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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 24 HEFT 5 November 2015

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Polyvalente Immunglobuline – eine bedeutende Säule des Immunsystems Immunglobuline bei CIDP – worauf Ärzte beim Therapiemanagement achten sollten Myelodysplastisches Syndrom: Effektives Therapiemanagement bei Eisenüberladung Hepatische Enzephalopathie evidenzbasiert behandeln Adipositas: Gewichtsverlust und Verbesserung des Gesundheitszustands durch Liraglutid Prostatakarzinom: Mit Radium-223 Knochenmetastasen gezielt bekämpfen Ejaculatio praecox – Ätiologie und Therapie einer tabuisierten Erkrankung Autoinflammatorische Erkrankungen CAPS und SJIA: IL-1β-Inhibition als Therapie der Wahl Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Magen-Adenokarzinoms mit Ramucirumab Febuxostat zur Prävention und Behandlung des Tumorlyse-Syndroms Teduglutid – die erste medikamentöse Therapieoption für das Kurzdarmsyndrom VERLAG Eltrombopag bietet neue Perspektiven für Patienten mit schwerer aplastischer Anämie Mini-Patch – der neue Trend in der Verhütung

PERFUSION


Hepatische Enzephalopathie:

Dualer Wirkansatz1 Nachgewiesen wirksam² Erstattungsfähig³

Jahren t* 0 4 r e b Seit ü nfach bewähr millione

* Weltweit eingesetzte Dosen seit Zulassung. 1 L-Ornithin-L-Aspartat fördert die Entgiftung von Ammoniak durch Stimulation der gestörten Harnstoff- und Glutaminsynthese. Siehe: Kircheis G et al., Hepatology 1997;25:1351-1360. 2 Bai M et al. J Gastereoenterol Hepatol 2013;28(5):783-792. 3 Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, Abschnitt F, Anlage I, Stand: 5. Juni 2013. Hepa-Merz® Granulat 3000, Hepa-Merz® Granulat 6000, Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat. Zusammensetzung: Wirkstoff: 1 Beutel mit 5 g (10 g) Granulat enth. 3,0 g (6,0 g) Ornithinaspartat; 1 Ampulle mit 10 ml enth. 5,0 g Ornithinaspartat. Sonstige Bestandteile: Hepa-Merz® Granulat 3000 / Hepa-Merz® Granulat 6000: Citronensäure, Saccharin-Natrium, Natriumcyclamat, Povidon 25, Fructose, Aromastoffe, Gelborange S (E 110). Hinweis f. Diabetiker: Ein Beutel Hepa-Merz® Granulat 3000/6000 enth. 1,13 g Fructose (entspr. ca. 0,11 Broteinheiten (BE)) / 2,26 g Fructose (entspr. ca. 0,22 Broteinheiten (BE)). Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat: Wasser f. Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Latente und manifeste hepatische Enzephalopathie. Gegenanzeigen: Hepa-Merz® Granulat 3000 / Hepa-Merz® Granulat 6000 / Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff Ornithinaspartat, oder einen der sonstigen Bestandteile. Absolut: Niereninsuffizienz. Als Richtwert kann ein Serumkreatininwert über 3 mg / 100 ml gelten. Relativ: Es liegen keine klinischen Daten zur Einnahme/Anwendung bei Kindern und in der Schwangerschaft vor. Ornithinaspartat wurde nur unzureichend in tierexperimentellen Studien zur Reproduktionstoxizität untersucht. Die Anwendung dieser Arzneimittel in der Schwangerschaft sollte daher vermieden werden. Wird dennoch eine Behandlung für notwendig erachtet, sollte eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Es ist nicht bekannt, ob Ornithinaspartat in die Muttermilch übergeht. Eine Anwendung dieser Arzneimittel sollte daher in der Stillzeit vermieden werden. Wird dennoch eine Behandlung für notwendig erachtet, sollte eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Keine Daten zur Fertilität. Hepa-Merz® Granulat 3000, Hepa-Merz® Granulat 6000 zusätzl.: Überempfindlichkeit gegen Gelborange S (E110). Nebenwirkungen: Hepa-Merz® Granulat 3000, Hepa-Merz® Granulat 6000: Gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100): Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Flatulenz, Diarrhoe. Sehr selten (< 1/10.000): Gliederschmerzen. Diese Nebenwirkungen sind jedoch im Allgemeinen vorübergehend und erfordern kein Absetzen des Arzneimittels. Gelborange S (E 110) kann allergische Reaktionen hervorrufen. Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat: Gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100): Übelkeit. Selten (≥ 1/10.000 bis < 1/1.000): Erbrechen. Nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar): Überempfindlichkeit, anaphylaktische Reaktion. Die gastrointestinalen Symptome sind im Allgemeinen vorübergehend und erfordern kein Absetzen des Arzneimittels, sondern verschwinden bei Dosisreduktion bzw. Reduktion der Infusionsgeschwindigkeit wieder. Warnhinweise: Hepa-Merz® Granulat 3000 / Hepa-Merz® Granulat 6000: Diese Arzneimittel enth. Fructose. Patienten mit der seltenen hereditären Fructose-Intoleranz sollten diese Arzneimittel nicht einnehmen. Sonstige Hinweise: Hepa-Merz® Granulat 3000 / Hepa-Merz® Granulat 6000, Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat: Bedingt durch die Erkrankung können auch unter der Therapie mit diesen Arzneimitteln die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt sein. Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat zusätzlich: Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat ist mit den üblichen Infusionsgrundlagen mischbar. Bislang sind keine Auffälligkeiten bei der Mischbarkeit aufgetreten. Dennoch sollte das Mischen mit der Infusionsgrundlage erst unmittelbar vor der Anwendung erfolgen. Bei hohen Dosen soll der Harnstoffspiegel im Serum und Urin kontrolliert werden. Bei erheblich eingeschränkter Leberfunktion muss zur Vermeidung von Übelkeit und Erbrechen die Infusionsgeschwindigkeit individuell angepasst werden. Hepa-Merz® Infusionslösungs-Konzentrat darf nicht intraarteriell verabreicht werden. Stand Februar 2015. Merz Pharmaceuticals GmbH, 60048 Frankfurt


EDITORIAL

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Ärzte gegen Ursachen! Erinnert sich noch jemand, dass es noch kein Jahr her ist, dass ein afrikanisches Virus alles andere aus den Schlagzeilen verdrängte und im Fernsehen über Wochen Nachrichtensendungen monopolisierte und beste Sendeplätze belegte. Dass es in den ersten Monaten dieses Jahres so schien, als wäre eine Kreditentscheidung für Griechenland der Schlüssel zur Zukunft der Menschheit? Dass es noch keine drei Monate her ist, als Live-Berichte von der Willkommenskultur am Münchener Hauptbahnhof unsere Seelen berührten und dass noch vor wenigen Wochen Deutschland am Rande des Abgrunds stand, weil Menschen angesichts von Terror und Gewalt ihr nacktes Leben zu retten sich herausnahmen. Zugegebenermaßen mehr Menschen, als eine einzelne Kamera im Bild einfangen kann, aber de facto ein Bruchteil der Menschen, die ihre gepeinigte Heimat verlassen mussten, um ihr Leben in Sicherheit zu bringen. Eigentlich wollte ich mit diesen Gedanken auf die aktuelle Situation überleiten, die darin kulminierte, dass ein Fußballländerspiel abgesagt wurde. Aus Gründen übrigens, die uns verunsichern würden, wenn sie uns zur Kenntnis gebracht würden. Ich kann aber nicht anders, ich muss zuerst noch ein paar Gedanken zu dieser heuchlerischen, ja unmenschlichen Dis­ kussion loswerden. Hätten zu Zeiten des sog. Tausendjährigen Reichs nicht andere Nationen unschuldige Bürger unseres eigenen Landes aufgenommen, hätten nationalsozialistische Wahnsinnige wohl noch ein paar Millionen mehr Menschen auf dem Gewissen.

Und dass einige andere damals glaubten, das Boot sei voll, kostete ungezählten anderen verfolgten Deutschen das Leben. Man kann diese Untaten nicht ungeschehen machen. Ich habe aber den Geist der Aufklärung, unsere auf humanistischen Prinzipien aufbauende „abendländische“ Weltanschauung immer ebenso ernst genommen wie meinen Glauben und dessen zentrales Axiom, die Nächstenliebe. Und so müsste es gerade heute angesichts des aktuellen „Ernstfalls“ gemeinsame Verpflichtung aller Staaten in Europa sein, unsere vermeintlichen Grundprinzipien zu leben, statt zu leugnen. Es ist eine moralische Schande, dass für die Menschlichkeit „Obergrenzen“ gefordert werden. Es verhöhnt die wahren Helden, Länder wie den Libanon und Jordanien, bei denen der Anteil der Kriegsflüchtlinge inzwischen auf bis zu 30 Prozent der eigenen Bevölkerung angeschwollen ist – während man in Brüssel monatelang diskutiert, wie 160.000 Flüchtlinge auf ganz Europa verteilt werden können. Was uns als Ärzte anbelangt, so soll mir keiner das Wort Ethikkommission in den Mund nehmen oder über Probleme wie das der Sterbehilfe schwadronieren, der gegen Mord und Totschlag außerhalb des eigenen Hinterhofs laut vernehmlich schweigt. Der Hippokratische Eid wie seine moderne Form, das Genfer Gelöbnis, vertragen sich auch grundsätzlich nicht mit den rassistischen Ausdünstungen der Wiedergänger vom Schlage „patriotischer Europäer“. Ach ja, eigentlich wollte ich ja mit den oben angestellten Über-

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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

legungen nur überleiten. Darauf, dass seit Mitte November plötzlich die de facto unveränderten „Flüchtlingsströme“ bestenfalls zur Randnotiz geschrumpft sind. Ganz Europa steht zusammen, um den Untergang des Abendlands abzuwehren, den ein paar Handvoll fundamentalistische Wirrköpfe dabei sind einzuleiten. Ganz Europa steht zusammen, um flächendeckend demokratische Grundrechte wie das des Schutzes der eigenen Privatsphäre einzuschränken, z.B. im Rahmen der unsäglichen Vorratsdatenspeicherung, die sich jüngst in Frankreich (bei noch rigideren Bedingungen als in Deutschland) überzeugend als stumpfe Waffe erwiesen hat, da es für die gebetsmühlenhaft als „radikal-islamisch“ attribuierten „Fundamentalisten“ ein Kinderspiel ist, ihre Kommunikation mit allenthalben frei verfügbaren Instrumenten zu verschlüsseln, nur eben nicht für Otto Normalverbraucher. Es wird sich vorhersehbar als © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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ebenso kurzsichtig, hilflos und sinnlos erweisen, alle Fußballstadien, Bahnhöfe, Christkindlmärkte etc. durch bewaffnete Aufpasser abzusichern und/oder durch Kameras zu kontrollieren. Dann sucht sich halt „der Terrorist“ ein anderes Objekt oder eine andere Lokalisation – und es wird vorhersehbar einfach nicht zu finanzieren sein, flächendeckend alles und jeden zu observieren und zu kontrollieren (und wahrscheinlich – ebenso wenig – „weg zu bombardieren“). Jetzt bin ich endlich da, wo ich hin wollte. In jedem Jahr sterben in Deutschland ca. 3500 Menschen bei Verkehrsunfällen (häufigste Ursache: zu hohe Geschwindigkeit) und doppelt so viele bei häuslichen Unfällen. Schon kleine Maßnahmen (Tempolimit, konsequente Thematisierung in den öffentlichrechtlichen Medien) könnten weit mehr Menschenleben retten als die flächendeckende Beschneidung der demokratischen Grundrechte und das unermüdliche Befüllen einer bodenlosen „Kriegskasse“. Man hätte aber mit dem Geld, das seit den Zeiten der RAF in Deutschland und mehr noch, in Afghanistan, dem Irak, Somalia, dem Sudan und anderen Krisengebieten in die „Terrorbekämpfung“ geflossen ist, Armut, Ungerechtigkeit und Perspektivlosigkeit wie einen Sumpf trockenlegen können. Dann wären wir – und der Rest der Welt – heute glücklicher und sorgenfreier. Und noch eines: Es gab nicht nur im Kalten Krieg keine guten Mauern und Zäune – es gibt sie auch heute nicht und wird sie nie geben! Ebenso wenig effektiv ist es, an Symptomen herumzudoktern. Es gilt, die Ursachen zu beseitigen. Wer könnte und sollte das besser wissen als wir Ärzte? Karl-Ludwig Resch, Bad Elster

ÜBERSICHTSARBEIT Polyvalente Immunglobuline – eine bedeutende Säule des Immunsystems Fabian Sandner

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Immunglobuline bei CIDP – worauf Ärzte beim Therapie­management achten sollten

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Myelodysplastisches Syndrom: Effektives Therapie­ management bei Eisenüberladung

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Hepatische Enzephalopathie evidenzbasiert behandeln 154 Adipositas: Gewichtsverlust und Verbesserung des Gesundheitszustands durch Liraglutid

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Prostatakarzinom: Mit Radium-223 Knochenmetastasen gezielt bekämpfen

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Ejaculatio praecox – Ätiologie und Therapie einer tabuisierten Erkrankung

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Autoinflammatorische Erkrankungen CAPS und SJIA: Interleukin-1β-Inhibition als Therapie der Wahl

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen MagenAdenokarzinoms mit Ramucirumab

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Febuxostat zur Prävention und Behandlung des Tumorlyse-Syndroms

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Teduglutid – die erste medikamentöse Therapieoption für das Kurzdarmsyndrom

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Eltrombopag bietet neue Perspektiven für Patienten mit schwerer aplastischer Anämie

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Mini-Patch – der neue Trend in der Verhütung

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RUBRIKEN Kongresse 173 Wissenswertes 157, 159, 167, 171, 180

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ÜBERSICHTSARBEIT

Polyvalente Immunglobuline – eine bedeutende Säule des Immunsystems Fabian Sandner, Nürnberg

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as Immunsystem des menschlichen Körpers ist ein hochkomplexes System, das Krankheitserreger und Toxine durch das Zusammenwirken diverser Immunzellen, des Komplementsystems sowie von Antikörpern bekämpft. Letztere haben vor allem die Aufgabe, Pathogene und Toxine in der freien Blutbahn und extrazellulären Flüssigkeit zu neutralisieren bzw. sie zu markieren, um ihre Zerstörung durch Abwehrzellen zu erleichtern. Bei primären oder sekundären Immundefekten kann es jedoch vorkommen, dass zu wenig Antikörper vorhanden sind und somit eine Substitution mit polyvalenten Immunglobulinen notwendig ist. Polyvalente Immunglobuline werden zudem eingesetzt zur Immunmodulation bei Autoimmun- oder entzündlichen Erkrankungen (vgl. Insert) [1]. Immunglobuline: Aufbau und Isotypen

Immunglobuline (Ig) sind von Plasmazellen gebildete Glykoproteine, die als Antikörper mit Antigenen reagieren und so Pathogene neutralisieren bzw. deren Phagozytose oder die Zellauflösung durch das Komplementsystem fördern. Alle Immunglobuline bestehen aus

2 leichten und 2 schweren Ketten. Die N-Termini der leichten und schweren Ketten – auch Fab-Fragmente genannt – besitzen hypervariable Regionen, die zusammen die Antigenbindungsstelle des Immunglobulins bilden. Der C-Terminus der schweren Ketten bildet den Fc-Teil des Antikörpers, der die Immunglobulinklasse und damit die Interaktion mit Immunzellen und Komplement bestimmt [2]. Insgesamt lassen sich 5 Immunglobulinklassen bzw. Isotypen unterscheiden, die anhand unterschiedlicher Fc-Teile teilweise noch in weitere Subgruppen unterteilt werden [1]. • IgG: Diese Immunglobulinklasse hat die höchste Konzentration im Blutplasma und der extrazellulären Flüssigkeit. Die Aufgaben dieser Antikörper liegen in der Opsonierung von Bakterien sowie in der Neutralisierung von bakteriellen Toxinen und Viren. Darüber hinaus induzieren IgG-Antikörper über die Interaktion mit natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) die sogenannte antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (antibody dependent cell mediated cytotoxicity, ADCC). In der zweiten Schwangerschaftshälfte diffundieren sie über die

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Plazenta in das Blut des Kindes und schützen es damit in den ersten Lebenswochen vor Infektionen. • IgA: Diese in der Regel als Dimer vorliegende Immunglobulinklasse wirkt vor allem als neutralisierender Antikörper auf Schleimhäuten und in Körpersekreten. Neugeborene werden über die Muttermilch mit IgA-Antikörpern versorgt. • IgM: Die als Pentamer vorliegende Antikörperklasse wird nach Infektionen als erste IgKlasse im Blut gebildet. Sie ermöglicht die Opsonierung von Pathogenen mit polymeren Epitopen sowie die effektive Aktivierung des Komplementsystems. IgM kommt vorwiegend im Blutplasma vor. • IgD: Diese Antikörperklasse befindet sich nur in geringen Mengen im Blutplasma, jedoch membrangebunden auf B-Lymphozyten und beeinflusst wahrscheinlich deren Funktion. • IgE: Diese Antikörper kommen rezeptorgebunden auf der Oberfläche von Mastzellen und basophilen Granulozyten vor, die primär unterhalb der Haut und der Mukosa lokalisiert sind. Sie dienen der Abwehr von Parasiten und werden mit allergischen Reaktionen assoziiert. © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

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Zusammensetzung und Einsatzgebiete von Immunglobulin-Präparaten

Dank der Entwicklung der Plasmafraktionierung durch Cohn (Auftrennung mittels ansteigender Ethanol-Konzentration in kaltem Medium) war es Anfang des Zweiten Weltkriegs erstmals möglich geworden, Proteine des menschlichen Blutplasmas zu reinigen, aufzutrennen sowie anzureichern und so homologe polyvalente Immunglobuline für den therapeutischen Einsatz zu gewinnen. Die Anwendung der so gewonnenen Immunglobulin-Konzentrate war allerdings zunächst ausschließlich intramuskulär möglich. Das begrenzte die applizierbare Menge und war mit einer schlechten Verträglichkeit verbunden [3]. Die Herstellungsverfahren von Immunglobulinen zur passiven Immunisierung von Patienten sind seither immer ausgereifter und sicherer geworden. Dadurch hat sich die Verträglichkeit der Präparate erheblich verbessert, sodass sie heute ohne Probleme intravenös (IVIG) oder auch in größeren Mengen subkutan (SCIg) verabreicht werden können. Entsprechend seiner Bedeutung für das Immunsystem sowie der Konzentration im Blutplasma bildet IgG den wirksamen Bestandteil der ImmunglobulinKonzentrate. Monomere IgA- und IgM-Antikörper sind in den modernen polyvalenten Immunglobulin-Präparaten nur in geringen Mengen enthalten. Insgesamt lassen sich entsprechend der unterschiedlichen Einsatzbereiche polyvalenter Immunglobuline folgende physiologische Vorgänge identifizieren:

Immundefizienz Durch angeborene Defekte (primäre Immundefizienz) kann ein Antikörpermangel entstehen. Es gibt aber auch Erkrankungen, die einen Antikörpermangel sekundär nach sich ziehen. Dazu gehören beispielsweise die Blutkrebserkrankungen CLL (chronisch lymphatische Leukämie) und MM (multiples Myelom). Man spricht dann von einer sekundären Immundefizienz. Bei der primären Immundefizienz handelt es sich um eine genetisch bedingte Störung, die eine Gruppe von Krankheiten beschreibt. Verursacht werden diese Krankheiten dadurch, dass einige vom Immunsystem benötigte Antikörper entweder fehlen oder in ihrer Wirkungsweise gestört sind. Folge sind häufig auftretende Infektionen, die sich nur schwer behandeln lassen und oft lebensbedrohliche Formen annehmen. Die Weltgesundheitsorganisation hat über 100 Immundefekte identifiziert, die von extrem seltenen Defekten (wie schwere kombinierte Immundefekte mit 1 Fall pro 1 Million Einwohner) bis hin zum häufiger auftretenden (1 Fall pro 500 Einwohner) selektiven IgA-Mangel reichen. Immunglobuline werden zur Behandlung von Patienten mit zahlreichen primären Immundefekten (PID) eingesetzt. Die Behandlung kann entweder als intravenöse Infusion alle 2–5 Wochen in der Arztpraxis oder Klinik erfolgen, oder sie kann nach entsprechender Schulung zu Hause als subkutane Injektion 1–2 x pro Woche durchgeführt werden. Diese Form der Behandlung ist im Vergleich zur intravenösen Verabreichung zeitsparender und wesentlich einfacher und kann daher häufig auch vom Patienten selbst in der häuslichen Umgebung angewendet werden. Auch bei Autoimmunerkrankungen werden Immunglobuline zur Behandlung eingesetzt. Zu diesen Erkrankungen gehören: • die Immun-Thrombozytopenie (ITP), die durch einen Mangel an Thrombozyten verursacht wird. Die meisten Fälle stehen in Verbindung mit Antikörpern gegen Thrombozyten. Sehr niedrige Plättchenzahlen können sowohl zu einer ungewöhnlich hohen Blutungsneigung als auch zu einer roten oder purpurroten Verfärbung der Haut führen. Durch die Behandlung mit Immunglobulinen steigt die Thrombozytenzahl an und die Blutungsneigung geht zurück. • das Guillain-Barré-Syndrom, eine neurologische Erkrankung mit über wenige Wochen zunehmenden Lähmungen an Armen und Beinen, die sogar die Atemmuskulatur erfassen kann. Durch die frühzeitige richtige Diagnose und Behandlung mit Immunglobulinen kann ein schwerer Verlauf weitgehend vermieden werden. • das Kawasaki-Syndrom, eine Gefäßerkrankung kleiner Kinder, die zu einer schweren Schädigung des Herzens führen kann. Durch eine frühzeitige Diagnose, die allerdings nicht immer einfach zu stellen ist, und die richtige Therapie (Immunglobuline und ASS) wird meistens ein Herzschaden verhindert.

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• die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP), eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die charakterisiert ist durch sensible und motorische Ausfallerscheinungen und Paresen in den Armen und Beinen, die meistens symmetrisch von distal nach proximal verlaufen.

Herstellung und Sicherheit von Immunglobulinen Immunglobulin-Lösungen für die medizinische Anwendung bestehen aus vielen Millionen verschiedener Antikörper. Sie können nicht künstlich im Labor hergestellt werden, sondern werden aus Blut- oder Plasmaspenden freiwilliger, gesunder Spender gewonnen. Um ein theoretisches Übertragungsrisiko von Infektionskrankheiten auszuschließen, unterliegt der Herstellungsprozess von Arzneimitteln aus Blut oder Blutplasma strengsten mehrstufigen Kontrollen. Überprüfung der Spenden: An erster Stelle steht die ärztliche Untersuchung des Spenders. Personen, die ein erhöhtes Risiko haben, an einer über das Blut übertragbaren Krankheit zu leiden, sind von vornherein von der Spende ausgeschlossen. Im nächsten Schritt werden die einzelnen Spenden mit modernsten Testverfahren auf Krankheitserreger überprüft. Nur Spenden, bei denen keine Krankheitserreger nachweisbar sind, dürfen weiter verwendet werden. Vom Einzelspender zur Immunglobulin-Lösung: Das geprüfte Plasma von mehreren tausend Einzelspenden wird in sogenannte Plasmapools zusammengeführt. Dadurch wird sichergestellt, dass ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Antikörper abgedeckt ist. Aus den Plasmapools werden dann die Immunglobuline isoliert. Durch die Kombination verschiedener Reinigungs- und Filtrationsschritte entsteht am Ende die hochreine ImmunglobulinLösung. Auch während der Reinigung stellen speziell entwickelte Schritte sicher, dass möglicherweise immer noch vorhandene Krankheitserreger zerstört und entfernt werden. Entsprechend seiner Bedeutung für das Immunsystem sowie der Konzentration im Blutplasma bildet Immunlobulin G (IgG) den Hauptbestandteil der Immmunglobulin-Lösung. Qualitätskontrolle und Freigabe: Nach der Abfüllung wird jede Charge einer Qualitätskontrolle beim Hersteller unterzogen. Anschließend werden die Fläschchen einer Charge noch einmal von einer unabhängigen Prüfstelle, in Deutschland dem Paul-EhrlichInstitut, untersucht. Wenn auch dort keine Mängel entdeckt werden, gibt das Institut die entsprechende Charge des Medikaments für die Behandlung von Patienten frei.

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Quelle: CSL Behring

Infektabwehr Immunglobuline haben in der Infektabwehr eine protektive Funktion. Die Antikörper binden an Fremdantigene und bewirken dadurch eine Virusneutralisation bzw. eine Opsonierung von Bakterien. Dies ermöglicht die FcRezeptor-vermittelte Phagozytose durch Monozyten, Makrophagen oder Granulozyten. Auch kann die Opsonierung zu einer komplementvermittelten Lyse beitragen [4]. Darüber hinaus vermitteln Antikörper über NK-Zellen eine antikörperabhängige zellvermittellte Zytotoxizität (ADCC). Immunmodulation Antikörper werden zur Immunmodulation eingesetzt, da sie die BZellaktivierung und -differenzierung beeinflussen und dadurch die Autoantikörpersynthese vermindern [4]. Die Gabe von IVIG führt zudem zu einer Blockade von FcRezeptoren auf den Oberflächen von NK-Zellen, Makrophagen, Monozyten sowie weiteren Elementen des mononukleären phagozytierenden Systems, wodurch diese in ihrer Funktion moduliert werden [4]. Außerdem beeinflussen polyvalente Immunglobuline die Komplementaktivierung, indem sie das Komplement „abfangen“: Aktivierte Komplementfaktoren, insbesondere C3b, werden von IgG gebunden [5, 6]. Weitere immunmodulatorische Effekte können auf Ebene der Zytokine erfolgen. Durch Bindung proinflammatorischer Zytokine wie TNF-alpha, Interleukin-1 und Interleukin-6 im Plasma, können IVIG den Aktivierungsweg der Entzündungsreaktion unterbrechen [4]. Darüber hinaus sind © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Immunglobuline bei CIDP – worauf Ärzte beim Therapiemanagement achten sollten

weitere Wirkungen beschrieben wie beispielsweise eine anti-idiotypische Neutralisierung pathogener Auto- oder Alloantikörper [7, 8, 9], außerdem der beschleunigte Abbau pathogener Antikörper [4, 9] sowie die Regulierung der Apoptose durch Interaktion mit Zelltod-Membranrezeptoren wie Fas (CD95) [9, 10].

I Literatur 1 Vorstand und Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer (Hrsg.). Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. 3. Aufl. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2003 2 Reuter P. Springer Lexikon Medizin. Heidelberg: Springer, 2004 3 Müller E et al. Therapie mit Immunglobulinen. Immun Infekt 1990;18:162-163 4 Horneff G. Therapie bei Autoimmun- und entzündlichen Erkrankungen. Pädiatrie hautnah 2005;3:142-148 5 Basta M, Dalakas MC. High-dose intravenous immunoglobulin exerts its beneficial effect in patients with dermatomyositis by blocking endomysial deposition of activated complement fragments. J Clin Invest 1994; 94:1729-1735. 6 Lutz HU, Stammler P, Bianchi V et al. Intravenously applied IgG stimulates complement attenuation in a complement-dependent autoimmune disease at the amplifying C3 convertase level. Blood 2004; 103:465-472 7 van der Meche FG, Schmitz PI. A randomized trial comparing intravenous immune globulin and plasma exchange in Guillain-Barre syndrome. Dutch GuillainBarre Study Group. N Engl J Med 1992; 326:1123-1129 8 Buchwald B, Ahangari R, Weishaupt A et al. Intravenous immunoglobulins neutralize blocking antibodies in Guillain-Barre syndrome. Ann Neurol 2002;51:673-680 9 Janeway CA, Travers P, Walport MSM. The humoral response in immunobiology. In: Immunobiology. London: Garland Science, 2001 10 Viard I, Wehrli P, Bullani R et al. Inhibition of toxic epidermal necrolysis by blockade of CD95 with human intravenous immunoglobulin. Science 1998;282:490493

ntravenöse polyvalente Immunglobuline (IVIG) haben sich vielfach bewährt. Nicht nur bei primären und sekundären Immundefekten, auch in der Immunmodulation bei der chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) spielen IVIG eine zentrale Rolle – viele Patienten, bei denen zum Beispiel Kortikosteroide wirkungslos waren, sprechen gut auf Immunglobuline an [1]. Erklärungsansatz für die Wirkweise von IVIG

CIDP ist eine seltene Erkrankung des peripheren Nervensystems mit einer Progredienz von mindestens 2 Monaten. Der Verlauf kann stetig oder auch in Schüben erfolgen und führt zu motorischen und sensiblen Dysfunktionen in Armen und Beinen. Hintergrund ist eine immunvermittelte degenerative Zerstörung der Myelinscheiden, die die Axone schützend umhüllen. Durch die Demyelinisierung wird die Nervenleitungsgeschwindigkeit verlangsamt. Da die Myelinscheiden im peripheren Nervensystem von Schwann-Zellen gebildet werden, gelten diese als Schlüsselkomponente der peripheren Nervenregeneration. In Zellkulturstudien konnte gezeigt werden, dass IVIG an Schwann-Zellen

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binden und diese stimulieren [2]. Dadurch werden vermehrt Myelinproteine gebildet, die sich als Myelinscheide erneut um die Axone legen. Das Resultat ist eine beschleunigte Reizweiterleitung mit normalisierter Nervenfunktion [2]. IVIG-Therapie ist gerade bei CIDP oft langfristig nötig

Die Ansprechrate von CIDP-Patienten auf IVIG liegt in Studien bei bis zu 87 % gemessen am INCATScore (Inflammatory Neuropathy Cause and Treatment) [3]. Bei manchen Betroffenen hält der Erfolg jedoch nicht vor. So hatten in einer Studie 28 über 6 Monate mit IVIG behandelte CIDP-Patienten zwar eine Verbesserung erzielt, die Werte verschlechterten sich allerdings 4,5 Monate nach Behandlungsende bei rund 86 % der Teilnehmer wieder [4]. Daraus lässt sich schließen, dass für einige Patienten eine langfristige Therapie sinnvoll sein könnte. Die Frage ist, für wen. Die DGN-Leitlinie sagt zum Therapiemanagement, dass die Erhaltungsdosis „individuell bestimmt und im Verlauf überprüft werden“ muss [5]. Prognose- oder Risikofaktoren, anhand derer sich Therapielänge und Intensität abschätzen lassen, bleiben offen. Studiendaten zufolge ist bei folgenden Faktoren eine dauerhaf© VERLAG PERFUSION GMBH


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te IVIG-Therapie in Erwägung zu ziehen: bei multifokalem Defizit, fehlendem Ansprechen auf Kortikosteroide und bei längerer Dauer bis zum Ansprechen auf IVIG [6]. Eine Orientierungshilfe für das Therapiemanagement gibt eine retrospektive Datenauswertung [7]: Ob CIDP-Patienten auf IVIG ansprechen und sich INCAT-Score oder Griffstärke klinisch verbessern, zeigt sich in den ersten 9 Wochen. Die jeweils maximal mögliche Besserung wird in der Regel innerhalb von 21 Wochen erreicht. Dies sind die relevanten Zeitpunkte, um den Therapieerfolg zu analysieren und die Behandlung gegebenenfalls zu modifizieren.

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Abbildung 1: Anteil der Patienten mit signifikanter Veränderung des INCAT-Scores in der PRIMA-Studie [8]. Bereits nach der Startdosis zeigten 50 % der Responder die geforderte Verbesserung.

Signifikante Verbesserung unter der Therapie mit Privigen®

Privigen® ist ein intravenös zu applizierendes polyvalentes Immunglobulin, das bei CIDP zur Initial- und Dauertherapie zugelassen ist. Die Zulassung beruht auf den Ergebnissen der PRIMA-Studie (Privigen Impact on Mobility and Autonomy), einer prospektiven einarmigen Studie zur Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit von Privigen® bei insgesamt 28 sowohl mit IVIG vorbehandelten (n=13) als auch nicht mit IVIG vorbehandelten (n=15) Patienten mit CIDP [8]. Die Studienteilnehmer erhielten eine Startdosis von 2 g/kg Körpergewicht und alle 3 Wochen bis zu 7 Erhaltungsdosen von 1 g/kg KG. Das Ergebnis: Die Erkrankung verbesserte sich klinisch relevant und signifikant, der INCAT-Score sank durchschnittlich von 3,7 auf 2,3. Endpunkt der Studie war die Responder-Rate basierend auf dem INCAT-Score, die für alle Patienten zusammen 60,7 % betrug (Abb. 1).

Abbildung 2: Die Griffstärke der dominanten Hand verbesserte sich von durchschnittlich 66,7 kPa auf 82,8 kPa nach 7 Wochen und blieb dann weitgehend stabil (Endwert 80,9 kPa) [8].

Abbildung 3: Verlauf des MRC-Summen-Scores, mit dem die Beweglichkeit aller 4 Extremitäten bewertet wird. Der Durchschnittswert stieg von 66 auf 73. Diese Verbesserung wurde bereits in Woche 7 erreicht, danach blieb der Durchschnittswert konstant (bei normaler Beweglichkeit sind maximal 80 Punkte zu erreichen) [8].

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Literatur

Privigen® Privigen ist eine polyvalente Immunglobulin-Präparation zur i.v. Infusion (IVIG). Die Fertiglösung mit hoher Konzentration (10 %) ist ohne Einschränkung bei Raumtemperatur lagerbar. Dank der Stabilisierung mit Prolin wird die Stabilität der Immunglobuline optimal bewahrt [1]. Der Wirkstoff zeichnet sich aus durch: • eine hohe Wirksamkeit bei chronischer ITP (81%) • eine hohe Wirksamkeit bei Immundefizienz (nur 0,08 akute schwere bakterielle Infektionen pro Patient und Jahr; die FDA fordert <1 aSBI/Jahr) • eine lange Halbwertzeit (im Durchschnitt ca. 35 Tage) • einen extrem niedrigen IgA-Gehalt (weniger als 25 mg/l) • einen nachgewiesenen Schutz vor Prionen-Übertragung und vor der Übertragung kleiner unbehüllter Viren durch eine 20-nmFiltration Die Einsatzgebiete umfassen die Substitutionstherapie bei primären und sekundären Immundefekten, die Immunmodulationstherapie bei Immunthrombozytopenie (ITP), chronisch inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie (CIDP), Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und Morbus Kawasaki sowie die allogene Knochenmarktransplantation. Gemäß den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Erstattungsfähigkeit von IVIG kann Privigen® auch bei Polymyositis und Dermatomyositis als Add-on-Behandlung verordnet und erstattet werden, wenn andere Optionen versagt haben, sowie in der myasthenen Krise [9, 10]. ®

50 % der Responder sprachen innerhalb der ersten 4 Wochen auf die Behandlung an. Unter der Therapie mit Privigen® verbesserten sich außerdem die Griffstärke (Abb. 2) und die motorische Funktion, die anhand des MRC-Summen-Scores gemessen wird (Abb. 3).

Privigen® wurde gut vertragen. Wie aus anderen Studien zu intravenösen Immunglobulinen bekannt, waren Kopfschmerzen die am häufigsten beobachteten unerwünschten Ereignisse in der PRIMA-Studie [8]. Brigitte Söllner, Erlangen

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1 Fachinformation Privigen® 100 mg/ml Infusionslösung, Stand Mai 2013 2 Tzekova N, Heinen A, Bunk S et al. Immunoglobulins stimulate cultured Schwann cell maturation and promote their potential to induce axonal outgrowth. J Neuroinflamm 2015;12:107 3 Nobile-Orazio E, Cocito D, Jann S et al. Intravenous immunoglobulin versus intravenous methylprednisolone for chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy: a randomised controlled trial. Lancet Neurol 2012;11:493-502 4 Nobile-Orazio E, Cocito D, Jann S et al. Frequency and time to relapse after discontinuing 6-month therapy with IVIg or pulsed methylprednisolone in CIDP. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2015;86: 729-734 5 Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.): Therapie akuter und chronischer immunvermittelter Neuropathien und Neuritiden, Entwicklungsstufe S2e, AWMF-Registernummer 030/130, 6 Rabin M et al. Chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy: search for factors associated with treatment dependence or successful withdrawal. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2014; 85:901-906 7 Latov N, Deng C, Dalakas MC et al. Timing and course of clinical response to intravenous immunoglobulin in chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy. Arch Neurol 2010;67:802-807 8 Léger JM, De Bleecker JL, Sommer C et al. Efficacy and safety of Privigen® in patients with chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy: results of a prospective, single-arm, open-label Phase III study (the PRIMA study). J Peripher Nerv Syst 2013;18:130-140 9 Gemeinsamer Bundesausschuss. Arzneimittel-Richtlinie/Anlage VI: Off-LabelUse Intravenöse Immunglobuline (IVIG) bei Polymyositis und bei Dermatomyositis. www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1701/ (abgerufen am 30.9.2015) 10 Gemeinsamer Bundesausschuss. Arzneimittel-Richtlinie/Anlage VI: Intravenöse Immunglobuline (IVIG) bei Myasthenia gravis. www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1954/ (abgerufen am 30.9.2015)

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

E

ine sekundäre Eisenüberladung ist eine potenziell lebensbedrohliche Folge wiederholter Bluttransfusionen bei Patienten mit Anämie. Besonders häufig betroffen sind Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS) [1]. Bereits die Gabe von ≥20 Erythrozytenkonzentrat (EK)Einheiten oder der Anstieg des Serumferritin-Wertes auf ≥ 1000 ng/ml sind deutliche Anzeichen für eine Eisenüberladung. Mit jeder Transfusion werden pro 2 EKs etwa 500 mg Eisen zugeführt. Das nicht an das Transportprotein Ferritin gebundene, überschüssige Eisen kann der Körper nicht aktiv eliminieren, sodass es durch Bildung von Sauerstoffradikalen Schäden an Organen wie Herz, Leber sowie Gehirn hervorrufen kann [2, 3]. Eisenüberladungen sind ein wichtiger Grund für die reduzierte Lebenserwartung transfusionsbedürftiger MDS-Patienten [4]. Daher ist ein effektives Therapiemanagement der Eisenüberladung bei diesen Patienten von großer Bedeutung. Eisenchelatoren als Therapie der Wahl

Der Einsatz von Chelatoren wie Deferasirox (Exjade®) zur Bindung des freien Plasmaeisens hat zu einer signifikanten Verlängerung des Überlebens bei transfusionsabhängigen MDS-Patienten geführt [5]. So weist diese Patientengruppe unter Chelationstherapie im Vergleich zu unchelierten Patienten nahezu eine Verdopplung der mittleren Überlebensdauer auf (uncheliert: 47,8 Monate, cheliert: 88 Monate) [6]. Wichtiger Marker zur Messung des Ansprechens ist der SerumferritinSpiegel. Bei einem Anstieg dieses

Myelodysplastisches Syndrom: Effektives Therapiemanagement bei Eisenüberladung Wertes über 1000 ng/ml steigt die Mortalität von transfusionsabhängigen MDS-Patienten mit jeder weiteren Erhöhung von 500 ng/ml um 30 % [7]. Aktuelle Daten bestätigen eine effektive SerumferritinSenkung durch eine DeferasiroxTherapie sowie eine Reduktion des Transfusionsbedarfs [8–10]. Therapieadhärenz als Schlüsselfaktor

Entscheidender Faktor für eine effektive Eisenchelation ist eine langfristige und möglichst unterbrechungsfreie Anwendung: Transfusionsbedürftige MDS-Patienten haben unter einer Therapie von über 6 Monaten im Vergleich zu Patienten mit einer kürzeren Behandlungsdauer ein verlängertes Überleben (100 Monate gegenüber 88 Monaten) [6]. Die Sicherung der Therapieadhärenz ist somit für eine erfolgreiche Behandlung der Eisenüberladung von zentraler Bedeutung. Deferasirox ist der einzige einmal täglich oral einzunehmende Eisenchelator, dessen einfache Anwendung einen wichtigen Aspekt zur Sicherung der Therapieadhärenz bedeutet. Hierzu trägt auch die Einführung der 3-Monats-Packung im Juni dieses Jahres bei, die es Patienten ermöglicht, auch während längerer Urlaubszeiten eine tägli-

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che Einnahme zu gewährleisten. Die Behandlung mit Exjade® ist in der Regel gut verträglich. Durch eine einschleichende Dosierung kann das Risiko für akute Nebenwirkungen gesenkt werden. Die Therapie sollte mit einer Startdosis von 500 mg begonnen und diese nach Tolerierbarkeit wöchentlich um 500 mg bis zum Erreichen der Zieldosis erhöht werden [1]. Ein weiterer wichtiger Faktor ist ein aktives Management bezüglich der gastrointestinalen Verträglichkeit: Hier sind je nach Schweregrad unterstützende Medikation, Dosismodifikationen oder ein vorübergehendes Aussetzen der Therapie angezeigt. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Nolte F et al. Leuk Res 2015;39:10281033 2 Kohgo Y et al. Int J Hematol 2008;88:7-15 3 Gattermann N, Rachmilewitz EA. Ann Hematol 2011;90:1-10 4 Cazzola M, Malcovati L. N Engl J Med 2005;352:536-538 5 Rose C et al. Leuk Res 2010;34:852-853 6 Lyons RM et al. 56th Annual Meeting of the American Society of Hematology (ASH), San Francisco, USA, 6.–9. December 2014; Abstract 1350 7 de Swart L et al. Br J Haematol 2015; 170:372-383 8 Guariglia R et al. Leuk Res 2011;35: 566570 9 Angelucci E et al. Blood 2012;120: Abstract 425 10 Nolte F et al. 20th Congress of the European Hematology Association (EHA), Vienna, Austria, 11.–14. June 2015; Poster E1223 © VERLAG PERFUSION GMBH


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D

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

ie hepatischen Enzephalo­ pathie (HE) ist gekennzeichnet durch das Auftreten neuropsychiatrischer Symptome bei Patienten mit Lebererkrankungen, bei denen keine anderweitigen Hirnerkrankungen vorliegen. Eine der wichtigsten Ursachen für die Entwicklung einer HE ist ein Anstieg der Ammoniakkonzentration im Blut und Gehirn infolge einer gestörten Entgiftungsleistung der Leber. Das vorrangige Ziel der HE-Therapie besteht daher darin, den pathologisch erhöhten Ammoniakspiegel zu senken und somit die Symptomatik der HE signifikant zu reduzieren. Eine wichtige Säule im Therapiekonzept ist L-Ornithin-L-Aspartat (HepaMerz®), für das verlässliche Daten aus randomisierten doppelblinden Studien vorliegen [1].

Hepatische Enzephalopathie evidenzbasiert behandeln Fahrtauglichkeit auf minimale HE getestet werden sollte [2]. Bereits Patienten mit MHE und alltagsrelevanten Beeinträchtigungen sollten eine spezifische Therapie erhalten. Eine manifeste HE (Grad II–IV) ist immer behandlungsbedürftig [2].

Insert), was sich auch in einer Verbesserung der krankheitsspezifischen Lebensqualität widerspiegelt [1]. Der bewährte und gut verträgliche Wirkstoff stimuliert den Harnstoffzyklus in der Leber und aktiviert zugleich die Ammoniak­ entgiftung über die Glutaminsynthese in Leber, Gehirn und MusL-Ornithin-L-Aspartat – in allen kulatur. Im Gegensatz zur Gabe schwer resorbierbarer Antibiotika, HE-Stadien wirksam und gut die nur die Neuproduktion von verträglich Ammoniak aus dem Darm verrin® Hepa-Merz : L-Ornithin-L-Aspartat (Hepa- gern, greift L-Ornithin-L-Aspartat aufgrund seines duMerz®) senkt an undAktivität senkt so signiSignifikante Verbesserung der systemisch neuronalen Frühe Behandlung schützt vor alen Wirkprinzips die Hyperam- fikant den Blutammoniakspiegel monämie besonders effektiv (vgl. unabhängig vom Entstehungsort Progression

Verbesserung der kognitiven Funktionen 1

Mittlere MittlererZ-Score Z-Score

Verbesserung

Die HE wird je nach Ausprägung ## # PHES Abrufgeschwindigkeit CDRS Abrufgeschwindigkeit CDRS# PHES## in eine manifeste und eine minima*p< 0,004 des Gedächtnisses Gedächtnis des le Form eingeteilt. Während sich 0 die Diagnose bei der manifesten –0,2 HE (overt HE, OHE) leicht anhand –0,4 * des klinischen Bildes sowie durch * –0,6 * Ausschluss anderer neurologischer –0,8 und psychiatrischer Auffälligkei–1 ten stellen lässt, erfordert die Dia–1,2 gnose einer minimalen HE (MHE) –1,4 spezielle neuropsychologische –1,6 Untersuchungen, z.B. psychome–1,8 trische Tests. Eine rechtzeitige Diagnose einer MHE ist insofern –2 • n=22 mit Leberzirrhose und mHE Baseline wichtig, weil die betroffenen Pati(minimale hepatische Enzephalopathie) Nach 4 Wochen mit Hepa-Merz enten frühzeitig therapiert werden • 3 x 3 g Hepa-Merz p.o./d über 8 Wochen Cognitive Drug Research Score. Das CDR System dient der Beurteilung von bestimmten kognitiven Funktionen wie Aufmerksamkeit, müssen, um die Progression zu Arbeitsgedächnis und episodisches sekundäres Gedächtnis. Der CDRS ist voll automatisiert. ® Psychometrischer Hepatische Enzephalopathie Score. Der PHES senkt besteht aus einer Reihe von psychometrischen Einzeltests (Zahleneiner manifesten HE zu verhin- Abbildung 1: Durch seinen dualen Wirkansatz L-Ornithin-L-Aspartat (Hepa-Merz ) efverbindungstest A und B [„numberconnection test“, NCT], den Liniennachfahr- und den Zahlensymbol(-Test) und spezifisch für die fektiv den Blutammoniakspiegel und verbessert dadurch die kognitiven Funktionen [3]. Diagnose der mHE konzipiert. dern. Die aktuellen Leitlinien der # Cognitive Drug Research Score. Das CDR System dient der Beurteilung von bestimmten AASLD und EASL weisen darauf kognitiven Funktionen wie Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und episodisches sekundä­ res Gedächtnis. Der CDRS ist voll automatisiert. hin, dass bei eingeschränkter Le## Psychometrischer Hepatische-Enzephalopathie-Score. Der PHES 1besteht aus einer Reihe Aktivierung des posterioren Cingulum Areals bensqualität, einer Beeinträchtivon psychometrischen Einzeltests (Zahlenverbindungstest A und B, Liniennachfahr- und Zahlensymboltest) wurde spezifisch für die Diagnose der MHE ®konzipiert. gung der Arbeitsfähigkeit oderGehirnregionen, der die nach und 4 Wochen Behandlung mit Hepa-Merz aktiver waren ®

®

#

##

(funktionaler MRT):

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Relevante Region im Gehirn: Posteriores Cingulum –

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Wirkmechanismus von L-Ornithin-L-Aspartat L-Ornithin-L-Aspartat (Hepa-Merz®) wirkt über die Aminosäuren Ornithin und Aspartat auf 2 Schlüsselwege der Ammoniakentgiftung: die Harnstoffsynthese und die Glutaminsynthese [4]. Die Harnstoffsynthese erfolgt in den periportalen Hepatozyten. In diesen Zellen dient Ornithin sowohl als Aktivator der beiden Enzyme Ornithin-Carbamoyltransferase und Carbamoylphosphatsynthetase als auch als Substrat der Harnstoffsynthese. Die Glutaminsynthese ist in den perivenösen Hepatozyten lokalisiert. Insbesondere unter pathologischen Bedingungen werden Aspartat und andere Dicarboxylate, u.a. auch Stoffwechselprodukte des Ornithins, in die Zellen aufgenommen und dort zur Bindung von Ammoniak in Form von Glutamin verwendet. Glutamat dient sowohl physiologisch als auch pathophysiologisch als ammoniakHEPATI S CH E E N Z E P HA PAT HI E bindende Aminosäure. DieLOentstehende Aminosäure Glutamin stelltEffektive nicht nur eine untoxische Ausscheidungsform für AmmoniSenkung des Blutammoniakspiegels ak dar, sondern aktiviert ihrerseits auch den wichtigen Harnstoff­ durch einzigartigen, dualen Wirkansatz 1, 2 zyklus (interzellulärer Glutaminaustausch). Gehirn

Harnstoff Glutamin

Harnstoffzyklus

renale Ausscheidung

Glutaminsynthese

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sowie als Infusionslösungs-Konzentrat (bis zu 8 × 5 g/d i. v.) in zahlreichen randomisierten, kontrollierten Studien bei HE unterschiedlichen Schweregrads nachgewiesen und in einer Metaanalyse von 8 Studien mit insgesamt 646 Patienten bestätigt [1]. Die Ergebnisse belegen, dass die Behandlung mit L-Ornithin-L-Aspartat zu einer signifikanten Verbesserung der HE-Symptomatik im Vergleich zu Placebo führt [1]. Ergebnisse einer MRT-gestützten Untersuchung bei Patienten mit MHE weisen zudem darauf hin, dass L-Ornithin-L-Aspartat-Granulat die Aktivität des posterioren Cingulums positiv beeinflussen kann, einem Gehirnareal, das an der sprachlichen und räumlichvisuellen Verarbeitung beteiligt ist [3]. Dadurch kommt es zu einer signifikanten Verbesserung der HEbedingten kognitiven Funktionen (Abb. 1) [3]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur

Hepa-Merz®

1.

Hepa-Merz®

2.

Ammoniak (NH4)* (Laktulose, Antibiotika) Darm

Muskel

Niere

* Ammoniak liegt unter physiologischen Bedingungen in Form von * Ammoniak liegt unter physioloAmmoniumionen gischen Bedingungen in Form von Ammoniumionen NH vor. NH4+ vor. + 4

1. 2.

Aktivierung des Harnstoffzyklus durch Bereitstellung der Substrate Ornithin und Aspartat. Förderung der Glutamatbildung und dadurch Stimulation der Ammoniakentgiftung über die Glutaminsynthese in Leber, Gehirn und Muskulatur.

Senkung pathologisch erhöhter Blutammoniakspiegel. Dualer Wirkansatz

1

des Ammoniaks. Einwirksam gesteigerter Nachgewiesen Effekt wäre theoretisch aufgrund Erstattungsfähig der Kombination zweier unterschiedlicher Wirkprinzipien in der kombinierten Gabe zu sehen, 2

3

81382_Abgabekarte_Wirkmechanismus_Update_RZ.indd 1

wozu aktuell noch keine publizierten Studiendaten vorliegen [1]. Die Wirksamkeit von L-OrnithinL-Aspartat wurde sowohl bei oraler Gabe als Granulat (3 × 6 g/d)

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30.07.14 14:55

1 Bai M, Yang Z, Qi X et al. L-ornithine-Laspartate for hepatic encephalopathy in patients with cirrhosis: a meta-analysis of randomized controlled trials. J Gastroenterol Hepatol 2013;28:783-792 2 American Association for the Study of Liver Diseases, European Association for the Study of the Liver. Hepatic encephalopathy in chronic liver disease: 2014 practice guideline by the European Association for the Study of the Liver and the American Association for the Study of Liver Diseases. J Hepatol 2014;61:642-659 3 McPhail MJ, Leech R, Grover VP et al. Modulation of neural activation following treatment of hepatic encephalopathy. Neurology 2013;80:1041-1047 4 Fachinformation Hepa-Merz® Granulat 6000, Stand 3-2015

Quelle: Satellitensymposium „Wie würden Sie entscheiden? Falldiskussionen zur hepatischen Enzephalopathie“ von Merz Pharmaceuticals GmbH beim Kongress Viszeralmedizin 2015 im Rahmen der 70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) am 17. September 2015 in Leipzig. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

S

eit 1980 hat sich die Adipositasrate weltweit verdoppelt [1]. Mit der gestiegenen Prävalenz stellen die damit assoziierten Komorbiditäten wie Typ2-Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen das Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen. Mit Gesundheitskosten von rund 20 Milliarden Euro pro Jahr allein in Deutschland übersteigen die Ausgaben für Adipositas die direkten Kosten von Alkohol- (ca. 10 Mrd. Euro p.a.) und Tabakabusus (ca. 8 Mrd. Euro p.a.) deutlich [2]. Darüber hinaus sind viele Betroffene auf Unterstützung angewiesen: Nur wenige Personen, die an einem Programm zur Gewichtsreduktion teilgenommen haben, schaffen anschließend eine weitere Gewichtsreduktion aus eigener Motivation [3]. Liraglutid (Saxenda®), ein Analogon zum natürlich vorkommenden menschlichen Darmhormon GLP-1, das u.a. den Appetit reguliert, kann bei Adipositas zu einem signifikanten Gewichtsverlust führen, woraus sich weitere gesundheitliche Verbesserungen für die Betroffenen ergeben können. Das belegen aktuelle Daten der Studie SCALE™ Obesity and Prediabetes, in die insgesamt 3731 Personen mit einem BMI ≥27 bis <30 kg/m2 und mindestens einer gewichtsbedingten Folgeerkrankung oder mit einem BMI ≥30 kg/ m2 eingeschlossen wurden [4].

Adipositas: Gewichtsverlust und Verbesserung des Gesundheitszustands durch Liraglutid Pre-Diabetes nach 56 Wochen einen durchschnittlichen Gewichtsverlust von 8 % (8,4±7,3 kg) [5]. Mitglieder der Placebogruppe (nur verminderte Kalorienzufuhr und verstärkte körperliche Aktivität) verloren hingegen im Durchschnitt nur etwa 2,6 % (2,8±6,5 kg) ihres Körpergewichts. Alle Teilnehmer, die ≥5 % ihres Körpergewichts verloren hatten, wurden als Responder eingestuft. Eine Reduktion um diesen Wert konnten 63,2% der Teilnehmer, die Liraglutid 3 mg als Ergänzung verabreicht bekamen, erzielen [4]. In der Placebogruppe erreichten dies nur 27,1 % (Abb. 1). Die Gewichtsreduktion lag im Liraglutid-Studienarm bei den Respondern gegenüber den Non-Respondern bei 11,7 % vs. 1,7 % [4]. Außerdem wirkte sich Liraglutid positiv auf den Blutzuckerspiegel

aus: Nach 56 Wochen wurde bei 69,2 % der mit Liraglutid behandelten Personen ein Rückgang des Prädiabetes festgestellt, in der Placebogruppe war das nur bei 32,7 % der Fall [4]. Fazit für die Praxis

Mit Liraglutid lässt sich nicht nur eine klinisch relevante Gewichtsreduktion erreichen, auch die schwerwiegenden Folgen von Übergewicht und Adipositas können sich dadurch verringern. Zudem kann Liraglutid Menschen mit Adipositas und Übergewicht dabei unterstützen, ihr erreichtes Gewicht zu halten. So verzeichneten die Teilnehmer der Studie SCALE™ Maintenance (n=422), die mit Liraglutid 3 mg behandelt

Signifikante Gewichtsabnahme und gesundheitlicher Nutzen

Unter der Therapie mit Liraglutid 3 mg in Kombination mit einer verminderten Kalorienzufuhr und verstärkter körperlicher Aktivität erzielten die Teilnehmer der Studie SCALE™ – Obesity and

Abbildung 1: Anteil der Personen mit Gewichtsverlust (0–56 Wochen) in der Studie SCALE™ – Adipositas und Prädiabetes [4].

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Liraglutid Liraglutid (Saxenda®) ist ein einmal täglich zu verabreichendes Analogon zum natürlich vorkommenden menschlichen Darmhormon Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1), das an der Regulierung des Appetits beteiligt ist. Liraglutid ist zu 97 % homolog zur Aminosäurensequenz von humanem GLP-1. Wie das menschliche GLP-1 reguliert Liraglutid den Appetit und verringert die Nahrungsaufnahme. Das Hungergefühl wird reduziert und das Völle- sowie Sättigungsgefühl werden gesteigert. Saxenda® erhielt am 23. März 2015 durch die Europäische Kommission die Arzneimittelzulassung für Europa. In der EU wird das Medikament als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität zur Gewichtsregulierung bei erwachsenen Patienten mit einem Ausgangs-BMI von ≥30 kg/m2 (Adipositas) oder mit einem BMI ≥27 kg/m2 bis < 30 kg/m2 (Übergewicht) angewendet, bei denen mindestens eine gewichtsbedingte Begleiterkrankung wie z.B. Fehlregulation der glykämischen Kontrolle (Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes), Hypertonie, Dyslipidämie oder ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom vorliegt [7].

wurden und durch Einhaltung einer kalorienarmen Diät mit 1.200– 1.400 Kilokalorien pro Tag und vermehrter körperlicher Aktivität über 12 Wochen mindestens 5 % ihres Körpergewichts verloren hatten, nach 56 Wochen einen weiteren Gewichtsverlust von 6,2% [6]. Über 80 % der Teilnehmer hatten ihren Gewichtsverlust von mindestens 5 % nach 56 Wochen gehalten gegenüber 48,9 % unter Placebo. 50,5 % der mit Liraglutid Behandelten nahmen während dieser Zeit sogar mindestens weitere 5 % ihres Körpergewichts ab [6]. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 World Health Organization (WHO). Factsheet Nr. 311. Online verfügbar unter: www.who.int/mediacentre/factsheets/ fs311/en/ (zuletzt abgerufen am 29.09.15)

2 Effertz T, Linder R, Verheyen F. Kosten von Adipositas in Deutschland. Poster auf der 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGepi), Universität Leipzig 2013 3 Bischoff SC, Damms-Machado A, Betz C et al. Multicenter evaluation of an interdisciplinary 52-week weight loss program for obesity with regard to body weight, comorbidities and quality of life – a prospective study. Int J Obes (Lond) 2012;36:614624 4 O’Neil P, Fujioka K, Violante Ortiz R et al. Efficacy and safety of liraglutide 3.0 mg in adult overweight and obese weight loss responders without diabetes: results of the randomised, double-blind, placebo-controlled 56-week SCALE Obesity and Prediabetes trial. 31. Jahrestagung der Deutschen Adipositas Gesellschaft 2015, Berlin 5 Pi-Sunyer X, Astrup A, Fujioka K et al. A randomized, controlled trial of 3.0 mg of liraglutide in weight management. N Engl J Med 2015;371:11-22 6 Wadden TA, Hollander P, Klein S et al. Weight maintenance and additional weight loss with liraglutide after low-calorie-dietinduced weight loss: the SCALE Maintenance randomized study. Int J Obes (Lond) 2013;37:1443-1451 7 EMA. Saxenda® (liraglutide 3 mg) – Summary of product characteristics. Online verfügbar unter: www.ema.europa.eu/docs/ en_GB/document_library/EPAR_Product_ Information/human/003780/ WC500185786.pdf (zuletzt abgerufen am 30.09.2015)

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Bestnote für Ebenol® von ÖKOTEST Keine bedenklichen Hilfsstoffe und eine umfassend informative Patienteninformation in der Packungsbeilage – aus diesen Gründen hat die Verbraucherschutzorganisation ÖKOTEST die Hydrocortisonsalbe Ebenol® 0,25 % mit dem Prädikat „sehr gut“ ausgezeichnet. Insgesamt hatte ÖKOTEST 11 rezeptfreie Hydrocortison-Präparate unter die Lupe genommen. Hydrocortison wird in niedriger Dosierung häufig in der Selbstmedikation gegen nicht bakterielle Hautentzündungen eingesetzt, z.B. bei Hautallergien, Kontakt­ ekzemen, Sonnenbrand und Neurodermitis. Der Wirkstoff lindert effektiv die Entzündungssymptome, stoppt den Juckreiz, besänftigt die gereizte Haut und fördert den Heilungsprozess. Die Anwendung ist aber nicht ganz ohne Risiko. So darf Hydrocortison nicht ohne ausdrückliche ärztliche Empfehlung bei Kindern unter 6 Jahren angewendet werden, und bei übermäßig langer Anwendung kann es zu Hautatrophien kommen. In schonender Dosierung ist Hydrocortison z.B. bei der Ebenol® Creme in 2 Wirkstärken (0,25 % und 0,5 %) verfügbar. Im Gegensatz zu anderen Herstellern von Hydrocortison-Präparaten klärt die Firma Strathmann, die Ebenol® herstellt und vertreibt, in ihrer Packungsbeilage über die Risiken sowie Kontraindikationen umfassend auf und verzichtet auf gefährliche Hilfsstoffe wie z.B. PEG (Polyethylenglykole) – ein Emulgator, der im Verdacht steht, Krebs zu erregen. B. S. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Prostatakarzinom: Mit Radium-223 Knochenmetastasen gezielt bekämpfen

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as Prostatakarzinom hat mittlerweile nicht nur für Urologen und Onkologen, sondern auch für Nuklearmediziner an Bedeutung gewonnen. Grund dafür ist neben der Zunahme an Krankheitsfällen auch die Radionuklidtherapie mit Radium-223-dichlorid (Xofigo®), die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Urologen und Nuklearmedizinern zum Wohle des Patienten erfordert. Mit Xofigo® besteht erstmals die Möglichkeit, symptomatische Knochenmetastasen von Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) ohne bekannte viszerale Metastasen zu behandeln und das Überleben der Patienten bei gleichzeitiger guter Verträglichkeit nachweislich zu verlängern. Starker und gezielter zytotoxischer Effekt

Xofigo® wird als Injektion verabreicht, die etwa eine Minute dauert. Das injizierte Radium-223 wird wie Kalzium in das mineralische Hydroxylapatit-Gitter der neugebildeten Knochensubstanz innerhalb der Knochenmetastasen und deren Randzonen eingebaut [1]. Durch die freigesetzte α-Partikelstrahlung kommt es überwiegend zu Doppelstrangbrüchen in der Tumor-DNA, was eine selektive Abtötung von Tu-

morzellen zur Folge hat. Die kurze Reichweite der emittierten α-Partikel (< 100 µm bzw. 2–10 Zelldurchmesser) und der hohe lineare Energietransfer erklären die starke und hoch lokalisierte zytotoxische Wirkung von Radium-223 [1, 2]. Das Knochenmark bleibt dabei weitgehend verschont. Die Gesamtinzidenz an unerwünschten Ereignissen ist vergleichbar mit Placebo, wie die Ergebnisse der Zulassungsstudie ASYMPCA zeigen [3]. Überlebensvorteil durch knochengezielte Radionuklidtherapie

An der randomisierten, kontrollierten ASYMPCA-Studie nahmen 921 Patienten mit einem gesicherten, symptomatischen kastrationsresistenten Prostatakarzinom teil, die mindestens 2 Knochenmetastasen und keine bekannten Viszeralmetastasen hatten. Sie wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert zu 6 Injektionen von Xofigo® (50 kBq/ kg) in vierwöchigen Intervallen bzw. Placebo. Die Behandlung mit Xofigo® verlängerte das mediane Gesamtüberleben signifikant um 3,6 Monate im Vergleich zu Placebo (14,9 vs. 11,3 Monate; Hazard Ratio [HR] = 0,70; p<0,001) [3]. Von einem längeren Gesamtüberleben profitierten sowohl therapienaive als auch

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mit Docetaxel vorbehandelte Patienten sowie Studienteilnehmer, die gleichzeitig Bisphosphonate erhielten [3]. Die mediane Zeit bis zum ersten symptomatischen skelettbezogenen Ereignis (SSE) lag in der Xofigo®-Gruppe bei 15,6 Monaten gegenüber 9,8 Monaten in der Placebogruppe (HR=0,66; p<0,001) [3]. Auch die mediane Zeit bis zu einer externen Strahlentherapie (HR=0,67; p=0,0012) und bis zum erstmaligen Gebrauch von Opioidanalgetika (HR=0,62; p=0,0023) wurde in der Xofigo®Gruppe signifikant verlängert [4]. Das günstige Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil der Radionuklidtherapie spiegelte sich auch in einem Erhalt der Lebensqualität gegenüber Placebo wider [4]. Die Häufigkeit schwerer unerwünschter Wirkungen war in beiden Studienarmen vergleichbar [3]. Günstiges Langzeitsicherheitsprofil

Aktuelle Daten der dreijährigen Nachbeobachtung der ALSYMPCA-Studie bestätigen das günstige Verträglichkeits- und Sicherheitsprofil von Radium-223-dichlorid. Im Langzeitverlauf ergaben sich keine neuen Sicherheitsbedenken [5]. Untermauert wird das positive Nutzen-Risiko-Profil der Substanz durch die Ergebnisse des US-amerikanischen „Expanded © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Access Program“ (US-EAP), einer Beobachtungsstudie bei 252 überwiegend stark vorbehandelten Patienten mit mCRPC und symptomatischen Knochenmetastasen [6, 7, 8]. Auch in diesem Patientenkollektiv traten keine im Vergleich zu den ALSYMPCA-Studiendaten neuen Sicherheitsaspekte auf [6]. 43 % der Patienten erfuhren unter der Therapie eine spürbare Schmerzreduktion, bei 19 % kam es zu keiner weiteren Zunahme der Schmerzen [7]. Eine gleichzeitige Gabe von Abirateron oder Enzalutamid hatte keinen Einfluss auf die Verträglichkeit und Sicherheit von Xofigo® [8]. Aktuelle Daten sprechen für Einsatz bei niedriger Metastasenlast

Die Ergebnisse des internationalen „Early Access Program“ [9] bestätigten die Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der Zulassungsstudie. Die Daten deuten zudem an, dass Patienten, die Radium-223 bereits bei geringer Metastasenlast erhielten, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hatten als diejenigen, bei denen das Medikament erst am Ende der Therapiekaskade eingesetzt wurde. Ebenso war das mediane Gesamtüberleben bei Patienten länger, wenn sie gleichzeitig zu Radium-223 ein weiteres Krebsmedikament erhielten, im Vergleich zu Patienten ohne parallele Therapie. Dies wird aktuell in größeren klinischen Studien weiter überprüft [10]. Fazit

Das Radionuklid Radium-223-dichlorid (Xofigo®) eröffnet ein neues Kapitel in der Therapiege-

schichte des Prostatakarzinoms. Zugelassen ist es für Erwachsene, die ein kastrationsresistentes Prostatakarzinom und symptomatische Knochenmetastasen aufweisen – ohne bekannte Viszeralmetastasen. Durch das Radium-223-dichlorid können metastasenbedingte Knochenschmerzen gemildert werden und es kommt seltener zu Brüchen oder Quetschungen des Rückenmarks. Somit sind die Patienten in der Lage, ihren Alltag und ihre Freizeit weiterhin selbstbestimmt zu gestalten. Eine Behandlung mit dem Radionuklid kann es beispielsweise ermöglichen, trotz der fortgeschrittenen Krebserkrankung nach Rücksprache mit dem Arzt Sport zu treiben oder Reisen zu unternehmen. Ein weiterer Pluspunkt ist die vergleichsweise gute Verträglichkeit des Medikaments. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Bruland ØS et al. Clin Cancer Res 2006; 12(20 Pt 2):6250s-6257s 2 Henriksen G et al. Cancer Res 2002;62: 3120-2125 3 Parker C et al. N Engl J Med 2013;369: 213-223 4 Nilsson et al. ASCO 2013 #5038 5 Parker ASCO GU 2015; Abstract No 195; Board Poster #J5 6 Vogelzang NJ et al. ASCO GU 2015; Abstract No 1247; Board Poster #C16 7 Morris ASCO GU 2015; Abstract No 160; Board Poster #G22 8 Sartor ASCO GU 2015; Abstract No 253; Board Poster #c22 9 Saad F et al. ASCO 1015; Abstract No 5034; Poster Board # 26 10 Smith MR et al. J Clin Oncol 2015;33 (Suppl): Abstr TPS5082

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Prucaloprid auch für Männer zugelassen Das Prokinetikum Prucaloprid (Resolor®) ist nun auch für Männer mit chronischer Obstipation zugelassen, bei denen zuvor durch eine Änderung des Lebensstils und die Anwendung von Laxanzien kein Therapieerfolg erzielt werden konnte. Frauen profitieren bereits seit Längerem von dem 5-HT4Rezeptoragonisten. Jetzt konnte eine weitere Zulassungsstudie den positiven Effekt von Prucaloprid auch bei obstipierten Männern belegen*. An der 12-wöchigen placebokontrollierten Studie nahmen insgesamt 374 Männer teil. Primärer Endpunkt war die Anzahl der Patienten, die im Therapiezeitraum mindestens 3 spontane, vollständige Stuhlentleerungen pro Woche aufwiesen. Unter der täglichen Einnahme von Prucaloprid waren dies signifikant mehr Patienten als in der Placebo-Gruppe (37,9 % vs. 17,7 %; p<0,0001). Als unerwünschte Wirkungen können vor allem am ersten Behandlungstag Kopfschmerzen, Übelkeit und Durchfall auftreten. Danach ist die Verträglichkeit wie unter Placebo. F. S.

* Die neue Untersuchung war notwendig geworden, weil in den vorherigen Zulassungsstudien der Anteil der untersuchten Männer nur bei 12 % gelegen hatte. Daher hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zulassung zunächst nur für Frauen mit chronischer Obstipation ausgesprochen, bei denen Laxativa keine ausreichende Wirkung erzielen. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

D

er vorzeitige Samenerguss (Ejaculatio praecox) ist die häufigste sexuelle Funktionsstörung bei Männern unter 60 Jahren [1]. Trotz der hohen Prävalenz, stellt die Ejaculatio praecox weiterhin ein Tabu dar. Betroffene leiden in vielen Fällen stark unter der Funktionsstörung und verlieren das Vertrauen in die eigenen sexuellen Fähigkeiten. Ihre sexuelle Lebensqualität ist gering, was oftmals auch der Partnerschaft schadet, denn auch die Partnerin oder der Partner erfahren weniger Befriedigung beim Sex. Eine weitere Folge der Tabuisierung ist, dass die Betroffenen nur wenig über die Hintergründe des vorzeitigen Samenergusses wissen und ihnen auch nicht bekannt ist, dass sich diese Störung medikamentös behandeln lässt. Nach den Ergebnissen verschiedener Prävalenzstudien liegt die Häufigkeit des vorzeitigen Samenergusses bei ca. 20 %. Betrachtet man die weltweite Prävalenz der Ejaculatio praecox, sind keine Altersunterschiede erkennbar [1, 2]. Serotonin ist ein Schlüsselfaktor beim Ejakulationsreflex

Der Ejakulationsreflex des Mannes unterliegt einer neuronalen Steuerung sowohl durch spinale als auch durch zerebrale Strukturen. Ein wichtiger, an der Ejakulation beteiligter Neurotransmitter ist das Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT), das den Ejakulationsreflex verzögern kann [3]. Serotonin beeinflusst sowohl präsynaptische 5-HT1A-Rezeptoren, die ejakulationsstimulierend wirken, als auch postsynaptische 5-HT2C-Rezeptoren, die eine ejakulationshemmende Eigenschaft besitzen. Wissenschaftliche Daten zeigen, dass eine Fehlfunktion dieser Re-

Ejaculatio praecox – Ätiologie und Therapie einer tabuisierten Erkrankung zeptoren die Serotoninhomöostase stören kann. So scheint eine Hyposensitivität der 5-HT2C- und/oder Hypersensitivität der 5-HT1A-Rezeptoren den vorzeitigen Samenerguss zu induzieren [4]. Besonders der lebenslangen (primären) Form der Ejaculatio praecox, die bereits mit Beginn der sexuellen Aktivität auftritt, scheint dieser Mechanismus zugrunde zu liegen. Eine weitere Form des vorzeitigen Samenergusses, die erworbene (sekundäre) Ejaculatio praecox, tritt für gewöhnlich in Verbindung mit einer Begleiterkrankung auf. Dabei handelt es sich z.B. um eine erektile Dysfunktion. Sie veranlasst die Betroffenen möglicherweise dazu, früher als gewünscht zu ejakulieren, da die Erektion nur für kurze Zeit besteht. Auch andere Erkrankungen wie eine Schilddrüsenüberfunktion können eine sekundäre Ejaculatio praecox bedingen. Charakteristisch für diese Form ist, dass die Betroffenen in der ersten Periode ihres Sexuallebens für sich völlig normal ejakulieren, dann im Laufe der Zeit feststellen, dass sich die Zeit bis zum Samenerguss verkürzt hat [5]. Medikamentöse Therapie mit umfassender klinischer Datenlage

Die Ejaculatio praecox kann heute wirksam mit einem Medi-

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kament therapiert werden. Dapoxetin (Priligy®) ist der erste Wirkstoff, der zur Behandlung des vorzeitigen Samenergusses entwickelt und zugelassen wurde. Dabei handelt es sich um einen kurzwirksamen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Re-uptake Inhibitor, SSRI). Folglich erhöht er die Wirkung des Neurotransmitters auf die prä- und postsynaptischen Rezeptoren. Man vermutet, dass Dapoxetin auf Basis dieses Mechanismus beim vorzeitigen Samenerguss wirkt. Im Vergleich zu gängigen langwirksamen SSRI zeigt Dapoxetin ein für die Behandlung der Ejaculatio praecox deutlich günstigeres pharmakokinetisches Profil. Der Wirkstoff wird rasch vom Körper absorbiert und eliminiert. Die initiale Halbwertszeit beträgt etwa 90 Minuten (Abb. 1) und es kommt zu keiner Akkumulation von Dapoxetin im Körper. Durch die schnelle Resorption und Elimination eignet sich Dapoxetin als Bedarfsmedikation (max. 1 Tablette pro 24 Stunden). Für die Behandlung der Ejaculatio praecox mit Dapoxetin liegen umfangreiche klinische Daten vor: Der kurzwirksame SSRI hat in 5 Phase-III-Studien mit über 6000 Teilnehmern seine Wirksamkeit und Sicherheit unter Beweis gestellt [6–9]. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Abbildung 1: Plasmaspiegel von Dapoxetin (Priligy®) im Vergleich zu dem herkömmlicher SSRI. Dapoxetin erreicht deutlich schneller die maximalen Plasmakonzentrationen und wird rascher eliminiert [10].

Abbildung 2: Einfluss der DapoxetinTherapie auf die intravaginale Ejakulationslatenzzeit (IELT) [9].

Dapoxetin verlängert die Zeit bis zum Samenerguss signifikant

Alle Phase-III-Studien wurden randomisiert und placebokontrolliert durchgeführt. Eingeschlossen waren Männer im Alter von ≥18 Jahren, die unter primärer oder sekundärer Ejaculatio praecox litten und seit mindestens 6 Monaten in einer monogamen heterosexuellen

Partnerschaft lebten. Über einen Zeitraum von 9–24 Wochen erhielten die Studienteilnehmer im Verumarm entweder 30  mg oder 60 mg Dapoxetin bei Bedarf bzw. 60 mg täglich. Ein weiteres Einschlusskriterium für die PhaseIII-Studien war eine intravaginale Ejakulationslatenzzeit (IELT) ≤2 Minuten in 75 % der mindestens 4 letzten Geschlechtsakte zu Stu-

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dienbeginn. Eine Ejaculatio praecox wurde nach den Kriterien des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV-TR) bestimmt. Um die Therapiewirksamkeit von Dapoxetin zu ermitteln, wurde die IELT – die Zeit von der Penetration bis zum Samenerguss – von den Partnerinnen der Betroffenen mittels Stoppuhr erfasst. Die zusammenfassende Auswertung © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Gute/sehr gute Ejakulationskontrolle (%)

zu Studienbeginn zu Studienende

Hohe/sehr hohe Zufriedenheit mit dem Geschlechtsverkehr (%)

zu Studienbeginn zu Studienende

Deutlicher/extremer ejakulationsbedingter persönlicher Leidensdruck (%)

zu Studienbeginn zu Studienende

Deutliche/extreme ejakulationsbedingte zwischenmenschliche Schwierigkeiten (%)

zu Studienbeginn zu Studienende

Placebo

Dapoxetin 30 mg bei Bedarf

Dapoxetin 60 mg bei Bedarf

0,3

0,6

0,5

15,5

14,7

15,5

73,5

71,3

69,7

38,5

38,8

36,1

11,2

24,4

41,9

23,8

26,2*

37,9*

28,2*

16*

30,2*

42,8*

22,2*

12,3*

Tabelle 1: Ergebnisse der zusammenfassenden Analyse der 5 Phase-III-Studien zu Dapoxetin (Priligy®) nach einer 12-wöchigen Therapie [9]; * p<0,001.

der Phase-III-Studien mit Dapoxetin zeigt, dass die durchschnittliche IELT der Betroffenen zu Beginn der Studien bei 0,9 Minuten lag [9]. Bereits nach der ersten Einnahme von Dapoxetin verlängerte sich die mittlere IELT signifikant. Im weiteren Therapieverlauf erhöhte sich dieser Wert noch weiter und betrug nach 12 Wochen mehr als das Dreifache des Ausgangswertes (Abb. 2). Auch Betroffene, die unter einer schweren Form des vorzeitigen Samenergusses litten (IELT zu Studienbeginn ≤1 min bzw. ≤0,5 min), profitierten von Dapoxetin [9]. Höhere sexuelle Lebensqualität unter Dapoxetin

Im Rahmen der Phase-III-Studien zur Wirksamkeit von Dapoxetin beurteilten die Teilnehmer auch subjektiv empfundene Therapieeffekte (Patient Reported Outcomes, PRO) mithilfe des Premature Ejaculation Profile (PEP). Das PEP ist ein Fragebogen, der genutzt wird, um eine Ejaculatio praecox zu er-

fassen und das Therapieansprechen zu überwachen [11]. Es beinhaltet 4 Evaluationskriterien: die Ejakulationskontrolle, den ejakulationsbedingten persönlichen Leidensdruck, die ejakulationsbedingten zwischenmenschlichen Schwierigkeiten sowie die Zufriedenheit mit dem Geschlechtsverkehr. Unter Dapoxetin-Therapie verbesserten sich alle PEP-Kriterien im Vergleich zu Placebo (Tab. 1) [9]. Der Anteil der Studienteilnehmer, die ihre Ejakulationskontrolle anfangs als gut bis sehr gut beschrieben, betrug weniger als 1 %. Nach 12-wöchiger Dapoxetin-Gabe bei Bedarf erhöhte sich deren Anteil in Abhängigkeit der Dosis auf 26,2 % bzw. 30,2 % (30 mg bzw. 60 mg Dapoxetin bei Bedarf; p<0,001). Unter Placebo stieg der Anteil auf 11,2 %. Einen vergleichbaren Effekt erzielte Dapoxetin auch hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Geschlechtsverkehr. Der persönliche Leidensdruck und die partnerschaftlichen Schwierigkeiten, die mit dem vorzeitigen Samenerguss einhergehen können, verbesserten sich ebenfalls (Tab. 1).

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Die in den klinischen Phase-IIIStudien beobachteten Nebenwirkungen von Dapoxetin waren dosisabhängig. Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerz zählten zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen [9]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Laumann EO et al. J Am Med Ass 1999;10;281:537-544. Erratum in: J Am Med Ass 1999;281(13):1174 2 Porst H et al. Eur Urol 2007;51:816-823 3 Giuliano F, Clément P. Eur Urol 2006;50: 454-466 4 Waldinger MD. J Urol 2002;168:23592367 5 Waldinger MD. Drugs 2007;67:547-568 6 Pryor J et al. Lancet 2006;368:929-937 7 Kaufman J et al. BJU Int 2008;103:651658 8 Buvat J et al. Eur Urol 2009;55:957-967 9 McMahon C et al. J Sex Med 2010;7:256268 10 Andersson KE, Mulhall JP, Wyllie MG. BJU Int 2006;97:311-315 11 Althof SE et al. J Sex Med 2010;7:29472969 © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

C

ryopyrin-assoziierte periodische Syndrome (CAPS) und systemische juvenile idiopathische Arthritis (SJIA) sind seltene Erkrankungen, die bereits im Kindesalter auftreten. Sie müssen besonders umfassend behandelt werden, damit sie im späteren Leben sowohl körperlich als auch psychosozial zu möglichst geringen Einschränkungen führen. Allerdings machen die meist in Abständen auftretenden, eher unspezifischen Symptome die Diagnose für Ärzte schwierig. Typische Beschwerden bei beiden Erkrankungen sind hohes Fieber, starke Schmerzen und entzündete Gelenke. Ursächlich sind Entzündungsreaktionen, die durch das körpereigene Immunsystem ausgelöst werden. Daher bezeichnet man CAPS und SJIA als autoinflammatorische Erkrankungen. Die Schlüsselrolle spielt ein Überschuss des entzündungsfördernden Botenstoffs Interleukin-1β (IL-1β), der in einer amplifizierenden Entzündungskaskade die Symptome in verschiedenen Körpergeweben verursacht. Während bei CAPS ein Gendefekt im NLRP3-Gen die ständige Überproduktion von IL-1β bewirkt [1–3], ist der genaue Auslöser bei SJIA bisher unbekannt [4].

Autoinflammatorische Erkrankungen CAPS und SJIA: Interleukin-1β-Inhibition als Therapie der Wahl

dern reduziert den IL-1β-Spiegel im Körper auf das Niveau gesunder Personen [5]. So interferiert die Wirkung von Canakinumab nicht mit der normalen Funktion des Immunsystems. Der Antikörper bindet selektiv und lang anhaltend an IL-1β, das dadurch neutralisiert wird. Dieser Wirkmechanismus reduziert die Entzündungssymptome und ermöglicht einen lang anhaltenden klinischen Effekt. Canakinumab zeigt keine Kreuzaktivität mit IL1α oder IL-1Ra und hat eine besonders lange Halbwertszeit von 21–28 Tagen [5]. Einfaches Therapieschema

Canakinumab wirkt selektiv gegen den IL-1β-Überschuss

Die Überproduktion des Zytokins IL-1β – und damit die Hauptursache für die Symptomatik der beiden Erkrankungen – kann der vollständig humane, monoklonale Antikörper Canakinumab (Ilaris®) wirksam regulieren. Er blockiert das Zytokin IL-1β selektiv, schnell und anhaltend, eliminiert IL-1β dabei jedoch nicht komplett, son-

Canakinumab ist bei CAPS als subkutane Injektion bei Erwachsenen und Kindern ab 2 Jahren (Körpergewicht ≥7,5 kg) in der Erstlinientherapie zugelassen. Die Anwendung bei SJIA-Patienten erfolgt, wenn vorangegangene Therapien mit NSAR und systemischen Kortikosteroiden nur unzureichend angesprochen haben [5]. Bei CAPS und SJIA schließt Canakinumab damit eine Versorgungslücke.

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Durch die lange Halbwertszeit von 21–28 Tagen erleichtert Cana­ kinumab die Therapie für die Patienten enorm: Bei CAPS erfolgte die subkutane Injektion alle 8 Wochen, bei SJIA etwa monatlich [5]. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Hoffman HM et al. Mutation of a new gene encoding a putative pyrin-like protein causes familial cold inflammatory syndrome and Muckle-Wells syndrome. Nat Genet 2001;29:301-305 2 Aksentijevich I et al. De novo CIAS1 mutations, cytokine activation, and evidence for genetic heterogeneity in patients with neonatal-onset multisystem inflammatory disease (NOMID): a new member of the expanding family of pyrin-associated autoinflammatory diseases. Arthritis Rheum 2002;46:3340-3348 3 Feldman J et al. Chronic infantile neurological cutaneous and articular syndrome is caused by mutations in CIAS1, a gene highly expressed in polymorphnuclear cells and chondrocytes. Am J Hum Genet 2002;71:198-203 4 Hoffman HM et al. Mutation of a new gene encoding a putative pyrin-like protein causes familial cold inflammatory syndrome and Muckle-Wells syndrome. Nat Genet 2001;29:301-305 5 Fachinformation Ilaris®, Stand: Juni 2014 © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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M

agenkrebs verursacht im Frühstadium bei bis zu 80  % der Patienten nur wenige Symptome [1]. Aus diesem Grund wird der Tumor oft erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium diagnostiziert und die Therapieziele sind zumeist palliativ. Erreicht werden soll insbesondere eine Verlängerung der Überlebenszeit bei Erhalt einer möglichst guten Lebensqualität. Mit Ramucirumab (Cyramza®) steht für Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs nach vorangegangener Chemotherapie eine neue Behandlungsoption zur Verfügung [2], dabei kann Cyramza® sowohl als Monosubstanz als auch in Kombination mit Paclitaxel für die Zweitlinientherapie eingesetzt werden. Zugelassen wurde der VEGFR2-Antikörper (Vascular Endothelial Growth Factor Receptor-2) auf Basis der Daten aus den beiden internationalen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Phase-III-Studien REGARD und RAINBOW [3, 4], in denen Patienten unter der Behandlung mit dem Angiogenesehemmer eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens und des progressionsfreien Überlebens erreicht hatten. Zulassungsstudie REGARD: Ramucirumab & BSC versus Placebo & BSC

In REGARD wurde untersucht, ob Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs von einer Monotherapie mit Ramucirumab plus bestmöglicher supportiver Therapie (best supportive care, BSC) in der Zweitlinie

Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen MagenAdenokarzinoms mit Ramucirumab profitieren können [3]. Einschlusskriterium für die Aufnahme in die Studie war das Versagen einer Platin- oder Fluoropyrimidin-haltigen Kombinationstherapie in der Erstlinie. Die Studienteilnehmer erhielten im Verhältnis 2:1 randomisiert entweder Ramucirumab (8 mg/kg Körpergewicht i.v., alle 2 Wochen; n=238) oder Placebo (n=117), jeweils plus BSC. Unter der Behandlung mit Ramucirumab plus BSC verlängerte sich die Dauer des Gesamtüberlebens (OS) im Vergleich zum Kontroll­ arm signifikant (5,2 versus 3,8 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,776; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,603–0,998; p=0,0473). Darüber hinaus war das mediane progressionsfreie Überleben (progression free survival, PFS) hochsignifikant verlängert (2,1 versus 1,3 Monate; 95 %-KI 0,376–0,620). Dies entspricht einer Risikoreduktion von 52 % unter der Behandlung mit Ramucirumab (HR 0,483; p<0,0001). Zulassungsstudie RAINBOW: Ramucirumab & Paclitaxel versus Placebo & Paclitaxel

In die RAINBOW-Studie wurden 665 Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs eingeschlossen, deren Erkrankung innerhalb von 4 Monaten nach

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oder im Verlauf einer Erstlinientherapie (Platinverbindung plus Fluoropyrimidin mit oder ohne Anthrazyklin) fortgeschritten war [4]. Die Studienteilnehmer erhielten randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder alle 4 Wochen eine Therapie mit Ramucirumab (8 mg/kg Körpergewicht i.v. an den Tagen 1 und 15) plus Paclitaxel (80 mg/ m2 i.v. an den Tagen 1, 8 und 15; n=330) oder wurden mit Paclitaxel in der genannten Dosierung plus Placebo behandelt (n=335). Unter Ramucirumab/Paclitaxel wurde im Vergleich zu Placebo/ Paclitaxel eine signifikante Verlängerung des OS (9,6 versus 7,4 Monate; HR 0,807; 95%-KI 0,678– 0,962; p=0,017) erzielt. Ebenfalls signifikant verlängert war das PFS unter der Kombinationstherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe (4,4 versus 2,9 Monate; HR 0,635; 95%-Konfidenzintervall 0,536– 0,752; p<0,0001). Vorteile des Therapieregimes mit Ramucirumab

Die Behandlung mit Ramucirumab erwies sich in beiden Zulassungsstudien als vergleichsweise gut verträglich. Dies spielt im palliativen Setting, in dem die Lebensqualität der Patienten im Mittelpunkt steht, eine zentrale Rolle. Unerwünschte Ereignisse kamen in der © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Ramucirumab Ramucirumab (Cyramza®) ist ein humaner, monoklonaler Immunglobulin (Ig)G1-Antikörper, der sich spezifisch gegen die extrazelluläre Domäne des VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor)Rezeptors 2 richtet und damit die Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese) hemmt [6, 7]. VEGFs sind Signalmoleküle, die sowohl für die Vaskulogenese aus endothelialen Vorläuferzellen in der Embryogenese als auch für die Angiogenese eine wichtige Rolle spielen. In verschiedenen Tumoren werden erhöhte VEGF-Spiegel beobachtet. Sie sind mit einer schlechteren Prognose und einer Chemotherapieresistenz vergesellschaftet [7]. Die VEGF-Proteine bewirken eine zelluläre Antwort, indem sie in einem bestimmten Muster an die 3 Rezeptortyrosinkinasen VEGFR-1, -2 und -3 sowie an weitere Ko-Rezeptoren wie die Neuropiline und Heparansulfat-Proteoglykane binden [6]. Zurzeit sind 7 Mitglieder der VEGF-Familie bekannt: VEGF-A, -B, -C, -D und -E sowie PlGF (plazentarer Wachstumsfaktor)-1 und -2. Für die Tumorangiogenese sind insbesondere die VEGF-Rezeptoren 1 und 2 relevant, der VEGF-Rezeptor 2 gilt als wichtigster Mediator [7]. Durch seine Stimulierung werden darüber hinaus weitere Faktoren gefördert, die das Tumorwachstum und die Metastasierung begünstigen [6]. Die Versorgung des Tumors soll durch die Hemmung der VEGF-Achse mit antiangiogenen Wirkstoffen wie Ramucirumab unterbunden und damit eine Rückbildung erreicht werden.

REGARD-Studie in beiden Behandlungsgruppen insgesamt ähnlich häufig vor (94 % versus 88 %), die Hypertonierate unter Ramucirumab war allerdings höher als unter Placebo (16 % versus 8 %). In der RAINBOW-Studie traten unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 und 4 im RamucirumabArm häufiger auf als unter Placebo, darunter Neutropenie (41 % versus 19 %) und Leukopenie (17 % versus 7 %). Allerdings kamen febrile Neutropenien vom Grad ≥3 in beiden Behandlungsarmen trotz der höheren Neutropenierate im Ramucirumab-Arm nahezu gleich häufig vor (3 % versus 2 %).

Die Lebensqualität der Patienten wurde in der RAINBOW-Studie alle 6 Wochen mithilfe standardisierter Fragebögen erfasst und erwies sich in beiden Studienarmen als vergleichbar [5], Fazit für die Praxis

Die Ergebnisse der beiden PhaseIII-Studien REGARD und RAINBOW bestätigen den VEGFR-2Signalweg als wichtiges therapeutisches Angriffsziel bei Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs.

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Ramucirumab hat sich sowohl in Monotherapie als auch in Kombination mit Paclitaxel als wirksam und zugleich vergleichsweise gut verträglich erwiesen, was den Angiogenesehemmer zu einer wichtigen neuen Behandlungsoption macht. Ramucirumab könnte zum neuen Standard der Zweitlinientherapie werden – entweder in der Kombination mit Paclitaxel oder als Monotherapie für Patienten, für die eine Kombinationstherapie mit Paclitaxel nicht geeignet ist. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Moehler M, Al-Batran SE, Andus T et al. S3-Leitlinie „Magenkarzinom”. Z Gastroenterol 2011;49:461-531 2 Fachinformation Cyramza®, Stand: Dezember 2014 3 Fuchs CS Tomasek J, Yong CJ et al. REGARD Trial Investigators. Ramucirumab monotherapy for previously treated advanced gastric or gastrooseophageal junction adenocarcinoma (REGARD); an interna­ tional, randomised, multicentre Placebo controlled, phase 3 trial. Lancet 2014;383: 31-39 4 Wilke H, Muro K, Van Cutsem E et al. Ramucirumab plus paclitaxel versus placebo plus paclitaxel in patients with previously treated advanced gastricor gastro-oesophageal junction adenocarcinoma (RAINBOW): a double-blind, randomised phase 3 trial. Lancet Oncol 2014;15:1224-1235 5 Al-Batran SE et al. J Clin Oncol 2014;32 (Suppl. 5): Abstract 4058 6 Olsson AK, Dimberg A, Kreuger J et al. VEGF receptor signalling – in control of vascular function. Nat Rev Mol Cell Biol 2006;7:359-371 7 Spratlin J. Ramucirumab (IMC-1121B): Monoclonal antibody inhibition of vascular endothelial growth factor receptor-2. Curr Oncol Rep 2011;13:97-102

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Febuxostat zur Prävention und Behandlung des Tumorlyse-Syndroms

F

ebuxostat (Adenuric® 120 mg) ist in der Europäischen Union seit April 2015 auch zur Prävention und Therapie des Tumorlyse-Syndroms (TLS) zugelassen. Die Indikationserweiterung umfasst die Vorbeugung und Behandlung einer Hyperurikämie bei erwachsenen Patienten mit hämatologischen Malignomen, die sich einer Chemotherapie mit einem mittleren bis hohen Risiko für ein TLS unterziehen. Der Xanthinoxidase-Hemmer ist bereits zugelassen zur Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erkrankungen, die schon zu Urat­ ablagerungen geführt haben, einschließlich eines aus der Krankengeschichte bekannten oder aktuell vorliegenden Gichtknotens und/ oder einer Gichtarthritis [1]. Basis der neuen Indikation war eine klinische Phase-III-Studie, die zeigte, dass Febuxostat 120 mg im Vergleich zu Allopurinol die Serumharnsäurewerte bei Patienten mit mittlerem oder hohem Risiko für ein TLS signifikant stärker senkte [2]. Rascher Zerfall von Krebszellen führt zu Uratnephropathie

Das Tumorlysesyndrom ist ein onkologischer Notfall, bei dem es durch den raschen Zerfall von Krebszellen zu akuten metabolischen Störungen kommt. Hiervon

betroffen sind meist Patienten mit großvolumigen, aggressiven hämatologischen Tumoren wie einer akuten lymphatischen oder myeloischen Leukämie, seltener auch solche mit soliden Krebsformen. Sprechen diese Tumoren gut auf eine Chemotherapie an, werden innerhalb kurzer Zeit große Mengen Kalium und Phosphat aus den zerstörten Zellen freigesetzt, was u.a. zu Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern und Krämpfen führen kann. Da das überschüssige Phosphat zudem Kalzium aus dem Serum bindet, lagert sich Kalziumphosphat in den Geweben ab, was z.B. die Nierenfunktion mindern kann. Zentraler pathologischer Faktor für die Schädigung der renalen Funktion ist jedoch die Freisetzung großer Mengen an Purinnukleinsäuren aus den Tumorzellen, die zu Harnsäure verstoffwechselt werden. Diese bildet bei zu hohen Serumwerten Kristalle, die durch Schädigung der Nierentubuli zur Uratnephropathie führen [3]. Eingeschränkte Nierenfunktion erhöht TLS-Risiko

Das Risiko für die Entstehung eines TLS ist neben der Biologie des Tumors in erster Linie abhängig von der Wirksamkeit der Behandlung sowie verschiedenen Begleit­ erkrankungen. Insbesondere Ein-

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schränkungen der Nierenfunktion vor oder während der Chemotherapie können die Gefahr erhöhen [3]. Daher ist die prophylaktische Reduktion der Harnsäurewerte eine wesentliche Maßnahme, um ein TLS zu verhindern [4]. Bisherige Optionen zur prophylaktischen Reduktion der Harnsäure beim TLS umfassten die Gabe von Allopurinol oder von Rasburicase [3], einer rekombinant hergestellten Uratoxidase, die die Umwandlung von Harnsäure in das gut lösliche Allantoin bewirkt [6]. Da sie die Harnsäurewerte stärker und schneller senkt als Allopurinol [3], ist Rasburicase eine weitere Alternative zur Prophylaxe und zur Therapie [6]. Der XanthinoxidaseHemmer Allopurinol unterbindet hingegen die Harnsäureproduktion und kann somit bestehende hohe Uratspiegel nicht so rasch reduzieren [3]. Allopurinol wird zur Prophylaxe bei mittlerem und hohem TLS-Risiko empfohlen [7]. Febuxostat 120 mg senkt Serumharnsäure signifikant stärker als Allopurinol

Mit Febuxostat 120 mg steht nun ein weiterer XanthinoxidaseHemmer für Patienten mit einem mittleren oder hohen TLS-Risiko zur Verfügung [1]. Basis der Zulassungserweiterung war eine multinationale doppelblinde Phase-III© VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Studie, in der Febuxostat 120 mg gegen Allopurinol bei intermediärem oder hohem TLS-Risiko geprüft wurde. Die 346 Patienten erhielten jeweils 2 Tage vor Beginn der Chemotherapie über insgesamt 7–9 Tage entweder 120 mg Febuxostat (fixe Dosis) oder Allopurinol (200, 300 oder 600 mg, je nach Vorgabe des behandelnden Arztes). Hierbei führte die Behandlung mit Febuxostat 120 mg im Vergleich zu Allopurinol zwischen den Behandlungstagen 1 und 8 zu einer signifikant stärkeren Reduktion der Serumharnsäurekonzentration um 28 % (514 vs. 708 mg × h/dl; p<0,0001). Hinsichtlich der Verträglichkeit waren Febuxostat und Allopurinol vergleichbar [2]. Ein weiterer Vorteil von Febuxostat ist, dass es in deutlich geringerem Maß über die Nieren ausgeschieden wird als Allopurinol, sodass es auch bei leichter bis mittlerer Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung eingesetzt werden kann [1]. Dies macht es insbesondere bei TLS-Risikopatienten mit bereits eingeschränkter renaler Funktion zu einer wichtigen Alternative. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Fachinformation Adenuric®, Stand: April 2015 2 Spina et al. J Clin Oncol 2014;32 (Suppl): abstr 9641) 3 Howard et al. N Engl J Med 2011; 364:1844-1854 4 Takai et al. Anticancer Res 2014;34:72872796 5 Hande et al. Am J Med 1984;76:47-56 6 Fachinformation Fasturec®, Stand: Dezember 2014 7 Wilson et al. Clin J Am Soc Nephrol 2012; 7:1730-1739

Teicoplanin – ein ReserveAntibiotikum gegen multiresistente Keime Eines der Schwerpunktthemen der letzten Monate waren die weltweit zunehmenden Antibiotika-Resistenzen. Schon heute sterben weltweit ca. 700.000 Menschen pro Jahr infolge einer Unempfindlichkeit von Bakterien gegenüber Antibiotika. Staphylococcus aureus ist das typische Beispiel eines weit verbreiteten Keimes, der rasch in der Lage ist, Resistenzen gegenüber Antibiotika, wie z.B. Penicillinen, zu entwickeln. Der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) findet sich heute in vielen Krankenhäusern, medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen. Pro Jahr treten allein in Deutschland rund 14.000 Krankenhausinfektionen mit MRSA auf. 1× täglich Teicoplanin ist ausreichend

Im Kampf gegen diese Resistenzen ist es wichtig, auf verschiedenartige Reserve-Antibiotika zurückgreifen zu können. Teicoplanin (Targocid®) gehört zur Gruppe der Glykopeptid-Antibiotika, die das Wachstum der bakteriellen Zellwand grampositiver Bakterien hemmen und so zum Absterben der gefährlichen Krankheitserreger führen. Selbst bei Bakterien, bei denen andere Reserve-Antibiotika nicht mehr helfen, wird der Wirkstoff vielfach mit Erfolg eingesetzt. Dadurch, dass die MRSA-Stämme in Deutschland noch empfindlich gegenüber Teicoplanin sind, ist der Wirkstoff eine erfolgreiche Waffe

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gegen MRSA und andere gram­ positive Keime. Teicoplanin kann als Injektion über 3–5 Minuten oder als Infusion über 30 Minuten verabreicht werden. Durch die lange Halbwertszeit von Teicoplanin muss der Wirkstoff nach der Initialphase auch bei schwersten Infektionen nur 1× täglich gegeben werden. Aufgrund der guten Verträglichkeit ist keine Überwachung der Spitzenspiegel nötig. Die Messung der Talspiegel dient der Sicherheit, das Antibiotikum in ausreichender Konzentration eingesetzt zu haben. Oral verabreicht ist Teicoplanin zudem wirksam bei der Behandlung bakterieller Entzündungen des Darms, hervorgerufen durch Clostridium difficile. Erfolgreiche Behandlung von MRSA-Infektionen

Bei vielen mitunter lebensbedrohlichen Infektionen – auch mit MRSA – wie Endokarditis, Osteomyelitis, Lungenentzündungen, Harnwegsinfekte und andere Erkrankungen ist Teicoplanin aufgrund seiner guten Wirksamkeit gegenüber diesem Erreger, seiner leichten Handhabung und geringen Nebenwirkungsrate eine gute Alternative. So konnte z.B. in einer retrospektiven Analyse mit 51 Patienten mit MRSA-Endokarditis gezeigt werden, dass sich die Mortalitätsraten von Teicoplanin und Vancomycin nicht unterschieden. 10 der mit Vancomycin behandelten Patienten wurden aufgrund von Nebenwirkungen auf Teicoplanin umgestellt. Gute Ergebnisse konnten auch bei der Behandlung der Osteomyelitis erzielt werden – in Studien wurden bis zu 90 % der Patienten mit Teicoplanin geheilt. E. W. © VERLAG PERFUSION GMBH


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it Teduglutid (Revestive®) steht seit September 2014 die erste medikamentöse Therapie für das Kurzdarmsyndrom (KDS) zur Verfügung. Es steigert die Darmzottenhöhe und die Kryptentiefe der Darmmukosa sowie deren Durchblutung und verbessert so die Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeiten [1]. Zurzeit werden in Deutschland ca. 40 Patienten mit Teduglutid behandelt – keine geringe, aber stetig wachsende Zahl bei dieser sehr seltenen und hochkomplexen Erkrankung. Wie die bisherigen Erfahrungen mit dem neuen Medikament aus der Praxis zeigen, kommt es unter der Therapie zu einer Reduktion der parenteralen Ernährung (PE) sowie zu einer kontinuierlichen Gewichtszunahme. Da die PE häufig mit schweren Komplikationen sowie mit psychosozialen Beeinträchtigungen einhergeht, ist Revestive® eine wichtige Therapie-

Teduglutid – die erste medikamentöse Therapieoption für das Kurzdarmsyndrom option, um die Lebensqualität der KDS-Patienten zu erhöhen. Herausforderung Kurzdarmsyndrom – selten, aber häufig kompliziert

Mit einer geschätzten Prävalenz von 10–34 Fällen pro einer Million Einwohner ist das KDS eine äußerst seltene Erkrankung [2]. Dünndarmresektionen, die zu einem KDS führen, müssen häufig

bei Morbus Crohn oder Mesenterialinfarkt durchgeführt werden. Auch wiederholte Resektionen bei Strahlenenteritis können zum KDS führen. Eine sehr kurze Restdarmlänge, die eine ausreichende enterale Ernährung nicht mehr zulässt, indiziert häufig eine lebenslange parenterale Ernährung [3]. Mit der Dauer der Behandlung steigt jedoch das Risiko von Demineralisierung und katheterassoziierten Komplikationen. So tritt eine Kathetersepsis mit 34-prozentiger

Abbildung 1: Ergebnis der beiden STEPS-Studien: Unter der Therapie mit dem GLP-2-Analogon Teduglutid ließ sich das Infusionsvolumen von durchschnittlich 12,4 Litern pro Woche um 4,4 Liter pro Woche nach 24 Wochen reduzieren. In der Verlängerungsstudie STEPS-II (Zeitraum 24 Monate) nahm das Infusionsvolumen durchschnittlich um weitere 2,9 Liter pro Woche ab [4]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5/2015 · 24. JAHRGANG

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL/WISSENSWERTES

Teduglutid

Wahrscheinlichkeit pro Jahr und Katheter auf. Weitere Komplikationen sind unter anderem ein Verschluss des zentralen Venenkatheters, eine zentrale Venenthrombose, Leberschäden oder eine Hypertriglyzeridämie [4]. Dazu leiden Patienten häufig an psychosozialen Problemen: Nächtliche Infusionen stören den Schlaf, Katheter und Portsysteme schränken die Mobilität ein. Die Lebensqualität wird durch die Angst vor Inkontinenz oder Diarrhö, besonders in der Öffentlichkeit, zusätzlich verschlechtert [5].

der Verlängerungsstudie STEPS-2 über 24 Monate ließ sich das Infusionsvolumen noch weiter reduzieren (Abb. 1); einige Patienten können mit Teduglutid sogar ganz auf die PE verzichten [3]. Vor diesem Hintergrund empfiehlt auch die aktuelle S3-Leitlinie der DGEM, dass Patienten mit infusionspflichtigem Darmversagen mit Teduglutid behandelt werden sollten [3]. Elisabeth Wilhelmi, München

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Teduglutid senkt den Bedarf an parenteraler Ernährung

Das gute Wirk- und Sicherheitsprofil von Teduglutid wurde in der STEPS-Studie nachgewiesen: 54 % der Patienten konnten im Beobachtungszeitraum von 24 Wochen die parenterale Ernährung mindestens um einen Tag pro Woche reduzieren. Das Infusionsvolumen sank gegenüber Placebo signifikant um 4,4 Liter pro Woche (Placebo: 2,3 Liter; p≤0,001) (Abb. 1). 63 % der Patienten konnten das Ernährungsvolumen um mehr als ein Fünftel senken [4]. In

TSCHAD © Sebastian Bolesch

Teduglutid (Revestive®), das seit September 2014 für die Indikation Kurzdarmsyndrom zugelassen ist, ist ein Analogon des natürlichen Glucagon-like Peptits-2 (GLP-2). Der Botenstoff GLP-2 vermittelt ein Signal, das die Magenentleerung verlangsamt, die intestinale und portale Durchblutung anregt und zu einer verbesserten Resorption führt. Revestive® steigert die Darmzottenhöhe und die Kryptentiefe der Darmmukosa und verbessert so die Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeiten. Dadurch reduziert sich der Bedarf an parenteraler Ernährung signifikant. 93 % der Patienten, die mit Revestive® behandelt wurden, zeigten ein klinisches Ansprechen [6]. Seit 1. September 2015 gilt der verhandelte Erstattungsbetrag gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG).

Literatur 1 NPS Pharma Holdings Ltd. Revestive® Summary of Product Characteristics, May 2014 2 Websky MW et al. Chirurg 2014;85:433439 3 Lamprecht G et al. Akt Ernährungsmed 2014;39:57-71 4 Jeppesen PB et al. Gastroenterol 2012;143: 1473-1481 5 Jeppesen PB et al. Gut 1999;44:844-852 6 Schwarz L et al. ACG 2013; Poster #171

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ie aplastische Anämie ist eine seltene, lebensbedrohliche Störung der Hämatopoese infolge einer Knochenmarkinsuffizienz. Der daraus resultierende Mangel an Erythrozyten, Granulozyten und Thrombozyten führt insbesondere zu einem erhöhten Risiko für Infektionen und Blutungen. Aktuelle Therapieoptionen beinhalten Knochenmarktransplantationen bei Patienten unter 50 Jahren sowie immunsuppressive Kombinationstherapien für ältere Betroffene [1]. Zur Vermeidung von Blutungen und zur Linderung der Anämie-assoziierten Symptome werden Transfusionen von Thrombozyten und/oder Erythrozytenkonzentraten verabreicht. Allerdings sind die therapeutischen Möglichkeiten limitiert. So spricht bis zu einem Drittel der Patienten nicht auf die immunsuppressive Behandlung an, und bis zu 40 % erleiden im Therapieverlauf ein Rezidiv [2]. Etwa 40 % der Patienten mit schwerer aplastischer Anämie, die auf eine initiale immunsuppressive Therapie nicht ansprechen, versterben innerhalb von 5 Jahren nach Diagnosestellung an Infektionen oder Blutungen [3]. Wiederholte Erythrozytentransfusionen können außerdem eine Eisenüberladung mit späterem möglichem Organversagen zur Folge haben [1]. Effektive Therapie mit dem Thrombopoetin-RezeptorAgonisten Eltrombopag

Eltrombopag (Revolade®) ist in der EU seit August 2015 für erwachsene Patienten mit erworbener schwerer aplastischer Anämie zugelassen, die entweder gegenüber einer vorangegangenen Therapie mit Immunsuppressiva refraktär

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Eltrombopag bietet neue Perspektiven für Patienten mit schwerer aplastischer Anämie

oder stark vorbehandelt und für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht geeignet sind [4]. Eltrombopag gehört zur Wirkstoffklasse der Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten. Thrombopoetin (TPO) reguliert durch Bindung an den TPO-Rezeptor (TPO-R) die Megakaryopoese und Thrombozytenproduktion [5]. Indem Eltrombopag mit der TransmembranDomäne des TPO-R interagiert, kann es die Proliferation und Differenzierung von Megakaryozyten aus Knochenmark-Vorläuferzellen stimulieren [6]. Hierbei binden Eltrombopag und TPO an unterschiedliche Stellen des TPO-R, wodurch sich synergistische Effekte einstellen können [7]. Relevant für die Zulassung von Revolade® bei schwerer aplastischer Anämie waren die Ergebnisse einer offenen, einarmigen monozentrischen Phase-II-Studie mit 43 Patienten, die auf mindestens eine vorausgegangene immunsuppressive Behandlung nicht ausreichend angesprochen hatten [8]. Primärer Endpunkt der Studie war das hämatologische Ansprechen anhand mindestens eines der folgenden Kriterien: • Anstieg der Thrombozytenzahl um 20.000/μl im Vergleich

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zum Ausgangswert oder stabile Thrombozytenzahl mit Transfusionsunabhängigkeit über mindestens 8 aufeinander folgenden Wochen bei Patienten, die zu Studienbeginn auf Thrombozytentransfusionen angewiesen waren. • Anstieg des Hämoglobinwerts um mindestens 1,5 g/dl bei Patienten mit einem Ausgangswert <9 /dl, oder − bei transfusionsbedürftigen Patienten − eine Reduktion um mindestens 4 Transfusionen über 8 konsekutive Wochen. • Bei Neutrophilenzahlen von weniger als 5.000/μl zu Studienbeginn ein mindestens 100%iger Anstieg der absoluten Neutrophilenzahl oder ein Anstieg der Neutrophilenzahl um mindestens 5.000/μl. Die Patienten erhielten Eltrombopag mit einer Startdosis von 50 mg, die alle 2 Wochen um 25 mg erhöht wurde, sofern sich keine Erhöhung der Thrombozytenzahlen um 20.000 Zellen/μl eingestellt hatte. Die Maximaldosis in der Studie betrug 150 mg. Unter Behandlung mit Eltrombopag erreichten 17 von 43 Patienten (40  %) ein hämatologisches Ansprechen, das mindestens eine Zelllinie umfasste. 4 dieser Patien© VERLAG PERFUSION GMBH


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ten sprachen in 2 Zelllinien an, ein Patient in 3 Zelllinien. Die mittlere Zeit bis zum Ansprechen betrug hierbei 12 Wochen. Von 15 Patienten, die zuvor auf Thrombozytentransfusionen angewiesen waren, wurden 9 transfusionsunabhängig. 9 Patienten wiesen nach einem medianen Zeitraum von 6 Monaten keine Kriterien einer SAA mehr auf. Abgesehen von reversiblen Trans­ aminasenveränderungen konnten in der Studie keine dosislimitierenden Toxizitäten beobachtet werden [8]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 DGHO Leitlinie Aplastische Anämie – Diagnostik und Therapie der erworbenen Aplastischen Anämie; Stand Mai 2012. Online verfügbar unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/aplastische-anaemie-diagnostik-und-therapieder-erworbenen-aplastischen-anaemie/@ @view/html/index.html. Letzter Zugriff am 05. Oktober 2015 2 Townsley DM, Desmond R, Dunbar CE et al. Pathophysiology and management of thrombocytopenia in bone marrow failure: possible clinical applications of TPO receptor agonists in aplastic anemia and myelodysplastic syndromes. Int J Hematology 2013;98:48-55 3 Valdez JM, Scheinberg P, Nunez O et al. Decreased infection-related mortality and improved survival in severe aplastic anemia in the past two decades. Clin Infect Dis 2011;52:726-735 4 Fachinformation Revolade®, Stand August 2015 5 Kuter DJ. The biology of thrombopoietin and thrombopoietin receptor agonists. Int J Hematol 2013;98:10-23 6 Garnock-Jones KP, Keam SJ. Eltrombopag. Drugs 2009;69:567-576 7 Erickson-Miller CL, Delorme E, Tian SS et al. Preclinical activity of eltrombopag (SB-497115), an oral, nonpeptide thrombopoietin receptor agonist. Stem Cells 2009;27:424-430 8 Desmond R, Townsley DM, Dumitriu B et al. Eltrombopag restores trillneage hematopoesis in refractory severe aplastic an­ emia that can be sustained on discontinu­ ation of drug. Blood 2014;123:1818-1825

Tianeptin überzeugt mit praxisrelevanten Vorteilen Depressionen sind komplexe Erkrankungen des Gehirns, die neuronale Systeme und ihre synaptischen Verbindungen beeinflussen. Eine alleinige Erklärung der Ätiopathogenese über eine Dysbalance der serotonergen und noradrenergen Neurotransmission scheint die vielfältigen Interaktionen der Erkrankung nicht ausreichend zu umfassen. Ein Hinweis darauf ist die Response-Rate auf klassische Antidepressiva, die nur etwa 70 % beträgt. Zudem legen neurobiologische Untersuchungen nahe, dass zusätzlich strukturelle und neuroplastische Beeinträchtigungen am Entstehungsprozess der Depression beteiligt sind. Mit Tianeptin (Tianeurax®) ist seit mehr als 2 Jahren ein Antidepressivum auf dem Markt, das diesen neuroplastischen Wirkansatz besonders deutlich aufgreift. Es wirkt nicht als Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), sondern greift modulierend in das glutamaterge System ein, das auch die Neurogenese beeinflusst und damit in viele Prozesse der Depression involviert ist. Beeinflussung der Neuroplastizität

Effekte auf die Neuroplastizität gelten als gemeinsamer finaler Wirkungsmechanismus aller Antidepressiva. Dabei beeinflusst die Art und Weise, wie bzw. mit welchem primären Wirkmechanismus Antidepressiva zur Neuroplastizitätsveränderung führen, das Spektrum der Nebenwirkungen und

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das individuelle Ansprechen der Patienten auf die medikamentöse Therapie. Tianeptin führt zu adaptiven Veränderungen der serotonergen Synapse, nicht aber zu einer Erhöhung der synaptischen Serotoninkonzentration und hat daher im Vergleich zu SSRI ein sehr günstiges Nebenwirkungsprofil. Zudem können Patienten die schlecht auf SSRI angesprochen haben, erfolgreich auf Tianeptin umgesetzt werden. Dies ist angesichts des eher geringen Effektes von Tianeptin auf die serotonerge Neurotransmission nur durch einen zusätzlichen Wirkmechanismus zu erklären. Vermutet wird eine Beeinflussung der gluta­ matergen Neurotransmission, die eine wichtige Rolle in der Regulation von Neuroplastizitätseffekten spielt. Dabei wirkt Tianeptin nicht einfach als Glutamat-Agonist oder -Antagonist, sondern scheint indirekt in die glutamatregulierende Signalkaskade einzugreifen. Das ist insofern von Bedeutung, weil eine direkt Wirkung auf die glutamaterge Neurotransmission mit typischen Nebenwirkungen verbunden sein könnte, was bei Tianeptin nicht der Fall ist. Fazit

Aufgrund seines spezifischen Wirkprinzips und seines sehr guten Verträglichkeitsprofils hat Tianeptin gegenüber anderen Antidepressiva deutliche Vorteile. Zudem weist Tianeptin kein klinisch relevantes Interaktionspotenzial auf, was gerade bei älteren und multimorbiden Patienten eine große Rolle spielt. F. S. Quelle: Pressegespräch „2 Jahre Tianeptin in Deutschland: Praxiserfahrungen mit einem neuen Wirkprinzip“, 2. Juli 2015, Veranstalter Neuraxpharm.

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ombinierte hormonelle Kontrazeptiva gehören zu den sichersten Verhütungsmethoden. Insbesondere verbreitet ist die Anwendung von oralen Präparaten, der sogenannten Pille. Seit Anfang Oktober 2015 gibt es eine neue Alternative – das Mini-Patch Lisvy®. Die innovative Patch-Technologie steht für Verhütung in einer neuen Form: hauchdünn, transparent und nur wenige Zentimeter groß (Abb. 1). Die Verhütung mit einem Patch ist genauso sicher und zuverlässig wie bei der Pille. Vielleicht sogar noch sicherer, weil an das Patch nicht täglich gedacht werden muss – es wird nur einmal wöchentlich auf die Haut geklebt. Von der transdermalen Applikation profitieren insbesondere Frauen, die privat sehr aktiv sind, im Schichtdienst arbeiten oder häufig reisen beziehungsweise Zeitverschiebungen überbrücken müssen. Verhütung in niedriger, angepasster Dosierung

Jedes kontrazeptive Patch enthält 2,10 mg Gestoden (GSD) sowie 0,55 mg Ethinylestradiol (EE) und setzt 60 µg GSD und 13 µg EE über 24 Stunden frei. Die systemische Exposition entspricht der täglichen Anwendung eines kombinierten oralen Kontrazeptivums mit 0,02 mg EE und 0,06 mg GSD. Das 5-lagige Patch arbeitet mit der sicheren Matrixtechnologie: Die Arzneistofffreigabe erfolgt durch eine Polymermatrix, in der die Wirkstoffe gelöst sind. Beide Kontrazeptiva werden gut über die Haut resorbiert und es werden relativ konstante Serumspiegel erreicht, Spitzen und Talspiegel werden vermieden [1, 2]. Die kontinuierliche Abgabe der Hormone und die niedrigen Plasmaspiegel kön-

Mini-Patch – der neue Trend in der Verhütung Wochen in Folge (Tag 1 bis Tag 21) wird für jeweils eine Woche lang ein Patch angewendet. Darauf folgt eine Woche ohne Patch; in dieser Zeit tritt die Abbruchblutung ein. Danach beginnt der Zyklus von Neuem. Sehr gute Compliance Abbildung 1: Lisvy® ist ein dünnes, rundes und transparentes transdermales Matrixpflaster, bestehend aus 5 Lagen. Jedes Patch hat einen Durchmesser von 3,7 cm.

nen das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil verbessern[3]. Darüber hinaus wird mit dem Patch der First-Pass-Effekt umgangen. Die dementsprechend hohe Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe erlaubt eine wirksame Verhütung mit niedrigeren Wirkstoffmengen [4]. Einfache Anwendung

Wie bei oralen Kontrazeptiva beginnt die Anwendung am ersten Tag der Menstruation. Das MiniPatch wird auf eine saubere, trockene, gesunde und vorzugsweise unbehaarte Hautstelle aufgeklebt und fest angedrückt. Geeignete Körperstellen sind Bauch, Gesäß oder die Außenseite der Oberarme. Sitz und Haftung des Patches sollten täglich überprüft werden. Das aufgeklebte Patch bleibt für eine Woche an dieser Stelle. Dann wird es entfernt und es wird an einer anderen Körperstelle wieder ein neues Patch aufgeklebt. Drei

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Aufgrund des kleineren Spielraums für Anwendungsfehler ist beim Patch eine höhere Compliance zu erwarten als bei der oralen Kontrazeption. Tatsächlich liegt laut der Lisvy®-Zulassungsstudie (offene Phase-III-Studie, 60 Studienzentren in 7 Ländern, 13 Zyklen) die Compliance bei 98 % [5]. Weiteren Studien zufolge führt die transdermale Kontrazeption zu einer hohen AnwenderinnenZufriedenheit: Bei einem Wechsel zur transdermalen Kontrazeption stieg die Zufriedenheit von 45 auf 86,3 %. 82,8 % der Frauen, die die transdermale Kontrazeption bevorzugten, überzeugte die einfache und komfortable Anwendung [6]. Hohe Verhütungssicherheit und Zyklusstabilität bei guter Verträglichkeit

Neben den Applikationsvorteilen verfügt Lisvy® auch über eine hohe kontrazeptive Sicherheit. In der Zulassungsstudie wurde für Europa ein bereinigter Pearl-Index von 0,4 errechnet; der unbereinigte Pearl-Index liegt bei 0,76 [5]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Darüber hinaus punktet das neue Verhütungspatch mit guter Verträglichkeit und Zyklusstabilität: Während der Zulassungsstudie zeigten in den Zyklen 1–12 fast alle Teilnehmerinnen Abbruchblutungen; der Anteil variierte von 90,8 % (Zyklus 1) bis 97,6 % (Zyklus 11). Nach Entfernen des Patches setzte die Blutung im Zeitraum von 2,7–3 Tagen ein. Die Dauer der Blutungsepisoden (4,9–5,1 Tage) war ebenfalls stabil über die Studiendauer. Die zu Beginn der Anwendung bei 11,4 % der Teilnehmerinnen auftretenden Zwischenblutungen reduzierten sich im Verlauf der Studie auf 6,8 %. Das Nebenwirkungsprofil entsprach der Erwartung bei der transdermalen Anwendung eines kombinierten hormonalen Kontrazeptivums. Häufigstes unerwünschtes Ereignis waren Kopfschmerzen (9,5 %), zu Hautreaktionen im Applikationsbereich kam es bei 8,5 % der Anwenderinnen [5]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Kuhl H. Pharmacology of estrogens and progestogens: influence of different routes of administration. Climacteric 2005;8 (Suppl 1):3–63 2 Burkman RT. Transdermal hormonal contraception: benefits and risks. Am J Obstet Gynecol 2007;197:134e1-134e6 3 Potts RO, Lobo RA. Transdermal drug delivery: clinical considerations for the obstetrician-gynecologist. Obstet Gynecol 2005;105(5 Pt 1):953-961 4 Samsioe G. Transdermal hormone therapy: gels and patches. Climacteric 2004;7:347356 5 Wiegratz I, Bassol S, Weisberg E et al. Effect of a low-dose contraceptive patch on efficacy, bleeding pattern, and safety: a 1-year, multicenter, open-label, uncontrolled study. Reprod Sci 2014;21:15181525 6 Crosignani PG, Nappi C, Ronsini S et al. Satisfaction and compliance in hormonal contraception: the result of a multicentre clinical study on women’s experience with the ethinylestradiol/norelgestromin contraceptive patch in Italy. BMC Womens Health 2009;9:18

Bedeutung des molekularen Monitorings

Fortschritte in der Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie und Polycythaemia vera Die 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) ermöglichte einen intensiven Austausch mit Experten zu aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Krebsforschung. Bei einer Meet-the-Expert-Veranstaltung mit Professor Thoralf Lange, Leipzig/ Weißenfels, und Professor Andreas Reiter, Mannheim, standen Ziele und Strategien in der Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML) und der Polycythaemia vera (PV) im Vordergrund. Paradigmenwechsel in der CML-Therapie

Die Einführung von Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) hat zu einem Paradigmenwechsel in der Behandlung der CML geführt: So hat sich der Verlauf von einer potenziell lebensbedrohlichen zu einer chronischen Krankheit gewandelt. TKI der zweiten Generation, wie z.B. Nilotinib (Tasigna®), sind Vertretern der ersten Generation hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen. Insbesondere das Erreichen einer schnellen und tiefen Remission stellt einen wesentlichen Behandlungsfortschritt dar. Diese Entwicklung führt zu erhöhten Anforderungen hinsichtlich Sensitivität und Spezifität der Nachweismethoden für Diagnostik und Monitoring und unterstreicht den dringenden Bedarf an standardisierter Labordiagnostik im Monitoring der CML.

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Ziel der modernen CML-Therapie ist das schnelle Erreichen einer tiefen Remission (MR4 * bzw. MR4,5 **). Ein wichtiger prognostischer Meilenstein besteht dabei 3 Monate nach Therapiebeginn: Zu diesem Zeitpunkt sollte der BCR-ABLWert auf ≤10 % gesunken sein. Die Bedeutung eines tiefen molekularen Ansprechens zeigt sich in den aktuellen Ergebnissen der ENESTnd-Studie: So weisen Patienten unter Nilotinib im Vergleich zu Patienten unter Imatinib eine höhere Rate an tiefen Remissionen auf (MR4,5: 55,7 % und 54,8 % unter Nilotinib 600  mg/d bzw. 800 mg/d gegenüber 32,9 % unter Imatinib 400 mg/d) und sind dabei seltener von einem Progress der Erkrankung (n=2 bzw. n=3 unter Nilotinib gegenüber n=12 unter Imatinib im on core treatment) und CML-assoziierten Todesfällen betroffen (n=6 bzw. n=4 unter Nilotinib gegenüber n=16 unter Imatinib). Ein frühes Therapieansprechen ist ein wesentlicher Faktor für das Erreichen einer MR4 bzw. MR4,5. Beide Remissionstiefen sind Voraussetzung für die Teilnahme an Studien zum kontrollierten Absetzen der TKI-Therapie. Auch nach dem Therapiestopp kommt dem Monitoring eine wichtige prognostische Bedeutung zu: Patienten mit einer MR4,5 haben 3 Monate nach Absetzen der TKI-Therapie eine deutlich höhere behandlungsfreie Überlebensrate als Patienten, die dieses Ansprechen 3 Monate nach Absetzen der Therapie nicht mehr zeigen. * MR4: Molecular Response ≤0,01 % BCRABL (International Scale, IS). ** MR4,5: Molecular Response ≤0,0032 % BCR-ABL (International Scale, IS).

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KONGRESSE

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Die zentrale Rolle des molekularen Monitorings − sowohl zur Beurteilung des optimalen Therapieansprechens als auch zur Teilnahme an Absetzstudien und zum Monitoring des therapiefreien Überlebens − unterstreicht die künftige Bedeutung der Labordiagnostik in der Behandlung der CML. Die unter TKI der zweiten Generation beobachteten Raten an tiefen Remissionen rücken die Möglichkeit einer Therapiefreiheit in greifbare Nähe. Das Absetzen der Therapie ist mit mehrfachen Vorteilen verbunden, von der Verbesserung der Lebensqualität durch Vermeidung von Nebenwirkungen und Arzneimittel-Wechselwirkungen bis hin zu gesundheitsökonomischen Aspekten. Aktuell unterstützt Novartis 8 internationale Absetzstudien. Behandlungsziele der Polycythaemia vera

Neben der CML standen auf dem diesjährigen DGHO-Kongress Therapiemöglichkeiten in der Behandlung der Polycythaemia vera (PV) im Vordergrund. Zielsetzungen der Therapie sind die Vermeidung thromboembolischer Komplikationen, die Senkung des Risikos einer Progression und der Entwicklung einer sekundären Myelofibrose bzw. akuten myeloischen Leukämie sowie die Linderung der Symptomlast. So empfehlen die aktuellen Leitlinien des European Leukemia Net (ELN) zur Therapie von Niedrigrisiko-Patienten unter 60 Jahren ohne vorherige Thrombosen wiederholte Phlebotomien mit begleitender Gabe von Acetylsalicylsäure. Hochrisikopatienten über 60 Jahre mit vorangegangenen thrombotischen Ereignissen wer-

den beim Auftreten einer Progression sowie bei Unverträglichkeit gegenüber Phlebotomien mit zytoreduktiven Agenzien wie Hydroxycarbamid (Hydroxyurea/HU) behandelt. Herausforderungen in der PV-Therapie

In der klinischen Praxis weisen zytoreduktive Therapien Limitierungen auf. Nur etwa ein Drittel der PV-Patienten zeigt ein komplettes Ansprechen auf die HU-Therapie. Bei einem Drittel der Patienten ist es nicht möglich, nach einer mittleren HU-Behandlungsdauer von 47 Monaten den Hämatokritwert unter 45 % zu senken, bei etwa 60 % kommt es zu einer unkontrollierten Thromobozytose bzw. Leukozytose. Ursache hierfür ist das unzureichende Ansprechen infolge einer HU-Intoleranz oder HU-Resistenz. Die Folge ist eine unkontrollierte PV mit komplexem klinischem Bild, einschließlich potenziell belastender Symptome wie Fatigue, Nachtschweiß und Pruritus. Die Kontrolle des Hämatokritwertes auf unter 45 % ist für den Verlauf der Erkrankung von zentraler Bedeutung, denn Patienten mit einem Wert über 45 % weisen ein vierfach erhöhtes Risiko auf, an kardiovaskulären Komplikationen zu versterben. Die unkontrollierte Thrombozytose und Leukozytose bedeuten ein zusätzliches Risiko für Thrombosen sowie für eine hämatologische Progression der Erkrankung.

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Nachhaltiger klinischer Nutzen von Ruxolitinib bei unkontrollierter PV

Mit der Einführung des JAKSTAT-Inhibitors Ruxolitinib (Jakavi®) im März dieses Jahres steht Patienten mit HU-Intoleranz oder -Resistenz eine wichtige zusätzliche Therapieoption zur Verfügung. In der Zulassungsstudie RESONSE zeigte Ruxolitinib gegenüber der Standardtherapie (best available therapy, BAT) eine deutliche Überlegenheit hinsichtlich der Hämatokritk-Kontrolle (60  % unter Ruxolitinib, 20 % unter BAT). Aktuelle Follow-up-Daten unterstreichen den lang anhaltenden Vorteil: 89 % der Patienten im RuxolitinibArm konnten ihre Hämatokritkontrolle über einen Zeitraum von 80 Wochen aufrechterhalten. Von Studienbeginn bis zur Woche 32 benötigten 80,2 % der Patienten unter Ruxolitinib keine Aderlasstherapie, zwischen Woche 32 und 80 stieg dieser Anteil auf 89,8 % an. Vorteil für PV-Patienten mit erhöhtem Thromboembolierisiko

Auch Patienten mit einem Hämatokrit über 45 % können von der Therapie mit Ruxolitinib profitieren: Verglichen mit der Standardtherapie verlängerte sich in dieser Patientengruppe unter Ruxolitinib die mittlere Zeit bis zum nächsten Aderlassbedarf von 21 auf 52 Wochen. In Bezug auf die Reduktion der Symptomlast wiesen die Patienten unter Ruxolitinib im Vergleich zur Standardtherapie ebenfalls eine deutliche Verbesserung auf. Fabian Sandner, Nürnberg © VERLAG PERFUSION GMBH


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Cetuximab in Kombination mit Radiotherapie bei nicht operablen Kopf-HalsTumoren „Zu den Verbesserungen für Patienten mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich hat in den vergangenen Jahren die Einführung des gegen den EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor) gerichteten monoklonalen Antikörpers Cetuximab (Erbitux®) beigetragen“, konstatierte Professor Jürgen Dunst, Kiel, auf einem Satellitensymposium von Merck Serono anlässlich der 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) in Hamburg und ergänzte: „Da Cetuximab vergleichbar effektiv ist wie Cisplatin, dabei jedoch deutlich verträglicher, ist für Patienten mit lokal fortgeschrittenen, nicht resektablen Tumoren auch eine Radiotherapie in Kombination mit dem Antikörper möglich.“ Gut verträgliche, leitliniengerechte Behandlungsalternative

Eine entsprechende Empfehlung der Radioimmuntherapie in den Leitlinien basiert auf der BonnerStudie: Die Phase-III-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Bestrahlung mit oder ohne simultane CetuximabGabe. Unter der zielgerichteten Therapie mit Cetuximab hatte sich das relative Risiko für eine lokale Krankheitsprogression um fast ein Drittel (32 %; p=0,005) reduziert. Die Nebenwirkungsprofile beider Regime waren vergleichbar, mit Ausnahme von akneiformen Exanthemen und Infusionsreaktionen, die unter Cetuximab signifikant häufiger auftraten. „Der Ausprä-

gungsgrad der Hauttoxizität korrelierte mit der Dauer des Gesamtüberlebens. Damit erwies sich das Auftreten der akneiformen Exantheme als prädiktiver Biomarker für den Erfolg einer CetuximabBehandlung“, erläuterte Dunst. Kutane Nebenwirkungen sind vielfältig behandelbar

Zur Prophylaxe und Therapie der akneiformen Exantheme ist laut Dr. med. Karin Potthoff, Heidelberg, eine orale Antibiose mit Doxycyclin oder Minocyclin angezeigt. Einfach und sehr wirksam ist auch die Anwendung von topischem Vitamin K1 (0,1 %): „Unter einer prophylaktischen Anwendung wurden bei Patienten unter einer Anti-EGFR-Therapie keine akneiformen Exantheme vom Grad 3/4 beobachtet“, berichtete Potthoff. Auch die reaktive Anwendung der Creme bringt eine gute Symptomlinderung. Weitere Prophylaxemaßnahmen sind die Anwendung von parfümfreien Feuchtigkeitscremes und rückfettenden Cremes sowie ein guter Sonnenschutz. Insgesamt kann mit relativ geringem Aufwand viel für die Patienten erreicht werden. „Ein erfolgreiches Management kutaner Nebenwirkungen unter der AntiEGFR-Therapie kann die Zufriedenheit und die Lebensqualität der Patienten erhöhen und so dazu beitragen, die Compliance und damit den Therapieerfolg zu steigern“, zeigte sich Potthoff überzeugt. Überlebensvorteile begründen den Einsatz in der palliativen Situation

In der Erstlinienbehandlung rezidivierter und/oder metastasierter

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Tumoren ist Cetuximab in Kombination mit einer platinbasierten Chemotherapie der Therapiestandard. „Die Etablierung als Behandlungsstandard in der palliativen Situation beruht auf den Ergebnissen der EXTREME-Studie, in der erstmals nach 30 Jahren ein signifikanter Überlebensvorteil durch die Hinzunahme eines neuen Wirkstoffs in dieser Indikation belegt werden konnte (10,1 versus 7,4 Monate; p=0,04)“, berichtete Dr. med. Dennis Hahn, Stuttgart. Eine vielversprechende Aktivität in der Erstlinientherapie hat Cetuximab auch in Kombination mit Docetaxel und Cisplatin (TPEx) gezeigt: „Unter einer Therapie mit bis zu 4 Behandlungszyklen dieser Kombination sowie einer anschließenden Cetuximab-Erhaltungstherapie bis zum Krankheitsprogress betrug die beste Gesamtansprechrate 54  %. Damit kann die TPEx-Kombination zukünftig ein mögliches Ersatzregime für Cisplatin/5-Fluorouracil/Cetuximab in der Erstlinie werden.“ Späte Diagnosen verdeutlichen hohen Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung

„In der Therapie von Kopf-HalsTumoren hat sich in den letzten Jahren einiges getan, das zur Verbesserung der Versorgung und der Prognose der Betroffenen beiträgt“, sagte Professor Oliver Kölbl, Regensburg. Für den Radio­onkologen ist es wichtig, dass in der Öffentlichkeit mehr Aufklärungsarbeit über die Krebserkrankung geleistet wird. „Trotz des Schweregrads von Kopf-Hals-Tumoren und der weltweit steigenden Erkrankungszahlen herrscht nur ein geringes Bewusstsein für diese Krebsart“, betonte Kölbl. „Der © VERLAG PERFUSION GMBH


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Mangel an Aufmerksamkeit für Kopf-Hals-Tumoren ist ein Grund dafür, dass diese häufig erst in einem weit fortgeschrittenen, prognostisch ungünstigen Stadium entdeckt werden.“ Elisabeth Wilhelmi, München

Die optimale Narbe Auffällige Narben – z.B. nach einer Operation oder nach einem Unfall – können für Patienten eine erhebliche psychische Belastung darstellen. Immerhin sind 30–50 % aller Patienten mit ihren Narben unzufrieden. Vor allem Frauen fühlen sich durch auffällige Narben in ihrer Attraktivität und Weiblichkeit häufig beeinträchtigt und verbinden mit den Narben unangenehme Ereignisse. Wie sich unschöne Narben vermeiden lassen, erläuterte der Dermatologe Dr. Uwe Schwichtenberg, Bremen, anlässlich der 13. Jahrestagung der Berliner Dermatologen. Hypertrophe Narben und Keloide

Bei der pathologischen Narbenbildung wird zwischen hypertrophen Narben und Keloiden unterschieden. Hypertrophe Narben bleiben auf den ursprünglichen Verletzungsbereich beschränkt, vergrößern sich aber innerhalb von 2–6 Monaten nach der Verletzung durch eine vermehrte Kollagenbildung und reichen dann über das ursprüngliche Hautniveau hinaus. Die endgültige Ausreifung kann hier bis zu 2 Jahre dauern. Insbesondere nach tieferen Hautverbrennungen finden sich häufig hypertrophe Narben, die auch zu Bewegungseinschränkungen

führen können. Ein Keloid überschreitet dagegen den Rand der ursprünglichen Wunde, breitet sich dadurch in die umliegende gesunde Haut aus und kann mehrere Jahre weiterwachsen. Prädilektionsstellen sind Ohrläppchen, Brustbein und Schulterpartie. Als Ursachen für eine unphysiologische Narbenbildung gelten eine genetische Prädisposition, aber auch hormonelle Faktoren (z.B. Pubertät), chronische Entzündungen (z.B. Akne), Spannung an den Wundrändern und verzögerte Epithelisierung. Behandlung unphysiologischer Narben nicht immer effektiv

Mit zahlreichen Methoden kann versucht werden, unphysiologische Narben zu behandeln, um das ästhetische und funktionelle Ergebnis zu verbessern. Als etablierte Verfahren gelten dabei die intraläsionale Kortikosteroidanwendung (TAC) – meist in Verbindung mit Kryotherapie –, chirurgische Therapie, Bestrahlung und Lasertherapie. Hierbei muss beachtet werden, dass eine zu aggressive Intervention auch zu einer Verschlechterung der Narbe führen kann, warnte der Experte. Als eine für den Patienten weniger belastende Alternative nannte der Dermatologe die „Ultrasound Scar Therapy (UST)“ mit Extractum-cepae-haltigen Kombinationspräparaten. Hiermit lässt sich nach seiner Erfahrung häufig zumindest ein Weicherwerden der Narbe erreichen, was auch zu einer besseren Beweglichkeit beitragen kann. Prävention unschöner Narben

Da die Behandlung unphysiologischer Narben oft schwierig ist,

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kommt der Prävention eine große Bedeutung zu. Neben gewebeschonenden chirurgischen Techniken, einem möglichst spannungsfreien Wundverschluss und optimaler Wundbehandlung kann auch eine geeignete Narbenpflege zur Verbesserung der Narbenbildung beitragen. Zusätzlich zu Narbenmassage und Kompression hat sich ein Narbengel mit einer Kombination der Wirkstoffe Extractum Cepae, Heparin und Allantoin bewährt, das in den Leitlinien sowohl zur Zusatztherapie hypertropher aktiver Narben als auch zur postoperativen Prophylaxe empfohlen wird. Grundlage der Empfehlung ist unter anderem eine Studie von Willital et al. aus dem Jahr 2013, in der bei frühzeitiger Anwendung des Narbengels eine effektive Reduktion von Spannung, Schmerz, Juckreiz, Rötung und Verhärtung belegt werden konnte. Intensivpatch für die Narbenbehandlung über Nacht

Eine Neuentwicklung in der Narbenbehandlung ist das Contractubex® Intensivpatch für die Nacht, das vor dem Schlafengehen auf die Haut aufgelegt wird. Dort setzt es über mehrere Stunden seine Inhaltsstoffe Cepalin und Allantoin frei, die den Heilungsprozess fördern. Zusätzlich sorgt die obere Lage des Intensivpatches, die aus Mikro-Luftkissen besteht, für ein ausgewogenes feuchtes Hautklima und schützt das empfindliche Gewebe gleichzeitig vor Druck und Reibung in der Nacht. Mit dem Intensivpatch wird die Anwendung auch an schwer zu erreichenden Körperstellen vereinfacht. Elisabeth Wilhelmi, München © VERLAG PERFUSION GMBH


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Therapie der MS: Lebensqualität im Fokus Zur Behandlung der Multiplen Sklerose gehört mehr als nur das Verordnen von Medikamenten. Vielmehr muss die Therapie den individuellen Bedürfnissen angepasst werden und das Ziel sollte der Erhalt einer guten Lebensqualität sein. „Wir dürfen die Patienten nicht ‚Dr. Google‘ überlassen. Vielmehr müssen wir durch eine optimale medikamentöse Therapie zusammen mit einer guten Patientenführung dafür sorgen, dass sie ein normales, weitestgehend von der MS unbeeinträchtigtes Leben führen können“, betonte Professor Peter Rieckmann, Bamberg, auf dem 1. MS Special(ists)-Workshop in Köln. Eine gute Patientenführung kann nach Dr. Michael Lang, Ulm, zu­dem die Adhärenz steigern, die die Basis für den Behandlungserfolg darstellt. „Denn Medikamente können nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie tatsächlich – wie verordnet – angewendet werden“, erläuterte der Neurologe und ergänzte: „Es ist ein Trugschluss anzunehmen, Menschen mit einer chronischen Erkrankung wie der Multiplen Sklerose seien zwangsläufig therapietreu. Die langfristige Adhärenz setzt vielmehr eine gute Krankheitskenntnis voraus. Sie wird gefördert durch eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Kommunikation sowie eine gute Betreuung durch die MS-Nurse. Behandlung an die individuelle Situation anpassen

Optimal ist eine Behandlung laut Lang, wenn die Medikation der Krankheitsaktivität angepasst gewählt wird, eine maximale Wir-

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Alemtuzumab Alemtuzumab (Lemtrada®) ist ein monoklonaler Antikörper, der selektiv an CD52 bindet, ein Protein, das auf T- und B-Zellen in großer Menge vorkommt. Die Behandlung mit Alemtuzumab führt zu einer Depletion zirkulierender T- und B-Zellen, von denen man annimmt, dass sie für den schädigenden Entzündungsprozess bei MS verantwortlich sind. Alemtuzumab hat nur minimale Auswirkungen auf andere Immunzellen. Auf die akute antiinflammatorische Wirkung von Alemtuzumab folgt sofort eine in charakteristischem Muster ablaufende, anhaltende T- und B-Zell-Repopulation. Auf diese Weise entsteht wieder ein ausgewogeneres Immunsystem, wodurch die MSKrankheitsaktivität reduziert werden kann. Lemtrada® ist in der Europäischen Union indiziert für die Behandlung von Erwachsenen mit schubförmig-remittierender MS mit aktiver Erkrankung, definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung.

kung auf die Schubrate, das Fortschreiten der Erkrankung und die psychosoziale Situation des Patienten zeigt, einfach in der Handhabung und gut verträglich ist. Im Hinblick auf die Lebensqualität der Patienten ist es zudem wichtig, dass die Behinderungsprogression möglichst aufgehalten wird, wenn nicht sogar bestehende Behinderungen verbessert werden. So konnte eine Analyse der CARE-MS II-Studie zeigen, dass die Verbesserung der Behinderung nach einer Behandlung mit Alemtuzumab (Lemtrada®) mit einer verbesserten Lebensqualität korreliert. Die Therapie an die Krankheitsaktivität adaptieren

Was es konkret bedeutet, die Behandlung individuell an die Krankheitsaktivität und die Patientenbedürfnisse anzupassen, verdeutlichte Dr. Thorsten Rosenkranz aus Hamburg am Beispiel einer 19-jährigen Patientin. Diese klagte bereits mit 17 Jahren über

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ein vorübergehendes Kribbeln in beiden Beinen, ohne dass eine eindeutige Ursache hierfür gefunden wurde. Im weiteren Verlauf kam es zu progredienten sensiblen Störungen von den Beinen aufsteigend bis zur Brust, zu einer Blasenstörung und einer zunehmenden Parese. Sowohl im Gehirn wie auch im Rückenmark zeigten sich im MRT multiple Läsionen und es entwickelten sich ein sensibler Querschnitt sowie wiederholt auftretende sensible Störungen und Paresen mit nur langsamer Rückbildung unter einer hochdosierten Steroidtherapie. „Die Patientin hat sich eingehend mit der Erkrankung auseinandergesetzt und wünschte aufgrund ihrer besonderen Krankheitsaktivität explizit eine Behandlung mit Alemtuzumab“, so Rosenkranz. Die erste Behandlungsphase mit dem Antikörper, den die junge Frau nach Angaben des Neurologen mit nur geringen infusionsassoziierten Reaktionen gut vertragen hat, erfolgte bereits im März 2014. Seither ist die Patientin klinisch stabil und im MRT von Kopf und © VERLAG PERFUSION GMBH


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Wirbelsäule gibt es keine Hinweise auf eine Krankheitsprogression. Die aktive Reiterin gibt an, von der Erkrankung unbeeinträchtigt und ganz normal zu leben. Sie hat auch bereits eine zweite Behandlungsphase erhalten und ebenfalls gut vertragen. Alemtuzumab: Signifikant weniger Schübe und Besserung bestehender Behinderungen

Teriflunomid Teriflunomid (Aubagio®) ist ein Immunmodulator mit entzündungshemmenden Eigenschaften. Der genaue Wirkmechanismus dieser Substanz ist zwar noch nicht vollständig geklärt, beruht aber möglicherweise unter anderem auf einer Senkung der Anzahl aktivierter Lymphozyten im zentralen Nervensystem. Das laufende klinische Entwicklungsprogramm Teriflunomid, an dem 5000 Patienten in 36 Ländern teilnehmen, gehört zu den größten zur Untersuchung einer MS-Therapie. Einige Patienten wurden im Rahmen von Verlängerungsstudien bis zu 9 Jahre lang behandelt. Aubagio® 14 mg ist ein einmal täglich oral einzunehmendes Arzneimittel und in der Europäischen Union für die Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose zugelassen.

Der Behandlungserfolg steht im Einklang mit den Studienergebnissen zu Alemtuzumab, wie Rosenkranz darlegte. Aus der CAMMS223-Verlängerungsstudie liegen Daten über 5 Jahre vor. 53 % der mit Alemtuzumab behandelten Patienten zeigten dabei eine Verbesserung des EDSS, 84 % waren progressionsfrei und 68 % waren schubfrei nach 5 Jahren. Hinsichtlich der Therapiesicherheit ist ein erhöhtes Risiko für das Auftreten sekundärer Autoimmunerkrankungen (Schilddrüsenerkrankungen, idiopathische thrombozytopenische Purpura, Nephropathien) zu bedenken. Diese sind jedoch bei frühzeitiger Diagnose gut behandelbar. Entsprechende monatliche Kontrolluntersuchungen sind daher bis 48 Monate nach der letzten Behandlungsphase angezeigt.

tel aufnehmenden Herden im MRT des Gehirns und einem EDSS von 2,0. Der Discjockey erklärte, eine Therapie zu bevorzugen, bei der er lediglich eine Tablette am Tag einnehmen müsse. „Alles andere sei mit seinem unregelmäßigen Tagesrhythmus und den vielen Zeiten unterwegs nicht zu vereinbaren“, schilderte Rosenkranz die vom Patienten verbalisierten Therapiebedürfnisse. „Wir müssen die Lebensumstände der Betroffenen berücksichtigen, wenn wir eine gute Adhärenz erreichen wollen“, schlussfolgerte der Mediziner. Der Discjockey wurde daher auf Teriflunomid (Aubagio®) eingestellt und hat seither keinen Krankheitsschub mehr erlebt.

Individuelle Patientenbedürfnisse berücksichtigen

Teriflunomid: über 564 Wochen stabiler EDSS

Dass die Behandlung den individuellen Bedürfnissen des Patienten anzupassen ist, um die Adhärenz zu gewährleisten, zeigt zudem der Fall eines 32-jährigen Mannes mit Diplopie und Hypästhesie im linken Arm, einer inkompletten Abduzensparese links, 3 Kontrastmit-

Für Teriflunomid sprechen nach Rosenkranz neben der einfachen Handhabung der Behandlung mit der einmal täglich einzunehmenden Tablette die Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten der vorliegenden Studien. So ergab die Post-hocAnalyse der gepoolten Daten der

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beiden Phase-III-Zulassungsstudien TEMSO und TOWER eine Reduktion der Krankheitsschübe mit Residuen um 53 % gegenüber Placebo*. Erzielt wurde ferner eine Minderung der Behinderungsprogression um 46 % im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit aktiverer MS (mindestens 2 Schübe vor Studienbeginn)*. Der mittlere EDSSWert blieb unter Teriflunomid über einen Beobachtungszeitraum von 564 Wochen stabil unter einem Wert von 2,5. Die Gehfähigkeit bleibt damit langfristig erhalten. Häufigste potenzielle Nebenwirkungen unter der Therapie sind eine leichte Erhöhung der Leberwerte, eine reversibel verminderte Haardichte sowie Übelkeit und Diarrhöen.

* Die Schubratenreduktion als primärer Endpunkt in den Zulassungsstudien TEMSO und TOWER betrug 31,5  % bzw. 36,3  % gegenüber Placebo. Die Reduktion der Behinderungsprogression als sekundärer Endpunkt in den Zulassungsstudien TEMSO und TOWER betrug 29,8  % bzw. 31,5  * gegenüber Placebo. Unterschiedliche Werte zwischen den Zulassungsstudien und der Post-hoc- bzw. Subgruppenanalyse der gepoolten Daten beider Zulassungsstudien ergeben sich aufgrund unterschiedlicher Fragestellungen und statistischer Voraussetzung. © VERLAG PERFUSION GMBH


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KONGRESSE

„Ein Arbeitsbündnis mit dem Patienten eingehen“

Für die Berücksichtigung der Lebenspraxis des Patienten bei der MS-Therapie plädierte in Köln auch Professor Holger Ziegler, Bielefeld. „Als Arzt muss man mit dem Patienten ein Arbeitsbündnis eingehen und dabei die MS auch als ein Problem der Lebensführung ernst nehmen“, betonte Ziegler als Professor für Soziale Arbeit. Dazu gehöre es nicht zuletzt auch, die Symptomatik im Kontext mit ihrer Bedeutung für den individuellen Patienten und seine Lebensqualität zu verstehen. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang auch, die Autonomie der Person jenseits der Diagnose MS zu verstehen. „Der Mensch hat eine MS, aber die MS hat nicht den Patienten.“ Die Möglichkeiten, eine individualisierte, sich an den Bedürfnissen des Patienten und seiner Lebensqualität orientierende Therapie zu realisieren, könnte sich laut Professor Sven Meuth, Münster, dabei künftig sogar noch verbessern. Denn es wird an der Entwicklung weiterer neuer Therapieformen gearbeitet. Als Beispiel nannte der Neurologe den Wirkstoff GZ402668, einen neuen Anti-CD52-Antikörper, der sich derzeit in Phase I befindet und das Potenzial einer vielversprechenden Wirksamkeit und Verträglichkeit besitzt. In klinischer Entwicklung ist ferner Vatelizumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der sich gegen VLA-2 richtet. Vatelizumab soll VLA-2 auf den aktivierten Immunzellen hemmen und auf diese Weise die Entzündungskaskade bei MS abschwächen. Durch die anstehenden therapeutischen Neuerungen dürften sich nach Meuth künftig weitere Fort-

schritte bei der MS-Therapie ergeben. Damit wird es wohl noch besser als bisher möglich werden, die Bedürfnisse der Patienten bei der MS-Behandlung zu berücksichtigen, damit die Adhärenz zu fördern und dem Patienten eine gute Lebensqualität zu sichern. Wie bedeutsam es ist, die therapeutischen Möglichkeiten für den Patienten optimal auszuloten und in seinen Alltag umzusetzen, machte Professor Rieckmann in Köln in seinem Fazit deutlich: „Krankheit und Gesundheit sind keine Antipoden. Es herrscht vielmehr ein Kontinuum, wobei wir versuchen müssen, Patienten mit Multipler Sklerose so zu behandeln, dass sie ihr Leben möglichst ohne Stigmatisierung durch die Erkrankung und ohne Beeinträchtigung durch Behinderungen leben können“. Elisabeth Wilhelmi,

München

Rheumatoide Arthritis:

Mehr Patienten in Remission durch frühzeitige Therapieeskalation auf Adalimumab+MTX Tumornekrosefaktor(TNF)-αBlocker haben neue Maßstäbe in der Behandlung chronischinflammatorischer Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis (RA) gesetzt. Aktuelle Behandlungskonzepte zielen im Sinne des Treat-to-Target-Grundsatzes auf das Erreichen der klinischen Remission. Die anfängliche Skepsis gegenüber der TNF-α-Therapie ist der langjährigen Erfahrung mit dem Ergebnis eines guten Wirksamkeits- und Sicherheitsprofils gewichen. Mit der Kombination aus Adalimumab und Methotrexat (MTX) ist es heute möglich, über

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eine lang anhaltende klinische Remission hinaus, die umfassende Krankheitskontrolle zu erreichen. Dabei scheint sich der frühe Einsatz von TNF-α-Blockern besonders günstig auf die Eindämmung der Krankheitsaktivität auszuwirken, wie Experten anlässlich einer Pressekonferenz in Frankfurt betonten. Umfangreiche Daten zeigen ein gutes Sicherheitsprofil

„Die Besonderheit von TNF-α ist, dass das Zytokin verschiedene pathogene Stoffwechselprozesse beeinflussen kann“, erläuterte Professor Andreas Krause, Berlin. Chronisch-inflammatorische Erkrankungen sprechen unterschiedlich stark auf eine Inhibition bestimmter Zytokine an. Dabei kommt der Hemmung von TNF-α ein umfassendes therapeutisches Potenzial bei einer Vielzahl von Erkrankungen zu. „Aufgrund der starken und umfassenden Wirkung wurde anfangs erwartet, dass die Hemmung von TNF-α ein entsprechend hohes Risiko für Nebenwirkungen birgt“, so Krause. „Heute zeigen die umfangreichen Daten des deutschen Biologika-Registers RABBIT ein anderes Bild“. Die Analyse der Daten von über 5.100 RA-Patienten, die mit oder ohne TNF-α-Blocker behandelt wurden, weist vergleichbare Inzidenzen maligner Erkrankungen bzw. von Rezidiven auf. Neue Daten aus Analysen europäischer Register zeigen, dass auch das Risiko für ein Auftreten von Melanomen oder Lymphom-Subtypen bei mit TNF-α-Blockern behandelten und Biologika-naiven Patienten vergleichbar ist. Humira® ist heute mit 2.573 Patienten das im RABBIT-Register am besten dokumen© VERLAG PERFUSION GMBH


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KONGRESSE / WISSENSWERTES

tierte Biologikum. Das bewährte Sicherheitsprofil von Adalimumab wird zudem aus der Behandlung von 23.458 Patienten in den verschiedenen Indikationen belegt. Dies entspricht einer kumulierten Expositionsdauer von über 36.730 Patientenjahren.

klar für einen frühen Einsatz der Kombinationstherapie“, so Krüger.

Adalimumab: früher Einsatz, lang anhaltende Wirksamkeit

Mit dem Einsatz von TNF-αBlockern hat sich ein Wandel in der RA-Therapie vollzogen: „Das generelle Therapieziel ist heute laut S1-Leitlinie die klinische Remission bzw. für die fortgeschrittene RA alternativ eine möglichst niedrige Krankheitsaktivität“, erklärte Professor Klaus Krüger, München. Um dieses Ziel in der RA-Therapie zu erreichen, wurde das Treat-to-Target-Prinzip mit klaren therapeutischen Zeitfenstern entwickelt. Die Zulassungsstudien PREMIER und DE0196 zeigen in der Kombinationstherapie Adalimumab + MTX sowohl bei Patienten mit langjährig bestehender RA als auch bei früher aggressiver RA, dass ein schnelles Therapieansprechen und eine langanhaltende Wirksamkeit über 10 Jahre aufrechterhalten werden kann. Dabei zeigt sich am Beispiel Adalimumab der Vorteil einer möglichst frühzeitigen Therapie mit TNF-α-Blockern. Ein Vergleich der Daten aus der PREMIER- sowie der OPTIMA-Studie macht deutlich, dass sich durch die frühzeitige Therapieeskalation nach 6 Monaten auf Adalimumab + MTX bei unzureichendem MTX-Ansprechen eineinhalb Jahre später etwa dreimal so viele Patienten in Remission befinden wie mit MTX allein (39,7 vs. 13,4 % in Woche 78 bzw. 76). „Diese Beobachtungen aus Studien sprechen

CONCERTO: Optimierung der Kombinationstherapie

„Die Erfahrungen aus der Praxis spiegeln die Studienergebnisse mit dem günstigen Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil der Kombinationstherapie wider und erweisen sich als unterstützend für die Adhärenz“, berichtete Krüger. „Dennoch ist es wichtig, im Therapieverlauf aktiv auf Fragen des Patienten nach der Verträglichkeit seiner Therapie einzugehen und gegebenenfalls eine Anpassung der Therapie zu erwägen.“ In der Kombinationstherapie mit Adalimumab + MTX ist es daher wünschenswert, die MTX-Dosierung so niedrig wie möglich, aber doch so hoch wie nötig anzusetzen. „Wie die Ergebnisse der CONCERTOStudie zeigten, ist die Kombinationstherapie mit Adalimumab und MTX in den Dosierungen 10 und 20  mg wöchentlich gleichwertig im Erreichen des Ziels einer niedrigen Krankheitsaktivität.“ In den EULAR-Empfehlungen wird CONCERTO mittlerweile als Referenzstudie zitiert und ≥10 mg MTX/Woche in der Kombinationstherapie mit einem Biologikum als angemessen und effektiv empfohlen. TNF-α-Blocker: Therapieprinzip mit Zukunft

Seit der Zulassung von Adalimumab zur Behandlung der RA im Jahr 2003 folgten bislang Zulassungen für 10 weitere Erkrankungen, zuletzt für die Therapie der Enthesitis-assoziierten Arthritis (EAA) bei Kindern ab 6 Jahren

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und zur Behandlung der schweren chronischen Plaque-Psoriasis bei Kindern und Jugendlichen ab 4 Jahren. „Das Prinzip der Therapie chronisch-inflammatorischer Erkrankungen mit dem TNF-αBlocker Adalimumab ist noch längst nicht ausgereizt“, betonte Krüger. So ist eine Erweiterung der Zulassung für den Einsatz von Adalimumab bei der Hauterkrankung Hidradenitis suppurativa (Acne inversa) beantragt. Fabian Sandner, Nürnberg

Ceritinib – eine neue Therapieoption für vorbehandelte ALK-positive Patienten mit NSCLC Jedes Jahr erhalten 1,6 Millionen Menschen die Diagnose Lungenkrebs, die weltweit häufigste Todesursache aller Krebserkrankungen. Das nicht kleinzellige Bronchialkarzinom (Non-Small Cell Lung Cancer, NSCLC) stellt mit 85–90 % die Hauptform dieser Erkrankung dar. Bei 2–7 % der Betroffenen sind eine Translokation im ALK-Gen, das für die anaplastische Lymphomkinase codiert, und die daraus resultierende konstitutive Aktivierung von ALK für das Tumorwachstum verantwortlich. Das führt zu einem vermehrten Wachstum von Tumorzellen im Lungengewebe, nachgewiesen mittels Biopsie und anschließender molekularbiologischer Analyse. Trotz deutlicher Behandlungsfortschritte kommt es bei den ALKpositiven NSCLC-Patienten in der Regel zu einem Progress mit erneutem Tumorwachstum, weshalb ein Bedarf an weiteren Behandlungsoptionen besteht. © VERLAG PERFUSION GMBH


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WISSENSWERTES

Die Europäische Kommission erteilte am 06. Mai 2015 die europaweite Zulassung für den Tyrosinkinase-Inhibitor Ceritinib (Zykadia®) bei erwachsenen Patienten zur Behandlung des fortgeschrittenen, ALK-positiven NSCLC, die mit Crizotinib vorbehandelt wurden. Mit der Zulassung von Zykadia® steht Betroffenen eine neue The-

rapieoption zur Verfügung, die spezifisch auf die genetische Ausgangslage ihrer Krebserkrankung abzielt. Die EU-Zulassung von Ceritinib basiert auf den Resultaten der beiden globalen, offenen, einarmigen Multizenterstudien (ASCEND-1 und ASCEND-2). Die Ergebnisse der ASCEND-1-Studie zeigten bei

ALK-positiven NSCLC-Patienten, die 750 mg Ceritinib täglich nach vorheriger Chemotherapie erhalten hatten, eine Gesamtansprechrate von 56,4 %, eine mediane Dauer des Ansprechens von 8,3 Monaten und ein medianes progressionsfreies Überleben von 6,9 Monaten. B. S.

Titelbild: Die REM-Aufnahme des Kapillarsystems in einem Adenokarzinom zeigt die für Tumorgewebe typische extreme Gefäßbildung (Angiogenese). Die Kapillarschleifen sind sehr eng und ungeordnet. Diese neuen Blutgefäße, die in Richtung Tumor und in diesen hinein sprossen, sind zentral für seine Versorgung und sein Wachstum (© Lilly Deutschland GmbH).

Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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* Revolade® ist für die Behandlung erwachsener, splenektomierter Patienten mit chronischer immun(idiopathischer)-thrombozytopenischer Purpura (ITP) indiziert, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind (z. B. Kortikosteroide, Immunglobuline). Die Anwendung von Revolade ® kann als ZweitlinienTherapie für erwachsene, nicht splenektomierte Patienten in Betracht gezogen werden, für die eine Operation kontraindiziert ist. 1 Revolade ® ist bei erwachsenen Patienten mit erworbener schwerer aplastischer Anämie (SAA) indiziert, die entweder gegenüber einer vorangegangenen Therapie mit Immunsuppressiva refraktär oder stark vorbehandelt sind und die für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht geeignet sind. 1

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◆ Spezifische Wirkung 2

◆ Gute Verträglichkeit 1– 4

1. Fachinformation Revolade ®. 2. Desmond R et al. Eltrombopag in Aplastic Anemia, Seminars in Hematology, Vol 52, No1, January 2015, pp 31 – 37 31. 3. Cheng G et al. Eltrombopag for management of chronic immune thrombocytopenia (RAISE): a 6-month, randomised, phase 3 study. lancet 2011; 377: 393 – 402. Erratum in Lancet 2011; 377: 382. 4. Bussel JB et al. Update on the safety and effi cacy of EXTENDed treatment with eltrombopag (EPAG) in adults with chronic immune thrombocytopenia (ITP). Blood 2013; 122 (21): Abstract 2315 und Poster. Revolade® 25 mg / - 50 mg / - 75 mg Filmtabletten. Wirkstoff: Eltrombopag. Zusammensetzung: Jede 25 mg Filmtablette enthält Eltrombopagdi(olamin), entspr. 25 mg Eltrombopag. Jede 50 mg Filmtablette enthält Eltrombopagdi(olamin), entspr. 50 mg Eltrombopag. Jede 75 mg Filmtablette enthält Eltrombopagdi(olamin), entspr. 75 mg Eltrombopag. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Magnesiumstearat, Mannitol (E 421), Mikrokristalline Cellulose, Povidon (K30), Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A). Filmüberzug 25 mg: Hypromellose, Macrogol 400, Polysorbat 80, Titandioxid (E 171); Filmüberzug 50 mg: Hypromellose, Eisen(III)-oxid (E 172), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Macrogol 400, Titandioxid (E 171); Filmüberzug 75 mg: Hypromellose, Eisen(II)-oxid (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172), Macrogol 400, Titandioxid (E 171). Anwendungsgebiete: Revolade ist für die Behandlung erwachsener, splenektomierter Patienten mit chronischer immun (idiopathischer)-thrombozytopenischer Purpura (ITP) indiziert, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind (z. B. Kortikosteroide, Immunglobuline). Die Anwendung von Revolade kann als Zweitlinien-Therapie für erwachsene, nicht splenektomierte Patienten in Betracht gezogen werden, für die eine Operation kontraindiziert ist. Revolade ist bei erwachsenen Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion zur Behandlung einer Thrombozytopenie indiziert, wenn das Ausmaß der Thrombozytopenie der Hauptfaktor ist, der die Initiierung einer optimalen Interferon-basierten Therapie verhindert oder die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung einer optimalen Interferon-basierten Therapie limitiert. Revolade ist bei erwachsenen Patienten mit erworbener schwerer aplastischer Anämie (SAA) indiziert, die entweder gegenüber einer vorangegangenen Therapie mit Immunsuppressiva refraktär oder stark vorbehandelt und für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht geeignet sind. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Eltrombopag oder einen der sonstigen Bestandteile. Stillzeit. ITP-Patienten mit Leberfunktionsstör. (Child-Pugh-Wert ≥ 5), es sei denn der Nutzen übersteigt ein bereits identifiziertes Risiko für eine Portalvenenthrombose. Bei SAA-Patienten mit bestehenden zytogenetischen Chromosom-7-Anomalien sollte keine Behandlung eingeleitet werden. Nebenwirkungen: ITP-Studienpopulation: Häufig: Parästhesie, Augentrockenheit, Übelkeit, Durchfall, erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte, erhöhte Aspartat-Aminotransferase-Werte, Hyperbilirubinämie, abnormale Leberfunktion, Hautausschlag, Haarausfall, Myalgie, Muskelkrämpfe, Muskelschmerzen, Knochenschmerzen, Rückenschmerzen, Menorrhagie. Gelegentlich: Pharyngitis, Harnwegsinfektionen, Influenza, Herpes im Mund-Rachen-Raum, Pneumonie, Sinusitis, Tonsillitis, Infektion der Atemwege, rektosigmoidales Karzinom, Anämie, Anisozytose, Eosinophilie, hämolytische Anämie, Leukozytose, Myelozytose, Thrombozytopenie, erhöhte/erniedrigte Hämoglobin-Werte, erhöhte Zahl stabkerniger Granulozyten, Anwesenheit von Myelozyten, erhöhte Thrombozytenzahl, verringerte Zahl an weißen Blutkörperchen, Überempfindlichkeit, Anorexie, Hypokaliämie, Appetitlosigkeit, Gicht, Hypokalzämie, erhöhte Harnsäurewerte im Blut, Schlafstörungen, Depressionen, Apathie, veränderter Gemütszustand, Traurigkeit, Hypoästhesie, Schläfrigkeit, Migräne, Tremor, Gleichgewichtsstörungen, Dysästhesie, Hemiparese, Migräne mit Aura, periphere Neuropathie, periphere sensorische Neuropathie, Sprachschwierigkeiten, toxische Neuropathie, vaskuläre Kopfschmerzen, Zerebralinfarkt, verschwommene Sicht, Linsentrübung, Astigmatismus, kortikaler Katarakt, Augenschmerzen, erhöhte Tränensekretion, Netzhautblutung, retinale Pigmentepitheliopathie, verringerte Sehschärfe, abnormale Tests auf Sehschärfe, Blepharitis und Keratokonjunktivitis sicca, Ohrenschmerzen, Schwindel, Tachykardie, akuter Herzinfarkt, Herz-Kreislauf-Störungen, Zyanose, Sinustachykardie, verlängertes QT-Intervall im Elektrokardiogramm, tiefe Venenthrombose, Embolie, Hitzewallungen, oberflächliche Thrombophlebitis, Hautrötungen, Hämatome, Lungenembolie, Lungeninfarkt, nasale Beschwerden, oropharyngeale Bläschenbildung, oropharyngeale Schmerzen, Nasennebenhöhlenbeschwerden, Schlaf-Apnoe-Syndrom, Mundtrockenheit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Glossodynie, Blutungen im Mund, Bauchdeckenspannung, verfärbter Stuhl, Blähungen, Lebensmittelvergiftung, häufiger Stuhlgang, Hämatemesis, unangenehmes Gefühl im Mund, Cholestase, Leberläsion, Hepatitis, Hyperhidrose, generalisierter Juckreiz, Nesselsucht, Dermatose, Petechien, Kaltschweißigkeit, Erythem, Melanose, Pigmentstörungen, Hautverfärbung, Hautschuppung, Muskelschwäche, Nierenversagen, Leukozyturie, Lupusnephritis, Nykturie, Proteinurie, erhöhte Blutharnstoff-Werte, erhöhte Serum-Kreatinin-Werte, erhöhtes Protein/KreatininVerhältnis im Urin, Brustschmerzen, Hitzewallungen, Blutung an der Einstichstelle, Asthenie, inneres Unruhegefühl, Wundentzündungen, Unwohlsein, Fieber, Fremdkörpergefühl, erhöhte Serum-Albuminwerte, erhöhte alkalische Phosphatase-Werte im Blut, erhöhtes Gesamtprotein, verminderte Serum-Albuminwerte, erhöhter pH-Wert des Urins, Sonnenbrand. Bei einem Patienten wurde die Behandlung wegen erhöhtem Retikulin im Knochenmark abgesetzt. HCV-Studienpopulation (in Kombination mit antiviraler Therapie mit Interferon und Ribavirin): Sehr häufig: Anämie, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Husten, Übelkeit, Durchfall, Juckreiz, Haarausfall, Myalgie, Fieber, Fatigue, grippeartige Erkrankung, Asthenie, Schüttelfrost, peripheres Ödem. Häufig: Harnwegsinfektionen, Infektion der oberen Atemwege, Bronchitis, Nasopharyngitis, Influenza, Herpes im Mund-Rachen-Raum, Gastroenteritis, Pharyngitis, maligne Neoplasie der Leber, Lymphopenie, hämolytische Anämie, Hyperglykämie, anormaler Gewichtsverlust, Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen, Verwirrtheit, Agitation, Schwindel, Aufmerksamkeitsstörungen, Dysgeusie, hepatische Enzephalopathie, Lethargie, Gedächtnisstörungen, Parästhesie, Katarakt, Netzhautexsudate, Augentrockenheit, Gelbfärbung der Augen, Netzhautblutungen, Palpitationen, Dyspnoe, oropharyngeale Schmerzen, Belastungsdyspnoe, produktiver Husten, Erbrechen, Aszites, Bauchschmerzen, Oberbauchschmerzen, Dyspepsie, Mundtrockenheit, Verstopfung, Blähbauch, Zahnschmerzen, Stomatitis, gastroösophagale Refluxkrankheit, Hämorrhoiden, Bauchbeschwerden, Gastritis, Ösophagusvarizen, aphtöse Stomatitis, ösophageale Varizenblutungen, Hyperbilirubinämie, Gelbsucht, Portalvenenthrombose, Leberversagen, Hautausschlag, trockene Haut, Ekzem, juckender Hautausschlag, Erythem, Hyperhidrose, generalisierter Juckreiz, Nachtschweiß, Hautläsionen, Arthralgie, Muskelkrämpfe, Rückenschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten, muskuloskeletale Schmerzen, Knochenschmerzen, Reizbarkeit, Schmerzen, Unwohlsein, Reaktionen an der Injektionsstelle, nicht kardial bedingte Brustschmerzen, Ödem, Exanthem an der Injektionsstelle, Brustbeschwerden, Juckreiz an der Injektionsstelle, erhöhter Bilirubinwert im Blut, Gewichtsabnahme, Abnahme der Zahl der weißen Blutkörperchen, Abnahme des Hämoglobins, Abnahme der Neutrophilenzahl, Erhöhung der INR (International Normalized Ratio), Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit, Erhöhung der Glukose im Blut, Abnahme des Albumins im Blut, Verlängerung der QT-Zeit im Elektrokardiogramm Gelegentlich: Dysurie. Bei Patienten mit chronischer HCV u. Leberzirrhose mit gleichz. Interferon-alpha-Therapie wurde häufiger eine hepatische Dekompensation bei Eltrombopag als bei Placebo berichtet. SAA-Studienpopulation: Sehr häufig: Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Husten, Dyspnoe, oropharyngeale Schmerzen, Rhinorrhö, Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit, erhöhte Transaminasenwerte, Ekchymose, Arthralgie, Muskelkrämpfe, Schmerzen in den Extremitäten, Fatigue, febrile Neutropenie, Fieber. Häufig: Neutropenie, Milzinfarkt, Eisenüberladung, Appetitlosigkeit, Hypoglykämie, vermehrter Appetit, Angstzustände, Depression, Synkope, Augentrockenheit, Augenjucken, Katarakt, Gelbfärbung der Augen, verschwommenes Sehen, beeinträchtigtes Sehvermögen, Mouches volantes, Epistaxis, Zahnfleischbluten, Bläschenbildung der Mundschleimhaut, Schmerzen in der Mundhöhle, Erbrechen, abdominelle Beschwerden, Bauchschmerzen, Verstopfung, Blähbauch, Dysphagie, verfärbter Stuhl, Schwellung der Zunge, Störung der gastrointestinalen Motilität, Blähungen, erhöhter Bilirubinwert im Blut (Hyperbilirubinämie), Gelbsucht, Petechien, Hautausschlag, Juckreiz, Nesselsucht, Hautläsion, makulöser Hautausschlag, Rückenschmerzen, Myalgie, Knochenschmerzen, Chromaturie, Asthenie, peripheres Ödem, Schüttelfrost, Unwohlsein, erhöhte Kreatinphosphokinasewerte im Blut. Weitere Nebenwirkungen in klinischen Studien bei SAA: Neue zytogenetische Anomalien beobachtet (darunter Veränderungen des Chromosoms 7). MDS oder AML nach Behandlung diagnostiziert. Verschreibungspflichtig. Weitere Hinweise: Siehe Fachinformation. Stand: August 2015 (MS 09/15.2). Novartis Pharma GmbH, Roonstr. 25, 90429 Nürnberg. Tel.: (0911) 273-0, Fax: (0911) 273-12 653. www.novartis.de

Unser Infoservice bietet kompetente Beratung und zuverlässige Informationen. Tel.: 018 02 - 23 23 00* Fax: 09 11 - 27 3 2160 E-Mail: infoservice.novartis@novartis.com

* Service-Telefon (0,06 € pro Anruf aus dem deutschen Festnetz; max. 0,42 € pro Minute aus dem deutschen Mobilfunknetz) und Fax – wochentags von 8.00 bis 18.00 Uhr.


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