Journal-03-2016

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 25 HEFT 3 Juni 2016

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Erstes inhalatives Fluorchinolon erweitert Antibiotikatherapie bei erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose Gastrointestinale Stromatumoren: Warum sich die patientenindividuelle Behandlung lohnen kann Hautmonitoring bei Polycythaemia vera – ein wichtiger Beitrag zum Behandlungserfolg Behandlung des Hormonrezeptor-positiven, HER2/neu-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinoms Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen mit begleitenden Schürfwunden: Trauma-Beinwell fördert die Heilung Primär biliäre Cholangitis – eine Erkrankung mit hohem Risiko und Behandlungsbedarf Plattenepitheliales, nicht kleinzelliges Lungenkarzinom: Signifikanter Überlebensvorteil für EGFR-positive, Chemotherapie-naive Patienten durch Necitumumab Metastasiertes kolorektales Karzinom: Lonsurf® als neue Therapieoption Ospemifen – die erste hormonfreie Therapie zur Behandlung der vaginalen Atrophie Neue Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von einmal täglich Eslicarbazepinacetat als Monotherapie der fokalen Epilepsie VERLAG Fixkombination Descovy® zur Behandlung der HIV-1-Infektion Zielgerichtete Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms: Mit Vismodegib komplette Remission auch ohne OP

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Implicor 25 mg/5 mg, 50 mg/5 mg, 25 mg/7.5 mg, 50 mg/7.5 mg. Wirkstoffe: Metoprolol/Ivabradin Zusammensetzung: Implicor 25 mg/5 mg: Metoprolol 25 mg/Ivabradin 5 mg; Implicor 50 mg/5 mg: Metoprolol 50 mg/Ivabradin 5 mg; Implicor 25 mg/7.5 mg: Metoprolol 25 mg/ Ivabradin 7.5 mg; Implicor 50 mg/7.5 mg: Metoprolol 50 mg/Ivabradin 7.5 mg. Sonst. Best.: vorverkleist. Stärke (Mais), mikrokrist. Cellulose, Maltodextrin, hochdisp. Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, Glycerol, Hypromellose, Macrogol 6000, Titandioxid. Anwendungsgebiete: Sympt. Beh. d. chron. stab. Angina pect. als Substitutionstherapie bei erw. Pat. mit normalem Sinusrhythmus, die bereits mit einer Kombi aus Metoprolol u. Ivabradin in derselben Dos. eingestellt sind. Dosierung und Art der Anwendung: 1 Tab. morgens u. 1 Tab. abends, zus. m. Mahlzeiten. Nur bei Pat., die mit komb. Gabe d. Einzelsubst. bei stabiler Dos. u. opt. Metoprolol-Dos. gut eingestellt sind. Exposition von Metoprolol erhöht, wenn zus. m. Nahrung eingenommen. Zu beachten bei Pat., die Metoprolol derzeit nüchtern nehmen u. auf Implicor umgest. werden. Bei Dosisänd. Dosistitration m. individ. Subst. Metoprolol u. Ivabradin. Nierenfkt.stör.: Vorsicht bei Kreatinin-Clearance < 15 ml/min. Leberfkt.stör.: Vorsicht bei mäßiger Leberfkt.stör., kontraind. bei schwerer Leberfkt.stör. Ältere Pat.: Vorsicht. Kinder u. Jugendl: Sicherheit u. Wirksamkeit nicht erwiesen. Gegenanzeigen: Überempf. gg. Wst. o. sonst. Best. o. and. Betablocker (Kreuzreakt. mögl.); sympt. Bradykardie; kardiog.Schock; Sick-Sinus-Syndrom (inkl. sinuatrialer Block); AV-Block 2. u. 3. Grades; akuter Myokardinfarkt o. bei Verd. auf akuten Myokardinfarkt, m. Kompl. wie signif. Bradykardie, Erregungsleit.stör. 1. Grades, systol. Hypotonie (< 100 mmHg), schwere Herzinsuff.; schwere (< 90/50 mmHg) o. symptom. Hypotonie; instabile o. akute Herzinsuff.; Pat. m. intermitt. inotroper Therapie mit Beta-Rez.-Agonisten; Herzschrittmacher-Abh. (Herzfrequenz ausschl. durch Schrittmacher erzeugt); instab. Angina pect.; schwere periph. Gefäßerkr.; unbehandeltes Phäochromozytom; schwere Leberinsuff.; metab. Azidose; Kombi m. starken CYP3A4-Hemmern wie Antimyk. v. Azoltyp (Ketoconazol, Itraconazol), Makrolidantibiotika (Clarithromycin, Erythromycin per os, Josamycin, Telithromycin), HIV-Proteaseinhib. (Nelfinavir, Ritonavir) u. Nefazodon; Kombi m. Verapamil o. Diltiazem; Schwangerschaft, Stillzeit u. Frauen im gebärfähigen Alter, ohne angemessene Verhütungsmethoden. Warnhinweise: Bes. Warnhinw.: Chron. stab. Angina pect.: nur zur symptom. Beh., da kein Nutzen auf kardiovask. Ereignisse; wiederholte Messg. der Herzfrequenz: EKG o. amb 24h-Überwachung, regelm. Kontr. d. Pat. hins. Vorhofflimmern. Erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern unter Ivabradin. Bei Vorhofflimmern Nutzen-Risiko-Verh. sorgfältig überdenken. Herzinsuff.pat. mit intraventr. Erregungsleit.stör. sorgfält. überwachen. Niedrige Herzfrequenz: kontraind. bei < 70 bpm. Falls Herzfrequenz währ. Beh. dauerhaft < 50 bpm in Ruhe o. bradykarde Sympt., Dos. unter Verw. d. Monosubst. schrittw. reduzieren bei optimaler Metoprolol-Dos., alternativ Abbruch der Beh.. Kombi m. Calcium-Antagonisten (z.B. Verapamil, Diltiazem): Kontraind. Chron. Herzinsuff. NYHA Klasse IV: Vorsicht. Schlaganfall: unmittelbar nach Schlaganfall nicht empf. Visuelle Funktion: Vorsicht bei Retinitis pigmentosa. Vorsichtsm. für Anw.: Beenden der Therapie: Abruptes Absetzen vermeiden. Nach Therapieabbruch sofort Metoprolol als Einzelsubst. in opt. Dos. geben. Ivabradin kann ggf. unterbrochen werden. Dos. v. Metoprolol schrittw. reduz., ideal über mind. 2 Wochen: zeitgleich ggf. m. Ersatzther. beginnen. Bei Sympt., langsamere Dosisredukt.. Hypotonie: bei leichter bis mäß. Hypotonie mit Vorsicht, kontraind. bei schwerer Hypotonie. Vorhofflimmern/Herzrhythmusstör.: elektr. Kardioversion erst 24h. nach letzter Ivabradin-Gabe. Angeborenes QT-Syndrom o. QT-verlängernde Arzneimittel: Anw. vermeiden. Hypertensive Pat. m. Änderung d. Blutdruckbeh.: Blutdruck überwachen. Bronchialasthma u. COPD: Vorsicht. Ggf. bronchodilat.Wst. o. Dos. anpassen. Schwere periph. Arterienerkr.: Beh. beenden, Dosistit. m. Einzelkomp.. Phäochromozytom: Betablocker grundsätzl. m. α-Blocker kombinieren. Diabetes mellitus: Vorsicht (Betablocker können hypoglyk. Tachykardie verschleiern u. Schwitzen fördern). Prinzmetal-Angina: Anzahl u. Dauer von Angina-Attacken ggf. erhöht. Bei minderschweren u. verbundenen Formen in Kombi mit einem Vasodilatator m. Vorsicht anw. Psoriasis: nur nach sorgfält. Nutzen-Risiko-Analyse. Thyreotoxikose: Mask. d. Sympt. einer Thyreotoxikose mögl. Allgemeinanästhesie: Anästhesist informieren, dass m. Betablocker beh. wird. Ggf. schrittw. Absetzen d. Betablockers mind. 48h vor OP/Anästhesie. Ältere Pat.: Engmasch. Überwachung (übermäß. Absinken von Blutdruck o. Herzfrequenz kann zu unzureich. Blutversorgung lebenswicht. Organe führen). Allerg. Rkt. (schwere Überempf.rkt. u. Desensibilisierungsther.): Vorsicht, da Metoprolol die Empf. geg. Allergenen u. die Schwere anaphylakt. Rkt. erhöhen kann. Wechselwirkungen: Kontraind.: starke CYP3A4-Inhib., Verapamil u. Diltiazem. Nicht empf.: QT-verläng. AM, Grapefruitsaft, Barbitursäurederivate, zentral wirks. Antihypertensiva, Klasse-I-Antiarrhythmika. Mit Vorsicht: Kaliumspiegel-senk. Diuretika (Thiazid- u. Schleifendiuretika), and. mäßig starke CYP3A4-Inhib., CYP3A4-Indukt., CYP2D6-Indukt., CYP2D6-Inhib., Lidocain, inhalat. Anästhetika, Nitrate, Digitalisglykoside, Betablocker o. MAO-Hemmer, Adrenalin, Parasympathomimetika, Nicht-steroid. Antirheumatika (NSAR), Insulin u. orale Antidiabetika. Sonst. Kombi: Trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, Mefloquin, Dipyramidol (i.v.), α-Blocker bei urolog. Beschw., Ergotamin, Muskelrelax., Floctafenin, Antazida. Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit: Kontraindiziert.Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen: Kopfschm., Schwindel o. Müdigkeit während Beh. mögl. Effekte bei gleichzeit. Alkoholkonsum o. nach Wechsel d. AM ggf. verstärkt. Mögl. vorüberg. lichtbedingte visuelle Sympt. berücksichtigen, insbes. bei Nachtfahrten. Nebenwirkungen: Sehr häufig: lichtbed. visuelle Sympt. (Phosphene), Müdigkeit. Häufig: Albträume, ungewöhnl. Träume, Kopfschm., Somnolenz, Schlaflosigkeit, Schwindel, verschwommenes Sehen, Bradykardie, AV-Block 1. Grades (Verläng. des PQ-Intervalls im EKG), Palpitationen, ventrikuläre Extrasyst., Vorhofflimmern, unkontrollierter Blutdruck, orthostat. Hypotonie, periph. Kältegefühl, Raynaud-Syndrom, Belastungsdyspnoe, Übelkeit, Verstopfung, Diarrhoe, Bauchschm., Erbrechen, Libidostörung. Geleg.: Eosinophilie, Exazerb. einer Psoriasis, Hyperurikämie, Hypoglykämie, Depression, Verwirrtheit, Halluzinationen, Aufmerksamkeit u. Bewusstsein vermindert, Synkope, Parästhesien, Stupor, Sehstör., trockene Augen, Augenreizungen, Diplopie, Vertigo, supraventrik. Extrasystolen, Herzinsuff., kardiog. Schock, Thoraxschm., Hypotonie, Claudicatio intermittens, erniedrigter Blutdruck, Dyspnoe, Bronchospasmus, Angioödem, Ausschlag, Hautdystrophie, Urtikaria, Hyperhidrosis, Psoriasis, psoriasiformer Ausschlag, Muskelspasmen, Muskelkrämpfe, Asthenie, Ödeme, Gewichtszunahme, erhöhte Kreatininwerte im Blut, Verlängerung QT-Intervall im EKG. Selten: Thrombozytopenie, Nervosität, Angst, verminderte Tränensekretion, Konjunktivitis, Tinnitus, Arrhythmien, Überleitungsstör., Rhinitis, Mundtrockenheit, Geschmacksstör., veränderte Werte im Leberfunktionstest, veränderte Leberfkt., Erythem, Pruritus, Alopezie, Muskelschwäche, Unwohlsein, erhöhte Transaminasenwerte, sexuelle Dysfunktion/Impotenz. Sehr selten: Leukopenie, Depersonalisation, Amnesie, Xerophthalmie, Hörstörungen, Hypakusis, Taubheit, AV-Block 2. u. 3. Grades, Sick-Sinus-Syndrom, Verschlimmerung von Angina-Attacken bei Angina pect., trockenes Gangrän, retroperitoneale Fibrose, Hepatitis, Lichtempf.reakt., Arthralgien, Peyronie-Krankheit. Überdosierung: Siehe Fachinfo. Weitere Hinweise siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Les Laboratoires Servier; 50, rue Carnot; 92284 Suresnes cedex, Frankreich Örtlicher Vertreter: Servier Deutschland GmbH, Elsenheimerstr. 53, D-80687 München, Tel: +49 (0)89 57095 01 Stand: Juli 2015 www.servier.de

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EDITORIAL

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Die Zeit ist reif für das Primat des individuellen Nutzens Es war einmal, da war alles gut: Die Eltern sorgten für ihre Kinder und Vater Staat für Eltern und Kinder. Natürlich tut er das auch heute noch, z.B. indem er uns vor krummen Gurken schützt oder davor, dass wir mit Glühbirnen alten Stils dem Klima gnadenlos den Rest geben. Bald dürfen aus demselben Grund auch keine Plastiktüten mehr benutzt (und dann als Brennstoff zur Energiegewinnung eingesetzt) werden. Der Einsatz von 2,5 Tonnen schweren SUVs für das Besorgen von Frühstücksbrötchen oder hirnbefreites Beschleunigen auf 220 Sachen zwischen zwei überholenden LKWs scheinen dem Vernehmen nach bislang keine vergleichbar schwerwiegenden Umweltsünden darzustellen, weshalb sich hier Vater Staat lieber nicht mit seinen Kindlein anlegt und schon mal auf den „mündigen Bürger“ verweist und erwartet, dass der dann in sich geht und sofort geläutert ein überteuertes und unansehnliches E-Mobil kauft. Das Phantom „mündiger Bürger“ wurde zwar nicht von der eisernen Lady Maggie Thatcher erfunden, aber in den 1980er Jahren salonfähig gemacht, und ist in der Folge auch bei uns vor allem dann aufgetaucht, wenn Vater Staat der Lust verlustig ging, sich um etwas vormalig Hoheitliches weiter zu kümmern. Natürlich muss hier eingeräumt werden, dass das Steueraufkommen trotz beharrlichem Stopfen von „Schlupflöchern“ (Beispiel: häusliches Arbeitszimmer) und bemerkenswert kreativen Wegelagereien (Beispiel: 19  % Mehrwertsteuer auf den Saunagang) nicht mit strukturellen Veränderungen wie Rentnerschwemme und Zeugungsverweigerung mithalten konnte und kann. Analog zum obigen SUV-Beispiel sind übrigens bis heute keine konkreten Anzeichen dafür zu erkennen, dass für nahezu steuerfreies Geschäftemachen großer internationaler Konzerne in Deutschland (Beispiel: bitte selbst einfügen. Tipp: Einsichtnahme in die

Handelsregister von Luxemburg oder Irland) realpolitischer Handlungsbedarf gesehen wird. Fehlt eigentlich nur noch der Verweis auf den mündigen Bürger, der es schließlich selbst in der Hand habe, durch sein Konsumverhalten Steuerverlusten in Milliardenhöhe und einer existenzbedrohenden steuerlichen Diskriminierung des Mittelstandes entgegenzuwir­ ken ... Nun hat sich der mündige Bürger in den vergangenen Jahrzehnten um sein höchstes Gut, die Gesundheit, erfreulicherweise zunehmend selbst gekümmert. Durch einen Vertrag mit dem Fitnessstudio seiner Wahl etwa, Fasten- und Yogakursen in der Volkshochschule oder auch den Entschluss, mehr freie Lebensmittel zu konsumieren – frei von Gluten, von Laktose, von Kohlenhydraten oder auch von Tieren. Anderes allerdings, wofür sich der mündige Bürger zunehmend gerne entscheidet, geht im wahren Sinn des Wortes unter die Haut: Botox in die Falte, Hyaluronsäure in die Lippe, Silikon in Brust und Po (und anderswo), fröhliche Tattoos überall hin. Da ist der Mensch selbstbestimmt, sein eigener Herr, seines Glückes Schmied, mündig eben. Eine natürliche Grenze findet der mündige Bürger eigentlich nur noch, wenn ihm „etwas fehlt“ oder wenn er „etwas hat“ (der „DEF-DEH“). Dann mutiert er zu einer anderen Spezies: Er wird Patient. Dann übernimmt der Arzt die „Verantwortung für das Wohl der Patienten“, denn das stellt den „wirksamsten Patientenschutz dar“ [1], den Gott gewollten – oder zumindest den von den Vertretern unseres Standes reklamierten. Und mithin auch den wirksamsten Arzt-Schutz. Mit den Waffen der Wissenschaft, von der allgemeinen Pathologie bis hin zur Leitlinie für ein „Krankheitsbild“ (vulgo ICD-Diagnose), lassen sich Entscheidungen trefflich wasserdicht (und juristisch sicher) machen. Und Krankenkassen und Gemeinsamer Bundesausschuss sorgen dafür, dass

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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

es „gerecht und solidarisch“ zugeht, indem sie den EbM-Korridor wie eine Wespen-Taille zuschnüren. Um nicht falsch verstanden zu werden, ich möchte keinesfalls grundsätzlich Kritik am Konzept des „Patienten“ und der ICD-basierten Therapie üben. Das hat mir selbst möglicherweise schon mehr als einmal das Leben gerettet! Aber es sind halt nicht alle Säugetiere Pferde, nur weil alle Pferde Säugetiere sind! Und so sind auch nicht alle DEF-DEHs „Patienten“. Manche sind auch Klienten, solche nämlich, die fordern und erwarten, dass das „ärztliche Know-how“ in eine Beratung eingebracht wird, deren primäres Ziel aber ein zwar fachlich fundierter, aber vor allem möglichst auf den DEH-DEF zugeschnittener Lösungsansatz ist – ähnlich wie bei einem Notar, einem Architekten oder einem Möbelschreiner. Wieder andere sind Kunden, die eine Leistung einkaufen möchten, für die es gar keinen (medizinischen) Grund gibt (siehe oben: gelähmte Stirn, dicke Lippen etc.). Sobald ein DEF-DEH in Klinik oder Praxis auftaucht, scheint mir allent© VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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halben mehr und anderes erforderlich als die Sicht des „Leistungserbringers“ (vgl. „Verantwortung für das Wohl der Patienten“). Wichtigster Maßstab sollte der Nutzen vor dem Hintergrund der individuellen Persönlichkeit und seiner Lebens- und Wertewelt sein. Und da habe ich, gut 10 Jahre nachdem ich genau dies zum ersten Mal an dieser Stelle thematisiert [2] und auf ein damals gerade erschienenes, aufschlussreiches Buch der American Medical Association hingewiesen hatte [3], jüngst im Deutschen Ärzteblatt mit Freude registriert, dass am 18. Mai 2016 in Berlin der „1. Deutsche Kongress Value Based Healthcare“ stattgefunden hat [4]. Obwohl „Healthcare“ als Begriff international für das Versorgungssystem steht, nicht für die individuelle therapeutische Beziehung, könnte es nunmehr auch in Deutschland das Thema „Nutzen für die DEF-DEHs“ auf die Agenda schaffen. Immerhin nannte, so der Beitrag, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Professor Josef Hecken, „in diesem Zusammenhang das Beispiel seines 90-jährigen Vaters, der mit Gallensteinen ins Krankenhaus eingeliefert worden sei.“ Wem würden da nicht schlagende Beispiele aus dem eigenen Familienkreis einfallen? Die Zeit scheint reif! Machen wir alle Druck, mischen wir uns ein, machen wir die Debatte um den individuellen Nutzen zum Thema – und sorgen wir dafür, dass dieser Aspekt (endlich) ins Zentrum der Überlegungen auch unserer Gesundheitssystemtheoretiker und Gesundheitspolitiker kommt. Karl-Ludwig Resch, Bad Elster Quellen 1 119. Deutscher Ärztetag, Entschließung „Medizinische Versorgung von morgen – Balance zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung“. https://www. aerzteblatt.de/download/files/2016/05/ down135948668.pdf 2 Resch KL. Wirksamkeit? Was wirklich zählt ist der konkrete Nutzen! J Pharmakol Ther 2006;15:1-2 3 Brown MM, Brown GC, Sharma S. Evidence-based to value-based medicine. Chicago: AMA Press; 2005 4 Osterloh F. Qualität der Patientenversorgung: Den Mehrwert für den Einzelnen erkennen. Dtsch Ärztebl 2016;113:A1024

AKTUELLER KOMMENTAR Frühe Nutzenbewertung im Bereich Epilepsie: Zwischen Bewertungspraxis und Versorgungsalltag

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ÜBERSICHTSARBEIT Erstes inhalatives Fluorchinolon erweitert Antibiotikatherapie bei erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose Brigitte Söllner

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Gastrointestinale Stromatumoren: Warum sich die patientenindividuelle Behandlung lohnen kann

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Hautmonitoring bei Polycythaemia vera – ein wichtiger Beitrag zum Behandlungserfolg

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Behandlung des Hormonrezeptor-positiven, HER2/ neu-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinoms

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Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen mit begleitenden Schürfwunden: Trauma-Beinwell fördert die Heilung

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Primär biliäre Cholangitis – eine Erkrankung mit hohem Risiko und Behandlungsbedarf

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Plattenepitheliales, nicht kleinzelliges Lungenkarzinom: Signifikanter Überlebensvorteil für EGFR-positive, Chemotherapie-naive Patienten durch Necitumumab 90 Metastasiertes kolorektales Karzinom: Lonsurf® als neue Therapieoption

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Ospemifen – die erste hormonfreie Therapie zur Behandlung der vaginalen Atrophie

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Neue Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von einmal täglich Eslicarbazepinacetat als Monotherapie der fokalen Epilepsie

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Fixkombination Descovy zur Behandlung der HIV-1-Infektion 96 ®

Zielgerichtete Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms: Mit Vismodegib komplette Remission auch ohne OP

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RUBRIKEN Wissenswertes 82, 86, 89, 103 Kongresse 98

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AKTUELLER KOMMENTAR

Frühe Nutzenbewertung im Bereich Epilepsie: Zwischen Bewertungspraxis und Versorgungsalltag

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eitdem das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMMOG) 2011 in Kraft getreten ist, sehen sich Hersteller, die Gesundheitspolitik und Fachgesellschaften gleichermaßen immer wieder von Neuem mit der Herausforderung konfrontiert, den ursprünglichen Zielen des AMNOG-Gesetzentwurfs gerecht zu werden. Dazu gehörten die Versorgung von Patienten mit den besten und wirksamsten Arzneimitteln ebenso wie die Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz der Preise und Verordnungen von Arzneimitteln sowie überdies auch das Schaffen von verlässlichen Rahmenbedingungen für Innovationen. Erschwerter Zugang zu innovativen Antiepileptika

Doch nach Einschätzung von Georg Wager, General Manager des Pharmaunternehmens Eisai, zeichneten sich zwischen der Bewertungspraxis und Versorgungsrealität Differenzen ab, die sich gerade auf die Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen wie der Epilepsie besonders deutlich auswirkten. Konkret ist der Zugang zu Antiepileptika mit neuem oder selektivem Wirkmechanismus für Patienten in Deutschland erschwert, die nach den Kriterien der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) pharmakore-

sistent sind, d.h., bei denen unter Gabe von mindestens zwei geeigneten Antiepileptika in Monooder Kombinationstherapie keine anhaltende Anfallsfreiheit erzielt werden konnte [1]. Auch für das 2012 zugelassene Antiepileptikum Perampanel (Fycompa®) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) keinen Zusatznutzen anerkannt („Ein Zusatznutzen ist nicht belegt“) [2, 3]. Als bislang erstes und einziges zugelassenes Antiepileptikum verfügt Perampanel über einen First-in-Class-Behandlungsansatz, der die selektive Blockade postsynaptischer Glutamatrezeptoren vom Typ AMPA ermöglicht [4]. Die Zulassung zur Zusatztherapie fokaler Anfälle basiert auf den Ergebnissen von drei randomisierten, doppelblinden und placebokon­ trollierten Phase-III-Zulassungsstudien (n=1.478) [5, 6, 7]. Seit der Markteinführung wurden geschätzt mehr als 6000 Epilepsie-Patienten in Deutschland mit Perampanel behandelt. Praxisstudien zeigten zudem, dass das innovative Anti­ epileptikum bei einem Anteil von 15 % zuvor hoch therapierefraktärer Patienten sogar Anfallsfreiheit ermöglichte [8]. Dennoch wurde für Perampanel in zwei Entscheidungen sowohl im März 2013 als auch im November 2014 aus formalen methodischen Gründen kein Zusatznutzen anerkannt [2, 3]. Daraufhin stellte Eisai auf eigene

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Kosten die Versorgung der bereits auf Perampanel eingestellten Patienten über ein Importprogramm sicher, bis das Verfahren zum 1. April 2016 auf etablierte Importverfahren gemäß § 73 Abs. 1 AMG umgestellt wurde. Sonderstellung der Epilepsie

Was war passiert? Wie für alle anderen neu eingeführten Arzneimittel auch, müssen die Hersteller innovativer Antiepileptika dem G-BA gegenüber und unabhängig von der Zulassung einen Nachweis für einen Zusatznutzen gegenüber einer „zweckmäßigen Vergleichstherapie“ erbringen. Erkennt der G-BA gegenüber der „zweckmäßigen Vergleichstherapie“ keinen Zusatznutzen an, wird das neue Arzneimittel in das Festbetragssystem überführt. Wenn ein Arzneimittel ohne anerkannten Zusatznutzen keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, wird ein Erstattungsbetrag vereinbart, bei dem die Jahrestherapiekosten nicht höher sind als bei der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Das führte in der Vergangenheit über alle Indikationen hinweg zu 21 „Opt-outs“, d.h. Marktrücknahmen neuer Medikamente durch die Hersteller, die folglich in der Versorgung fehlen. Die „zweckmäßige Vergleichstherapie“ wird im Vorfeld vom G-BA © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLER KOMMENTAR

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festgelegt. Allerdings wurden die bislang durchgeführten Bewertungsvorgänge auf der Basis von bereits abgeschlossenen oder weit fortgeschrittenen Entwicklungsprogrammen vorgenommen, die den Herstellern keine Anpassung der klinischen Studien hinsichtlich der gewünschten „zweckmäßigen Vergleichstherapie“ oder Endpunkte gestatteten. Ein weiteres Problem: Der Nachweis des „Zusatznutzens“ ist im Bereich Epileptologie nicht mit den üblichen methodischen Ansätzen, die der G-BA erwartet, zu führen, da Epilepsien in ihrem Ursprung sehr heterogen sind, Patienten unterschiedlich auf die Behandlung mit Antiepileptika reagieren und das Therapieansprechen auf die jeweilige Substanz nicht vorhersagbar ist. Einen Therapiestandard, der zur Definition einer zweckmäßigen Vergleichstherapie herangezogen werden könnte, wie es der Prozess der Zusatznutzenbewertung durch das AMNOG vorsieht, gibt es in der medikamentösen Zusatzbehandlung von Epilepsien nicht. Insofern würden auch direkte oder indirekte Headto-Head-Studien das individuelle Therapieansprechen nicht abbilden können und die Aussagekraft zur Definition eines Zusatznutzens für eine bestimmte Therapie in Frage stellen [9]. Anforderungen an Zulassung versus Nutzenbewertung inkongruent

Die Inkongruenz zwischen den Anforderungen einer Zulassung einerseits, die von Zulassungsbehörden wie der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geregelt werden, und den Bewertungsmaßstäben des G-BA andererseits,

Perampanel Perampanel (Fycompa®) ist ein hochselektiver, nicht-kompetitiver Antagonist des Glutamat-Rezeptor-Typs AMPA (alpha-Amino-3hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionsäure), der eine Wirksamkeit in der Reduk­tion von Anfällen in Studien der Phasen II und III gezeigt hat. AMPA-Rezeptoren, die weithin in fast allen exzitatorischen Neuronen vorhanden sind, übertragen Signale, die vom Neurotransmitter Glutamat im Gehirn vermittelt werden. Es wird davon ausgegangen, dass sie bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems eine Rolle spielen, die sich durch übermäßige exzitatorische Signalbildung auszeichnen, u.a. Epilepsie [13]. Perampanel ist in der Europäischen Union als Zusatztherapie fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung sowie als Zusatztherapie primär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle bei idiopathisch generalisierter Epilepsie (IGE) für Patienten mit Epilepsie ab 12 Jahren zugelassen [13]. Die ersten multizentrischen Praxiserfahrungen mit Perampanel an einem größeren Patientenkollektiv mit schwer zu behandelnder Epilepsie an insgesamt 9 spezialisierten Krankenhäusern in Deutschland (7 Zentren) und Österreich (2 Zentren) wurden in der Fachzeitschrift Epilepsy Research veröffentlicht [8]. Der Behandlungserfolg der Patienten (54 % Frauen mit einem mittleren Alter von 39 Jahren) wurde für mindestens 6 Monate nachbeobachtet. Bei der Hälfte der teilnehmenden 281 Patienten, die Perampanel hauptsächlich als Zusatztherapie zu einer Basistherapie bestehend aus 2 oder 3 Antiepileptika (65 %) erhielten, zeigte sich eine Verminderung der Anfallshäufigkeit um mindestens 50 %. Anfallsfreiheit wurde bei 15 % der Patienten erzielt. Nebenwirkungen wurden von 52 % der Patienten angegeben, wobei Somnolenz (24,6 %) und Schwindelgefühl (19,6 %) am häufigsten beobachtet wurden. Die Retentionsrate nach 6 Monaten betrug 60 %. Die mittlere Dosis von Perampanel betrug 7,7 mg. Bei einigen Patienten konnte eine ausgeprägte Reaktion bei relativ niedrigen Dosierungen beobachtet werden.

führte nach Auffassung von Wager auch zu den zahlreichen NegativBeschlüssen des G-BA: Bei einem Anteil von 11,9 % ging der G-BABeschluss „Zusatznutzen nicht belegt“ auf formale Gründe (kein oder unvollständiges Dossier), bei 13,4 % auf inhaltliche Gründe (auf Basis der Bewertung und Abwägung der Studienevidenz) und bei einer Mehrheit von 74,5 % auf Inkongruenz, d.h. Abweichungen zwischen der verfügbaren Studien­ evidenz und Anforderungen des

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IQWiG bzw. G-BA zurück [10]. Damit wurden die eingereichten Studien in vielen Fällen bereits von vornherein als „nicht bewertungsrelevant eingestuft“, gab Wager zu bedenken: „Bei einem Großteil der Beschlüsse ohne Zusatznutzen wurde die verfügbare Evidenz erst gar nicht ausgewertet.“ Entsprechend ernüchternd sei auch die Bilanz der frühen Nutzenbewertungen im Bereich der Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) ausgefallen: In 11 © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLER KOMMENTAR

von 13 durchgeführten Verfahren hat der G-BA keinen Zusatznutzen ausgesprochen. Wie geht es weiter?

Bei den Betroffenen mit pharmakoresistenten Epilepsien sind die beiden Entscheidungen zu Perampanel auf Unverständnis gestoßen, da die Patienten hierzulande unverändert und dringend auf neue Therapieoptionen angewiesen sind: Nach wie vor erreichen etwa 30 % der Epilepsiepatienten mit den herkömmlichen Antiepileptika keine Anfallsfreiheit [11] und leiden trotz Therapie an einer hohen Morbidität und stigmatisierenden Anfällen. Eine Petition des Epilepsie Bundes-Elternverbands (e.b.e.) sowie weiterer Initiativen wurde am 11. April 2016 bei einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag erörtert [12] und ist Gegenstand weiterer Beratungen: Die Petition bringt die Forderung nach der Sicherstellung der Versorgung aller therapieresistenten Menschen mit Epilepsien mit neuen Medikamenten zum Ausdruck. Haltung von Eisai unverändert

Das Unternehmen Eisai werde sich auch künftig für eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem G-BA und allen Interessengruppen einsetzen, um einen Weg zu finden, der es Menschen mit Epilepsie in Deutschland ermöglicht, einen routinemäßigen Zugang zu den von ihnen benötigten innovativen

Arzneimitteln zu erhalten, betonte Wager. Die laufende Diskussion um mögliche Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zum verbesserten Zugang zur medikamentösen Therapie bei chronischen Erkrankungen sowie möglicher Implikationen aus dem sogenannten Pharmadialog 2016 verfolge Eisai ebenfalls mit Interesse. Es sei ein ausgewogenes Zusammenspiel von Herstellern, Ärzten, Apothekern und Kassen mit einem gemeinsamen Ziel erforderlich – der patientenorientierten Versorgung mit innovativen Arzneimitteln. Perampanel ist mittlerweile in über 50 Ländern verfügbar – seit Kurzem auch in Eisai’s Heimatmarkt Japan. Im Juni 2015 hat Perampanel in Deutschland eine Zulassungserweiterung für die Zusatztherapie primär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle bei Epilepsiepatienten ab 12 Jahren erhalten [13]. Eine neue, unabhängige und multizentrische Studie, die u.a. auch Behandlungserfahrungen an 6 deutschen Kompetenzzentren beinhaltet, weist auf erste positive Erfahrungen im Einsatz mit Perampanel bei pädiatrischen Patienten mit refraktärer Epilepsie hin [14]. Fabian Sandner, Nürnberg

Quellen 1 Kwan P, Arzimanoglou A, Berg AT et al. Definition of drug resistant epilepsy: consensus proposal by the ad hoc Task Force

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of the ILAE Commission on Therapeutic Strategies. Epilepsia 2010;51: 1069-1077 2 Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Perampanel 2013. Verfügbar unter: h t t p : / / w w w. g - b a . d e / i n f o r m a t i o n e n / nutzenbewertung/39/#tab/beschluesse (letzter Zugriff: 04/2016) 3 Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Perampanel 2014. Verfügbar unter: https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/2091/ (letzter Zugriff: 04/2016) 4 Rogawski MA. Revisiting AMPA receptors as an antiepileptic drug target. Epilepsy Currents 2011:11:56-63 5 French JA et al. Adjunctive perampanel for refractory partial-onset seizures: random­ ized phase III study 304. Neurology 2012:79:589-596 6 French JA et al. Evaluation of adjunctive perampanel in patients with refractory partial-onset seizures: Results of randomized global phase III study 305. Epilepsia 2013: 54:117-125 7 Krauss GM et al. Randomized phase III study 306: Adjunctive perampanel for refractory partial-onset seizures.Neurology 2012:78:1408-1415 8 Steinhoff BJ, Hamer H, Trinka E et al. A multicenter survey of clinical experiences with perampanel in real life in Germany and Austria. Epilepsy Res 2014;108:986988 9 Stellungnahme der DGfE zur Nutzenbewertung Perampanel vom 4.9.2014.Verfügbar unter: http://www.dgfe.info/cweb2/ c g i - b i n - n o a u t h / c a c h e / VA L _ B L O B / 5583/5583/1459/Stellungnahme%20 zur%20Nutzenbewertung%20Perampanel%202014.pdf (letzter Zugriff: 04/2016) 10 Datenbasis: Tragende Gründe zu G-BA Beschlüssen zu abgeschlossenen Verfahren (ohne Zusatznutzen bewertet: 202 Subpopulationen, ohne Erstverfahren bei Verfahrenswiederholungen; Stand: 10.03.2016) 11 Schmidt D. Drug treatment of epilepsy: options and limitations. Epilepsy & Behavior 2009:15:56-65 12 Petition Epilepsie. Verfügbar unter: https:// www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw15-pa-petitionen-epilepsie/418096 (letzter Zugriff: 04/2016) 13 Fycompa® Fachinformation, Stand: Juni 2015 14 Biró A et al. Effectiveness and tolerability of perampanel in children and adolescents with refractory epilepsies: first experiences. Neuropediatrics 2015;46:110-106 15 Epilepsy in the WHO European Region: Fostering Epilepsy Care in Europe. http:// w w w. i b e - e p i l e p s y. o r g / d o w n l o a d s / EURO%20Report%20160510.pdf (Zugriff: Oktober 2014) 16 Pugliatti M et al. Estimating the cost of epilepsy in Europe: a review with economic modeling. Epilepsia 2007:48:22242233

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ZUSAMMENFASSUNG Mit dem neu zugelassenen Levofloxacin (Quinsair®) wird der „unmet medical need“ eines zusätzlichen inhalativen Anti­ biotikums zur Behandlung chroni­ scher Infektionen der Lunge durch Pseudomonas aeruginosa bei erwachsenen Patienten mit zystischer Firbrose (CF) erfüllt. Das klinische Studienprogramm zeigt Verbesserungen verschiede­ ner Lungenfunktionsparameter wie FEV1, FVC und FEF 25–75. Die Dichte von P. aeruginosa im Sputum verringert sich. Die vielversprechenden In-vitro-Daten der besseren Wirksamkeit gegen das human­pathogene Bakterium in Biofilmen müssen sich im klinischen Alltag noch bestätigen. Die Zeit, bis ein zusätzliches Antibiotikum benötigt wurde, war unter Levofloxacin im Vergleich zu Tobramycin signifikant verlängert. Exazerbationen, die eine Hospita­ lisierung notwendig machten, traten unter einer LevofloxacinBehandlung signifikant seltener auf als unter der Kontrollsubstanz. Insgesamt zeichnet sich ein Trend ab, dass unter dem Fluorchinolon die Zeitspanne bis zu einer Exazerbation länger ist als unter der Vergleichssubstanz. Respirato­ rische Symptome, erfasst mit dem CFQ-R-Score, verbesserten sich unter Quinsair®, während sich die Werte unter der Therapie mit der Vergleichssubstanz verschlechter­ ten. Neben einer nachgewiesenen Effektivität zeichnet sich das inhalative Levofloxacin durch gute Verträglichkeit aus. Schlüsselwörter: zystische Fibrose, Mukoviszidose, Fluorchinolon, Levofloxacin, inhalative Antibiotika, Exazerbationen, Pseudomonas aeruginosa, zyklische Therapie

Erstes inhalatives Fluorchinolon erweitert Antibiotikatherapie bei erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose Brigitte Söllner, Erlangen

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evofloxacin ist das erste Fluorchinolon, das von der Europäischen Kommission zur inhalativen Antibiotikatherapie chronischer Infektionen der Lunge durch Pseudomonas aeruginosa (P. aeruginosa) bei erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose (cys­ tic fibrosis, CF) zugelassen wurde [1, 2]. Das Antibiotikum ist eine neue Option in der zyklischen inhalativen Antibiotikatherapie. Trotz zyklischer Rotation der antimikrobiellen Substanzklassen lässt die Wirksamkeit mit der Zeit nach [2, 3, 4]. Darüber hinaus prägen Unverträglichkeiten bei der Langzeitanwendung den klinischen Alltag [2]. Es besteht also ein Bedarf an einer weiteren, ergänzenden Therapieoption [2]. Der vorliegende Übersichtsartikel fasst die aktuellen Studiendaten des Fluorchinolons Levofloxacin (Quinsair®) und deren Ergebnisse zusammen. Zentrale Bedeutung von Pseudomonas aeruginosa

Der zystischen Fibrose, im deutschen Sprachgebrauch meist Mukoviszidose genannt, liegt auf zellulärer Ebene eine schwere Störung des Elektrolyttransports

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im Epithelgewebe zugrunde, die im Bereich der Atemwege und der Lunge zur pulmonalen Obstruktion führt. Chronischer Husten, Bronchiektasien, Infektionen bis hin zu schweren Lungenentzündungen und -insuffizienz sind die Folge [5]. Multimodale symptomatische Therapiekonzepte verfolgen das Ziel, die Keimlast im respiratorischen Trakt zu beherrschen, akute Infektionen zu verhindern und die Lebensqualität der Patienten zu erhalten [6, 7]. In der Folge ist die mittlere Lebenserwartung der Patienten auf über 40 Jahre angestiegen [8]. Eine zentrale Rolle für den Krankheitsverlauf und die Lebenserwartung spielt die Beherrschung der chronischen Infektion mit P. aeruginosa der Atemwege und Lunge, an der bis zu 80 % der erwachsenen CF-Patienten leiden [6, 7]. Dieses gramnegative Bakterium ist äußerst anpassungsfähig, kann therapeutischen Angriffen standhalten und sich so jahrzehntelang in den Atemwegen festsetzen. Wenn sich das Bakterium mit einem schützenden Biofilm umgeben hat, ist die antibiotische Therapie zusätzlich erschwert. Auch die Ausbildung von Antibiotikaresistenzen stellt eine wachsende Herausforde© VERLAG PERFUSION GMBH


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rung dar [9]. Infektionen mit P. aeruginosa können zu einer massiven Krankheitsverschlechterung mit irreversiblen Lungenfunktionsstörungen führen, Hospitalisierungen sind häufig. Gleichzeitig sind diese Infektionen mit einer erhöhten Mortalität assoziiert [10, 11, 12]. Inhalative, zyklische Antibiotikatherapie

Wegen ihrer guten Erfolge hat sich die inhalative Antibiotikatherapie bei CF-Patienten mit chronischer P.-aeruginosa-Infektion durchgesetzt [6]. Gegenüber der i.v. Gabe weist die inhalative Verabreichung folgende Vorteile auf: Es werden höhere Sputumspiegel erreicht, die Deposition des Wirkstoffs erfolgt direkt am Ort der Infektion, die systemische Toxizität ist geringer und das Nebenwirkungsprofil günstiger. Bislang werden 3 Antibiotikaklassen eingesetzt: Aminoglykoside, Beta-Laktame und Polymyxine. Um Resistenzen zu vermeiden, erfolgt eine inhalative Antibiotikatherapie in Zyklen, bestehend aus 28 Behandlungstagen, gefolgt von 28 Tagen Behandlungspause und Rotation der eingesetzten antimikrobiellen Substanzklassen [13]. Nachlassende Wirksamkeit und Unverträglichkeiten im Rahmen der Langzeitanwendung erfordern zusätzliche Antibiotika.

lassen. Bei dem unter dem Handelsnamen Quinsair® 240 mg Lösung für Vernebler zugelassenen Levofloxacin handelt es sich um ein Fluorchinolon (auch als Gyrasehemmer bezeichnet) [1]. Diese Antibiotikagruppe zeichnet sich durch ein breites Wirkspektrum gegen gramnegative und grampositive Bakterien aus. Im Vergleich zu den anderen verfügbaren inhalativen Therapieoptionen zeigt Levofloxacin eine bessere Wirksamkeit gegen P. aeruginosa in Biofilmen in vitro [14]. Die Anwendung erfolgt über 28 Tage mit 2 × täglich 240 mg Levofloxacin (vernebelt), gefolgt von einer 28-tägigen Behandlungspause [1]. Die Therapie kann so lange fortgesetzt werden, wie der Arzt einen klinischen Nutzen feststellt. Quinsair® darf nur mit dem speziell hierfür entwickelten Zirela®Vernebler einschließlich Zirela®Aerosol-Kopfstück, angeschlossen an ein eBase-Steuergerät oder eine eFlow-rapid-Steuerungseinheit, verwendet werden. Durchschnittlich beträgt die Inhalationszeit einer Anwendung 5 Minuten. Wie die Ergebnisse der einfach verblindeten Cross-over-Studie MPEX-205 zeigen, führt die Verabreichung einer LevofloxacinInhalationslösung über einen speziellen Vernebler zu deutlich höheren Sputumkonzentrationen als nach oraler oder i.v. Gabe [1]. Umfangreiches Studienprogramm

Levofloxacin als neue Behandlungsoption

Mit Levofloxacin hat die Europäische Kommission eine weitere Substanzklasse zur inhalativen Therapie chronischer Infektionen der Lunge durch P. aeruginosa bei erwachsenen CF-Patienten zuge-

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Quinsair® wurden in 2 placebokontrollierten Doppelblindstudien und in einer Vergleichskon­ trollstudie untersucht: MPEX-204: An der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie

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MPEX-204 nahmen 151 stabile CF-Patienten im Alter ab 16 Jahren teil und wurden mit einem 56-tägigen Therapiezyklus behandelt: An 28 Behandlungstagen erhielten die Patienten 1 × täglich 120 mg, 1 × täglich 240 mg oder 2 × täglich 240 mg Levofloxacin als Inhalationstherapie. Danach folgte eine Behandlungspause von 28 Tagen. Primärer Endpunkt war die Veränderung der Dichte von P. aeruginosa im Sputum [15]. MPEX-207: In die ebenfalls placebokontrollierte, randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie MPEX-207 wurden 330 stabile CF-Patienten ab 12 Jahren eingeschlossen. Die Studienteilnehmer wurden über 56 Tage beobachtet: 28 Tage unter Behandlung, 28 Tage Off-Phase. Dabei wurden die Wirksamkeit und Sicherheit des inhalativen Fluorchinolons überprüft [16]. MPEX-209: Die multinationale Nichtunterlegenheits-Vergleichsstudie MPEX-209 war als randomisierte, unverblindete Vergleichsstudie konzipiert. Verglichen wurden 2 × 240 mg/d Levofloxacin in solution (LIS) mit der inhalativ verabreichten aktiven Vergleichssubstanz 2 × täglich 300 mg Tobramycin in solution (TIS) bei 282 stabilen CF-Patienten ab 12 Jahren. Beobachtet und ausgewertet wurden die Wirksamkeit der Therapie nach einem Zyklus (28 Tage) und die Sicherheit über 3 Behandlungszyklen [17]. Im Anschluss konnten die Patienten auf Wunsch in einer offenen Studie mit Quinsair® weiterbehandelt werden. Insgesamt 88 Patienten (32 aus der TIS-Gruppe und 56 aus der LISGruppe) nahmen an der Verlängerungsphase mit 3 weiteren Zyklen teil [18]. Eingeschlossen in die Studien wurden Patienten mit stabiler CF und © VERLAG PERFUSION GMBH


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einem FEV1-Wert (Einsekundenkapazität, forced expiratory volumen in 1 sec) in Prozent vom Sollwert von 25–85 %. Bei allen in die Studien aufgenommenen Patienten musste nachweislich eine chronische Infektion mit P. aeruginosa vorliegen. Zudem mussten sie vor Studienbeginn mindestens 3 Behandlungszyklen einer inhalativen Antibiotikatherapie erhalten haben [1]. Um verfälschende Einflüsse auszuschließen, begann der erste Behandlungszyklus in den Studien mit einer 28-tägigen Off-Phase für inhalative Antibiotika [15, 16, 17]. Die Standardbehandlung durfte während des Studienzeitraums weiter eingenommen werden. Andere gegen P. aeruginosa wirksame Antibiotika, die nicht Teil der Studie waren, durften nicht eingenommen werden. Überzeugende Studienergebnisse

Reduktion der Dichte von P. aeruginosa im Sputum Primärer Endpunkt der Phase-IIStudie MPEX-204 war die Veränderung der Dichte von P. aeruginosa im Sputum. Diese nahm unter allen 3 Quinsair®-Dosierungen ab, während sie sich unter Placebo erhöhte. Die größte Reduktion der Dichte von P. aeruginosa im Sputum wurde mit einer Dosierung von täglich 2 × 240 mg Levofloxacin erreicht. In dieser Dosierung trat an Tag 28 eine 0,96-log-Differenz von Quinsair® zu Placebo auf (p=0,001) [15]. Diese signifikante Reduktion der Besiedlungsdichte konnte durch die Ergebnisse für den sekundären Endpunkt der Studie MPEX-207 bestätigt werden: Die durchschnittliche Veränderung der kleinsten

Quadrate lag bei –0,63 (95%-KI: –0,30; p=0,0002) [16]. In der Vergleichsstudie MPEX209 zeigte sich bei der Beurteilung des sekundären Endpunkts unter Quinsair® an Tag 28 ebenfalls eine Abnahme der Dichte von P. aeruginosa im Sputum von 0,8 log Differenz gegenüber der Ausgangssituation, die jedoch im Vergleich zu inhalativem Tobramycin (TIS) nicht signifikant war [17]. Verbesserung der Lungenfunktion Bereits die Studie MPEX-204 zeigte, dass sich der relative FEV1-Wert in Prozent des Sollwerts unter einer Quinsair®-Behandlung verbessert [15]. In der Studie kam es in der Quinsair®-Behandlungsgruppe zu einer Verbesserung an Tag 28 um 8,6 % (95%-KI: 3,05; 14,16; p=0,003), während sich der Wert in der Placebogruppe im gleichen Zeitraum um –2,4 % verschlechterte, sodass es insgesamt zu einer Behandlungsdifferenz von 10,9 % kam (p=0,0008) [15]. Diesen positiven Effekt bestätigen die Daten zur Beurteilung des sekundären Endpunkts der MPEX-207-Studie. Im Vergleich zur Baseline kam es an Tag 14 und Tag 28 in der Quinsair®-Gruppe zu einer signifikanten Verbesserung des relativen FEV1-Werts. Die durchschnittliche absolute Veränderung des FEV1 zum Sollwert betrug an Tag 28 in der Placebogruppe 0,43 und in der Quinsair®Behandlungsgruppe 1,73 (95%KI: 0,27; 2,34; p=0,0137). In der Behandlungspause zeigte sich keine signifikante Differenz zwischen den beiden Behandlungsarmen [16]. In der Studie MPEX-209 bestätigte sich die Wirksamkeit von Quinsair® auf verschiedene Lun-

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genfunktionsparameter (FEV1, FEF 25–75, FVC). Der primäre Endpunkt der Nichtunterlegenheit hinsichtlich der Veränderung von FEV1 wurde erreicht. Über alle 3 Behandlungszyklen hinweg zeigte sich in der LIS-Gruppe ein Trend zu einer Verbesserung der Lungenfunktion im Vergleich zu inhalativem Tobramycin (TIS) (Abb. 1). In der Verlängerungsphase lag der Least-Square-Mittelwert für den FEV1-Wert in Prozent vom Sollwert bei 4,83–1,46 % [18]. Reduktion von Exazerbationen Exazerbationen stellen einen relevanten Faktor für den Krankheitsverlauf bei CF dar. Im Rahmen der MPEX-209-Studie konnte gezeigt werden, dass unter einer inhalativen Therapie mit Quinsair® die Zeit bis zum Auftreten einer Exazerbation tendenziell länger ist als unter der aktiven Vergleichssubstanz Tobramycin (TIS) (Abb. 2). Im Median betrug die Zeit bis zum Auftreten der ersten pulmonalen Exazerbation unter Levofloxacin 131 Tage im Vergleich zu 90,5 Tagen unter einer TIS-Therapie (HR=0,78; 95%-KI: 0,57–1,07; p=0,15). Exazerbationen, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machten, traten in der Quinsair®Gruppe signifikant seltener auf als unter TIS (17,5 % vs. 28 %; p=0,04) [17]. Reduktion zusätzlicher Antibiotikatherapie Ein wichtiger Parameter in der inhalativen Antibiotikatherapie ist auch der Zeitraum, bis der Einsatz eines weiteren Antibiotikums nötig wird. In der Studie MPEX-204 kam es unter der Behandlung mit © VERLAG PERFUSION GMBH


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Mittlere relative LSM-Veränderung bei der FEV1 (% Sollwert) gegenüber Baseline (± SE)

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Zeit (Tage)

Anteil der Patienten ohne Exazerbation

Abbildung 1: Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1) unter Levofloxacin (Quinsair®) verglichen mit Tobramycin (TIS) in der MPEX-207Studie [16]. LSM = Quadratmittelwert (least square means), SE = Standardfehler (standard error), FEV1 = forcierte Einsekundenkapazität.

Zeit (Tage)

Abbildung 2: Mit Levofloxacin (Quinsair®) konnte die Zeit bis zum Auftreten einer Exazerbation im Vergleich zur Therapie mit Tobramycin (TIS) verlängert werden [17]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2016 · 25. JAHRGANG

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Mittlere relative LSM-Veränderung gegenüber der Baseline Respiratorische CFQ-R-Domain (±SE)

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Zeit (Tage)

Abbildung 3: Signifikante Verbesserung im CFQ-R-Score unter Levofloxacin (Quinsair®) im Vergleich zu Tobramycin (TIS) [17]. LSM = Quadratmittelwert (least square means), SE = Standardfehler (standard error).

Quinsair® im Vergleich zu Placebo zu einer klinisch relevanten und statistisch signifikanten Reduktion zusätzlich benötigter Antibiotika um 79 % (p=0,001) [15]. Im Vergleich zur aktiven Substanz Tobramycin (TIS) in der Studie MPEX-209 verlängerte sich unter Levofloxacin diese Zeitspanne (141 Tage LIS vs. 110 Tage TIS) signifikant (HR=0,73; 95%-KI: 0,53–1,01; p=0,04) [17]. Verbesserung der Lebensqualität: Ergebnisse des CFQ-R-Scores Die krankheitsbezogene Lebensqualität wurde mit dem Cystic Fibrosis Questionnaire Revised (CFQ-R) Score erfasst. Der Symp­ tomscore beinhaltet krankheitsspezifische Dimensionen wie Körperbild, Essstörungen, Thera-

piebelastung, Gewichtsprobleme, respiratorische und gastrointestinale Symptome sowie eine subjektive Gesundheitseinschätzung. In der Studie MPEX-204 verbesserte sich der Punktwert des CFQR unter 2 × 240 mg Levofloxacin von Studienbeginn bis Tag 14 um durchschnittlich 8 Punkte. Im Vergleich zu Placebo war diese Verbesserung signifikant (p<0,05). An Tag 28 wiesen Patienten der Verumgruppe eine Verbesserung des CFQ-R um 4,06 Punkte auf, während diese unter Placebo lediglich 0,44 Punkte betrug. Zwar erreichte die Differenz keine Signifikanz, jedoch zeigte die detaillierte Auswertung einen deutlichen Vorteil für Quinsair®: 49 % der Patienten in dieser Gruppe erzielten eine Verbesserung des CFQ-R von mindestens 4 Punkten, während der Anteil der Patienten, die diese

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Marke überschritten, in der Placebogruppe bei nur 30 % lag [15]. Im Vergleich zu Tobramycin (TIS) konnte in der Studie MPEX-209 ebenfalls eine signifikante Verbesserung im CFQ-R für Levofloxacin gezeigt werden (Abb. 3). So kam es bei 43,5 % der Quinsair®Gruppe gegenüber 27,5 % in der TIS-Gruppe zu einer Verbesserung von mindestens 4 Punkten von Studienbeginn bis Tag 28 (0,0192). Vergleichbare Ergebnisse wurden an Tag 84 und 140 beobachtet, wobei sie an Tag 28 (p=0,0192) und 84 (p=0,0407) statistische Signifikanz erreichten [17]. Sicherheit und Verträglichkeit Alle bisher durchgeführten Studien bestätigen für Quinsair® eine gute Verträglichkeit. © VERLAG PERFUSION GMBH


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In der Studie MPEX-204 lag die Inzidenz von Nebenwirkungen auf Placeboniveau. Lediglich Geschmacksstörungen traten unter Quinsair® häufiger auf als unter Placebo [15]. Die Studie MPEX-207 bestätigt diese Ergebnisse: Hier wurden nahezu identische Daten ermittelt [16]. In der Vergleichsstudie MPEX209 wiesen beide Substanzen ein vergleichbar günstiges Nebenwirkungsprofil auf. Wie in den Studien zuvor kam es auch hier zu vermehrt auftretenden Geschmacksveränderungen (25,3 %). In der TIS-Gruppe gab es eine numerisch größere Anzahl von unerwünschten Ereignissen. Zusätzlich wies die LISGruppe einen Trend zu geringerer Krankheitsprogression gegenüber der aktiven Kon­ trollgruppe auf (56 % vs. 65 %) [17]. Fazit für die Praxis

Wie die EMA in ihrer Begründung zur Zulassung von Quinsair® ausführt, wird mit dem neu formulierten Levofloxacin der „unmet medical need“ eines zusätzlichen inhalativen Antibiotikums zur Behandlung der zystischen Fibro­ se erfüllt – mit der vierten Antibiotikaklasse erweitert das erste inhalierbare Fluorchinolon das Spektrum an Möglichkeiten zur Therapie chronischer Pseudomonas-aeruginosa-Infektionen der Lunge bei Erwachsenen. Im klinischen Studienprogramm zeichnete sich Quinsair® durch eine hohe Effektivität und gute Verträglichkeit aus. In der Nicht-UnterlegenheitsVergleichsstudie mit Tobramycin in solution (TIS) wurde unter Levofloxacin in solution (LIS) der primäre Endpunkt FEV1 am Tag 28 erreicht, dass heißt, es wird eine

vergleichbare Wirksamkeit zu TIS demonstriert. Die Studie zeigt darüber hinaus eine numerische teils signifikante Überlegenheit bei sekundären Endpunkten über drei 56-tägige Behandlungszyklen: • absolute und relative Veränderung der FEV1 • Zeitspanne bis zur Exazerbation: 131 Tage vs. 90,5 Tage • weniger Hospitalisationen auf­grund einer Exazerbation: 17,5 % vs. 28 % (p=0,04) • Zeitspanne bis zur Anwendung zusätzlicher systemischer und/ oder inhalierbarer Antibiotika: 141 Tage vs. 110 Tage (p=0,04) • Reduktion der Sputumdichte von P. aeruginosa Von Vorteil für die Patienten ist die 2 × tägliche Applikation der Fertiglösung, die keine Kühlung benötigt und innerhalb von ca. 5 Minuten mithilfe des speziell für die Anwendung von Quinsair® entwickelten Zirela®-Inhalierer inhaliert werden kann. Das Gerät basiert auf dem bei vielen Patienten bereits bekannten PARI eFlow rapid, sodass keine Umstellungsprobleme zu erwarten sind. Literatur 1 Fachinformation Quinsair®, Stand März 2016 2 European Medicines Agency (EMA). European Public Assessment Report (EPAR) Quinsair® 2014 Online verfügbar unter: www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_Public_assessment_ report/human/002789/WC500187847.pdf. Zuletzt abgerufen im April 2016 3 Mowat E, Paterson S, Fothergill JL et al. Pseudomonas aeruginosa population diversity and turnover in cystic fibrosis chronic infections. Am J Respir Crit Care Med 2011;183:1674-1679 4 Stockmann C, Sherwin CM, Ampofo K et al. Development of levofloxacin inhalation solution to treat Pseudomonas aeruginosa in patients with cystic fibrosis. Ther Adv Respir Dis 2014;8:13-21 5 Smyth AR, Bell SC, Bojcin S et al. European Cystic Fibrosis Society Standards of Care: Best Practice Guidelines. J Cyst Fibros 2014;13:S23-S42

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6 Doring G, Flume P, Heijerman H et al. Treatment of lung infection in patients with cystic fibrosis: current and future strategies. J Cyst Fibros 2012;11:461-479 7 Mogayzel PJ Jr, Naureckas ET, Robinson KA et al. Cystic fibrosis pulmonary guidelines. Chronic medications for maintenance of lung health. Am J Respir Crit Care Med 2013;187:680-689 8 Cystic Fibrosis Foundation Patient Registry. 2012 Annual Date Report. Bethesda (Maryland); 2013 9 Høiby N. Recent advances in the treatment of Pseudomonas aeruginosa infections in cystic fibrosis. BMC Medicine 2011;9:32 10 LiPuma JJ. The changing microbial epidemiology in cystic fibrosis. Clin Micro Rev 2010;23:299-323 11 UK CF Trust Report 2004: www.cysticfibrosis.org.uk/media/82064/pseudomonasaeruginosa-infection-nov-04.pdf 12 Emerson J, Rosenfeld M, McNamara S et al. Pseudomonas aeruginosa and other predictors of mortality and morbidity in young children with cystic fibrosis. Pediatr Pulmonol 2002;34:91-100 13 Schwarz C. Arzneimitteltherapie der zystischen Fibrose (Mukoviszidose). Arzneimitteltherapie 2013;31:80-88 14 King P, Lomovskaya O, Griffith DC et al. In vitro pharmacodynamics of levofloxacin and other aerosolized antibiotics under multiple conditions relevant to chronic pulmonary infection in cystic fibrosis. Antimicrob Agents Chemother 2010;54:143148 15 Geller DB, Flume PA, Staab D et al. Levofloxacin inhalation solution (MP-376) in patients with cystic fibrosis with Pseudomonas aeruginosa. Am J Respir Crit Care Med 2011;183:1510-1560 16 Flume PA, VanDevanter DR, Morgan EE et al. A phase 3, multi-center, multinational, randomized, double-blind, placebocontrolled study to evaluate the efficacy and safety of levofloxacin inhalation solution (APT-1026) in stable cystic fibrosis patients. J Cyst Fibros 2016; pii: S15691993(15)00276-3. doi: 10.1016/j.jcf.2015. 12.004 [Epub ahead of print] 17 Elborn JS et al. A phase 3, open-label, randomized trial to evaluate the safety and efficacy of levofloxacin inhalation solution (APT-1026) versus tobramycin inhalation solution in stable cystic fibrosis patients. J Cyst Fibros 2015;14:507-514 18 Elborn JS, Flume PA, Cohen F et al. Safety and efficacy of prolonged levofloxacin inhalation solution (APT-1026) treatment for cystic fibrosis and chronic Pseudomonas aeruginosa airway infection. J Cyst Fibros 2016; pii: S1569-1993(16)00012-6. doi: 10.1016/j.jcf.2016.01.005 [Epub ahead of print]

Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Lärchenweg 10 91058 Erlangen E-Mail: brigitte.soellner@online.de © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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ie Prognose von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) hat sich dank der zielgerichteten Therapien und der aktuellen Weiterentwicklungen bei den Therapiekonzepten (z.B. patientenindividuelle Therapien als Teil des Verträglichkeitsmanagements und damit verlängerte Therapiedauer) in den letzten Jahren deutlich verbessert. Als leitliniengerechter Standard in der Zweitlinientherapie von GIST hat sich der Wirkstoff Sunitinib (Sutent®) etabliert [1]. Sunitinib ist aktuell der einzige zugelassene Wirkstoff nach Imatinib-Resistenz oder -Unverträglichkeit [2]. Im Rahmen der Zulassungsstudie erreichten die Patienten unter Sunitinib eine mediane Zeit bis zur Tumorprogression von 26,6 Wochen vs. 6,4 Wochen unter Placebo (p<0,001). Das mediane Gesamtüberleben verlängerte sich auf 72,7 Wochen gegenüber 64,9 Wochen in der Placebo-Gruppe (p=0,306) [3]. Wie eine Nachauswertung der größten Studie zur Erhebung von Daten aus dem Behandlungsalltag von GIST-Patienten (Treatment-UseStudie) ergab, können die Weiterführung der Therapie mit Sunitinib über den Progress hinaus sowie eine patientenindividuelle Dosierung das Gesamtüberleben der Patienten noch weiter verlängern [4]. Progress kann sehr unterschiedlich aussehen

Von Progress wird nach den RECIST-Kriterien gesprochen, wenn die Läsion im Durchmesser um mehr als 20 % gewachsen ist [5]. Neben dem radiologischen Befund bzw. der Größe spielen aber auch die Dichte und die genetische Zusammensetzung des Tumors eine Rolle für die weitere Therapieent-

Gastrointestinale Stromatumoren: Warum sich die patientenindividuelle Behandlung lohnen kann scheidung. Aufgrund dieser komplexen Zusammenhänge kann die Wahrscheinlichkeit, dass durch eine Therapieänderung eine Besserung erreicht wird, nicht so groß sein wie das Risiko, dass eine Verschlechterung eintritt. Denn „Treatment be­ yond Progression“ heißt nicht, dass die Therapie nicht mehr wirkt – sie wirkt nur auf einen Teil der Tumorzellen nicht mehr. Aus diesem Grund sollte man gut überlegen, ob man einen Patienten auf die nächste Therapielinie umstellt. Individuelle Behandlung: Positive Effekte auf PFS und OS

Die Nachauswertung der Treatment-Use-Studie zu GIST analysierte daher auch die Fragen, die in der Zulassungsstudie zu Sunitinib zunächst nicht beantwortet werden konnten. Nämlich: Welche Auswirkungen hat eine patientenindividuelle Therapieanpassung? Und lohnt sich eine Therapie über den Progress hinaus? In der Zulassungsstudie erlaubte es ein Amendement, vom initialen Dosierungsschema (50 mg/Tag, 4 Wochen Behandlung, 2 Wochen Pause) abzuweichen, um die Verträglichkeit zu verbessern und somit die Therapie patientenindividuell anzupassen. Dies wurde bei 1.124 Teil-

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nehmern realisiert. In einer Posthoc-Analyse wurde verglichen, wie sich bei Progress des GIST eine Weiterführung der Sunitinib-Behandlung oder ein Therapieabbruch auswirkten. 380 der 1.124 Patienten der Intention-to-treat-Population setzten die Sunitinib-Therapie über den Progress hinaus fort, 324 Patienten beendeten die Behandlung bei Progress. Bei den mit Sunitinib weiterbehandelten Patienten war das mediane Gesamtüberleben mit 22,8 Monaten (95%-KI 20,4–24,7) deutlich länger als bei den Patienten, die die Therapie bei Eintritt einer Progression abgebrochen hatten (13,2 Monate; 95%-KI 11,7–14,5), ohne dass bei der Fortsetzung der Therapie zusätzliche Toxizitäten auftraten. Dies lässt den Schluss zu, dass eine Sunitinib-Therapie des GIST über den Progress hinaus sinnvoll sein kann. Zusätzlich zeigte sich, dass eine individuell angepasste SunitinibDosierung zu einem verlängerten Gesamtüberleben bei besserer Verträglichkeit führen kann: Ein Wechsel vom 4/2-Therapieschema (50  mg) auf eine kontinuierliche Behandlung mit täglich 37,5  mg Sutinib verlängerte die Zeit bis zur Progression auf 12,7 Monate (95%KI: 11,1–14,1) vs. 5,2 Monate (95 %KI: 4,4–5,5) und das Gesamtüber© VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Hautmonitoring bei Polycythaemia vera – ein wichtiger Beitrag zum Behandlungserfolg

leben auf 23,5 Monate (95%-KI 21,8–27,2) versus 11,1 Monate (95%-KI 9,9–12,5) Insgesamt brachen die Patienten, die eine individualisierte Therapie erhielten, die Behandlung seltener aufgrund von Nebenwirkungen ab [4]. Fazit

Angesichts dieser positiven Ergebnisse ist für Studienleiter PD Dr. med. Peter Reichardt vom Helios Klinikum Berlin-Buch eine individualisierte Therapie mit Sutinib unerlässlich: „Wichtig ist vor allen Dingen, dass man für jeden Patienten die beste Dosierung und den besten Schedule findet. Wenn man wegen der Nebenwirkungen die Therapie anpassen muss, dann geht das nicht zwangsläufig mit einer Verschlechterung des Therapieerfolgs einher. Einen kleinen Effekt hinsichtlich der Nebenwirkungen wollen wir aber sehen, denn sie dienen als Spiegelbild für den Therapieerfolg und können als Surrogat herangezogen werden. Solange man die Tumoren gut kontrolliert, können Patienten mit GIST ein normales Leben führen.“ Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 DGHO Leitlinien. Empfehlungen der Fachgesellschaft zur Diagnostik und Therapie hämatologischer und onkologischer Erkrankungen, 2011. Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) 2 Fachinformation Sutent®, Stand Juni 2015 3 ESMO/European Sarcoma Network Working Group. Ann Oncol 2014;25 (Suppl 3):iii21–iii26 4 Reichardt P et al. Clinical outcomes of patients with advanced gastrointestinal stromal tumors: safety and efficacy in a worldwide treatment-use trial of sunitinib. Cancer 2015;121:1405-1413 5 Therasse P, Arbuck SG, Eisenhauer EA et al. New guidelines to evaluate the response to treatment in solid tumors. J Natl Cancer Inst 2000;92:205-216

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olycythaemia vera (PV) ist eine seltene Blutkrebserkrankung. Im Mittelpunkt steht eine mutationsbedingte Überaktivität der Tyrosinkinase JAK 2, durch die es unter anderem zu einer unkontrollierten Überproduktion von Erythrozyten kommt. Die damit einhergehende Hyperviskosität des Blutes führt bei den Betroffenen zu einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse. Das Beschwerdebild der PV ist komplex und umfasst unter anderem Fatigue, Pruritus und Schlaflosigkeit. Das Risiko, an thromboembolischen Komplikationen zu versterben, ist bei PV-Patienten vierfach erhöht. Wichtigste Therapieziele sind die Senkung des Hämatokrits unter 45 % zur Vermeidung thromboembolischer Komplikationen sowie die Reduktion der belastenden Symptome. Als zytoreduktive Standardtherapie der PV hat sich Hydroxycarbamid (Hydroxyurea, HU) etabliert. Unter dieser Behandlung erreicht eine Mehrzahl der PV-Patienten eine Kontrolle der Erythrozytose und Thrombozytose; allerdings kann es mit zunehmender Behandlungsdauer zu vermindertem Ansprechen sowie zu Hauttoxizitäten als Anzeichen einer HU-Intoleranz kommen [1]. Wichtiger Bestandteil einer optimalen Behandlung der PV ist da-

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her ein therapiebegleitendes Hautmonitoring, um eine HU-Intoleranz frühzeitig zu erkennen. Symptome der HU-Intoleranz

Patienten mit Intoleranz gegenüber HU weisen ein vielschichtiges Beschwerdebild auf. Dieses umfasst unter anderem Beinulzera, gastrointestinale Beschwerden, Pneumonitis sowie Alopezie. Mukokutane Manifestationen sind insbesondere aktinische Keratosen und Mundschleimhautulzerationen; zudem kann die Behandlung mit HU die Entstehung von Plattenepithelkarzinomen fördern [2]. Eine mögliche Assoziation zwischen der Behandlung mit HU und dem Auftreten von Hauttoxizitäten wurde in einer nicht interventionellen bizentrischen Studie untersucht, an der 110 Patienten mit myeloproliferativen Neoplasien (primäre Myelofibrose, essenzielle Thrombozytopenie, Polycythae­ mia vera, unklassifizierte MPN) teilnahmen [3]. Patienten unter HU zeigten im Vergleich zu Patienten ohne HU-Therapie ein vermehrtes Auftreten von Hauttoxizitäten (54 % vs. 8 %). Beinulzera (n=12), Basalzellkarzinome (n=3) und Plattenepithelkarzinome (n=2) wurden nur bei Patienten unter © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

HU-Therapie beobachtet. Bei etwa 15 % der Teilnehmer waren Hauttoxizitäten die Ursache für einen Behandlungsabbruch [3]. Therapie mit HU erfordert Hautmonitoring

Diese Studienergebnisse legen eine erhöhte Inzidenz HU-assoziierter Hauttoxizitäten nahe und unterstreichen den Bedarf eines Hautmonitorings bei PV-Patienten unter HU-Therapie. Patienten sollten zunächst umfassend durch den behandelnden Hämatologen aufgeklärt werden. So lässt sich durch regelmäßige Basis-Hautpflege und ausreichenden Sonnenschutz das Risiko für Hautmanifestationen senken. Einen weiteren wichtigen Pfeiler der optimalen HU-Therapie stellt ein regelmäßiges dermatologisches Monitoring dar. Dies beinhaltet eine umfassende Anamnese mit Fokus auf Hauttyp und beste-

Afinitor® jetzt auch zur Behandlung von bestimmten fortgeschrittenen GI- und Lungen-NET zugelassen Am 06. Juni 2016 hat die Europäische Kommission Afinitor® (Everolimus) zur Behandlung von progressiven, inoperablen oder metastasierten, gut differenzierten (Grad 1 oder Grad 2), nicht funktionellen neuroendokrinen Tumoren (NET) des Gastrointestinaltrakts oder der Lunge bei erwachsenen Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung zugelassen. Everolimus ist die erste und derzeit einzige, in

hende Erkrankungen, insbesondere Hautkrankheiten und Diabetes. Dermatologen sollten Patienten unter HU-Therapie gezielt zu Hautund Schleimhautbeschwerden befragen sowie mindestens einmal im Jahr eine vollständige körperliche Untersuchung durchführen, um eine HU-Intoleranz frühzeitig zu erkennen.

der PV-Symptome wie Pruritus und Fatigue [5]. Zusammen mit der Entwicklung klarer Empfehlungen zum dermatologischen Monitoring unter HU-Therapie trägt Ruxolitinib zu einer verbesserten Behandlungsperspektive für PV-Patienten bei. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur

Für erwachsene PV-Patienten mit HU-Intoleranz steht seit März 2015 der Januskinase-1/2-Inhibitor Ruxolitinib (Jakavi®) als Behandlungsoption zur Verfügung [4]. Ruxolitinib ermöglicht eine effektive Hämatokritkontrolle und kann somit das Risiko für thromboembolische Komplikationen senken. Außerdem führt die Behandlung mit dem JAK-Inhibitor zu einer anhaltenden Reduktion belasten-

1 Lengfelder E, Baerlocher GM, Gisslinger H et al. DGHO-Leitlinie „Polycythaemia Vera (PV)“. Stand März 2016 2 Barbui T, Barosi G, Birgegard G et al. Philadelphia-negative classical myeloproliferative neoplasms: critical concepts and management recommendations from European LeukemiaNet. J Clin Oncol 2011;29: 7617702 3 Griesshammer M, Stegelmann F, Schauer S et al. Hydroxyurea significantly increases skin toxicity in patients with myeloproliferative neoplasms: results of a non-interventional observational trial of 110 MPN patients. Oncol Res Treat 2014;37(Suppl 5): Abstract V617 4 Fachinformation Jakavi®, Stand Februar 2016 5 Vannucchi AM, Kiladjian JJ, Griesshammer M et al. Ruxolitinib versus standard therapy for the treatment of polycythemia vera. N Engl J Med 2015;372:426-435

allen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) – Island und Norwegen eingeschlossen – zugelassene Therapie für diese Art von Lungen-NET und eine der wenigen Therapieoptionen für diese Art von GI-NET. Damit wird die bis dato bestehende therapeutische Lücke geschlossen. Grundlage für die Zulassung seitens der Europäischen Kommission waren die Daten der Phase-III-Studie RADIANT-4, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von Everolimus bei Patienten mit progressiven, inoperablen oder metastasierten, lokal fortgeschrittenen, gut differenzierten (G1 oder G2), nicht funktionellen NET des GI-Trakts oder der Lunge gegen Placebo untersucht wurden. Unter der Behand-

lung mit Everolimus zeigte sich ein um 7,1 Monate verlängertes medianes progressionsfreies Überleben versus Placebo (median 11,0 Monate für Everolimus [95%-KI: 9,2– 13,3; zentrale Auswertung] versus 3,9 Monate in der Vergleichsgruppe [95%-KI: 3,6–7,4]). Zudem reduzierte sich das Progressionsrisiko gegenüber Placebo um 52 % (HR=0,48; 95%-KI: 0,35–0,67; p<0,00001). Die häufigsten Nebenwirkungen aller Grade (Inzidenz ≥20 %) unter Everolimus waren im Vergleich zu Placebo Stomatitis (63 % vs. 19 %), Diarrhö (31 % vs. 16 %), Fatigue (31 % vs. 24 %), Infektionen (29 % vs. 4 %), Hautausschlag (27 % vs. 8 %) und periphere Ödeme (26 % vs. 4 %). E. W.

Ruxolitinib: hohe Wirksamkeit bei HU-Intoleranz

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Behandlung des Hormonrezeptor-positiven, HER2/neu-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinoms

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rustkrebs ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen: Etwa jede 8. Frau ist im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Das Mammakarzinom bildet mit 30,8 % nach wie vor auch den größten Anteil tumorbedingter Sterbefälle bei Frauen in Deutschland [1]. Verbesserte Optionen in Diagnose und Therapie

Die Situation hat sich in den vergangenen 30 Jahren durch Fortschritte hinsichtlich Prävention, Diagnose und Therapie dieser Erkrankung deutlich verbessert. Mit dem Einsatz moderner bildgebender Verfahren sowie Früherkennungsprogrammen werden viele Karzinome inzwischen in früheren Stadien entdeckt: Nach 2015 in den USA publizierten Daten erfolgt bei 61 % Prozent der Brustkrebsfälle eine Diagnose im lokalisierten Stadium (ohne Lymphknotenbeteiligung oder Ausbreitung in brustfremdes Gewebe) mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 99 %. Hatte das Mammakarzinom bereits in Gewebe oder Lymphknoten der Achselhöhle gestreut (regionales Stadium), betrug die 5-JahresÜberlebensrate 85 %, bei Ausbreitung in schlüsselbeinnahe oder

weiter entfernte Lymphknoten oder Organe nur noch 25 % [2]. Das Robert-Koch-Institut beschreibt für Deutschland die Ausdehnung des Primärtumors (T0–T4) bei Erstdiagnose: 52 % der Patientinnen wiesen bei Feststellung das Stadium T1 (Tumor <2 cm) auf, 37 % T2 (>2 <5 cm), 5 % T3 (>5 <10 cm) und 6 % T4 (Tumor in Brustwand oder Haut eingewachsen) [1]. Insgesamt leben in Deutschland 5 Jahre nach der Erstdiagnose noch 87% der Betroffenen [1]. Bei 5–10 % der Patientinnen ist der Brustkrebs bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose fernmetastasiert [3]. Trotz großer Fortschritte in der adjuvanten Therapie treten zudem bei etwa 20 % der Patientinnen im Verlauf der Erkrankung Fernmetastasen auf [4, 5]. Damit ist die Therapie in der Regel dann palliativ [6]. Therapie des HR-positiven Mammakarzinoms in der fortgeschrittenen Situation

Die endokrine Therapie stellt heute für Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom, positivem Hormonrezeptorstatus und nicht lebensbedrohlicher Erkrankungssituation den ersten Therapieschritt dar; Ausnahme ist eine vitale Bedrohung oder Bedrohung von

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Organfunktionen durch die Metastasierung [6, 7]. Die Remissionsraten der endokrinen Therapie liegen bei etwa 30–40 % [6]. Im Vergleich zur Chemotherapie sind die Nebenwirkungen geringer und die Remissionsdauer ist länger [6]. Bei HER2-positivem (HER2 = Human Epidermal Growth Factor Receptor 2) Karzinom wird die endokrine Therapie in Kombination mit einer anti-HER2-Therapie durchgeführt. Die palliative endokrine Therapie wird bis zur Resistenz oder Progression unter endokriner Therapie fortgeführt [6, 7]. Bis die Wirkung der endokrinen Therapie einsetzt, muss ein Zeitraum von etwa 10–12 Wochen eingeplant werden [8]. Eingesetzt werden gemäß der aktuellen Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) für die endokrine Therapie des fortgeschrittenen, HRpositiven Mammakarzinoms unter anderem Aromatase-Inhibitoren (AI), Tamoxifen oder Fulvestrant [7]. Die Therapie des Mammakarzinoms erfolgt dabei bereits in starkem Maße individualisiert unter Berücksichtigung mehrerer Einflussfaktoren. Zum einen spielen Charakteristika der Erkrankung – beispielsweise Anzahl der Vortherapien, Aggressivität der Erkrankung oder der Rezeptorstatus © VERLAG PERFUSION GMBH


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– eine Rolle. Zum anderen werden auch Patientencharakteristika wie Alter, Lebensqualität, Komorbiditäten, Menopausenstatus und Residualtoxizitäten für die Therapiewahl berücksichtigt [8]. Eine Chemotherapie ist beim metastasierten Mammakarzinom effektiv, aber mit mehr Nebenwirkungen als die endokrine Therapie belastet. Ein Ziel ist daher, im fortgeschrittenen Stadium den Einsatz der Chemotherapie so lange wie möglich hinauszuzögern. Empfohlen wird bei niedrigem Remissionsdruck gemäß AGO die endokrine Therapie vor der Chemotherapie bis zur Progression oder Resistenz [7]. Sie ist auch angezeigt, wenn aufgrund einer fortgeschrittenen, organgefährdenden Metastasierung oder einer sehr hohen Progressionsdynamik schnell eine Remission erzielt werden soll [6]. Bei HER2-positivem Karzinom wird die Chemotherapie in Kombination mit einer anti-HER2-Therapie durchgeführt [6]. Besteht aufgrund einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung ein hoher Remissionsdruck, hat die Polychemotherapie ihren Stellenwert, wenn der Allgemeinzustand der Patientin es zulässt [9]. Diese ist jedoch meist mit starken Nebenwirkungen verbunden, die sich weiter auf den Allgemeinzustand und die Lebensqualität der Patientin auswirken können. Problem bei endokriner Therapie: Resistenzentwicklung und Tumorprogression

Ungefähr 50 % der Patientinnen mit fortgeschrittenem HR+, HER2/ neu-negativem Mammakarzinom sprechen nicht auf die initiale endokrine Therapie an. Zusätzlich entwickeln nahezu alle Patientin-

nen, die auf eine endokrine Therapie ansprachen, eine Resistenz [10, 11]. Gerade in diesem Bereich werden neue Therapieoptionen für die Patientinnen benötigt. In präklinischen und klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass bei der Resistenzentwicklung und Tumorprogression die Überaktivierung des PI3K/AKT/mTORSignalwegs* eine entscheidende Rolle spielt. Die Strategie des dualen Wirkansatzes mit kombinierter mTOR- und Aromatase-Inhibition zielt darauf ab, die Resistenz zu überwinden und die Zellproliferation zu hemmen [12-15]. Zielgerichtete Therapie: Positive Bewertung auf hohem Evidenzniveau in den AGO-Leitlinien

Eine zielgerichtete Therapie (targeted therapy) ist mit dem Wirkstoff Everolimus (Afinitor®) möglich, der zur Medikamentenklasse der mTOR-Inhibitoren gehört und seit dem 23. Juli 2012 für Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs zur Verfügung steht [16]. Aufgrund der positiven Daten der zulassungsrelevanten Studie BOLERO-2 [17] wurde Everolimus in Kombination mit Exemestan zur Therapie des HR+, HER2/neunegativen, fortgeschrittenen Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen ohne symptomatische viszerale Metastasierung zugelassen, nachdem es zu einem Rezidiv oder einer Progression nach einem nicht steroidalen Aromatase-Inhibitor (NSAI) gekommen ist. Damit ist Everolimus der erste und einzige zugelassene mTOR-Inhibitor * PI3K = Phosphoinositid-3-Kinase, AKT = aktivierte Proteinkinase B, mTOR = mammalian target of rapamycin (Ziel des Rapamycins im Säugetier)

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beim fortgeschrittenen Mammakarzinom [18]. Ebenfalls basierend auf den positiven Studiendaten hat die AGO die Kombination aus Everolimus und Exemestan bereits 2013 in ihre Empfehlungen (Bereich „endokrine Therapie der postmenopausalen Patientin mit HER2/neu-negativem, metastasiertem Mammakarzinom“) aufgenommen und in den Folgejahren ununterbrochen empfohlen [7, 19]. Auch 2016 wurde die Kombination Everolimus plus Exemestan erneut von der AGO als eine Standardoption in der endokrinen Therapie aufgeführt [20]: Sie erhält in den aktuellen Empfehlungen eine positive Bewertung auf hohem Evidenzniveau (Level of Evidence 1b, Oxford-Empfehlungsgrad A, Empfehlungsgrad +). Die neuen AGO-Empfehlungen sprechen keine separaten Empfehlungen mehr für die Erst- oder Zweitlinientherapie aus. Vielmehr sollte die endokrine Therapie individuell an Alter und Komorbiditäten der Patientin sowie Vortherapien und Zulassungsstatus angepasst werden. Auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) empfiehlt in ihrer derzeit gültigen Leitlinie für die palliative endokrine Therapiesituation die Gabe von Everolimus vor dem Hintergrund der signifikanten Verlängerung des PFS [6]. Die Zulassung von Everolimus plus Exemestan, die für die Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms einen Durchbruch darstellt und sich inzwischen in der Praxis etabliert hat [21, 22], zieht Veränderungen im bisherigen Therapiealgorithmus nach sich. Im Rahmen der interaktiven Wissens- und Weiterbildungsinitiative „Mammakarzinom im Dialog“ haben führende Experten den © VERLAG PERFUSION GMBH


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Asymptomatische Patientin

Endokrine Therapie, präferenziell Everolimus plus Exemestan

Fortführung ET bis Progression oder Resistenz

Entscheidungskriterien

Symptomatische Patientin Die Inhalte der Abbildung beruhen auf Expertenmeinungen. Beteiligte Experten in alphabetischer Reihenfolge: Prof. Dr. P. Fasching, Prof. Dr. E. Grischke, Prof. Dr. N. Harbeck, Prof. Dr. W. Janni, Dr. H.C. Kolberg

Keine akute vitale Gefährdung

Everolimus plus Exemestan und ggf. symptomatische Therapie

Akute vitale Gefährdung*

ChemoTherapie

*schließt Patientinnen mit symptomatischen viszeralen Metastasen mit ein

Bildunterschrift: Therapieentscheidung nach endokriner Vorbehandlung mitAromatase-Inhibitoren nicht-steroidalen Aromatase-Inhibitoren beim Abbildung 1: Therapieentscheidung nach endokriner Vorbehandlung mit nicht steroidalen beim HR+, HER2/neu-negatiHR+, HER2-negativen Mammakarzinom. ven Mammakarzinom. Die Inhalte der Abbildung beruhen auf Expertenmeinungen. Beteiligte Experten in alphabetischer Reihenfolge: Prof. Dr. P. Fasching, Prof. Dr. E. Grischke, Prof. Dr. N. Harbeck, Prof. Dr. W. Janni, Dr. H.C. Kolberg.

Therapiealgorithmus beim HR+, HER2/neu-negativen, fortgeschrittenen Mammakarzinom diskutiert. Für die beteiligten Experten ist ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Einsatz von Everolimus plus Exemestan die Symptomatik: Bei der asymptomatischen Patientin ist die endokrine Therapie oder präferenziell die Therapie mit Everolimus plus Exemestan Mittel der Wahl (Abb. 1). Bei der symptomatischen Patientin sollte dagegen differenziert vorgegangen werden: Liegt eine vitale Gefährdung vor, wie z.B. bei Patientinnen mit symptomatischen viszeralen Metastasen, kann in Kongruenz zu den AGO- und DGHO-Leitlinien auf die Chemotherapie weiterhin nicht verzichtet werden. Für Patientinnen dagegen, die symptomatisch, aber nicht vital bedroht sind, sehen die beteiligten Experten die Therapie mit Everolimus plus

Exemestan, ggf. kombiniert mit zusätzlicher symptomatischer Therapie, als innovative und effektive Option an [23]. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Robert Koch-Institut (Hrsg.), Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg.). Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Krebs in Deutschland 2011/2012, 10. Ausgabe, 2015. Online unter: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/ Krebs_in_Deutschland/kid_2015/krebs_ in_deutschland_2015.pdf?__ blob=publicationFile. Letzter Zugriff: 19.05.2016 2 American Cancer Society. Cancer Facts & Figures 2015. Atlanta: American Cancer Society; 2015 3 Buckley N, Isherwood A: Breast cancer. Decision Resources March 2011:1-301 4 Brewster AM et al. Residual risk of breast cancer recurrence 5 years after adjuvant therapy. J Natl Cancer Inst 2008;100:11791183 5 MBC Advocacy Working Group: Bridging gaps, expanding outreach: Metastatic

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Breast Cancer Advocacy Working Group consensus report. The Breast 2009;18:273275 6 Onkopedia Leitlinien der DGHO, Leitlinie Mammakarzinom der Frau, Stand Mai 2016. Online unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/mammakarzinom-der-frau/@@view/html/index. html. Letzter Zugriff: 19.06.2016 7 Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO): Guidelines Breast Version 2015. Diagnostik und Therapie primärer und metastasierter Mammakarzinome: Endokrine und zielgerichtete Therapie des metastasierten Mammakarzinoms. Online unter: http://www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/maerz2015/de/2015D_Alle_aktuellen_Empfehlungen.pdf. Letzter Zugriff: 19.05.2016 8 Gerber B et al. Rezidiviertes Mammakarzinom: Therapiekonzepte zum Erhalt der Lebensqualität. Dtsch Ärztebl Int 2010;107:85-91 9 Müller V. Metastasiertes Mammakarzinom – Stellenwert der Monochemotherapie. CME Gynäkologie und Geburtshilfe. Stuttgart: Thieme; 2011 10 Normanno N et al. NCI-Naples Breast Cancer Group. Mechanisms of endocrine resistance and novel therapeutic strategies in breast cancer. Endocr Relat Cancer 2005;12:721-747 11 Osborne CK, Schiff R. Mechanisms of endocrine resistance in breast cancer. Annu Rev Med 2011;62:233-247

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12 Johnston SR et al. Clinical efforts to combine endocrine agents with targeted therapies against epidermal growth factor receptor/human epidermal growth factor receptor 2 and mammalian target of rapamycin in breast cancer. Clin Cancer Res 2006;12:1061S-1068S 13 Baselga J et al. Phase II randomized study of neoadjuvant everolimus plus letrozole compared with placebo plus letrozole in patients with estrogen receptor-positive breast cancer. J Clin Oncol 2009;27:26302637 14 Beeram M et al. Akt-induced endocrine therapy resistance is reversed by inhibition of mTOR signaling. Ann Oncol 2007;18:1323-1328 15 Boulay A et al. Dual inhibition of mTOR and estrogen receptor signaling in vitro induces cell death in models of breast cancer. Clin Cancer Res 2005;11:5319-5328 16 Fachinformation Afinitor®, Stand März 2015 17 Yardley DA et al. Everolimus plus exemestane in postmenopausal patients with HR+ breast cancer: BOLERO-2 final progression free survival analysis. Adv Ther 2013;30:870-884 18 Sicking I, Schmidt M. Metastasiertes Mammakarzinom: Biologisch stratifizierte Therapie (zertifizierte Fortbildung). Gynäkologie & Geburtshilfe 2015;20:37-43 19 Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO): Guidelines Breast Version 2013.1D. Diagnostik und Therapie primärer und metastasierter Mammakarzinome: Endokrine und zielgerichtete Therapie des metastasierten Mammakarzinoms. Online unter: http://www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/2013_02_Februar/AGO_Mamma_2013/pdf/AGO_Version_2013_D.pdf. Letzter Zugriff: 19.05.2016 20 Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO): Guidelines Breast Version 2016. Diagnostik und Therapie primärer und metastasierter Mammakarzinome: Endokrine und zielgerichtete Therapie des metastasierten Mammakarzinoms. Online unter: http://www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/Maerz2016/de/2016D%2019_%20Endokrine%20und%20zielgerichtete%20Therapie%20metastasiertes%20Mammakarzinom.pdf. Letzter Zugriff: 19.05.2016 21 Lueftner D et al. Breast cancer treatment with everolimus and exemestane for ER+ women: Results of the first interim analysis of the noninterventional trial BRAWO. ASCO 2014; Poster #578 22 Fasching PA et al. Breast cancer treatment with everolimus and exemestane for ER+ women – Results of the 2nd interim analysis of the non-interventional trial BRAWO. ESMO 2014; Oral presentation, Abstr. #LBA9 23 Arnheim K. Fortgeschrittenes hormonrezeptorpositives, HER2-negatives Mammakarzinom: Überzeugende Daten zu Everolimus in Kombination mit Exemestan. Therapie aktuell zum Dtsch Ärztebl 2014; Heft 06 vom 07.02.2014

Prophylaxe der febrilen Neutropenie:

Pegfilgrastim erhält erneut Doppelplus-Bewertung In den aktuellen Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) wurde der Stellenwert von Pegfilgrastim (Neulasta®) erneut bestätigt: Der langwirksame Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktor (G-CSF) Pegfilgrastim erhielt im Bereich Supportivtherapie wie in den vergangenen Jahren die höchste Evidenzstufe (Oxford Grade of Recommendation A) und den höchsten AGO-Empfehlungsgrad (++). Eine leitliniengerechte Neutropenie-Prophylaxe als supportive Therapie bei der Behandlung des Mammakarzinoms ist wichtig, denn febrile Neutropenien sind mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden. Überdies kann eine Dosisreduktion bei der Chemotherapie oder auch eine Behandlungspause mit Verschiebung des nächsten Zyklus erforderlich werden, was den weiteren Therapieerfolg gefährdet. Pegfilgrastim trägt dazu bei, die Dauer von Neutropenien und die Häufigkeit febriler Neutropenien, die unter zytotoxischen Chemotherapien zur Behandlung maligner Erkrankungen vermehrt auftreten können, zu vermindern. Die Patienten profitieren zudem von der einmaligen subkutanen Injektion von Pegfilgrastim an Tag 2 eines Chemotherapie-Zyklus. Für Pegfilgrastim, das seit 2002 zugelassen ist, stehen umfangreiche klinische Erfahrungen zur Verfügung: Mehr als 30 klinische Studien bei über 10 Tumorarten

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wurden abgeschlossen. Mit einer Anzahl von mehr als 4 Millionen behandelten Patienten und der Zulassung in mittlerweile 98 Ländern liegt daher eine solide Evidenz für die weitere klinische Anwendung des bewährten G-CSF vor. E. W.

Anakinra – jetzt mit dünnerer Nadel und als latexfreie Spritze Der rekombinante Interleukin1-Rezeptorantagonist Anakinra (Kineret®) wird ab sofort mit einer neuen Nadel ausgeliefert: Die dünnere Nadel mit der Stärke 29 G ersetzt die bisherige Nadel mit der Stärke 27 G. Darüber hinaus ist die Spritze ab sofort latexfrei. Anakinra ist zugelassen zur Behandlung der Symptome der rheumatoiden Arthritis (RA) bei Erwachsenen in Kombination mit Methotrexat, die nur unzureichend auf Methotrexat allein ansprechen sowie zur Behandlung von Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndromen (CAPS) bei Erwachsenen, Jugendlichen, Kindern und Kleinkindern ab 8 Monaten mit einem Körpergewicht von mindestens 10 kg, einschließlich: • Neonatal-Onset Multisystem Inflammatory Disease / Chronisches infantiles euro-kutaneoartikuläres Syndrom • Muckle-Wells-Syndrom • Familiäres kälteinduziertes autoinflammatorisches Syndrom Anakinra bindet an den IL-Rezeptor vom Typ 1, der in einer Vielzahl von Geweben und Organen exprimiert wird, und hemmt so die biologische Aktivität von IL-1. Als Botenstoff spielt IL-1 eine zentrale Rolle Entzündungen und autoinflammatorischen Erkrankungen. E. W. © VERLAG PERFUSION GMBH


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ei Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen lindert die Anwendung einer Schmerzsalbe mit hochdosiertem Wirkstoffkomplex aus der speziell selektierten Arzneipflanze Trauma-Beinwell (Traumaplant®) wirksam Schmerzen, Schwellungen und Entzündungsprozesse – und fördert durch ihren Repair-Effekt die Heilung begleitender offener Schürfwunden. Allantoin beschleunigt die Wundheilung

Beinwell (Symphytum) besitzt ausgeprägte schmerzlindernde, abschwellende und entzündungshemmende Eigenschaften. Für die Herstellung der Traumaplant®Schmerzsalbe wird exklusiv eine speziell für medizinische Zwecke angebaute Hochleistungssorte Symphytum × uplandicum NYMAN HARRAS (TraumaBeinwell, Abb. 1) verwendet, die einen besonders hoch dosierten Wirkstoffkomplex mit Allantoin enthält. Dieser Inhaltsstoff fördert die Wundheilung, indem er die Neubildung und Regeneration von Zellen und Gewebe stimuliert. Dies ist von zentraler Bedeutung für die Alltagsanwendung, denn sehr häufig gehen stumpfe Traumen wie Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen mit begleitenden offenen Schürfwunden einher. Herkömmliche Schmerzsalben können im Wundbereich lokale Hautreizungen verursachen, sodass ihre Anwendung bei Vorliegen von Schürfwunden limitiert ist. Im Gegensatz dazu zeichnet sich Traumaplant® durch eine exzellente Hautverträglichkeit aus und ist die einzige Schmerzsalbe, die zur Behandlung von stumpfen Traumata auch bei begleitenden offenen – gründlich

Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen mit begleitenden Schürfwunden:

Trauma-Beinwell fördert die Heilung

gereinigten – Schürfwunden aufgetragen werden darf. Die wundheilungsfördernden Eigenschaften von Trauma-Beinwell wurden durch eine randomisierte, kontrollierte klinische Doppelblindstudie mit 278 Patienten mit frischen Schürfwunden belegt: Bei Anwendung der TraumaBeinwell-Schmerzsalbe kam es im Vergleich zu einer niedriger dosierten, aber ansonsten identischen Wirkstoffzubereitung (10 % im Verum vs. 1 % Wirkstoff im Vergleichspräparat) zu einer hochsignifikanten und klinisch relevanten schnelleren Verkleinerung der Wundfläche. Die Wunden unter Traumaplant®-Applikation waren 3 Tage schneller abgeheilt als unter dem niedriger dosierten Ver­ gleichspräparat. Dabei wurden keine Nebenwirkungen beobachtet. Entzündungen und Schwellungen klingen rascher ab

Die antiphlogistischen und antiinflammatorischen Wirkungen der pflanzlichen Schmerzsalbe bestätigte eine Doppelblindstudie mit 203 Patienten mit akuter Sprunggelenksdistorsion. Unter der Trauma-Beinwell-Schmerzsalbe waren Bewegungs- und Ruheschmerz bereits nach 3–4 Tagen hochsignifikant und klinisch relevant reduziert, die Gelenkbeweglichkeit hatte signifikant zugenommen und Gelenkschwellungen waren deutlich zurückgegangen. Die Wirk-

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Abbildung 1: Symphytum × uplandicum NYMAN HARRAS (Quelle: Klosterfrau Gesundheitsservice).

samkeit der Trauma-BeinwellSchmerzsalbe wurde von rund 90 % der behandelnden Ärzte als gut bis sehr gut bewertet und der Wirkungseintritt von rund 80  % der Therapeuten als schnell bis sehr schnell angegeben. Bei Myalgien schneller wieder beweglich

Auch Patienten mit Myalgien profitieren von der Behandlung mit der Trauma-Beinwell-Schmerzsalbe. In einer klinischen Studie mit 215 Patienten mit Muskelschmerzen im Rückenbereich wurde unter der Behandlung mit Traumaplant® bereits nach 4–5 Tagen eine gegenüber Placebo signifikant stärkere Abnahme der Bewegungsschmerzen dokumentiert. Elisabeth Wilhelmi, München © VERLAG PERFUSION GMBH


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ie primär biliäre Cholangitis (PBC) ist eine autoimmun vermittelte, cholestatische Lebererkrankung. Sie führt zur Entzündung der intrahepatischen Gallenwege, die für den Transport der Gallensäuren aus der Leber zuständig sind; die Folge ist eine Cholestase. Bei Fortschreiten der Erkrankung kommt es zum toxischen Aufstau von Gallensäuren. Dies wiederum kann die progressive Schädigung von Lebergewebe, d.h. heißt zunächst einen fibrotischen Umbau und schließlich eine Leberzirrhose, zur Folge haben [1]. In Europa gehen etwa 6 % aller Lebertransplantationen auf die PBC zurück [2]. Mit einer Prävalenz von 13,5 auf 100.000 Einwohner stellt die PBC eine seltene Erkrankung dar [3]. Die Datenlage zur Epidemiologie ist nicht einheitlich; in Deutschland dürften nach Angaben der Deutschen Leberhilfe zwischen 4.000 und 12.000 Menschen von der PBC betroffen sein [4]. Die Krankheit betrifft überwiegend das weibliche Geschlecht. Der Frauenanteil liegt bei ca. 90% [4], der Altersgipfel zwischen 40 und 60 Jahren [5]. Unterschiedliche Verläufe und Manifestationen

Die PBC entwickelt sich in der Regel eher langsam; allerdings besteht hinsichtlich des Verlaufs sowie auch des klinischen Bilds eine große Bandbreite. Diese reicht von der asymptomatischen langsamen Progression bis hin zur ausgeprägten Symptomatik, die rasch voranschreitet. Die häufigsten typischen PBCSymptome sind Fatigue und Pruritus, die beide eine große Belastung des Patienten im Alltag darstellen können. Zu den selteneren PBCassoziierte Erkrankungen gehört

Primär biliäre Cholangitis – eine Erkrankung mit hohem Risiko und Behandlungsbedarf das Sjögren-Syndrom (Mundtrockenheit, trockene Augen) [6]. Spätkomplikationen wie Ikterus bzw. Ösophagusvarizenblutungen treten auf, wenn der Leberschaden ein weit fortgeschrittenes und zirrhotisches Stadium erreicht hat [3]. Entstigmatisierung durch Umbenennung der Erkrankung

Heute weisen die meisten PBCPatienten bei Erstdiagnose noch keine Zirrhose auf, sodass im Jahr 2015 der zuvor gebräuchliche Terminus primär biliäre Zirrhose zugunsten des Begriffs primär biliäre Cholangitis geändert wurde. Diese Umbenennung ist ein wichtiger Beitrag gegen die Verunsicherung der Betroffenen und trägt wesentlich zur Entstigmatisierung der Patienten mit PBC bei [7]. Diagnosealgorithmus hilft beim Aufspüren der PBC

Angesichts der verschiedenen Verlaufsmuster ist das Erkennen einer PBC keineswegs einfach. Per Definition müssen 2 von 3 Kriterien erfüllt sein, damit die Diagnose PBC gestellt werden kann: 1. alkalische Phosphatase (AP) erhöht über mehr als 6 Monate 2. antimitochondriale Antikörper (AMA) ≥1 : 40

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3. Leberhistologie mit Nachweis einer nicht eitrigen Cholangitis und Destruktion der interlobulären Gallenwege Die Leberbiopsie dient dabei vor allem auch der ätiologischen Abgrenzung gegenüber der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) der kleinen Gallenwege, der Sarkoidose sowie der Alkohol- und Medikamenten-induzierten Cholestase [3, 6]. Bisherige Standardtherapie greift nicht bei allen Patienten

Die derzeitige Standardtherapie der PBC ist Ursodesoxycholsäure (UDCA), weitere zugelassene Therapieoptionen stehen bisher nicht zur Verfügung. Patienten, die auf die Therapie ansprechen, profitieren durch eine klinische Verbesserung sowie Verlangsamung der Progredienz und bessere Überlebensraten [1, 6]. Allerdings sprechen etwa 40 % der Patienten nicht adäquat auf eine UDCA-Therapie an, sodass sich hier eine erhebliche therapeutische Lücke auftut. Alkalische Phosphatase und Bilirubin als harte Leitparameter

Nach Erkenntnissen der globalen PBC Studiengruppe (mehr als 6.000 Patienten zu Studienbeginn) © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

besteht eine Korrelation zwischen der Erhöhung der alkalischen Phosphatase (AP) bzw. Bilirubin und der Mortalität der PBC [6, 8]. Dies gilt sowohl für die mit UDCA behandelten Patienten als auch für die nicht therapierten. Wie in dieser großangelegten Studie gezeigt wurde, können AP und Bilirubin als Leitkriterien für die Therapie der PBC angesehen werden. Jede Absenkung dieser Parameter vermindert das Risiko für harte Endpunkte [8]. Zum Beispiel trugen Patienten, die die Responsekriterien – AP <1,67 × oberer Normwert, AP-Reduktion ≥15 % und Bilirubin im Normbereich – nicht erreichten, ein dreifach erhöhtes Risiko für Lebertransplantation und Tod [9]. Vor dem Hintergrund, dass PBC-Patienten mit inadäquatem Ansprechen auf die einzige bisher zugelassene Therapie mit UDCA ein signifikant erhöhtes Sterblichkeitsrisiko aufweisen, gibt es Hoffnung, dass sich in näherer Zukunft mit Zulassung von Substanzen auf der Basis anderer Wirkmechanismen neue therapeutische Perspektiven für die Behandlung der PBC eröffnen. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Poupon et al. J Hepatol,2010;52:745-758 2 http://www.lebertransplantation.eu/primaer-sklerosierende-cholangitis-psc/AllPages.html 3 Selmi C. Lancet 2011;377:1600-1609 4 http://www.leberhilfe.org/pbc.html 5 Reshetnyak VI. World J Gastroenterol 2015;21:7683-7708 6 Lindor KD et al. Hepatology 2009;50:291308 7 Wahl I et al. Hepatology 2015;61:1091 8 Lammers WJ et al. Gastroenterology 2014;147:1338-1349 9 Hansen B et al. Presented at EASL: PBC Monothematic Conference; Milan, Italy; 2014: Abstract 15

Primär sklerosierende Cholangitis:

Nor-Ursodesoxycholsäure reduziert s-AP-Spiegel signifikant Die Diagnose primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist für die Patienten angesichts fehlender Therapieoptionen desaströs. Das Risiko für ein Cholangio- und ein Kolorektalkarzinom ist erhöht, das mittlere transplantationsfreie Überleben liegt bei etwa 20 Jahren. Endlich eine wirksame Behandlung zu finden, gehört zu den dringendsten Herausforderungen der Hepatologie. Intensive Forschungsarbeiten haben nun Licht in die „Black box“ der Lebererkrankungen und mit der Entwicklung der modifizierten Gallensäure Nor-Ursodesoxycholsäure (norUDCA) eine vielversprechende Therapieoption auf den Weg gebracht. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen PhaseII-Studie. s-AP Spiegel signifikant reduziert

In der placebokontrollierten Studie wurden 159 Patienten mit PSC und erhöhter alkalischer Phosphatase im Serum (s-AP) über 12 Wochen randomisiert entweder mit täglich 500 mg, 1000 mg oder 1500 mg norUDCA oder Placebo behandelt. Primärer Endpunkt war die Reduktion der s-AP im Vergleich zum Ausgangswert am Ende der Behandlungsphase der ITT-Population (intention to treat). Während es im Therapiezeitraum unter Placebo zu einem Anstieg der s-APSpiegel um 1,2 % kam, reduzierten

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sie sich unter norUDCA signifikant, und zwar um 12,3 % unter 500 mg/d (p=0,0029), um 17,3 % unter 1000  mg/d (p=0,0003) und um 26,0 % unter 1500 mg/d (p<0,0001). Ähnlich sind die Ergebnisse in der Per-Protocol-Analyse: +2,9 %, –13,9 %, –21,6 % und –28,1 %. Auch der Blick auf die sekundären Endpunkte, darunter die Transaminasen ALT, AST, γ-GT und GLDH belegten den Vorteil von norUDCA. Der Anteil an Patienten mit s-AP-Spiegeln <1,5 ULN am Therapieende lag unter Placebo lediglich bei 12,5 %, unter 1000 mg/d norUDCA bei 41,5 % und unter 1500 mg/d bei 30,8 %. Kaum Juckreiz

Nebenwirkungen waren insgesamt selten und lagen auf Placeboniveau. Selbst Juckreiz war unter norUDCA kaum häufiger als unter Placebo (Placebo: 10 Patienten; norUDCA 1000 mg/d: 7 Patienten; norUDCA 1500 mg/d: 12 Patienten). „Unsere Studie zeigt, dass NorUrsodesoxycholsäure eine mögliche Behandlungsoption für Patienten mit dieser chronischen schweren Erkrankung sein könnte. Sie scheint sicher und effektiv zu sein und sollte nun in einer größeren Phase-III-Studie untersucht werden“, resümierte Studienleiter Prof. Michael Trauner, Wien, der die Ergebnisse auf dem Internationalen Leberkongress (EASL) in Barcelona präsentierte. F. S.

Quelle: EASL 2016, Late-Breaking-Session, Abstract LB02.

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as nicht kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) bildet mit einem Anteil von ca. 80  % die größte morphologische Gruppe der pulmonalen Karzinome. Innerhalb der NSCLC macht der histologische Subtyp des plat­ tenepithelialen NSCLC einen Anteil von 30 % aus [1]. Dieser Tumortyp ist charakterisiert durch eine histologisch nachweisbare Verhornung und/oder den Nachweis von Interzellularbrücken [2]. Er ist sehr schwierig zu behandeln und die Patienten im fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadium haben eine äußerst ungünstige Prognose: Im Stadium IV beträgt die 5-JahresÜberlebensrate weniger als 5 % [3]. Viele Jahre lang stellte die Platinbasierte Dublette die einzige Therapieoption in diesem Patientenkollektiv dar. Mit Necitumumab (Portrazza®) ist seit Anfang April in Deutschland nun erstmals eine zielgerichtete Therapie für Patienten mit EGFR-exprimierendem plattenepithelialem NSCLC zugelassen [4].

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Plattenepitheliales, nicht kleinzelliges Lungenkarzinom:

Signifikanter Überlebensvorteil für EGFR-positive, Chemotherapie-naive Patienten durch Necitumumab Um die antitumorale Wirkung des Anti-EGFR-Antikörpers Necitumumab zu erreichen, ist es daher für den behandelnden Arzt wichtig, das Tumorbiopsat des Patienten vorab histopathologisch auf die EGFR-Expression untersuchen zu lassen. Im Unterschied zu den Tyrosinkinasehemmern spielt der

Mutationsstatus des Rezeptors keine Rolle [4]. Vorteil gegenüber alleiniger Gemcitabin/Cisplatin-Behandlung

Die Wirksamkeit von Necitumumab wurde in der offenen,

Zielgerichteter Wirkmechanismus: EGFR als molekulares Target

Necitumumab ist ein monoklonaler, rekombinanter, humanisierter IgG1-Antikörper, der spezifisch die Ligandenbindungsstelle des Epidermal-Growth-Factor(EGF)Rezeptors blockiert (Abb. 1). Die Aktivierung des EGF-Rezeptors in Tumorzellen ist assoziiert mit verstärkter Zellproliferation, Angiogenese, Apoptose-Inhibition und Metastasierung (Abb. 1) [5]. Immunhistochemische Untersuchungen haben gezeigt, dass der EGFRezeptor bei NSCLC-Patienten mit Plattenepithelhistologie stärker exprimiert wird als beim nicht plattenepithelialem NSCLC [6].

Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung des Wirkmechanismus von Necitumumab: Der monoklonale Anti-EGFR-Antikörper auf Basis des Immunglobulin G1 weist eine hohe Affinität zum EGF-Rezeptor auf. Diese Interaktion hemmt die Rezeptoraktivierung und in der Folge die Downstream-Signalaktivierung (mod. nach Yarden et al. 2007).

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Abbildung 2: SQUIRE-Studie, Ergebnis für den primären Endpunkt: Das medianes Gesamtüberleben war unter der Kombinationstherapie aus Necitumumab (Portrazza®) plus Gemcitabin/Cisplatin um 1,7 Monate und damit signifikant länger als unter der alleinigen Chemotherapie mit Gemcitabin/Cisplatin [7].

randomisierten Phase-III-Studie SQUIRE untersucht [7]. Eingeschlossen waren 1093 Chemotherapie-negative Patienten mit plattenepithelialem NSCLC im fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadium (Stadium IV) und einem ECOG(Eastern Cooperative Oncology Group)-PerformanceStatus von 0–2. Die 545 Patienten im Behandlungsarm erhielten Necitumumab in Kombination mit einer Platinbasierten Chemotherapie (Gemcitabin/Cisplatin), die 548 Patien­ten im Kontrollarm wurden ausschließlich mit Gemcitabin/Cis­ platin behandelt. Die Dosierung bei maximal 6 Zyklen (Dauer eines Zyklus 21 Tage) betrug 1250 mg/ m2 Gemcitabin intravenös (an den Tagen 1 und 8) und 75 mg/ m2 Cisplatin intravenös (an Tag 1), im Behandlungsarm zusätzlich 800 mg Necitumumab intravenös an den Tagen 1 und 8 jeweils vor der Gemcitabin-Gabe. Nach 6 Zyklen wurde die Behandlung mit Necitumumab bei Patienten ohne Progress als Monotherapie fortgeführt. Bei Tumorprogression oder dem Auftreten nicht tolerierbarer

Abbildung 3: Auch hinsichtlich des sekundäre Endpunkt medianes progressionsfreies Überleben war die Kombinationstherapie aus Necitumumab (Portrazza®) plus Gemcitabin/Cisplatin der alleinigen Chemotherapie mit Gemcitabin/Cisplatin signifikant überlegen [7].

Toxizitäten wurde die Behandlung abgebrochen. Als primärer Studienendpunkt war das Gesamtüberleben definiert. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem das progressionsfreie Überleben, die Ansprechrate und die Zeit bis zum Therapieversagen. Nach einem medianen Follow-up von 25,2 Monaten wurde bei Patienten mit EGFR-Expression unter der Therapie mit Necitumumab ein signifikant längeres medianes Gesamtüberleben von 11,7 Monaten gegenüber 10,0 Monaten im Kontrollarm erreicht (HR 0,79, 95%KI: 0,69–0,92; p=0,002) (Abb. 2). Das progressionsfreie Überleben war unter der Antikörpertherapie ebenfalls signifikant verbessert (5,7 vs. 5,5 Monate; HR 0,84, 95%KI 0,72–0,97; p=0,018) (Abb. 3). Die Zeit bis zum Therapieversagen betrug unter Necitumumab durchschnittlich 4,3 Monate gegenüber 3,6 Monaten unter der alleinigen Chemotherapie (HR 0,84, 95%-KI 0,75–0.95; p=0,006). Die objektive Ansprechrate war in beiden Gruppen vergleichbar (31 % in der Verumgruppe, 29 % in der Kon­ trollgruppe) [7].

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Unter Necitumumab traten Nebenwirkungen, die für Anti-EGFRAntikörpertherapien charakteristisch sind, wesentlich häufiger auf als im Kontrollarm. Die häufigsten NW Grad ≥3 unter Necitumumab waren Rash (6,3 %), Hypomagnesiämie 18,7 %) und venöse thromboembolische Ereignisse (4,3 %). Wie eine Analyse des Gesundheitsstatus der Patienten zeigte, führte Necitumumab als Add-onTherapie verglichen mit einer ausschließlichen Chemotherapie bei der Mehrzahl der Patienten aber nicht zu einer Verschlechterung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität [7]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Heist RS et al. J Thorac Oncol 2012;7:924933 2 Petersen I et al., 2014 Pathologe 35:547– 556 3 Goldstraw P et al. J Thorac Oncol 2007;2: 706-714 4 Fachinformation Portrazza®, Stand: Februar 2016 5 Baselga J. Oncologist 2002;7 (Suppl 4):2-8 6 Fontanini G et al. Eur J Cancer 1995; 31A:178-183 7 Thatcher N et al. Lancet Oncol 2015;16: 763-774 © VERLAG PERFUSION GMBH


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Metastasiertes kolorektales Karzinom: Lonsurf® als neue Therapieoption

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as kolorektale Karzinom (CRC) war im Jahr 2012 mit 215.000 Todesfällen die zweithäufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle in Europa [1]. In Deutschland erkrankten 2012 rund 62.000 Menschen und fast 26.000 Patienten starben an der Erkrankung [2]. Etwa ein Viertel der Patienten hat bei der Erstdiagnose bereits Metastasen und fast die Hälfte der Patienten entwickelt im Laufe der Erkrankung Fernmetastasen [3]. Diese sind in erster Linie für die hohen Mortalitätsraten verantwortlich, denn die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC) im Stadium IV liegt nur bei etwa 11 % [4]. Es besteht daher nach wie vor ein hoher ungedeckter Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten. Die Europäische Kommission hat am 25. April 2016 das orale Zytostatikum Lonsurf® zugelassen das die Wirkstoffkombination Trifluridin/Tipiracil enthält. Die Zulassung wurde ausgesprochen für die Behandlung erwachsener Patienten mit mCRC, bei denen bisher verfügbare Therapieoptionen (Fluoropyrimidin-, Oxaliplatin- und Irinotecan-basierte Chemotherapien, Anti-VEGF- und Anti-EGFRSubstanzen) ausgeschöpft wurden oder die für diese Behandlungen nicht infrage kommen [5].

Signifikante Risikoreduktion des Sterberisikos

Die EU-Zulassung basiert auf der internationalen, doppelblinden, placebokontrollierten PhaseIII-Studie RECOURSE, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Lonsurf® plus „best supportive care“ (BSC) im Vergleich zu Placebo plus BSC bei 800 Patienten mit vorbehandeltem mCRC untersuchte [6]. Die Studie zeigte eine statistisch signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens unter Lonsurf®/BSC im Vergleich zu Placebo/BSC und erreichte damit den primären Studienendpunkt. Das relative Sterberisiko war unter Lonsurf®/BSC im Vergleich zur Kontrollgruppe um 32 % vermindert (HR=0,68; 95% KI: 0,58– 0,81; p<0,001). Eine auf dem ASCO GI-Kongress 2016 präsentierte aktualisierte

Analyse, die bei 89 % der Ereignisse durchgeführt worden war, bestätigte den klinisch bedeutsamen und statistisch signifikanten Überlebensvorteil von Lonsurf® plus BSC. Dieser manifestierte sich in einer 31%igen relativen Reduktion des Sterberisikos (HR=0,69; 95% KI: 0,59–0,81; p<0,0001) und einer zweimonatigen Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens. Dieses betrug 7,2 Monate unter Lonsurf® plus BSC versus 5,2 Monate unter Placebo plus BSC. Die 1-Jahres-Überlebensrate lag damit bei 27,1 % bei den mit Lonsurf®/ BSC behandelten Patienten und bei 16,6 % in der Placebo/BSCGruppe [7]. Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen (≥30 %) unter Lonsurf® waren Neutropenie, Leukopenie, Übelkeit, verminderter Appetit, Diarrhöe, Fatigue, Anämie und Thrombozytopenie [5].

Lonsurf® Lonsurf® ist ein orales Zytostatikum, bestehend aus der Kombination von Trifluridin (FTD) und Tipiracil (TPI). FTD ist ein antineoplastisches Nukleosid-Analogon, das direkt in die DNA eingebaut wird und dadurch die Funktion der DNA beeinträchtigt. Die FTD-Konzentration im Blut wird durch TPI, einen Inhibitor des FTD-abbauenden Enzyms Thymidin-Phosphorylase, aufrechterhal­ten [5]. Lonsurf® ist außerdem in Japan und in den USA bereits für die Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms zugelassen.

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Ospemifen – die erste hormonfreie Therapie zur Behandlung der vaginalen Atrophie

Compassionate Use Program

Bis zur Markteinführung des neuen Medikaments, die für Herbst dieses Jahres geplant ist, steht Lonsurf® betroffenen Patienten bereits im Rahmen eines Arzneimittel-Härtefallprogramms (Compassionate Use Program) zur Verfügung. Weitere Informationen zur Teilnahme eines Patienten am Compassionate Use Program erhält die behandelnde Ärztin/der behandelnde Arzt unter TAS-CUP-DE@servier.com. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Ferlay J, Steliarova-Foucher E, Lortet-Tieulent J et al. Cancer incidence and mortality patterns in Europe: estimates for 40 countries in 2012. Eur J Cancer 2013;49: 1374-1403 2 http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Darmkrebs/darmkrebs_ node.html, zugegriffen April 2016 3 Metastatic colorectal cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2014;25 (Suppl 3):iii1-iii9 4 American Cancer Society. Colorectal Cancer. http://www.cancer.org/cancer/colonandrectumcancer/detailedguide/colorectalcancer-survival-rates, zugegriffen April 2016 5 LONSURF® Summary of Product Characteristics (EMA), 2016, abgerufen am 10.06.2016 von http://www.ema.europa. eu/docs/en_GB/document_library/ EPAR_-_Product_Information/human/ 003897/WC500206246.pdf 6 Mayer R, Van Cutsem E et al. Randomized trial of TAS-102 for refractory metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2015; 372:1909-1919 7 TAS-102 versus placebo plus best supportive care in patients with metastatic colorectal cancer refractory to standard therapies: Final survival results of the phase III RECOURSE trial. J Clin Oncol 34, 2016 (Suppl 4S): Abstract 634; available at: h t t p : / / m e e t i n g l i b r a r y. a s c o . o rg / c o n tent/159397-173 Accessed February 2016

S

inkt der Östrogenspiegel nach der Menopause ab, treten im Körper einer Frau Veränderungen in unterschiedlichen Geweben auf. In gleicher Weise wie die Frauen Veränderungen ihrer Haut und Haare wahrnehmen, wird das Scheidenepithel dünner und trockener. Die Vagina verliert ihre Elastizität, wird empfindlicher und ist anfälliger für Verletzungen beim Geschlechtsverkehr. Charakteristische Symptome der vaginalen Atrophie sind Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr), Scheidentrockenheit, Juckreiz und Irritationen, Schmerzen beim Wasserlassen sowie Vaginalblutungen in Verbindung mit sexueller Aktivität. Obwohl die vaginale Atrophie bei etwa der Hälfte aller Frauen jenseits des 50. Lebensjahrs auftritt, wissen etwa 2 Drittel (63 %) nicht, dass ihre vaginalen Beschwerden behandelbar sind. Viele Frauen sind zudem zu verlegen, um über ihre Symptome zu sprechen und bis zu 3 Viertel der Betroffenen erwartet von ihrem Gynäkologen, aktiv angesprochen zu werden [1]. Bis heute steht zur Behandlung der vaginalen Atrophie nur eine begrenzte Zahl von Therapien zur Verfügung, wobei aber nicht alle Optionen – wie z.B. Hormontherapien und Feuchtigkeitscremes – für jede Frau geeignet sind. Dies gilt insbesondere für die Frauen, die für eine vaginale Estrogentherapie

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nicht infrage kommen, wie beispielsweise nach einer Mammakarzinom-Behandlung. Ospemifen (Senshio®), das erste hormonfreie, oral einzunehmende Präparat, schließt diese Lücke.

Deutliche Reduktion von Scheidentrockenheit und Dyspareunie

Ospemifen ist ein selektiver Estrogenrezeptor-Modulator (SERM), der nach Bindung an die Estrogenrezeptoren sowohl agonistische als auch antagonistische Wirkungen entfaltet. In der Vagina trägt die estrogenähnliche Wirkung dazu bei, die Vaginalzellen zu regenerieren und die natürliche Feuchtigkeit der Vagina wieder herzustellen [2]. In den zulassungsrelavanten placebokontrollierten Studien erwies sich Ospemifen als wirksam und gut verträglich [3, 4, 5]. Eingeschlossen waren gesunde postmenopausale Frauen zwischen 41 und 80 Jahren (mittleres Alter = 59 Jahre). Sie wiesen zu Studienbeginn im Vaginalabstrich ≤5,0 % oberflächliche Zellen und einen vaginalen pH-Wert >5,0 auf und litten mindestens unter einem Symptom einer mittelschweren oder schweren vaginalen Atrophie. Als koprimäre Endpunkte erfasst wurden der prozentuale Anteil von Parabasalzellen und oberflächli© VERLAG PERFUSION GMBH


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Besserung Studie 1: Trockenheit

60 mg OSP 74,6 %

Studie 2: Trockenheit

70,6 %

Studie 1: Dyspareunie

68,3 %

Studie 2: Dyspareunie

79,9 %

p=0,0101 p=0,7134 p=0,0255 p=0,0000

Rückbildung Placebo 57,7 %

60 mg OSP 66,1 %

68,2 %

61,9 %

54,1 %

57,5 %

63,9 %

63,0 %

p=0,0140 p=0,1380 p=0,0205 p=0,0140

Placebo 49,0 %

Erhebliche Besserung 60 mg OSP 42,4 %

53,2 %

46,3 %

41,8 %

40,8 %

47,4 %

52,8 %

p=0,0172 p=0,0385 p=0,0799 p=0,0006

Placebo 26,9 %

34,3 % 29,5 % 38,7 %

Tabelle 1: Prozentualer Anteil von Patientinnen mit Besserung, Rückbildung oder erheblicher Besserung des sie am stärksten belastenden Symptoms nach 12 Wochen unter Ospemifen (OSP) versus Placebo (ITT, LOCF) [3, 4].

Ospemifen Der selektive Estrogenrezeptor-Modulator Ospemifen (Senshio®) ist angezeigt zur Behandlung der mittelschweren bis schweren symptomatischen vulvovaginalen Atrophie bei postmenopausalen Frauen, bei denen eine lokale vaginale Estrogentherapie nicht infrage kommt. Die empfohlene Dosis beträgt eine 60-mg-Tablette einmal täglich zu einer Mahlzeit, jeden Tag zur gleichen Uhrzeit eingenommen [2].

chen Zellen im Vaginalabstrich, der vaginaler pH- Wert und das am stärksten belastende Symptom (Scheidentrockenheit oder Dys­ pareunie) erfasst. Ospemifen linderte postmenopausale vaginale Beschwerden wie Scheidentrockenheit und Dyspar­ eunie. Von den Frauen, die zu Beginn der Studien entweder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Scheidentrockenheit als ihr am meisten belastendes Symptom angegeben hatten, erfuhren etwa drei Viertel der über 12 Wochen mit 60  mg/d Ospemifen behandelten Frauen eine Verbesserung ihrer Syptomatik (Tab. 1) [3, 4]. Die Besserung der subjektiven Beschwerden wurde durch das An­ sprechen objektiver physiologischer Marker untermauert, denn nach 12 Wochen kam es zu • einer signifikanten Zunahme der Superfizialzellen vs. Placebo,

• einer signifikanten Abnahme der Parabasalzellen vs. Placebo sowie • einer signifikanten Abnahme des vaginalen pH-Werts vs. Placebo [3, 4]. Die relative Zunahme der Super­ fizialzellen und Abnahme der Parabasalzellen deuten auf einen Aufbau des Epithels der Scheidenwand hin [6]. Alle objektiven Verbesserungen (visuelle Beurteilung der Vagina, Maturations-Index und vaginaler pH-Wert) blieben auch dauerhaft während einer 52-wöchigen Studie erhalten [5]. Ospemifin erwies sich in den Studien als sicher und gut verträglich: Bei 5,7 % der mit Ospemifen und 1,8 % der mit Placebo behandelten Frauen wurde die Therapie aufgrund von behandlungsbedingten unerwünschten Ereignissen abgesetzt. Unter Ospemifen wurde als häufigste Nebenwirkung über

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Hitzewallungen berichtet (7,5 %). Tiefe Venenthrombosen traten unter der Ospemifen-Therapie mit einer Häufigkeit von etwa 3,65 Fällen pro 1.000 Patientinnenjahre auf, unter Placebo waren es 3,66 Fälle pro 1.000 Patientinnenjahre. Bei keiner der Patientinnen in beiden Gruppen kam es wahrend der Studien zu einem Endometriumoder Mammakarzinom [2]. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Kingsberg SA et al. Vulvar and vaginal atrophy in postmenopausal women: findings from the REVIVE (REal Women’s VIews of Treatment Options for Menopausal Vaginal ChangEs) Survey. J Sex Med 2013;10:1790-1799 2 Fachinformation Senshio® 60 mg; Stand: Januar 2015 3 Bachmann GA et al. Ospemifene effectively treats vulvovaginal atrophy in postmenopausal women: results from a pivotal phase 3 study. Menopause 2010;17:480486 4 Portman D et al. Ospemifene, a novel selective estrogen receptor modulator for treating dyspareunia associated with postmenopausal vulvar and vaginal atrophy. Menopause 2013;20:623-630 5 Goldstein SR et al. Ospemifene 12-month safety and efficacy in postmenopausal women with vulvar and vaginal atrophy. Climateric 2014;17:173-182 6 Nappi RE et al. Vaginal health: insights, views & attitudes (VIVA) – results from an international survey. Climacteric 2012;15: 36-44 © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

E

slicarbazepinacetat (Zebinix®) ist aktuell in Europa als Zusatztherapie bei Erwachsenen mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung zugelassen. In einer Phase-III-Studie wurden nun untersucht, ob sich Eslicarbazepinacetat in täglicher Einmalgabe (800–1600 mg/Tag) als Option zur Monotherapie bei neu diagnostizierten Erwachsenen (18 Jahre und älter) mit fokalen Anfällen eignet. Als aktive Kon­trolle in dieser randomisierten, dop­pelblinden Nichtunterlegenheitsstudie im Parallelgruppen-Design diente zweimal täglich verabreichtes, kontrolliert freigesetztes Carbamazepin (400–1200 mg/Tag). Primärer Endpunkt war der Anteil anfallsfreier Patienten über die gesamte Beurteilungsphase von 26 Wochen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Zeit bis zum ersten Anfall, die Beurteilung der Lebensqualität gemäß QOLIE31-Score und die Sicherheit [1, 2]. Vergleichbare Anfallsfreiheitsraten wie unter Carbamazepin-Standardtherapie

Die Wirksamkeitsanalyse dieser Studie mit 785 Patienten ergab unter der letzten ausgewerteten Dosis nach ≥6 Monaten für Eslicarbazepinacetat im Vergleich zu verzögert freigesetztem Carbamazepin ähnliche Anfallsfreiheitsraten (71,1 % vs. 75,6 %; mittlere Risiko-Differenz: –4,28 %, 95%-KI: –10,3 % bis 1,74 %). Die einjährige Anfallsfreiheitsrate betrug unter der letzten ausgewerteten Dosis 64,7 % in der Eslicarbazepinacetat-Gruppe und 70,3 % in der Kontrollgruppe (mittlere Risiko-Differenz: –5,46  %; 95%-KI: –11,88 % bis 0,97 %). Die Sicherheitsanalyse [2] mit Daten von 813 Patienten zeigt, dass

Neue Daten zur Wirksamkeit von Eslicarbazepinacetat als Monotherapie der fokalen Epilepsie einmal täglich Eslicarbazepinacetat gut vertragen wird; die Nebenwirkungen waren leicht bis mittelschwer. Die Inzidenz von während der Behandlung aufgetretenen, un­erwünschten Ereignissen (treatment emergent adverse events, TEAE) war in beiden Gruppen ähnlich, wobei TEAE bei Patienten unter Eslicarbazepinacetat gegenüber Patienten unter verzögert freigesetztem Carbamazepin jedoch etwas seltener (77,8 % bzw. 80,1 %) auftraten. Die Rate von TEAE mit möglichem Zusammenhang mit der Therapie betrug 43,6 % für Eslicarbazepinacetat, verglichen mit 51,5 % für verzögert freigesetztes Carbamazepin. Schwerwiegende behandlungsbezogene TEAE traten unter Eslicarbazepinacetat im Vergleich zu verzögert freigesetztem Carbamazepin bei 2,0 % bzw. 2,7 % der behandelten Patienten auf; die Inzidenz zum Therapieabbruch führender TEAE betrug 13,5 % bzw. 18 %. Die am häufigsten berichteten TEAE mit möglichem Zusammenhang mit der Therapie waren für Eslicarbazepi-

nacetat Kopfschmerz, Schwindelgefühl, Übelkeit, Müdigkeit und Somnolenz. Fazit

Die Studiendaten belegen die Wirksamkeit einer Eslicarbazepinacetat-Monotherapie, da 71 % der Studienteilnehmer in 6 aufeinander folgenden Monaten anfallsfrei blieben. Mit einem ähnlichen Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil wie verzögert freigesetztes Carbamazepin könnte Eslicarbazepinacetat in Zukunft eine weitere Behandlungsoption für Patienten mit neu diagnostizierten fokalen Anfällen werden. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur

1 Trinka E et al. Efficacy of eslicarbazepine acetate versus controlled-release carbam­ azepine as monotherapy in patients with newly diagnosed partial-onset seizures. Presented at AAN 2016; Abstract 001 2 Kowacs P et al. Safety and tolerability of eslicarbazepine acetate as monotherapy in patients with newly diagnosed partial-onset seizures. Presented at AAN 2016; Abstract 002 3 Zebinix® Fachinformation, Stand Mai 2015

Eslicarbazepinacetat Eslicarbazepinacetat (Zebinix®) blockiert spannungsgesteuerte Natriumkanäle. Es ziel selektiv auf den Natriumkanal in seinem langsam inaktivierten Zustand, welcher mit der Pathogenese der Epilepsie in Verbindung gebracht wurde, und verhindert die Rückkehr in den aktiven Zustand, sodass das Auftreten wiederholter neuronaler Entladungen reduziert wird. Darüber hinaus hemmt Eslicarbazepinacetat nicht den Kaliumausstrom, was möglicherweise das Potenzial für wiederholte neuronale Entladungen verringert [3].

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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I

m April hat die Europäische Kommission die Zulassung für zwei Dosierungen von Descovy® (Emtricitabin und Te­ nofoviralafenamid 200/10 mg und 200/25 mg) erteilt, einem fix kombinierten Backbone zur Behandlung der HIV-1-Infektion bei Erwachsenen und Jugendlichen (ab 12 Jahren und mit einem Körpergewicht von mindestens 35 kg). Descovy® ist der erste neue HIVBackbone seit über 10 Jahren, der in Europa die Zulassung erhält, und die zweite Tenofoviralafenamid-basierte Therapie in der EU. Tenofoviralafenamid (TAF) ist ein neues zielgerichtetes Prodrug von Tenofovir, das im Vergleich zu Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF, Viread®) bei einer 10-mal geringeren Dosis eine ähnlich hohe Effektivität aufweist [1]. Darüber hinaus zeigte TAF in klinischen Studien in Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen Verbesserungen bei bestimmten SurrogatLaborparametern für Niere und Knochen im Vergleich zu TDF [2]. Aufgrund der verbesserten intrazellulären Aufnahme – auch in HIV-infizierte Zellen – kann TAF nicht nur in einer geringeren Dosis gegeben werden, die TenofovirExposition im Plasma verringert sich ebenfalls um 91 % [2]. Signifikante Verbesserungen von Nieren- und KnochenLaborparametern

Die Zulassung von basiert auf einem Phase-III-Studienprogramm, bei dem Emtricitabin und Tenofoviralafenamid (F/TAF) in Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen nicht vorbehandelten und vorbehandelten Patienten, Patienten mit Einschränkungen der

Fixkombination Descovy® zur Behandlung der HIV-1-Infektion Nierenfunktion und Jugendlichen verabreicht wurden. In der über 48 Wochen laufenden Studie 1089 wurden die Sicherheit und Wirksamkeit einer Therapieumstellung bei vorbehandelten HIV-1-infizierten Erwachsenen von einer F/TDF-basierten Therapie (Emtricitabin und Tenofovirdisoproxilfumarat, F/TDF; Truvada®) und einem dritten Wirkstoff auf eine F/TAF-basierte Therapie mit demselben dritten Wirkstoff untersucht [3]. In Woche 48 zeigte sich auf der Basis des Prozentsatzes an Patienten, die HIV1-RNA-Spiegel unter 50 Kopien/ ml erreicht hatten, dass die F/ TAF-basierte Behandlung der F/ TDF-basierten Therapie statistisch nicht unterlegen war. Außerdem ergaben sich statistisch signifikante Verbesserungen von Nieren- und Knochen-Laborparametern bei Patienten unter der F/TAF-basierten Behandlung. In den beiden pivotalen Phase-IIIStudien 104 und 111 wurde die F/ TAF-basierte Behandlung (verabreicht als Genvoya®; Elvitegravir 150 mg/Cobicistat 150 mg/Emtricitabin 200 mg/Tenofoviralafenamid 10 mg, E/C/F/TAF) mit der F/TDF-basierten Behandlung (verabreicht als Stribild®; Elvitegravir 150 mg/Cobicistat 150 mg/ Emtricitabin 200 mg/Tenofovirdisoproxilfumarat 300 mg, E/C/F/ TDF) bei nicht vorbehandelten Erwachsenen verglichen. Wie die 48-Wochen-Daten zeigen, waren

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in diesen Studien einige der Nieren- und Knochen-Laborparameter bei den F/TAF-basierten Behandlungsschemata günstiger als bei der F/TDF-basierten Therapie [2]. Zusätzlich stützt sich die Zulassung auch auf Daten aus Studien, bei denen ein F/TAF-basiertes Behandlungsschema (verabreicht als Genvoya®) bei Erwachsenen mit leichter bis mittelgradig eingeschränkter Nierenfunktion und nicht vorbehandelten Jugendlichen untersucht wurde [4, 5]. Schließlich konnten Bioäquivalenzstudien zeigen, dass die Formulierung der Descovy®-Fixkombinationen zu den gleichen TAF- und Emtricitabinspiegel im Blut führten wie Genvoya® [6]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Press release, Gilead’s Investigational Tenofovir Alafenamide (TAF)-Based Single Tablet HIV Regimen Meets 48-Week Primary Objective in Two Phase 3 Studies 2 Sax PE et al. Lancet 2015;358:2606-2615 3 Gallant JE et al. Lancet HIV 2016;3: e158-e165 4 Pozniak A et al. J Acquir Immune Defic Syndr 2016;71:530-537 5 Gaur A et al. CROI 2016. Boston, MA. #817 6 Press release 7 April, 2015: Gilead Submits New Drug Application to U.S. Food and Drug Administration for Fixed-Dose Combination of Emtricitabine/Tenofovir Alafenamide for HIV Treatment © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Zielgerichtete Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms:

Mit Vismodegib komplette Remission auch ohne OP

K

leinere Basalzellkarzinome (BCC) lassen sich operativ oder per Strahlentherapie meist gut behandeln. An die Grenzen stoßen diese Strategien jedoch beim lokal fortgeschrittenen BCC. Für diese Situation steht seit 2013 Vismodegib (Erivedge®) zur Verfügung, mit dem bereits über 13.000 Patienten behandelt wurden [1]. Vismodegib hemmt gezielt den Hedgehog-Signaltransduktionsweg, der normalerweise nur während der embryonalen Entwicklung aktiv ist. Dieser ist für die Entwicklung der Erkrankung

entscheidend und bei fast allen BCC (95 %) überaktiv. Der Hedgehog-Inhibitor Vismodegib ist zugelassen für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem Basalzellkarzinom, für die eine Operation oder Strahlentherapie nicht geeignet ist [2]. Dazu gehören beispielsweise Patienten mit multiplen Basalzellkarzinomen. Vismodegib ist ebenfalls indiziert, wenn funktionelle und/oder ästhetische Einschränkungen zu erwarten sind oder wenn die meist älteren Patienten unter Komorbiditäten leiden

oder polymedikamentös behandelt werden. Gerade bei Letzteren ist eine Eigenschaft von Vismodegib von großer Bedeutung: Faktisch ergeben sich keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Knapp ein Drittel der Patienten auch nach drei Jahren noch rezidivfrei

In der Zulassungsstudie ERIVANCE wurde bei 90 % der behandelten Patienten mit lokal fortgeschrittenem BCC eine Größenreduktion

Kurzkasuistik Ein 77-jähriger Patient, bei dem laut Anamnese immer wieder Basalzellkarzinome aufgetreten waren, stellte sich 2012 mit 3 lokal fortgeschrittenen Basalzellkarzinomen an Stirn, Ohr und Schienbein vor. Eine kurative Resektion war in diesem Stadium nicht mehr möglich, eine operative oder strahlentherapeutische Intervention angesichts der Morbidität des Patienten, der ausgeprägten Infiltration der Läsionen und deren ungünstiger Lokalisationen, insbesondere am Ohr, nicht durchführbar. Nach einer Therapie mit Vismodegib über 9 Monate war ein objektives Ansprechen erreicht [7].

Ausgangsbefund und Ergebnis nach 11 Wochen, 6 Monaten und 9 Monaten Therapie mit Vismodegib (© Gentech, Roche).

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL/ KONGRESSE

der Läsionen erreicht [3]. Ein Update über eine Nachbeobachtungszeit von 3 Jahren zeigte eine mediane Ansprechdauer von 26 Monaten, bei größtenteils milden bis moderaten Nebenwirkungen (Grad 1 und 2) [4, 5]. Noch wesentlicher aber ist, dass 30 % der Patienten sogar nach 3 Jahren eine komplette Remission zeigen. Ähnlich positiv sind die Daten der STEVIE-Studie [6]: Hier hatten 90 % der Patienten einen Benefit im Sinne einer Langzeitstabilisierung – im Median von 2 Jahren – oder einer kompletten Abheilung der behandelten Basalzellkarzinome. Elisabeth Wilhelmi, München

Neue Wirkansätze und Patient Reported Outcomes im Fokus – Rheumatologie im Umbruch? Der therapeutische Horizont in der Rheumatologie hat sich in den letzten Jahren maßgeblich erweitert, eine Remission wird bei vielen Patienten dennoch nicht erreicht. Wie wird Remission heute definiert, wie kann sie erreicht werden und wie können Ärzte der zunehmenden Bedeutung patientenrelevanter Endpunkte (Patient Reported Outcomes, PROs) gerecht werden? Diese und weitere zentrale Fragestellungen wurden im Rahmen eines Symposiums von Lilly anlässlich des 11. Kongresses des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen e.V. (BDRh) in Berlin beleuchtet. Dabei gaben Experten auch einen Ausblick auf Januskinasen-Inhibitoren als Vertreter einer neuen Substanzklasse der tsDMARDs (targeted synthetic Disease Modifying Anti Rheumatic Drugs), die sich derzeit in der Entwicklung befinden. Remission bleibt Herausforderung

Literatur 1. PSUR (PBRER) vismodegib – end of reporting interval 29th January 2015 2. Fachinformation Erivedge®, Stand Januar 2016 3. Sekulic A et al. N Engl J Med 2012;366: 2171-2179) 4. Sekulic A et al. J Clin Oncol 2014;32 (Suppl. 5s): Abstract 9013 5. Dre’no B et al. Society for Melanoma Research 2014 Congress, Pigment Cell & Melanoma Research 2014;27:1169-1241 6. Basset-Seguin N et al. Lancet Oncol 2015; 16:729-736 7. Mark K. In: Advanced basal cell carcinoma (aBCC) in clinical practice, 2015, ERI/050115/0055(1), Genentech, USA

„Neben einer verbesserten Funktionskapazität und Schmerzreduzierung geht es auch darum, den Patienten eine Perspektive für eine anhaltende Remission zu bieten“, leitete Professor Jörn Kekow, 2. Vorsitzender des BDRh, Gommern, ein. Dem Rheumatologen steht hierfür derzeit eine Vielzahl konventioneller DMARDs und Biologika zur Verfügung. „Es bleibt jedoch die Qual der Wahl, in welcher Reihenfolge Therapeutika eingesetzt werden und welche

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Entscheidung bei welchem Patienten die richtige ist“, beschrieb Professor Torsten Witte, Hannover, die Lage. Eine große Herausforderung bleibt die Remission. „Bei fast einem Drittel aller RAPatienten lässt sich die Krankheit trotz der aktuellen Therapie nicht unter Kontrolle bringen“, so Witte weiter. Umso wichtiger sei es, dass sich mit den Januskinasen-Inhibitoren eine neue Substanzklasse in der Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) in der Entwicklung befindet, die an der Pathogenese einer Reihe entzündlicher und Autoimmunerkrankungen beteiligt ist. Neue Wirkmechanismen in der Therapie der RA

Januskinasen (JAK) sind intrazelluläre Enzyme, die ein Signal aus dem Äußeren der Zelle intrazellulär bis zum Zellkern weiterleiten. Im Gegensatz zu den meisten Biologika, die ein einziges Zytokin extrazellulär binden und damit nur ein spezifisches Signal unterbrechen, unterbinden JAK-Inhibitoren die Entzündungskaskade von gleich mehreren Zytokinen, die in der Pathophysiologie der RA eine Rolle spielen, und besitzen somit ein breiteres Wirkspektrum. „Aus Studien wissen wir, dass dieses Wirkprinzip sehr erfolgreich ist, zum Teil besser als das der TNFBlocker. Und die Nebenwirkungen sind dabei aus meiner Sicht durchaus erträglich“, berichtete Witte. JAK-Inhibitoren sind im Gegensatz zu Biologika kleine Moleküle, die oral verabreicht werden. Die sich in der Entwicklung befindenden Wirkstoffe unterscheiden sich durch die Präferenz für verschiedene JAK-Moleküle sowie durch ihre Halbwertszeit. © VERLAG PERFUSION GMBH


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KONGRESSE

Patient Reported Outcomes (PROs) in der täglichen Praxis

Die aktuellen EULAR-Empfehlungen zur „Treat to Target“-Strategie stellen heraus, dass eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient das Behandlungsergebnis verbessert und den Patienten stärkt. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) erweitert diese in ihrem aktuellen Positionspapier um den „Treat to Participation“-Ansatz, der auch die soziale Teilhabe als Parameter der Therapiekontrolle beschreibt. Patientenrelevante Endpunkte spielen in der täglichen Praxis eine immer bedeutendere Rolle, da sie den Behandlungsnutzen aus Patientenperspektive zeigen. „Verbesserungen der PROs wie Schmerz, Morgensteifigkeit und Fatigue sind für den Patienten und seine Lebensqualität von größter Bedeutung“, unterstrich Dr. med. Rieke Alten, Berlin. Wichtig ist hierbei auch ein intensiver Dialog mit dem Patienten, um seine Bedürfnisse und auch Präferenzen, beispielsweise mit Blick auf die Applikation, zu erfassen. Je nach verwendetem Ergebnisparameter besteht dabei eine gute Korrelation zwischen PROs und klinischen Messungen. PROs werden in der Wissenschaft bisher aber nur unzureichend erfasst. Alten verwies dabei unter anderem auf eine Arbeit von Kilic J et al. aus dem Jahr 2016, die zeigt, dass Fatigue und Morgensteifigkeit in 250 ausgewerteten Studien eine untergeordnete Rolle spielen und eine Diskordanz zwischen Arztund Patientensicht hinsichtlich relevanter Parameter besteht. „Aber die Forschung hat den Bedarf erkannt und in den vergangenen Jahren einige Fortschritte gemacht. Es ist ein positives Signal, dass alle Studien zu JAK-Inhibitoren bereits

PROs als sekundäre Endpunkte enthalten“, betonte Alten. Der erste Schritt sei getan, nun gemeinsam einen Paradigmenwechsel in der Therapie der rheumatoiden Arthritis anzustoßen und den Weg von der Selbstbeurteilung zur Selbstbeteiligung der Patienten zu gehen. Fabian Sandner, Nürnberg

Multiple Sklerose:

Langzeitstudie bestätigt lang anhaltende niedrige Schubrate unter Teriflunomid Teriflunomid (Aubagio®) ist ein Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften und zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose sowie einem milden bis moderaten Krankheitsverlauf. Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie mit Teriflunomid werden durch neue Langzeitergebnisse einer Phase-II-Studie untermauert: Die auf der 68. Jahrestagung der American Academy of Neurology (AAN) im April 2016 präsentierten 13-Jahres-Daten bestätigen die lang anhaltende niedrige Krankheitsaktivität sowie das konsistente Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil des Immunmodulators. Anlässlich einer Pressekonferenz in Hamburg stellte Professor Ralf Linker, Erlangen, die aktuellen Daten vor. Außerdem berichtete Dr. Stefan Ries, Erbach, über seine Erfahrungen mit Teriflunomid aus der täglichen Praxis und diskutierte die Vorteile der einmal täglichen oralen Therapie mit einem seiner Patienten.

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Stabile Krankheitsaktivität auf niedrigem Niveau

Als wichtigstes Resultat der 13-Jahres-Daten nannte Linker die auf sehr niedrigem Niveau stabile Behinderung der Patienten: „Der Mittelwert auf der Expanded Disability Status Scale, EDSS, lag in jedem Jahr kontinuierlich zwischen 2 und 3 – das ist natürlich ein Wert, den wir den Patienten gerne weitergeben“. Damit assoziiert sind sehr niedrige Schubraten: „Im Mittel besteht die ‚Chance‘ auf nur einen Schub in 10 Jahren“, so Linker. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie bekräftigen auch die konsistente Sicherheit und Verträglichkeit von Teriflunomid: „Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet, dies gilt auch und insbesondere im Hinblick auf Malignität oder opportunistische Infektionen“, betonte Linker. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Teriflunomid sind die in der Fachinformation vermerkten Symptome wie Kopfschmerz, Übelkeit, Diarrhö, reversible verminderte Haardichte sowie leichte Erhöhung der Leberwerte. Wirksamkeit in Zulassungsstudien

Wie Linker ausführte, zeigte eine Post-hoc-Analyse der gepoolten Daten der beiden zulassungsrelevanten Phase-III-Studien TEMSO und TOWER eine signifikant (p<0,001) um 53 % reduzierte Rate an Schüben mit Residuen im Vergleich zu Placebo. In einer weiteren Subgruppenanalyse kam es bei den Patienten, die im Jahr vor Studienbeginn mindestens 2 Schübe hatten, zu einer relativen Risikoreduktion der Behinderungsprogression um 46 % gegenüber © VERLAG PERFUSION GMBH


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Placebo*. Die Zahl der Gadolinium-aufnehmenden Läsionen in der T1-gewichteten MRT wurde nach Daten der TEMSO-Studie unter Teriflunomid 14 mg sogar um 80 % im Vergleich zu Placebo reduziert. „Die Daten der beiden Zulassungsstudien sowie die Langzeitdaten zeigen sehr konsistent, dass die klinische sowie die paraklinische Aktivität, gemessen im Kernspin, im gesamten Beobachtungszeitraum stabil geblieben sind, dass die Verträglichkeit gut war und dass sich auch das Nebenwirkungsprofil langfristig nicht geändert hat“, fasste Linker zusammen und ergänzte: „Mit Teriflunomid können wir den Patienten eine erhebliche Stabilität voraussagen.“ Hohe Patientenzufriedenheit

Diese Einschätzung teilte auch Ries: „Wir haben mit Teriflunomid eine wirksame Therapie und erleben keine Überraschungen bei den Nebenwirkungen.“ In der von ihm zitierten Head-to-Head-Studie TENERE wurde Teriflunomid 14 mg mit Interferon beta-1a s.c. (44 µg) verglichen. „Hier gab es signifikante und relevante Unterschiede, was die Patientenpräferenz angeht“, so Ries. „Zwar lagen bei der Einschätzung der Wirksamkeit beide Medikamente gleichauf, aber hinsichtlich der Zufriedenheit mit unerwünschten Wirkungen und * Die Schubratenreduktion als primärer Endpunkt in den Zulassungsstudien TEMSO und TOWER betrug 31,5 % bzw. 36,3 % gegenüber Placebo, die Reduktion der Behinderungsprogression als sekundärer Endpunkt in den Zulassungsstudien TEMSO und TOWER betrug 29,8 % bzw. 31,5 % gegenüber Placebo. Unterschiedliche Werte zwischen Zulassungsstudien und Post-hocAnalyse der gepoolten Daten beider Zulassungsstudien aufgrund unterschiedlicher Fragestellungen und statistischer Voraussetzung.

mit der Einfachheit der Behandlung schnitt Teriflunomid jeweils signifikant besser ab“, berichtete der niedergelassene Neurologe. Einmal tägliche orale Einnahme leicht in den Alltag zu integrieren

Als besonderen Vorteil für ihn selbst beschrieb ein Patient von Dr. Ries die Darreichungsform als Tablette: „Die morgendliche Einnahme lässt sich bequem in meinen Alltag integrieren und wird nicht leicht vergessen.“ Die Diagnose eines klinisch isolierten Syndroms wurde bei ihm 2008 nach Visusstörungen und MS-verdächtigen Befunden gestellt. Es folgten eine kurze Therapie im Rahmen einer Studie und eine mehrjährige Behandlungspause auf eigenen Wunsch. Die zunächst unbemerkte Krankheitsprogression führte im Dezember 2012 zu einem Schub mit Retrobulbärneuritis und definitiver MS-Diagnose. Von seiner Krankheit wollte der junge Mann sich nicht beherrschen lassen: „Wir hatten ein Kind bekommen und ein Haus gebaut; ich musste einfach weitermachen“, berichtete er. Die medikamentöse Therapie bestand zunächst in der Injektion von Interferon beta-1a s.c. (44 µg), erwies sich für ihn persönlich aber als zu unbequem: „Ich war berufsbedingt fast 200 Tage im Jahr unterwegs und hatte an den Flughäfen häufig Probleme, Kühlmöglichkeiten zu finden. Auch die Einreise mit übrig gebliebenen Spritzen aus dem Ausland war gelegentlich problematisch.“ Daher wechselte der Patient zum oralen Teriflunomid, unter dem sich bisher keine Nebenwirkungen und keine neue Krankheitsaktivität gezeigt haben. Fabian Sandner, Nürnberg

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Management von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Divertikulitis Neue Erkenntnisse zur Rolle des Mikrobioms haben zu Änderungen im Krankheitsverständnis der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen geführt. Inwiefern das bereits heute und in Zukunft zu einem veränderten Management der Krankheitsbilder und der Patientenbetreuung im Praxisalltag führen kann, wurde beim 27. Interdisziplinären Symposium „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“ diskutiert. Schwerpunktthema des 10. Symposiums „Koloproktologie für den Internisten“ waren Neuerungen bei der Therapie der Divertikelkrankheit. Beide Symposien fanden initiiert von der Falk Foundation e.V. im Vorfeld des 122. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Mannheim statt. Die Barrierefunktion stärken

Störungen der Barrierefunktion des Darms können der Entwicklung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen den Weg bahnen, denn dann können Bakterien des Mikrobioms die Mukosa besiedeln und Entzündungsreaktionen hervorrufen. „Dieses neue Verständnis der Pathophysiologie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen hat bislang noch keinen Niederschlag in den therapeutischen Konzepten gefunden“, betonte Professor Jan Wehkamp, Tübingen. Das könnte sich bald ändern, denn mit Phosphatidylcholin ist ein Wirkstoff in klinischer Entwicklung, der insbesondere bei der Colitis ulcerosa die Barrierefunktion stärkt. Inwieweit sich hiermit die Behandlung © VERLAG PERFUSION GMBH


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optimieren lässt, wird derzeit im Rahmen einer klinischen Studie geprüft. Hoffnungen auf einen therapeutischen Fortschritt gründen sich außerdem auf die Entwicklung neuer Therapiekonzepte, wie der Behandlung mit Defensinen, die physiologischerweise im Darm antibiotisch wirksam sind. So ist es erstmals gelungen, humanes BetaDefensin-2, das auch in der Muttermilch in relevanter Konzentration enthalten ist, herzustellen. „Das klinische Entwicklungsprogramm soll noch in diesem Jahr starten“, so Wehkamp. Die tierexperimentellen Daten lassen eine den Steroiden vergleichbare klinische Wirksamkeit erwarten. Aufklärung sichert Adhärenz

Zu einer Optimierung der Behandlung trägt auch eine eingehende Aufklärung der Patienten über ihre Erkrankung und die erforderlichen Therapiemaßnahmen bei, wie Professor Wolfgang Kruis, Köln, betonte. Da es sich bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa um chronische Erkrankungen handelt, ist ein gutes Krankheitsverständnis eine wesentliche Basis für die Krankheitsbewältigung und für eine dauerhafte Mitarbeit des Patienten bei der Therapie, also für eine gute Adhärenz. Wie weit man bei der Aufklärung gehen sollte, kann individuell sehr unterschiedlich sein. „Es gibt Patienten, die nur wenig über ihre Erkrankung wissen wollen. Es gibt aber auch Patienten, die sehr konkret darüber informiert werden wollen, warum sie erkrankt sind, warum welche Therapiemaßnahmen erfolgen und welche Prognose sie haben“, sagte Kruis.

Anorektale Erkrankungen stehen oft im Zusammenhang mit der Psyche

Bei der Patientenführung ist nach Professor Heinz J. Buhr, Berlin, außerdem der Frage nachzugehen, inwieweit im jeweiligen Fall möglicherweise eine psychische Überlagerung besteht. Denn es gibt eine deutlich engere Verbindung zwischen Gehirn und Darm als lange Zeit angenommen. „Das Wechselspiel zwischen Hirn und Darm beeinflusst unsere Befindlichkeit erheblich“, betonte Buhr. So stellen Darmerkrankungen und insbesondere die meist mit Schamgefühlen besetzten anorektalen Erkrankungen für viele Patienten eine enorme psychische Belastung dar. Andererseits kann zum Beispiel anhaltender Stress die Ausprägung von Darmerkrankungen beeinflussen. Dem ist nach Buhr in der Praxis Rechnung zu tragen und im Bedarfsfall dem Patienten zusätzlich zur allgemeinen medizinischen Therapie auch eine psychotherapeutische Behandlung anzuraten. Divertikelkrankheit – chirurgische Therapie ist auf dem Rückzug

Zunehmende Bedeutung dürfte vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in Zukunft der Divertikelkrankheit zukommen. Mit dem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit einer Divertikulose enorm an. Diese besitzt für sich alleine genommen keinen Krankheitswert. Anders sieht das aus, wenn sich eine Divertikulitis ausbildet. An ein solches Krankheitsbild muss nach Professor Peter Kienle, Mannheim, nicht nur bei linksseitigen, sondern auch bei rechtsseitigen Unterbauchschmer-

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zen gedacht werden. Die Indikation zu einer Operation wird mittlerweile zurückhaltender als früher gestellt. Liegt eine unkomplizierte Divertikulitis vor, so ist ein operativer Eingriff primär nicht erforderlich, sondern eine ambulant orale Antibiotikatherapie im Allgemeinen ausreichend. Die Patienten müssen laut Professor Jörg-P. Ritz, Schwerin, zudem eingehend über die Möglichkeiten der Rezidivprophylaxe durch eine Lebensstiländerung aufgeklärt werden. Dazu gehören: ausreichende Ballaststoffaufnahme, regelmäßige Bewegung, Gewichtsnormalisierung sowie Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Alkoholkonsum. Elisabeth Wilhelmi, München

Therapieoptionen bei lebensbedrohlichen Lungenerkrankungen Patienten mit lebensbedrohlichen Lungenerkrankungen können heute immer individueller und effektiver behandelt werden. So die Quintessenz eines Pressegesprächs von Roche im Rahmen der 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP). Die Referenten stellten aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu bewährten Produkten von Roche vor. Bevacizumab und Erlotinib: Etablierte First-Line-Therapien beim NSCLC

Mit Bevacizumab (Avastin®) und Erlotinib (Tarceva®) in der FirstLine-Therapie kann beim fortgeschrittenen nicht kleinzelligen © VERLAG PERFUSION GMBH


KONGRESSE

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Lungenkarzinom (NSCLC) die Basis für weitere Therapien gelegt werden. Durch beide Therapien lässt sich sowohl das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben verlängern. Bevacizumab erhielt zweimal den höchsten Empfehlungsgrad (I, A) in den aktualisierten ESMO-Guidelines. Die gute Wirksamkeit und Sicherheit von Bevacizumab bestätigten auch die Daten der nicht interventionellen Studie AVAILABLE. Wie Professor Wolfgang Schütte, Halle an der Saale, betonte, ist Bevacizumab für die Kombination mit jeder Platindublette zugelassen. Ansprechraten von 35–38 % geben ein deutliches Indiz der Wirksamkeit von Bevacizumab in Kombination mit Cisplatin. Ein weiterer Pluspunkt: Bevacizumab ist als Monotherapie auch in der Erhaltung zugelassen. Professor Schütte: „Daher kann die Therapie ohne Wirkstoffwechsel fortgesetzt und der Wirkstoff breit eingesetzt werden – auch bei älteren Patienten, bei Patienten mit vorbehandelten bzw. nicht vorbehandelten ZNS-Metastasen sowie bei zentraler Tumorlage.“ „Bei der Behandlung des EGFRmutierten NSCLC müssen bei der Therapiewahl die verschiedenen Mutationen sowie der ECOGStatus berücksichtigt werden“, so Schütte. Für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem NSCLC mit ECOG 2 (mit Del19- sowie L858R-Mutation) liegen Daten vor, die eine Therapie mit Erlotinib unterstützen. Auch für Patienten mit ECOG 0-1 und L858R-Mutation ist Erlotinib aufgrund des Gesamtprofils aus Wirksamkeit und Verträglichkeit eine Option. Basierend auf Daten der klinischen Studien sowie Metaanalysen zeigt der Tyrosinkinase-

Inhibitor Erlotinib eine sehr gute Balance zwischen Wirksamkeit und Verträglichkeit. Pirfenidon: IPF medikamentös behandeln

Pirfenidon (Esbriet®) ist seit seiner Zulassung in 2011 als erstes Medikament zur Behandlung der leichten bis mittelschweren idiopathischen Lungenfibrose (IPF) bei Erwachsenen ein integraler Bestandteil der IPF-Therapie. Im CAPACITY-Studienprogramm konnte eine Reduktion der Verschlechterung der Lungenfunktion um 45 % und in einer gepoolten Analyse der Zulassungsstudien eine Reduktion der Gesamt-Mortalitätsrate in den ersten 12 Monaten um 48 % unter einer Behandlung mit Pirfenidon gezeigt werden. Die integrierte Analyse von 5 klinischen Studien belegt die Sicherheit und Verträglichkeit in der Anwendung bei IPF über verschiedene Einnahmezeiträume von 1 Woche bis zu 9,9 Jahre. Nebenwirkungen sind meist leicht bis mittelschwer und manifestieren sich hauptsächlich in den ersten 6 Monaten. Viele IPF-Patienten haben kardiovaskuläre Komorbiditäten. Vor diesem Hintergrund ist es positiv, dass Pirfenidon in der Fachinformation weder Kontraindikationen noch Warnhinweise für Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen aufweist. „Die vorliegenden Daten aus Anwendungen in der täglichen Praxis und der verlängerten Beobachtung der Studienpatienten bestätigen in der Summe das absolut akzeptable Nebenwirkungsprofil von Pirfenidon“, so Professor Andreas Günther, Gießen-Marburg. Sibylle Michna, Puschendorf

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Mammakarzinom: Signifikante Überlebensverlängerung durch Eribulin Eribulin als eine innovative zytostatische Therapiemöglichkeit bei der Behandlung des metastasierten Brustkrebses stand im Fokus eines Eisai-Satellitensymposiums anlässlich des Deutschen Krebskongresses (DKK) 2016 in Berlin. Die Frage nach den individuell wichtigsten Therapiezielen und patientenrelevanten klinischen Endpunkten rückt dabei immer stärker in den Vordergrund. Wie Dr. med. Rachel Würstlein, München, im Rahmen einer Pressekonferenz darstellte, wird das Gesamtüberleben (OS) von Ärzten und Patienten als das klinisch relevanteste Ziel wahrgenommen. „Die Lebensverlängerung stellt zunehmend das wichtigste Therapieziel auch für Patienten dar. Dies steht unter anderem im Zusammenhang mit vielversprechenden Daten beim metastasierten Mammakarzinom, die eine deutliche Verlängerung des Gesamtüberlebens gezeigt haben. Diese überzeugenden Daten haben zu einer Verschiebung bei der Priorisierung der Therapieziele seitens der Patienten zugunsten des Gesamtüberlebens beigetragen, wie wir auf der 3. Internationalen Consensus Conference for Advanced Breast Cancer (ABC) im November 2015 in Lissabon gesehen haben“, betonte Würstlein. Entsprechende Daten liegen u.a. für den ersten Wirkstoff aus der Substanzklasse der Halichondrine, den Mikrotubuli-Inhibitor Eribulin (Halaven®), vor. Eribulin ist zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs (mBC) zugelassen, bei denen nach mindestens einer Chemotherapie zur © VERLAG PERFUSION GMBH


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KONGRESSE / WISSENSWERTES

Behandlung ihrer fortgeschrittenen Brustkrebserkrankung eine weitere Progression eingetreten ist. Die Vortherapien sollen ein Anthrazyklin und ein Taxan entweder als adjuvante Therapie oder im Rahmen der metastasierten Situation enthalten haben, es sei denn, diese Behandlungen waren ungeeignet für den Patienten. Überzeugende Vorteile gegenüber anderen Monochemotherapien

In der zulassungsrelevanten PhaseIII-Studie EMBRACE verlängerte Eribulin das Gesamtüberleben (primärer Studienendpunkt) im Vergleich mit anderen Monochemotherapien nach Wahl des Arztes bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs nach mindestens 2 Vortherapien (≥ 3rd-Line) signifikant um 2,7 Monate (13,2 vs. 10,5 Monate; HR 0,81; 95%-KI: 0,67–0,96; p=0,014). In der Studie 301, einer weiteren großen Phase-III-Studie, zeigte sich bei der Gesamtpopulation der Patientinnen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium nach mindestens einer erfolgten Vortherapie der fortgeschrittenen Erkrankung (mBC ≥2nd-Line) eine Tendenz zur Überlegenheit hinsichtlich des OS von Eribulin versus Capecitabin. Subgruppenanalysen der Studie ergaben zudem nominal signifikante OS-Vorteile bei Patientinnen mit HER2-negativen (medianes OS: 15,9 vs. 13,5 Monate; HR 0,84; 95%-KI: 0,72–0,98; p=0,03) sowie triple-negativen Tumoren (medianes OS: 14,4 vs. 9,4 Monate; HR 0,70; 95%-KI: 0,55–0,91; p=0,01). Die mit Eribulin in der Studie 301 gezeigte Lebensverlängerung ging nicht zulasten der Lebensqualität.

Besonderer Wirkmechanismus

Eine mögliche Erklärung für den Gesamtüberlebens-Vorteil könnte der besondere Wirkmechanismus von Eribulin sein. Eribulin ist ein neuartiger Hemmer der Mikrotubulidynamik, der aufgrund seiner hohen Affinität für β-Tubulin am Plus-Ende der Mikrotubuli bindet (Endpoisoning) und selektiv nur die Wachstumsphase der Mikrotubuli inhibiert. Im Mausmodell wurden darüber hinaus vaskuläre Effekte von Eribulin gezeigt, die einer Hypoxie im Tumorgewebe entgegenwirkten. Eribulin führte in der präklinischen Studie zu einer gleichmäßigen Durchblutung der Tumorkerne. Daraus könnten ein verbessertes Ansprechen auf die Therapie, auch in nachfolgenden Behandlungslinien, und durch die gezeigte antihypoxische Wirkung von Eribulin eine Herabsetzung von Metastasierungsprozessen resultieren. Was bedeuten die vorliegenden Daten?

„Gesamtüberleben und progressionsfreies Überleben sind relevante, von den Zulassungsbehörden akzeptierte Studienendpunkte − ihre spezielle Bedeutung ist auch von den jeweiligen Studienergebnissen abhängig. Die vorliegenden klinischen Daten unterstreichen die Bedeutung des Gesamtüberlebens als patientenrelevanter Endpunkt bei Krebspatienten auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien. Dabei ist das Gesamtüberleben der valideste klinische Endpunkt, der sich zudem mit den Interessen des Patienten deckt“, resümierte die Referentin. Elisabeth Wilhelmi, München

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START – digitale Dokumentationsund Meldehilfe für die Behandlung Heroinabhängiger In der Behandlung Opiatabhängiger bestehen gravierenden Versorgungslücken: Von den ca. 200.000 Heroinkonsumenten erhalten nur knapp 77.300 eine Substitutionstherapie. Besonders in ländlichen Gegenden ist die Lage ernst. Hier bedeutet eine tägliche Sichtvergabe für die Patienten eine häufig unzumutbare zeitliche und finanzielle Belastung. Dabei stehen mit rund 8.400 gemeldeten suchttherapeutisch qualifizierten Ärzten eigentlich ausreichende Kapazitäten zur Verfügung – doch nur rund 2.600 von ihnen substituieren. Versorgungslücken auch durch abschreckende Bürokratie?

Die Gründe, den Fachkundenachweis ruhen zu lassen, sind sicherlich vielfältig, aber es ist davon auszugehen, dass auch die bürokratischen Anforderungen, d.h. strengen Dokumentations- und Meldevorschriften, einige Ärzte abschrecken. Die Substitutionstherapie wird durch eine Reihe von Bestimmungen geregelt, u.a. das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV), das Arzneimittelgesetz (AMG), die Richtlinien der Bundesärztekammer (RL BÄK) und die Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur „Herstellung und Abgabe der Betäubungsmittel zur Opiatsubstitution“. Sie alle regulieren den Um© VERLAG PERFUSION GMBH


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gang mit Substituten bzw. deren Vergabe, die Indikationsstellung, die Rezeptierung und viele weitere Details. Erschwerend kommt hinzu, dass die bundesweit 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) unterschiedliche formale Anforderungen stellen. Einfach STARTen

Um den administrativen Aufwand für die Substitution zu senken und die Versorgungssituation von Heroinabhängigen zu verbessern, hat Mundipharma in Zusammenarbeit mit erfahrenen Suchtmedizinern die Anwendung START entwickelt. START steht für SubstitutionsTherapie Anfangen: Routinen und Templates und ist eine browserbasierte Anwendung, die – wie eine App – ihre eigene Software „mitliefert“; eine Installation ist nicht notwendig. Mit einem gut verständlichen Algorithmus und einer klaren Kennzeichnung, wann welche Dokumente obligatorisch sind, leitet das Programm den Arzt durch alle Phasen der Substitutionstherapie. Und eine nach Therapiephasen geordnete Dokumentenstruktur, in der einmal eingegebene Daten von einem Formular zum nächsten automatisch weitergegeben werden, ermöglicht es auch weniger erfahrenen Ärzten, sich im Dschungel rechtlicher und bürokratischer Anforderungen der Substitutionstherapie sicher und schnell zu bewegen. Doch auch größere Substitutionspraxen können ihre Dokumentation mit START effizienter gestalten, da die hier generierten Dokumente sowohl in die physische Patientenakte als auch digital in die lokale Ordnerstruktur übernommen werden können.

Der Arzt gibt einmalig an, welche KV für die Praxis zuständig ist, und bekommt in allen weiteren Bearbeitungsschritten die jeweils KV-spezifischen Dokumente. START unterscheidet außerdem zwischen obligatorischen Dokumenten wie der An- und Abmeldung beim BfArM, situativ notwendigen Formularen wie der Take-Home-Regelung und freiwilligen Vereinbarungen wie einem Anti-Suizid-Vertrag. Eine einfache Menüführung, übersichtlich gestaltete Fenster und eine zusätzliche Dokumentation des Meldestatus eines ausgewählten Patienten machen START zu einer bequemen und einfachen Anwendung. START kann ab dem 1. Juli 2016 von www.mundipharma.de heruntergeladen werden und wird ebenfalls vom Außendienst des Unternehmens abgegeben. Technischer Support steht werktags zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr unter der Telefonnummer 0800 372 4637 oder unter start@the-messengers. de zur Verfügung. B. S.

Original-Biologika haben weiterhin einen hohen Stellenwert in der Rheumatologie Als erster TumornekrosefaktorRezeptor wird das Biologikum Enbrel® (Etanercept) seit über 16 Jahren eingesetzt und hat die Ära dieser Medikamentenklasse entscheidend geprägt*. Nach Patentablauf verschiedener Original-Biologika sind nun erste Biosimilars auf dem Markt – und mit ihnen auch die ersten Quotenregelungen seitens einiger Kassenärztlicher Vereinigungen. „Dies darf jedoch keine Einschränkung der

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ärztlichen Therapiefreiheit nach sich ziehen, denn auch in Zeiten von Biosimilars sind Original-Biologika weiterhin ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis“, betont Prof. Dr. med. Hanns-Martin Lorenz, Universitätsklinikum Heidelberg. Lorenz spricht sich daher für eine sorgfältige Dokumentation bei der Verordnung von Biologika aus sowie für eine längerfristige Erfassung von Sicherheit- und Wirksamkeitsdaten zu Biosimilars in zentralen Registern. Für Enbrel® liegen umfassende Daten aus klinischen Studien sowie aus Biologika-Registern wie z.B. dem deutschen RABBIT-Register vor. Verordnung nach individueller Einschätzung

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) spricht sich gegen eine unkontrollierte Umstellung der Patienten aus Kostengründen auf ein Biosimilar aus. Dem entspricht das Vorgehen von Lorenz: „Grundsätzlich sollten wir den Biosimilars gegenüber offen sein, da neu eingestellte Patienten nachgewiesenermaßen gut auf sie ansprechen. Während jedoch für die Original-Biologika langjährige Erfahrungen im klinischen Einsatz vorliegen, setzen wir die Biosimilars erst seit einigen Monaten ein. Daher verordnen wir in unserer Klinik gut eingestellten Patienten weiterhin das OriginalBiologikum.“ * Der TNF-α-Inhibitor ist für folgende Indikationen zugelassen: rheumatoide Arthritis, Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis, Psoriasis-Arthritis, axiale Spondyloarthritis (ankylosierende Spondylitis sowie nicht röntgenologische axiale Spondyloarthritis), Plaque-Psoriasis bei Erwachsenen sowie bei Kindern und Jugendlichen ab 6 Jahren. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Erfassung von Langzeitdaten ist unabdingbar

Anders als bei Original-Biologika beruht die Zulassung von Biosimilars auf dem Prinzip der Extrapolation. Dabei wird eine klinische Studie in einer einzigen Indikation durchgeführt. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie kann die Zulassung dann ohne weitere Studien auf alle die Indikationen ausgeweitet werden, für die das Original zugelassen ist. Lorenz spricht sich aufgrund dessen für ein vorsichtiges Heran-

gehen aus: „Solange die Verlässlichkeit der Extrapolation nicht eindeutig belegt ist, müssen die Daten in großen Studien oder in Patientenregistern, beispielsweise dem RABBIT-Register, prospektiv gesammelt und verglichen werden. Unausweichlich ist dabei eine sorgfältige Dokumentation, um bei jedem einzelnen Patienten nachzuvollziehen, ob er das Original-Biologikum oder ein Biosimilar in der Apotheke erhalten hat.“

Enbrel®: Weiterhin festes Standbein in der Therapie

Die bereits abgeschlossenen Rabattverträge zwischen den Herstellern von Original-Biologika und den meisten Krankenkassen verdeutlichen, dass die Einführung der Biosimilars zu einer Kostenreduktion in der Biologika-Therapie beitragen wird. „Durch die fundierten klinischen Erfahrungen werden die Original-Biologika allerdings kurz- und mittelfristig weiterhin unverzichtbar in der Rheumatologie bleiben“, so Lorenz. F. S.

Titelbild: Osteosarkomzelle in einer Zellkultur (Quelle: Roche Pharma AG).

Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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