Journal Jahrgang 2018, Ausgabe 05-06

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 27 HEFT 5–6 Dezember 2018

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Eisenmangel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Effektive pflanzliche Therapie zur Behandlung von Atemwegsinfekten ADHS bei Erwachsenen: Methylphenidat plus Psychotherapie – neue Leitlinie sorgt für Therapiesicherheit Warten auf die Lebertransplantation: Komplikationen vermeiden und Prognose verbessern Rauchentwöhnung – Relevanz, Hürden und Optionen Morbus Sly: Selten, aber ab sofort kausal behandelbar! Emicizumab – eine neue Option zur Therapie der Hämophilie A mit Inhibitoren Metreleptin – das erste Medikament zur kausalen Therapie des Leptinmangels bei Lipodystrophie Ramucirumab: Etablierter Standard in der Zweitlinientherapie von Magen- und Kolorektalkarzinom I mmunsuppression: Retardiertes Tacrolimus-Präparat überzeugt durch flachere und stabile Wirkstoffspiegel

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1. Fachinformation ferinject® in der jeweils gültigen Fassung. 2. Geisser P. Port J Nephrol Hypert 2009;23(1):11–16. 3. Van Wyck DB et al. Obstet Gynecol 2007;110(2 Pt 1):267–278. 4. Evstatiev R et al. Gastroenterology 2011;141(3):846­853.e1–2.


EDITORIAL

Fische haben es einfach. Sie schwimmen in einer Suppe aus Substanzen, die sie brauchen. Da wäre es schlichtweg kontraproduktiv, wenn die Körperoberfläche dicht wäre. Als aber das Leben das Land zu erobern begann, wurde dies zum tödlichen Problem. Die Evolution schlug zurück und erfand die Haut neu, diesmal primär als Schutz gegen die feindliche Umwelt. Schutz gegen Verletzungen, Schutz aber auch gegen den Verlust von Wasser und anderen Substanzen. Denn der lebensspendende Ozean musste mit an Land – sein Milieu war ja von Anfang an die Grundlage allen Lebens. Übrigens, schon mal darüber nachgedacht? Bis zu zwei Drittel unseres Körpergewichts gehen auf das Konto des Lebenserhaltungssystems, das wir an Land immer mit uns herumschleppen. Im Körperinneren allerdings, im Gegensatz zu den Astronauten, die das gleiche Konzept nochmals als Rucksack auf dem Rücken herumtragen, um in eine primär lebensfeindliche Welt, das All, auf den Mond und ferne Planeten vordringen zu können. Aber darum soll es im Weiteren gar nicht gehen. Eher schon um das Problem, das die Natur mit der weiteren Entwicklung der Haut als Schutzmantel hatte, insbesondere mit der neben dem Verlust durch Diffusion wichtigsten Problem, der mechanischen Schutzfunktion. Einige Sauriergattungen dürften sich damit zur Extinktion geschleppt haben, Schuppentiere und Dickhäuter haben sich nicht zum Standardmodell entwickelt. Das möglicherweise nicht zuletzt deshalb, weil eine sensible Wahrnehmung der Umwelt über die dieser gegenüber naturgemäß exponierten Haut auch wichtige Überlebensvorteile bringt. Für Wellnesstempel in der ganzen

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Jungbrunnen OR2AT4? Welt ist die Tatsache, dass wir schon sehr leichten Kontakt mit der Haut sofort einer von drei Kategorien zuordnen (gefährlich, harmlos, angenehm), eine essenzielle Geschäftsgrundlage. Für den Erhalt einer Art (auch unserer eigenen) ist es unerlässlich, dass Berührungen unter anderem auch als angenehm empfunden werden können. „Pampering“ (Hätscheln) ist das einigende Band vieler Wellnessanwendungen: Liebkosen ist die kleine Schwester des Akts der Arterhaltung. Ein erfolgreiches Wellnesskonzept baut auf Rundumversorgung und bespielt deshalb möglichst alle unsere Sinne gleichsinnig: Angenehmes auf die Ohren, Feng Shui für die Augen, Düfte für die Nase ... Düfte für die Nase? Bislang war es eine ausgemachte Sache, dass die Verwendung von Parfümen ebenso wie die Parfümierung von Kosmetikartikeln primär die Nase unseres Gegenübers beeindrucken sollte. Genauer gesagt die dort lokalisierten Geruchsrezeptoren mit direkter Verbindung zum Gehirn. Einige wenige Forschergruppen, darunter die um Professor Hanns Hass von der Ruhruniversität Bochum, haben sich auf die Suche nach Geruchsrezeptoren außerhalb der Nase gemacht und sind unter anderem in Brust, Hoden, Gehirn, Kolon, Leber, Lunge, Niere, Nebenniere, Ovarien, Prostata, Schilddrüse, Skelettmuskel fündig geworden – und eben in der Haut [1]. OR2AT4 heißt der Rezeptor, der möglicherweise noch für eine

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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

Reihe von Überraschungen gut sein könnte. Zunächst ist die Entdeckung eines solchen Rezeptors alleine noch keine Revolution – nun beginnt die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen nämlich erst: Man muss jeden denkbaren Geruch einzeln auf sein Aktivierungspotenzial gegenüber dem Rezeptor testen. Hass’ Team hatte Glück und identifizierte bald einen synthetischen Sandelholzduft („Sandalore“) als Schlüssel für den Rezeptor. Aktiviert man damit den Rezeptor, wachsen Hautzellen schneller und teilen sich öfter. Im Laborversuch schloss sich die Wunde in einer dünnen Hautschicht gleich um ein Drittel schneller [2]. Einiges spricht dafür, dass eine Reihe von Erkrankungen über die gezielte Aktivierung des Rezeptors OR2AT4 in der Haut therapeutisch beeinflusst werden könnten, darunter © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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die akute myeloische Leukämie, Melanome und neurologische Erkrankungen wie der Morbus Parkinson [1]. Soeben publiziert wurden nun Studienergebnisse, denen zufolge bei Menschen, die unter Haarausfall leiden, die Apoptose von Haarwurzelzellen gebremst und die Produktion eines Wachstumsfaktors gefördert wird [3]. Vor dem Hintergrund, dass OR2AT4 nur einer von einer rapide wachsenden Zahl von Geruchsrezeptoren der Haut und anderer Organe ist, sollte es nicht überraschen, wenn in naher Zukunft weitere, möglicherweise bahnbrechende Erkenntnisse publiziert werden. Sie könnten zudem dazu beitragen, einen in den letzten 100 Jahren insgesamt stark vernachlässigten therapeutischen Ansatz ins Rampenlicht zu rücken: die gezielte Stimulation der intrinsischen Regulations- und Regenerationspotenziale (vulgo: Selbstheilungskräfte). Wenn das nicht unter die Haut geht! Vielleicht sind wir vom alten Menschheitstraum des heilenden Bades im Jungbrunnen ja gar nicht mehr so weit entfernt ... Karl-Ludwig Resch, Bad Elster

Quellen 1 Maßberg D, Hatt H. Human olfactory receptors: novel cellular functions outside of the nose. Physiol Rev 2018;98:17391763 2 Busse D, Kudella P, Grüning NM et al. A synthetic sandalwood odorant induces wound-healing processes in human keratinocytes via the olfactory receptor OR2AT4. J Invest Dermatol 2014;134:2823-2832 3 Chéret J, Bertolini M, Ponce L et al. Olfactory receptor OR2AT4 regulates human hair growth. Nat Commun 2018;9:3624

ÜBERSICHTSARBEITEN Eisenmangel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen 136 Brigitte Söllner Effektive pflanzliche Therapie zur Behandlung von Atemwegsinfekten Brigitte Söllner

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS ADHS bei Erwachsenen: Methylphenidat plus Psychotherapie – neue Leitlinie sorgt für Therapiesicherheit 147 Warten auf die Lebertransplantation: Komplikationen vermeiden und Prognose verbessern

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Rauchentwöhnung – Relevanz, Hürden und Optionen

152

Morbus Sly: Selten, aber ab sofort kausal behandelbar! 154

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Emicizumab – eine neue Option zur Therapie der Hämophilie A mit Inhibitoren

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Metreleptin – das erste Medikament zur kausalen Therapie des Leptinmangels bei Lipodystrophie

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Ramucirumab: Etablierter Standard in der Zweitlinientherapie von Magen- und Kolorektalkarzinom 160 Immunsuppression: Retardiertes Tacrolimus-Präparat überzeugt durch flachere und stabile Wirkstoffspiegel 161

RUBRIKEN Wissenswertes 146, 151, 170 Kongresse 163

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Bronchospasmus müssen vorhanden sein. Bei schwerwieg. Überempfindl.reakt. Behandl. abbrechen. Auftreten einer Knochenmarksuppression in Form v. Neutropenie, Anämie, Thrombozytopenie o. Panzytopenie mögl. Primärprophyl. e. Neutropenie m. G-CSF b. Hochrisikopat. in Erwäg. ziehen. B. febriler Neutropenie od. länger anhalt. Neutropenie die Dos. reduz. B. Auftr. v. Bauchschm., Druckempfindl.keit, Fieber, anhaltender Obstipation, Diarrhö m./oh. Neutropenie sofortige Abklärung (cave schwerwieg. GIT-Toxizität). Behandl. von Übelk. u. Erbrech., Diarrhoe u. Dehydratation. Fälle v. periph., periph.-sensor. u. periph.-motorischer Neuropathie wurden beobachtet, Behandl. aussetzen, bis sich Sympt. bessern. B. persistierender periph. Neuropathie ≥ Grad 2 die Dos. auf 20 mg/m² reduz. Hämoglobinwert u. Hämatokrit b. Pat. mit Anzeichen o. Symptomen von Anämie o. Blutverlust überprüfen. Vorsicht bei Hämoglobin < 10g/dl, je nach klin. Sympt. geeign. Maßn. ergreifen. Nierenfkt.stör. wg. Sepsis, schw. Dehydratation wurden berichtet, auf ausreich. Hydratation achten, b. Änd. d. tägl. Urinvolum. S-Krea. kontrollieren, b. Auftr. v. Nierenversag. ≥ Grad 3 Behandl. abbr.! Sorgfältige Überwach. b. Pat m. Nierenerkrank. i. Endstadium (Kreatinin-Clearance [CLCR < 15 ml/min/1,73 m²]). Tödl. Verlauf v. interstitieller Pneumonie/Pneumonitis u. interstitieller Lungenerkrank. beobachtet. B. Lungensympt. unverzügl. u. engm. überwachen u. therapieren. Behandlg. bis z. Diagnosesicherung aussetzen. Tachykardie, Vorhofflimmern mögl. B. älteren Pat. vermehrt NW (einschl. febrile Neutropenie) mögl. Bei leicht eingeschr. Leberfunkt. (Gesamt-Bilirubin > 1 bis ≤ 1,5-fache ULN oder AST > 1,5-fache ULN) soll Dosis reduz. werden. Gleichzeit. Anw. v. starken CYP3A4-Inhib./Indukt. vermeiden, falls doch Gabe von starken CYP3A4-Inhibitoren erforderl., Dosisred. v. Jevtana erwägen, Toxizität engmaschig überwachen! Dosisanpass. b. best. Nebenwirk. erforderl. (s. Tab. FI). Schwangersch. u. Stillz., Fertilität: Anw. i. d. Schwangersch. u. b. Frauen i. gebärf. Alter oh. Verhütung nicht empf. (keine Daten). Nicht stillen. Männer: Während d. ges. Behandl. u. 6 Mon. danach wirks. verhüten u. andere Pers. nicht m. Ejakulat i. Kontakt kommen lassen. Hinsichtl. Spermakonservierung beraten lassen. Nebenw.: Infekt., parasit. Erkrank.: Häufig sept. Schock, Sepsis, Zellulitis, Harnwegsinf., Influenza, Zystitis, Infekt. obere Atemwege, H. zoster, Candidiasis. Blut, Lymphsyst.: Sehr häufig Leuko-, Thrombozyto-, Neutropenie, Anämie. Häufig febrile Neutropenie. Immunsyst.: Häufig Überempfindlichk. Stoffw., Ernähr.: Sehr häufig Anorexie. Häufig Dehydratation, Hypokaliämie, Hyperglykämie. Psyche: Häufig Angst, Verwirrtheit. Nerven: Sehr häufig Geschmacksstör. Häufig periph. u. periph. sensor. Neuropathie, Schwindelgef., Kopfschm., Parästhesie, Lethargie, Hypoästhesie, Ischialgie. Augen: Häufig Konjunktivitis, verstärk. Tränensekr. Ohr, Labyrinth: Häufig Tinnitus, Vertigo. Herz: Häufig Vorhofflimmern, Tachykardie. Gefäße: Häufig Hypotonie, TVT, Hypertonie, Orthostasesyndr., Hitzewallungen, -gefühl. Atemw., Brustr., Mediast.: Sehr häufig Dyspnoe, Husten. Häufig Schmerzen i. Oropharynx, Pneumonie. GIT: Sehr häufig Diarrhö, Übelk., Erbrech., Obstipation, Abdominalschm. Häufig Dyspepsie, Schmerz. i. Oberbauch, Hämorrhoiden, gastroösophag. Reflux, Rektalblutung, Mundtrockenh., Blähungen. Haut, Unterhautzellgew.: Sehr häufig Alopezie. Häufig trock. Haut, Erythem. Skelettmskl., Bindegew., Knochen: Sehr häufig Rückenschm., Arthralgie. Häufig Schmerz i. Extremität, Mskl.spasmen, Myalgie, Schmerz. i. Brustmskl., Flankenschm. Niere, Harnw.: Sehr häufig Hämaturie. Häufig akutes Nierenvers., Nierenvers. Dysurie, Nierenkolik, Pollakisurie, Hydronephrose, Harnretention, -inkontinenz, Harnleiterobstrukt. Geschlechtsorg., Brustdrüse: Häufig Schmerz i. Beckenbereich. Allgemein: Sehr häufig Ermüdung, Asthenie, Fieber. Häufig periph. 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ÜBERSICHTSARBEIT

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ZUSAMMENFASSUNG Bei bis zu 80 % der Patienten mit chronisch-entzündlichen Darm­ erkrankungen (CED) besteht ein Eisenmangel, bei etwa einem Drittel sogar eine manifeste Anämie. Dies führt nicht nur zu einer Einbuße an Lebensqualität, sondern auch zu einer Verschlechterung der Prognose. Daher sollten CED-Patienten hinsichtlich eines Eisenmangels konsequent überwacht und bei Überschreitung der Referenzwerte entsprechend behandelt werden. Eine orale Eisensubstitution ist nach den ECCOund DGVS-Leitlinien geeignet bei CED-Patienten mit milder Anämie und inaktiver Erkrankung, die bislang keine Eisenunverträglichkeit gezeigt haben. Die i.v. Eisengabe wird empfohlen bei ausgeprägter Krankheitsaktivität, Unverträglichkeit von oralem Eisen, Hb-Werten <10 g/dl und Bedarf an Erythropoese-stimulierenden Agenzien. Bewährt in der i.v. Eisentherapie hat sich Eisencarboxymaltose (Ferinject®). Der Wirkstoff ist Dextran-frei und zeichnet sich durch eine hohe Komplexstabilität aus, sodass das Eisen langsam freigesetzt und nahezu vollständig an Transferrin gebunden wird. Den Nutzen und die Sicherheit der Eisencarboxymaltose-Therapie bei CED-Patienten mit Eisenmangel(-Anämie) belegen umfangreiche Daten aus klinischen Studien. Schlüsselwörter: chronischentzündliche Darmerkrankungen, CED, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Eisenmangel, Anämie, Eisensubstitution, intravenöse Eisengabe, Eisencarboxymaltose

Eisenmangel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Brigitte Söllner, Erlangen

E

isenmangel ist keine Seltenheit bei gastroenterologischen Erkrankungen. Zwischen 60 und 80 % der Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa leiden an einem Eisenmangel und etwa ein Drittel weist eine Anämie auf [1]. Die Anämie mit all ihren potenziellen negativen Konsequenzen ist die häufigste systemische Komplikation und extraintestinale Manifestation bei CED; in bis zu 90 % der Fälle wird sie durch ein Eisendefizit verursacht [2]. Für die Patienten bedeutet dies nicht nur eine erhebliche Erhöhung des Leidensdrucks und eine Einbuße an Lebensqualität, auch ihre Prognose verschlechtert sich [3]. Patienten mit CED sollten daher hinsichtlich eines Eisenmangels regelmäßig überwacht und ggf. adäquat mit Eisen substituiert werden. CED-bedingter Eisenmangel: Ein komplexes Geschehen mit vielen Ursachen

Analog zu den zahlreichen Funktionen von Eisen im Organismus hat ein Eisendefizit – auch ohne begleitende Anämie – vielgestaltige Auswirkungen. Mögliche Symptome sind Erschöpfung und Fatigue, kognitive Einschränkungen,

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Kopfschmerzen, Schlafprobleme, erhöhte Infektanfälligkeit sowie Störungen der Schleimhautregeneration [2]. Da Symptome wie Fatigue, reduzierte Belastungsfähigkeit und eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit häufige Begleiter von CED sind, besteht die Gefahr, den Eisenmangel zu übersehen [4]. Bleibt der Eisenmangel unbehandelt, kann der Weg in die Eisenmangelanämie führen. Diese ist dann bei den ohnehin krankheitsbedingt belasteten Patienten mit einer Reduktion der Lebensqualität sowie der Arbeitsfähigkeit verbunden und zudem mit erhöhten Hospitalisierungsraten assoziiert [2, 3]. Der CED-bedingte Eisenmangel ist multifaktoriell bedingt. Mögliche Ursachen sind eine verringerte Eisenzufuhr mit der Nahrung, eine verminderte Resorption über die geschädigte Darmmukosa und/ oder ein erhöhter Eisenverlust durch gastrointestinale Blutungen [2]. Hinzu kommt, dass bei (chronischen) entzündlichen Prozessen der Eisenstoffwechsel beeinträchtigt wird, sodass nicht genügend Eisen zur Verfügung gestellt werden kann [3]. Dabei spielt insbesondere das in der Leber gebildete Peptid-Hormon Hepcidin eine Schlüsselrolle, dessen Synthese bei chronischen Erkrankungen durch die freigesetzten proinflammatori© VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

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Abbildung 1: Hepcidin-Block bei chronischer Entzündung (mod. nach [5]).

sche Zytokine hochreguliert wird. Hepcidin induziert den Abbau des membranständigen Eisentransporters Ferroportin, sodass sich die Eisenfreisetzung aus den Speichern und die Eisenresorption aus dem Darm deutlich verringern – es kommt zum sog. Hepcidin-Block (Abb. 1) [5]. Zusätzlich supprimieren proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-1, IL-6, TNF-α) die Erythropoese im Knochenmark und verkürzen die Lebensdauer der Erythrozyten, was das Eisendefizit weiter verstärkt. In Summe resultiert schließlich eine Anämie, die als „Anämie der chronischen Erkrankung“ (ACD) bezeichnet wird [2]. Referenzwerte zur Diagnose des Eisenmangels

Entsprechend der großen Bedeutung des Eisendefizits für den Krankheitsverlauf und den Alltag der CED-Patienten hat die European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) eine Konsensusleitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Eisenmangel und (Eisenmangel-)Anämie bei CED herausgegeben. Demnach sollten

alle Patienten mit CED auf das Vorliegen einer Anämie untersucht werden [2]. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) fordert in ihren Leitlinien zur Colitis ulcerosa [6] sowie zum Morbus Crohn [7], bereits initial eine Blutbilddiagnostik einschließlich des Eisenhaushalts durchzuführen. Dabei sollten die folgenden Parameter bestimmt werden: • Serum-Ferritin, • Transferrin-Sättigung (TSAT) und • C-reaktives Protein (CRP). Das Serum-Ferritin ist der sensitivste Marker für den Eisenstoffwechsel und korreliert (bei Gesunden) mit dem Speichereisen. Da es sich um ein Akut-Phase-Protein handelt, ist sein diagnostischer Nutzen bei Entzündungsaktivität jedoch eingeschränkt, weil dann ein Eisenmangel ggf. maskiert sein kann. Dies ist insbesondere bei CED von Relevanz, sodass die ECCO abhängig vom Entzündungsgrad unterschiedliche Referenzwerte definiert [2]: Für Patienten ohne klinische, endosko-

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pische oder biochemische Anzeichen für eine aktive CED gilt ein Serum-Ferritin-Wert von < 30 μg/l als Kriterium für einen Eisenmangel. Bei aktivem Verlauf weist auch ein Spiegel zwischen 30 und 100 μg/l auf ein Eisendefizit hin. Ein Ferritin-Wert von >100 μg/l bei gleichzeitiger TSAT <20 % ist bei Vorliegen einer Entzündung das diagnostische Kriterium für eine Anämie der chronischen Erkrankung (Tab. 1). Die Transferrin-Sättigung (TSAT) ist ein Maß für den beladenen Anteil des Eisentransportproteins Transferrin und damit für die Versorgung der Erythropoese mit Eisen. TSAT-Werte von <20  % sind ein Indikator dafür, dass nicht ausreichend Eisen für eine normale Erythropoese verfügbar ist. Sind die TSAT-Werte trotz ausreichend hoher Serum-Ferritin-Werte (>100 μg/l) erniedrigt, ist von einer Anämie der chronischen Erkrankung auszugehen [2]. Die Bestimmung des Entzündungsmarkers CRP ist für die richtige Interpretation des SerumFerritins von Bedeutung, das bei Vorliegen einer Entzündung (falsch positiv) erhöht sein kann [3]. © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

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Schließlich sollte zur Abklärung einer möglicherweise zusätzlich bestehenden Anämie der Hämoglobin (Hb)-Wert bestimmt werden. Die Grenzwerte variieren je nach Geschlecht und Lebensalter und liegen gemäß WHO-Definition zwischen 11,0 und 13,0 g/dl [2]. Leitliniengerechte Behandlung von Eisenmangel und Eisenmagelanämie bei CED

Um der zusätzlichen Belastung der CED-Patienten durch einen Eisenmangel entgegenzuwirken, empfiehlt der ECCO-Konsensus bei allen Erkrankten mit manifester Eisenmangelanämie die Eisensubstitution [2]. Diese kann jedoch auch bereits bei isoliertem Eisenmangel sinnvoll sein [8]. Ziel der Therapie ist die Restitution der Eisenspeicher und die Normalisierung des Hämoglobin (Hb)-Wertes, wobei als akzeptable Ansprechrate ein Anstieg des Hb-Wertes um mindestens 2 g/dl innerhalb von 4 Behandlungswochen definiert wurde [2]. Der individuelle Eisenbedarf wird anhand des Körpergewichts und Hb-Spiegels des Patienten ermittelt (Tab. 2). Prinzipiell stehen zur Behandlung orale und intravenöse (i.v.) Eisenpräparate zur Verfügung*. Indikationen und Grenzen der oralen Eisensubstitution Laut ECCO ist eine orale Eisensubstitution für diejenigen Patienten geeignet, die eine milde Anämie sowie eine klinisch inaktive * Intravenöse Eisenpräparate sind zugelassen zur Behandlung von Eisenmangelzuständen, wenn orale Eisenpräparate unwirksam sind oder nicht angewendet werden können.

CED

Serum-Ferritin (μg/l)

Transferrin-Sättigung (TSAT) (%)

Keine erhöhte Krankheitsaktivität

<30

<20

Erhöhte Krankheitsaktivität

<100

<20

Anämie der chronischen Erkrankung

>100

<20

Tabelle 1: Von der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) definierte Referenzwerte zur Diagnostik von Eisenmangel und Anämie bei CED-Patienten [2]. Hb-Wert (g/dl)

KG 35 bis <70 kg

KG ≥70 kg

≥14

500 mg

500 mg

Frauen: 10–12 Männer: 10–13

1000 mg

1500 mg

7–10

1500 mg

2000 mg

Limitierungen des einfachen Dosierschemas: Patienten <35 kg KG: 500 mg Patienten mit Hb ≤7 g/dl benötigen zusätzlich 500 mg Eisen Tabelle 2: Ermittlung des Eisenbedarfs zur Wiederauffüllung der Eisenspeicher anhand des Körpergewichts (KG) und Hämoglobin(Hb)-Wertes des Patienten [2].

Grunderkrankung aufweisen und zuvor keine Unverträglichkeit von oralem Eisen gezeigt haben [2]. Die orale Gabe kann jedoch mit Einschränkungen einhergehen. Dazu zählen neben einer verminderten enteralen Resorption aufgrund der geschädigten Darmmukosa [9] auch Interaktionen mit Nahrung, Getränken und Arzneimitteln [10] sowie gastrointestinale Unverträglichkeiten wie Übelkeit, Schmerzen, Obstipation oder Diarrhö [11]. Allerdings variieren die Resorptionsrate und die gastrointestinale Verträglichkeit in Abhängigkeit von der Formulierung [11]. Bei der „Anämie der chronischen Erkrankung“ ist eine orale Eisensubstitution aufgrund der Hepcidin-vermittelten Blockade nicht effektiv [10]. In einem Review [12] wird auf Studien verwiesen, in denen die orale Eisensubstitution bei 2 von 3 CED-Patienten nicht wirksam war, bei 51 % mit Nebenwirkungen einherging und Abbruchraten von 21 % aufwies.

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Darüber hinaus wurde orales Eisen nur eingeschränkt in den Körper aufgenommen [12]. Dies hat neben der unzureichenden Substitution noch einen weiteren negativen Effekt: Das nicht resorbierte Eisen kann im Darmlumen zu potenziell schädlichen Veränderungen der Darmmikrobiota und zu einer Zunahme der intestinalen Inflammation führen [3, 4, 13]. Durch die erhöhte Entzündungsaktivität im Darmlumen wird wiede­ rum die Resorption weiter eingeschränkt. Insgesamt können sich all diese Veränderungen auch auf die Krankheitsaktivität der CED auswirken [12]. Entsprechend weist die aktuelle S3-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung des Morbus Crohn darauf hin, dass die orale Zufuhr von Eisen bei aktiver Entzündung schubauslösend bzw. -fördernd wirken kann und deshalb Eisen oral nur im entzündungsfreien Intervall substituiert werden sollte [7]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Abbildung 2: Eisencarboxymaltose (Ferinject®) zeichnet sich durch eine hohe Komplexstabilität aus, sodass das für die körpereigenen Eisentransport- und Speicherproteine (Transferrin bzw. Ferritin) verwertbare Eisen kontrolliert und langsam freigesetzt wird [16].

Indikationen und Vorteile der intravenösen Eisentherapie Demgegenüber wird eine i.v. Eisentherapie von CED-Patienten, die eine orale Therapie nicht tolerieren, im Allgemeinen besser vertragen [2, 12]. Außerdem scheint sie effektiver zu sein, z.B. in Bezug auf das Anheben des Serum-Ferritins [12]. Einer Befragung von 631 CED-Patienten zufolge führt sie zudem zu mehr Lebensqualität und Zufriedenheit [14]. Die ECCO-Leitlinie empfiehlt i.v. Eisen daher als erste Wahl bei CED-Patienten mit klinisch aktiver Erkrankung, Unverträglichkeit von oralem Eisen und schwerer Anämie (Hb <10 g/dl) sowie bei Patienten, die Erythropoese-stimulierende Arzneimittel erhalten [2]. Ähnliche Empfehlungen geben die aktuellen deutschsprachigen S3-Leitlinien zur Behandlung von Colitis ulcerosa [6] bzw. Morbus Crohn [7]. Sie nennen zusätzlich

das Nichtansprechen auf orales Eisen sowie die Patientenpräferenz als Indikationen für eine i.v. Eisengabe. Verbesserung der Lebensqualität durch i.v. Eisencarboxymaltose

Eisencarboxymaltose (Ferinject®) ist zur i.v. Therapie von Eisenmangelzuständen indiziert, wenn orale Eisenpräparate unwirksam sind oder nicht angewendet werden können [15]. Unter den verfügbaren i.v. Eisenpräparaten weist Eisencarboxymaltose eine Reihe von Besonderheiten auf, von denen Ärzte und Patienten im Praxisalltag profitieren können [16]: Zum einen bietet die Dextranfreiheit von Eisencarboxymaltose den Vorteil, dass keine dextraninduzierten anaphylaktischen Reaktionen (DIAR) provoziert werden. Zum anderen reguliert die stabile Carboxymaltose-Hülle, die bei Ferinject® den

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Eisenkomplex umgibt, die Eisenfreisetzung und ermöglicht damit eine adäquate Eisendosierung. Nach Abbau der Hülle wird das Eisen nur langsam freigesetzt und nahezu vollständig an Transferrin gebunden (Abb. 2). Eisencarboxymaltose kann als hohe Einzeldosis (initial bis zu 1000 mg) innerhalb von 15 Minuten (zuzüglich 30 Minuten Nachbeobachtung) infundiert werden. Um die Eisenspeicher aufzufüllen, sind daher weniger Dosen erforderlich als bei niedrig dosierten Eisenpräparaten zur i.v. Infusion (z.B. Eisensucrose). Abhängig vom individuellen Eisenbedarf kann schon eine einzige Dosis Ferinject® ausreichen, um ein Eisendefizit nachhaltig auszugleichen [15]. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ferinject® wurden in insgesamt 31 klinischen Studien zu verschiedenen Therapiebereichen mit mehr als 7000 Patienten untersucht. Die evidenzbasierten klinischen Daten © VERLAG PERFUSION GMBH


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der Studien bei CED-Patienten mit Eisenmangelanämie [17–20] belegen übereinstimmend den Nutzen der Gabe von Eisencarboxymaltose – sowohl im Vergleich zu Placebo als auch zu i.v. Eisensucrose. Verbesserung der Hb-Konzen­ tration durch i.v. Eisencarboxymaltose vs. oralem Eisen bzw. i.v. Eisensucrose In einer randomisierten Studie [17] wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von i.v. Eisencarboxymaltose (Infusionen mit max. 1000 mg in wöchentlichem Abstand bis zum Auffüllen der Eisenspeicher) und oralem Eisensulfat (100 mg 2 × täglich über 12 Wochen) bei 200 CED-Patienten mit Eisenmangelanämie verglichen. Die Patienten sprachen auf Eisencarboxymaltose schneller an als auf eine orale Substitution und der Anteil der Responder (definiert als Hb-Anstieg >2 g/dl) nach 2 und 4 Wochen war unter Eisencarboxymaltose höher als in der Gruppe mit oraler Therapie (p = 0,005 für Woche 2, p = 0,03 für Woche 4). Die Therapie mit dem oralen Eisenpräparat wurde häufiger aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen (7,9 % oral vs. 1,5 % i.v., p = 0,057) [17]. In einer weiteren randomisierten Studie (FERGIcor) [19] wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von i.v. Eisencarboxymaltose (bis zu 3 Infusionen von je 1000 oder 500 mg) und i.v. Eisensucrose (bis zu 11 Infusionen von je 200 mg) bei Patienten mit Eisenmangelanämie und CED verglichen (n = 485). Auf Eisencarboxymaltose sprachen mehr Patienten an als auf Eisensucrose (Hb-Anstieg von mindestens 2 g/dl: 66 % vs. 54 %; p = 0,004). Wiederholte

n=240

Durchschni)liche Eisenmenge 1.377 mg

Abb. 3a

Abb. 3b

Abbildung 3: Ergebnisse der FERGIcor-Studie bei Patienten mit CED: Unter der Therapie mit Eisencarboxymaltose (Ferinject®) normalisierten sich die Transferrin-Sättigung (TSAT) (a) und die Hb-Werte (b) innerhalb weniger Wochen [19].

Messungen zeigten eine rasche Normalisierung der TransferrinSättigung (TSAT) und der HbWerte innerhalb weniger Wochen (Abb. 3a, b). Die medikationsbezogenen Nebenwirkungen waren zwischen beiden Behandlungsarmen vergleichbar [19]. Hämatologisches Ansprechen und Verbesserung der Lebensqualität unter i.v. Eisencarboxymaltose In einer prospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudie [20] mit 72 anämischen CED-Patienten wurden das hämatologische Ansprechen und die Verbesserung der Lebensqualität unter einer Therapie mit i.v. Eisencarboxymaltose (1 oder 2 Infusionen von maximal 1000 mg im Abstand von

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1 Woche) untersucht. Hämatologisches Ansprechen war definiert als ein Anstieg der Hb-Konzentration um 1 – 1,9 g/dl (partielles Ansprechen) bzw. um mindestens 2 g/dl (vollständiges Ansprechen) und wurde in den Wochen 2 und 12 gemessen. Die Lebensqualität wurde anhand des SIBDQ9-Index (Short Inflammatory Bowel Dis­ ease Questionnaire) vor der Behandlung sowie 2 Wochen danach dokumentiert. Nach 2 Wochen zeigten 46  % der Patienten ein vollständiges Ansprechen, nach 12 Wochen 81,2 %. Ein partielles Ansprechen wurde bei zusätzlichen 21,6 % bzw. 5,8 % beobachtet. Die Lebensqualität verbesserte sich zur Woche 2 gegenüber dem Ausgangswert sowohl bei Voll- als auch bei Teilrespondern hochsignifikant (p < 0,0005) [20]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Intravenöse Eisenpräparate im Vergleich In einer Metaanalyse [21] von 5 randomisierten, kontrollierten Studien mit 1143 anämischen CED-Patienten war i.v. Eisencarboxymaltose im Sinne einer HbNormalisierung oder eines HbAnstiegs um mindestens 2  g/dl das effektivste i.v. Eisenpräparat, gefolgt von Eisensucrose. Dabei traten mit Eisencarboxymaltose tendenziell weniger unerwünschte Ereignisse auf als bei den anderen i.v. Eisenpräparaten [21].

Fazit für die Praxis

Eine moderne CED-Therapie muss den Eisenmangel mit oder ohne Anämie ins Kalkül ziehen und mit einer entsprechenden Therapie darauf reagieren. Nach der aktuellen Datenlage kann bei den betroffenen Patienten mit Eisencarboxymaltose die Krankheitslast gemildert [17–20] und die Lebensqualität verbessert werden [19, 20].

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Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Lärchenweg 10 91058 Erlangen Brigitte.soellner@online.de

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ZUSAMMENFASSUNG Atemwegsinfekte sind eine hochprävalente Erkrankung und der häufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit. Da sie zum überwiegenden Teil von Viren hervorgerufen werden, sind Antibiotika in diesen Fällen nicht wirksam. Aufgrund des hohen subjektiven Leidensdrucks der Patienten mit Symptomen wie Husten, Schnupfen und Druckkopfschmerz ist dennoch eine frühzeitige Therapie indiziert. ELOM-080 stellt eine wirksame und gut verträgliche Behandlungsoption dar und lindert die belastenden Symptome zeitnah und effektiv. Schlüsselwörter: Atemwegsinfekte, Erkältung, grippaler Infekt, Phytotherapie, ELOM-080, GeloMyrtol®, Symptomlinderung

SUMMARY Respiratory infections are a highly prevalent disease and the most common cause of incapacity for work. However, since most of them are caused by viruses, antibiotics are not effective in these cases. Nevertheless, due to the high subjective suffering of patients with symptoms such as cough, nasal obstruction and pressure headache, early therapy is indicated. ELOM-080 is an effective and well-tolerated treatment option and relieves the stressful symptoms promptly and effectively. Keywords: respiratory infections, common cold, phytotherapy, phytomedicine, ELOM-080, GeloMyrtol®, symptom alleviation

Effektive pflanzliche Therapie zur Behandlung von Atemwegsinfekten Brigitte Söllner, Erlangen

A

kute Infektionen der oberen Atemwege sind eine der häufigsten Diagnosen im klinischen Alltag [1]. Allen voran die Erkältungsinfekte zählen zu den häufigsten Konsultationsanlässen in der hausärztlichen Praxis. Sie sind definiert als eine Erkrankung der oberen Atemwege mit Beteiligung der Nase, der Nasennebenhöhlen – wie bei der akuten Rhinosinusitis – sowie des Pharynx und des Larynx [2]. Akute Erkältungsinfekte sind üblicherweise mit einer akuten Bronchitis vergesellschaftet und differenzialdiagnostisch kaum zu trennen [3]. Im Gegensatz zu chronisch entzündlichen Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale und COPD sind akute Atemwegsinfekte vorübergehend und bilden sich in der Regel bald nach Abklingen der Infektion zurück. Bei einigen Patienten kann die Entzündung jedoch mehrere Monate andauern, in seltenen Fällen kann ein postinfektiöser Husten bis zu 6 Monate persistieren [4, 5]. Klinisch bedeutsam sind zudem die Indikator- und Triggerfunktion akuter Atemwegserkrankungen für die Entwicklung chronisch-obstruktiver Lungenerkrankungen [6, 7, 8]. Da das akute Krankheitsbild mit

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einem hohen subjektiven Leidensdruck sowie einem ausgesprochenen Krankheitsgefühl einhergeht und die Indikatorfunktion gut bekannt ist, ist schon deshalb eine effektive und verträgliche Therapie indiziert. Darüber hinaus stellt die Erkrankung aufgrund der hohen Inzidenz auch eine sozioökonomische Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Durchschnittlich erkranken Erwachsene 2- bis 4-mal pro Jahr an einem Atemwegsinfekt, während Kinder 6- bis 8-mal jährlich betroffen sind [9]. Akute Infektionen der oberen Atemwege sind daher die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit (AU) in Deutschland. So zeigte sich diese Diagnose im Jahr 2017 für jeden siebten AU-Fall in Deutschland verantwortlich [10]. Symptome und Verlauf

Die Diagnose eines akuten Atemwegsinfekts wird überwiegend klinisch gestellt [11]. Der Infekt manifestiert sich klassischerweise durch eine pathologische nasale Sekretion mit nasaler Obstruktion, Gesichts- und Kopfschmerzen sowie einen üblicherweise produktiven Husten [12]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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In der internationalen EPOS-Guideline wird die Erkältungskrankheit als akute virale Rhinosinusitis (common cold) definiert, deren Beschwerden weniger als 10 Tage anhalten. Sie wird von der akuten postviralen Rhinosinusitis unterschieden, die durch eine Zunahme der Symptome nach 5 Tagen oder eine Persistenz der Symptome über 10 Tage hinaus kennzeichnet ist [13]. Dies deckt sich mit Verlaufsdaten unbehandelter Atemwegsinfekte, in denen die Prävalenz der Beschwerdesymptomatik in den ersten 5 Tagen über 85 % bis 100 % lag und der Schweregrad nahezu unverändert beklagt wurde [14, 15]. Erst danach wird eine zögerliche Beschwerdebesserung beobachtet, wobei der unbehandelte Husten über den Zeitraum von mehr als einer Woche hinaus mit gleicher Intensität persistierte. Husten, der im Rahmen einer Erkältungskrankheit auftritt, hält somit meist deutlich länger an: Im Allgemeinen husten 50 % der Patienten bis zu 3 Wochen, bei 25 % der Patienten dauert der Husten sogar länger als einen Monat [16]. Ätiologie und Therapie

In der überwiegenden Zahl der Fälle ist die Erkrankung viraler Genese, wobei mehr als 200 Viren als Auslöser der Infekte bekannt sind und Rhinoviren mit rund 30 – 50 % die häufigsten Erreger des grippalen Infekts darstellen [17]. Aus diesem Grund sind Antibiotika bei Erkältungskrankheiten nur selten indiziert und sollten weder zur Therapie der akuten Bronchitis noch der akuten Sinusitis verordnet werden [18, 19]. Dementsprechend gibt es keine kausale Medikation und die Therapie konzentriert sich auf eine symptoma-

tische Behandlung mit dem Ziel, die belastenden Symptome zeitnah und effizient zu lindern. Zur medikamentösen Therapie eines akuten Atemwegsinfekts werden sowohl chemisch definierte Substanzen als auch pflanzliche Arzneimittel eingesetzt [20]. Hierbei sollten vor allem Phytopharmaka zum Einsatz kommen, deren Wirksamkeit und Verträglichkeit im Rahmen der Evidence-BasedMedicine nachgewiesen wurden und die in Leitlinien ärztlicher Fachgesellschaften zur Therapie von Atemwegsinfektionen empfohlen werden. Sowohl in nationalen Leitlinien zur Behandlung des (akuten und chronischen) Hustens als auch in der nationalen sowie europäischen Leitlinie zur Rhinosinusitis wird der Einsatz ausgewählter Phytopharmaka positiv bewertet [13, 21, 22, 23]. Spezialdestillat ELOM-080

ELOM-080, der Wirkstoff des pflanzlichen Arzneimittels GeloMyrtol® forte, ist ein Spezialdestillat aus rektifizierten Eukalyptus-, Süßorangen-, Zitronen- und Myrtenölen [24]; es ist das einzige Phytopharmakon, das in allen genannten Behandlungsleitlinien empfohlen wird. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Atemwegsinfekten mit Leitsymptomen wie Husten, nasaler Obstruktion sowie Gesichts- und Druckkopfschmerzen wurden in randomisierten, aktiv- und placebokontrollierten Multizenterstudien (RCT) belegt (Übersichten bei [24, 25, 26]). Eine wichtige Ergänzung dieser Evidenzlage bilden offene, kontrollierte/nicht kontrollierte, pro- und retrospektive Phase-IVStudien und nicht interventionelle Studien. Das Spezialdestillat gilt

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als dasjenige Arzneimittel auf Basis ätherischer Öle, dessen Wirksamkeit am besten durch moderne klinische Studien belegt ist [27]. Das pharmakodynamische Wirkprofil von ELOM-080 bein­haltet sekretolytische, mukolytische, sekretomotorische, antiinflammatorische, antioxidative, antimikrobielle und bronchospasmolytische Eigenschaften [28, 29, 30]. Besonders hervorzuheben sind die dualen Effekte von ELOM-080 auf die Fluidität des Sekrets und die ziliäre Schlagfrequenz, welche die mukoziliäre Clearance positiv beeinflussen [31, 32]. Die vielfältigen Wirkmechanismen von ELOM080 wirken dabei synergistisch und resultieren in einer effektiven Symptomlinderung. Rasche Linderung der Hustensymptomatik unter ELOM-080

Im Rahmen der zahlreichen Studien zur Bronchitis und Sinusitis zeigte ELOM-080 eine ausgezeichnete Wirksamkeit bezogen auf die Linderung führender Symptome akuter Atemwegsinfekte. In einer GCP-konformen, randomisierten, doppelblinden placebokontrollierten Multizenterstudie wurden 413 Patienten mit einer akuten Bronchitis über 2 Wochen mit 4 × 300 mg ELOM-080 täglich oder Placebo behandelt [25]. Zielparameter war in dieser Studie vorrangig die Hustensymptomatik, wobei neben der Beurteilung durch den behandelnden Arzt auch die tägliche Einschätzung durch den Patienten erfasst wurde. Unter der Therapie mit ELOM-080 konnte eine rasche und signifikante Reduktion der Hustenattacken erzielt werden. Bereits zum Ende der ersten Behandlungswoche zeigte © VERLAG PERFUSION GMBH


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Hustenattacken

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Behandlungstage

Abhustevermögen

Abbildung 1: Unter Therapie mit ELOM-080 zeigte sich ein deutlicher Rückgang der Hustenattacken gegenüber der Placebo-Behandlung, bereits zum Ende der ersten Behandlungswoche betrug der Heilungsvorsprung gegenüber der Placebo-Gruppe 5 Tage (Pfeil) [25].

Behandlungstage Abbildung 2: Durch die Therapie mit ELOM-080 wurde das Abhustevermögen im Vergleich zur Placebo-Gruppe deutlich verbessert. In der zweiten Behandlungswoche betrug der Heilungsvorsprung 4 Tage gegenüber der Placebo-Gruppe (Pfeil) [25].

sich in der Verum-Gruppe ein Heilungsvorsprung von 5 Tagen gegenüber der Kontrollgruppe (Abb. 1). Die Therapie mit ELOM-080 führte zudem zu einer deutlichen Verbesserung des Abhustevermögens. Bezogen auf diesen Parameter ergab sich in der zweiten Behandlungswoche ein Heilungsvorsprung von 4 Tagen gegenüber der Placebo-Gruppe (Abb. 2). Zusammenfassend konnte unter der Therapie mit ELOM-080 eine gegenüber Placebo schnellere Sym-

ptomlinderung nachgewiesen werden, die in einer Verkürzung der Erkrankungsdauer resultierte. Dieser Genesungsvorsprung setzte bereits nach 2 Tagen ein und vergrößerte sich zum Ende der ersten Behandlungswoche auf 5 Tage [25]. Effektive Therapie des Leitsymptoms nasale Obstruktion

In einer weiteren randomisierten, doppelblinden, placebokontrol-

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lierten Multizenterstudie wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit in der Therapie der akuten viralen Rhinosinusitis untersucht [33], so wie sie in der internationalen EPOS-Guideline als „common cold“ definiert wird. 444 Patienten im Alter zwischen 15 und 65 Jahren (65,7 % Frauen) wurden in 21 HNO-fachärztlichen Prüfzentren behandelt. Die Patienten wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert den Behandlungsarmen zugeordnet und erhielten entweder 4 × 300 mg ELOM-080 täglich oder Placebo über insgesamt 14 Tage. Neben Responder-Scores und dem Antibiotikaverbrauch wurde der Verlauf der Rhinosinusitis-Symptome untersucht. Bezogen auf die Kernsymptome der Rhinosinusitis, die die Patienten täglich in einem Tagebuch festhielten, zeigte sich für Kopfbzw. Gesichtsschmerzen und die Behinderung der Nasenatmung eine 50%-ige Verbesserung bereits in den ersten 5 Behandlungstagen. Entsprechend lag der Antibiotikavebrauch signifikant niedriger unter der Therapie mit ELOM-080 (6,1 % versus 15,8 % bei Placebo; p = 0,004). Auch diese Ergebnisse bestätigen den schnellen und effektiven Therapieerfolg durch ELOM-080 [33]. Deutlicher Heilungsvorsprung gegenüber dem natürlichen Erkrankungsverlauf

Der Therapieerfolg im Vergleich zum natürlichen Verlauf eines akuten Atemwegsinfekts ohne medikamentöse Intervention unterstreicht die effektive Symptomlinderung durch eine Therapie mit dem Spezialdestillat ELOM080. Hier zeigte sich bezogen auf die Leitsymptome akuter Atem© VERLAG PERFUSION GMBH


Relative Intensität

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Behandlungstage

Abbildung 3: Eine Behandlung mit ELOM-080 zeigt eine schnellere und stärkere Linderung typischer Erkältungssymptome im Vergleich zum natürlichen Verlauf [14].

wegsinfekte (Husten, nasale Obstruktion und Kopf- oder Gesichtsschmerzen) ein überzeugend beschleunigter Heilungsverlauf (Abb. 3) [14]. Während die Symptome eines Atemwegsinfekts über mehrere Tage bis hin zu Wochen anhalten können, bietet das Spezialdestillat ELOM-080 einen wirksamen Therapieansatz. Es kann die führenden Symptome eines akuten Atemwegsinfektes mit Husten, Kopf- oder Gesichtsschmerzen und nasaler Obstruktion effektiv bekämpfen und deren Intensität deutlich schneller und ausgeprägter reduzieren.

Das Spezialdestillat ELOM-080 (enthalten in GeloMyrtol® forte) hat sich als pflanzliches Therapeutikum in der Therapie von Atemwegsinfekten etabliert – die ausgezeichnete Wirksamkeit bei gleichzeitig guter Verträglichkeit ist in zahlreichen klinischen Studien dokumentiert worden und wird von führenden ärztlichen Fachgesellschaften bestätigt. Die hier dargestellten positiven Effekte versprechen Patienten eine schnellere und stärkere Linderung der Symptome eines akuten Atemwegsinfekts.

Literatur

Fazit

Der akute Atemwegsinfekt als einer der häufigsten Konsultationsanlässe in der ärztlichen Praxis hat nicht nur eklatante soziökonomische Auswirkungen, sondern geht allen voran mit einem hohen Leidensdruck für die Patienten einher. Der Patient verlangt förmlich nach einer effektiven Therapie.

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WISSENSWERTES

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Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Lärchenweg 10 91058 Erlangen brigitte.soellner@online.de

Schlaganfallprophylaxe bei nicht valvulärem Vorhofflimmern:

Apixaban-Standard­ dosierung nur in wenigen Ausnahmen anpassen Das nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulans Apixaban (Eliquis®) ist seit 2012 zugelassen für die Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern (nvVHF) und mindestens einem weiteren Risikofaktor für einen Schlaganfall. Die empfohlene orale Dosis von Apixaban beträgt 5 mg 2 × täglich (morgens und abends je 5 mg), die unabhängig von den Mahlzeiten mit Wasser eingenommen werden kann. In dieser Dosierung ist Apixaban auch bei Patienten in besonderen Situationen wirksam und verträglich, wie z.B. bei einer leicht eingeschränkten Nierenfunktion. Nur in 2 speziellen Situationen ist eine Dosisreduktion auf 2,5 mg 2 × täglich indiziert (Abb. 1): 1. Sie wird für Patienten empfohlen, die mindestens 2 von 3 Kriterien der sog. ABC-Regel

erfüllen, die sich an Alter, Körpergewicht und Serumkreatinin orientiert (Age, Body Weight, Creatinin): • Alter ≥80 Jahre • Körpergewicht ≤60 kg • Serumkreatinin ≥1,5 mg/dl (133 μmol/l) 2. Lediglich bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance 15–29 ml/ min) ist eine Dosisreduktion von Apixaban 2,5 mg 2 × täglich als alleiniges Kriterium indiziert. Ab einem Wert <15 ml/min oder bei dialysepflichtigen Patienten wird das NOAC aufgrund fehlender klinischer Erfahrungen nicht empfohlen. Für alle anderen Patienten mit nvVHF gilt die Standarddosierung von 5 mg 2 × täglich. Grundlage für diese Empfehlung sind die Daten der zulassungsrelevanten Studie ARISTOTLE und Subgruppenanalysen, deren Ergebnisse durch Daten aus dem deutschen Versorgungsalltag ergänzt werden. Sie zeigen, dass ein breites Patientenspektrum von Apixaban und seinem guten Nutzen-RisikoProfil profitieren kann. B. S.

Abbildung 1: Dosierungsempfehlung zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF-Patienten mit einem oder mehreren Risikofaktoren. * VHF = nicht valvuläres Vorhofflimmern. 1 Quelle: Fachinformationen Eliquis® 5 mg; 2,5 mg; aktueller Stand.

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ei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) handelt es sich nicht, wie früher angenommen, um ein rein pädiatrisches Krankheitsbild, das sich bis zum Erwachsenenalter „auswächst“. Heute wird ADHS als eine Erkrankung aufgefasst, die sich in der Kindheit manifestiert und bei bis zu 80 % der Betroffenen im Erwachsenenalter persistiert. Die bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen beobachtete Reduktion oder Modifikation der im Kindesalter oft dominierenden Hyperaktivität darf daher nicht generell als Remission der Erkrankung interpretiert werden. Um dem erweiterten Kenntnisstand zur ADHS insgesamt Rechnung zu tragen, haben über 30 deutsche Fachgesellschaften, Berufsverbände und Organisationen in mehr als 7 Jahren andauernder Arbeit einen Konsens erzielt. Ergebnis ist die aktualisierte S3-Leitlinie „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyper­ aktivitätsstörung im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“ (2018, AWMF-Registernummer 028-045), die für den deutschsprachigen Raum erstmalig auch zusammengefasste Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie von ADHS bei Erwachsenen beinhaltet. Komorbide Störungen erschweren Diagnose bei Erwachsenen

Man geht davon aus, dass mindestens die Hälfte der Kinder und Jugendlichen mit ADHS die Symptome in relevantem Ausmaß noch bis ins Erwachsenenalter behalten. Dabei verlagert sich beispielsweise die Hyperaktivität mit dem Alter oft hin zu einer inneren Unruhe. Die Diagnostik ist bei Erwachsenen häufig erschwert, da den Be-

ADHS bei Erwachsenen: Methylphenidat plus Psychotherapie – neue Leitlinie sorgt für Therapiesicherheit troffenen ein „interner Maßstab“ fehlt und sie sich selbst kaum objektiv beurteilen können. Dazu kommt, dass ein Großteil von ihnen keinen Kontakt mehr zur Familie hat, was die Rekonstruktion des Krankheitsverlaufs erschwert oder gar unmöglich macht. Anlass für das Aufsuchen eines Arztes ist bei Erwachsenen in vielen Fällen nicht die ADHS selbst, sondern die Suche nach Hilfe aufgrund von verschiedenen Komorbiditäten, wie Abhängigkeit bzw. Substanzmissbrauch oder affektive, Persönlichkeits- bzw. Angststörungen. Komorbiditäten können eine ADHS maskieren, oftmals besteht sogar bereits eine psychiatrische Diagnose, wobei ADHS als eigentliche Ursache der psychiatrischen Störung unerkannt blieb. Je später die ADHS diagnostiziert und behandelt wird, desto schwieriger wird häufig der Verlauf und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Störungen der Persönlichkeitsstruktur und des Sozialverhaltens dazugesellen. Zudem verschlechtert sich die Prognose, je eher eine Sozialverhaltensstörung hinzutritt. Substanzmissbrauch ist häufig ein Versuch des Patienten, sich selbst zu „therapieren“. Differenzialdiagnostisch muss abgeklärt werden, ob es sich bei der

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Symptomatik, aufgrund derer sich der Patient beim Facharzt vorgestellt hat, um eine Begleiterkrankung einer möglicherweise zugrunde liegenden ADHS handeln könnte. Dabei ist es beispielsweise hilfreich zu wissen, dass eine komorbide depressive Störung bei ADHS häufig durch Außenreize ausgelöst wird und dass ADHS-Patienten mit starken Verhaltensauffälligkeiten im Gegensatz zu Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung ein ausgeprägtes Schuldbewusstsein besitzen. Leitlinien empfehlen multimodale Therapie

Die S3-Leitlinie „ADHS im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“ fordert für erwachsene Patienten grundsätzlich ein multimodales therapeutisches Vorgehen. Grundsätzlich sollte bei allen ADHS-Patienten, die die Diagnosekriterien erfüllen, abgeklärt werden, welche Therapieoptionen möglich sind (informierte Entscheidung) und auch, welche davon vom Patienten gewünscht und mitgetragen werden (partizipative Entscheidungsfindung). Mit einzubeziehen in die Therapieauswahl sind persönliche Faktoren (z.B. Leidensdruck), Umgebungsfaktoren, der Schwere© VERLAG PERFUSION GMBH


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grad der Störung sowie Begleiterkrankungen. Ganz neu in der Leitlinie ist die Graduierung der Erkrankung in leicht (keine oder wenige Symptome zusätzlich zu den zur Diagnosestellung notwendigen; geringe soziale/schulische/berufliche Beeinträchtigungen), mittel (zwischen leicht und schwer) und schwer (viele zusätzlich zu den zur Diagnosestellung notwendigen oder stark ausgeprägte Symptome; erhebliche soziale/schulische/berufliche Beeinträchtigungen). Bei ADHS von einem leichten Schweregrad soll primär psychosozial/ psychotherapeutisch interveniert werden, nur in Einzelfällen kann ergänzend eine Pharmakotherapie angeboten werden. Bei mittelgradiger ADHS soll nach einer umfassenden Psychoedukation individuell entweder intensiviert psychosozial oder pharmakologisch oder auch kombiniert interveniert werden. Bei schwerer ADHS ist primär eine Pharmakotherapie nach einer intensiven Psychoedukation indiziert. Pharmakotherapie der ADHS im Erwachsenenalter

Sofern vom Betroffenen gewünscht, wird bei erwachsenen ADHS-Patienten die Pharmakotherapie – neben der Psychoedukation – bereits bei leichter und moderater Ausprägung als primäre Therapieoption angesehen. Vielen Patienten wird dadurch erst der Zugang zu weiteren Maßnahmen ermöglicht. Auch bei nicht zufriedenstellenden Behandlungsverläufen kann eine Pharmakotherapie den weiteren Behandlungserfolg positiv beeinflussen. Stimulanzien sind nach wie vor erste Wahl in der Pharmakothera-

Wirkmodelle für Methylphenidat (MPH) Nach aktuellen Hypothesen zur Wirkweise von MPH bei ADHS interagiert die Substanz mit Dopamintransportern, die störungsbedingt z.B. in Bereichen des Striatums zu stark exprimiert werden. Die Interaktion erfolgt im Sinne einer Blockade des Transportermoleküls, und zwar so, dass eine Wiederaufnahme von Dopamin in die Präsynapse unterbunden wird. Damit wird die extrazelluläre Dopaminverfügbarkeit erhöht und das im synaptischen Spalt verbleibende Dopamin kann eine längere Wirkung an Rezeptoren der Postsynapse induzieren. MPH bewirkt in dem klinisch eingesetzten Dosisbereich über den Mechanismus einer reversiblen Dopamintransporter (DAT)Blockade primär eine Erhöhung der synaptischen KatecholaminVerfügbarkeit a) subkortikal im Striatum (Dopamin) sowie b) im präfrontalen Kortex (Dopamin und Noradrenalin). Diese Erhöhung ist ursächlich und ausschlaggebend für die spezifische Wirkung der Stimulanzien auf die ADHS-Symptomatik, d.h., sie führt unter anderem zu einer Besserung der Aufmerksamkeit und exekutiven Funktionen sowie zu einer Minderung von Ablenkbarkeit, Impulsivität und motorischer Hyperaktivität. Die relative Bedeutung dieser beiden Gehirnregionen bei der Reduktion der ADHS-Symptome sowie die genauen neurophysiologischen Prozesse sind gegenwärtig noch nicht vollständig aufgeklärt. Eventuell wirkt MPH zusätzlich als indirekter Noradrenalinagonist.

pie der ADHS. Das aufgrund der Datenlage und der gesicherten Evidenz als therapeutischer Goldstandard etablierte Methylphenidat (MPH) ist derzeit das einzige Stimulans, das für die Behandlung der ADHS im Erwachsenenalter in Deutschland zugelassen ist. Grundlage für diese Zulassung sind mehrere randomisierte klinische Doppelblindstudien, in denen die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Wirkstoffs in einer retardierten Zubereitung (Medikinet® adult) nachgewiesen wurden. Medikinet® adult ist eine anteilsgleiche (50:50) Formulierung aus einem schnell wirksamen und einem retardierten Wirkstoffanteil. Durch die 2-Phasen-Galenik kommt es durch die kurz wirksame Komponente zu einem raschen Wirkungseintritt nach 30 – 60 Minuten. Infolge der verzöger-

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ten Wirkstofffreisetzung aus magensaftresistenten Pellets beträgt die gesamte Wirkungsdauer etwa 8 Stunden. Die Tagesgesamtdosis sollte auf 2 Einnahmezeitpunkte verteilt werden, z.B. morgens und mittags, jeweils nach den Mahlzeiten. Die individuell geeignete Tagesdosis von Medikinet® adult wird üblicherweise in einem Dosisbereich bis 80 mg ermittelt. Zur Dosisfindung wird eine Ausgangsdosis von 10 mg in wöchentlichen Abständen und in 10-mg-Schritten gesteigert, bis keine zusätzlichen positiven Effekte zu beobachten sind. Wie Studien belegen, steigt die Behandlungseffizienz mit der Dosierung. Optimale Therapieeffekte werden meist bei 0,9 mg MPH/kg Körpergewicht erreicht. Die bindende Tageshöchstdosis beträgt 1 mg MPH/kg Körpergewicht. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Ergänzung der medikamentösen Therapie

Viele Patienten fragen nach Alternativen oder Ergänzungen zu einer Pharmakotherapie. Psychotherapie ist besonders hilfreich, wenn langanhaltendes negatives soziales Feedback und missglückte Lebensplanungen bereits zu einer Selbstwertproblematik sowie weiteren sozialen und emotionalen Problemen geführt haben. Positive Berichte und Untersuchungen existieren zu ergotherapeutischen Übungen, Neurofeedback, Selbsthilfegruppen wie auch zu körperlichen Aktivitäten (z.B. Ausdauersport). Bei der Auswahl ist auf persönliche Vorlieben, auf die Vorerfahrungen des Patienten sowie auf die Machbarkeit im Alltag besonders zu achten. Zunehmender Beliebtheit und Akzeptanz erfreut sich die tiergestützte Therapie, durch die bei ADHS-Betroffenen auf alle Kernund Nebensymptome ein positiver Einfluss genommen werden kann. Vielen fällt es beispielsweise schwer, sich auf Entspannungsübungen oder Achtsamkeitsübungen zur Verbesserung der Eigenwahrnehmung einzulassen. Allein durch ihre Anwesenheit können Tiere dazu beitragen, dass die Stressparameter bei den Patienten sinken und deren Therapiemotivation steigt. Elisabeth Wilhelmi, München

Quelle: Interaktiver Presseworkshop „Adulte ADHS multimodal behandeln: Moderne Konzepte im Praxistest“; Veranstalter: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co.KG.

Warten auf die Lebertransplantation: Komplikationen vermeiden und Prognose verbessern

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ei schwerwiegenden hepatischen Erkrankungen stoßen konservative Therapien häufig an ihre Grenzen, sodass als Ultima Ratio oft nur die Transplantation eines gesunden Organs bleibt. Die häufigsten Indikationen, die im vergangenen Jahr eine Lebertransplantation (LTX) nötig machten, waren eine alkoholische Leberkrankheit oder eine Fibrose und Zirrhose der Leber [1]. Ende 2017 standen bundesweit mehr als 2000 Menschen auf der Warteliste für eine Lebertransplantation [1]. Die Wartezeit ist für die Patienten äußerst kritisch, da sich durch die anhaltend eingeschränkten Funktionen der Leber

das Risiko für Varizenblutungen, Aszites und hepatische Enzephalopathie (HE) kontinuierlich erhöht. Auch eine Sepsis kann die die Chance auf eine LTX negativ beeinflussen. Daher gilt es, die Zeit bis zur lebensrettenden Operation bestmöglich zu überbrücken und das Risiko für schwerwiegende Komplikationen durch entsprechende Interventionen zu minimieren. Risikofaktor hepatische Enzephalopathie

Gerade eine HE ist für die schwerstkranken Patienten ein ernsthaftes

Abbildung 1: Ergebnis einer 6-monatigen Doppelblindstudie mit erwachsenen HE-Patienten: Das relative Risiko für wiederkehrende Episoden der HE wurde im Studienzeitraum durch die Therapie mit Rifaximin-α (Xifaxan® 550 mg) gegenüber der Placebogruppe signifikant um 58 % reduziert. Über 90 % der Patienten in beiden Studiengruppen erhielten begleitend Lactulose [3].

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jeder weiteren HE-Episode drohen kumulative Effekte und irreversible ZNS-Schädigungen. Unbehandelt kann sich der Zustand des Patienten so weit verschlechtern, dass er ins Leberkoma fällt. Eine Lebertransplantation kann im Einzelfall dann nicht mehr möglich sein. Rifaximin-α senkt Risiko für HE-Rezidive und Sepsis

Abbildung 2: Unter der Therapie mit Rifaximin-α (Xifaxan® 550 mg) verringerte sich die Rate an Hospitalisierungen aufgrund einer Sepsis um 56 %. 82 % der Patienten in der RifaximinGruppe und 71 % der Patienten in der Kontrollgruppe erhielten Lactulose als Begleitmedikation [5].

Abbildung 3: Rifaximin-α (Xifaxan® 550 mg) verbesserte signifikant Faktoren der Lebensqualität von HE-Patienten, z. B. Müdigkeit, abdominale und systemische Symptome sowie Aktivität [9].

Problem. Ursache ist die Unfähigkeit der geschädigten Leber, Ammoniak und andere Toxine regulär zu verstoffwechseln. Deshalb gelangt Ammoniak nahezu ungefiltert in den Blutkreislauf und in

das Gehirn, wo es zum Anschwellen der Astrozyten führt. Durch den entstehenden Druck kann ein Hirnödem entstehen mit konsekutiven Funktionseinschränkungen des zentralen Nervensystems. Mit

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Um der HE wirksam entgegenzutreten und weitere Rezidive zu verhindern, gilt eine Therapie mit dem darmeselektiven Antibiotikum Rifaximin-α (Xifaxan® 550 mg) als moderner Behandlungsstandard. Rifaximin bindet irreversibel an die Beta-Untereinheit der bakteriellen DNA-abhängigen RNAPolymerase und hemmt so die bakterielle RNA-Synthese. Dadurch unterbindet es die Teilung ammoniakproduzierender Bakterien und wirkt so der Pathogenese der HE entgegen [2]. Neben einer signifikanten Reduktion des Risikos für weitere HEEpisoden von 58 % (Abb. 1) [3] bei gleichzeitig guter Verträglichkeit [4] zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie aus England [5], wie Patienten auf der Transplantationsliste zusätzlich von einer HE-Prophylaxe profitieren: Die retrospektive Analyse der Daten von 101 HE-Patienten auf der Transplantationsliste über einen Zeitraum von 2 Jahren ergab, dass die Therapie mit Rifaximin-α zu einer signifikanten Reduktion der Krankenhausaufenthalte um 56 % (p < 0,01) führte (Abb. 2). Gleichzeitig sank auch das Risiko für eine Sepsis (inkl. spontaner bakterieller Peritonitis, SBP) signifikant (p < 0,016) [5]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Wahrscheinlichkeit des Überlebens

Verlängertes Überleben mit Rifaximin

Unterstützung der Nervenzell-Neubildung

Abbildung 4: In einer retrospektiven Studie mit 1042 HE-Patienten verbesserte sich bei den 421 Patienten ohne hepatozelluläres Karzinom (HCC) das Gesamtüberleben unter der Behandlung mit Rifaximin-α (Xifaxan® 550 mg) signifikant gegenüber der Kontrollgruppe [8].

Verbesserung von Lebensqualität und Gesamtüberleben

Sepsen und andere systemische Inflammationen sind bei Patienten auf der Transplantationsliste stets ein kritischer Faktor. Hier ist das breite Wirkungsspektrum des darmselektiven Antibiotikums Rifaximin-α von Vorteil [6]: Es ist davon auszugehen, dass es neben seiner bakteriziden Wirkung auch die Virulenz und Pathogenität von Bakterien reduzieren kann, indem es deren Translokation durch die Epitheldecke der Mukosa minimiert, sodass weniger Endotoxine und Metaboliten resorbiert werden können. Zusätzlich kann sich die Mukosa stabilisieren, wodurch sie resistenter gegenüber bakteriellen Entzündungen wird [6, 7]. Im Gegensatz zu vielen anderen Antibiotika bildet Rifaximin-α keine klinisch relevanten Resistenzen und wird im Darm nur minimal resorbiert [2]. Das große Potenzial von Rifaximin-α zeigt sich auch bei einem Blick auf das Risiko weiterer Komplikationen: Eine 2017 veröffentlichte Studie [8] belegt eine signifikante Risikoreduktion für

bakterielle Peritonitis (SBP, adjusted Hazard Ratio [aHR] = 0,210; p < 0,001) und Varizenblutungen (aHR = 0,425; p = 0,011). Indem sich durch die Therapie mit Rifaximin-α das Risiko für weitere Komplikationen verringert, verbessert sich nicht nur die Lebensqualität (Abb. 3) [9], auch das Gesamtüberleben verlängert sich signifikant (aHR = 0,697; p = 0,024) (Abb. 4) – die Patienten leben länger und besser [8]. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Deutsche Stiftung Organtransplantationen: Jahresbericht 2017; März 2018: 82-83 2 Fachinformation Xifaxan® 550 mg; Stand: 4/2018 3 Bass NM et al. N Engl J Med 2010;362: 1071-1081 4 Mullen KD et al. Clin Gastroenterol Hepatol 2014;12:1390-1397 5 Salehi S et al. EASL – The International Liver congress 2018, Poster 6 Du Pont HL. Mini Rev Med Chem 2015; 16:200-205 7 Du Pont HL. Mayo Clin Proc 2015;90: 1116-1124 8 Kang SH et al. Aliment Pharmacol Ther 2017;46:845-855 9 Sanyal A et al. Aliment Pharmacol Ther 2011;34:853-861

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Mit UMPneurax® erweitert neuraxpharm sein Produktportfolio der neurotropen Nahrungsergänzungsmittel. Die neue Nährstoffkombination aus 50 mg natürlichem Uridinmonophosphat (UMP), 400 µg Folsäure und 30 µg Vitamin B12 enthält wichtige Substanzen für die Teilung und Neubildung von Nervenzellen. UMP spielt eine zentrale Rolle bei der endogenen Synthese von DNA und RNA und besitzt vielfältige Funktionen im neuronalen Zellstoffwechsel und der Zellregeneration. Der für die Bildung neuer Nervenzellen verstärkte Bedarf an dem im Organismus vorkommenden zyklischen Nukleotid kann durch externe Zufuhr von natürlichem UMP gedeckt werden. Folsäure ist ebenfalls wichtig für die Zellneubildung und wird wie das neurotrope Vitamin B12 für eine funktionierende Zellteilung benötigt. Vitamin B12 trägt darüber hinaus zu einer normalen Funktion des Nerven- und Immunsystems bei. In UMPneurax® liegen Folsäure und Vitamin B12 in den bioaktiven Formen Methyl-Folat bzw. Methyl-Cobalamin vor und stehen somit, genauso wie das natürliche UMP, dem Organismus direkt zur Verfügung. Die Einnahme von UMPneurax® erfolgt einmal täglich. Die Tabletten sind glutenfrei und aufgrund fehlender tierischer Bestandteile auch für Veganer geeignet. S. M.

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eutschland gehört zu den Staaten mit dem höchsten Tabakkonsum weltweit [1]. Knapp 20 Millionen Erwachsene in Deutschland rauchen [2], dabei ist der Anteil der Raucher unter Männern zwischen 18 und 79 Jahren mit rund 33 % höher als unter Frauen (27 %). Bei jüngeren Erwachsenen ist der Raucheranteil am höchsten: 47 % der 18- bis 29-jährigen Männer und 40 % der Frauen in dieser Altersspanne rauchen [2], obwohl die schädlichen Auswirkungen mittlerweile jedem bekannt sein dürften. Gesundheitliche Folgen des Tabakkonsums

Rauchen schädigt nahezu jedes Organ im Körper. Zigarettenrauch enthält über 4.000 unterschiedliche Substanzen, von denen über 50 als kanzerogen identifiziert sind. Rauchen führt zu einer komplexen Veränderung der zellulären und humoralen Immunantwort, was letztlich das Auftreten respiratorischer und systemischer Infektionen sowie die Karzinogenese begünstigt. Besonders stark betroffen sind die Atemwege und das HerzKreislauf-System. So ist Rauchen die häufigste Ursache für die Entwicklung chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen (COPD). Im schlimmsten Fall ist Rauchen tödlich – jeder siebte Deutsche stirbt an den Folgen der Nikotinsucht [3]. Insgesamt sind rund 80 – 90 % der COPD-Erkrankungen direkt auf das Rauchen zurückzuführen. Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie ist darum ein unverzüglicher Rauchstopp das wirksamste und kosteneffektivste Mittel, um eine COPD zu vermeiden oder um deren Verschlechterung zu verhindern [4].

Rauchentwöhnung – Relevanz, Hürden und Optionen

Doch die Umsetzung dieser Empfehlung gestaltet sich sehr schwierig, denn Rauchen entwickelt sich schnell zur Sucht. Nikotin und andere Tabakinhaltsstoffe bewirken im Gehirn unter anderem eine Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin, der ein subjektives Gefühl von Wohlbefinden und Lust erzeugt. Der menschliche Körper gewöhnt sich schnell an die Nikotinzufuhr und im Gehirn werden vermehrt Nikotin-Rezeptoren gebildet, sodass das körperliche Verlangen nach Nikotin weiter zunimmt. Bei regelmäßigem Ta­ bakkonsum wird vom Organismus immer mehr Nikotin benötigt, um Entzugssymptome zu vermeiden [5]. Als Substanzabhängigkeit und Suchterkrankung muss der Tabakkonsum deshalb entsprechend medizinisch behandelt werden. Insbesondere für COPD-Patienten gilt: Die aussichtsreichste Methode, um langfristig abstinent zu bleiben, ist die Rauchentwöhnung unter ärztlicher und psychologischer Anleitung [6]. Verbindet man eine medikamentöse Therapie mit psychologischen Behandlungsformen, erhöhen sich die Abstinenzaussichten bei Patienten mit einer COPD erheblich. Daher ist diese therapeutische Kombination auch Bestandteil der aktuellen S3-Leitlinien [4].

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Nichtraucherpolitik in Deutschland hinkt weltweiter Entwicklung hinterher

Trotz der Leitlinienempfehlung, eine professionelle Rauchentwöhnung bei abhängigen und gesundheitlich belasteten Patienten im Regelfall mittels medikamentöser und psychotherapeutischer Methoden durchzuführen, ist die Situation in Deutschland grundlegend anders als z.B. im europäischen Umfeld: Gemäß § 34 Abs. 1 S. 7 SGB V sind auch formell zugelassene und verschreibungspflichtige Arzneimittel zur medikamentösen Rauchentwöhnung von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Die informelle Bezeichnung des § 34 Abs. 1 S. 7 SGB V als „LifestyleParagraph“ vermittelt dabei den Eindruck, Tabakabhängigkeit sei lediglich ein Frage des Lebensstils und keinesfalls eine Krankheit. Die Bedeutung und die Konsequenzen einer Nikotinsucht sowohl für den einzelnen Patienten als auch für die Gesellschaft werden so nicht ganzheitlich erfasst. Deutschlands Nichtraucherpolitik bleibt damit hinter der weltweiten Entwicklung zurück: Die Tobacco Control Scale (TCS) vergibt in ihrem Ranking 100 Punkte für die Umsetzung wirksamer Stra© VERLAG PERFUSION GMBH


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tegien der Tabakkontrolle. Darin belegt Deutschland mit 37 Punkten im europäischen Vergleich den vorletzten Platz, nur Österreich ist schlechter. Auch bei den darin enthaltenen Programmen zur Rauchentwöhnung schneidet Deutschland schlecht ab – wichtiges Bewertungskriterium ist dabei die kostenfreie Unterstützung bei den verschiedenen Maßnahmen zur Rauchentwöhnung [7]. Dabei kann die Rauchentwöhnung dem Gesundheitssystem bares Geld sparen. Ob medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlungsformen, Maßnahmen zur Rauchentwöhnung gehören zu den kosteneffektivsten gesundheitlichen Interventionen überhaupt [4]. Auf mehr als 33 Milliarden Euro werden die Kosten durch tabakbedingte Krankheiten und Todesfälle pro Jahr in Deutschland geschätzt [8]. Davon entfallen etwa ein Drittel der Kosten direkt auf das Gesundheitswesen und etwa zwei Drittel auf „indirekte Kosten“ wie Produktionsausfälle und Frühverrentungen. Medikamentös unterstützte Rauchentwöhnung mit Vareniclin

Entwöhnungskonzepte, die sowohl eine medikamentöse als auch eine psychosoziale Unterstützung umfassen, haben sich als besonders effektiv erwiesen [4]. Durch die Behandlung mit Nikotinersatzprodukten, dem Antidepressivum Bupropion oder dem Goldregenderivat Vareniclin sollen die Entzugssymptome gemildert und das „Umlernen“ erleichtert werden. Vareniclin (Champix®), das seit 2007 für die Tabakentwöhnung in Deutschland zur Verfügung steht, bindet mit größerer Affinität als Nikotin an die neuronalen Re-

zeptoren, die den beim Rauchen verspürten Belohnungseffekt auslösen. Dadurch werden die Symptome des Craving gelindert und das Genussempfinden bei „Rückfällen“ unterbunden [9]. Eine Metaanalyse mit 146 Studien, in der Placebo, Nikotinersatztherapie einzeln und kombiniert sowie Vareniclin und Bupropion untereinander verglichen wurden, zeigte nicht nur eine klare Überlegenheit der medikamentösen Unterstützung gegenüber Placebo, sondern identifizierte auch Vareniclin als die wirksamste Substanz [10]. In den publizierten randomisierten Studien wurden zudem keine Hinweise auf schwerwiegende Nebenwirkungen von Vareniclin gefunden. Insbesondere haben Raucher, die mit Unterstützung von Vareniclin eine dauerhafte Nikotinab­stinenz erreichen möchten, während oder nach der Behandlung kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE = kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt und nicht tödlicher Schlaganfall). Dies belegt eine aktuelle Studie, die das kardiovaskuläre Risiko bei 8.058 Rauchern untersuchte, die entweder mit Vareniclin, Bupro­pion, Nikotinpflaster oder Placebo behandelt worden waren [11]. Die Ergebnisse zeigen eine niedrige MACE-Inzidenz (<0,5 %) während der Behandlung und dem Follow-up, wobei es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsarmen gab. Gleiches galt für Veränderungen beim Blutdruck oder der Herzfrequenz. Auch bei der Zeit bis zum Einsetzen eines schweren kardiovaskulären Ereignisses zeigte sich weder unter Vareniclin noch unter Bupropion ein signifikanter Unterschied gegenüber Placebo (Vareniclin: HR: 0,29; 95%-KI:

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0,05 – 1,68; Bupropion: HR: 0,50; 95%-KI: 0,10 – 2,50) [11]. Diese Ergebnisse untermauern die Sicherheit von Vareniclin und widerlegen die – leider noch immer – unter den Patienten kursierende Falschmeldung, dass sich bei Einnahme von Champix® das kardiovaskuläre Risiko erhöht. Der entsprechende Warnhinweis wurde bereits 2016 aus der Fachinformation entfernt. Mittlerweile hat sich Champix® als wirksame und gut verträgliche Option zur Unterstützung der Rauchentwöhnung etabliert. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Tobacco Atlas (2017): Cigarette use globally. Im Internet: http://www.tobaccoatlas.org/topic/cigarette-use-globally/ 2 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Raucherquote bei Erwachsenen. Im Internet: http://www.rauchfrei-info.de/informieren/verbreitung-desrauchens/raucherquote-bei-erwachsenen/ 3 Deutsches Krebsforschungszentrum – Stiftung des öffentlichen Rechts. Gesundheitliche Folgen des Rauchens. Im Internet: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Gesundheitliche_Folgen_des_Rauchens.html 4 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (2013). S3Leitlinie: Tabakentwöhnung bei COPD. Im Internet: http://www.awmf.org/leitlinien/ detail/ll/020-005.html 5 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (2017): Tabak. Im Internet: http://www. dhs.de/suchtstoffeverhalten/tabak.html 6 Ärztezeitung (2010). Raucherentwöhnung – bei COPD die wichtigste Maßnahme. Im Internet: http://www.aerztezeitung.de/extras/druckansicht/?sid=596198&p id=603109 7 Joossens L, Raw M (2016). The Tobacco Control Scale 2016 in Europe. Im Internet: http://www.tobaccocontrolscale.org/wpcontent/uploads/2017/03/TCS-2016-in-Europe-COMPLETE-LoRes.pdf 8 Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) (2009): Die Kosten des Rauchens für Gesundheitswesen und Volkswirtschaft in Deutschland. Im Internet: https://www. dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/AdWfP/AdWfP_Die_Kosten_ des_Rauchens.pdf 9 Fachinformation Champix®; Stand: September 2018 10 Mills EJ et al. Ann Med 2012;44:588-597 11 Benowitz NL et al. JAMA Intern Med 2018;178:622-631

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as im Jahr 1973 durch Dr. William Sly beschriebene Syndrom ist eine seltene autosomal-rezessiv vererbte lysosomale Speicherkrankheit und eine von 11 verschiedenen Mukopolysaccharidosen (Mukopolysaccharidose Typ VII, MPS VII). MPS VII wird durch einen Mangel an Beta-Glukuronidase ausgelöst, einem Enzym, das am Abbau der Glykosaminoglykane (GAG) Dermatan-, Chondroitin- und Heparansulfat beteiligt ist. Diese komplexen Kohlenhydratverbindungen sind wichtige Bestandteile vieler Gewebe. Der beeinträchtigte Abbau von GAG führt zu einer fortschreitenden Akkumulation dieser Substanzen in vielen Geweben und Organen und kann dort erhebliche Schäden verursachen. Die klinische Symptomatik dieser Stoffwechselerkrankung ist vielfältig und kann individuell sehr variabel sein. Es gibt Patienten mit schweren multisystemischen Organschäden und kognitiver Beeinträchtigung genauso wie Patienten mit nur leichter Organbeteiligung und fast normaler Intelligenz. Die Schwere der Frühsymptome lässt aber keine Rückschlüsse auf die Schwere des gesamten Krankheitsverlaufs zu. Auch bei Patienten, die zunächst normal erscheinen und keine augenscheinlichen oder ausgeprägten Symptome haben, kann die Krankheit später einen dramatischen Verlauf nehmen. Da es sich um eine progredient verlaufende Erkrankung handelt, sollten alle Patienten, bei denen per Enzymtest (s.u.) MPS VII festgestellt wurde, so früh wie möglich behandelt werden. Mit der Zulassung der Enzymersatztherapie Vestronidase alfa (Mepsevii®) steht dafür ab sofort eine kausale Behandlungsoption in Deutschland zur Verfügung.

Morbus Sly: Selten, aber ab sofort kausal behandelbar!

Eine Krankheit mit vielen Gesichtern

Zu den äußeren Merkmalen der MPS VII zählen Kleinwuchs sowie ein typisches Erscheinungsbild mit rundlichem Gesicht, rosigen Wangen, kurzem Hals, breiter Nase, dicken Lippen und vergrößerter Zunge. Die GlykosaminoglykanAkkumulation führt zudem zu Schäden an Skelettsystem, Augen, Leber, Milz, Herz, Lunge und zentralem Nervensystem. Montaño und Mitarbeiter haben die Sym­ ptome von insgesamt 56 Patienten mit MPS VII aus 11 Ländern ausgewertet (Abb. 1) [1]. Bei 41 % der Patienten mit MPS VII tritt ein Hydrops fetalis (abnorme Flüssigkeitsansammlung in 2 oder mehr Kompartimenten des Fetus) auf [1]. Ein Großteil dieser Patienten verstirbt pränatal oder innerhalb des ersten Lebensjahres (in der genannten Auswertung sind 10 von 23 Patienten mit Hydrops fetalis pränatal oder innerhalb des ersten Lebensjahres verstorben, so­dass hier keine weiteren Symptome ausgewertet werden konnten). Patienten, die nicht an einem Hydrops fetalis versterben, können im weiteren Verlauf sowohl milde als auch schwere Symptome entwickeln. Die Präsenz eines Hydrops fetalis erlaubt daher keine Prognose über den weiteren Krankheits-

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verlauf – aber ein Hydrops fetalis sollte für Ärzte ein Alarmsignal sein, an eine MPS VII zu denken. Vom Verdacht zur Diagnose

Eine Analyse der Glykosaminoglykan-Ausscheidung im Urin kann einen ersten Hinweis auf eine MPS VII geben. Durch Messung der Aktivität der Beta-Glukuronidase mittels Trockenblutkarten lässt sich die Diagnose dann einfach und eindeutig stellen. Diese können Ärzte kostenlos anfordern unter: https://ultragenyx.de/service/diagnostischer-service. Der Enzymtest untersucht das Blut auf alle MPS-Typen, für die es kausale Therapieoptionen gibt (MPS I, II, IVa, VI und VII). Eine molekulargenetische Untersuchung ist für die Diagnose nicht zwingend erforderlich. Da die Symptome einer MPS VII denen der MPS I und MPS II sehr ähnlich sein können, lohnt es durchaus auch, MPS I- oder -IIVerdachtsfälle ohne bestätigte Diagnose auf MPS VII zu testen. Chance auf bessere Prognose durch frühe Therapie

Da es keine kurative Therapie für die MPS VII gibt, ist das oberste © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Anhaltende Verbesserungen unter der Enzymersatztherapie

Abbildung 1: Klinische Symptome der MPS VII [1].

Therapieziel, den Krankheitsverlauf aufzuhalten bzw. abzumildern. Angesichts der Progredienz der Erkrankung sollte mit der Enzymersatztherapie möglichst früh begonnen werden. In die Behandlung sind Ärzte verschiedener Disziplinen involviert: Pädiater, HNOÄrzte, Anästhesisten, Orthopäden, Neuropädiater, Kardiologen, Ophthalmologen, Physiotherapeuten,

Psychologen und Genetiker. Sie alle sind gefordert, die Betroffenen bestmöglich zu versorgen. Idealerweise sollten die Patienten an ein erfahrenes Zentrum angebunden sein, das die Koordination der verschiedenen Disziplinen übernimmt. Expertenzentren für MPS finden Ärzte unter http://mpsev.de/ mps/leben-mit-mps-ml/klinikenund-therapeuten.

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Die Effekte der Enyzmersatztherapie mit Vestronidase alfa (Mepsevii®) untersuchten Harmatz et al. in einer nach einem neuen Verfahren verblindeten randomisierten Studie (Blind-Start-Studie der Phase III mit Single-Crossover-Design) bei 12 Patienten mit MPS VII [2]. Davon waren 4 männlich und 8 weiblich im Alter von 8 – 25 Jahren (Medianwert 14 Jahre). 9 Patienten waren jünger als 18 Jahre. Alle Patienten wurden über 24 – 48 Wochen alle 2 Wochen mit 4 mg/kg Vestronidase alfa nach dem SingleCrossover-Design behandelt. Schon nach zweiwöchiger Enzym­ ersatztherapie war bei allen 12 Studienteilnehmern die Glykosaminoglykan-Ausscheidung signifikant verringert – ein Effekt, der über die gesamte Behandlungsdauer von bis zu 48 Wochen anhielt. Bei 10 der 12 Patienten wurde mindestens eine Verbesserung der folgenden Parameter beobachtet: 6-MinutenGehtest, forcierte Vitalkapazität, Schulterflexion, Sehschärfe, Groboder Feinmotorik, Fatigue. Auf Basis dieser Studienergebnisse wurde Mepsevii® bereits im November 2017 durch die U.S. Food and Drug Administration (FDA) und jetzt auch von der EUKommission für die Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit MPS VII zugelassen [3]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Montaño AM et al. J Med Genet 2016; 53:403-418 2 Harmatz P et al. Mol Genet Metab 2018; 123:488-494 3 Fachinformation Mepsevii®; Stand: August 2018

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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E

twa 30  % der von einer schweren Hämophilie A betroffenen Menschen bilden unter der bisherigen Substitutionsbehandlung Inhibitoren gegen den applizierten Gerinnungsfaktor VIII (FVIII), sodass dieser neutralisiert wird [1]. Zurzeit werden in diesen Fällen Bypass-Produkte eingesetzt, die bis zu mehrmals täglich intravenös gespritzt werden müssen. Dennoch können Blutungsereignisse und deren langfristige Folgen, insbesondere Gelenkschäden, oftmals nicht verhindert werden. Mit Emicizumab (Hemlibra®) wurde im Februar 2018 ein neuer Wirkstoff zugelassen, der eine zuvor nie gezeigte Wirksamkeit mit einer einfachen Anwendung vereint [2]. Bei nur einmal wöchentlicher subkutaner Applikation von Emicizumab war in den Studien HAVEN 1 und HAVEN 2 eine so deutliche Reduktion der Blutungsraten nachweisbar, wie sie in den untersuchten Patientengruppen bis jetzt nicht erreicht werden konnte [3, 4]. Innovatives Wirkprinzip

Der monoklonale, bispezifische Antikörper stellt einen völlig neuen Behandlungsansatz in der Therapie von Menschen mit Hämophilie A dar und unterscheidet sich damit grundlegend von der Substitutionstherapie mit FaktorVIII-Präparaten: Er übernimmt die Funktion von FVIII in der Gerinnungskaskade. Durch seine bispezifische Bindungsaktivität bringt er die Gerinnungsfaktoren IXa und X zusammen, sodass Faktor X aktiviert und die Gerinnungskaskade – auch in Gegenwart von Inhibitoren – weiter ablaufen kann [5]. Gegen Emicizumab selbst wurde

Emicizumab – eine neue Option zur Therapie der Hämophilie A mit Inhibitoren

in keiner der zulassungsrelevanten Phase-III-Studien eine Bildung von Inhibitoren beobachtet [3, 4]. Mehrzahl der Studienteilnehmer ohne behandlungsbedürftige Blutungen

Die Zulassung von Emicizumab basiert auf zwei Phase-III-Studien mit Patienten mit Hämophilie A und Inhibitoren im Alter von ≥12 Jahren (HAVEN 1) [3] und <12 Jahren (HAVEN 2) [4]. In beiden Studien wurde Emicizumab einmal wöchentlich subkutan verabreicht, was aufgrund der sehr langen Halbwertszeit von 28 – 34 Tagen möglich ist. Sowohl in HAVEN 1 als auch in HAVEN 2 wurde das hohe hämostyptische Potenzial von Emicizumab nachgewiesen. In der HAVEN 1-Studie sank bei erwachsenen und jugendlichen Hämophilie-A-Patienten mit Inhibitoren (n = 109) unter Emicizumab die jährliche Blutungsrate (annualized bleeding rate, ABR) gegenüber der Vergleichsgruppe signifikant um 87 % (p < 0,0001) [3]. Vor Studienbeginn hatten die Patienten Bypass-Medikamente nach Bedarf erhalten und waren dann entweder dem Arm mit Emicizumab als Prophylaxe oder dem anderen Arm ohne Prophylaxe zugeordnet worden. Die Reduktion der Ereignis-

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se war für alle untersuchten Blutungstypen – Spontanblutungen, Gelenkblutungen und Blutungen in wiederholt betroffenen Gelenken (Zielgelenken) – nachweisbar. Bei 62,9 % der Teilnehmer mit Emicizumab-Prophylaxe traten im 24-wöchigen Beobachtungszeitraum keine Blutungsereignisse auf, in der Gruppe ohne Prophylaxe dagegen bei nur 5,6 % [3]. Patienten, die vor Studienbeginn im Rahmen einer nicht interventionellen Studie eine Prophylaxe mit Bypass-Produkten erhielten, hatten nach Einstellung auf Emicizumab in einem Intra-PatientenVergleich eine um 79 % signifikant reduzierte ABR (p < 0,0003). In dieser Gruppe blieben 70,8 % der Teilnehmer ohne Blutungsereignis [6]. Eindrucksvolle Resultate auch bei Kindern

Bei Kindern unter 12 Jahren mit Hämophilie A und Inhibitoren gegen Faktor VIII (n = 60) fielen die Resultate in HAVEN 2 noch günstiger aus [4]: Bei 87 % der Kinder unter Emicizumab-Prophylaxe wurden in einer Interimsanalyse keine behandelten Blutungen erfasst (95%-KI: 66,4 – 97,2). Ein intraindividueller Vergleich (n = 13) zeigte zudem, dass Emicizumab © VERLAG PERFUSION GMBH


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bei Kindern, die zuvor mit einem Bypass-Medikament (bedarfsabhängig oder prophylaktisch) behandelt worden waren, die Anzahl behandelter Blutungen klinisch relevant um 99 % (RR: 0,01; 95%KI: 0,004 – 0,044) verringerte [4]. In beiden Studien zeigte Emicizumab ein vorteilhaftes NutzenRisiko-Profil. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen, die bei ≥10 % der Teilnehmer nach subkutaner Anwendung von Emicizumab auftraten, zählten Reaktionen an der Einstichstelle, Kopfschmerz und Arthralgie [3, 4]. Fazit für die Praxis

Der bispezifische Antikörper Emicizumab hat in Studien gezeigt, dass er Blutungsereignisse wirksam reduzieren oder vermeiden kann. Seine nur einmal wöchentlich subkutane Anwendung bedeutet darüber hinaus eine große Entlastung gegenüber den häufigen intravenösen Gaben von BypassPräparaten. Daher wird die neue Therapieoption den Patienten und ihren Angehörigen den alltäglichen Umgang mit der Erkrankung sehr erleichtern. Brigitte Söllner, Erlangen

Literatur 1 Tagariello G et al. J Hematol Oncol 2013; 6:63 2 Fachinformation Hemlibra®; Stand: März 2018 3 Oldenburg J et al. N Engl J Med 2017; 377:809-818 4 Young G. Oral Communication Session, OC 24.1, Hemorrhagic Disorders: Pediatric Aspects, 10.07.2017, ISTH 2017 5 Sampei Z et al. PLoS One 2013;8:e57479 6 Oldenburg J. Abstract Symposia Session, 10.07.2017, ISTH 2017

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Metreleptin – das erste Medikament zur kausalen Therapie des Leptinmangels bei Lipodystrophie

B

ei jungen Patienten mit Gedeihstörungen, Verdacht auf eine Essverhaltensstörung und/oder mit einer frühen Entwicklung einer nicht alkoholischen Fettleber könnte auch eine seltene Stoffwechselerkrankung, die generalisierte oder partielle Lipodystrophie, die Ursache sein [1]. Dabei handelt es sich um eine schwerwiegende und unheilbare Krankheit, bei der die Fähigkeit zur Fettspeicherung im Unterhautfettgewebe beeinträchtigt ist. Die körperliche Untersuchung kann hier entscheidende Hinweise geben, da durch den Mangel oder Verlust des subkutanen Fettgewebes ein auffälliger Habitus vorliegt. Je nach Ausmaß der Störung werden 2 Formen unterschieden: Bei der generalisierten Lipodystrophie (GL) fehlt das subkutane Fett am ganzen Körper, während es bei der partielle Lipodystrophie (PL) neben einem teilweisen Verlust an Unterhautfettgewebe auch zu einer ungewöhnlichen Fettverteilung kommt [2]. Beide Formen können entweder angeboren oder erworben (z.B. durch eine Autoimmunerkrankung) sein, was nicht zuletzt zu einem heterogenen Erscheinungsbild führen kann – ein entscheidender Grund, warum Betroffene im Praxisalltag oft übersehen oder verkannt werden.

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Lipodystrophie, eine komplexe Erkrankung mit vielen Gesichtern

Die Veränderung des Fettgewebes führt einerseits zu einer verminderten Fettspeicherkapazität, andererseits aber auch zu einem Leptinmangel, da dieses Hormon von den Fettzellen gebildet wird. Neben seiner Funktion als Sättigungshormon spielt Leptin eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Abbaus von Fetten und Zuckern im Körper. Da das Fettgewebe als Speicher für die mit der Nahrung aufgenommenen Fette fehlt, kommt es zu einer Fettanreicherung im Blut und in verschiedenen Organen, insbesondere der Leber und den Muskeln, mit der Gefahr gravierender Organschäden. Häufig sind assoziierte Lebererkrankungen, am meisten verbreitet sind Hepatomegalie (86 % GL, 60 % PL), Steatosis hepatis (79 % GL, 67 % PL) sowie Leberzirrhose (14 % GL, 1 % PL) [3]. Weitere schwerwiegende Komplikationen der Lipodystrophie sind renale (Proteinurie, Nephropathie) und kardiovaskuläre (Herzrhythmusstörungen, Kardiomyopathie) Erkrankungen [3]. Zudem entwickeln die Patienten häufig schwer therapierbare Stoffwechselstörungen, vor allem Insulinresistenz, Diabetes mellitus und Hypertriglyzeridämie (Abb. 1) [1]. Unbehandelt © VERLAG PERFUSION GMBH


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Polyzystisches Ovarialsyndrom Diabetes

Acanthosis nigricans

EP

TIN

MANG

E

L

L

INSULIN RESISTENZ

Mangel an subkutanem Fettgewebe

HYPERPHAGIE

HYPERTRIGLYZERIDÄMIE

Pankreatitis

Herz-Kreislauf Erkrankung

EKTOPISCHE FETTSPEICHERUNG

Schwere Organschädigungen (Leber, Niere, Herz)

Abbildung 1: Folgen des bei Lipodystrophie auftretenden Leptinmangels [1].

können die Folgeerkrankungen lebensbedrohlich sein und zu einem vorzeitigen Tod der Betroffenen führen [4, 5]. Umso wichtiger ist es, Lipodystrophie-Patienten frühzeitig zu erkennen und exakt zu befunden, um dem Krankheitsprogress durch Einleiten einer adäquaten Therapie entgegenzuwirken. Grenzen der rein symptomatischen Therapie

Neben einer geeigneten diätetischen Ernährung und regelmäßiger körperlicher Bewegung kamen bislang vor allem Therapeutika zum Einsatz, die bei den häufig assoziierten Stoffwechselstörungen ansetzten und die damit verbundenen Komplikationen linderten. Diese symptomatischen Behandlungsmöglichkeiten erschöpfen sich jedoch meist schnell – eine gezielte Therapie, die dem komplexen Wesen der Lipodystrophie entspricht,

fehlte bislang. Mit der Zulassung von Metreleptin (Myalepta®), einem Analogon des menschlichen Hormons Leptin, steht nun EUweit eine Leptin-Ersatztherapie zur Verfügung, die erstmals eine kausale Therapie der Lipodystrophie erlaubt [6]. Leptin-Analogon zur kausalen Behandlung

Das rekombinante humane LeptinAnalogon Metreleptin imitiert die physiologischen Wirkungen von Leptin durch Bindung und Aktivierung des humanen Leptin-Rezeptors, wodurch der Fettabbau in Blut, Muskeln und Leber gefördert und damit einige der Anomalien bei Patienten mit Lipodystrophie, einschließlich Insulinresistenz signifikant verbessert bzw. teilweise behoben werden können. Der Wirkstoff stellt jedoch das Fettgewebe unter der Haut nicht wieder her [6].

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Zugelassen ist Metreleptin in Kombination mit einer Diät zur Behandlung der Folgen eines Leptinmangels bei Patienten mit Lipodystrophie (LD): • mit bestätigter angeborener generalisierter LD (Berardinelli-Seip-Syndrom) oder erworbener generalisierter LD (Lawrence-Syndrom) bei Erwachsenen und Kindern ab 2 Jahren • bei bestätigter familiärer partieller LD oder erworbener partieller LD (Barraquer-SimonsSyndrom) bei Erwachsenen und Kinder ab 12 Jahren, bei denen durch Standardbehandlungen keine angemessene Einstellung des Stoffwechsels erreicht werden konnte [6]. Myalepta wird als tägliche Injektion unter die Haut des Bauchs, des Oberschenkels oder des Oberarms stets etwa zur selben Tageszeit appliziert, was unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen kann. Die empfohlene tägliche Dosis ist abhängig vom Körpergewicht des Patienten und wird basierend auf dem Ansprechen des Patienten auf die Behandlung angepasst. Nach entsprechender Einweisung können die Patienten oder Betreuungspersonen das Arzneimittel selbst injizieren [6]. Senkung der Blutfette, Verbesserung der Insulinresistenz

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Metreleptin wurden in 2 einarmigen Zulassungsstudien bei insgesamt 107 Erwachsenen und Kindern mit generalisierter oder partieller Lipodystrophie untersucht. Nach 12-monatiger Behandlung sanken die Konzentrationen der Triglyzeride im Blut bei Patienten mit generalisierter Lipo­ © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Alle GL Patienten

Alle GL Patienten 35-

109-

30-

8,6

Durchschnittl. Nüchtern-Triglyzeride (mmol/L)

8-

-2,2

Durchschnittl. HbA1c (%)

76-

6,4

543210Baseline

252015-

14,7 -32,1 %

10-

Durchschnittl. Veränderung auf Patientenebene

5-

4,5 0-

Monat 12

Baseline

n=59, p<0,001

Monat 12

n=58, p=0,001

Abbildung 2: Ergebnisse für die kombinierten primären Endpunkte: Änderung von HbA1c und Nüchtern-Triglyzeriden bei Patienten mit generalisierter Lipodystrophie (GL) nach 12 Monaten Behandlung mit Metreleptin (Myalepta®) [6].

Anteil GL/PL Patienten mit Symptomverbesserung durch Metreleptinbehandlung*

Hyperphagie

GL PL

Beeinträchtigtes Erscheinungsbild Hypertension Nierenabnormalitäten Leberabnormalitäten Pankreatitis Verlust der Arbeits-/ oder Schulfähigkeit

dystrophie von ca. 14,7 mmol/l auf ca. 4,5 mmol/l und bei Patienten mit partieller Lipodystrophie von 15,7 mmol/l auf 5,9 mmol/l. Die Insulinresistenz wurde ebenfalls verbessert: Der HbA1c-Wert verringerte sich von 8,6 % auf 6,4 % bei Patienten mit generalisierter Lipodystrophie und von 8,8  % auf 8,0 % bei Patienten mit partieller Lipodystrophie (Abb. 2) [6]. Häufige Nebenwirkungen der Leptin-Ersatztherapie waren Gewichtsverlust (17 %), Hypoglykämie (14 %), außerdem verminderter Appetit, Übelkeit, Kopf- und Bauchschmerzen [6]. In einer retrospektiven Studie, in der Daten des National Institute of Health, Bethesda, MD, USA, von 112 mit Metreleptin behandelten Patienten analysiert wurden, zeigten sich sowohl bei Patienten mit generalisierter Lipodystrophie als auch bei Patienten mit partieller Lipodystrophie deutliche Verbesserungen der Folgeerkrankungen (Abb. 3), was eindrücklich die kausale Wirkung der Leptin-Ersatztherapie dokumentiert. Brigitte Söllner, Erlangen

Störung der weiblichen Fortpflanzungsfunktion

Literatur

Diabetes Triglyzeride

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Abbildung 3: Wirkung der Therapie mit Metreleptin (Myalepta®) auf die Folgeerkrankungen, Ergebnisse einer retrospektiven Review-Studie mit 112 Metreleptin-Patienten. * Datenerfassung durch das National Institute of Health, Bethesda, MD, USA. GL = generalisierte Lipodystrophie, PL = partielle Lipodystrophie.

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1 Miehle K et al. Med Gen 2017;29:374-387 2 Brown RJ et al. J Clin Endocrinol Metab 2016;101:4500-4511 3 Akinci B et al. Hepatology 2017; 66: 1254A-1272A 4 Paz-Filho G et al. Metab 2015;64:146-156 5 Van Maldergem L et al. J Med Genet 2002;39:722-733 6 Fachinformation Myalepta®; Stand: 07/2018

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F

ür Patienten mit gastrointestinalen Tumoren haben sich die Therapieoptionen in den letzten Jahren erheblich erweitert. Neben der Chemotherapie hat inzwischen die Targeted Therapie mit Antikörpern einen hohen Stellenwert. So ist der gegen den VEGFRezeptor 2 gerichtete monoklonale Antikörper Ramucirumab (Cyramza®) seit geraumer Zeit Standard in der Zweitlinientherapie fortgeschrittener Adenokarzinome von Magen und gastroösophagealem Übergang (GEJ) sowie des metastasierten Kolorektalkarzinoms (mCRC) [1, 2]. Ramucirumab – beim Magenkarzinom zugelassener Antikörper

Das Magenkarzinom wird mangels eines systematischen Screenings hierzulande oft erst spät diagnostiziert, sodass die palliative Systemtherapie weiterhin einen hohen Stellenwert hat. Dank der Erstlinientherapie mit Dubletten- oder Tripelregimen konnte das Gesamtüberleben (OS) beim metastasierten Magenkarzinom im Vergleich zur alleinigen Supportivtherapie (BSC; best supportive care) deutlich verbessert werden. Auch in der Zweitlinientherapie gab es mit Einführung von Taxanen und Irinotecan mit einer OS-Verlängerung um 1,5 Monate Fortschritte gegenüber BSC [3, 4]. Zwei Phase-III-Studien brachten dann für betroffene Patienten weitere Optionen: Die „LandmarkStudie“ RAINBOW verglich das Zweierregime Ramucirumab plus Paclitaxel bei 665 Patienten mit Adenokarzinomen des Magens und GEJ versus Paclitaxel allein (plus Placebo) nach vorangegangener Erstlinientherapie [5]. Das

Ramucirumab: Etablierter Standard in der Zweitlinientherapie von Magen- und Kolorektalkarzinom Ramucirumab-Paclitaxel-Regime führte mit einer Reduktion des Sterberisikos um ca. 20 % und einer OS-Verlängerung um 2,2 Monate zu einer dramatischen Verbesserung des Outcomes im Vergleich zum Taxan (HR: 0,807; p = 0,017). Mit median 9,6 Monaten wurde mit der Ramucirumab-Kombination das bisher längste OS in einer Studie der zweiten Therapielinie beim Magenkarzinom erreicht. Auch das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde deutlich um 1,5 Monate verlängert (4,0 vs. 2,9 Monate; HR: 0,635; p < 0,0001). Ebenso war das Ansprechen durch die Ramucirumab-Addition signifikant verbessert (28 vs. 16 %; p = 0,0001). Die vergleichsweise gute Wirksamkeit von Ramucirumab als Monotherapie beim Magenkarzinom bestätigte sich in der REGARDStudie, in der der Antikörper zusätzlich zur BSC ebenfalls zu einer signifikanten OS-Verlängerung von 5,2 Monaten gegenüber 3,8 Monaten bei alleiniger BSC führte (HR: 0,776; p = 0,047) [6]. Trotz der intensiveren Therapie blieb die Lebensqualität in beiden Studien erhalten – ein wichtiger Aspekt in der palliativen Situation, der im Praxisalltag reproduzierbar ist. Dank dieser positiven Daten wurden beide Ramucirumab-Regime schnell in die Standardthe-

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rapie des Magenkarzinoms integriert und sind in nationalen und internationalen Leitlinien auf hohem Empfehlungsniveau verankert [7, 8]. Insbesondere das Regime Ramucirumab/Paclitaxel hat im klinischen Alltag einen hohen Stellenwert und ist in der Zweitlinientherapie des Magenkarzinoms fast konkurrenzlos und aktuell nicht wegzudenken. Ramucirumab beim mCRC: auch nach Versagen von Bevacizumab und FOLFOX wirksam

Patienten mit einem im rechten Kolon lokalisierten mCRC und/ oder mutiertem RAS erhalten heute überwiegend eine ErstlinienChemotherapie plus Bevacizumab. Bei Progress ist der Wechsel von Chemotherapie und Antikörper eine effektive Option. Das belegt die RAISE-Studie mit Ramucirumab, in der alle Teilnehmer zuvor bereits mit Bevacizumab und FOLFOX vorbehandelt waren [9]. Auch in dieser RamucirumabStudie wurde eine signifikante OS-Verlängerung erreicht: Nur mit FOLFIRI behandelte Patienten überlebten median 11,7 Monate, die zusätzlich mit dem Antikörper behandelten Teilnehmer dagegen 13,3 Monate, entsprechend einer signifikanten Reduktion des © VERLAG PERFUSION GMBH


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Mortalitätsrisikos um relativ 16 % (HR: 0,844; p = 0,0219). Auch das PFS wurde signifikant um 1,2 Monate verbessert (4,5 vs. 5,7 Monate; HR: 0,793; p < 0,0005). Damit bestätigte sich, dass es bei Progress unter Bevacizumab/ FOLFOX sinnvoll sein kann, einen Switch sowohl bei der Chemotherapie als auch beim Antikörper durchzuführen. Denn aufgrund des breiten antiangiogenen Wirkstoffmechanismus von Ramucirumab, das anders als Bevacizumab nicht nur die Bindung des Liganden VEGF-A, sondern auch von VEGF-C und VEGF-D an den Rezeptor verhindert und so zu einer weitgehenden Inhibition des proangiogenen Signaltransfers führen kann [2], kann eine Effektivität auch nach Bevacizumab-Versagen erreicht werden. Auf Basis der vorliegenden Phase-III-Evidenz ist bei Ramucirumab von einer Effektivität auch nach Versagen einer Bevacizumab-basierten Erstlinie auszugehen. Zudem zeigte Ramucirumab über alle Subgruppen hinweg einen konstanten Nutzen in puncto OS-Verlängerung bei beherrschbarer Chemotherapiebedingter Toxizität [9]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur 1 Presse-Talk ASCO-Jahrestagung 2018, Chicago, 4. Juni 2018 2 Fachinformation Cyramza®; Stand: Januar 2016 3 Kang JH et al. J Clin Oncol 2012;30:15131518 4 Ford HER et al. Lancet Oncol 2014;15:7886 5 Wilke H et al. Lancet Oncol 2014;15: 1224-1235 6 Fuchs CS et al. Lancet 2014;383:31-39 7 NCCN Guideline Gastric Cancer, Version 3.2016 8 Smyth EC et al. Ann Oncol 2016;27(Suppl 5):v38-v49 9 Tabernero J et al. Lancet Oncol 2015;16: 499-508

Immunsuppression: Retardiertes TacrolimusPräparat überzeugt durch flachere und stabile Wirkstoffspiegel

D

ie immunsuppressive Therapie nach Organtransplantation mit Tacrolimus ist heute klinischer Standard. Envarsus® ist ein Tacrolimus-Präparat, das seinen Wirkstoff durch die spezielle MeltDose®-Technologie verzögert freisetzt und so zu flacheren, stabilen Wirkstoffspiegeln im Blut führt. Dadurch können Toxizitätsrisiken durch zu hohe Wirkstoffspiegel reduziert und das Transplantatüberleben durch Vermeidung von Abstoßungen unter zu niedrigen Wirkstoffspiegeln verbessert werden. Besonders Patienten, die eine niedrige Concentration-to-Dose (C/D)-Ratio aufweisen, also zu den sogenannten schnellen Metabolisierern zählen, können von der Therapie mit Envarsus® profitieren. Enges therapeutisches Fenster

Die immunsuppressive Therapie ist heute essenzieller Bestandteil der Transplantationsmedizin, beispielsweise bei der allogenen Nieren- und Lebertransplantation. Der Calcineurininhibitor (CNI) Tacrolimus bildet bereits seit vielen Jahren die Basis der meisten immunsuppressiven Therapieregime. Grund hierfür sind unter anderem die Ergebnisse der MeilensteinStudie SYMPHONY, die 4 medi-

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kamentöse Therapieschemata bei Patienten nach Nierentransplantation (NTx) verglich. Hierbei zeigten sich für das Niedrigdosis-Tacrolimus-Regime im Vergleich zu anderen Regimen (mit Ciclosporin in Standard- bzw. Niedrigdosierung und Niedrigdosis-Sirolimus) ein besseres Transplantatüberleben und weniger akute Abstoßungsreaktionen nach einem Jahr [1]. Das zunächst signifikant bessere Abschneiden des Tacrolimus-Arms war im Langzeitverlauf nicht mehr so ausgeprägt, d.h., das Langzeittransplantatüberleben wird nicht in gleichem Maße verbessert wie das 1-Jahres-Überleben. Grund hierfür ist vermutlich vor allem das enge therapeutische Fenster von Tacrolimus. Eine mögliche Erklärung dafür kann die geringe Resorption des Wirkstoffs und seine schlechte Bioverfügbarkeit sein, die zu einer Unterimmunsuppression oder auf der anderen Seite zur Toxizität führen kann. Hinzu kommt außerdem die hohe intraindividuelle Variabilität der Wirkstoffspiegel. MeltDose®-Technologie für stabile Wirkstoffspiegel

Bei zu hohen Wirkstoffspiegeln droht Toxizität, bei zu geringen eine Transplantatabstoßung. Die in der klinischen Praxis relevan© VERLAG PERFUSION GMBH


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testen toxischen Nebenwirkungen, die bei einer Tacrolimus-Therapie auftreten können, sind Neurotoxizität, wie z.B. das Auftreten von Tremor [2], und Nephrotoxizität. Das therapeutische Fenster von Tacrolimus liegt etwa zwischen 5 ng/ml und 15 ng/ml. Bekannt ist zudem, dass mit einer hohen intraindividuellen Variabilität der Tacrolimus-Talspiegel ein schlechteres Langzeitüberleben assoziiert ist [3]. Zwei wesentliche Faktoren, die diese intraindividuelle Variabilität reduzieren können, sind ein einmal tägliches Einnahmeschema und eine verbesserte Bioverfügbarkeit. Diesen beiden Anforderungen wird das Tacrolimus-Präparat Envarsus® mit seiner innovativen MeltDose®-Technologie gerecht. Beim MeltDose®-Verfahren wird der Wirkstoff zunächst geschmolzen und danach auf die Trägermoleküle aufgesprüht, was zu einer kontrollierten Agglomeration führt. Das entstandene Granulat wird dann in Tablettenform weiterverarbeitet. Das Ergebnis ist eine einmal täglich einzunehmende Tablette mit höherer Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs. Dass Envarsus® tatsächlich in der Praxis ein stabiles, flacheres pharmakokinetisches Profil aufweist, konnte unter anderem in der Phase-II-Studie ASTCOFF [4] an stabil eingestellten NTx-Patienten nachgewiesen werden, die von Prograf®, einem schnell freisetzenden Tacrolimus-Präparat, auf Envarsus® bzw. Advagraf® (Tacrolimus-Formulierung mit verzögerter Freisetzung) umgestellt wurden. Es zeigte sich, dass Patienten unter Envarsus® niedrigere, zeitlich verzögerte Spitzenspiegel

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und geringere Fluktuationen des Wirkstoffspiegels aufwiesen. Dass die vorteilhafte Pharmakokinetik von Envarsus® auch klinische Verbesserungen bewirkt, konnte in der STRATO-Studie [2] gezeigt werden: Hier reduzierte eine Umstellung des Medikationsregimes von einer zweimal täglichen Tacrolimus-Formulierung auf Envarsus® bei 38 NTx-Patienten den Tremor signifikant. Envarsus® stellt somit eine bewährte, innovative TacrolimusFormulierung mit einmal täglicher Gabe dar. Durch die höhere Bioverfügbarkeit wird der Zielwirkstoffspiegel schneller erreicht, was für die Patienten das Potenzial für eine bessere initiale Wirksamkeit, weniger Variabilität des Wirkstoffspiegels und weniger Dosis­ anpassung birgt. Die niedrigeren Spitzenspiegel bedeuten für die Patienten eine Chance auf weniger Tremor und andere mit erhöhten Spitzenspiegeln einhergehende Nebenwirkungen.

Tacrolimus-Metabolismus ist die C/D-Ratio, die sich aus dem gemessenen Tacrolimus-Talspiegel bezogen auf die täglich verabreichte Tacrolimus-Dosis (ng/ml pro mg/d) errechnet. Ist dieser Wert <1,05, handelt es sich bei dem NTx-Patienten um einen schnellen Metabolisierer, bei einem Wert ≥1,05 um einen intermediate oder langsamen Metabolisierer. Ein schneller Tacrolimus-Metabolismus ist unter anderem mit einer schlechteren Nierenfunktion und einem höheren Risiko für Komplikationen wie z.B. Infektionen mit dem BK-Virus (BKV, Humanes Polyomavirus 1) assoziiert [5, 6]. Envarsus® ermöglicht insbesondere bei schnellen Metabolisierern, die ansonsten einem erhöhten Risiko für CNI-Toxizität oder BKV-Infektionen unterliegen, eine individuelle und stabile Tacrolimus-Therapie und somit potenziell eine stabile Nierenfunktion im Langzeitverlauf. Fabian Sandner, Nürnberg

C/D-Ratio – ein MetabolismusMarker für individuelle Tacrolimus-Therapieregime

In der Praxis beeinflussen zahlreiche patientenindividuelle Faktoren wie Alter, Geschlecht, BodyMass-Index, Nahrungsaufnahme, Medikamenteninteraktionen und genetische Faktoren wie Cytochrom-Varianten (z.B. CYP3A4/5Varianten) den Tacrolimus-Metabolismus. Für eine langfristige Therapie sind aber möglichst stabile Wirkstoffspiegel unerlässlich. Ein einfaches Tool zur einfachen Abschätzung des individuellen

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Literatur 1 Ekberg H et al. N Engl J Med 2007;357: 2562-2575 2 Shuker N et al. Transplant Int 2016; 29:1158-1167 3 Tremblay S et al. Am J Transplant 2017; 17:432-442 4 Langone A et al. Clin Transplant 2015;29: 796-805 5 Thölking G et al. PLoS One 2014;9: e111128 6 Thölking G et al. Sci Rep 2016;6:32273

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Hepatitis C mit Strategien zur Mikroelimination besiegen Bis zum Jahr 2030 soll Hepatitis C weltweit eliminiert sein, so das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Anlass zu diesem Bestreben gibt die Einführung moderner DAA-Therapien (DAAs, direct-acting antivirals), durch die Hepatitis C heute bei nahezu allen Patienten heilbar ist*. In den meisten Fällen reicht bereits eine kurze Behandlung: Seit 2017 ermöglicht Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) therapienaiven Hepatitis-C-Patienten ohne Zirrhose und damit dem Großteil aller HepatitisC-Patienten in Deutschland eine 8-wöchige Therapie unabhängig vom Genotyp. Sowohl in klinischen Studien als auch im Behandlungsalltag erzielte Glecaprevir/ Pibrentasvir Heilungsraten von bis zu 100 % bei sehr guter Verträglichkeit. Trotz der großen therapeutischen Fortschritte sind die Probleme noch nicht gelöst. Die aktuelle Herausforderung liegt vor allem darin, betroffene Patienten zu identifizieren und diese einer effektiven Versorgung zuzuführen. Viele Hepatitis-C-Patienten gehören zu Risikogruppen, die schwieriger zu erreichen sind, zum Beispiel Drogenkonsumenten oder Insassen in Justizvollzugsanstalten. Dazu sind maßgeschneiderte Ansätze erforderlich, betonten Experten im Rahmen des Symposiums „Erfolgreich gegen HCV: „Morgen – Heute!“ * Als von einer chronischen Hepatitis C geheilt gelten Patienten, die 12 Wochen nach Behandlungsende ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virologic response, SVR12) aufweisen.

anlässlich der 73. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in München. AbbVie Deutschland setzt sich in verschiedenen Projekten für zielgruppenspezifische Strategien zur Mikroelimination ein, bei der klar definierte Risikogruppen mit hoher Hepatitis-CPrävalenz im Fokus stehen. Beispiele sind die PLUS-Initiative und test²multiply. PLUS-Initiative für intravenös Drogen konsumierende Personen

Ein Ansatz für ein Mikroeliminationsprojekt ist die PLUS-Initiative. PLUS will Drogenkonsumenten, Substituierte und Abstinenzwillige erreichen und deren regionale Gesundheitsversorgung durch eine umfassende Betrachtung der Lebensumstände nachhaltig und strukturell verbessern. „Aktuell sind vier von fünf HCV-Neuinfektionen auf intravenösen Drogenkonsum zurückzuführen“, sagte Professor Christoph Sarrazin, Chefarzt am St. Josefs-Hospital und Leiter des Leberzentrums in Wiesbaden, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberhilfe e.V. und Partner der PLUS-Initiative. „Für Drogenkonsumenten, Sub­ stituierte und Abstinenzwillige ist der Zugang zu innovativen Therapien durch verschiedene Hürden erschwert.“ Hindernisse sind unter anderem die fehlenden Informationen auf Seiten der Patienten, der Drogenberater und der behandelnden Ärzte. Genau das möchte die Initiative beispielsweise in Ludwigshafen verbessern: Die regionale Drogenhilfe, niedergelassene Ärzte und Kliniken sowie Krankenkassen, Patientenorganisationen und das Jobcenter bieten Dro-

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genkonsumenten, Substituierten und Abstinenzwilligen mit Hepatitis C gezielte Angebote zur Stabilisierung sowie Aufklärung an. Das Besondere: Die Suchtbetroffenen werden in die Ausgestaltung der regionalen Projekte einbezogen. Die PLUS-Initiative gibt es bisher in Stuttgart, Ludwigshafen, Hamburg und Wiesbaden. Mainz und Bochum befinden sich in Planung. Der Caritasverband für Stuttgart e.V., die Deutsche Leberhilfe e.V. und AbbVie gründeten das Aktionsbündnis PLUS im Jahr 2015 in Stuttgart als Pilotprojekt. test²multiply: Eliminierung durch Schneeballsystem

Ein weiteres Mikroeliminationsprojekt ist test²multiply, eine regionale Initiative der AIDS Hilfe Aachen e.V. und des Seminarwerks AIDS e.V., das u.a. von AbbVie unterstützt wird. test²multiply bietet in Aachen die Möglichkeit zu einem niedrigschwelligen Testangebot. An festgelegten Tagen und Zeiten können Aachener ohne Voranmeldung einen AntikörperSchnell-Test auf HIV, Hepatitis C und Syphilis machen. Neben einer ausführlichen Beratung und Aufklärung erhält der Getestete mehrere Erinnerungskarten, die an Bekannte, Freunde, Sexualpartner/ innen weitergegeben werden können, um diese ebenfalls für einen Test zu gewinnen. In Zusammenarbeit mit der Universität Maastricht und den Professoren Daniel Deimel und Thorsten Köhler von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen wird das Testprojekt auch wissenschaftlich begleitet. Die Patientengruppe mit einer Hepatitis-C-Virus-Infektion ist sehr heterogen und bringt zum Teil be© VERLAG PERFUSION GMBH


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sondere Therapieherausforderungen mit. Von Glecaprevir/Pibrentasvir können auch Patienten unter einer Opioid-Substitutionstherapie profitieren, ebenso ist die kurze Therapiedauer für die meisten Substitutionspatienten vorteilhaft. Elisabeth Wilhelmi, München

Lebensbedrohendes Prostatakarzinom: Frühzeitig Chemotherapie einleiten! „Bei der Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms (mPC) muss zunächst das Therapieziel definiert werden“, betonte Dr. Amit Bahl, Bristol/Großbritannien, bei seinem Vorttrag auf der „10. Expertise Prostata“ in Berlin, und ergänzte: „Ist davon auszugehen, dass der Patient an seiner metastasierten Erkrankung sterben wird, sollte der Patient alle wirksamen Therapieoptionen inklusive Chemotherapie erhalten.“ Die beste Prognose haben seiner Erfahrung nach die Patienten, wenn sie die Chemotherapie frühzeitig und sowohl Docetaxel als auch Cabazitaxel erhalten. „Es geht in dieser Situation des lebensbedrohenden mPC nicht um die Frage, ob eine Androgenrezeptor-gerichtete Therapie (ARTA) oder eine Chemotherapie eingesetzt werden sollte, sondern darum, dass der Patient im Krankheitsverlauf alle wirksamen Therapieoptionen erhält. Entscheidend ist die Reihenfolge, wann der Patient welche Therapie bekommt“, erläuterte Bahl. Die Chemotherapie muss frühzeitig im Therapieverlauf eingesetzt werden, wenn der Patient noch nicht durch Vortherapien belastet ist und erfahrungsgemäß einen noch

guten Allgemeinzustand aufweist. Frühzeitig eingesetzt, wird die Taxan-Chemotherapie in der Regel gut vertragen; die Lebensqualität bleibt erhalten beziehungsweise bessert sich unter der Tumorkontrolle. Die Wirksamkeit einer nachfolgenden ARTA wird durch die Chemotherapie nicht beeinträchtigt. Vorteile der Chemotherapie sind, dass sie zeitlich begrenzt ist und nicht wie die endokrine Therapie bis zum Progress gegeben wird. Für die Patienten bedeutet dies eine therapiefreie Zeit. Cabazitaxel ist nach Docetaxel die Therapie der Wahl

Die Chemotherapie ist sowohl im hormonnaiven Stadium der metastasierten Erkrankung (mHNPC) als auch beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) eine Standardtherapie: Beim mHNPC hat Docetaxel in Kombination mit der Androgendeprivationstherapie (ADT) die mediane Gesamtüberlebenszeit der Patienten um etwa 15 Monate verlängert. Beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) sind die FirstLine-Behandlung mit Docetaxel und die Weiterbehandlung mit Cabazitaxel (nach Docetaxel-Versagen) wichtige lebensverlängernde Therapieoptionen. Bahl sieht in der Weiterbehandlung mit Cabazitaxel nach Docetaxel-Versagen unabhängig von der Therapielinie eine sinnvolle Option, da Cabazitaxel speziell für diese Situation entwickelt wurde und eine Docetaxel-Resistenz überwinden kann. Das erklärt auch, warum Patienten, die nur kurz oder gar nicht auf Docetaxel ansprechen, eine gute Chance haben, von der Weiterbehandlung mit Cabazitaxel zu profi-

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tieren. Laut Bahl gilt das nicht nur nach der First-Line-Behandlung mit Docetaxel beim mCRPC, sondern auch für Patienten nach ADT/ Docetaxel-Versagen im mHNPCSetting. Retrospektive Analysen beim mCRPC stützen dies. Danach überleben die Patienten am längsten, die im Therapieverlauf Docetaxel und Cabazitaxel direkt hintereinander als geschlossene Taxan-Sequenz erhalten haben und erst nach Cabazitaxel-Versagen auf eine ARTA umgestellt werden. Keine Option sieht Bahl darin, nach einer ARTA erneut eine ARgerichtete Substanz einzusetzen, da zwischen den AR-gerichteten Substanzen eine Kreuzresistenz besteht. Dies muss unabhängig von der Therapielinie bedacht werden. Wurde beispielsweise im mHNPC-Setting ADT/Abirateron eingesetzt, empfiehlt Bahl bei Therapieversagen den Wechsel auf die Chemotherapie. Vorgehen im klinischen Alltag

Bahl mahnte, dass für einen maximalen Therapieerfolg die Chemotherapie, inklusive Cabazitaxel als Therapieoption, nicht verloren gehen darf. Dies muss bei der Therapieentscheidung sowohl im mHNPC-Setting als auch in der Situation des mCRPC beachtet werden. Frühzeitig eingesetzt, wird die Chemotherapie in der Regel gut vertragen und ist gut handhabbar. Keinesfalls sollte riskiert werden, dass der Patient durch die Vortherapie mit einer ARTA nicht mehr Chemotherapie-fähig ist. Die beste Langzeitprognose haben Patienten, die im Verlauf ihrer metastasierten Erkrankung zwei Chemotherapien hintereinander erhalten. Fabian Sandner, Nürnberg © VERLAG PERFUSION GMBH


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Multiple Sklerose: Rückkehr zur Normalität mit Alemtuzumab möglich Bei der schubförmig-remittierenden Multiplen Sklerose (RRMS) ist neben der Verhinderung akuter Schübe und einer Behinderungsprogression eine gute Lebensqualität des Patienten ein wichtiges Therapieziel. Das zeigt sich, wie Professor Uwe Zettl, Rostock, auf einem von Sanofi Genzyme veranstalteten Workshop anmerkte, nicht zuletzt an der seit Jahren zunehmenden Zahl an Publikationen zur Lebensqualität von Patienten mit chronischen Erkrankungen und insbesondere zur Multiplen Sklerose. Um diese Therapieziele zu erreichen, muss die Krankheitsaktivität frühzeitig durch eine wirksame Medikation eingedämmt werden. Einen besonderen Stellenwert hat dabei der Antikörper Alemtuzumab (Lemtrada®). Der Wirkstoff ist indiziert zur Behandlung von Patienten mit aktiver MS und hat sich laut Professor Mark Obermann, Seesen, in klinischen Studien wie auch in der praktischen Anwendung bei konsistentem Sicherheitsprofil als wirksam erwiesen. Stabilisierung der MS und Hinauszögern der Konversion zur SPMS

Besonders bemerkenswert sind nach seiner Darstellung Studiendaten, wonach Alemtuzumab die Konversion der RRMS zur sekundär progredienten MS (SPMS) hemmen kann. Während die Konversionsrate zur SPMS bei therapierten RRMS-Patienten des MSBase-Registers in einem Zeitraum von 6 Jahren bei 18 % lag, waren sie unter Alemtuzumab deutlich

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Alemtuzumab Alemtuzumab (Lentrada®) ist ein monoklonaler Antikörper, der selektiv an CD52 bindet, ein Protein, das auf T-und B-Zellen in großer Menge vorkommt. Die Behandlung mit Alemtuzumab führt zu einer Depletion zirkulierender T- und B-Zellen, von denen man annimmt, dass sie für den schädigenden Entzündungsprozess bei MS verantwortlich sind. Auf andere Immunzellen hat Alemtuzumab nur minimale Auswirkungen. Auf die akute antiinflammatorische Wirkung von Alemtuzumab folgt sofort eine nach einem charakteristischen Muster ablaufende, anhaltende T- und B-Zell-Repopulation. Auf diese Weise kommt es zu einer Reorganisation im Immunsystem, wodurch die MS-Krankheitsaktivität reduziert werden kann. Der monoklonale Antikörper wird in 2 Behandlungsphasen verabreicht. In der ersten Phase wird der Wirkstoff an 5 aufeinanderfolgenden Tagen intravenös infundiert, in der zweiten Behandlungsphase, 12 Monate später, erhält der Patient jeweils eine Infusion an 3 aufeinanderfolgenden Tagen. Die zugelassene Dosis von Alemtuzumab beträgt jeweils 12 mg pro Tag. Zwischen und nach den beiden Behandlungsphasen erfolgt keine krankheitsmodifizierende MS-Therapie. Bei Bedarf sind bis zu 2 zusätzliche Behandlungsphasen möglich, was im Verlauf von 7 Jahren jedoch nur bei 39 % der Patienten der CARE-MS I-Extensionsstudie erforderlich war.

geringer. So konvertierten nur 1,1 % der Patienten in der CAREMS I-Studie (therapienaive Patienten) und 3,7 % in der Care-MS IIStudie (vorbehandelte Patienten) über einen Zeitraum von 6 Jahren unter Alemtuzumab in eine SPMS. Gut dokumentiert durch Studienerfahrungen über nunmehr 7 Jahre sind eine nachhaltige Reduktion der jährlichen Schubrate und eine Stabilisierung und sogar Verbesserung des Behinderungsgrads EDSS (Expanded Disability Status Scale) unter Alemtuzumab. So zeigten 78 % der Patienten in der CARE-MS I-Studie in Jahr 7 einen verbesserten oder stabilen EDSSWert. Außerdem waren 86 % der therapienaiven Patienten in Jahr 7 frei von klinischer Krankheitsaktivität. „Das entspricht einer Stabilisierung der MS mit dem Potenzial zur Verbesserung bereits bestehender Behinderungen“, kommentierte Obermann.

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Gute Option bei Kinderwunsch

Für Alemtuzumab spricht nach seinen Worten ein weiterer Punkt: Der Wirkstoff wird als Impulstherapie mit 2 Behandlungsphasen im Abstand von einem Jahr verabreicht. Er ist nach 30 Tagen nicht mehr im Serum nachweisbar und Frauen mit MS können 4 Monate nach der letzten Behandlungsphase schwanger werden. „Da oftmals Frauen im gebärfähigen Alter an einer MS erkranken, ist es besonders wichtig, eine Therapieoption zu wählen, die es ihnen erlaubt, ihre Familienplanung weitgehend unbeeinträchtigt durch die MS und deren Behandlung realisieren zu können“, betonte Obermann. Alemtuzumab ist nach seiner Erfahrung auch in dieser Hinsicht eine sehr gute Wahl. Das dokumentieren auch die Schwangerschaftsdaten des klinischen Studienprogramms, die keine Hinweise auf ein gegenüber der Normalbevölkerung © VERLAG PERFUSION GMBH


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erhöhtes Risiko für Fehlbildungen oder Geburtsdefekte gaben. Auch die Häufigkeit von Spontanaborten war vergleichbar mit der Rate in der allgemeinen Bevölkerung.

on zu einer SPMS sowie einmal jährlich eine kranielle und spinale Kernspintomographie.

Zeitlich begrenztes Monitoring

Laut Professor Jörg Berrouschot, Altenburg, gibt es somit gute Gründe, bei Patienten mit aktiver MS frühzeitig eine Therapie mit Alemtuzumab in Betracht zu ziehen. Denn die Behandlung zeichnet sich nicht nur durch eine nachhaltige klinische Wirksamkeit und ein konsistentes Sicherheitsprofil aus, sondern trägt außerdem zu einer guten und oftmals verbesserten Lebensqualität bei. „Sie erlaubt es den Patienten, trotz der MS ein meist ganz normales Leben zu führen“, betonte der Neurologe und belegte dies eindrücklich anhand der Kasuistik einer jungen Patientin. Das bestätigen auch Erhebungen zur Lebensqualität, wie Obermann ergänzte: „Während diese bei anderen Therapieoptionen oft im Laufe der Zeit abnimmt, wurde unter Alemtuzumab eine dauerhafte Verbesserung über 6 Jahre gegenüber Baseline dokumentiert. Das betrifft die MS-spezifische wie auch die allgemeine gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie auch das physische und das mentale Wohlbefinden.“ Nach Ansicht von Berrouschot sollten diese Ergebnisse daher auch Niederschlag in den Therapieentscheidungen finden. „Die Behandlung mit Alemtuzumab mindert die Schubrate und die Behinderungsprogression. Sie verbessert oftmals bestehende Behinderungen und steigert die Lebensqualität. Sie erfordert keine Dauerbehandlung – eine Chance, die wir Menschen mit MS nicht verwehren dürfen“, so das Fazit des Neurologen. Elisabeth Wilhelmi, München

Alemtuzumab weist ein konsistentes Sicherheitsprofil auf, das in den Langzeitstudien den Beobachtungen der Zulassungsstudien entspricht. Die häufigsten Nebenwirkungen sind infusionsbedingte Reaktionen, vor allem Kopfschmerzen, Hautausschlag und Fieber sowie Infektionen von leichtem bis mittlerem Schweregrad. Zudem können sekundäre Autoimmunstörungen wie Schilddrüsenerkrankungen (Hyper- und Hypothyreose, bei 36,8 %), idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP, bei 1 %) oder in seltenen Fällen Nephropathien (einschließlich GoodpastureSyndrom, bei 0,4 %) auftreten. Die Anwendung des monoklonalen Antikörpers wird durch ein monatliches Monitoring-Programm begleitet, das zeitlich auf 48 Monate nach Abschluss der letzten Behandlungsphase festgelegt ist. „Wir haben mit diesem Programm gute Erfahrungen gemacht, da eventuell auftretende Nebenwirkungen dadurch frühzeitig zu erkennen und dann gut zu managen sind“, berichtete Obermann. Da Alemtuzumab inzwischen seit 5 Jahren auf dem Markt ist, läuft das Monitoring-Programm bei einigen Patienten derzeit aus. „Die regelmäßigen Blutabnahmen und Kontrolluntersuchungen können damit entfallen. Ich kontrolliere meine Alemtuzumab-Patienten anschließend genauso wie jeden anderen MS-Patienten“, erläuterte Obermann. Dazu gehören die klinische Überwachung im Hinblick auf eine mögliche schleichende Progressi-

Ein Plus an Lebensqualität

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Psoriasis: Potenzial von Methotrexat voll ausschöpfen! Gemäß den aktualisierten deutschen Behandlungsleitlinien wird Methotrexat (MTX) „zur Behandlung der Psoriasis vulgaris 1 × pro Woche vorzugsweise parenteral verabreicht. Die empfohlene Initialdosis ist 15 mg, bei unzureichendem Ansprechen kann auf 20 mg pro Woche gesteigert werden“. Unter Verweis auf diese neue Leitlinie betonte Dr. Peter Weisenseel, Hamburg, im Medac-Mittagsseminar anlässlich der diesjährigen Fortbildungswoche (FOBI) in München, dass sich Wirksamkeit und Persistenz von MTX insbesondere durch Dosierung und Darreichungsform steigern lassen. So ist eine höhere und subkutane Applikation von MTX in der Ini-

Abbildung 1: Durch die Verwendung eines Pens lässt sich die Therapietreue von Psoriasis-Patienten deutlich verbessern (© Medac). © VERLAG PERFUSION GMBH


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Abbildung 2: Der PASI-Verlauf in der METOP-Studie belegt den schnellen Wirkeintritt und die vergleichbare gute Wirksamkeit von subkutanem MTX bei mittelschwerer und schwerer Psoriasis (mod. nach Warren RB et al., Lancet 2017;389:528-537; © medac).

tialtherapie mit einem verbesserten Ansprechen und geringerem Therapieversagen assoziiert. Insbesondere bei Dosierungen ≥15 mg/Woche verbessern Fertigspritze oder Fertigpen die Bioverfügbarkeit. Einen großen Einfluss auf die Compliance und damit das Behandlungsergebnis hat die Applikationsform (Spritze oder Pen). Wie eine Befragung unter Ärzten und Patienten ergab, bewerteten 97 % aller Ärzte und 92 % der Psoriasis-Patienten, die eine Vorerfahrung mit Fertigspritzen hatten, den metex® PEN (Abb. 1) gegenüber einer Fertigspritze als „sehr vorteilhaft“ oder „vorteilhaft“. Diese auf der FOBI als Poster präsentierten Ergebnisse bestätigen die bekannt hohe Wertschätzung aus bisherigen Studien. Methotrexat – bewährte Therapie mit neuen Erkenntnissen

Professor Marc Alexander Radtke, Hamburg, betonte, dass ein konsequenter Einsatz von Methotrexat in

der systemischen medikamentösen Behandlung der Psoriasis mit einer raschen und lang anhaltenden Wirkung, einem günstigen Sicherheitsprofil und der Senkung von kardiovaskulären Risiken belohnt wird. Darüber hinaus werden zu MTX beständig wertvolle neue Erkenntnisse durch klinische Studien und Real-World-Daten aus Registern generiert, die den Stellenwert und Nutzen unterstreichen, insbesondere auch bei den mittelschweren Formen der Psoriasis. So zeigen die Daten aus der METOP-Studie einen positiven PASI-Verlauf unter der Therapie mit subkutan appliziertem MTX sowohl bei schwerer als auch bei mittelschwerer Psoriasis. Bereits nach 16 Wochen hatte sich der Analyse zufolge der PASI bei den schweren Formen von 25 auf 6 und bei den mittelschweren von 14 auf 4,5 reduziert. Nach 52 Wochen lag der PASI nur noch bei 3,2 bzw. 2,4 (Abb. 2). Subkutanes Methotrexat zeichnet sich demnach sowohl bei schweren als auch bei mittelschweren Verläufen durch einen schnellen Wirkeintritt

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aus und ist zudem vergleichbar effektiv und lang anhaltend wirksam. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde die Zulassung für den metex® PEN auf die Behandlung der mittelschweren Psoriasis erweitert. Eine aktuelle Auswertung aus dem deutschen Register PsoBest, die Radke auf der FOBI präsentierte, bestätigt diese Werte. Somit sind auch im Praxisalltag mit PASI 75-Ansprechraten von bis zu 67,2 % nach 52 Wochen sehr gute Behandlungsergebnisse mit einer subkutanen MTX-Monotherapie bei mittelschweren und schweren Psoriasis-Patienten erzielbar. Damit gilt Methotrexat zu Recht als das weltweit am häufigsten zur Behandlung der Schuppenflechte angewendete systemische Arzneimittel und wird von den aktuellen Leitlinien als systemisches First-Line-Therapeutikum für die mittelschwere und schwere Psoriasis empfohlen. Elisabeth Wilhelmi, München

Prophylaxe und Therapie pathologischer Narben „Der kosmetische Anspruch der Patienten an die Ästhetik von Narben ist im Laufe der Zeit stetig gewachsen“, konstatierte der Dermatologe PD Dr. med. Gerd Gauglitz, München, auf einem Mittagsseminar anlässlich der 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI) in München. Basis einer möglichst unauffälligen Narbenbildung ist der fachärztlich optimale operative Verschluss der Läsion. Aber selbst dann kann durch eine effektive Narbentherapie das Ergebnis noch verbessert werden, z.B. bei frischen Narben mit Contractubex® Gel oder dem Contrac© VERLAG PERFUSION GMBH


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tubex® Intensivpatch für die Nacht. Auch hypertrophe Narben oder Keloide sind noch ästhetisch optimierbar. „Sie sind Ausdruck einer pathologisch veränderten Wundheilung mit exzessiver Bildung von Narbengewebe. Auch wenn chirurgisch einwandfrei gearbeitet wurde, kann es dazu kommen“, erklärte Gauglitz. „Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. So existiert eine Assoziation mit dunkler Haut, außerdem wird auch eine genetische Veranlagung vermutet, wobei aber noch kein spezifisch dafür verantwortliches Gen identifiziert wurde.“ Prophylaxe gegen hypertrophe Narbenbildung vom Patienten oft gewünscht

Viele Patienten möchten – auch nach guter chirurgischer Versorgung – selbst etwas für eine präventive Nachbehandlung unternehmen. Denn auf diese Weise können überschießende Narben schon in der Entstehung vermieden werden. Und hier sehen internationale Leitlinien Silikone sowie Zubereitungen mit Zwiebelextrakt in der ersten Behandlungslinie. „Der Wirkmechanismus der Silikone beruht im Wesentlichen in einer Semi-Okklusion der Narbe. Silikon hat jedoch keine antiproliferativen Eigenschaften; es penetriert nicht das Narbengewebe“, erläuterte der Dermatologe. Durch die SemiOkklusion wird im Wesentlichen der transepidermale Wasserverlust vermieden oder reduziert, der über eine Aktivierung von Keratinozyten zu einer vermehrten Proliferation von Fibroblasten führt, die für das überschießende Narbengewebe verantwortlich gemacht wird. „Der Arzt muss jedoch bedenken, dass bei diesen Präparaten ein er-

hebliches Qualitätsgefälle besteht. Daher fällt die Gesamtbewertung diverser Silikonpräparate in einer Cochrane-Analyse eher ,mau’ aus“, betonte Gauglitz. Zwiebelextrakt integriert im Gel und Intensivpatch für die Nacht

Die andere Substanzklasse, die in den Leitlinien für die Prophylaxe einer pathologischen Narbenbildung genannt wird, nämlich Zubereitungen mit Zwiebelextrakt, findet sich z.B. im Narbenspezifikum Contractubex® Gel. Zwiebelextrakt kann die Wundheilung durch eine unmittelbare Hemmung der Fibroblastenproliferation sowie durch eine Reduktion von TGF-β1 und 2 verbessern. „Damit handelt es sich beim Contractubex® Gel – im Unterschied zum Silikon – um eine aktive Substanz, die das Narbengewebe penetriert. Und dies führt zu signifikant verbesserten Narben, was etliche Studien belegen“, unterstrich Gauglitz. So auch eine von ihm gerne zitierte ältere Studie von Maragakis et al., weil sie in einem Placebovergleich auch Patienten einbezog, die zu hypertrophen Narben neigten. „Solche Studien werden heutzutage leider nicht mehr aufgelegt“, bedauert der Dermatologe. Eine sinnvolle Ergänzung des Produkt-Portfolios ist laut Gauglitz die Narbentherapie mit dem innovativen Contractubex® Intensivpatch für die Nacht, das lediglich während der Nachtstunden auf der Narbe angewendet werden sollte. Das Intensivpatch besteht aus einer oberen Lage mit Mikro-Luftkissen, die den transepidermalen Feuchtigkeitsverlust verringern und so die Bildung von elastischem Narbengewebe fördern kann. Darunter befindet sich die Haftschicht mit ei-

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ner aktiven Freisetzungsmatrix mit den Inhaltsstoffen Extractum Cepae und Allantoin. „Dadurch vereint das Patch gewissermaßen die Vorzüge, die auch Silikone aufweisen, mit dem Zwiebelextrakt“, erläuterte Gauglitz. „Die Intensivpatches können individuell zugeschnitten werden, sind auch an schwer erreichbaren Körperstellen einsetzbar und werden selbst von jungen Patienten sehr gut akzeptiert.“ TAC, 5-FU und Kryotherapie – verschiedene Kombinationen im Einsatz

„Bei der Behandlung von bereits hypertrophen Narben und Keloiden sollten gemäß den aktuellen deutschen und internationalen Leitlinien vorrangig intraläsionale Kortikosteroide (z.B. Triamcinolonacetonid, TAC) und die Kryotherapie zum Einsatz kommen“, führte Gauglitz weiter aus. Bewährt hat sich besonders die Kombination der beiden Therapien. Die Leitlinien sehen bei Keloiden – nach nicht ausreichendem Ansprechen dieser Therapie nach 8 – 12 Wochen – in der Kombination des Zytostatikums 5-Fluorouracil (5-FU) plus TAC eine sinnvolle weitere Behandlungssequenz. Zur farblichen Optimierung der Narben eignet sich ein Farbstofflaser. Der fraktionierte CO2-Laser kann im Rahmen der Folgebehandlung bei hypertrophen Narben eingesetzt werden, ist aber bei Keloiden fast immer kontraindiziert, so Gauglitz. Effektive Penetration des Narbengels mittels Ultraschall

Der Chirurg und Orthopäde Dr. med. Dirk-J. Danneberg, Darm© VERLAG PERFUSION GMBH


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stadt, sieht bereits in der chirurgischen Schnittführung entlang der Spaltlinien die erste Voraussetzung für eine kosmetisch ansprechende Narbenbildung. Sodann bevorzugt er eine „intrakutane Vernähung für ein schönes Ergebnis.“ Außerdem sollte die Größe der Inzision so klein wie möglich gehalten werden. Danneberg berichtete außerdem über ein neueres Kombinationsverfahren zur Nachbehandlung von Narben. Dabei wird die Penetrationstiefe des Narbenspezifikums Contractubex® Gel durch die gleichzeitige Anwendung von Ultraschall erhöht. „Die UST (Ultrasound Scar Therapy) ist für die Behandlung von Narben jeder Genese, jeder Größe und jeden Alters geeignet“, sagte Danneberg, der dieses Verfahren in seiner Praxis einsetzt. Er empfiehlt jedoch eine möglichst frühe Anwendung nach der OP, um die Entstehung hypertropher Narben und Keloide möglichst zu unterbinden. Den Erfolg dieser Methode dokumentierte er mit zahlreichen Vorher-/NachherFotos. Rein praktisch sollte der Patient Contractubex® Gel zuhause verwenden und es zur UST mitbringen. Neben der zweimal täglichen Gel-Anwendung zuhause wird alle 2 – 3 Tage außerdem therapeutischer Ultraschall appliziert. Die Kombinationsbehandlung dauert in der Regel 5 Wochen. Danach sollte der Patient die Behandlung noch einige Monate mit dem Narbengel fortführen. „Ziel des Wundheilungsprozesses ist letztlich die gelungene Verwandlung von Kollagen III in Kollagen I, was ich gerne das ‚gute Kollagen’ nenne“, fasste der Chirurg zusammen. Elisabeth Wilhelmi, München

Still-Syndrom: Frühe Therapie mit Anakinra bietet vielen Patienten die Aussicht auf Remission Der Morbus Still beim Erwachsenen (Adult-onset Still’s Disease, AOSD) und die systemische juvenile idiopathische Arthritis (SJIA) sind seltene, systemische, autoinflammatorische Erkrankungen. Beide sind durch Symptome wie Fieberschübe, typische flüchtige Hautausschläge, Gelenkentzündungen, Lymphknotenvergrößerung, Lebervergrößerung und Entzündungen der serösen Häute gekennzeichnet. Häufigste schwerwiegende Komplikation des StillSyndroms ist das MakrophagenAktivierungs-Syndrom (MAS), das bei ca. 10 % der AOSD-Patienten im Laufe der Erkrankung auftreten kann. Die meist schweren Verläufe ließen sich bislang nur schwer kontrollieren. Neue Perspektiven eröffnet die Zulassung von Anakinra (Kineret®) zur Behandlung von AOSD und SJIA. Dies machten die Vortragenden bei einem Frühstückssymposium der Firma Sobi auf dem 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Mannheim deutlich. Erstmals ist es jetzt möglich, bei SJIA und AOSD im Label frühzeitig, auch first-line, ein Biologikum einzusetzen. Dabei öffnet der frühe Therapiebeginn ein „window of opportunity“: Erste Langzeit-Daten über 3 Jahre zeigen, dass die alleinige Gabe von Anakinra einen hohen Anteil der Patienten in die vollständige Remission führt. Die frühe Behandlung könnte gerade die Prognose von Kindern verändern, die den rekombinanten Interleukin-1-Rezeptorantagonisten bereits ab dem achten Lebensmonat erhalten dürfen.

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Biologikum erweitert Behandlungsmöglichkeiten bei AOSD und SJIA

„In der Ära vor dem Einsatz der Biologika wurden häufig gelenkdestruierende Verläufe des AOSD mit starken Auswirkungen auf Lebensqualität und gesteigerter Mortalität beobachtet. In den letzten Jahren sehen wir derartig schwere Verläufe deutlich seltener. Die Kombination von früher Diagnose und steroidfreier First-Line-Biologikatherapie, die seit Kurzem mit einem IL-1-Antagonisten zugelassen ist, ermöglicht es uns, zukünftig vielleicht sogar einen Teil der Patienten nach einer kurzen Therapiephase in medikamentenfreie Remission zu bringen,“ sagte Professor Bernhard Manger vom Internistischen Zentrum der Friedrich-Alexander Universität Erlangen Nürnberg, der Vorsitzende des Symposiums. Professor Eugen Feist von der Medizinischen Klinik der Charité Berlin mit Schwerpunkt Rheumatologie & Immunologie ergänzte: „Wenn auch das Ziel der Behandlung bei AOSD noch nicht einheitlich durch die Fachgesellschaften definiert ist, wird doch im Allgemeinen eine klinische und serologische Remission angestrebt. Diese kann bei schweren Verläufen in der Regel nur durch den Einsatz von Biologika, namentlich IL1-Antagonisten, in ausreichender Dosis erreicht werden.“ Außerdem, so Feist weiter, zeigen aktuelle Studienergebnisse von Ter Haar et al., dass der frühzeitige, alleinige Einsatz von Anakinra einen Großteil der SJIA-Patienten innerhalb eines Jahres in die Remission führt, ein Effekt, der sich nach 3 und 5 Jahren zahlenmäßig noch verstärkt.

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Durch frühen Therapiebeginn die Prognose verbessern

Gerade bei Kindern ist ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn von großer Wichtigkeit, betonte Dr. Toni Hospach vom Klinikum Stuttgart. Mit einer Inzidenz von 0,3 – 0,8/100.000 Kindern ist der Morbus Still bei Kindern nicht ganz selten. Laut ILAR-Klassifikation gehört auch die Arthritis zu den Hauptkriterien, auf denen eine Diagnose des Morbus Still beim Kind fußt. Allerdings, so Hos-

Schlaganfall-Prävention: Standarddosis ASS bei schwereren Menschen weniger wirksam Weltweit nimmt etwa eine Milliarde Menschen regelmäßig Acetylsalicylsäure (ASS, „Aspirin“) in einer fixen Dosierung ein, um damit einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall oder anderen vaskulären Ereignissen vorzubeugen. Der dadurch erreichte Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen ist jedoch relativ gering. Ein möglicher Grund könnte die nicht optimal ans Körpergewicht angepasste Dosierung sein, vermutete ein internationales Team um Professor Peter M. Rothwell (Oxford) und überprüfte diese Hypothese anhand von 10 großen Studien zur Primärprävention und 4 Studien zur Sekundärprophylaxe nach Schlaganfall mit ASS. Ihre im Fachmagazin „The Lancet“ publizierten Ergebnisse lassen vermuten, dass lediglich ein Bruchteil der Risikopatienten mit der Standarddosis von 75 – 100 mg ASS ausreichend geschützt ist.

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pach, tritt diese im Krankheitsverlauf häufig erst Monate später auf. Daher empfiehlt die PRO-KINDInitiative, das Vorliegen einer Arthritis nicht zur Bedingung für eine frühe Still-Diagnose zu machen. Dadurch kann die Chance genutzt werden, mit einer Anakinra-Monotherapie die Erkrankung direkt in Remission zu führen, noch bevor sich Gelenkveränderungen entwickeln können. Auch Dr. Christoph Rietschel, Oberarzt in der Abteilung Kinder und Jugendrheumatologie des Cle-

mentine Kinderhospitals in Frankfurt, zeichnete ein optimistisches Bild der zukünftigen Behandlung der SJIA. Er sieht in der frühen First-Line-Behandlung mit Biologika den richtigen Weg, um die systemische Komponente der Erkrankung anzugehen und das Entstehen synovialer Veränderungen zu verhindern. Dabei ermöglicht die kurze Halbwertzeit von Anakinra eine gute Steuerbarkeit der Therapie. Elisabeth Wilhelmi, München

Standarddosis wirkt nur bei Leichtgewichten

Vor allem Männer sind nicht ausreichend geschützt

Exakt 117.279 Menschen hatten an diesen Studien teilgenommen. Sie wurden anhand des Körpergewichts in Schritten von je 10 Kilogramm und anhand der Körpergröße in Schritten von je 10 Zentimetern in verschiedene Gruppen eingeteilt. Dabei stellte sich heraus, dass niedrig dosiertes ASS (75 – 100 mg täglich) bei Menschen zwischen 50 und 69 kg das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um durchschnittlich 25 % reduzierte. Schon ab 70 kg zeigte sich aber kein eindeutiger Nutzen mehr und die Sterblichkeit bei einem ersten Ereignis war für Personen ab 70 kg sogar um ein Drittel erhöht. Umgekehrt war hoch dosiertes ASS (≥325 mg täglich) nur bei relativ schweren Menschen ab 70 Kilogramm geeignet, um Herzinfarkte und Schlaganfälle zu verhindern, nicht aber bei denjenigen mit einem Gewicht unterhalb der 70-Kilogramm-Schwelle.

Vor diesem Hintergrund appellieren die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) für neue Studien mit dem alten Medikament. „Die derzeit praktizierte ‚One Dose Fits All‘Strategie muss neu bewertet werden“, sagt Professor Hans-Christoph Diener. Und Professor Armin Grau, 1. Vorsitzender der DSG, ergänzt: „Etwa 80 % aller Männer und die Hälfte aller Frauen wiegen mehr als 70 kg. Wir müssen davon ausgehen, dass sehr viele Menschen in der Primär- und Sekundärprophylaxe unterversorgt sind.“ DGS, DGN

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Quelle: Rothwell PM, Cook NR, Gaziano JM et al. Effects of aspirin on risks of vascular events and cancer according to bodyweight and dose: analysis of individual patient data from randomised trials. Lancet 2018;392:387-399

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Psoriasis-Arthritis als weitere Indikation für Tofacitinib Januskinase (JAK)-Inhibitoren etablieren sich als therapeutisches Prinzip bei chronisch entzündlichen Erkrankungen zunehmend in der Praxis. Als erster und einziger JAK-Inhibitor in der EU hat Tofacitinib (Xeljanz®) im Juni 2018 eine Zulassungserweiterung für die Psoriasis-Arthritis (PsA) erhalten: In Kombination mit Methotrexat (MTX) ist Tofacitinib in einer Dosierung von 5 mg 2 × täglich bei erwachsenen Patienten mit aktiver PsA indiziert, die zuvor auf ein oder mehrere krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimittel (DMARD) nicht angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Unterschiedliche Krankheitsdomänen mit Therapiebedarf

Bei der PsA handelt es sich um ein komplexes Krankheitsbild, bei dem die schmerzhaften entzündlichen Prozesse nicht nur Haut und Nägel, sondern auch die Gelenke (Finger-, Zehen-, Knie- und/oder Sprunggelenke) sowie die Wirbelsäule erfassen. Häufig kommt es auch zu Beschwerden an Sehnen und Sehnenansätzen sowie zu einem schmerzhaften Anschwellen von Fingern und Zehen. In vielen Fällen kann die PsA trotz verschiedener Therapiemöglichkeiten nicht zufriedenstellend behandelt werden. Eine vielversprechende neue Option ist der JAK-Inhibitor Tofacitinib, der in den Phase-III-Studien des OPAL-Studienprogramms in wichtigen Krankheitsdomänen der PsA zu signifikanten Verbesserungen geführt und sich als gut verträglich erwiesen hat.

Überzeugende Ergebnisse der OPAL-Studien

In die Studien OPAL Broaden* und OPAL Beyond** wurden Patienten einbezogen, bei denen vor mindestens 6 Monaten die Diagnose PsA gestellt wurde und sowohl eine aktive Arthritis als auch und eine aktive Plaque-Psoriasis bestand. Primäre Endpunkte waren jeweils ein Ansprechen im ACR20 (≥20 % Verbesserung der „American College of Rheumatology“Kriterien) sowie Verbesserungen im HAQ-DI (Health Assessment Questionnaire-Disability Index) nach 3 Monaten. Die wichtigsten sekundären Endpunkte umfassten Verbesserungen beim PASI75 (Reduktion von ≥75 % des Psoriasis Area and Severity Index), beim Enthesitis-Score, beim Dactylitis Severity Score, in der Domäne körperliche Funktionsfähigkeit auf dem SF-36 sowie beim FACIT-F (Functional Assessment of Chronic Illness Therapy-Fatigue). OPAL Broaden: Tofacitinib bei TNF-Inhibitor-naiven PsA-Patienten Im Rahmen von OPAL Broaden* erhielten 422 PsA-Patienten, die auf mindestens ein konventionelles synthetisches DMARD (csDMARD) nicht ausreichend angesprochen hatten und TNFInhibitor-naiv waren, randomisiert Tofacitinib oder Adalimumab oder Placebo, jeweils in Kombination mit einem csDMARD. Letztere wurden nach 3 Monaten randomisiert auf Tofacitinib umgestellt. * Mease P et al. N Engl J Med 2017;377: 1537-1550 ** Gladman D et al. N Engl J Med 2017;377: 1525-1536

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Nach 3 Monaten erreichten 50 % der mit 2 × täglich 5 mg Tofacitinib behandelten Patienten und 33 % der mit Placebo behandelten Patienten ein Ansprechen im ACR20. Im aktiven Kontrollarm Adalimumab betrug die Rate 52 %. Der HAQ-DI verbesserte sich unter Tofacitinib mit –0,35 deutlicher als unter Placebo (–0,18). Am Studienende nach 12 Monaten wiesen 68 % der mit Tofacitinib und 60 % der mit Adalimumab behandelten Patienten ein ACR20-Ansprechen auf. Der HAQ-DI hatte sich in diesem Zeitraum unter Tofacitinib mit –0,54 und unter Adalimumab mit –0,45 weiter verbessert. Auch bei den sekundären Endpunkten zeigte Tofacitinib eine gute Wirksamkeit gegenüber Placebo. Ein Ansprechen im PASI75 erreichten nach 3 Monaten 43 % der Patienten unter 2 × 5 mg täglich Tofacitinib, 15 % der Patienten unter Placebo und 39 % im Adalimumab-Kontrollarm. OPAL Beyond: Wirksamkeit bei PsA-Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf TNF-Inhibitor Die sechsmonatige Studie OPAL Beyond** war die erste Studie zur PsA, die ausschließlich mit Patienten durchgeführt wurde, die vorher auf einen oder mehrere TNF-Inhibitoren unzureichend angesprochen hatten. Insgesamt 394 randomisierte Patienten erhielten Tofacitinib oder Placebo (mit Umstellung auf Tofacitinib nach 3 Monaten) sowie eine stabile csDMARD-Dosis. 47 % Patienten unter 2 × täglich 5 mg Tofacitinib und 24 % unter Placebo erreichten nach 3 Monaten ein Ansprechen im ACR20. Die Differenzen zum Ausgangs© VERLAG PERFUSION GMBH


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wert waren beim HAQ-DI größer unter Tofacitinib (–0,39) als unter Placebo (–0,14). Eine signifikante Verbesserung des HAQ-DI unter Tofacitinib konnte bereits nach 2 Wochen statistisch nachgewiesen werden. Die Verbesserungen dauerten bis zum Studienende an und zeigten sich auch bei den sekundären Endpunkten. Einen PASI75 erreichten nach 3 Monaten 21 % der mit 2 × 5 mg täglich Tofacitinib behandelten Patienten und 14 % aus der Placebo-Gruppe. Die signifikanten Verbesserungen in beiden Studien gingen mit einer guten Verträglichkeit von Tofacitinib einher. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Nasopharyngitis und Infektionen der oberen Atemwege. Eine HerpesZoster-Infektion betraf in beiden Studien nur jeweils einen Patienten unter 2 × täglich 5 mg Tofacitinib. Fabian Sandner, Nürnberg

Cangrelor – ein schnell wirksamer, intravenöser P2Y12-Inhibitor Patienten, die sich einer PCI unterziehen, benötigen eine effektive Antiplättchentherapie zum Schutz vor peri- und postinterventionellen atherothrombotischen Ereignissen. Standardmäßig erhalten die Patienten daher eine duale Plättchenhemmung mit ASS und einem P2Y12-Inhibitor. Diese oral applizierbaren Substanzen haben allerdings den Nachteil, dass ihre Wirkung erst verzögert einsetzt, sodass vor allem bei akuten Interventionen eine schnelle und effektive antithrombozytären Therapie nicht gewährleistet ist. Eine inno-

Cangrelor Cangrelor (Kengrexal®), in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS) verabreicht, ist indiziert für die Senkung von thrombotischen kardiovaskulären Ereignissen bei erwachsenen Patienten mit koronarer Herzkrankheit, die sich einer perkutanen Koronarintervention (PCI) unterziehen und vor Einleitung der PCI keine oralen P2Y12-Hemmer erhielten und bei denen eine orale Therapie mit P2Y12-Hemmern nicht möglich oder wünschenswert ist. Die empfohlene Dosis Kengrexal® bei Patienten, die sich einer PCI unterziehen, beträgt 30 µg/kg in Form einer intravenösen Bolusinjektion, unmittelbar gefolgt von einer intravenösen Infusion von 4 µg/kg/min. Die Bolusinjektion sowie die Infusion sind vor der Intervention einzuleiten und mindestens 2 Stunden oder für die Zeitdauer der Intervention fortzusetzen, je nachdem, welcher Zeitraum länger ist.

vative Alternative ist der intravenös applizierbare, gut steuerbare Cangrelor P2Y12-Antagonisten (Kengrexal®). Er ermöglicht eine reversible Plättchenhemmung bereits 2 Minuten nach Bolusgabe, gefolgt von einer Infusion. Der Wirkstoff zeichnet sich durch eine nahezu vollständige Thrombozytenaggregationshemmung und eine kurze Halbwertszeit aus. Bereits 60 Minuten nach Infusionsende ist die normale Plättchenfunktion wieder hergestellt. Dies ermöglicht schneller einen eventuell notwendigen Eingriff wie z.B. eine Bypass-Operation. Cangrelor – in vielen Fällen die beste Option

In einer kürzlich erschienenen Publikation diskutieren die Autoren Droppa und Geisler, bei welchen Indikationen Cangrelor die antithrombozytäre Therapie verbessern kann. Dazu analysierten sie die Daten aus groß angelegten randomisierten Studien mit über 24.000 Patienten, pharmakologische Daten und Anwendungserfahrungen.

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Die Ergebnisse zeigen, dass Cangrelor bei Patienten mit stabilen koronaren Herzerkrankungen, die in der Regel mit Clopidogrel behandelt werden, die Plättchenhemmung optimieren kann. Die schnelle und effektive antithrombozytäre Wirkung von Cangrelor ist insbesondere bei Interventionen mit hohem Risiko, wie z.B. bei Mehrgefäß-PCIs sinnvoll, da hierbei aufgrund möglicher periinterventioneller Ischämien ein besonders hohes Mortalitätsrisiko besteht. Auch das sehr hohe Risiko für Atherothrombosen bei akutem Koronarsyndrom erfordert eine schnelle und effektive Antiplättchentherapie. Diese können laut den Autoren orale P2Y12-Hemmer wie Clopidogrel, Ticagrelor und Prasugrel nicht gewährleisten, da ihre Wirkung frühestens nach 30 Minuten eintritt. Cangrelor wirkt hingegen bereits 2 Minuten nach der intravenösen Applikation und hemmt die Plättchenfunktion effektiver als orale P2Y12Inhibitoren. Dank seiner kurzen Halbwertszeit ist Cangrelor insbesondere für Patienten mit hohem Blutungsrisiko und hoher © VERLAG PERFUSION GMBH


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Thrombuslast geeignet. Auch bei Schockpatienten, deren Blutungsrisiko sich nur schwer einschätzen lässt, ist die die gut steuerbare P2Y12-Inhibtion mit Cangrelor der Gabe von irreversiblen ora-

len P2Y12-Antagonisten deutlich überlegen. Die Autoren ziehen aus ihrer Analyse den Schluss, dass alle in den Studien mit Cangrelor behandelten Subgruppen letztlich von der The-

rapie mit diesem P2Y12-Inhibitor profitieren können. B. S.

Quelle: Droppa M, Geisler T. What is the role of cangrelor in patients undergoing PCI? Curr Vasc Pharmacol 2018;16:484-489. doi: 10.2174/1570161116666180117105834

Titelbild: Hepatitis-C-Virus. Der Erreger wird durch Blut-zu-Blut-Kontakt übertragen. Kleinste Mengen infizierten Blutes reichen für die Infektion aus (© Shutterstock).

Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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Literaturangaben: 1. Granger CB et al. N Engl J Med 2011; 365: 981–992. Eliquis 2,5 mg Filmtabletten. Eliquis 5 mg Filmtabletten. Wirkstoff: Apixaban. Zusammensetzung: Wirkstoff: 2,5 mg bzw. 5 mg Apixaban. Sonst. Bestandteile: Lactose, Mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat, Lactose-Monohydrat, Hypromellose, Titandioxid, Triacetin, Eliquis 2,5 mg zusätzlich: Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O; Eliquis 5 mg zusätzlich: Eisen(III)-oxid. Anwendungsgebiete: Prophylaxe v. Schlaganfällen u. systemischen Embolien bei erw. Pat. mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern u. einem o. mehreren Risikofaktoren, wie Schlaganfall o. TIA in der Anamnese, Alter ≥ 75 Jahren, Hypertonie, Diabetes mellitus, symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA Klasse ≥II). Behandlung v. tiefen Venenthrombosen (TVT) u. Lungenembolien (LE) sowie Prophylaxe v. rezidivierenden TVT und LE bei Erw. Eliquis 2,5 mg zusätzlich: Prophylaxe venöser Thromboembolien bei erw. Pat. nach elektiven Hüft- o. Kniegelenksersatzoperationen. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gg. den Wirkstoff o.e.d. sonst. Bestandteile; akute klinisch relevante Blutung; Lebererkrankungen, die mit einer Koagulopathie u. einem klinisch relevanten Blutungsrisiko verbunden sind. Läsionen o. klinische Situationen, falls sie als signifikanter Risikofaktor für eine schwere Blutung angesehen werden (z.B. akute o. kürzl. aufgetretene gastrointestinale Ulzerationen, maligne Neoplasien m. hohem Blutungsrisiko, kürzl. aufgetretene Hirn- o. Rückenmarksverletzungen, kürzl. erfolgte chirurgische Eingriffe an Gehirn, Rückenmark o. Augen, kürzl. aufgetretene intrakranielle Blutungen, bekannte o. vermutete Ösophagusvarizen, arteriovenöse Fehlbildungen, vaskuläre Aneurysmen o. größere intraspinale o. intrazerebrale vaskuläre Anomalien. Gleichzeitige Anwendung anderer Antikoagulanzien z.B. unfraktionierte Heparine, niedermol. Heparine, Heparinderivate, orale Antikoagulanzien außer bei Umstellung der Antikoagulation von o. auf Apixaban o. unfraktioniertes Heparin in Dosen, um die Durchgängigkeit e. zentralvenösen o. arteriellen Katheters zu erhalten. Nebenwirkungen: Häufig: Anämie, Thrombozytopenie; Blutungen am Auge (einschließlich Bindehautblutung); Blutungen, Hämatome, Hypotonie (einschließlich Blutdruckabfall während des Eingriffs); Epistaxis; Übelkeit, Gastrointestinale Blutung, Blutung im Mundraum, Rektalblutung, Zahnfleischblutung; erhöhte Gamma-Glutamyltransferase, erhöhte Alanin-Aminotransferase; Hautausschlag; Hämaturie; Abnormale vaginale Blutung, urogenitale Blutung; Kontusion. Gelegentlich: Überempfindlichkeitsreaktionen, allergisches Ödem, anaphylaktische Reaktion, Pruritus; Gehirnblutung; Intraabdominalblutung; Hämoptyse; Hämorrhoidalblutung, Hämatochezie; abnormale Leberfunktionstests, erhöhte Aspartat-Aminotransferase, erhöhte Blutwerte für alkalische Phosphatase, erhöhte Blutwerte für Bilirubin; Muskelblutung; Blutung an der Applikationsstelle; Okkultes Blut positiv; Postoperative Blutung (einschließlich postoperatives Hämatom, Wundblutung, Hämatom an Gefäßpunktionsstelle und Blutung an der Kathetereinstichstelle), Wundsekretion, Blutungen an der Inzisionsstelle (einschließlich Hämatom an der Inzisionsstelle), intraoperative Blutung, Traumatische Blutung. Selten: Blutung der Atemwege; Retroperitoneale Blutung; Weitere Hinweise: siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Bristol-Myers Squibb/Pfizer EEIG, Bristol-Myers Squibb House, Uxbridge Business Park, Sanderson Road, Uxbridge, Middlesex UB8 1DH Vereinigtes Königreich. Version 09


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