomyopathie, linksventrikuläre Hypertrophie, Arrhythmien und Hypertonie sowie Glukoseintoleranz oder Diabetes mellitus. Akromegalie-Patienten, die nicht ausreichend bio-
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ve Behandlungsoption. Die erste und derzeit einzige zielgerichtete medikamentöse Therapie ist zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom, für die eine Operation oder Strahlentherapie nicht geeignet ist, sowie für Patienten mit symptomatisch metastasiertem Basalzellkarzinom. Die aktuellen Daten der zur Zulassung eingereichten Studie ERIVANCE sowie der multizentrischen Sicherheitsstudie STEVIE weisen Vismodegib als gut verträgliche und sichtbar wirksame Behandlungsoption aus: 90 % der
Patienten mit lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom zeigen unter Behandlung mit dem Hedgehog-Inhibitor eine Größenreduktion der Läsionen. Die mediane Ansprechdauer betrug 26,2 Monate bei größtenteils mild bis moderaten Nebenwirkungen (Grad 1 und 2). Das bestätigen ebenfalls die Erfahrungen aus der Praxis: „Die Therapie mit Vismodegib ist einfach durchführbar. Zudem sprechen die meisten Patienten schnell darauf an, was sich sehr positiv auswirkt, weil sie schnell einen Erfolg sehen“, betonte Gutzmer. Elisabeth Wilhelmi, München
chemisch kontrolliert sind, weisen eine erhöhte Mortalität gegenüber Gesunden auf.
mittlere GH-Werte von <2,5 μg/l erreicht. In beiden zulassungsrelevanten Phase-III-Studien erzielte Pasireotid im Vergleich zu SSA der ersten Generation eine bessere biochemische Kontrolle und reduzierte das Volumen des krankheitsverursachenden Hypophysentumors. Das Nebenwirkungsprofil von Pasireotid ist mit Ausnahme einer höheren Rate an Hyperglykämien und Diabetes mit dem der bislang zugelassenen SSAs vergleichbar.
Somatostatin-Analogon mit hoher Rezeptoraffinität
Eine neue wirksame ZweitlinienTherapieoption für AkromegaliePatienten, für die ein chirurgischer Eingriff keine Option ist oder nicht kurativ erfolgreich war und die unter der Behandlung mit einem anderen Somatostatin-Analogon (SSA) unzureichend biochemisch kontrolliert sind, ist das SSA Pasireotid (Signifor®). Pasireotid verfügt über ein breiteres Rezeptorbindungsprofil als die bislang zugelassenen SSA. Dabei bindet es mit einer 30- bis 40-fach höheren Affinität als Octreotid LAR an den für die Behandlung der Akromegalie relevanten Somatostatin-Rezeptor 5. Damit wirkt das Multirezeptor-Liganden-SSA bei Patienten mit Akromegalie gezielt an der Ursache der Erkrankung. Unter einer Therapie mit Pasireotid normalisieren sich die IGF1-Plasmaspiegel und es werden
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Einfache und bekannte Anwendung
Pasireotid wird als tiefe intramuskuläre Injektion appliziert. Die empfohlene Startdosis beträgt 40 mg alle 28 Tage. Bei Patienten, die unter dieser Dosierung nach 3 Monaten keine ausreichende biochemische Kontrolle erreichen, kann die Dosis auf bis zu 60 mg erhöht werden. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Leberfunktion (Child-Pugh C) ist die Anwendung von Pasireotid kontraindiziert. F. S. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Einsatz von Ärzte ohne Grenzen im Mittelmeer Ärzte ohne Grenzen hat die EU-Staaten aufgefordert, legale Fluchtwege nach Europa zu schaffen. „Menschen, die fliehen müssen, müssen fliehen können“, sagte Florian Westphal, Geschäftsführer der Hilfsorganisation in Deutschland. „Die EU muss ihre derzeitige Politik drastisch ändern. Die europäischen Staaten zeigen vereinten politischen Willen darin, Schleuser zu bekämpfen und die Boote zu versenken, statt sich auf die Menschen in den Booten zu konzentrieren. Deutschland als einflussreiches Mitglied der EU muss dafür sorgen, dass die Vermeidung weiterer Todesfälle zur Priorität gemacht wird.“ Ärzte ohne Grenzen ist auf 3 Rettungsschiffen mit medizinischen Teams an Bord im südlichen Mittelmeer im Einsatz. Sie haben seit Anfang Mai mehr als 3.800 Menschen aus Seenot gerettet. Bitte unterstützen Sie diese Aktion durch eine Spende!
Titelbild: Akne hinterlässt oft bleibende, atrophe Narben. Sie entstehen, wenn bei der Wundheilung zu wenig Bindegewebesfasern für das zerstörte Gewebe gebildet werden. Da sie im Vergleich zur umgebenden Haut tiefer liegen und wie eingestanzt aussehen, werden sie auch als „Eispickelnarben“ bezeichnet (© Fotolia).
Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg
Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org
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