Journal Jahrgang 2018, Ausgabe 03

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 27 HEFT 3 Juni 2018

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Das diabetische Fußsyndrom – Warum klinische Daten unabdingbar sind Mit Mikronährstoffen eine gesunde Schwangerschaft unterstützen Ernährungstherapeutische Empfehlungen beim Reizdarmsyndrom Hormonersatztherapie mit Natpar®: Verbesserung der Perspektive bei unzureichend kontrolliertem Hypoparathyreoidismus Breites Wirkspektrum von Aflibercept beim metastasierten kolorektalen Karzinom Studie belegt positive Wirkung von deprexis®24 beim Einsatz in der klinischen Psychotherapie Meningokokken-Infektion im Urlaub: Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders gefährdet Idiopathische Lungenfibrose: Positive Effekte von Pirfenidon auf Lebensqualität und Hospitalisierungen Budesonid-Schmelztablette Jorveza®: Die erste medikamentöse Therapie der eosinophilen Ösophagitis Allogene Stammzelltherapie mit Darvadstrocel zur Behandlung von komplexen perianalen Fisteln bei Morbus Crohn

VERLAG

PERFUSION


UnterschenkelUlzera

Diabetische Fussulzera

Druckulzera

Verkürzen Sie die HeilungSdauer Von THerapiebeginn biS zur abHeilung

Unterschenkelulzera und Druckulzera benötigen trotz Behandlung im Durchschnitt 200 Tage bis zur Abheilung.1 Bei Diabetischen Fußulzera ist die durchschnittliche Abheilungsdauer ähnlich.2 UrgoStart Plus mit der TLCNOSF-Wundheilungsmatrix® und polyabsorbierenden Polyacrylatfasern ist die Therapie, die von Therapiebeginn bis zur Abheilung eingesetzt werden kann. Während die TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix® die Heilungsdauer um durchschnittlich 100 Tage verkürzt,3 reinigen polyabsorbierende Polyacrylatfasern von fibrinösen Belägen.4 Verordnen Sie ab heute UrgoStart Plus und bringen Sie Ihre Patienten schneller über die Ziellinie. 1. French Health Insurance Report to the Ministry of Health for 2014. July 2013. 2. Edmonds M, et al.: Lancet Diabetes Endocrinology 2018; 6: 186-196. 3. Münter KC, et al.: Journal of Wound Care 2017; 26: WUWHS Suppl, S4–S15. 4. Meaume S, et al.: JWC 2014; 23(3): 105-116.


EDITORIAL

Irgendwann saß wohl jeder von uns schon mal in einem Einsteigerseminar für Qualitätssicherung (QS) und hat sich dort mit den Dimensio­nen Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität vertraut gemacht. Bei privaten Angelegenheiten ist in aller Regel die Ergebnisqualität das Maß aller Dinge, oder, wie ein früherer Bundeskanzler einmal volksnah und treffend formulierte, „was hinten rauskommt“. Im beruflichen Setting, wo zunehmend ein nachvollziehbares System der Sicherstellung einer möglichst guten Qualität (Qualitätsmanagementsystem) obligatorische Vorschrift ist, ist es oft kaum möglich, sich primär auf die Ergebnisqualität zu konzentrieren, weil sie einer einfachen Erfassung regelhaft schwer zugänglich ist, sieht man von der „Evaluation“ einer Reanimation oder anderer dramatischer Ereignisse mit unmittelbar apparentem Endpunkt ab. Auch die Prozessqualität ist nicht selten ein sperriges Produkt, da nicht klar ist, welche Prozesse tatsächliche, also kausale Determinanten des Ergebnisses sind bzw. wie sie valide und aussagekräftig quantifiziert werden können. Beispiel: Welche Abläufe „garantieren“ bzw. unterstützen den erfolgreichen Abschluss eines stationären Aufenthalts? Was sich meist gut, schnell und eindeutig erfassen lässt, sind Strukturen, weshalb z.B. „Strukturerhebungsbögen“ bei Krankenkassen ein beliebtes Instrument in Sachen QS sind. So schwierig es auch ist, die „richtigen“ Parameter im Rahmen des Ergometertrainings in einer kardiologischen Reha-Einrichtung zu evaluieren, so einfach ist es, Anzahl und Zustand der Trainingsgeräte zu erfassen. Das ist nicht nur in medizinischen Einrichtungen so, das ist tägliches Erleben und tägliche Erfahrung. So werden wohl die meisten Menschen, wenn sie nach einem Lösungsansatz für chronisch verstopfte Autobahnen gefragt werden, die Variante „mehr Fahrspuren“ anbieten. Dass derartige Maßnahmen auf der Ebene der Strukturqualität regelhaft mit hohen Kosten verbunden sind, scheint dabei intuitiv keine besondere Rolle zu spielen. Über eine Intervention im Bereich der Prozessqualität wird demgegenüber kaum nachgedacht – weder

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Versorgung in Deutschland: Mehr Prozessqualität, bitte! seitens der Autofahrer, noch seitens der Verkehrsplaner (bei Letzteren verständlicherweise, leben sie doch vom Planungsanteil an Investitionen, nicht von der Erfolgsprämie für einen statistisch errechenbaren Rückgang von Staus). Dabei kann jeder, der wie ich immer wieder mal eine vierspurige Autobahn befährt, beobachten, dass dort typischerweise genauso wie bei einer zweispurigen Autobahn der linke und der rechte Fahrstreifen voll sind, einige Autofahrer auf der dritten Spur vor sich hin träumen, die zweite Spur aber fast immer leer ist (was zugegebenermaßen für Brummifahrer das Überholen entstresst). Eine konsequente Initiative auf der Ebene der Prozessqualität, die konsistente „Motivation“ zu einem Straßenverkehrsordnungskonformen Verhalten, in diesem Falle dem Rechtsfahrgebot, würde die Ergebnisqualität hier wesentlich effizienter ( = gleiches Ergebnis bei wesentlich niedrigeren Kosten) erhöhen als, sagen wir mal, weitere, „schlecht angenommene“ Fahrspuren zwischen der linken und der rechten Fahrspur. Diese Überlegungen drängten sich mir auf, als ich „richtungsweisende“ Statements von Politikern wie vom 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt zu hinterfragen begann. Beispiele gefällig? Meine über 90-jährige Mutter sollte eigentlich ähnlich „begeistert“ sein, wie Krankenkassen und Ärzteverbände dies laut Focus Online sind, dass der „Deutsche Ärztetag in Erfurt den Weg freigemacht hat für die digitale Fernbehandlung durch in Deutschland ansässige Mediziner“ [1]. Gewiss, damit könnte der mühsame Weg zur Arztpraxis ebenso entfallen wie die lange Wartezeit. Weshalb aber soll der Skype-Dialog weniger Zeit in Anspruch nehmen als der bisherige („analoge“) im Behandlungszimmer? Wenn sich dadurch etwas ändert, dann wohl einseitig in die Richtung, dass die

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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

„Hürde Wartezimmer“ wegfällt. Die Begeisterung für die telemedizinische Öffnung bedeutet also eigentlich eine Begeisterung für noch mehr Arztkontakte. Und die liegt seit vielen Jahren sowieso schon auf den ganz vorderen Plätzen in OECDStatistiken [2]. Auch wenn exakte Vergleiche nicht zuletzt aus methodischen Gründen schwer sind, sind die Unterschiede, die nichts mit unterschiedlichen Bedarfen zu tun haben, erheblich (z.B. 17 Arztkontakte pro Jahr in Deutschland gegenüber 5,4 in Norwegen [3]). Auch der aktuell diskutierte Ansatz der Koalition, „dem Wartezeitenproblem mit einer Ausweitung der Mindestsprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden wöchentlich“ zu begegnen [4], ist eindeutig ein Lösungsansatz im Bereich Strukturqualität. Aktuelle Zahlen zum Anteil der niedergelassenen Ärzte, die aktuell bereits über der angenommenen Problemschwelle von 20 Sprechstunden pro Woche liegen (Hausbesuch-Stunden scheinen hier nicht mitgezählt zu werden), waren leider nicht zu bekommen. Deshalb kann nur die Spanne der damit assoziierten Mehrkosten kalkuliert werden, © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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wenn Gesundheitsminister Spahns Versicherung auf dem Ärztetag, dass „Ärzte, die dadurch mehr arbeiten müssten, auch gut vergütet und nicht womöglich für ihre Mehrarbeit durch Abstaffelungen finanziell bestraft würden“ [4]. Legt man die Kosten für Behandlungen im niedergelassenen Bereich von 2016 zu Grunde, also ca. 36,5 Milliarden Euro [5], dann kostet die Maßnahme irgendetwas zwischen 0 und gut 9 Milliarden Euro jährlich. Mehr Autobahnspuren sind schon allein aus Platzgründen keine prioritäre Lösung, von der Frage der Finanzierbarkeit (und damit zusammenhängend von Fragen der bestmöglichen Allokation der begrenzten öffentlichen Ressourcen) einmal ganz abgesehen. Telemedizin und Ausweitung der Mindestsprechstundenzeiten sind ein mindestens ebenso problematischer Ansatz, weil sie kein Lösungsansatz für den allenthalben spürbaren und künftig unausweichlich noch zunehmenden (strukturellen) Ärztemangel sind – im Gegenteil, diesen noch verstärken. Also, liebe Politiker und Funktionäre, wie wär’s mit mehr Gehirnschmalz in Richtung Prozessqualität, oder anders gesagt, mit „ordnungspolitischen“ bzw. organisatorischen Ansätzen? Karl-Ludwig Resch, Bad Elster Quelle 1 NN. Bald müssen Sie nicht mehr zum Arzt – was bringt die neue Fernbehandlung? https://www.focus.de/gesundheit/ arzt-klinik/news/sprechstunde-als-online-chat-bald-muessen-sie-nicht-mehrzum-arzt-was-bringt-die-neue-fernbehandlung_id_8915869.html 2 NN. Anzahl der Arztbesuche pro Kopf in ausgewählten OECD-Ländern im Jahr 2015. https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/216577/umfrage/anzahlder-arztbesuche-pro-kopf-nach-laendern/ 3 Rieser S. Inanspruchnahme von Ärztinnen und Ärzten: Lehrreicher Blick nach Norwegen. Dtsch Arztebl 2015;112:A508 4 Korzilius H. Eröffnung des 121. Deutschen Ärztetages. Ringen um richtige Argumente. Dtsch Arztebl 2018;115:A909 5 vdek. Daten zum Gesundheitswesen: Ärztliche Behandlung. https://www. vdek.com/presse/daten/d_ausgaben_ aerztliche_behandlung.html

ÜBERSICHTSARBEIT Das diabetische Fußsyndrom – Warum klinische Daten unabdingbar sind Holger Lawall

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Mit Mikronährstoffen eine gesunde Schwangerschaft unterstützen 77 Ernährungstherapeutische Empfehlungen beim Reizdarmsyndrom 78 Hormonersatztherapie mit Natpar®: Verbesserung der Perspektive bei unzureichend kontrolliertem Hypoparathyreoidismus 80 Breites Wirkspektrum von Aflibercept beim metastasierten kolorektalen Karzinom

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Studie belegt positive Wirkung von deprexis®24 beim Einsatz in der klinischen Psychotherapie

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Meningokokken-Infektion im Urlaub: Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders gefährdet

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Idiopathische Lungenfibrose: Positive Effekte von Pirfenidon auf Lebensqualität und Hospitalisierungen

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Budesonid-Schmelztablette Jorveza®: Die erste medikamentöse Therapie der eosinophilen Ösophagitis

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Allogene Stammzelltherapie mit Darvadstrocel zur Behandlung von komplexen perianalen Fisteln bei Morbus Crohn

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RUBRIKEN Wissenswertes 76, 79, 86, 89, 95, 99 Kongresse 96

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undheilungsstörungen der unteren Extremität bei Diabetikern stellen eine besondere Herausforderung dar. Die bedeutendsten Folgen diabetischer Fußulzerationen sind kleine (Minor-) und hohe (Major-)Amputationen. Eine aktuelle Übersicht zeigt, dass fast 70 % aller MajorAmputationen der unteren Extremität und über 85 % aller MinorAmputationen bei Menschen mit Diabetes durchgeführt werden [1]. Die Zahl der hohen Amputationen bei Diabetikern lag 2014 bei fast 8.500, Minor-Amputationen wurden bei 30.400 Diabetikern vorgenommen [1]. Bei 85 % aller Amputationen bei Diabetikern ging ein Fußulkus voraus, bei dem sich im weiteren Verlauf eine schwere Infektion oder Gangrän entwickelte [2]. Prädiktoren für eine Beinam­ putation bei Diabetikern sind eine fortgeschrittene pAVK und eine nicht beherrschbare Infektion.

In der Bundesrepublik haben schätzungsweise 250.000 Menschen mit Diabetes ein diabetisches Fußsyndrom (DFS) und etwa 1 Million Diabetiker weisen ein erhöhtes Risiko auf, ein Fußulkus zu erleiden. Die Neuerkrankungsrate liegt jährlich unverändert bei 2,2 – 5,9 % [2]. Die Prävalenz des DFS nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Sie liegt bei den über 50-jährigen Patienten zwischen 5 und 10 %. Jeder vierte Diabetiker erlei­ det im Laufe seines Lebens ein diabetisches Fußsyndrom.

Eine Beinamputation ist bei Diabetikern 3- bis 10-mal häufiger als bei Nicht-Diabetikern [3]. Dabei

Das diabetische Fußsyndrom – Warum klinische Daten unabdingbar sind Holger Lawall Praxis für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Angiologie/Diabetologie, Akademie für Gefäßkrankheiten, Max-Grundig-Klinik Bühlerhöhe, Ettlingen

kommt es zu einer signifikanten, im Mittel um 5 Tage verlängerten stationären Behandlung und zu deutlich höheren stationären und poststationären Behandlungskosten [4]. In einer aktuellen Studie aus Daten aller Versicherten einer Ersatzkasse konnte für die Bundesrepublik gezeigt werden, dass vor allem die poststationären Behandlungskosten für Diabetiker mit kritischer Ischämie bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) und Fußläsionen signifikant erhöht waren: 23.006 € bei Diabetikern versus 19.204 € bei Nicht-Diabetikern [5]. Ursachen für Fußulzerationen bei Diabetikern

Fußulzera bei Diabetikern sind das Ergebnis eines multifaktoriellen Geschehens mit oft mehreren Risikofaktoren [2]. Diabetesspezifisch ist die periphere Polyneuropathie. Unspezifische Risikofaktoren sind das Tragen von ungeeignetem Schuhwerk, eine eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit, Fußdeformitäten, trockene Haut mit

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Hornhautschwielen, bakterielle Infektionen (meist als Folge einer initialen Läsion) sowie periphere arterielle und venöse Durchblutungsstörungen. Periphere Neuropathie, Ischä­ mie und Infektionen sind die drei wesentlichen pathologi­ schen Faktoren für die Entste­ hung einer diabetischen Fuß­ läsion.

Periphere arterielle Durchblutungsstörungen der Beine sind dabei von herausragender Bedeutung für die Entstehung und Prognose von diabetischen Fußläsionen, da bei Vorliegen einer hämodynamisch relevanten pAVK die Wundheilung signifikant verzögert ist und das Amputationsrisiko gegenüber Diabetikern ohne pAVK und Nicht-Diabetikern dramatisch ansteigt. Aufgrund der oft vorliegenden peripheren Polyneuropathie (PNP) ist gerade bei Diabetikern die klinische Stadieneinteilung der peripheren Durchblutungsstörungen trügerisch und führt oftmals zu Fehldiagnosen oder falscher Sicherheit, da die Warnsignale der © VERLAG PERFUSION GMBH


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Schaufensterkrankheit (Claudicatio) oder des Ruheschmerzes häufig fehlen. Die Prävalenz von pAVK, Hautläsionen und Amputationen ist bei Diabetikern mit PNP signifikant höher als bei Diabetikern ohne PNP [6]. Umgekehrt belegt eine große Untersuchung die herausragende Stellung der diabetischen Stoffwechselstörung als Risikofaktor für die Entstehung der pAVK: Die Odds Ratio für die Entstehung einer peripheren Durchblutungsstörung bei Menschen mit Diabetes beträgt 1,88 (1,66 – 2,18) und ist weit höher als das Risiko durch arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie oder Übergewicht [7].

DFS Diabeteseinstellung Diagnostik und Therapie der Begleiterkrankungen (z.B. KHK) Infekt: Antibiose nach Resistogramm, Wunddebridement Stadienorientierte Wundbehandlung

Neuropathie Osteoarthropathie

Neuro-Angiopathie

PNP PNP/pAVK pAVK DNOAP

Druckentlastung Druckentlastung Druckentlastung Druckentlastung

Revaskularisation Gefäßchirurgische OP Interventionelle Therapie

Therapie des DFS

Die Therapie des DFS hat zwei grundsätzliche Ziele: Die Behandlung der Wunde und die Verbesserung des peripheren Blutflusses bei symptomatischen pAVK-Patienten (Abb. 1). Dies beinhaltet auch die Therapie vaskulärer Risikofaktoren und Begleiterkrankungen unter besonderer Berücksichtigung koronarer und zerebrovaskulärer Gefäßerkrankungen. Wesentliche Bausteine der Be­ handlung des DFS: • Stoffwechselkontrolle und Therapie internistischer Be­ gleiterkrankungen • Infektionsbehandlung • Wunddebridement und sta­dienadaptierte lokale Wundbehandlung • Wirksame Druckentlastung • Therapie von peripheren Gefäßerkrankungen • Patientenschulung • Medizinische Fußpflege (Po­ dologie) in der Nachsorge

Angiopathie

Nach Abklingen des akuten Schubes evtl. fußchirurgische OP

Abbildung 1: Behandlungskonzept in Abhängigkeit von der Genese des diabetischen Fuß­ syndroms (DFS). PNP = Polyneuropathie, pAVK = periphere arterielle Verschlusskrankheit, DNOAP = diabetische Neuro-Osteoarthropathie.

Revaskularisation Die periphere Durchblutungsstörung der Beinarterien beeinflusst entscheidend die Prognose der Wundheilung und des Beinerhalts [8]. Von relevanter Bedeutung ist deshalb die rasche arterielle Revaskularisation bei ischämischen oder neuroischämischen diabetischen Fußläsionen [9]. Betroffene Patienten sollten in Gefäßzentren vorgestellt werden, um in Abhängigkeit von der Morbidität des Patienten und der Morphologie der Gefäßläsion das geeignete Behandlungsverfahren (endovaskulär, offen-operativ, Hybrideingriff) auszuwählen [10]. Aufgrund der geringeren Invasivität wird bei geeigneter Morphologie primär die endovaskuläre Therapie zur arteriellen Revaskularisation empfohlen [10, 11].

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Der endovaskulären Behand­ lung sollte der Vorzug gegeben werden, wenn kurzfristig und langfristig die gleiche sympto­ matische Verbesserung erzielt werden kann wie mit einem gefäßchirurgischen Eingriff.

Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Eingriff von invasiv tätigen Angiologen, Radiologen oder Gefäßchirurgen durchgeführt wird. Wichtig sind alleine die vorhandene Expertise und Ausstattung des Gefäßzentrums. Für endovaskuläre Verfahren im Unterschenkel gibt es heute keine morphologischen Einschränkungen. Die Rate für Wundheilung und Beinerhalt liegt bei ca. 80 % nach 1 Jahr und ist damit vergleichbar mit den Ergebnissen der offenen Bypasschirurgie, obwohl die Gefäßoffenheitsrate deutlich © VERLAG PERFUSION GMBH


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geringer ist (im Mittel 60 %) [10]. Die Komplikationsrate für endovaskuläres und operatives Vorgehen beträgt ca. 10 %. Bei Patienten mit kritischer Isch­ ämie ist eine schnelle und ausreichende Revaskularisation unabhängig von den eingesetzten Behandlungstechniken oberstes Ziel. Endovaskuläre und offen chirurgische Verfahren ergänzen sich hierbei, sodass in einer Sitzung Mehr­etagenläsionen behandelt werden können [12]. Bei kritischer Extremitäten­ ischämie ist ein multidiszipli­ närer Behandlungsansatz zur Kontrolle der Schmerzen, zur stadiengerechten modernen Wundversorgung sowie zur Therapie der kardiovaskulären Risikofaktoren und der Ko­ morbidität indiziert.

Auf diese Weise lassen sich nicht nur die Risiken für den Patienten, sondern auch die Behandlungskosten minimieren. Krankenhausaufenthalte bei DFS verursachen immerhin etwa 50 % aller Behandlungskosten bei Diabetes. Die Kosten für amputierte Diabetiker nach 3 Jahren betragen etwa 115.000 Euro gegenüber 92.000 Euro bei Nicht-Diabetikern [13]. Trotz der sich stets verbessernden Behandlungsmöglichkeiten stieg der Anteil der Patienten mit pAVK und Diabetes mit Claudicatio intermittens und kritischer Ischämie (CLI) von 2005 bis 2011 von 35,7 % auf 46 % [14]. In dieser großen Untersuchung an über 42.000 Patienten einer gesetzlichen Krankenkasse stellte sich – erschreckenderweise – außerdem heraus, dass bei 37 % der amputierten Patienten bis zu 2 Jahre vor der Amputation entgegen den aktuellen Leitlinienempfehlungen

Risikoprofil

Untersuchung

Keine sensorische Neuropathie

1 × jährlich

Sensorische Neuropathie

1 × alle 6 Monate

Sensorische Neuropathie und/oder pAVK und/oder Fußdeformität

1 × alle 3 Monate

Früheres Ulkus

alle 3 Monate

Doppler-Knöcheldruckmessung (ABI)

1 × jährlich

Tabelle 1: Empfohlene Kontrollintervalle beim diabetischen Fußsyndrom in Abhängigkeit vom individuellen Risikoprofil.

keine Bildgebung der Blutgefäße und/oder arterielle Revaskularisation durchgeführt worden war. Aktuelle deutsche Zahlen verdeutlichen das Problem: 2013 wurden bei etwa 50 % aller stationär aufgenommenen Patienten mit kritischer Extremitätenischämie keine endovaskuläre oder gefäßchirurgische Behandlung durchgeführt und bei etwa einem Drittel der Patienten mit Major-Amputation erfolgte im Jahr vor der Amputation oder während des stationären Aufenthaltes keine bildgebende Diagnostik. Dieses Handeln widerspricht allen aktuellen nationalen und internationalen Leitlinienempfehlungen und zeigt die Notwendigkeit einer Zweitmeinung vor geplanter Major-Amputation sowie der Schaffung eines landes- bzw. bundesweiten Amputationsregisters. Daher sei hier nochmals betont, dass die interventionelle oder chirurgische arterielle Revaskularisation nicht nur die Prognose und Lebensqualität der Patienten wesentlich verbessert. Sie trägt durch die günstigeren Voraussetzungen für die Wundheilung sowie die Wiederherstellung der körperlichen Aktivität/Mobilität auch entscheidend zur Senkung des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen bei. Die Bedeutung der Revaskula­ risation für den Beinerhalt und

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die Wundheilung ist unstrittig. Um die Zahl von hohen Ampu­ tationen zu verringern, müs­ sen Diabetiker mit peripheren Durchblutungsstörungen re­ gelmäßig und rechtzeitig bei Gefäßspezialisten vorgestellt werden (Tab. 1). Dies ist insbe­ sondere vor geplanten MajorAmputationen als sogenanntes Zweitmeinungsverfahren zu fordern.

Wundmanagement Neben der Revaskularisation spielen die stadiengerechte moderne Wundtherapie und die Behandlung der klinisch relevanten Infektion eine entscheidende Rolle. Die bisherigen Empfehlungen dazu kranken daran, dass randomisierte und kontrollierte Studien (RCTs) zur Wundbehandlung bei ischämischem DFS fehlen. Die Datenlage für einzelne Produkte zur Wundversorgung ist unverändert schlecht und eine studienbasierte belastbare Evidenz für den klinischen Nutzen bestimmter Behandlungsverfahren (z.B. Wunddebridement, Hydrotherapie, Fliegenlarvenbehandlung, Applikation von Antiseptika, Wundverbandsmittel, Einsatz von silberhaltigen Präparaten) bei Patienten mit chronischem DFS ist vielfach nicht gegeben [2]. Dies liegt unter anderem daran, dass © VERLAG PERFUSION GMBH


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neben den zu vergleichenden Therapieformen viele Faktoren (z.B. Alter, Lokalisation, Ursache, Dauer, Stoffwechseleinstellung, Nierenfunktion etc.) die Wundheilung und die Studiensituation beeinflussen. Dies spiegelt sich auch in den aktuellen britischen und deutschen Leitlinienempfehlungen zur Wundbehandlung und in einer CochraneDatabase-Analyse wider. Mit der EXPLORER-Studie wurde nun erstmals eine Studie durchgeführt, die den Grundsätzen einer guten RCT und der Good Clinical Practice genügt [15]. Sie verglich bei 240 Diabetikern mit neuroischämischem Fußulkus die Wirksamkeit einer TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix (UrgoStart Tül) mit der einer hydroaktiven Wundauflage ohne den Faktor NOSF (UrgoTül). Das überzeugende Ergebnis: Unter der Behandlung mit der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix erreichten 60  % mehr Patienten eine vollständige Wundheilung innerhalb von 20 Wochen, außerdem heilten die Wunden um durchschnittlich 60 (!) Tage schneller [15]. Angesichts dieser Daten er­ scheinen Wundauflagen mit der TLC-NOSF-Wundheilungs­ matrix (z.B. UrgoStart Plus) geeignet, sich als Behand­ lungsstandard für chronische Wunden, speziell dem DFS, zu etablieren, zumal sie un­ abhängig von Ätiologie und Schweregrad in allen Wund­ heilungsstadien eingesetzt werden können [16].

Weitere Maßnahmen Da es sich beim diabetischen Fußsyndrom um eine chronische, lebenslang fortbestehende Erkran-

Die EXPLORER Studie – wegweisend in Design und Ergebnis Die europäische, multizentrische, randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie untersuchte vergleichend den Einfluss zweier hydroaktiver Wundauflagen auf die Wundheilung bei Patienten mit neuroischämischen diabetischen Fußulzera [15]. Dieser Ulkus­ form liegt eine gemischte Ätiologie aus Neuropathie und periphe­ rer arterieller Verschlusskrankheit zugrunde, wobei Letztere mit einer schlechten Prognose assoziiert ist, z.B. mit Wundheilungsstö­ rungen sowie einem erhöhten Risiko für Wundrezidive und Ampu­ tation. Die 240 Studienteilnehmer wurden auf 2 Behandlungsarme randomisiert und erhielten 20 Wochen lang eine Standardbehand­ lung (Wound-Cleansing, Wound-Debridement) inklusive adäqua­ ter Druckentlastung. Gruppe 1 (n = 126) wurde mit der innovativen hydroaktiven Wundauflage UrgoStart Tül* behandelt, die in ihrer TLC-Matrix den Nano-Oligosaccharid-Faktor (NOSF) enthält. NOSF inhibiert die Matrix-Metalloproteinasen, die in Ulzera im Über­ schuss vorhanden sind und durch den Abbau von Wachstumsfakto­ ren die Wundheilung verzögern und somit zur Chronifizierung von Wunden beitragen. Gruppe 2 (n = 114) wurde mit einer hydroakti­ ven Wundauflage ohne NOSF versorgt (UrgoTül). Unter der Behandlung mit der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix er­ reichten 60 % mehr Patienten eine vollständige Wundheilung in­ nerhalb von 20 Wochen (48 vs. 30 %, p = 0,002). Die Zeit bis zum kompletten Wundverschluss war um durchschnittlich 60 Tage kürzer (120 vs. 180 Tage, p = 0,029).

* Polyestergitter mit TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix

kung handelt, die durch aktive Ulzera und Stadien der Remission (abgeheilte Ulzera) bei fortbestehender Polyneuropathie und Fußdeformität mit Druckbelastung gekennzeichnet ist, ist eine regelmäßige medizinische Fußpflege

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von herausragender Bedeutung. In einer bundesweiten Untersuchung an Diabetikern mit Fußläsionen konnte gezeigt werden, dass mit Zunahme der Anzahl der podologischen Mitbehandlung die Rate der Major-Amputationen sinkt [17]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Diese positiven Ergebnisse bestätigen die Resultate der Dop­ pelblindstudie CHALLENGE, einer weiteren randomisierten und kontrollierten Studie mit der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix, in die 187 Ulcus-cruris-Patienten eingeschlossen wurden [18, 19]. Un­ ter der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix verkleinerte sich innerhalb von 8 Wochen die Oberfläche von Unterschenkelgeschwüren venö­ ser oder gemischter Ätiologie signifikant stärker als bei dem Ver­ gleichsprodukt ohne NOSF (–58,3 vs. –31,6 %; p = 0,0021); zudem gingen Schmerzen und körperliche Beschwerden bzw. Angst und Depression stärker zurück (p = 0,022 bzw. 0,037).

Fazit für die Praxis: Das in den Studien beobachtete positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix fand sich in allen untersuchten Untergruppen, unabhängig von Alter, Oberfläche und Lokalisati­ on der Wunde. Daraus lässt sich folgern, dass mit der TLC-NOSFWundheilungsmatrix erstmals eine Wundtherapie zur Verfügung steht, die die Heilungsdauer verkürzt und die Wahrscheinlichkeit eines vollständigen Wundverschlusses erhöht. Durch die Kombina­ tion der TLC-NOSF-Wundheilungsmatrix mit polyabsorbierenden Polyacrylatfasern (z.B. UrgoStart Plus) ist somit eine Wundtherapie möglich, die in allen Stadien der Wundheilung anwendbar ist und die Heilungsdauer verkürzt, während die polyabsorbierenden Po­ lyacrylatfasern die Wunde von fibrinösen Belägen reinigen. Die mitunter schwierige Suche nach der für das jeweilige Wund­ heilungsstadium (Reinigungs-, Granulations- und Epithelisierungs­ phase) geeigneten Wundauflage könnte sich damit in Zukunft er­ übrigen.

Sollte bei DFS eine Teilresektion (Minor-Amputation) erforderlich sein, ist darauf zu achten, dass der Patient eine angepasste Einlagenversorgung mit Teilentlastung und kompletter Weichschaumbettung erhält. Dadurch reduziert sich die Druckbelastung beim Stehen und Gehen, sodass Rezidiven vorgebeugt wird. Außerdem sollten alle von einem DFS betroffenen Patienten regelmäßig und je nach Risiko engmaschig in spezialisierten ambulanten Fußeinrichtungen vorgestellt werden (vgl.Tab. 1). Nur so lässt sich die Zahl der Minor-Amputationen verringern.

Die podologische Mitbehand­ lung senkt die Amputations­ rate. Angepasste Einlagen führen zur Druckumverteilung und verhindern Rezidive.

Fazit

Die Zahl der hohen Amputationen bei Diabetikern in Deutschland ist trotz steigender Zahl von Fußläsionen bei Diabetikern in Deutschland leicht rückläufig. Eine Voraussetzung für eine zielgerichtete interdisziplinäre Behandlung ist das Erkennen der Hauptursache. Daraus folgt, dass zur Reduktion

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der Amputation die Diagnostik und spezialisierte Therapie von peripheren Durchblutungsstörungen von herausragender Bedeutung sind. Vor einer geplanter MajorAmputation muss in einem spezialisierten Gefäßzentrum eine Zweitmeinung eingeholt werden. Die Therapie beinhaltet die Druck­ entlastung, Wundsäuberung und stadiengerechte lokale Wundbehandlung, die Verbesserung der Durchblutung und die sachgerechte Behandlung von bakteriellen Infektionen. Zu den präventiven Maßnahmen gehören die Schulung von Diabetikern, das Screening von peripheren Durchblutungsstörungen mittels einfacher und kostengünstiger Bestimmung des Knöchel-Arm-Index und die regelmäßige Fußinspektion. Risikopatienten müssen einmal im Quartal in spezialisierten Fußambulanzen vorgestellt werden. Durch Vernetzung der ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen, die Einbeziehung von Podologen sowie die Implementierung und Anwendung von definierten Behandlungspfaden ist eine Reduktion der hohen Amputationsrate bei Diabetikern möglich. Literatur 1 Kröger K, Berg C, Santosa F et al. Amputationen der unteren Extremität in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2017; 114:130-136 2 Morbach S, Müller E, Reike H et al. Diabetisches Fuß-Syndrom. Praxisleitlinie DDG. Diabetologie 2013;8:180-188 3 Norgren L, Hiatt WR, Dormandy JA et al. Inter-Society Consensus of the management of peripheral arterial disease (TASC II). J Vasc Surg 2007;45 (Suppl):S5-S6 4 Malone M, Nau NS, White J et al. The effect of diabetes mellitus on costs and length of stay in patients with peripheral arterial disease undergoing vascular surgery. Eur J Vasc Endovasc Surg 2014; 48:447-451 5 Freisinger E, Malyar N, Reinecke H et al. Impact of diabetes on outcome in critical limb ischemia with tissue loss: a larged-

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scaled routine data analysis. Cardiovasc Diabetol 2017;16:41-5 6 Prompers L, Schaper N, Apelquist J et al. Prediction of outcome in individuals with diabetic foot ulcers: focus on between individuals with and without peripheral vascular disease. The EURODIALE Study. Diabetologia 2008;51:747-755 7 Fowkes GFR, Rudan D, Rudan I et al. Comparison of global estimates of prevalence and risk factors for peripheral artery disease in 2000 and 2010: asystematic review and analysis. Lancet 2013;382:13291340 8 Zhao Y, Ye W, Boye KS et al. Prevalence of other diabetes-associated complications and comorbidities and its impact on health care charges among patients with diabetic neuropathy. J Diabetes Complications 2010;9:9-19 9 Lawall H, Lüdemann C. Diagnostik und Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit bei Diabetespatienten. Diabetologie 2015;11:12-21 10 Schaper NC, Andros G, Apelquist J et al. Diagnosis and treatment of peripheral arterial disease in diabetic patients with a foot ulcer. A progress report of the International Working Group on the Diabetic Foot. Diabetes Metab Res Rev 2012; 28:218-224 11 Lawall H, Huppert P, Rümenapf G. S3Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und

Nachsorge der PAVK. AWMF-LL 065/003; 2015 12 Jaff MR, White CJ, Hiatt WR et al. An update on methods for revascularization and expansion of the TASC Lesion Classification to include below-the-knee arteries: a supplement to the Inter-Society Consensus for the management of peripheral arterial disease (TASC II). J Endovascular Ther 2015;22:663-677 13 Hoffmann F, Claessen H, Morbach S et al. Impact of diabetes and costs before and after major lower extremity amputations in Germany. J Diab and Compl 2013; 27:467472 14 Reinecke H, Unrath M, Freisinger E et al. Peripheral arterial disease and critical limb ischaemia: still poor outcomes and lack of guideline adherence. Eur Heart J 2015; 36:932-938 15 Edmonds M, Lázaro-Martínez JL, AlfayateGarcía JM et al. Sucrose octasulfate dressing versus control dressing in patients with neuroischaemic diabetic foot ulcers (Explorer): an international, multicentre, doubleblind, randomised, controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6:186-196 16 Münter KC, Meaume S, Augustin M et al. The reality of routine practice: a pooled data analysis on chronic wounds treated with TLC-NOSF wound dressings. J Wound Care 2017;26:153

Anschrift des Verfassers: Dr. med. Holger Lawall Praxis für Herz-Kreislauf-Erkrankungen Akademie für Gefäßkrankheiten Max-Grundig-Klinik Bühlerhöhe Lindenweg 1 76275 Ettlingen E-Mail: holger.lawall@gmail.com

istiken, die anschaulich die unterschiedlichen Schwindelformen, Diagnosemethoden und Therapie-

möglichkeiten beschreiben. Sie ist unter www.arztcme.de/schwindel_ fallbeispiele bis zum 26.03.2019 abrufbar. Für den Abschluss der Fortbildung gibt es bis zu 2 CMEPunkte. Um die Fortbildung auf der Online-Plattform durchführen zu können, ist eine vorherige Anmeldung nötig. Die Fortbildung wurde durch Hennig Arzneimittel unterstützt, das alle rezeptpflichtigen Wirkstoffe sowie eine natürliche Wirkstoffkombination zur Behandlung von Schwindel anbietet. Über das Unternehmen können die Unterlagen auch in gedruckter Form per EMail an info@hennig-am.de unter Angabe der Postanschrift angefordert werden. S. M.

Zertifizierte Fortbildung zum Thema Schwindel Schwindel zählt zu den 20 häufigsten Behandlungsanlässen in deutschen Hausarztpraxen. Die OnlineAkademie arztCME bietet jetzt eine zertifizierte Fortbildung zum Thema Schwindel und Gleichgewichtsstörungen an. Anhand von praxisnahen Fallbeispielen lernen Ärzte, unterschiedliche Schwindelformen schnell und sicher zu differenzieren und adäquat zu behandeln. Die CME-Fortbildung „Schwindel – Fallbeispiele aus der Praxis für die Praxis“ beinhaltet 6 Kasu-

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17 Kröger K, Moysidis T, Fegjaly M et al. Association of diabetic foot care and amputation rates in Germany. Int Wound J 2016;13:686-691 18 Meaume S, A randomized, controlled, double-blind prospective trial with a LipidoColloid Technology-Nano-Oligo-Saccharide Factor wound dressing in the local management of venous leg ulcers. Wound Rep Reg 2012;20:500-511 19 Meaume S, Dompmartin A, Lok C et al. Quality of life in patients with leg ulcers: results from CHALLENGE, a doubleblind randomised controlled trial. J Wound Care 2017;26:368-379

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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uch ein umfassendes Angebot an Nahrungsmitteln in hoher Qualität ist kein Garant für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mikronährstoffen [1]. Besondere Relevanz hat dies für Frauen mit Kinderwunsch bzw. Schwangere und Stillende, denn ein Mangel an bestimmten Mikronährstoffen kann sich negativ auf die kurzund langfristige Entwicklung des Kindes auswirken. Folgen können beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen, Übergewicht oder eine eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit sein. Folat-Supplementierung ab Kinderwunsch

Einem aktuellen wissenschaftlichen Review zufolge ist in Industriestaaten wie beispielsweise Deutschland eine zu geringe Mikronährstoff-Zufuhr über die Nahrung bzw. niedrige Blutspiegel wichtiger schwangerschaftsunterstützender Mikronährstoffe verbreitet. Dies gilt in besonderem Maße für die Versorgung mit Folat [1]. Eine adäquate Versorgung mit Folaten, zu denen auch Folsäure gehört, ist jedoch insbesondere in den ersten Wochen der Schwangerschaft entscheidend für die Entwicklung des Kindes. Frauen mit Kinderwunsch sollten daher mindestens 4 Wochen vor der geplanten Schwangerschaft ein Supplement mit Folsäure zusätzlich zur folatreichen Ernährung einnehmen [2]. Studien zufolge ist die präkonzeptionelle FolsäureSupplementierung mit einem um 70 % reduzierten Risiko für Neuralrohrdefekte assoziiert [3]. Eine Studie mit einem folsäurehaltigen Multivitaminpräparat zeigte sogar eine Risikominimierung um 92 % [4].

Mit Mikronährstoffen eine gesunde Schwangerschaft unterstützen

Eine gute Empfehlung zur Folsäure-Supplementierung bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Trimesters ist Elevit® 1, das pro Tablette 800 μg Folat (in Form von Folsäure und Metafolin®) enthält und dazu beiträgt, rasch präventiv relevante Folatspiegel zu erreichen. Als relevant gilt ein Spiegel von 906 nmol/l [5]. Mit Metafolin® werden dabei auch Frauen mit Folat versorgt, die aufgrund ihrer genetischen Disposition Folsäure nur unzureichend metabolisieren können. Von diesem Polymorphismus ist etwa jede zweite Frau betroffen [6]. Zink: Wichtige Rolle bei Eizell­reifung und früher Embryonalentwicklung

Neben Folsäure enthalt Elevit® 1 auch Jod, Eisen, Selen und Zink. Zink trägt dabei zu einer normalen Fruchtbarkeit und Reproduktion bei. Eine amerikanische Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass die Zink-Homöostase einen wichtigen Anteil an der normalen Entwicklung von Eizellen – insbesondere auf die Meiose hat [7]. Daten der Nationalen Verzehrsstudie II zufolge nimmt jedoch etwa jede fünfte Frau in Deutschland zu wenig Zink mit der Nahrung auf [8]. Während

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der Schwangerschaft empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung darüber hinaus, die Zinkaufnahme bei Frauen von 7 mg auf 10 mg pro Tag zu steigern [9]. In der Schwangerschaft steigt auch der Bedarf an Eisen, da sich das Blutvolumen während der Gravidität erhöht. Selen spielt für die Schilddrüsenfunktion eine wichtige Rolle und bewahrt als Antioxidans die Zellen vor oxidativem Stress. Ab dem zweiten Trimester: Bedeutung von Omega-3Fettsäuren steigt

Mit Beginn des zweiten Trimesters der Schwangerschaft gewinnt die Versorgung des Feten mit Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) an Bedeutung. DHA unterstützt die Entwicklung des Gehirns und der Augen besonders ab der 13. Schwangerschaftswoche. Schwangere sollten daher zweimal in der Woche Fisch in ihren Speiseplan integrieren. Doch viele Frauen finden keinen Geschmack an Fisch, reagieren allergisch darauf oder haben Vorbehalte wegen einer Belastung mit Schwermetallen. Hier kann Elevit® 2 einen wichtigen Beitrag leisten: Es enthält 200 mg DHA und 80 mg EPA. Hinzu kommen 400 μg Folat © VERLAG PERFUSION GMBH


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(in Form von Folsäure und Metafolin®) sowie Eisen, Zink und Selen für den Bedarf ab der 13. Schwangerschaftswoche. Mikronährstoffbedarf phasengerecht decken

Elevit® 1 und 2 unterstützen die bedarfsgerechte Versorgung der Frau während der verschiedenen Phasen der Schwangerschaft mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Die Phasenkombination ist dabei auf die Nährstoffbedürfnisse von Mutter und Kind abgestimmt. Elevit® 1 wird als Ergänzung ab Kinderwunsch bis Ende des ersten Trimesters empfohlen, Elevit® 2 ist eine sinnvolle Supplementierung ab dem zweiten Trimester bis zum Ende der Stillzeit. Elevit® 1 und 2 sind mit nur einer Tablette bzw. Kapsel täglich besonders anwenderfreundlich einzunehmen. Außerdem sind die Präparate laktose- und glutenfrei. Elevit® 2 enthält keine Schweinegelatine und hat keinen fischigen Nachgeschmack. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Schäfer E. J Nutr Disorders Ther 2016; 6:199 2 https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/folat 3 EFSA Journal 2013;11;3328. 4 Czeizel AE. Paediatr Drugs 2000;2:437449 5 Schäfer E et al. Vitam Miner 2016;5:1 6 Prinz-Langenohl R et al. Brit J Pharmacol 2009;158:2014-2021 7 Kim AM et al. Nat Chem Biol 2010;6:674681 8 NVS II 2013; https://www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Institute/EV/Lebensmittelverzehr_Nährstoffzufuhr_24h-recalls-neu. pdf 9 Referenzwerte Zink, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/zink/

Ernährungstherapeutische Empfehlungen beim Reizdarmsyndrom

D

as Reizdarmsyndrom (RDS) gehört zu den häufigsten gastrointestinalen Krankheitsbildern: Schätzungen zufolge sind 10–15  % der Bevölkerung betroffen, Frauen signifikant öfter als Männer. Die Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder Diarrhö sind relativ unspezifisch und erschweren die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik, z.B. einer Zöliakie, Gluten-/ Weizensensitivität, Weizenallergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Die Diagnose erfolgt, wenn sich die Symptome weder einer organischen noch einer pathologischen Ursache zuordnen lassen. Menschen mit RDS sind in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt. Neben Stressreduktion, Psychotherapie, Probiotika, Medikamenten und weiteren Therapieansätzen ist die Ernährungsumstellung eine wichtige Säule.

Low-FODMAP-Diät als Therapieoption

Eine einheitliche Ernährungsempfehlung bei RDS gibt es nicht, sie sollte von Patient zu Patient individuell auf die Symptome abgestimmt sein. Generell können aber die Reduktion der Alkohol-, Nikotin- und Fettzufuhr sowie eine ausgewogene Ernährung helfen, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Reicht dies nicht aus, kann ein Verzicht auf fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccaride und Polyole (FODMAPs) zur Besserung führen. In mehreren klinischen Studien [1] lieferte eine Low-FODMAP-Diät vielversprechende Ergebnisse: Bei 3 von 4 RDS-Patienten (75 %) zeigte sich eine signifikante Linderung der Symptome. Mehr als 80 % der Probanden verfolgten die Low-FODMAP-Diät über die Studiendauer hinaus weiter. Dies unterstreicht

Schär-Produkte unterstützen Low-FODMAP-Diät Viele glutenfreie Lebensmittel sind ebenfalls arm an FODMAPs. Schär, der Spezialist für glutenfreie Lebensmittel, hat einige seiner Produkte, die arm an FODMAPs sind, von der Monash University testen und zertifizieren lassen. RDS-Betroffenen steht eine Aus­ wahl an Schär-Produkten zur Verfügung, die sie uneingeschränkt genießen können, zum Beispiel Meisterbäckers Mehrkorn, Ciabat­ ta oder Panini rolls. Um bei der Umsetzung einer FODMAP-armen Ernährung zusätzlich zu unterstützen, bietet das Unternehmen passende, einfach zuzubereitende Rezepte auf der Website www. schaer.com an.

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die empfundene Wirksamkeit der Therapie. Eine weitere Studie weist außerdem darauf hin, dass die Symptome eines RDS bei vielen Patienten auch durch eine glutenfreie Diät gelindert werden können. Die GIBS-Studie der Charité Berlin [2] kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass sich im Rahmen einer viermonatigen glutenfreien Diät bei 34 % der getesteten Patienten mit der Diagnose RDS (vom Typ D und M) die Symptome statistisch signifikant und klinisch relevant verbesserten. Eine Zöliakie war im Vorfeld ausgeschlossen worden. Viele Patienten ernährten sich über den Zeitraum der Studie hinaus weiter glutenfrei. Wichtig bei einer FODMAP-armen wie auch bei der glutenfreien Diät ist es, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, um eine gute Nährstoffversorgung sicher­ zustellen. Bei vielen Patienten stabilisieren sich die Symptome innerhalb einiger Wochen. Danach gilt es, individuell herauszufinden, welche Nahrungsmittel nach und nach wieder in den Ernährungsplan aufgenommen werden kön-

Kineret® erhält EUZulassung für die Behandlung des StillSyndroms Die Europäische Kommission hat die Zulassung von Kineret® (anakinra) um die Behandlung des Still-Syndroms erweitert. Die Zulassungserweiterung umfasst sowohl die systemische juvenile idiopathische Arthritis als auch den Morbus Still des Erwachsenen. Das Still-Syndrom ist eine

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nen. Um bestmögliche Erfolge zu erzielen, sollte die Ernährungsumstellung durch einen Fachexperten begleitet werden. Toolkit zur Diagnose und Therapie des RDS

Um Ärzte und Ernährungsfachkräfte bei der Diagnose und diätetischen Behandlung zu unterstützen, hat die Unternehmensgruppe Dr. Schär Informationen zur aktuellen Datenlage, Diagnose und Therapie des RDS, zur Ernährungstherapie und zu interessanten Studien kompakt im neuen Toolkit Reizdarmsyndrom zusammengestellt. Die als besonderer Service für Ärzte und Ernährungsfachkräfte entwickelte Informationsmappe wird ergänzt durch hilfreiche Materialien, die an den Patienten weitergegeben werden können, darunter die Patientenbroschüre „Reizdarm – Ernährung als Therapie“, Infoblätter zum Reizdarmsyndrom und Taste-it-Karten für das kostenlose Willkommenspaket von Schär. Unter http://www.drschaer-instiseltene, systemische, autoinflam­ matorische Multiorgan-Krankheit, an der in der EU ca. 25.000 Kinder und Erwachsenen leiden. Gekennzeichnet ist es durch Symptome wie Fieberschübe, typische flüchtige Hautausschläge, Gelenkentzündungen, Lymphknotenvergrößerung, Lebervergrößerung und Entzündungen der serösen Häute. In Ergänzung der bisherigen lautet die neue Indikation: Kineret® ist indiziert bei Erwachsenen, Jugendlichen, Kindern und Kleinkindern ab 8 Monaten mit einem Körpergewicht von 10 kg und mehr zur Behandlung des Still-Syndroms

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tute.com/de/infomaterial kann das Toolkit Reizdarmsyndrom bestellt werden. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Halmos EP, Power VA, Shepherd SJ et al. A diet low in FODMAPs reduces symptoms of irritable bowel syndrome. Gastroenterology 2014;146:67.e5-75.e5 2 Barmeyer C, Schumann M, Meyer T et al. Long-term response to gluten-free diet as evidence for non-celiac wheat sensitivity in one third of patients with diarrhea-dominant and mixed-type irritable bowel syndrome. Int J Colorectal Dis 2017;32: 29-39

einschließlich der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (SJIA) und des Morbus Still des Erwachsenen (AOSD, Adult-onset Still’s Disease) mit aktiven systemischen Merkmalen von moderater bis hoher Krankheitsaktivität oder bei Patienten mit fortbestehender Krankheitsaktivität nach Behandlung mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSARs) oder Glukokortikoiden. Kineret® kann als Monotherapie gegeben werden oder in Kombination mit anderen antientzündlichen Medikamenten oder DMARDs (Disease-modifying Antirheumatic Drugs). © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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in Hypoparathyreoidismus entsteht aufgrund einer reduzierten oder fehlenden körpereigenen Produktion des Parat­ hormons (PTH). Die mit Abstand häufigste Ursache (ca. 75 %) des PTH-Mangels ist die Schädigung oder Entfernung der Nebenschilddrüsen bei einem chirurgischen Eingriff (z.B. subtotale Thyroidektomie, totale Strumektomie bei Schilddrüsenkarzinom oder Morbus Basedow). Seltener sind autoimmun oder genetisch bedingte Störungen [1]. Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus leiden unter einer Vielzahl von Symptomen und sind häufig in ihrer Lebensqualität eingeschränkt [1]. Ein Teil der Betroffenen erzielt unter Standardtherapie keine ausreichende Kontrolle der Erkrankung. Für diese Gruppe stellt die Zusatztherapie mit rekombinantem Parathormon (rhPTH[1-84], Natpar®] eine wichtige Behandlungsoption dar. Stoffwechseldysregulation mit komplexem Symptombild

Parathormon steuert unter anderem den Phosphat-, Kalzium- und Vitamin-D-Stoffwechsel. Entsprechend dominieren bei Hypoparathyreoidismus Symptome, denen eine Dysregulation dieser Stoffwechselwege zugrunde liegt. Die Bandbreite der Beschwerden ist groß: Neben körperlichen Beschwerden wie Tetanie, Muskelkrämpfen in Händen und Beinen, Parästhesien, Laryngo- und Bronchospasmen können Einschränkungen der Nierenfunktion sowie Nieren- und Basalganglienverkalkungen auftreten, aber auch kognitive Einbußen und Beeinträchtigungen der psychischen Verfassung. Kardiale Beschwer-

Hormonersatztherapie mit Natpar®: Verbesserung der Perspektive bei unzureichend kontrolliertem Hypoparathyreoidismus den, akute Erschöpfungszustände, Schmerzen und schwer zu kontrollierende Krampfanfälle schränken die Betroffenen im Alltag ein. Hypokalzämische Krisen können zur Hospitalisierung führen. Wichtige Erkenntnisse zur Lebensqualität bei chronischem Hypoparathyreoidismus lieferte die PARADOX-Studie [2]. Dazu beurteilten 374 Patienten anhand von Fragebögen ihre Lebensqualität. Über 75 % der Patienten litten innerhalb von 12 Monaten an Müdigkeit, Muskelschmerzen und Missempfindungen. Fast alle Patienten hatten polysymptomatische Beschwerden (Abb. 1). Die Vielzahl körperlicher, kognitiver und emotionaler Einschränkungen hat erhebliche negative Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen: 85 % der Patienten waren in ihren Alltagsaktivitäten eingeschränkt.

Insbesondere Schlafqualität und Stressresistenz waren reduziert. 78 % der Befragten gaben an, dass die Erkrankung ihre Produktivität am Arbeitsplatz beeinflusst [2]. Rekombinantes Parathormon erweitert Therapiespektrum

Für schwer betroffene Patienten könnte rekombinantes PTH (rhPTH) eine Chance bieten, das in verschiedenen Studien zu einer Normalisierung der Kalzium-, Phosphat- und Vitamin-D-Konzentrationen führte [3]. Seit April 2017 ist rhPTH(1-84) (Natpar®) in der EU als Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus zugelassen, deren Erkrankung sich durch die Standardtherapie allein nicht ausreichend kontrollieren

Natpar® Natpar® ist ein rekombinant hergestelltes Parathormon, dessen Aminosäuresequenz der des endogenen, humanen Parathormons gleicht. Es steht als Zusatztherapie in den Dosierungen 25, 50, 75 und 100 µg zur einmal täglichen Injektion für erwachsene Patien­ ten mit chronischem Hypoparathyreoidismus zur Verfügung, de­ ren Erkrankung sich durch die Standardtherapie allein nicht hin­ reichend kontrollieren lässt [4]. In den USA ist Natpar® unter dem Handelsnamen Natpara® (parathyroid hormone) bereits seit Januar 2015 zugelassen.

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KÖRPERLICHE SYMPTOME

KOGNITIVE SYMPTOME

82%

Ermüdung

78%

Muskelschmerzen / Krämpfe

76%

Parästhesie

70%

Tetanie

67%

Gelenk- oder Knochenschmerzen Schmerzen / Kraftlosigkeit / Schwäche in den Extremitäten

53%

65%

Konzentrationsschwäche

61,5%

Gedächtnisverlust / Vergesslichkeit

57%

Schlafstörung EMOTIONALE SYMPTOME

59%

Ängstlichkeit / innere Unruhe

53%

Traurigkeit / Depression

WEITERE SYMPTOME • Stuhlgangstörungen: 46 % • Brüchige Nägel: 44 %

WEITERE SYMPTOME

• Hitzeunverträglichkeit: 44 % • Kopfschmerzen: 42 %

• Empfindlichkeiten: 47 %

• Beschädigung der Haut / raue und extrem trockene Haut: 40 % • Kälteempfinden: 37 %

72%

Kognitive Einbußen / mentale Lethargie

• Gefühl, missverstanden zu werden: 44 % • Leichte Reizbarkeit / überkritisch: 36 % • Sozialer Rückzug / Gefühl der Isolation: 32 %

• Haarausfall: 33 % • Übelkeit: 30 %

Abbildung 1: Ein chronischer Hypoparathyreoidismus geht mit einer Vielzahl von Symptomen einher. Bei einer Online-Befragung gaben 374 04.07.18 09:15 Beschwerden an, die bei ihnen trotz Medikation in einem Zeitraum von 12 Monaten aufgetreten sind [2].

Abbildung_Natpar.indd Patienten die o.g.1

lässt [4]. In der Zulassungsstudie REPLACE bewirkte die zusätzliche Gabe von rhPTH(1-84) eine signifikante Reduktion des oralen Kalzium- und aktiven VitaminD-Bedarfs von mindestens 50 % mit Erhalt der Normokalzämie gegenüber der alleinigen Standardtherapie (54,8 % vs. 2,5 %). 43 % der Patienten unter rhPTH(1-84) und 6,1 % unter Placebo konnten in der Studie auf eine zusätzliche Vitamin-D-Einnahme verzichten und benötigten gleichzeitig maximal 500 mg Kalzium pro Tag. In der rhPTH(1-84)-Gruppe kam es zudem zu einer mittleren prozentualen Abnahme der Kalziumdosis von 51,8 %, im Gegensatz zu einer Steigerung um 6,5 % in der Placebo Gruppe [5]. Langzeitdaten unterstreichen, dass Natpar® auch über aktuell 6 Jahre anhaltend wirksam ist und im Allgemeinen gut vertragen wird [6].

Welche Patienten können von der Zusatztherapie mit Natpar® profitieren?

Der Einsatz von Natpar® ist bei Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus angezeigt, die unter alleiniger Standardtherapie nicht hinreichend kontrolliert sind [4]. Eine Hyperkalziurie, das Vorliegen von Nierensteinen, Nephrokalzinosen oder einer Hyperphosphatämie können laut Expertenmeinung Indikatoren für eine zusätzliche Therapie mit Natpar® sein [7]. Neben diesen klinischen Parametern gewinnt zunehmend ein weiterer wichtiger Aspekt an Bedeutung, der zuvor oft nur stiefmütterlich behandelt wurde: die Einschränkungen in der Lebensqualität, die unter Standardtherapie fortbestehen. Insgesamt sollte daher je nach Symptomatik der Nutzen einer Therapie mit

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Natpar® von Fall zu Fall geprüft werden. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Siggelkow H. Endokrinologie Informationen. Sonderheft 2017:11-14 2 Hadker N et al. Endocr Pract 2014;20:671679 3 Clarke BL et al. J Clin Endocrinol Metab 2016;101:2284-2299 4 Fachinformation Natpar®; Stand April 2017 5 Mannstadt M et al. Nat Rev Dis Primers 2017;3:17055 6 Rubin MR et al. J Clin Endocrinol Metab 2016;101:2742-2750 7 Brandi ML et al. J Clin Endocrinol Metab 2016;101:2273-2283

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Breites Wirkspektrum von Aflibercept beim metastasierten kolorektalen Karzinom

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as antiangiogene Fusionsprotein Aflibercept (Zaltrap®) ist in Kombination mit FOLFIRI (5-FU/Folinsäure, Irinotecan) eine wirksame Zweitlinientherapie für Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC), das unter oder nach einem Oxaliplatin-haltigen Regime fortgeschritten ist. Darüber hinaus ist die Substanz grundsätzlich breit einsetzbar – unter anderem unabhängig vom RAS- und BRAF-Status, von der primären Tumorlokalisation und vom Alter der Patienten. Unerheblich ist dabei, ob die Patienten mit einem anti-EGFR-gerichteten oder antiVEGF-gerichteten Antikörper vorbehandelt sind [1, 2]. Aflibercept/FOLFIRI: In der 2. Therapielinie breit einsetzbar

Aflibercept bindet an die vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren VEGF-A und -B sowie an den Plazenta-Wachstumsfaktor (PlGF) und blockiert dadurch die rezeptorvermittelte Signalübertragung. Alle 3 Liganden sind für das Ansprechen auf eine antiangiogene Therapie von Bedeutung [1]. Der breite antiangiogene Wirk­ ansatz ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Aflibercept im klinischen Alltag eingesetzt wer-

den kann und auch nach einer antiVEGF-gerichteten Erstlinientherapie eine wirksame Therapieoption für Patienten mit mCRC darstellt. Dies belegen insbesondere die Ergebnisse der Zulassungsstudie VELOUR: Hier erreichten die Patienten unter der Zweitlinientherapie mit Aflibercept/FOLFIRI einen signifikanten medianen Überlebensvorteil gegenüber FOLFIRI alleine (HR: 0,817; p = 0,0032), und das unabhängig davon, ob die Patienten bereits mit Bevacizumab vorbehandelt waren [1]. Dass eine Vorbehandlung mit Bevacizumab auf die Aflibercept-Gabe keinen Einfluss hat, zeigen auch die in der VELOUR-Studie erhobenen Plasma-Daten [3]: Die mit Bevacizumab vorbehandelten Patienten wiesen signifikant erhöhte PlGF(p = 2,8–13) und VEGF-A-Werte (p = 10–58) auf, was Folge einer Resistenz gegenüber Bevacizumab sein könnte. Aflibercept wirkt darüber hinaus unabhängig vom RAS- und BRAF-Status – mutiert (MT) oder Wildtyp (WT). Dies belegt die retrospektive Auswertung von insgesamt 482 Gewebeproben aus der VELOUR-Studie [2]. Auch die Lokalisation des Primärtumors im rechten oder linken Kolon hat demnach keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Aflibercept. Von Aflibercept profitierten besonders deutlich die RAS- bzw.

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KRAS-WT-Patienten (HR: 0,70 bzw. 0,74) sowie die BRAF-mutierten Patienten (HR: 0,42), die Patientengruppe mit einer besonders ungünstigen Prognose [2]. In der Studie gibt es also keine Subgruppe, die nicht von der hohen Wirksamkeit von Aflibercept profitiert [2]. Wirksamkeit im klinischen Alltag bestätigt

Dass Aflibercept/FOLFIRI im klinischen Alltag ab der zweiten Therapielinie bei einem breiten Patientenkollektiv mit mCRC einsetzbar ist, untermauern die Real-LifeDaten aus einer Interim-Analyse der nicht interventionellen Studie QoLiTrap [4]: Unabhängig von der Vorbehandlung zeigte sich hier eine hohe Krankheitskontrollrate von 73 % bei gleichzeitig stabiler Lebensqualität [4]. Die Auswertungen bestätigen zudem, dass Aflibercept im klinischen Alltag bevorzugt in der zweiten Therapielinie eingesetzt wird [5]. Wichtig ist, dass auch ältere Patienten mit mCRC von Aflibercept/ FOLFIRI profitieren können. In der VELOUR-Studie waren etwa 35 % der Patienten mindestens 65 Jahre alt. Sie erreichten einen vergleichbaren medianen Überlebensvorteil wie die Patienten unter 65 Jahren (HR: 0,85 vs. HR: 0,80). © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

In beiden Altersgruppen hielt der Überlebensvorteil bis zu 30 Monate an. Die Therapieverträglichkeit war in beiden Altersgruppen ebenfalls vergleichbar [6]. Einen Blick in die Zukunft bietet die PERMAD-Studie [7]. Hier wird untersucht, ob es prognostisch sinnvoll ist, anhand von Marker-Veränderungen, zum Beispiel dem PlGF- und VEGF A-Anstieg, einen Progress unter anti-VEGFgerichteter Behandlung frühzeitig zu erkennen und bereits vor den klinischen Manifestationen die antiangiogene Therapie auf Aflibercept zu wechseln. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 van Cutsem E et al. J Clin Oncol 2012; 30:3499-3506 2 Wirapati P et al. JCO ASCO 2017, #3538 3 van Cutsem E et al. Ann Oncol 2017; 28(Suppl 3):O-012 4 Scholten F et al. DGHO-Tagung 2017, Stuttgart; Oncol Res Treat 2017;40(Suppl 3):P578 5 Scholten F et al. Oncol Res Treat 2016; 39(Suppl 3):V684 6 Ruff P et al. J Geriatric Oncol 2018;9:3239 7 h t t p s : / / c l i n i c a l t r i a l s . g o v / c t 2 / s h o w / NCT02331927

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Studie belegt positive Wirkung von deprexis®24 beim Einsatz in der klinischen Psychotherapie

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ei der klinischen Behandlung von Depressionen ist es wichtig, den Körper und die Seele in Einklang zu bringen und den psychischen und physischen Zustand der Patienten ganzheitlich zu betrachten. Dass dabei die Digitalisierung helfen kann, zeigt eine aktuelle Studie der Psychosomatischen Klinik in Bad Neustadt/ Saale: 229 Patienten nahmen an einer Untersuchung teil, bei der erstmals das Online-Therapieprogramm deprexis®24 zusätzlich zur durchgeführten stationären Faceto-Face(F2F)-Psychotherapie zum Einsatz kam [1]. Das von der Servier Deutschland GmbH vertriebene und als Medizinprodukt gekennzeichnete Online-Therapieprogramm deprexis®24 bietet bei unipolarer Depression oder depressiver Verstimmung eine wirksame Therapieunterstützung und/oder Wartezeitenüberbrückung. Es basiert auf den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und umfasst verschiedene Module, die Themen abdecken, die auch in der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie

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behandelt werden, zum Beispiel kognitive Aspekte der Depression, Entspannung, körperliche Aktivität oder soziale Kompetenz. Die signifikante antidepressive Wirksamkeit von deprexis®24 wurde mittlerweile in 11 wissenschaftlichen Studien in Deutschland mit mehreren tausend Patienten nachgewiesen [1–12]. Stationäre Psychotherapie verbessert sich durch Nutzung von deprexis®24

Die Therapie in der Bad Neustädter Klinik besteht unter anderem aus Einzel- und Gruppentherapien, kreativen psychotherapeutischen Maßnahmen sowie Patientenschulungen und sportlichen Übungen. Von den 229 Teilnehmern der Studie erhielten 115 zudem die Möglichkeit, sich einmal in der Woche eine Stunde lang mit deprexis®24 zu beschäftigen. Die Kontrollgruppe bekam Zugang zu online verfügbarem Lesematerial. Dieses Angebot wurde dabei nur halb so oft in Anspruch genommen wie die Unterstützung durch deprexis®24.

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Im Verlauf der Studie verbesserten sich die depressiven Symptome der deprexis®24-Nutzer signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe (Psychotherapie und Online-Information zur Depression). Dieser Effekt blieb auch über das Entlassungsdatum hinaus bestehen (nachgewiesene Effektstärke nach Cohen: d = .44) [1]. In Meta-Analysen von Studien hatte sich bereits gezeigt, dass Online-Therapieprogramme und insbesondere deprexis®24 bei der Behandlung von Depressionen eine sinnvolle Hilfeleistung darstellen können [13]. In diesen Studien wurden die Programme von den Patienten ohne die Unterstützung durch einen Therapeuten angewendet. Auch bei der jetzt durchgeführten Studie im Klinikumfeld waren die Therapeuten nicht involviert. Das Arzt-Patienten-Verhältnis wurde durch deprexis®24 in keiner Weise gestört, es verbesserte sich sogar tendenziell in der Interventionsgruppe. Und: Anstatt durch die Mehrarbeit mit dem Online-Therapieprogramm einer höheren Belastung ausgesetzt zu sein, erreichten die Patienten stärkere und dauerhaftere Behandlungseffekte. Das Feedback der Studienteilnehmer fiel dabei sehr positiv aus: 79 % zeigten sich zufrieden bis sehr zufrieden im Gegensatz zu 46 % in der Kontrollgruppe [1]. Erfolgreich auch in der ambulanten Psychotherapie

In einer weiteren, ebenfalls neu erschienenen Studie wurde die Wirksamkeit von deprexis®24 bei der ambulanten F2F-Psychotherapie nachgewiesen [2]. Von Vorteil ist hier insbesondere, dass Betroffene durch deprexis®24 gezielt und

ortsunabhängig eine individualisierte und interaktive OnlineSoforthilfe bekommen können. Mithilfe dieses Programms, das auf allen Computern und mobilen Endgeräten verfügbar ist, kann der Nutzer die verschiedenen OnlineModule beliebig oft durcharbeiten. Dabei führt deprexis®24 über einen Zeitraum von 3 Monaten mit ihm einen virtuellen interaktiven, dynamischen Dialog und reagiert individuell auf seine Antworten. Das Programm kann mit oder ohne begleitende Unterstützung durch einen Arzt oder Psychotherapeuten angewendet werden, wobei eine Begleitung den Effekt der Anwendung von deprexis®24 verbessert. Ziel ist es, dem Patienten in seiner Depression zu helfen und die Fähigkeit zu einem verbesserten Selbstmanagement zu unterstützen. Elisabeth Wilhelmi, München

M

eningokokken (Neisseria meningitidis) sind gramnegative Endotoxin produzierende Bakterien, die als Diplokokken auftreten. Invasive Meningokokken-Erkrankungen (IME) führen jährlich zu 1,2 Millionen Infektionen und ca. 135.000 Todesfällen weltweit [1]. In Europa wird die Mehrzahl der Erkrankungen (ca. 64 %) durch Erreger der Serogruppe B verursacht [2]. IME verlaufen bei etwa der Hälfte der Fälle als alleinige Meningitis (46 %) oder Sepsis (54 %) und sind mit einem schweren und rasanten Verlauf assoziiert: Innerhalb weniger Stunden kann sich ein lebensbedrohliches Krankheitsbild entwickeln, das trotz Antibiotikagabe innerhalb von 24 Stunden zum Tod des Patienten führen kann. Auch heute beträgt die Letalität noch ca. 10 % und ebenso viele Betroffene tragen schwerwiegende, dauerhafte Schäden davon [3]. Eine Impfprophylaxe gegen Meningokokken stellt daher eine wichtige und möglicherweise lebensrettende Vorsorgemaßnahme dar.

Literatur 1 Zwerenz R et al. Psychother Psychosom 2017;86:341-350 2 Berger T et al. J Affect Disord 2017; 227:455-462 3 Meyer B et al. J Med Internet Res 2009; 11:el5 4 Berger T et al. Cog Behav Ther 2011;40: 251-266 5 Moritz S et al. Behav Res Ther 2012;50: 513-521 6 Schröder J et al. Epilepsia 2014;55:20692076 7 Meyer B el al. Intemet Interventions 2015; 2: 48-59 8 Fischer A et al. Lancet Psychiatry 2015;2: 217-223 9 Gräfe V et al. Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie, Berlin 2016 10 Klein P et al. Psychother Psychosom 2016; 851:218-228 11 Beevers CG, et al. J Consult Clin Psychol 2017 ;85:367-380 12 Gräfe V et al. J Intern Soc Pharmacoeconomics Outcomes Res 2017;20:A714 13 Twomey C et al. Psychiatry Res 2017;256: 371-377

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Risikogruppen

Meningokokken-Infektionen können in jedem Lebensalter auftreten, jedoch liegen die höchsten Inzidenzen bei Kindern unter 5 Jahren sowie in der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen [3]. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion oder durch direkten Kontakt mit Atemwegssekret oder Speichel. Jugendliche und junge Erwachsene sind insbesondere aufgrund ihres Sozialverhaltens, wie z.B. enger sozialer Kontakte (gemeinsames Wohnen auf engem Raum, Besuch von Partys oder Festivals) sowie das Teilen von Getränken oder Zigaretten, besonders gefährdet, © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Meningokokken-Infektion im Urlaub: Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders gefährdet sich mit Meningokokken anzustecken. Von allen MenB-Fällen im Jahr 2017 in Deutschland waren zu ca. 20 % Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 24 Jahren betroffen [4]. Bis zu 25 % aller Personen dieser Altersgruppe weltweit sind zudem asymptomatische Träger von Meningokokken, während der Anteil über alle Altersgruppen hinweg nur bei ca. 10 % liegt [3]. Eine Impfprävention kann neben der individuellen Immunisierung daher auch dazu beitragen, die Transmission des Erregers zu reduzieren und über diesen Weg die Zahl der Krankheitsfälle zu senken. Impfempfehlung der STIKO

Die Ständige Impfkommission (STIKO) rät Schülern und Studenten vor Langzeitaufenthalten in Ländern mit empfohlener allgemeiner Impfung für Jugendliche oder selektiver Impfpflicht, sich mit einem MenB-Impfstoff wie Trumenba® impfen zu lassen [5]. Dies gilt z.B. für längere Aufenthalte in UK und Irland, wo eine allgemeine Impfung gegen MenB zum Standardimpfprogramm für Kinder gehört [6]. Die Empfehlung gilt ebenso für gesundheitlich gefährdete Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizi-

enz bzw. -suppression und beruflich gefährdetem Laborpersonal. Zudem rät die STIKO, bei Ausbrüchen oder regionalen Häufungen auf Empfehlungen der Gesundheitsbehörden zu achten und sich ggf. immunisieren zu lassen [5]. In Europa weisen zusätzlich zu Großbritannien und Irland viele Länder – z.B. die Niederlande, Spanien, Portugal und Griechenland – noch höhere Inzidenzraten für Meningokokken der Serogruppe B auf als Deutschland [7]. Bei Reisen in diese Länder besteht somit eine verstärkte Erkrankungsgefahr. Aus diesem Grund empfiehlt das Centrum für Reisemedizin (CRM) eine MenB-Schutzimpfung für Personen unter 25 Jahren sowie bei Reisen in diese Länder, falls enger Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung wahrscheinlich ist [8]. Trumenba®: Abdeckung beider Subfamilien von MenB

Der rekombinante Impfstoff Trumenba® beinhaltet das Faktor-Hbindende Protein (fHbp), das für die Bakterien wichtig ist, um die Immunabwehr des menschlichen Wirts zu umgehen, und von über 96 % der invasiven MNB-Stämme in Europa exprimiert wird [9]. Als einziger MenB-Impfstoff enthält Trumenba® beide Varianten des

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fHbp, sodass durch die Impfung die Bildung entsprechender Antikörper gegen den Großteil der zirkulierenden Meningokokken-B-Stämme induziert wird, die entweder die eine oder andere Subfamilie des Proteins fHbp auf ihrer Oberfläche tragen. Ein speziell entwickelter Assay zeigt, dass über 91 % aller untersuchten invasiven Isolate von Meningokokken der Serogruppe B ausreichende Mengen des Antigens fHbp exprimierten, um durch diese impfstoffinduzierten Antikörper abgetötet zu werden [9]. Immunisierungsschema

Die Grundimmunisierung gegen Meningokokken der Serogruppe B mit Trumenba® kann bei Personen ab 10 Jahren mit 2 oder 3 Dosen erfolgen. Das 2-Dosen-Schema wird im Abstand von 6 Monaten verabreicht. Bei Anwendung des 3-Dosen-Schemas werden 2 Dosen im Abstand von mindestens einem Monat verabreicht, gefolgt von einer dritten Dosis mindestens 4 Monate nach der zweiten Dosis. Für Menschen mit erhöhtem Risiko für eine Meningokokken-Erkrankung und zur Anwendung während Serogruppe-B-Ausbrüchen kann dieses Impfschema bevorzugt werden [10]. Bei Bedarf kann die Impfung mit Trumenba® aufgefrischt werden, © VERLAG PERFUSION GMBH


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was zu einem deutlichen Anstieg der bakteriziden Antikörpertiter führt [9]. Trumenba® kann gleichzeitig mit einem quadrivalenten Impfstoff gegen humane Papillomaviren (HPV4) und einem tetravalenten Meningokokken-Serogruppen A, C, W, Y-Konjugatimpfstoff (MenACWY), wie z. B. Nimenrix®, geimpft werden. Des Weiteren ist die Koadministration mit Impfstoffen mit Tetanustoxoid, Diphtherietoxoid (reduzierter Antigengehalt), Pertussis (azellulär) und inaktiviertem Poliovirus (TdaP-IPV) sowie einem Impfstoff mit Tetanustoxoid, Diphtherietoxoid (reduzierter Antigengehalt) und Pertussis (azellulär, adsorbiert) (Tdap) möglich [9]. Erstattungsfähigkeit

Die Kosten für eine MenB-Impfung werden gemäß der Schutzimp-

fungsrichtlinie (nach § 20i Abs. 1 SGB V17) für alle von der STIKO empfohlenen Gruppen erstattet. Viele Krankenkassen bieten darüber hinaus eine Erstattung der Kosten als zusätzliche Leistung für ihre Versicherten an, z.B. im Rahmen von Reiseschutzimpfungen [11]. Die Bedingungen der Rückerstattung variieren zwischen den Krankenkassen. Die Patienten sollten sich daher bei ihren Krankenkassen informieren, ob die Erstattung von Trumenba® übernommen wird. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Rouphael NG. Stephens DS. Neisseria meningitidis: biology, microbiology, and epidemiology. Methods Mol Biol 2012; 799:1-20 2 European Centre for Disease Prevention and Control. Annual epidemiological re-

port 2015. Invasive meningococcal disease, 2016 3 RKI. Zur Situation bei ausgewählten Infektionskrankheiten in Deutschland Invasive Meningokokken-Erkrankungen 2012 – 2015. Epid Bull 2016;43:471-488 4 RKI. SurvStat@RKI 2.0. https://survstat. rki.de, zuletzt aufgerufen: 28.02.2018 5 Ständige Impfkommission. Mitteilung der STIKO am RKI. Epid Bull 2017;34:333380 6 National Health Service. Vaccination schedule. http://www.nhs.uk/Conditions/ vaccinations/Pages/vaccination-scheduleage-checklist.aspx 7 European Centre for Disease Prevention and Control. http://ecdc.europa.eu/en/datatools/atlas/Pages/atlas.aspx, zuletzt aufgerufen: 16.03.2018 8 Centrum für Reisemedizin. Reisemedizinische Länderinformationen. http://www. crm.de/laender /laender.asp?Domain=CR M&Sprache=de&Bereich=laender&Klient el=laie&Auspraegung=kurz&HTMLfragm ente=no&Auswahl=A-Z, zuletzt aufgerufen: 16.03.2018 9 Fachinformation Trumenba®; Stand: Dezember 2017 10 National Center for Immunization & Respiratory Diseases. Considerations For Use of 2- and 3-Dose Schedules of MenB-FHbp (Trumenba®). https://www.cdc.gov/vaccines/acip/meetings/downloads/ slides-2016-10/meningococcal-05-macneil.pdf, Stand: 19.10.2016 11 Centrum für Reisemedizin. www.crm.de/ meningokokken/Meningokokken.pdf, zuletzt aufgerufen: 23.03.2017

Auslöser sekundärer Immundefekte

STIKO empfiehlt sequenzielle Pneumokokken-Impfung für Menschen mit Immunsuppression In Deutschland erkranken jährlich etwa 400.000 bis 680.000 Menschen an einer ambulant erworbenen Pneumonie (CAP). Häufigster Erreger: Pneumokokken (Abb. 1). Ein besonderes Risiko für Pneumokokken-Infektionen tragen Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Dazu zählen unter anderem Menschen mit primärem oder sekundärem Immundefekt (Tab. 1) sowie Pati-

• • • • • • •

Psoriasis (ca. 2 Millionen Patienten deutschlandweit) Maligne Neoplasien im Allgemeinen (ca. 1,6 Millionen Patienten deutschlandweit) Rheumatische Erkrankungen (ca. 1,5 Millionen Patienten deutschlandweit) Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (ca. 360.000 Patienten deutschland-weit) HIV/AIDS (ca. 83.400 Patienten deutschlandweit) Terminale Niereninsuffizienz (ca. 80.000 Patienten deutschlandweit) Leukämie (ca. 24.000 Patienten deutschlandweit)

Tabelle 1: Während es sich bei primären Immundefekten um mehr als 100 seltene, angeborene Erkrankungen handelt, sind sekundäre Immundefekte auf erworbene Erkrankungen zurückzuführen, in deren Verlauf das Immunsystem geschwächt wird bzw. die mittels immunsuppressiver Therapie behandelt werden.

enten, die aufgrund anatomischer (z.B. Liquorfistel) und Fremdkörper-assoziierter Faktoren (z.B. Cochlea-Implantat), ein besonders hohes Infektionsrisiko aufweisen. Aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) diesen

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Personen seit dem Jahr 2016 die sequenzielle Impfung gegen Pneumokokken. Zuerst soll die Impfung mit dem 13-valenten Konjugatimpfstoff Prevenar 13® erfolgen, 6–12 Monate später die Impfung mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff PPSV23. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Idiopathische Lungenfibrose: Positive Effekte von Pirfenidon auf Lebensqualität und Hospitalisierungen Abbildung 1: Streptococcus pneumoniae (© Pfizer).

Sequenzielle Impfung auch bei einigen chronischen Erkrankungen sinnvoll

Nach Empfehlung der STIKO sollten sich auch Patienten mit sonstigen chronischen Erkrankungen – darunter z. B. Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Diabetes oder chronische Herzerkrankungen – sequenziell gegen Pneumokokken-Erkrankungen impfen lassen, sofern sie eine immunsuppressive Therapie erhalten. Wer solch eine Therapie nicht erhält, sollte dagegen ausschließlich mit dem Polysaccharidimpfstoff immunisiert werden*. Erstattung der sequenziellen Pneumokokken-Impfung

Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses werden die Kosten für die sequenzielle Impfung mit Prevenar 13® gefolgt von dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff für Hochrisikopatienten von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. * Die STIKO empfiehlt den Impfschutz gegen Pneumokokken mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff außerdem für Personen ab 60 Jahren, ggf. mit Wiederholungs­ impfungen mit demselben Impfstoff im Abstand von mindestens 6 Jahren nach individueller Indikationsstellung.

N

eue Real-World-Daten bestätigen, dass das Antifibrotikum Pirfenidon (Esbriet®) zum Erhalt der Lebensqualität bei idiopathischer Lungenfibrose (IPF) beiträgt. Die Ergebnisse wurden auf dem Kongress der American Thoracic Society (ATS) in San Diego, USA, präsentiert [1]. Eine ebenfalls dort vorgestellte Studie untersuchte Hospitalisierungen bei IPF und bestätigt zum einen, dass eine Pirfenidon-Therapie respiratorisch bedingte Hospitalisierungen reduziert [2, 3], und zum anderen, dass diese nicht von Jahreszeit-abhängigen Schwankungen beeinflusst werden [4]. Stabile Lebensqualität

Die Lebensqualität von Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose wird insbesondere durch die Krankheitsprogression und -symptome bestimmt. Aktuelle Real-WorldDaten der PROOF-Beobachtungsstudie zeigen positive AuswirkunFragebogen SGRQ Cough-VAS EQ-VAS

gen einer Therapie mit Pirfenidon auf die Lebensqualität von Patienten mit IPF – sowohl bei Studienaufnahme als auch ein Jahr danach [1]. Die Messung der Lebensqualität erfolgte dabei anhand von 4 etablierten Fragebögen: Mithilfe des St. George’s Respiratory Questionnaires (SGRQ) wurde das Ausmaß der Beeinträchtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erfasst. Der vom Patienten empfundene Schweregrad des Hustens wurde anhand der visuellen Analogskala (Cough-VAS: visuelle Analogskala in mm von 0–100, d.h. kein Husten bis extrem schwerer Husten) beurteilt. Der allgemeine Gesundheitszustand wurde durch die Auswertung der Fragebögen EuroQol-5 Dimensions (EQ-5D) und EuroQolVAS (EQ-VAS) ermittelt [1]. Im 1-Jahres-Follow-up zeigten die Patienten unter PirfenidonTherapie (n = 233) stabile Lebensqualitätsdaten (Tab. 1). Klinisch relevant verbesserte sich der vom Patienten empfundene Schwere-

Start der Pirfenidon-Therapie bei oder nach Studienbeginn (Indexrate) Baseline (n = 71) 46,42 (n = 56) 33,07 (n = 71) 65,62 (n = 69)

Nach 1 Jahr (n = 43) 41,02 (n = 26) 28,00 (n = 36) 66,00 (n = 30)

Tabelle 1: Veränderungen der Lebensqualitätsparameter unter Pirfenidon (Esbriet®) [1].

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Grund beobachtet als im Frühling oder Sommer. Im Pirfenidon-Arm gab es dagegen keine signifikanten saisonalen Unterschiede bei respiratorischen Hospitalisierungen (p = 0,484). So traten unter Pirfenidon im Winter signifikant weniger respiratorisch bedingte Hospitalisierungen auf als unter Placebo (p = 0,037) [4]. Fazit für die Praxis

Abbildung 1: Unter der Pirfenidon-Therapie reduzierte sich der Schweregrad des Hustens klinisch relevant [1].

grad des Hustens unter Pirfenidon (Abb. 1) [1]. Dies bekräftigt die Daten einer internationalen Studie, in der es innerhalb von 12 Wochen zu einer deutlichen Senkung der 24-Stunden-Hustenfrequenz um 34 % (p = 0,002), verbunden mit einer Verbesserung der hustenbezogenen Lebensqualität kam [5]. Neben der verbesserten Lebensqualität profitieren Patienten unter Pirfenidon auch von der individuellen Dosierung des Antifibrotikums, das seit letztem Jahr auch als 267-mg- und 801-mg-Tablette zur Verfügung steht [6]. Reduzierung der Hospitalisierungen unabhängig von jahreszeitlichen Einflüssen

Die Lebensqualität der IPF-Patienten wird unter anderem durch Hospitalisierungen beeinträchtigt. Diese wirken sich außerdem negativ auf das Mortalitätsrisiko aus und

machen die Patienten anfälliger für weitere Erkrankungen [3, 7]. Untersuchungen konnten zeigen, dass respiratorisch bedingte Hospitalisierungen mit einem dreifach höheren Sterberisiko assoziiert sind als akute Exazerbationen (HR: 30,0; 95%-KI: 16,2–55,2) [3]. Bereits in der Vergangenheit konnte eine signifikante Risikoreduktion für respiratorisch-bedingte Hospitalisierungen um 48 % gegenüber Placebo gezeigt werden (HR: 0,52, 95%-KI: 0,36–0,77, p = 0,001) [3]. Der Fokus der aktuell auf dem ATS vorgestellten Studie lag auf den Jahreszeit-abhängigen Auswirkungen auf das Hospitalisierungsrisiko unter Pirfenidon im Vergleich zu Placebo [4]. Dafür wurden die im Rahmen der ASCEND- und CAPACITY-Studien gewonnenen Daten von über 1.200 Patienten ausgewertet. Im Placebo-Arm wurden im Herbst und Winter mehr respiratorisch-bedingte Hospitalisierungen und Tod aus unbekanntem

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Die Daten vom ATS-Kongress bestätigen, dass IPF-Patienten in 2 Bereichen von den Vorteilen der Therapie mit Pirfenidon (Esbriet®) profitieren: bei der Lebensqualität und bei respiratorisch bedingten Hospitalisierungen. Bei den Lebensqualitätsparametern sind vor allem klinisch relevante Verbesserungen in Bezug auf den Husten als ein Leitsymptom der IPF zu beobachten. Diese ermöglichen es den Patienten, trotz ihrer schwerwiegenden Erkrankung mitten im Leben zu stehen. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Wuyts W et al. ATS 2018; pA4271/220 (Abstract zum Poster) 2 Lederer D et al. ATS 2017 (Analyse gepoolter Daten der ASCEND/CAPACITYStudien) 3 Ley B et al. Am J Respir Crit Care Med 2017;196:756-761 4 Ley B et al. ATS 2018, pA4526/206 (Abstract zum Poster) 5 Van Manen MJG et al. Eur Respir J 2017; 50:1701157 6 Fachinformation Esbriet® Filmtabletten; Stand April 2018 7 Paterniti MO et al. Ann Am Thorac Soc 2017;14:1395-1402

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WISSENSWERTES

Cabozantinib jetzt auch zur Erstlinientherapie des fortgeschrittenen RCC zugelassen Im Mai wurde der TyrosinkinaseInhibitor Cabozantinib (Cabometyx® 20, 40, 60 mg) von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zur Erstlinientherapie von Erwachsenen mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) bei mittlerem oder hohem Risiko zugelassen. Bei Cabozantinib handelt es sich um einen oral einzunehmenden, kleinmolekularen Inhibitor von Rezeptoren, einschließlich VEGFR, MET und AXL (Abb. 1), die Tumorangiogenese, Wachstum, Invasivität und Metastasierung fördern. MET und AXL können zudem zur Umschaltung von Signalwegen führen, die die Resistenz gegen VEGFR-Inhibitoren antreiben.

Cabometyx® ist in der EU bereits seit 2016 zugelassen für die Zweitlinienbehandlung von Erwachsenen mit fortgeschrittenem RCC, die eine vorangegangene gegen VEGF gerichtete Therapie erhalten haben. Die Zulassung für die Erstlinientherapie basiert auf den Ergebnissen der CABOSUN-Studie, einer randomisierten offenen, aktiv kontrollierten Studie der Phase II. Für diese Studie wurden 157 Patienten mit fortgeschrittenem RCC rekrutiert, deren Prognose entsprechend den IMDC-Kriterien als mittel oder ungünstig eingestuft wurde. Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten entweder Cabozantinib (60 mg einmal täglich) oder Sunitinib (50 mg einmal täglich über 4 Wochen, anschließend 2 Wochen Therapiepause). Primärer Endpunkt war das das progressions-

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freie Überleben (PFS). Sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben (OS) und die objektive Ansprechrate (ORR). Cabozantinib verbesserte bei den therapienaiven Patienten mit fortgeschrittenem RCC das PFS signifikant gegenüber Sunitinib (8,6 vs. 5,3 Monate; HR = 0,489, p < 0,0008). Dabei zeigte sich der PFS-Vorteil für Cabozantinib über alle Subgruppen hinweg. Die objektive Ansprechrate unter Cabozantinib war doppelt so hoch wir im Sunitinib-Arm (auch bei Patienten mit Knochenmetastasen) und es ergab sich ein sichtbarer Trend für ein verbessertes Gesamtüberleben. Damit ist Cabozantinib die erste und einzige Monotherapie, für die gegenüber Sunitinib – bei vergleichbarem Sicherheitsprofil – eine überlegene klinische Wirksamkeit bei Patienten mit mittlerer und schlechter Prognose nachgewiesen wurde.

Abbildung 1: Wirkmechanismus von Cabozantinib (Cabometyx®) beim fortgeschrittenen RCC. Der Tyrosinkinase-Inhibitor mit dreifachem Wirkansatz hemmt VEGFR (Rezeptor für den Vascular Entothelial Growth Factor), MET (Rezeptor für den Hepatozyten-Wachstumsfaktor, HGF) und AXL (Rezeptor für das Growth Arrest-spezifische Protein 6, GAS6). VHL = Von-Hippel-Lindau-Protein, HIF α = -Untereinheit des Hypoxie-induzierten Faktors (© Ipsen Pharma). JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2018 · 27. JAHRGANG

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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ie eosinophilen Ösophagitis (EoE) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Speiseröhre mit einer Prävalenz von ca. 16 Patienten auf 100.000 Einwohner. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, wird aber überproportional häufig bei Männern im Alter von 30–50 Jahren diagnostiziert [1]. Klinisch ist die EoE durch Symptome einer ösophagealen Dysfunktion und histologisch durch eine Infiltration der Ösophagusmukosa mit eosinophilen Granulozyten charakterisiert. Unbehandelt schreitet sie mit zunehmender Fibrosierung und Stenosierung fort, wobei sich das Risiko für komplette Nahrungsmittelblockaden zunehmend erhöht. Bei etwa 80 % der Betroffenen bestehen Allergien gegen bestimmte Nahrungsmittel (z.B. Milchproteine, Weizen, Eier, Soja, Fische/ Krustentiere und Nüsse) oder verschiedenen Allergene, die über die Luft übertragen werden wie z.B. Pollen. Hoher Leidensdruck, Risiko einer Bolusimpaktion

Leitsymptom der Erkrankung ist eine Dysphagie. Die Patienten können feste Speisen wie etwa Brot oder Fleisch nur sehr schwer schlucken und es besteht die Gefahr, dass der Bolus in der Speiseröhre stecken bleibt. Zusätzlich klagt etwa die Hälfte der Betroffenen über retrosternale Schmerzen. Der Leidensdruck der Patienten ist hoch. Das unterstreicht, ebenso wie das Risiko der Bolusimpaktion, die Notwendigkeit einer frühzeitigen Diagnose und effektiven Therapie der EoE, nicht zuletzt, um auch das Risiko einer Fibrostenose zu reduzieren.

Budesonid-Schmelztablette Jorveza®: Die erste medikamentöse Therapie der eosinophilen Ösophagitis Die Diagnose und die Therapie sind bei der eosinophilen Ösophagitis in der Hausarztpraxis nicht möglich. Die Patienten müssen für die Diagnose und die Kontrolle des Therapieerfolgs an den Gastroenterologen überwiesen werden. Für beides ist eine Gastroskopie mit Biopsie-Entnahme erforderlich. Gezielt therapieren mit Budesonid

Verschiedene randomisierte, placebokontrollierte Studien haben

die Wirksamkeit einer Kurzzeittherapie mit topischen Steroiden wie Budesonid dokumentiert [2, 3], bislang war allerdings kein Präparat offiziell zur Therapie der EoE zugelassen. Auch die aktuellen Leitlinien der Europäischen Studiengruppe EUREOS empfehlen bei Patienten mit gesicherter EoE eine topische Steroidtherapie, die bislang off-label erfolgte [4]. Mit der Zulassung der Budesonid-Schmelztablette Jorveza® ist nun eine erste offiziell zugelassene medikamentöse Therapieoption der EoE verfügbar; die neue The-

Budesonid-Schmelztablette Jorveza® Jorveza® ist zur Behandlung erwachsener Patienten mit EoE zu­ gelassen. Die empfohlene tägliche Dosis ist 2 mg Budesonid, eine 1-mg Tablette jeweils morgens und abends. Die Schmelztablette wird auf die Zungenspitze gelegt. Mit ge­ schlossenem Mund sollte die Tablette dann mit der Zunge sanft gegen den Gaumen gedrückt werden, bis sie sich vollständig auf­ gelöst hat, was üblicherweise etwa 2 Minuten dauert. Der aufge­ löste Wirkstoff kann dann nach und nach mit dem Speichel herun­ tergeschluckt werden, während die Schmelztablette zerfällt. Die Budesonid-Schmelztablette darf nicht zerkaut, nicht geschluckt und nicht zusammen mit Flüssigkeit eingenommen werden! Nach der Einnahme sollte der Patient mindestens 30 Minuten lang we­ der Nahrung noch Flüssigkeit zu sich nehmen. Auch sollten we­ der die Zähne geputzt noch der Mund gespült werden. Generell dürfen mindestens 30 Minuten vor oder nach der Einnahme der Schmelztablette keine Lösungen, Sprays oder Kautabletten ange­ wandt werden. Damit wird sichergestellt, dass das Arzneimittel sei­ ne Wirkung wie vorgesehen entfalten kann.

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Abbildung 1: Ergebnisse der EOS-1-Studie: Unter der Therapie mit der Budesonid-Schmelztablette Jorveza® erreichten hochsignifikant mehr Patienten eine klinische bzw. histologische Remission [nach 5].

rapieoption ist seit dem 15. Juni 2018 in Deutschland erhältlich. Jorveza® wurde speziell für die Behandlung des Ösophagus entwickelt. Es handelt es sich um eine Schmelztablette, die 1 mg Budesonid beinhaltet, sich über ca. 2 Minuten langsam im Mund auflöst und dabei den Speichelfluss anregt. Das im Speichel gelöste Budesonid benetzt nach dem Schlucken des Speichels die Ösophagus-Schleimhaut, um dort seine Wirkung zu entfalten. Durch einen hohen FirstPass-Effekt in der Leber werden noch aktive Bestandteile des Budesonids nach Aufnahme in den Blutkreislauf schnell inaktiviert. Budesonid zeigt daher deutlich weniger steroidspezifische Nebenwirkungen als herkömmliche, systemisch wirkende Steroide. Hochsignifikante Reduktion der Entzündung und Symptomatik

Die Wirksamkeit und Sicherheit der Budesonid-Schmelztablette wurden in der Zulassungsstudie EOS-1 belegt, einer sechswöchigen Phase-III-Studie, an der 26 Zentren in 6 europäischen Län-

dern beteiligt waren [5]. Primärer Endpunkt der Studie, in der Patienten mit aktiver EoE (n = 88) doppelblind randomisiert mit 2 × 1 mg/d Budesonid-Schmelztabletten (n = 59) oder Placebo (n =‑29) behandelt wurden, war die klinischhistologische Remission. Dieser kombinierte Endpunkt wurde von 58 % der Patienten unter Budesonid, jedoch von keinem Patienten in der Placebogruppe erreicht. Der Unterschied war statistisch hochsignifikant (p < 0,0001). Die Rate der histologischen Remission unter Budesonid betrug 93 % versus 0 % unter Placebo (p < 0,0001); die klinische Remission erreichten 59 % der Patienten unter Budesonid, jedoch nur 14 % unter Placebo (p < 0,0001). Durch eine anschließende offene Behandlungsphase von weiteren 6 Wochen konnte die klinisch-histologische Remission bei insgesamt 85 % der Patienten unter Budesonid erreicht werden (Abb. 1). Auch der endoskopische Aktivitäts-Score wurde durch die Budesonid-Therapie im Vergleich zur Placebogruppe hochsignifikant verbessert: Nach 6 Wochen betrug die Rate der endoskopischen Re-

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missionen 61 % versus 0 % unter Placebo (p < 0.0001) [5]. Die Budesonid-Therapie war sehr gut verträglich. Schwere unerwünschte Ereignisse traten nicht auf. Eine lokale Candidiasis wurde bei 10 Patienten (16,9 %) histologisch gesichert, von denen allerdings nur 3 (5,1 %) symptomatisch waren. Auch wurde keine klinisch relevante Veränderung des morgendlichen Serum-Kortisolspiegels beobachtet. Die Studie zeigt, dass es sich bei Jorveza® um eine hocheffektive und sichere Therapieoption zur Induktion einer klinischen und histologischen Remission sowie einer endoskopischen Besserung einer aktiven EoE handelt. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Arias Á et al. Systematic review with meta-analysis: the incidence and prevalence of eosinophilic oesophagitis in children and adults in population-based studies. Aliment Pharmacol Ther 2016;43:3-15 2 Miehlke S, Hruz P, Vieth M, et al. A randomised, double-blind trial comparing budesonide formulations and dosages for shortterm treatment of eosinophilic oesophagitis. Gut 2016;65:390-399 3 Lucendo AJ, Miehlke S, Vieth M et al. Budesonide orodispersible tablets are highly effective for treatment of active eosinophilic esophagitis: results from a randomized, double-blind, placebo- controlled, pivotal multicenter trial. Gastroenterology 2017; 152:S-207 4 Lucendo AJ, Molina-Infante J, Arias Á et al. Guidelines on eosinophilic esophagitis: evidence-based statements and recommendations for diagnosis and management in children and adults. United European Gastroenterol J 2017;5:335-358 5 Straumann A, Lucendo Villarin AJ, Miehlle S et al. Efficacy and safety of budesonide orodispersible tablets in active eosinophilic oesophagitis: results from a randomised, double-blind, placebo-controlled, pivotal, European multicentre trial (EOS1). UEG Journal 2017;5:A146-A147, OP348 © VERLAG PERFUSION GMBH


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ine häufige und schwerwiegende Komplikation bei Morbus Crohn sind komplexe perianale Fisteln, die eine starke Belastung für den Patienten darstellen und die Lebensqualität massiv beeinträchtigen [1]. Die aktuell verfügbaren medikamentösen und chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten sind nicht immer kurativ. Hier könnte die allogene mesenchymale Stammzelltherapie (Darvadstrocel, seit März 2018 unter dem Handelsnamen Alofisel® zugelassen) erwachsenen Patienten mit nicht aktivem/gering aktivem luminalem Morbus Crohn neue Hoffnung geben, wenn die Fisteln unzureichend auf mindestens eine konventionelle oder biologische Therapie angesprochen haben. Komplexe perianale Fisteln – eine große Herausforderung für Arzt und Patient

Perianale Fisteln, sprich pathologische Verbindungen zwischen Darm und perianaler Haut bzw. anderen Organen, sind eine häufig auftretende Komplikation bei Morbus Crohn. Sie können sogar die Erstmanifestation einer CrohnErkrankung darstellen [2]. 70–80 % der perianalen Fisteln sind komplex und schwierig zu therapieren [1]. Komplexe Perianalfisteln weisen eine hohe Rezidivrate von 60–70 % nach Beendigung der konventionellen Behandlung auf und nur wenige Patienten erreichen eine Langzeitremission [1]. Dies bedeutet für die Betroffenen einen oft langen Leidensweg mit einer stark beeinträchtigten Lebensqualität. Der genaue Pathomechanismus der Fistelentstehung ist noch nicht vollständig geklärt, zwei zentrale Mechanismen scheinen jedoch daran beteiligt zu sein [2, 3]:

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Allogene Stammzelltherapie mit Darvadstrocel zur Behandlung von komplexen perianalen Fisteln bei Morbus Crohn • Die chronische Entzündung und die bei Morbus Crohn eingeschränkten Reparaturmechanismen führen zu einem Defekt in der epithelialen Barriere. Im Zuge von alternativen Reparaturmechanismen migrieren intestinale epitheliale Zellen (IEC) als invasive Myofibroblasten in tiefere Schichten der Mukosa und der Darmwand. Dieser Prozess wird als epithelial-mesenchymale Transition (EMT) bezeichnet. • Ein weiterer Schlüsselmechanismus ist die Umstrukturierung der extrazellulären Matrix, die durch eine erhöhte Aktivität von Matrix-Metalloproteinasen (MMP, insbesondere MMP-3 und MMP-9) bedingt ist und über den Abbau der extrazellulären Matrix immunvermittelte Gewebeschädigungen wie eine invasive Fistelbildung zu fördern scheint. Klassifikation der perianalen Fisteln

Perianale Fisteln werden zum einen nach Parks [4] anhand der anatomischen Lage (superfiziell, intersphinktär, transsphinktär, suprasphinktär und extrasphinktär, Abb. 1) klassifiziert und zum an-

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deren nach den Kriterien der AGA (American Gastroenterological Association) in einfache und komplexe Fisteln unterteilt (Tab. 1) [2, 5]: • Einfache Fisteln liegen superfiziell, tief inter- oder transsphinktär; sie haben eine äußere (externe) Öffnung; Abszess, Striktur oder Organbeteiligung liegen nicht vor. • Komplexe Fisteln liegen extrasphinktär, suprasphinktär, hoch inter- oder transsphinktär; sie weisen mehrere äußere Öffnungen sowie Abszess- und Strikturbildungen oder eine Beteiligung der anliegenden Organe (Blase, Vagina) auf. Interdisziplinäres Behandlungskonzept

Wichtig für das therapeutische Vorgehen ist die exakte Charakterisierung der Fisteln. Während einfache Fisteln ohne Klinik keiner Therapie bedürfen, werden symptomatische, einfache Fisteln konservativ mit Antibiotika, ggf. in Kombination mit Thiopurinen oder TNF-Inhibitoren behandelt. Komplexe Fisteln benötigen hingegen immer ein chirurgisches Vorgehen, eine alleinige medikamentöse Therapie genügt nicht. Die chirurgi© VERLAG PERFUSION GMBH


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Abbildung 1: Einteilung der perianalen Fisteln nach Parks (mod. nach [2, 4]). Einfache Fistel

Komplexe Fistel

Anatomie des Fistelgangs

• superfiziell • intersphinktär (tief) • transsphinktär (tief)

• intersphinktär (hoch) • transsphinktär (hoch) • extrasphinktär • suprasphinktär

Anzahl der äußeren Öffnungen

eine

mehrere

Vorliegen von Abszessen und/oder Proktitis

• kein Abszess • keine Striktur

• fistelassoziierter Abszess • anorektale Striktur • aktive rektale Erkrankung

Organbeteiligung

Keine

Blase, Vagina

Tabelle 1: Einteilung der perianalen Fisteln nach AGA (American Gastroenterological Association) [2, 5].

Darvadstrocel Darvadstrocel (Alofisel®) ist indiziert zur Behandlung erwachse­ ner Patienten mit nicht aktivem/gering aktivem luminalem Mor­ bus Crohn und komplexen perianalen Fisteln, die auf mindestens eine konventionelle oder biologische Therapie unzureichend an­ gesprochen haben [8]. Darvadstrocel sind allogene mesenchyma­ le Stammzellen mit antiinflammatorischen und immunmodulato­ rischen Eigenschaften. Inflammatorische Zytokine, insbesondere IFN-γ, die durch aktivierte Immunzellen freigesetzt werden, akti­ vieren die Stammzellen. Aktiviert beeinträchtigen die Stammzellen die Proliferation von aktivierten Lymphozyten und reduzieren die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen. Durch ihre ent­ zündungshemmenden und immunmodulatorischen Eigenschaften kann die Anwendung von Stammzellen die Heilung von geschädig­ tem perianalem Gewebe fördern [10]. Die Zellen für Darvadstrocel werden aus Fettaspirationen gesun­ der, erwachsener, menschlicher Spender isoliert. Nach der Extrakti­ on können die Zellen in Zellkultur vermehrt (stabil expandiert) und bis zum Einsatz als Arzneimittel eingefroren gelagert werden. Da aus Fettgewebe gewonnene Stammzellen keine HLA-DR-Moleküle aufweisen, besitzen sie eine geringe Immunogenität [11]. Eine Einzeldosis von Darvadstrocel enthält insgesamt 120 Millionen Zellen, die gleichmäßig auf 4 Glasampullen mit je 6 ml Suspensi­ onslösung verteilt sind. Der gesamte Inhalt der 4 Ampullen kann und muss für die Behandlung von bis zu 2 inneren und 3 äußeren Öffnungen verwendet werden [8].

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sche Intervention umfasst die Abszessspaltung und -drainage mittels Seton-Faden, Kürettage/Fistelexzision sowie ggf. plastische Rekonstruktionen oder die Anlage eines (temporären) Stomas bei schwerer refraktärer Fistulierung [2, 6]. Als medikamentöse Therapie kommen unter anderem Thiopurine und Biologika (TNF-Inhibitoren) zur Abheilung der Rektumentzündung sowie Antibiotika gegen eine Superinfektion zum Einsatz [6]. Die Kombination aus chirurgischer und medikamentöser Behandlung erzielt höhere Heilungsraten bei komplexen Perianalfisteln als eine alleinige chirurgische oder medikamentöse Therapie [7]. Daher ist eine gemeinsame interdisziplinäre Herangehensweise von Gastroenterologen zur konservativen sowie von Viszeralchirurgen und Koloproktologen zur chirurgischen und lokalen Behandlung erforderlich. Dennoch gibt es Patienten, die weder auf die konventionelle noch die biologische Therapie ausreichend ansprechen. Eine mögliche neue Therapieoption für diese Patienten ist die mesenchymale Stammzelltherapie mit Darvadstrocel (Alofisel®). Dabei handelt es sich um allogene mesenchymale, aus Fettzellen hergestellte Stammzellen, die nach entsprechender Vorbereitung lokal um die innere Fistelöffnung und im Verlauf des Fistelganges in das umgebende Gewebe injiziert werden. Mesenchymale Stammzellen verfügen über immunmodulatorische und antiinflammatorische Eigenschaften und können die Heilung des geschädigten perianalen Gewebes fördern [8]. Nach eingehender Diagnostik der bestehenden Fistelgänge erfolgt die Applikation von Darvadstrocel einmalig unter sterilen OP-Bedingungen und in Narkose. Unmittel© VERLAG PERFUSION GMBH


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Abbildung 2: Applikation von Darvadstrocel. A: vom Darmlumen aus (Injektionsstellen = grüne Punkte); B: von außen (Injektionsstellen = rote Punkte) [8].

Abbildung 3: Ergebnisse der ADMIRE-CD für den primären Endpunkt, die kombinierte Remission in Woche 24 und Woche 52 in der mITT-Population. Cx601 = Darvadstrocel (Alofisel®), mITT = modified Intention to Treat (mod. nach [1, 9]).

bar vor der lokalen Injektion der Stammzellsuspension in das die Fistelgänge umgebende Gewebe ist eine chirurgische Intervention erforderlich, d.h., gegebenenfalls vorhandene Seton-Fäden werden entfernt, das Fistelgewebe mittels Kürettage „angefrischt“ und die inneren Fistelöffnungen durch Nähte verschlossen. Anschließend injiziert der Chirurg die Stammzellsuspension an mehreren Stellen: Zum einen führt er eine längere Kanüle durch den Anus und injiziert Darvadstrocel in das die innere Fistelöffnung umgebende Gewebe (Abb. 2A, grüne Punkte). Zum anderen schiebt er eine Kanüle durch die äußeren Fistelöffnungen und spritzt Darvadstrocel in das Gewebe entlang der zu behan-

delnden Fistelgänge (Abb. 2B, rote Punkte). Wichtig ist dabei, dass Darvadstrocel nicht in das Lumen der Fistelgänge injiziert wird, um das Austreten von Zellen zu vermeiden [8]. Allogene Stammzelltherapie bietet Hoffnung für MC-Patienten mit komplexen Perianalfisteln

Die Stammzelltherapie mit Darvadstrocel erhielt im März 2018 die Zulassung zur Behandlung komplexer perianaler Fisteln bei erwachsenen Patienten mit nicht aktivem/gering aktivem luminalem Morbus Crohn, wenn die Fisteln unzureichend auf mindestens eine konventionelle oder biologi-

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sche Therapie angesprochen haben. Zulassungsrelevant waren die Ergebnisse der Phase-III-Studie ADMIRE-CD [1]. In die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie wurden 212 erwachsene MC-Patienten mit therapierefraktären, komplexen perianalen Fisteln eingeschlossen. Sie erhielten randomisiert eine einmalige Behandlung mit Darvadstrocel (n = 107) oder Placebo (Kochsalzlösung, n = 105). Als primärer Endpunkt wurde eine kombinierte Remission in Woche 24 festgelegt: Verschluss aller behandelten externen, zu Studienbeginn sezernierenden Fisteln und Abwesenheit von größeren Flüssigkeitsansammlungen (>2 cm) der behandelten perianalen Fisteln in mindestens 2 von 3 Dimensionen, bestätigt durch ein zentral verblindetes MRT. Wichtige sekundäre Endpunkte waren klinische Remission (Verschluss aller behandelten externen, zu Studienbeginn sezernierenden Fisteln) und klinisches Ansprechen (Verschluss von mindestens 50 % der behandelten externen, zu Studienbeginn sezernierenden Fisteln) in Woche 24. Im Langzeit-Follow-up erfolgte die Überprüfung der kombinierten Remission in Woche 52 [9]. Den primären Endpunkt in Woche 24 erreichten in der Intention-toTreat(ITT)-Population signifikant mehr Patienten der DarvadstrocelGruppe im Vergleich zur Kontrolle (50 % vs. 34 %; p = 0,024). Dieses Ergebnis wurde in der modifizierten ITT-Population (mITT = randomisierte und behandelte Patienten mit ≥1 positive Beurteilung der Wirksamkeit nach Baseline) bestätigt (Darvadstrocel 51 % vs. Kontrolle 36 %, p = 0,021) (Abb. 3) [1]. Die nachhaltige Wirksamkeit von Darvadstrocel belegen die Ergebnisse in Woche 52: Signifikant © VERLAG PERFUSION GMBH


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mehr Darvadstrocel-Patienten (58/103) zeigten im Vergleich zur Kontroll-Gruppe (39/101) eine kombinierte Remission (56,3  % vs. 38,6 %; p = 0,010) [9]. Ein klinisches Ansprechen in Woche 24 wurde ebenfalls signifikant häufiger unter Darvadstrocel verzeichnet als bei der Kontroll-Gruppe (mITT: 69 % vs. 55 %; p = 0,045) [1]. Bemerkenswert ist, dass die Darvadstrocel-Patienten das klinisches Ansprechen und die klinische Remission in der Hälfte der Zeit erreichten wie die Patienten in der Kontroll-Gruppe [1]. Die Applikation von Darvadstrocel war im Allgemeinen gut verträglich, unerwünschte Ereignisse waren über die gesamte 52-wöchige Beobachtungszeit in beiden Behandlungsarmen vergleichbar in Häufigkeit und Art, meist mild oder moderat [1, 9]. Die häufigsten unter der Behandlung aufgetretenen unerwünschten Ereignisse waren Analabszess (Darvadstrocel 19,4 % vs. Kontrolle 13,7 %), Proktalgie (Darvadstrocel 14,6 % vs. Kontrolle 11,8 %) und Analfistel (Darvadstrocel 10,7 % vs. Kontrolle 7,8 %) [8]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Panés J et al. Lancet 2016;388:1281-1290 2 Panes J, Rimola J. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2017;14:652-664 3 Siegmund B et al. J Crohns Colitis 2016; 10:377-386 4 Parks AG et al. Br J Surg 1976;63:1-12 5 Sandborn WJ et al. Gastroenterology 2003; 125:1508-1530 6 Gionchetti P et al. J Crohns Colitis 2017; 11:135-149 7 Yassin NA et al. Aliment Pharmacol Ther 2014;40:741-749 : Mai 8 Fachinformation Alofisel®; Stand  2018 9 Panés J et al. Gastroenterology 2018;154: 1334.e4-1342.e4 10 Garcia-Olmo D et al. World J Gastroenterol 2015;21:3330-3336 11 Jeong JH. Int J Stem Cells 2008;1:43-48

Multiple Sklerose:

Cladribin-Tabletten zeigen besonders gute Wirksamkeit bei hohem Progressionsrisiko Cladribin-Tabletten (Mavenclad®) wurden im August 2017 für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (MS) mit hoher Krankheitsaktivität gemäß definierter klinischer oder bildgebender Kriterien zugelassen. Die orale Kurzzeittherapie zielt selektiv und periodisch auf Lymphozyten ab, die maßgeblich am Krankheitsgeschehen von MS beteiligt sein sollen. Zulassungsrelevant war unter anderem die zweijährige placebokontrollierte Phase-III-Studie CLARITY. Wie eine kürzlich publizierte Posthoc-Analyse von CLARITY zeigt, senkte Mavenclad® das Risiko einer Progression gemäß Expanded Disability Status Scale (EDSS) in der Gesamtpopulation in einem Zeitraum von 6 Monaten gegenüber Placebo um 47 %. Bei MSPatienten mit hoher Krankheitsaktivität war der Behandlungseffekt sogar noch größer: In dieser Subgruppe sank das Progressionsrisiko im Vergleich zu Placebo um 82 %. Um jene Patienten wirksam zu identifizieren, bei denen die Erkrankung mit größerer Wahrscheinlichkeit fortschreitet, wurden 2 klinisch relevante Definitionen für eine hohe Krankheitsaktivität herangezogen: • Hohe Schubaktivität (high relapse activity, HRA): Patienten mit ≥2 Schüben im dem Stu­ dieneinschluss vorausgegangenen Jahr, unabhängig von einer

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erfolgten Behandlung mit Basistherapeutika • Hohe Schubaktivität plus Krankheitsaktivität während der Behandlung (disease activity on treatment, DAT) (HRA+DAT): Patienten mit ≥1 Schub und ≥1 Gadolinium-anreichernden T1-Läsion oder ≥9 T2-Läsionen im dem Studien­ einschluss vorausgegangenen Jahr unter Behandlung mit anderen Basistherapeutika Da die Patienten, für die diese Kriterien zutrafen, ein besseres klinisches und MRT-bezogenes Ansprechen auf die Therapie mit Cladribin-Tabletten zeigten als die Gesamtpopulation der CLARITYStudie, wurden diese Kriterien auch in die europäische „Summary of Product Characteristics“ von Mavenclad® aufgenommen. In der Post-hoc-Analyse wurde außerdem der krankheitsfreie Status evaluiert. Es zeigte sich, dass die Behandlung mit Cladribin-Tabletten bei der HRA+DAT-Subpopulation mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit zum NEDAStatus (NEDA = no evidence of disease activity) führte (OR: 7,82; 95%-KI: 4,03–15,19; p < 0,0001) als bei der Nicht-HRA+DAT-Subpopulation (OR:4,46; 95%-KI: 3,13–6,26). Auch Patienten der HRA-Subpopulation erreichten mit höherer Wahrscheinlichkeit den NEDA-Status. Ein statistisch signifikanter Unterschied wurde hier im Vergleich zur Nicht-HRAPopulation jedoch nicht beobachtet. B. S. Quelle: Giovannoni G, Soelberg Sorensen P, Cook S et al. Efficacy of cladribine tablets in high disease activity subgroups of patients with relapsing multiple sclerosis: A post-hoc analysis of the CLARITY study. Multiple Sclerosis 2018 Apr 1:1352458518771875. doi: 10.1177/1352458518771875. [Epub ahead of print] © VERLAG PERFUSION GMBH


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Medikamentöse Behandlung der COPD

COPD: Mit drei Bausteinen zum Therapieerfolg Für eine erfolgreiche Behandlung von COPD-Patienten sind 3 Therapiebausteine entscheidend: die Auswahl einer geeigneten inhalativen Therapie, die Schulung des Patienten auf die Anwendung seines Inhalators und Rehabilitationsmaßnahmen wie beispielsweise Muskeltraining und Lungensport. Das war das Fazit einer interdisziplinären Expertenrunde bei der von Chiesi unterstützten Fortbildungsveranstaltung für Hausärzte „Neue Perspektiven: COPD in stabilere Bahnen lenken“, die Ende Februar in Hamburg sowie Anfang März in Berlin stattfand.

Gruppe A

Keine SABA oder SAMA, SABA/SAMA

Gruppe B

LABA oder LAMA LABA + LAMA

Gruppe C und D • nicht vorbehandelt

LAMA oder LAMA + LABA

• vorbehandelt

LAMA + LABA

• bei weiteren Exazerbationen

LABA + ICS LAMA + LABA + ICS + Roflumilast (bei Symptomen einer Bronchitis)

Tabelle 1: Medikamentöser Therapiealgorithmus gemäß S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit COPD (AWMF-Register Nr. 020/006). LABA: langwirkender Beta2-Agonist, LAMA: langwirkender Muskarin-Antagonist, ICS: inhalatives Kortikosteroid, SABA: kurz wirksamer Beta-2-Agonist, SAMA: kurz wirksames Anticholinergikum.

Jahre), kontinuierlich anhaltende Symptome sowie ein progredienter Verlauf neben einem aktuellen oder früheren Raucherstatus in jedem Fall für eine COPD.

COPD frühzeitig abklären

Auswahl der inhalativen Therapie – Bedeutung der Dreifach-Fixkombination

In den meisten Fällen kommen Patienten mit Atemnot, Husten und Auswurf zuerst zu ihrem Hausarzt. „Wenn Patienten Atemnot unter Belastung schildern, sollte der Arzt besonders bei Patienten, die rauchen oder früher geraucht haben, an eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) denken und zur Abklärung eine Spirometrie einleiten“, betonte Professor Christian M. Kähler, Wangen. Zur Abgrenzung von anderen Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale empfiehlt die neue deutsche COPD-Leitlinie von 2018 eine Reversibilitätstestung mit Bronchodilatatoren. Das Ergebnis ist aber nicht immer eindeutig, zumal es einen großen Anteil von Patienten mit einem so genannten „Asthma COPD Overlap“ (ACO) gibt. In der Anamnese sprechen ein höheres Lebensalter (über 50

Für die Auswahl der Therapie ist laut Priv.-Doz. Dr. Timm Greulich, Marburg, der Therapiealgorithmus der GOLD-Leitlinie hilfreich (Tab. 1). Für den Therapieeinstieg sowie bei leichten Symptomen empfiehlt er eine LAMA- (langwirkender Muskarin-Antagonist) oder LABA- (langwirkender Beta2-Agonist)-Monotherapie. Verbessern sich die Symptome unter dieser Therapie nicht deutlich, sollte der Arzt auf eine Kombination aus LAMA und LABA wechseln. Eine Kombination aus LABA und ICS (inhalatives Kortikosteroid) kommt für solche Patienten infrage, bei denen zusätzlich zur COPD Hinweise auf eine asthmatische Komponente bestehen, also z.B. allergische Symptome in der Vorgeschichte. Wenn unter dualer Kombinationstherapie nach wie vor Symptome und Exazerbatio-

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nen auftreten, wird eine DreifachKombination aus LAMA/LABA/ ICS empfohlen. Eine analoge Empfehlung findet sich auch in der kürzlich veröffentlichten deutschen Leitlinie wieder. Die erste extrafeine Dreifach-Fixkombination (LAMA/LABA/ICS, Trimbow®) steht seit Oktober 2017 zur Verfügung. Sie besteht aus den Wirkstoffen Glycopyrroniumbromid (GB), Formoterolfumarat (FF) und Beclometasondipropionat (BDP) und ist zugelassen für die Erhaltungstherapie bei Patienten mit moderater bis schwerer COPD, die mit einer ICS/LABAKombination nicht ausreichend eingestellt sind. In den Zulassungsstudien TRILOGY und TRINITY konnte das Präparat sowohl im Vergleich zu einer ICS/LABAKombination (BDP/FF) als auch im Vergleich zu einer LAMA-Monotherapie (Tio­tropium) statistisch signifikant die Exazerbationsrate um 23 bzw. 20 % über 52 Wochen (moderate bis schwere Exazerbationen) reduzieren. Doch wie erkennt der Arzt eine Exazerbation? Laut GOLD 2018 ist eine Exazerbation definiert als „akute Verschlechterung der COPD-Symptome, die eine Therapieanpassung erfordert“. Patienten © VERLAG PERFUSION GMBH


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beschreiben diese häufig als Krise oder Attacke. 50–70 % der Exazerbationen sind infektiös getriggert, bis zu 50 % bakteriell. Als erstes sollte dann eine Kurzzeittherapie über 5–14 Tage mit einem oralen Kortikosteroid erfolgen. Da aber jede Exazerbation einen unwiederbringlichen Verlust an Lungenfunktion bedeutet, ist gleichzeitig zu prüfen, ob eine Therapieanpassung erforderlich ist, um weitere Exazerbationen zu verhindern. Denn jede schwere Exazerbation erhöht gleichzeitig das Risiko für weitere Exazerbationen und damit auch das Mortalitätsrisiko. Die Applikation von 3 Wirkstoffen (GB, FF und BDP) mittels eines Inhalators (Trimbow®) kann die medikamentöse Therapie erleichtern, die bisher bei 3 zu verabreichenden Wirkstoffen mindestens 2 Devices erforderte. Darüber hinaus betonten die Experten übereinstimmend den hohen Stellenwert einer Inhalator-Schulung in der Arztpraxis: Nur wenn der Patient seinen Inhalator richtig anwendet, können die Wirkstoffe auch an den Ort des Krankheitsgeschehens gelangen.

MS-Patientinnen eine normale Familienplanung ermöglichen Patientinnen mit schubförmigremittierender Multipler Sklerose (RRMS) sollten in regelmäßigen Abständen auch auf ihre Familienplanung angesprochen werden: „Das Thema der Familienplanung ist in das neurologische Gespräch ganz selbstverständlich mit aufzunehmen“, erklärte dazu Dr. Birte Elias-Hamp, Hamburg, bei einer Pressekonferenz von Sanofi Genzyme in Berlin. Dabei sollte man versuchen, den Frauen Ängste vor einer Schwangerschaft zu nehmen, und sie umfassend über die Faktenlage und darüber, was sie in puncto MS und Schwangerschaft wissen sollten, aufklären. Der Neurologe sollte den Patientinnen die Sicherheit geben, dass er sie während der Schwangerschaft und auch darüber hinaus begleiten wird. „Sie leben Ihr Leben, wir kümmern uns um die MS – diese Botschaft sollten wir Neurologen den Frauen vermitteln“, betonte Elias-Hamp.

Rehabilitation für einen besseren Therapieerfolg

Teriflunomid – beschleunigtes Eliminationsverfahren bei aktuellem Kinderwunsch

Als Ergänzung zur medikamentösen Therapie plädierten die Experten für einen breiteren Einsatz von Rehabilitationsmaßnahmen bei COPD-Patienten. Dabei kommen neben der Raucherentwöhnung vor allem Atem- und Muskeltraining zum Einsatz. Für Patienten, deren Mobilität bereits eingeschränkt ist, empfahl Dr. med. Marc Spielmanns, Wald/Schweiz, beispielsweise den Einsatz eines Ganzkörpervibrationstrainings. Fabian Sandner, Nürnberg

Äußert eine Frau im Gespräch einen aktuellen Kinderwunsch, so hat das Konsequenzen für die Therapieplanung. So sollte generell bis in wenigen Ausnahmen keine immunmodulierende Behandlung während einer Schwangerschaft eingeleitet werden. Der Einsatz von Kortison als Schubtherapie in der Schwangerschaft sollte abgewogen werden. Als einzigen Wirkstoff, der bei einem aktuellen Kinderwunsch aktiv und nachweisbar eliminiert werden kann, stellte die Neurologin Terifluno-

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mid (Aubagio®). vor. Zwar ist der Wirkstoff in der Schwangerschaft kontraindiziert, er kann jedoch in einem beschleunigten Eliminationsverfahren durch die Einnahme von Colestyramin oder Aktivkohle nachweisbar eliminiert werden, sodass ein zeitnaher Kinderwunsch trotz vorheriger Therapie realisierbar ist. Die Elimination ist einfach durchführbar, innerhalb von meist nur 11 Tagen in der Praxis zu realisieren und durch Plasmabestimmungen zu überprüfen. Wird eine Frau unter Teriflunomid schwanger, so ist ebenfalls das beschleunigte Eliminationsverfahren einzuleiten. In kontrollierten klinischen Studien wurden inzwischen 83 Schwangerschaften unter Teriflunomid-Exposition beobachtet und es gab bis dato keine teratogenen Signale. Es traten in diesen Studien außerdem keine strukturellen oder funktionellen Defizite bei den Neugeborenen auf*. Selektive und reversible Wirkung

Bei Teriflunomid handelt es sich um einen Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften, der selektiv und reversibel das mitochondriale Enzym DHODH (Dihydroorotat-Dehydrogenase) hemmt und damit die De-novoSynthese von Pyrimidin blockiert. Die Lymphozytenzahl bleibt dabei im Durchschnitt über dem erforderlichen Maß (LLN) und die Grundfunktion der Immunabwehr wird aufrechterhalten. Die Infekt­ rate ist unter Teriflunomid nicht erhöht. Der Wirkstoff hat laut Professor Dr. Luisa Klotz, Münster, in 2 Phase-III-Zulassungsstudien seine klinische Wirksamkeit unter * Für eine Bewertung des Risikos einer Teri­ flunomid-Exposition in der Schwangerschaft sind die bisherigen Fallzahlen zu gering.

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Beweis gestellt. In beiden Studien kam es zu einer konsistenten signifikanten Reduktion der Schubrate wie auch der Behinderungsprogression. In einer Post-hoc-Analyse der gepoolten Daten der beiden Studien wurde darüber hinaus eine signifikante Reduktion der Schübe mit Residuen um 53 %** gegenüber Placebo dokumentiert. Auch bei Patienten, die von einer anderen MS-Therapie auf Teriflunomid umgestellt wurden, wurde eine Reduktion der Schubrate, der Behinderungsprogression und des Hirnvolumenverlustes belegt. Aus der Extension der Phase-III-Studien liegen inzwischen Langzeiterfahrungen zu Teriflunomid über bis zu 10 Jahren vor. Sie dokumentieren eine anhaltend niedrige Rate an Schüben und einen relativ stabilen Behinderungsgrad gemessen am EDSS. Hohe Therapiezufriedenheit

Die konsistente klinische Wirksamkeit von Teriflunomid bei zugleich einfachem Behandlungsmodus spiegelt sich in einer hohen Therapiezufriedenheit der Patienten wider, betonte Priv.-Doz. Dr. Karl Baum, Hennigsdorf. Das belegen die Ergebnisse der Studie TERI-PRO, einer multizentrischen, prospektiven Phase IV-Studie, die er in Berlin vorstellte. In der Studie wurde die Therapiezufriedenheit anhand des TSQM (Treatment Satisfaction Questionnaire for Medication) in Woche 4 und Woche 48 erhoben. „Es re** In den Zulassungsstudien TEMSO und TOWER betrug die Schubratenreduktion als primärer Endpunkt 31,5 % bzw. 36,3 %. Unterschiedliche Werte zwischen Zulassungsstudien und Post-hoc-Analyse der gepoolten Daten beider Zulassungsstudien aufgrund unterschiedlicher Fragestellungen und statistischer Voraussetzung.

sultierte unter Teriflunomid eine insgesamt hohe Zufriedenheit in allen 4 TSQM-Bereichen“, berichtete Baum. Bemerkenswert war aus seiner Sicht ferner, dass Wechsler von Injektionstherapien (Glatirameracetat/Interferone) und Dimethylfumarat ebenfalls in allen Domänen des TSQM von Woche 0 zu Woche 48 eine signifikante Verbesserung der allgemeinen Zufriedenheit, der Wirksamkeit, der Nebenwirkungen und der Einfachheit der Therapie unter Behandlung mit Teriflunomid angaben. Die Resultate der Studie TERIPRO werden durch die Ergebnisse der deutschen Beobachtungsstudie TAURUS-MS I bestätigt, in der Patienten zirka ein Jahr nach der Umstellung auf Teriflunomid eine signifikant verbesserte Therapiezufriedenheit in allen Domänen des TSQM angaben. Für Teriflunomid sprechen nach Baum ferner Daten, die günstige Effekte des Wirkstoffs auf die Entwicklung einer Fatigue sowie auf den Erhalt kognitiver Fähigkeiten dokumentieren sowie die Einfachheit der Behandlung. So muss der Wirkstoff nur einmal täglich als Tablette eingenommen werden, was unabhängig von der Tageszeit und den Mahlzeiten erfolgen kann, wobei die lange Halbwertszeit nach Baum auch Einnahmeunregelmäßigkeiten „verzeiht“. Konsistentes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil

Teriflunomid zeigt ein konsistentes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil: Die häufigsten Nebenwirkungen sind eine Erhöhung des ALT-Werts, Kopfschmerzen, Diarrhö, Übelkeit und eine meist reversibel verminderte Haardichte . Elisabeth Wilhelmi, München

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Okrido® – Prednisolon jetzt als Saft verfügbar Seit April 2018 ist Okrido®, der erste und einzige Prednisolon-Saft als Fertigarzneimittel, in Deutschland erhältlich. Er ist zugelassen zur Behandlung von Pseudokrupp­ anfällen, schweren allergischen und anaphylaktischen Reaktionen und Asthma bronchiale sowie über 50 weiteren Indikationen, die eine systemische Therapie mit Glukokortikoiden erfordern. Durch die orale Gabe des Wirkstoffs als Saft kann dieser rasch resorbiert werden. Prednisolon wird aufgrund seiner entzündungshemmenden und immunsuppresiven Wirkung seit langer Zeit in Notfallsituationen eingesetzt. Die Relevanz von Glukokortikoiden wie Prednisolon in der Akutbehandlung betonten Experten auf der Fortbildungsveranstaltung „Schnelle Hilfe im Akutfall – Neue Therapieoption mit Glukokortikoiden“ im Rahmen des Kongresses „Allergologie im Kloster“ am 05. Mai im Kloster Eberbach in Eltville. Anaphylaxie nicht bagatellisieren

Professor Johannes Ring, München, erläuterte alltagsnah die Gefahren der Bagatellisierung von Anaphylaxie und die Relevanz der Aufklärung. Nach einer ersten allergischen Reaktion ist es daher sehr wichtig, dass Betroffene einen Allergologen aufsuchen und eine Notfallmedikation erhalten. Das Notfallset, bestehend aus einem Adrenalin-Autoinjektor, einem Antihistaminikum und einem Glukokortikoid sollten betroffene Patienten stets mit sich führen. Die antiinflammatorische und membranstabilisierende Wirkung des © VERLAG PERFUSION GMBH


Kortikoids kann protrahierten oder biphasischen Reaktionen vorbeugen und so zur Stabilisierung des Patienten über die nächsten Stunden beitragen. Ring betonte die Bedeutung des Glukokortikoids: „Kortison ist seit seiner Entdeckung eines der wichtigsten Medikamente unseres Faches. Wir kennen Prednisolon seit Langem und wissen, dass es gegenüber Betamethason und Dexamethason vorteilhaft wirken kann.“ Prednisolon mit Flüssiggalenik weist eine nahezu vollständige orale Bioverfügbarkeit auf. Als Saft kann es jederzeit geschluckt werden und bedarf keiner zusätzlichen Flüssigkeit wie bei einer Tablette. Pseudokrupp und Asthma: Glukokortikoide sind entscheidend

Auf Gemeinsamkeiten in der Behandlung des Pseudokrupps (obstruktive subglottische Laryngotracheitis) und die akute Exazerbation bei Asthma ging Privatdozent Kai-Michael Beeh, Wiesbaden, ein. Pseudokrupp ist eine akute entzündliche Erkrankung der Schleimhäute, meist ausgelöst durch Viren. Auch Asthma geht mit entzündlichen Prozessen einher, kann jedoch verschiedene Auslöser haben: „Asthma im Kindesalter ist zu 90 % mit Allergien assoziiert, im Erwachsenenalter noch mit 60 %“, erläuterte Beeh. Viren, wie beispielsweise Rhinoviren, sind die zweithäufigsten Triggerfaktoren. Eine schnelle antientzündliche Behandlung ist in beiden Fällen notwendig. Die Verengung der Atemwege wie bei einem Pseudokruppanfall hat im Kindesalter besondere Auswirkungen: „Bei einem großen Atemweg, wie bei einem Erwachsenen,

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bewirkt eine kleine Änderung im Radius eine sehr geringe Widerstandserhöhung. Ist der Atemweg jedoch klein, wie bei Kindern, so kann schon eine minimale Verkürzung des Radius dramatische Folgen haben“, betonte Beeh und ergänzte: „Daher ist die frühe Gabe eines Glukokortikoids essenziell.“ Für den Akutfall kann der Arzt den Patienten Prednisolon in oraler Form verordnen, sodass sie das Medikament im Ernstfall direkt zur Hand haben und die Behandlung nicht verzögert wird. Bei Pseudokrupp reicht in der Regel die einmalige Gabe. Prednisolon in Saftgalenik weist dabei einen schnelleren Wirkeintritt gegenüber Zäpfchen oder einer Kapsel auf. Nach der Asthma-Exazerbation und der initialen Behandlung mit Prednisolon sollten Betroffene jedoch unbedingt einen Arzt aufsuchen.

dokrupp und Asthma ist 1–2 mg pro kg Körpergewicht, bei Anaphylaxie 2–5 mg pro kg Körpergewicht. Okrido® enthält 8,06 mg/ml PrednisolodihydrogenphosphatDinatrium, das entspricht 6 mg/ml Prednisolon. Der Wirkstoff wird nach oraler Applikation rasch zur aktiven Substanz hydrolysiert. Die maximale Plasmakonzentration wird nach 1–2 Stunden erreicht. Die Halbwertszeit beträgt 12–36 Stunden. Elisabeth Wilhelmi, München

Bedeutung für die Praxis

Okrido® ist der erste und einzige in Deutschland zugelassene Prednisolon-Saft als Fertigarzneimittel. Das synthetische Steroidhormon wirkt in Akutsituationen den Beschwerden von Pseudokrupp- und Asthmaanfällen oder anaphylaktischen Reaktionen entgegen, indem es unter anderem die Entzündung hemmt. Der Saft ist frei von Konservierungsmitteln, Farbstoffen, Lösungsmitteln und Parabenen und daher für die Anwendung bei Kindern, Säuglingen und Allergikern geeignet. Dank des Kirschgeschmacks und der praktischen Dosierhilfe ist Okrido® einfach anzuwenden: Mithilfe der 5-ml-Dosierspritze kann es einfach dosiert und leicht in die Backentasche des Kindes appliziert werden. Die Dosierungsempfehlung für Pseu-

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Die Allergie- und Asthmasaison hat begonnen:

Extrafeine ICS/LABAFixkombination ermöglicht individuelle Therapiestrategien In den vergangenen Jahrzehnten ist die Asthma-Prävalenz in den westlichen Industrieländern kontinuierlich angestiegen. Als Ursache dafür machen Experten u.a. Klimaveränderungen, aber auch Lebensstilfaktoren verantwortlich, die dazu führen, dass die Allergiesaison bereits sehr früh im Jahr beginnt. Zur Linderung der Symptome fordern die Experten in der aktuellen S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma“, individuelle und flexible Therapiestrategien, die z.B. auch Präferenzen des Patienten bei der Anwendung des jeweiligen Inhalators berücksichtigen. Als Basistherapie (Stufe 1 und Stufe 2) empfehlen die Leitlinien die Gabe eines inhalativen Kortikosteroids (ICS). Sind die Symptome damit nicht ausreichend kontrolliert, sollte ab © VERLAG PERFUSION GMBH


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der nächsten Behandlungsstufe 3 auf die Kombination eines ICS mit einem inhalativen langwirkenden Beta-2-Sympathomimetikum (LABA) gewechselt werden. Eine besonders flexible Therapie ist mit der extrafeinen ICS/LABAFixkombination (Beclometason/ Formoterol, Foster®) möglich, die in 2 Dosierungen sowie in 2 Inhalationssystemen zur Verfügung steht und so eine an die Bedürfnisse des Patienten adaptierte Behandlung erlaubt. Einfache Dosisanpassung bei zunehmenden Symptomen

Wenn Allergie-/Asthma-Patienten unter einer Basistherapie nach wie vor Schwankungen in der Lungenfunktion haben und symptomatisch sind, sollten sie eine Kombination aus einem langwirksamen Beta-2-Mimetikum (LABA) und einem – zunächst niedrig dosierten – inhalativen Kortikosteroid (ICS) erhalten. Die ICS/LABAFixkombination Foster® steht in 2 verschiedenen Dosierungen zur Verfügung. Wenn die Symptome mit der niedrig dosierten ICSKombinationstherapie nicht ausreichend gelindert werden oder saisonal bedingt zunehmen, kann die ICS-Dosis bei gleichbleibender LABA-Dosierung hochgedreht werden. Erst ab der nächsten Stufe 5 wird dann beispielsweise ein langwirksamer Muskarin-Antagonist (LAMA) zur Dreifach-Therapie ergänzt. Da sich das entzündliche Geschehen bei asthmatischen Erkrankungen nicht nur in den großen, sondern auch in den kleinen Atemwegen abspielt, wurden die Wirkstoffe in Foster® extrafein formuliert. Mit einer Partikelgröße von ca. 1,5 μm (bezogen auf den Mass

Median Aerodynamic Diameter) erreichen sie auch die kleinen Atemwege gut. Dies belegen szintigrafische Studien bei Asthmatikern, die eine hohe und gleichmäßige Deposition der Wirkstoffe in der gesamten Lunge nachgewiesen haben. Zwei Inhalationssysteme zur Auswahl

Bei der extrafeinen ICS/LABAFixkombination können die Patienten zwischen einem Dosieraerosol (Lösungsaerosol) und einem Pulverinhalator (NEXThaler®) wählen. Das Dosieraerosol bietet eine zuverlässige Wirkstoffabgabe ohne erforderliches Schütteln. Somit können die Patienten vom ersten bis zum letzten Sprühstoß von einer konstanten Wirkstoffabgabe profitieren. Bei dem Pulverinhalator werden durch den integrierten Dosisschutz die Wirkstoffpartikel nur bei korrektem Atemmanöver freigesetzt, sodass keine Dosis verloren gehen kann. E. W.

LentiGlobinTM-Gentherapie bei transfusionsabhängiger β-Thalassämie Die transfusionsabhängige β-Tha­ lassämie (TDT) ist eine schwere genetische Erkrankung, bei der die Hämoglobinproduktion verringert ist oder fehlt. Folgen sind eine schwere Anämie und eine mangelhafte Erythrozytenbildung. Die unterstützende Behandlung von Patienten mit TDT besteht in der lebenslangen Verabreichung von Bluttransfusionen, um das Überleben zu sichern, sowie in einer Eisenchelationstherapie, um die

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durch die Transfusionen verursachte Eisenüberladung zu behandeln. Trotzdem kommt es in vielen Fällen zu schweren Komplikationen und Organschäden. Zurzeit ist die allogene hämatopoetische Stammzellentransplantation (HSCT) die einzige Therapie, die auf die zugrunde liegende genetische Ursache der TDT abzielt. Sie ist jedoch mit erheblichen Komplikationen verbunden, z.B. einem möglichen Transplantatversagen, der Graftversus-Host-Krankheit (GvHD) und opportunistischen Infektionen. Erfolgreiche Transfusion modifizierter Stammzellen

Eine vielversprechende neue Option ist die LentiGlobin™Gentherapie. Bei der Gentherapie werden genetische Informationen mittels eines Vektors in die Zielzellen eingebracht, um z.B. defekte Gene zu ersetzen. Die beim LentiGlobin™-Verfahren als Vektoren verwendeten Lentiviren können das Gen für intaktes Hämoglobin in hämatopoetische Stammzellen einbringen. Diese werden dem Patienten entnommen, der LentiGlobin™-Behandlung unterzogen und nach einer myeloablativen Therapie dem Patienten wieder reinfundiert. Die Wirksamkeit und Sicherheit der Gentherapie wurden in 2 klinischen Phase-I/II-Studien (HGB204 und HGB-205) untersucht. Insgesamt wurden 22 Patienten mit LentiGlobin™ behandelt. Bei 10 der 18 Patienten in HGB204 (Northstar-Studie) und 3 der 4 Patienten in HGB-205 lag ein Nicht-β0/β0-Genotyp vor. Ein Patient in HGB-205 war homozygot für die IVS1-110-Mutation und zeigte eine schwere klinische Präsentation, die der bei β0/β0© VERLAG PERFUSION GMBH


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Genotypen ähnelt. Alle Studienteilnehmer wurden nach der Transfusion der modifizierten autologen Stammzellen über einen mittleren Zeitraum von 26 Monaten beobachtet. Wie die Zwischenergebnisse der beiden Studien zeigen, blieb die Mehrzahl der 22 Patienten nach der LentiGlobin™-Gentherapie transfusionsfrei und das ohne unerwartete oder unkontrollierbare Nebenwirkungen. Zudem erhalten bis auf einen Patienten alle Patien-

ten mit Nicht-β0/β0-Genotyp (12 von 13 Patienten) keine regelmäßigen Erythrozytentransfusionen mehr, wobei die mediane Zeit seit der letzten Transfusion 27 Monate beträgt. Bei den 9 Patienten mit einem β0/β0-Genotyp oder ähnlicher Krankheitsschwere ging das Transfusionsvolumen um 73  % zurück und bei 3 Patienten wurden die Erythrozytentransfusionen eingestellt. Das Sicherheitsprofil der LentiGlobin™-Gentherapie ent-

spricht dem einer myeloablativen Konditionierung mit dem Chemotherapiewirkstoff Busulfan. Alle Patienten, die in den beiden Studien eine Transplantation erhalten hatten, überlebten. B. S.

Quelle: Thompson AA, Walters MC, Kwiatkowski J et al. Gene therapy in patients with transfusion-dependent β-thalassemia. N Engl J Med 2018;378:1479-1493

Titelbild: Die Grafik zum Reizdarmsyndrom wurde uns freundlicherweise von der Dr. Schär Deutschland GmbH zur Verfügung gestellt.

Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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Kein relevanter Nutzen b. Kdr. v. 0–10 J. Vor Behandl.-beginn RR, ALT/SGPT, großes BB inkl. Diff-BB bestimmen, währ. Behandl. Überwach. v. RR, ALT/SGPT u. b. Anzeich. u. Sympt. (z. B. Infekt) großem BB. Wirkst. wird langsam aus Plasma eliminiert, Verfahren z. beschleun. Elimination s. FI. Erhöh. d. Leberenzyme wurde beobachtet, ALT (SGPT) desh. vor Beg. u. währ. d. ersten 6 Mo. alle 2 Wo. kontrollieren, anschließend alle 8 Wo. od. b. klin. Anzeichen, bei Erhöh. der ALT (SGPT) zwischen 2- bis 3-fach der oberen Normgrenze wöchentliche Kontrollen, bei V. a. Leberschädigung Ther. abbrechen, b. ALT > 3-fache ULN ein Absetzen erwägen, möglw. erhöhtes Risiko b. Pat. m. vorbest. Lebererkr., Vors. b. Pat. m. erhebl. Alkoholkonsum. RR-Erhöhung mögl., regelmäß. Kontrolle u. angemessene Ther. empf. B. schw. aktiver Infekt. Beg. d. Behandl. verschieben, bis zurückgebildet. B. Auftr. v. schwerwieg. Infekt. Abbruch d. Behandl. erwäg., vor Wiederaufn. Nutzen/Risiko u. ggf. beschleunigte Elimination erwägen. B. latenter Tbc-Infekt. angemess. Standardther. vor Beg. d. Behandl. m. Aubagio durchführen. Über interstit. Lungenerkrank. (ILD) nach Markteinführ. wurde berichtet. ILD kann akut zu jedem Zeitpkt. d. Behandlg. auftreten u. ein variab. klin. Erscheinungsbild aufw. Tödl. Verlauf mögl. B. Auftr. v. Lungensympt. ggf. Therapieabbr. u. beschleun. Eliminat. erwägen. Es traten Fälle schwerer Hautreakt. unter Teriflunomid- (z. B. SJS, TEN) und Leflunomid-Behandl. (DRESS) auf. B. Auftr. schwerer hämatolog. Reakt. Gabe beenden u. beschleun. Elim. erwägen. B. Auftr. v. ulzerat. Stomatitis od. Haut-/Schleimhautreakt., d. V. a. SJS, TEN, Lyell-Syndrom begründ., Ther. unverzügl. abbrechen, unverzügl. beschleun. Elim. einleiten, keine erneute Gabe! Berichte über periph. Neuropathie, b. Auftr. Absetzen u. beschleun. Elim. erwägen. Anw. attenuierter Lebendimpfstoffe vermeiden (Risiko f. Infekt.). Gleichzeit. Anw. m. Leflunomid nicht empf. LZ-Sicherheit d. Komb. m. Interferon beta od. Glatirameracetat nicht bek. (cave erhöht. NW-Rate!). Vors. b. Wechsel v. Natalizumab od. Fingolimod zu Aubagio, ebenso b. Beg. and. Ther. nach Absetz. v. Aubagio (lange HWZ, mögl. additive Wirkung auf d. Immunsyst., ggf. therapiefreien Zeitraum einhalten). Enth. Lactose, nicht einnehmen b. heredit. GalactoseIntoleranz, Laktase-Mangel od. Glucose-Galactose-Malabsorption. B. Messung d. ionisierten Kalziumspieg. falsch niedrige Werte mögl. Im Zweifel d. Gesamtalbumin-adjustierten Kalziumspieg. best. Schwangersch. u. Stillz.: Kontraindiziert. Frauen i. gebärfähigem Alter müssen während u. nach e. Behandl. (bis Plasmaspiegel unter 0,02 mg/l) zuverlässige Verhütung anw. Subst. geht i. d. Muttermilch über. Nebenw.: Infektionen u. parasitäre Erkr.: Häufig Grippe, Infekt. d. ob. Atemw., Harnwegsinfekt, Bronchitis, Sinusitis, Pharyngitis, Zystitis, virale Gastroentritis, Herpes simplex labialis, Zahninfekt., Laryngitis, Tinea pedis. Nicht bek.: schwere Infekt. einschl. Sepsis. Blut, Lymphsyst.: Häufig Neutropenie, Anämie. Gelegentl. leichte Thrombozytopenie (< 100 G/l). Immunsyst.: Häufig leichte allerg. Reakt. Nicht bekannt: sofortige oder verzögerte Überempf.reakt., Anaphylaxie, Angioödem. Psyche: Häufig Angst. Nerven: Sehr häufig Kopfschmerzen. Häufig Parästhesie, Ischialgie, Karpaltunnelsyndr. Gelegentl. Hyperästhesie, Neuralgie, periph. Neuropathie. Herz: Häufig Palpitationen. Gefäße: Häufig Hypertonie. Atemw., Brustr., Mediast.: Nicht bek. interstit. Lungenerkrankg. GIT: Sehr häufig Diarrhoe, Übelk. Häufig Oberbauchschmerzen, Erbrech., Zahnschm. Nicht bekannt: Pankreatitis, Stomatitis. Leber/Galle: Sehr häufig ALT erhöht. Häufig GGT u. AST erhöht. Nicht bek. akute Hepatitis. Haut, Unterhautzellgew.: Sehr häufig Alopezie. Häufig Exanthem, Akne. Nicht bekannt: schwere Hautreakt., Nagelerkrank. Skelettmskl., Bindegew., Knochen: Häufig Schm. d. Mskl- u. Skelettsystems, Myalgie, Arthralgie. Niere, Harnwege: Häufig Pollakisurie. Geschlechtsorg., Brustdrüse: Häufig Menorrhagie. Allgemein: Häufig Schmerz. Nicht bek. Asthenie. Untersuch.: Gewichtsabnahme, Neutrophilen-/Leukozytenzahl erniedrigt, erhöhte Kreatinen-Phosphokinasewerte im Blut. Verletz., Vergift. u. d. Eingr. bed. Komplikat.: Gelegentl. posttraumat. Schmerzen. Hinw.: Impf. mit inaktivierten Neo- od. Recall-Antigenen mögl. Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: sanofi-aventis groupe, 54, rue La Boétie, F-75008 Paris, Frankreich. Deutscher Vertreter des Zulassungsinhabers erreichbar unter Tel.: 0800-0436996 (kostenfrei). Stand: Mai 2018 (GZDE.AUBA.18.06.0442)

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