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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 26 HEFT 5-6 Dezember 2017

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Patisiran – eine neue Option für Patienten mit hereditärer ATTR-Amyloidose und Polyneuropathie Das Herz als Bindeglied von Leib und Seele: Merkmale eines gesunden Rhythmus am Beispiel der Herzfrequenzvariabilität Hepatitis C: Heilungschancen nun auch für schwer therapierbare DAA-vorbehandelte Patienten Eosinophile Ösophagitis: Erkennen und gezielt therapieren Immunthrombozytopenie: Neue Studie unterstreicht Relevanz von Eltrombopag in der täglichen Praxis Lenalidomid – ein essenzieller Bestandteil der Myelom-Primärtherapie Rixathon® – ein Rituximab-Biosimilar für die Onkologie/Hämatologie und Rheumatologie Benzydamin hemmt die Aktivierung proinflammatorischer Transkriptionsfaktoren in Makrophagen

VERLAG

PERFUSION


Die Freiheit, Leben und Aktivität individuell zu steuern Personalisierte Prophylaxe mit ADVATE und myPKFiT 1

ADVATE 250 I.E./ADVATE 500 I.E./ADVATE 1000 I.E./ADVATE 1500 I.E./ADVATE 2000 I.E./ADVATE 3000 I.E. Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung ZUSAMMENSETZUNG: Jede Pulver-Durchstechflasche enthält 250/500/1000/1500/2000/3000 I.E. Octocog alfa. (Blutgerinnungsfaktor VIII vom Menschen, hergestellt mittels rekombinanter DNSTechnologie). Sonstige Bestandteile: Mannitol, Natriumchlorid, Histidin, Trehalose, Calciumchlorid, Trometamol, Polysorbat 80, Glutathion (reduziert). Lösungsmittel: Wasser für Injektionszwecke • ANWENDUNGSGEBIETE: Patienten mit Hämophilie A zur Vorbeugung oder Behandlung von Spontanblutungen oder Blutungen nach chirurgischen Eingriffen. • GEGENANZEIGEN: Allergie gegen Octocog alfa oder einen der sonstigen Bestandteile. Allergie gegen Maus- oder Hamsterproteine. • NEBENWIRKUNGEN: Wenn plötzliche, schwere Anaphylaxien oder anaphylaktischer Schock auftreten, muss die Injektion sofort abgebrochen werden. Häufig: Faktor-VIII-Inhibitoren, Kopfschmerzen und Fieber. Gelegentlich: Schwindel, Grippe, Ohnmacht, anormal langsamer oder schneller Herzschlag, rote juckende Pickel auf der Haut, Beklemmungsgefühl in der Brust, Bluterguss oder Reaktion an der Injektionsstelle, Juckreiz, verstärktes Schwitzen, ungewöhnliches Geschmacksempfinden, Hitzewallungen, Migräne, Gedächtnisstörungen, Schüttelfrost, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Kurzatmigkeit, rauer Hals, Entzündungen der Lymphgefäße, Blässe, Augenentzündungen, Hautausschläge, extremes Schwitzen, Anschwellen von Füßen und Beinen, Hämatokritabfall, Anstieg bestimmter weißer Blutkörperchen (Monozyten) sowie Schmerzen im Oberbauch oder unteren Brustbereich. In Verbindung mit Operationen: Katheterinfektionen, geringere Anzahl der roten Blutkörperchen, Anschwellen von Gliedmaßen und Gelenken, verlängerte Blutung nach der Entfernung einer Drainage, verminderter Faktor-VIII-Spiegel und postoperative Hämatome. In Verbindung mit zentralvenösen Kathetern: Katheterinfektionen, generalisierte Infektion (im gesamten Körper) und Blutgerinnsel am Katheter. Unbekannte Häufigkeit: Potentiell lebensbedrohliche Reaktionen (Anaphylaxie) und andere allergische Reaktionen (Überempfindlichkeitsreaktionen), allgemeine Störungen (Müdigkeit, Energielosigkeit). • Verschreibungspflichtig • PHARMAZEUTISCHER UNTERNEHMER: Baxter AG, Industriestraße 67, 1221 Wien, Österreich. • Örtlicher Vertreter: Baxalta Deutschland GmbH, 85716 Unterschleißheim • Stand: Mai 2015 1. myPKFiT Benutzerhandbuch

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EDITORIAL

Der Anteil der Menschen an der Gesamtbevölkerung, die aus grundsätzlichen Überlegungen und damit strikt und konsequent die „konventionelle Medizin“ als Option für sich ablehnen, dürfte ziemlich gering sein. Ein wesentlicher Grund dafür: In Deutschland wie allen anderen (industrialisierten) Ländern garantieren nationale Sozialversicherungssysteme für die allermeisten Bürger als obligate Beitragszahler im Bedarfsfall einen Anspruch auf definierte Leistungen der medizinischen Versorgung (Diagnostik, Therapie, Rehabilitation, Vorsorge), ohne dass dafür (kritische) zusätzliche Kosten entstehen. Einfacher formuliert: Der Krankenschein fungiert als Behandlungsgutschein. Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass kaum jemand mit einem neu auftretenden gesundheitlichen Anliegen schnurstracks und auf eigene Rechnung zu einem Anbieter alternativmedizinischer Methoden marschiert, anstatt „gratis“ (s)einen Hausarzt zu konsultieren. Da Gott sei Dank das Gros der Gesundheitsstörungen von eher geringem bis moderatem Ausmaß ist, zudem typischerweise benige und meist auch noch passager und selbstlimitierend, wird nur eine Minderheit von Ratsuchenden an die zweite, die fachärztliche Ebene weiter verwiesen und davon wiederum nur eine Minderheit zur weiteren Abklärung und/oder spezifischen Behandlung in ein entsprechendes (stationäres, ggf. sogar universitäres) Fachzentrum. Nun hat der Gesetzgeber im § 12 SGB V enge Grenzen gezogen für das, was „Versicherte beanspruchen“ können bzw. die „Leistungserbringer bewirken“ und die „Krankenkassen bewilligen“ dürfen, nämlich nur Leistungen, die „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sind und „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“... [1]. Demzufolge reicht etwa „sinnvoll“ als Kriterium nicht aus. Wer etwa in der Wintersaison seinen Körper nach Kräften dabei unterstützt, ei-

Zweiter Gesundheitsmarkt: Wertvolle subsidiäre Medizin nen virulenten Infekt unter Kontrolle zu bekommen, tut sicher etwas Sinnvolles: für seinen Arbeitgeber, der so schneller wieder einen gesunden und leistungsfähigen Mitarbeiter hat, nicht zuletzt auch für sich selbst, da unangenehme Begleitsymptome abgemildert und/ oder die Dauer abgekürzt werden können. In der Logik des Gesetzgebers handelt es sich aber um ein selbstlimitierendes Krankheitsbild, gesund wird man zuverlässig auch, ohne die Ressourcen der GKV in Angriff genommen zu haben. Jenseits dieses Szenarios gibt es eine grundsätzlich unbegrenzte Anzahl von vorstellbaren Gründen, warum einem Individuum eine (körperliche, geistige oder seelische oder auch eine kombinierte) Veränderung eine relevante Angelegenheit ist, obwohl objektiv nicht zwingend eine Notwendigkeit zu konstatieren ist. Klar, „objektiv“ bedeutet hier etwa „nach dem Stand der Wissenschaft“ oder, pragmatischer, „nach Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses“ – jedenfalls ohne Bezugnahme auf den konkreten Kontext. Da nimmt es nicht Wunder, dass etwa bei protrahiertem Verlauf oder nicht zufriedenstellendem Therapiefortschritt eigene spezifische Erfahrungen, der Rat von Freunden und Bekannten sowie inzwischen immer häufiger Hinweise unbekannter Menschen (schlurfi31, wilderwatz und andere) aus dem Internet ggf. dazu motivieren können, „dem Glück auf die Sprünge zu helfen“ und parallel noch etwas zu versuchen, was man typischerweise nicht in der Welt „seines“ Behandlers verortet: etwas rein Pflanzliches, etwas Feinstoffliches, etwas Exotisches, etwas Transzendentales.

JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5–6/2017 · 26. JAHRGANG

Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

Nun, derlei Fachkompetenz ist, da sich für den „konventionellen Mediziner“ im Regelbetrieb kein relevanter Ertrag erzielen lässt, dort auch nicht zu vermuten. Auch dann nicht, wenn gelegentlich, typischerweise mit nicht ganz reinem Gewissen, mal ge-iGeLt wird. Schon eher bei Menschen, die sich solchen ergänzenden Methoden und Verfahren verschrieben haben und diese tagaus tagein praktizieren. Heilpraktiker zum Beispiel, aber nicht nur diese. Mit Verweis auf einen Fall eines gravierenden Behandlungsfehlers fordert die Entschließung Ib-89 des diesjährigen Deutschen Ärztetags vom Gesetzgeber eine Reform des Heilpraktikergesetzes, nicht ohne der lästigen (vermeintlichen) Konkurrenz an anderer Stelle pauschal und grundsätzlich jegliche Kompetenz abzusprechen: „Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 stellt fest, dass ... Heilpraktiker keinen Gesundheitsfachberuf ausüben“, und spricht von „Abgrenzung zwischen seriöser Medizin und unseriösen Heilsversprechen“ [2]. © VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

142

Seither wird kräftig weiter gekeilt, wohlfeilerweise mit dem Totschlagargument der Patientensicherheit. Dabei ist die so gut wie immer schon durch die oben beschriebene Wirklichkeit der Prozesse innerhalb der medizinischen Versorgung gewährleistet. Der sogenannte Zweite Gesundheitsmarkt – und schon die Bezeichnung signalisiert deutlich die typische Subsidiarität im Alltag – mag noch deutlichere Defizite im Bereich der wissenschaftlichen Evidenz aufweisen als „usual care“. Das Thema Sicherheit erweist sich bei emotionsfreier Betrachtung der Lebenswirklichkeit wohl eher als ein vorgeschobenes Angst-Argument, Angst vor einer unklaren, vielleicht gerade deshalb als bedrohlich empfundenen Konkurrenz. Nur so ist zu erklären, dass eine automatisch resultierende Erhöhung der allenthalben thematisierten Patientensicherheit „durch eine staatlich anerkannte Ausbildung oder gar durch akademische Qualifikationen“ als Irrweg abgetan wird. Apropos Evidenz: Gerade die sprechende bzw. be“hand“elnde Gesundheitsdienstleistung des Zweiten Gesundheitsmarkts wird durch zunehmend überbordende formale Hürden von der Evidenzbasierung ferngehalten. Dabei könnten sich die Vorurteile gegenüber so manchen vermeintlich „unseriösen Heilsversprechen“ dadurch schnell in Luft auflösen. Allein schon positives Denken, und das in einem rezenten RCT für gerade einmal 14 Sekunden, kann den Anstieg der Stresshormone auf einen äußeren Reiz auf ein Sechstel des Anstiegs einer Kontrollgruppe drücken [3] ... Karl-Ludwig Resch, Bad Elster

Quellen 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (Gesetzliche Krankenversicherung) § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot 2 h t t p : / / w w w. b u n d e s a e r z t e k a m m e r. de/aerztetag/120-deutscher-aerztetag-2017/beschlussprotokoll/ 3 Speer M, Delgado M. Reminiscing about positive memories buffers acute stress responses. Nature Human Behaviour 2017;1;Article Number 0093

ÜBERSICHTSARBEIT Patisiran – eine neue Option für Patienten mit hereditärer ATTR-Amyloidose und Polyneuropathie Brigitte Söllner

144

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Das Herz als Bindeglied von Leib und Seele: Merkmale eines gesunden Rhythmus am Beispiel der Herzfrequenzvariabilität

150

Hepatitis C: Heilungschancen nun auch für schwer therapierbare DAA-vorbehandelte Patienten

153

Eosinophile Ösophagitis: Erkennen und gezielt therapieren

157

Immunthrombozytopenie: Neue Studie unterstreicht Relevanz von Eltrombopag in der täglichen Praxis

160

NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Lenalidomid – ein essenzieller Bestandteil der MyelomPrimärtherapie 164 Rixathon® – ein Rituximab-Biosimilar für die Onkologie/ Hämatologie und Rheumatologie 166 Benzydamin hemmt die Aktivierung proinflammatorischer Transkriptionsfaktoren in Makrophagen 169

RUBRIKEN Wissenswertes 149, 158, 172 Kongresse 170

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143

MALAWI © Luca Sola

THEMA

MIT IHRER HILFE RETTET ÄRZTE OHNE GRENZEN LEBEN. WIE DAS DER SCHWANGEREN PATIENTIN YANESI FULAKISON: Nach einer Flutkatastrophe in der Region Makhanga in Malawi brauchen viele Menschen medizinische Hilfe. ärzte ohne grenzen startet einen Noteinsatz. Unser Team bringt die hochschwangere Frau per Helikopter ins Krankenhaus, denn das Leben von Mutter und Baby sind in akuter Gefahr. Schließlich rettet ein Kaiserschnitt beiden das Leben. Wir hören nicht auf zu helfen. Hören Sie nicht auf zu spenden. SPENDENKONTO Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE 72 3702 0500 0009 7097 00 BIC: BFSWDE33XXX www.aerzte-ohne-grenzen.de / spenden

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D

ie hereditäre Transthyretinvermittelte Amyloidose (hATTR) ist eine autosomal dominant vererbte, rasch fortschreitende, stark einschränkende und meist tödlich verlaufende Krankheit, die durch Mutationen im Gen für das Transportprotein Transthyretin (TTR) verursacht wird. TTR wird hauptsächlich in der Leber produziert und ist normalerweise ein Träger für das Retinol-BindingProtein, das wiederum Vitamin A im Körper transportiert. Als Folge der Mutation wird vermehrt falsch gefaltetes und dadurch instabiles TTR gebildet, das sich als unlösliche Amyloidfibrillen im Gewebe ablagert und die Organfunktion stark beeinträchtigt. Betroffen sind vor allem periphere Nerven, Herz und Gastrointestinaltrakt [1–5]. Die Folgen sind sensorische, motorische, autonome sowie kardiale Symptome [2, 6, 7]. Die hATTR-Amyloidose gehört zu den seltenen Erkrankungen und betrifft etwa 50.000 Menschen weltweit. Die Lebenserwartung liegt nach Auftreten der ersten Symptome bei 2,5–15 Jahren [1, 2, 3], denn die derzeit zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten beschränken sich überwiegend auf die Linderung der bestehenden Symptome. Im frühen Krankheitsstadium kann bei bestimmten Patienten eine Lebertransplantation erwogen werden. Als einzige medikamentöse Option zur Behandlung der hATTR-Amyloidose in der EU zugelassen ist Tafamidis, das darauf abzielt, die zirkulierenden mutierten Transthyretin-Proteine zu stabilisieren und dadurch deren Aggregation zu Amyloiden zu unterbinden [8]. Für Therapeutika zur Behandlung der zugrunde liegenden Ursache der hATTRAmyloidose besteht nach wie vor aber ein erheblicher Bedarf.

ÜBERSICHTSARBEIT

Patisiran – eine neue Option für Patienten mit hereditärer ATTR-Amyloidose und Polyneuropathie Brigitte Söllner, Erlangen

Besonders vielversprechend ist eine neue Strategie, mit der sich die für TTR kodierende mRNA ausschalten und so gezielt die Bildung des mutierten Proteins verhindern lässt – die RNA-Interferenz (RNAi, vgl. Insert). Das Unternehmen Alnylam® Pharmaceuticals hat für die Behandlung der hATTR-Amyloidose ein maßgeschneidertes RNAiTherapeutikum namens Patisiran entwickelt, das hinsichtlich aller Endpunkte in der Phase-III-Studie APOLLO [9, 10] überzeugte und nun kurz vor der Zulassung steht. Design der APOLLO-Studie

Die Phase-III-Studie APOLLO ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, globale Studie zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von Patisiran Endpunkt

mNIS+7 (304 Punkte)

300

Blutdruck beim Aufstehen (2) Σ 5 NLF-Messungen (10) Reflexe (20)

Ein höherer Score entspricht einer Verschlechterung

144

Quantitative sensorische Tests (80)

Motorische Kraft/Schwäche (192)

0

Abbildung 1: Neuropathy-Impairment-Score +7 (mNIS+7). NLF = Nervenleitfähigkeit.

Domäne

Messbereich/Einheit

Verbesserung bei

mNIS+7

Neuropathie

0–304 Punkte

Abnahme

Norfolk QOL-DN

Lebensqualität

–4–136 Punkte

Abnahme

NIS-W

Muskelschwäche

0–192 Punkte

Abnahme

R-ODS

Behinderung

0–48 Punkte

Zunahme

10-Meter-Gehtest

Gehgeschwindigkeit

m/s

Zunahme

mBMI

Ernährungszustand

kg/m2 × g/l

Zunahme

Autonome Symptome

0–100 Punkte

Abnahme

COMPASS-31

Tabelle 1: Primärer (fett) und sekundäre Endpunkte der APOLLO-Studie [9].

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145

ÜBERSICHTSARBEIT

bei hATTR-Amyloidose-Patienten mit Polyneuropathie Stadium 1 oder 2 sowie einem NeuropathyImpairment-Score von 5–130 [9]. Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung des modifizierten Neuropathy-Impairment-Scores +7 (mNIS+7, Abb. 1) gegenüber dem Ausgangswert unter Patisiran und Placebo nach 18 Monaten. Die sekundären Endpunkte beinhalteten folgende Parameter (Tab. 1): • Norfolk Quality of Life-Diabetic Neuropathy Score (QOLDN-Score) • NIS-Schwäche (NIS-W, Subdomäne des mNIS+7 zur Beurteilung der Muskelstärke) • Rasch-built Overall Disability Scale (R-ODS, eine auf subjektiv von Patienten angegebenen Ergebnissen basierende Messskala und der Behinderung) • modifizierter BMI (mBMI, zur Beurteilung des Ernährungsstatus) • 10-Meter-Gehtest (10-MWT, zur Beurteilung der Gehfähigkeit und Ganggeschwindigkeit) • COMPASS-31 (Composite Autonomic Symptom Score Questionnaire with 31 Items, 31-teiliger Patientenfragebogen zur Beurteilung der autonomen Krankheitssymptome). In die Studie wurden 225 Patienten mit hATTR-Amyloidose aufgenommen und im Verhältnis 2:1 auf die Behandlung mit Patisiran (n = 148) oder Placebo (n = 77) randomisiert. Patisiran wurde 18 Monate lang alle 3 Wochen mit einer Dosis von 0,3  mg/kg intravenös verabreicht [9]. Wegweisende Ergebnisse für alle Wirksamkeitsendpunkte

Nach der 18-monatigen Behandlung hatte Patisiran alle Studien­

RNA-Interferenz – eine neue Strategie zur Behandlung von genetisch bedingten Erkrankungen Das entscheidende Molekül bei der Entwicklung von RNAi-Therapeutika ist die Ribonukleinsäure (RNA). Sie ist dient in Form der messenger RNA (mRNA) als Matrize für die Proteinsynthese aus Aminosäuren. Eine spezielle Gruppe der RNA, kleine doppelsträngige RNA-Moleküle (small interfering RNA, siRNA), übt darüber hinaus in den Zellen auch eine regulatorische Funktion aus und kann dadurch Gene stilllegen. Dieser Mechanismus des „Gen-Silencing“ durch RNA-Interferenz kommt bei allen eukaryotischen Lebewesen vor und wurde 2001 erstmals in menschlichen Zellen nachgewiesen [11]. Die beiden US-Wissenschaftler Andrew Z. Fire und Craig C. Mello erhielten dafür im Jahr 2006 den Nobelpreis für Physiologie bzw. Medizin. Zentraler Bestandteil des RNAi-Signalwegs ist ein Protein-Komplex, der als RISC (RNA-induced silencing complex) bezeichnet wird. RISC kann an siRNA binden, die wiederum komplementär zu der stillzulegenden mRNA ist. Trifft der RISC-siRNA-Komplex auf komplementäre mRNA, so wird diese abgebaut. Damit wird die mRNA-vermittelte Proteinsynthese verhindert bzw. gestoppt (siehe Abbildung) [12].

Wirkmechanismus der RNA-Interferenz: Extrazelluläre doppelsträngige RNA gelangt ins Zellinnere. Dort dissoziiert sie in Einzelstrang-siRNA, die an den Protein-Komplex RISC bindet. Erkennt dieser Verbund aus siRNA und RISC nun mRNA, die komplementäre Abschnitte zur siRNA besitzt, so kommt es zum RISC-vermittelten Abbau der mRNA.

Da sich siRNA prinzipiell so konstruieren lässt, dass sie jede Form von proteinkodierender mRNA erkennt, eröffnet diese Technologie die Möglichkeit, eine Vielzahl von Zielgenen mit klinischer Relevanz stillzulegen. Die siRNA wirkt dabei hochspezifisch und kann im Zellinneren die Gen-Expression unterbinden. Wirkstoffe, die auf der RNAi-Technologie basieren, können daher unerwünschte bzw. gefährliche Proteine in ihrer Entstehung blockieren, indem sie gezielt deren jeweiligen Gene stilllegen. Dies bedeutet einen enormen Fortschritt gegenüber den bisherigen maßgeschneiderten Medikamenten, die darauf ausgerichtet sind, die Aktivität von krankheitsauslösenden Proteinen zu unterbinden – die eigentliche Ursache, die Entstehung dieser Proteine, lässt sich damit aber nicht beeinflussen.

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(Quelle: Alnylam® Pharmaceuticals)

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ÜBERSICHTSARBEIT

Schlechter

Besser

Mittlere Veränderung (SEM) des mNIS+7 gegenüber dem Ausgangswert

146

27,96 (2,60)

13,95 (2,10)

Unterschied nach 18 Monaten (Patisiran – Placebo): –33,99 p-Wert: 9,26 × 10–24

74,61 (11,0, 153,5)

80,93 (8,0, 165,0)

–2,04 (1,50) –6,03 (1,74)

Ausgangswert

9 Monate

18 Monate

77578*9&:,3 ;,<<,=%'*9>3,6*(,?,$%,3*9,$'2(,'@* 9ABB8*9>3&<&,3*&)%,)%*%>*%(,$%@* #$%& 8*?$%&'&($) @*#C/8*?6$=,D>@*EFC8*=+$)G,*<(>9*D$',6&),

9HA1IJ* (,<,(,)=,*($)G,K*L ;-L"*?>&)%' Abbildung 2: Ergebnis der APOLLO-Studie für den primären Endpunkt: Nach 18-monatiger Therapie mit Patisiran hatte sich der modifizierte Neuropathie-Beeinträchtigungsscore +7 (mNIS+7) um 6,0 Punkte verbessert, in der Placebogruppe um 28 Punkte verschlechtert [10].

endpunkte erreicht [10]. Die Patisiran-Behandlung resultierte in einer Verbesserung des mNIS+7Scores um 6 Punkte gegenüber dem Ausgangswert, während sich der Score in der Placebogruppe um 28 Punkte verschlechterte; dies bedeutet eine mittlere Differenz gegenüber Placebo von 34 Punkten (p = 9,26 × 10–24; Abb. 2). Gleichzeitig verbesserte sich die Lebensqualität, gemessen anhand des Norfolk-Lebensqualitätsfragebogen für diabetische Neuropathie (QOL-DN), unter Patisiran um 6,7 Punkte und verschlechterte sich um 14,4 Punkte unter Placebo (mittlere Differenz = 21,1 Punkte; p =1,10 × 10–10; Abb. 3). Die deutliche Verbesserung des mNIS+7-Scores und des Norfolk QOL-DN-Punktewerts durch Patisiran wurde bereits bei der ersten Evaluation nach 9 Monaten

beobachtet; zu diesem Zeitpunkt betrug die mittlere Differenz 16,0 bzw. 15,0 Punkte gegenüber Placebo. Auch in allen anderen sekundären Endpunkten war Patisiran der Placebobehandlung statistisch signifikant überlegen (Tab. 2). Auch die Subgruppe der Patienten mit Herzerkrankungen profitierte von der Patisiran-Behandlung

Eine präspezifizierte Subgruppe der APOLLO-Studie waren hATTRAmyloidose-Patienten mit substanzieller kardialer Beteiligung. Bei diesen Patienten wurden spezielle Parameter zur Herzfunktion erhoben und deren Veränderung unter der Therapie mit Patisiran (n = 36) gegenüber der Placebobehandlung (n = 90) verglichen.

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Am Ende der 18-monatigen Studie hatten sich bei den mit Patisiran behandelten Patienten mehrere der kardialen sowie funktionalen Parameter und echographischen Messwerte im Vergleich zur Placebogruppe signifikant verbessert (Tab. 3): • Die Patisiran-Behandlung führte zu einer medianen Abnahme (= Verbesserung) des N-Terminal pro B-Type Natriuretic Peptide (NTproBNP) um 49,9 pg/ml im Vergleich zu einem medianen Anstieg (= Verschlechterung) um 320 pg/ml im Placebo-Arm (nominal p = 7,74  × 10–8, basierend auf der Analyse von logtransformierten Werten). • Unter der Patisiran-Behandlung kam es zu einer Abnahme (= Verbesserung) der Wanddicke des linken Ventrikels (LV) um 0,93 mm (nominal p = 0,0173) © VERLAG PERFUSION GMBH


147

Mittlere Veränderung (SEM) des Norfolk-QOL-DN gegenüber dem Ausgangswert

ÜBERSICHTSARBEIT

Schlechter

Besser

14,4 (2,73)

7,5 (2,15)

Unterschied nach 18 Monaten (Patisiran – Placebo): –21,1 p-Wert: 1,10 × 10–10

55,5 (8, 111)

59,6 (5, 119)

–6,7 (1,77)

–7,5 (1,52) Ausgangswert

9 Monate

18 Monate

::*:@)C%M+I D+,,+.$G)C&I+()-+S+#$+I)C+#GH-+Ga) C8QQ @)C&I%,%+I)%'$+'$)$&) $-+#$a) 2#$% @)S#$%G%-#'a)2>h@)S(#.+L&a)/0>@).^#'V+),-&C)L#G+(%'+ "&-,&(Z)khA D_")-+,+-+'.+)-#'V+e) DP)$&)!NU

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Abbildung 3: Ergebnis der APOLLO-Studie für den sekundären Endpunkt, den Norfolk-Lebensqualitäts-Score für diabetische Neuropathie (QOL-DN): Unter der Patisiran-Therapie verbesserte ich die Lebensqualität im Studienverlauf um 14,4 Score-Punkte, in der Placebogruppe nahm sie um 6,7 Punkte ab [10]. Sekundärer Endpunkt

NIS-W

R-ODS

mBMI (kg/m × Albumin [g/dl]) 2

10-Meter-Gehtest, Geschwindigkeit (m/s) COMPASS-31

Veränderung gegenüber dem Ausgangswert

Placebo

Patisiran

Unterschied nach 18 Monaten zwischen Patisiran und Placebo

+17,93

+0,05

–17,87

1,40 × 10–13

–0,24

+0,08

+0,311

8,83 × 10–11

+2,24

–5,29

–7,53

–8,9

–119,4

±0,0 –3,7

+9,0

p-Wert

4,07 × 10–16

+115,7

1,88 × 10–12

Nominaler p-Wert

0,0008

Tabelle 2: Ergebnisse für die sekundären Endpunkte der APOLLO-Studie [10]. Endpunkt

Veränderung gegenüber dem Ausgangswert

Placebo

Patisiran

Unterschied nach 18 Monaten zwischen Patisiran und Placebo

NT-proBNP (ng/l)

+320,4

–49,9

–370,2

7,74 × 10–8

Troponin-I (mg/l)

+0,0

0,004

+0,004

0,87

+0,63

–15,12

–15,75

+0,57

1,00

Wanddicke des LV (cm)

–0,007

Longitudinal Strain (%)

+1,46

LV-Masse (g)

LV-Auswurffraktion (%)

10-Minuten-Gehtest, Geschwindigkeit (m/s)

–0,35

0,100 0,08

0,01

–0,093

0,0173

–1,37

0,0154

+0,35

7,42 × 10–9

+0,43

0,15

0,78

Tabelle 3: Ergebnisse der APOLLO-Studie für die Subgruppe der hATTR-Amyloidose-Patienten mit substanzieller kardialer Beteiligung [10]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5–6/2017 · 26. JAHRGANG

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ÜBERSICHTSARBEIT

148

Art der Nebenwirkung

Placebo (n = 77)

Patisiran (n = 148)

Nebenwirkungen gesamt

97,4 %

96,6 %

Ernste Nebenwirkungen

40,3 %

36,5 %

Schwere Nebenwirkungen Nebenwirkungen, die zum Abbrechen der Behandlung führten Nebenwirkungen, die zum Rücktritt von der Studie führten Todesfälle

36,4 %

14,3 %

28,4 % 4,7 %

11,7 %

4,7 %

7,8 %

4,7 %

Tabelle 4: In der APOLLO-Studie verzeichnete Nebenwirkungen [10].

sowie zu einer mittleren absoluten Verbesserung der longitudinalen Deformation des Myokards (Longitudinal Strain, Maß für die Ventrikelfunktion) um 1,37 % (nominal p = 0,0154) gegenüber Placebo. • Im 10-Minuten-Gehtest verbesserten sich die mit Patisiran behandelten Patienten um 0,35 m/s (nominal p = 7,42 ×  10–9) gegenüber der Placebogruppe. • Troponin-I, LV-Masse und LVAuswurffraktion verbesserten sich ebenfalls im Vergleich zu Placebo, die Unterschiede waren aber nicht statistisch signifikant. Ermutigendes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil

Im Verlauf der 18-monatigen Studie wurden die Behandlung mit Patisiran von den Patienten gut vertragen [10]. Die berichteten Nebenwirkungen waren überwiegend leicht oder moderat, schwere unerwünschte Wirkungen traten in beiden Studienarmen mit vergleichbarer Inzidenz auf (36,5 % vs. 40,3 % unter Placebo; Tab. 4). Die am häufigsten von den Patisiran-Patienten geklagten Nebenwirkungen waren periphere Ödeme (29,7 % vs. 22,1 % unter Placebo) sowie Reaktionen auf die Infusion (18,9 %

vs. 9,1 % unter Placebo). Nur ein Patient brach die Studie deswegen ab. Insgesamt war die PatisiranBehandlung mit weniger Behandlungsabbrüchen (4,7 % vs. 14,3 % unter Placebo) und weniger Rücktritten von der Studie aufgrund von unerwünschten Wirkungen (4,7 % vs. 11,7 % unter Placebo) assoziiert. Die in der APOLLO-Studie aufgetretenen 13 Todesfälle (4,7 % vs. 7,8 % unter Placebo) standen in keinem Zusammenhang mit der Studienmedikation. Unter der Therapie mit Patisiran kam es weder zu Einschränkungen der Leber- und Nierenfunktion noch zu einer Thrombozytopenie, was ein Beleg für das gute Sicherheitsprofil des RNAi-Therapeutikums ist [10]. Zusammenfassung und Ausblick

In der APOLLO-Studie konnten durch die Behandlung mit dem innovativen RNAi-Therapeutikum Patisiran die kardinalen, multisystemischen Manifestationen der hATTR-Amyloidose und Neuropathie nicht nur stabilisiert, sondern auch Krankheitssymptome und Behinderungen reduziert werden. Die Patienten profitierten von einer Verbesserung ihrer Muskelkraft, des Gehvermögens, des Ernährungsstatus, der Fähigkeit, aktiv am sozialen Leben teilzunehmen,

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und damit insgesamt von einer höheren Lebensqualität. Patisiran erwies sich in der 18-monatigen Studie als gut verträglich und es gab keine Sicherheitsbedenken hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Leber- oder Nierenfunktion oder des Auftretens einer Thrombozytopenie [10]. Wie vorab festgelegt, erhielten alle Patienten, die die APOLLO-Studie abgeschlossen haben, die Möglichkeit, in die globale OLE-Studie [13] aufgenommen und damit mit Patisiran behandelt zu werden – diese Chance ergriffen immerhin 99 % der Patienten [10]. Die Ergebnisse der APOLLOStudie zeigen, dass Patisiran als Vertreter der neuartigen Klasse der RNAi-Therapeutika das Potenzial hat, eine neue Ära in der Behandlung der hATTR-Amyloidose einzuleiten. Der Hersteller Alnylam® Pharmaceuticals beabsichtigt, die Studienergebnisse noch 2017 bei den Zulassungsbehörden vorzulegen, mit dem Ziel, Mitte 2018 die Zulassung zu erhalten. Literatur 1 Hanna M. Novel drugs targeting transthyretin amyloidosis. Curr Heart Fail Rep 2014;11:50-57 2 Mohty D, Damy T, Cosnay P et al. Cardiac amyloidosis: updates in diagnosis and management. Arch Cardiovasc Dis 2013; 106:528-540 3 Adams D, Coelho T, Obici L et al. Rapid progression of familial amyloidotic poly­ neuropathy. A multinational natural history study. Neurology 2015;85:675-682 4 Damy T, Judge DP, Kristen AV et al. Cardiac findings and events observed in an open-label clinical trial of tafamidis in patients with non-Val30Met and non-Val­ 122Ile hereditary transthyretin amyloidosis. J Cardiovasc Transl Res 2015;8:117127 5 Hawkins PN, Ando Y, Dispenzeri A et al. Evolving landscape in the management of transthyretin amyloidosis, Ann Med 2015; 47:625-638 6 Conceição I, González-Duarte A, Obici L et al. “Red-flag” symptom clusters in trans­thyretin familial amyloid polyneuropathy. J Peripher Nerv Syst 2016;21:5-9 © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT / WISSENSWERTES

7 Shin SC, Robinson-Papp J. Amyloid neuropathies. Mt Sinai J Med 2012;79:733748 8 Coelho T, Maia LF, Martins da Silva A et al. Tafamidis for transthyretin familial amyloid polyneuropathy: a randomized, controlled trial. Neurology 2012;79:785792 9 Adams D, Suhr OB, Dyck PJ et al. Trial design and rationale for APOLLO, a phase 3, placebo-controlled study of patisiran in patients with hereditary ATTR amyloidosis with polyneuropathy. BMC Neurol 2017;17:181. doi: 10.1186/s12883-0170948-5

Chronotherapie mit Circadin® Für den menschlichen SchlafWach-Rhythmus stellt die Melatoninsekretion aus der Epiphyse den endogenen Taktgeber dar. Das Schlafhormon, das nur bei Dunkelheit ausgeschüttet wird, ist sowohl für das Einschlafen als auch das Durchschlafen notwendig. Da die körpereigene Produktion postmenopausal und allgemein im Alter nachlässt, leiden ältere Menschen häufig unter Schlafstörungen. Das retardierte Melatonin in Circadin® imitiert die endogene nächtliche Melatoninfreisetzung sowohl was die Plasmakonzentration als auch den zeitlichen Verlauf angeht. Die Retardformulierung ermöglicht einen ausreichend hohen Melatoninspiegel während der gesamten Nacht und sichert damit die wirksame Behandlung von Durchschlafstörungen. Da Melatonin eine sehr kurze Halbwertszeit hat, lassen sich mit unretardierten Melatoninpräparaten keine vergleichbaren Effekte erzielen. Verbesserung der Lebensqualität

Die Wirksamkeit, Sicherheit und gute Verträglichkeit von Circadin®

149

10 Adams D, Gonzalez-Duarte A, O’Riordan W et al. Patisiran, an investigational RNAi therapeutic for the treatment of hereditary ATTR amyloidosis with polyneuropathy: results from the phase 3 APOLLO study. Presented at EU ATTR Meeting, 02 November 2017, Paris 11 Couzin J. Breakthrough of the year. Small RNAs make big splash. Science 2002; 298:2296-2297 12 de Fougerolles A, Vornlocher H-P, Maraganore J et al. Interfering with disease: a progress report on siRNA-based therapeutics. Nat Rev Drug Discov 2007;6:443453

13 OLE, open-label extension. The study of an investigational drug, patisiran (ALNTTR02), for the treatment of transthyretin (TTR)-mediated amyloidosis in patients who have already been treated with ALNTTR02 (patisiran). ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02510261

wurden in placebokontrollierten randomisierten Studien mit einer Anwendungsdauer von 3 Wochen bis 6 Monaten nachgewiesen. Neben der Schlafqualität, der Einschlafzeit und weiteren Schlafparametern wurden u.a. auch die morgendliche Wachheit, die Lebensqualität und die psychomotorische Tagesleistung verbessert. Wie es um Wirksamkeit und Sicherheit von retardiertem Melatonin im normalen Praxisalltag bestellt ist, hat eine deutsche nicht interventionelle Studie untersucht, an der 653 ambulant betreute Patienten mit behandlungsbedürftiger Insomnie teilnahmen. Eine 3-wöchige Einnahme von jeweils einer Retardtablette (2 mg) 2 Stunden vor dem Schlafengehen führte bei 75 % der Patienten zu einer klinisch relevanten Verbesserung der Schlafqualität und des Wachheitsgrads am Morgen.

10 % der Patienten erneut zu Benzodiazepinen. Das heißt, 78  der Patienten beendeten diesen Gebrauch.

Reduktion des Benzodiazepin-Bedarfs

Eine weitere Erkenntnis aus der nicht interventionellen Studie: Vor der Circadin®-Einnahme hatten 46 % der Patienten Benzodiazepine oder ähnliche Hypnotika eingenommen, während der 3-wöchigen Behandlungsphase waren es nur noch 6 %; und auch nach dem Behandlungsende griffen nur

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Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Medizinjournalistin und Wissenschaftliche Lektorin Lärchenweg 10 91058 Erlangen E-Mail: brigitte.soellner@online.de

Verbesserte Schlafqualität bei Alzheimer-Demenz

Bei leicht bis mittelschwer betroffenen Alzheimer-Patienten führte die additive Behandlung mit retardiertem Melatonin über 24 Wochen zu einer klinisch relevanten Verbesserung der Schlafqualität und der kognitiven Parameter im Vergleich zu Placebo. In der Subgruppe, die unter Schlafstörungen litt, waren die Effekte noch ausgeprägter. Überlegenes Verträglichkeitsprofil

Im Gegensatz zu Benzodiazepinen und Z-Substanzen treten unter Circadin® keine Abhängigkeit und keine Toleranzentwicklung auf. Beim Absetzen kommt es weder zu Rebound-Insomnie noch zu Entzugserscheinungen. Negative Auswirkungen auf die psychomotorische Funktionalität, Gedächtnisleistung und Fahrtauglichkeit wurden nicht beobachtet; die Fallneigung wird im Gegensatz zu herkömmlichen Schlafmitteln nicht erhöht. E. W. © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Das Herz als Bindeglied von Leib und Seele: Merkmale eines gesunden Rhythmus am Beispiel der Herzfrequenzvariabilität

D

as Herz ist das Zentrum allen rhythmischen Geschehens im menschlichen Organismus. Dabei sind Körperrhythmen keine starre Größe, sondern dazu in der Lage, sich jederzeit auf unterschiedliche Anforderungen einzustellen. Sie befinden sich also weder stets im Takt noch im Chaos, sondern schwingen flexibel zwischen beiden. Deutlich wird dies an der Herzfrequenzvariabilität (HRV, Heart Rate Variability): Eine verminderte HRV ist immer schon fast Takt, ist gefährlich und birgt ein hohes Krankheitsrisiko. Zu unregelmäßiges Schlagen des Herzens gilt wiederum als Herzrhythmusstörung, ist Chaos und ein eigener Symptomkomplex. Rhythmus ist das Gleichgewicht dazwischen und das Gesündeste, was der Organismus leisten kann. Er gibt Kraft, ist eine anpassungsfähige Größe und verbindet Gegensätze. Als Ordnungsgeschehen interagiert Rhythmus merklich mit der Seele: Stress, Wut, Ärger und Angst chaotisieren dieses System ebenso, wie es Anteilnahme, Mitgefühl, Wertschätzung und Achtsamkeit verbessern. Eine verminderte HRV ist also, wie die Depression und andere aversive psychosoziale Faktoren, ein Mar-

Herzfrequenzvariabilität: Ein gesundes Herz schlägt im Rhythmus, nicht im Takt Das vegetative Nervensystem – bestehend aus Sympathikus und Parasympathikus – wirkt ständig auf das Herz ein und reguliert die Schlagfrequenz (Chronotropie), Schlagkraft (Inotropie) und Erregungsleitungsgeschwindigkeit (Dromotropie). Beide Nerven stellen im Organismus ein Gleichgewicht her (Homöo- Bereits im 3. Jahrhundert erkannte der stase) und ermöglichen es, auf chinesische Arzt Wang Shu-ho, dass ein interne sowie externe Reize variabler Herzschlag ein Zeichen für Gesundheit ist. und Anforderungen angepasst zu reagieren. Diese Reaktionen müssen ständig erfolgen, da auch permanent die verschiedensten Reize auf den Organismus einwirken. Impulse des Sympathikus führen zu einer Beschleunigung der Herztätigkeit, die des Parasympathikus zu einer Verlangsamung. Die Herzfrequenz variiert daher von Schlag zu Schlag, sowohl bei Belastung als auch in Ruhe; dieses Phänomen wird Herzratenvariabilität (HRV) oder auch Herzfrequenzvariabilität genannt. Die HRV spiegelt somit die Anpassungsfähigkeit des Organismus wider: Ein variabler Herzschlag kennzeichnet einen guten Gesundheitszustand, ein „starrer Puls“ hingegen kann als Warnsignal angesehen werden – auch bereits lange bevor sich eine Krankheit manifestiert. Der HRV-Wert stellt daher einen wichtigen Prognoseparameter für Herz- und Immungesundheit dar und gestattet darüber hinaus eine Aussage über die allgemeine Regulationsfähigkeit und Gesundheit des Gesamtorganismus. Menschen, deren Herzfrequenzvariabilität eingeschränkt ist, entwickeln über kurz oder lang statistisch gravierende Gesundheitsstörungen wie Herzkrankheiten, Depressionen und Neuropathien.

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Cardiodoron® Cardiodoron® ist ein bewährtes pflanzliches Arzneimittel, bestehend aus Bilsenkraut (Hyoscyamus niger L.), Eselsdistel (Onopordum acanthium L.) und Frühlingsschlüsselblume (Primula veris L.). Es unterstützt die vegetativen Rhythmen und ihre Koordination, vor allem bei Herzrhythmusstörungen, Schlafstörungen, Dyskardien/Palpitationen und orthostatischen Dysregulationen sowie bei funktionellen Herz- und Kreislaufstörungen während und nach Infektionskrankheiten. Verschreibungspflichtig; Darreichungsformen: Cardiodoron® Dilution (Tropfen), Cardiodoron® Rh Tabletten.

Neurodoron® Tabletten Die Wirkstoffe von Neurodoron® stabilisieren auf natürliche Weise das seelische und körperliche Gleichgewicht bei nervöser Erschöpfung sowie stressbedingter Unruhe und können Nervosität, stressbedingte Angst- und Unruhezustände, depressive Verstimmungen und Kopfschmerzen lindern. Die Komposition enthält potenziertes Gold (D10), Kalium phosphoricum (D6) und Ferrum-Quarz (Eisensulfat + Bergkristall; D2).

ker für ein hohes kardiovaskuläres Risiko. Warum sich Ungleichgewichte auf den gesamten Organismus auswirken

Da alle Rhythmen im Körper zusammenhängen, sich gegenseitig stützen und miteinander das „rhythmische System“ bilden, lässt die Störung eines Bereiches

immer auch andere mitleiden. Am Beispiel des Cortisol-Tagesprofils und des Schlaf-Wach-Rhythmus wird dies deutlich. Das Schlafhormon Melatonin verhält sich etwas verschoben spiegelbildlich zum Cortisol-Tagesprofil. Deshalb haben stressbedingte Veränderungen des Cortisol-Profils immer auch Auswirkungen auf den Schlaf. Und da dieser eine wichtige Quelle unserer Gesundheit ist, zählen heute Störungen der Rhythmen sowie

des Schlafes zu den größten Gefährdern unserer Gesundheit. Wer salutogenetisch arbeiten möchte, muss daher den Rhythmus und den Schlaf in den Blick nehmen. Zurück ins Gleichgewicht

Mit Cardiodoron® und Neurodoron® sind zwei Arzneimittel verfügbar, denen in diesem Zusammenhang eine herausragende Bedeutung zukommt. Denn gegen Stress hat die Medizin nicht viel zu bieten. Betablocker, Antidepressiva und Neuroleptika können die Symptomatik des Stresses mildern, aber sie verändern zum Beispiel die HRV negativ. Mit den klassischen Schlafmitteln kann man den Schlaf zwar erzwingen, aber nicht die Schlafarchitektur mit ihrem 90-Minuten-Rhythmus wieder aufbauen. Cardiodoron® und Neurodoron® aber wirken stresslindernd, stressresistenzerhöhend und rhythmusordnend, selbst bei akuten Belastungen durch schwere Schicksalsschläge, wie der im Anschluss auf Seite 152 vorgestellte Fallbericht verdeutlicht. Martin Straube, Mitglied der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD)

Abbildung 1: Cardiodoron® enthält die Wirkstoffe von Schwarzem Bilsenkraut, Eselsdistel und Frühlingsschlüsselblume. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 5–6/2017 · 26. JAHRGANG

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Stresssymptome nach Schicksalsschlägen – ein Fallbericht Anthroposophische Arzneimittel rhythmisieren und ordnen den Organismus. Schwere Krankheiten, Todesfälle, Trennungen oder der Verlust des Arbeitsplatzes zählen zu den stärksten akuten Stressoren. Wenn ein oder gar mehrere dieser Ereignisse eintreten, führt der damit verbundene Verlust des inneren Rhythmus bei vielen Betroffenen rasch zu funktionellen Herz-Kreislauf-Beschwerden, zu Schlaflosigkeit oder zu depressiven Episoden. Wie mithilfe der anthroposophischen Medizin das rhythmische System unterstützt, gestärkt und wieder geordnet werden kann, zeigt der folgende Fallbericht. Anamnese

Die 47-jährige Marion F. (171 cm, 69 kg, BMI 23,6) arbeitete als Angestellte in einer Apotheke. Innerhalb einer Woche veränderte sich ihr Leben durch vier Schicksalsschläge dramatisch. Ihre Mutter wurde plötzlich pflegebedürftig und Frau F. nahm sie zu sich nach Hause auf, ohne dies vorher mit dem Ehemann abzusprechen. Dieser trennte sich aus diesem Grund von ihr. Die neue Situation verlangte nun eine flexiblere Arbeitszeit in der Apotheke. Da der Apothekeninhaber ohnehin plante, seinen Mitarbeiterstab zu verkleinern, fiel seine Wahl nun auf sie. Zeitgleich wurde bei der Tochter von Frau F. eine schwere Erkrankung diagnostiziert. Der mit diesen Umständen verbundene akute Stress führte nahezu unmittelbar zu dauernder Unruhe und Nervosität, periodisch heftigem Herzklopfen und Herzrasen,

darüber hinaus zu Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit und Versagensängsten sowie dem permanenten Gefühl, nie alles zu schaffen und Wichtiges zu vernachlässigen. Die zunehmende Frequenz und Ausprägung dieser Beschwerden waren schließlich der Anlass für den Besuch in der Sprechstunde. Untersuchungsbefund

Allgemein- und Ernährungszustand waren ohne besonderen Befund. Die körperliche Untersuchung (Kopf, Hals, Sinnesorgane, Lymphknoten, Lunge, Abdomen, Reflexe) zeigte keine besonderen Auffälligkeiten, ebenso das RuheEKG. Auch die Laborwerte waren im Normbereich. Der Puls betrug 84, der Blutdruck war mit 150/85 mmHg leicht erhöht. Diagnose

Akute Belastungssituation (ICD10 F43.0) Therapie und Verlauf

Zur Behandlung der vorhandenen Stresssymptome sowie der vegetativen Erschöpfung wurden Cardiodoron® Dilution 3 × 30 Tropfen sowie Neurodoron® 3 × 3 Tabletten täglich verordnet (Dosierung außerhalb der Zulassung). Bereits 3 Tage nach Beginn der Einnahme berichtete Frau F., dass sie nach „gefühlten Jahrzehnten“ das erste Mal wieder schnell ein- und normal durchschlafen konnte (ihre Schlafstörungen hatte sie in der Anamnese nicht erwähnt und ihre Schlafqualität als normal angegeben, weil sie

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sich im Laufe der langen Zeit daran gewöhnt hatte). Nach einer Woche verbesserte sich auch das Herzklopfen/-rasen und der Blutdruck normalisierte sich auf Werte um 120–130/80–85  mmHg. Die Medikation wurde daraufhin auf 3 × 15 Tropfen Cardiodoron® und 3 × 2 Tabletten Neurodoron® angepasst. Ab der dritten Woche hatte sich auch die nervöse Unruhe soweit verbessert, dass die Patientin ihren Tag wieder besser strukturieren und sich selbstsicher auf die Trennungsgespräche mit ihrem Mann einlassen konnte. Nach insgesamt 3 Monaten wurde die medikamentöse Therapie beendet. Auch nach Absetzen der Medikation blieben die Besserungen erhalten. Bis heute, mehr als ein Jahr danach, sind Ein- und Durchschlafstörungen nicht wieder aufgetreten. Diskussion und Fazit

Die plötzlichen, schwerwiegenden Ereignisse haben zu einer Dysbalance des gesamten rhythmischen Systems geführt, gekennzeichnet durch Fehlregulation der Herzfunktionen sowie generalisierte psychovegetative Instabilität. Da organische Herzprobleme ausgeschlossen werden konnten, zeigte sich unter dem rhythmisierenden Einfluss von Cardiodoron® eine rasche Stabilisierung. Neurodoron® trug dazu bei, die Reaktionen des Organismus auf die Überforderung zu beruhigen und zu harmonisieren. Da es keine dämpfenden Wirkungen entfaltet, ist es auch tagsüber gut einsetzbar. Beide Arzneimittel werden in der Regel gut vertragen.

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Hepatitis C: Heilungschancen nun auch für schwer therapierbare DAA-vorbehandelte Patienten

D

ank neuer direkt antiviral wirksamer Medikamente (Direct-acting Antivirals, DAA) haben heute die meisten Menschen mit Hepatitis C sehr gute Heilungschancen und die Elimination dieser häufig chronischen Leberinfektion rückt in greifbare Nähe. Besonders Hausärzte können durch gezieltes Screening von Personen mit erhöhtem Risiko entscheidend dazu beitragen. Zur pangenotypischen Therapie steht neben dem bewährten auf So­ fosbuvir-basierten Single-TabletRegime Epclusa® seit Kurzem mit Vosevi® nun auch eine wirksame und gut verträgliche Therapieoption für DAA-vorbehandelte Patienten zur Verfügung. Heilung ist heute ein realistisches Therapieziel

In Deutschland sind etwa 250.000 Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert, jedoch wissen etwa 40 % von ihnen nichts von dieser Infektion [1]. Während noch bis vor wenigen Jahren viele Patienten mit den früheren, häufig schlecht verträglichen Therapien nicht erfolgreich behandelt werden konnten, ist die Heilung heute dank neuer, gut verträglicher direkt antiviral wirksamer Medikamente für die meisten Patienten ein realistisches Therapieziel und die Eliminierung

der Hepatitis C rückt in greifbare Nähe [2]. Die dauerhafte virologische Ansprechrate (Sustained Virologic Response, SVR) liegt heute in der Regel zwischen 90 und 100 %, sodass die Mehrzahl der HCV-Infizierten bei gutem Verträglichkeitsprofil innerhalb kurzer Zeit eine gute Heilungschance* haben [2]. Umso wichtiger ist es, die vermutlich hohe Dunkelziffer an HCVInfizierten, aber bislang nicht diagnostizierten Patienten zu senken und mehr Patienten als bisher zu behandeln. Dies sind entscheidende Schritte hin zu dem Ziel des Bundesgesundheitsministeriums [3] wie auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [4], die Hepatitis C bis zum Jahr 2030 einzudämmen. Dabei will man die Zahl nicht diagnostizierter Patienten innerhalb kürzester Zeit deutlich senken und die Erkrankung möglichst weitgehend eliminieren. Zu den Maßnahmen zählen ein gezieltes Screening von Personen mit erhöhtem HCV-Risiko sowie die Prävention von Neu- und Reinfektionen [1]. Hausärzte spielen Schlüsselrolle

Insbesondere bei der Erstdiagnose von Patienten mit erhöhtem Risi* Heilung ist definiert als ein anhaltendes virologisches Ansprechen 12 Wochen nach Therapieende.

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ko spielen Hausärzte eine zentrale Rolle als primäre Ansprechpartner. Zu den Menschen, für die laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) [5] eine gezielte HCV-Diagnostik dringend angeraten ist, zählen neben Personen mit erhöhten Transaminasewerten und/oder klinischen Zeichen einer Lebererkrankung alle Angehörigen von Patienten mit erhöhtem Risiko. Bei einem Screening lässt sich mit einigen wenigen Kriterien bereits ein Großteil der HCV-Infizierten erfassen, wie eine prospektive Untersuchung von mehr als 21.000 Patienten in 51 deutschen Allgemeinpraxen ergab [6]: Bei Vorliegen einer Erhöhung der Transaminasen (ALT) und einem der 3 bedeutendsten Risikofaktoren – intravenöser Drogenkonsum, Bluttransfusionen vor 1992 und Migrationshintergrund aus einem Land mit hoher Verbreitung der Hepatitis C – konnten 83 % zuvor unbekannter HCV-Infektionen diagnostiziert werden (3 plus 1-Regel) [6]. Zu den weiteren Risikogruppen zählen homosexuelle Männer, (ehemalige) Inhaftierte von Justizvollzugsanstalten sowie Menschen mit Piercings oder Tätowierungen, die unter möglicherweise unhygienischen Bedingungen durchgeführt wurden [5]. Bei berechtigtem Verdacht auf eine HCV-Infektion ist ein budget© VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

neutraler Test (über die Laborziffer 32006) möglich. Ist die Diagnose einer HCV-Infektion gestellt, kommt dem Hausarzt auch bei der weiteren Patientenbetreuung eine bedeutende Funktion zu: Dann ist es wichtig, dem Patienten im Gespräch mögliche Ängste zu nehmen und auf die guten Heilungschancen hinzuweisen. Denn seit mit Sovaldi® (Sofosbuvir, SOF) 2014 das erste der modernen DAA zugelassen wurde [7], ist eine vollständige Heilung der Hepatitis C bei einem Großteil der Infizierten ein realistisches Therapieziel. Sofosbuvir dient als wichtige Basis für nachfolgend eingeführte Kombinationstherapieregime, die auch bei Patienten mit selteneren Genotypen und fortgeschrittener Erkrankung Heilungsraten von über 90 % ermöglichen [8]. Diese Heilungsraten bestätigen sich auch im Real-LifeEinsatz unter Harvoni® (Ledipasvir/ Sofosbuvir; LDV/SOF) [9]. Epclusa® – die erste pangenotypische HCV-Therapie

Einen weiteren bedeutsamen Fortschritt brachte die Einführung des Single-Tablet-Regimes Epclusa® (Sofosbuvir/Velpatasvir, SOF/ VEL), das als erstes Arzneimittel pangenotypisch wirksam ist. SOF/VEL wurde im Phase-IIIStudienprogramm ASTRAL bei Patienten mit chronischer HCVInfektion der Genotypen 1 bis 6 geprüft. Primärer Endpunkt war jeweils ein dauerhaftes virologisches Ansprechen 12 Wochen nach Therapieende (SVR12) [10, 11, 12]. In die randomisierte, placebokontrollierte Studie ASTRAL-1 wurden 740 Patienten der Genotypen 1, 2, 4, 5 und 6 mit oder ohne kompensierte Zirrhose eingeschlossen und

Sofosbuvir Sofosbuvir (Sovaldi®) wird in Kombination mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung der chronischen Hepatitis C angewendet. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um einen Inhibitor der RNA-abhängigen RNA-Polymerase NS5B des HCV, die für die Virusreplikation erforderlich ist. Sofosbuvir ist ein Nukleotid-Prodrug, das intrazellulär in das pharmakologisch wirksame Uridin-Analogon-Triphosphat (GS-461203) metabolisiert und mittels der NS5B-Polymerase in die HCV-RNA eingebaut wird, wo es zum Kettenabbruch führt. GS-461203 (der aktive Metabolit von Sofosbuvir) hemmt weder humane DNA- oder RNA-Polymerasen noch die mitochondriale RNAPolymerase [7].

Epclusa® – Zweifachkombination aus Sofosbuvir und Velpatasvir Epclusa® ist indiziert zur Behandlung der chronischen Hepatitis-CVirusinfektion (HCV) bei Erwachsenen. Jede Filmtablette enthält 400 mg Sofosbuvir und 100 mg Velpatasvir. Die empfohlene Dosis ist die Einnahme einer Tablette pro Tag unabhängig von einer Mahlzeit [18]. Empfohlene Behandlung und Dauer für alle HCV-Genotypen: Patientengruppe* Patienten ohne Zirrhose und Patienten mit kompensierter Zirrhose

Behandlungsdauer Epclusa® für 12 Wochen Die Zugabe von Ribavirin kann bei Patienten mit einer Infektion vom Genotyp 3 und kompensierter Zirrhose erwogen werden Epclusa® + Ribavirin für 12 Wochen

Patienten mit dekompensierter Zirrhose *E inschließlich Patienten mit Koinfektion mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) und Patienten mit rezidivierender HCV-Infektion nach Lebertransplantation

Velpatasvir Velpatasvir ist ein HCV-Inhibitor, der auf das HCV-NS5A-Protein gerichtet ist, das sowohl für die RNA-Replikation als auch den Zusammenbau von HCV-Virionen erforderlich ist. In-vitro-Studien zur Resistenzselektion und Kreuzresistenz deuten darauf hin, dass NS5A die Zielstruktur für den Wirkungsmechanismus von Velpatasvir darstellt [18].

erhielten für 12 Wochen entweder einmal täglich SOF/VEL (n = 624) oder Placebo (n = 116). Unter SOF/ VEL erreichten 99 % der Patienten eine SVR12, unter Placebo 0 %. Die Wirksamkeit von SOF/VEL

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war hierbei nahezu unabhängig vom Genotyp, dem Ausmaß der Leberschädigung und dem Status der Vorbehandlung. Über 99 % der Patienten schlossen die 12-wöchige Therapie mit Epclusa® ab [10]. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Vosevi® – Dreifachkombination aus Sofosbuvir, Velpatasvir und Voxilaprevir Vosevi® ist indiziert zur Behandlung der chronischen Hepatitis-CVirusinfektion (HCV) bei Erwachsenen. Jede Filmtablette enthält 400 mg Sofosbuvir, 100 mg Velpatasvir und 100 mg Voxilaprevir. Die empfohlene Dosis ist die Einnahme einer Tablette pro Tag mit einer Mahlzeit [20]. Empfohlene Behandlungsdauer mit Vosevi® für alle HCV-Genotypen: Patientengruppe DAA-naive Patienten ohne Zirrhose DAA-naive Patienten mit kompensierter Zirrhose

Behandlungsdauer 8 Wochen 12 Wochen 8 Wochen können bei Patienten mit einer Genotyp-3-Infektion in Erwägung gezogen werden 12 Wochen

DAA-vorbehandelte Patienten* ohne Zirrhose oder mit kompensierter Zirrhose * In klinischen Studien waren DAA-vorbehandelte Patienten mit Kombinationstherapien behandelt worden, die eines der folgenden Arzneimittel enthielten: Daclatasvir, Dasabuvir, Elbasvir, Grazoprevir, Ledipasvir, Ombitasvir, Paritaprevir, Sofosbuvir, Velpatasvir, Voxilaprevir (zusammen mit Sofosbuvir und Velpatasvir für weniger als 12 Wochen angewendet).

Voxilaprevir Voxilaprevir ist ein pangenotypischer Inhibitor der NS3/4A-Protease des HCV. Voxilaprevir wirkt als nicht kovalenter, reversibler Inhibitor der NS3/4A-Protease [21].

In den Studien ASTRAL-2 (n = 266) und ASTRAL-3 (n = 552) wurden ausschließlich Patienten mit den Genotypen 2 bzw. 3 untersucht. In beiden Studien führte eine 12-wöchige Therapie mit SOF/ VEL signifikant häufiger zu einer SVR12 als eine 12- bzw. 24-wöchige Therapie mit SOF plus Ribavirin (RBV) (ASTRAL-2: 99 % vs. 94 %, p = 0,02; ASTRAL-3: 95 % vs. 80  %, p  <  0,001). Unter der 12-wöchigen Therapie mit SOF/ VEL wurde selbst im schwer behandelbaren Kollektiv der vortherapierten Zirrhotiker mit Genotyp3-Infektion eine Heilungsrate von 89 % erreicht (verglichen mit 58 %

bei der 24-wöchigen SOF+RBVTherapie) [11]. In ASTRAL-4 wurden 267 Patienten mit dekompensierter Zirrhose (Child-Pugh-Stadium B) und verschiedenen Genotypen entweder mit SOF/VEL für 12 bzw. 24 Wochen oder SOF/VEL plus RBV für 12 Wochen behandelt. Mit einer SVR12-Rate von 94 % führte SOF/ VEL plus RBV am häufigsten zu einer Heilung [12]. Mittlerweile liegen auch RealLife-Daten aus internationalen Studien über eine Behandlung mit SOF/VEL mit oder ohne RBV von mehr als 1500 Patienten mit den HCV-Genotypen 1 bis 6 vor. Ge-

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poolte Daten der TRIO-, GECCOund TARGET-Studien ergaben hohe SVR12-Raten [13–16]. Erste Daten zum klinischen Alltag in Deutschland zeigen auch hier hohe Ansprechraten bei GT3-Patienten (n = 27), die eine Behandlung mit SOF/VEL abgeschlossen hatten [17]. Mit Vosevi® gute Heilungsmöglichkeiten auch bei DAA-vorbehandelten Patienten

Bei den meisten Patienten lässt sich – unabhängig vom HCV-Genotyp – mithilfe der pangenotypisch wirksamen SOF-Kombinationen heute innerhalb einer relativ kurzen Therapiedauer eine SVR12 erzielen. Die Gruppe von Patienten, die nach einer DAA-Therapie keine SVR12 erreichten, sollte gemäß Leitlinie der European Association for the Study of Liver (EASL) mit einem SOF-haltigen Regime behandelt werden, da dieses eine hohe Resistenzbarriere aufweist [19]. Seit Kurzem steht nun auch für vorbehandelte Patienten mit Vosevi® eine durch Voxilaprevir (VOX) ergänzte neue Dreifachkombination (SOF/VEL/VOX) zur Verfügung. Vosevi® ist die erste und einzige pangenotypische Therapieoption mit nur einer Tablette pro Tag für HCV-Patienten, ohne oder mit kompensierter Zirrhose, bei denen z.B. eine DAA-Vorbehandlung (Daclatasvir, Dasabuvir, Elbasvir, Grazoprevir, Ledipasvir, Ombitasvir, Paritaprevir, Sofosbuvir, Velpatasvir, Voxilaprevir**) nicht erfolgreich war [20]. Wirksamkeit und Sicherheit von SOF/VEL/VOX wurden im Phase** Voxilaprevir zusammen mit Sofosbuvir und Velpatasvir für weniger als 12 Wochen angewendet [20].

© VERLAG PERFUSION GMBH


–  Geringe Notwendigkeit von Laborkontrollen 1. Jacobson IM, et al. N Engl J Med 2013; 368: 1867-77; 2. Lawitz E, et al. N Engl J Med 2013; 368: 1878-87; 3. Cheng G, et al. EASL 2013; Poster #1191; 4. German P, et al. EASL 2013; Poster #1195; 5. Lawitz E, et al. J Viral Hepat 2015; 22: 1011-9; 6. Taylor JG, et al. EASL 2015; Poster #899; 7. Kirby B, et al. EASL 2015; Poster #861.

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Virologisches Versagen nach NS5A-Therapie POLARIS-1: SOF/VEL/VOX für 12 Wo. bei mit NS5A-Inhibitoren vorbehandelten HCV GT1–6 Patienten 100 100 100 100 96 95 97 91 100

SVR12, %

80

60

40

1 Relapse 1 Durchbruch unter Therapie 1 Zustimmung zurückgezogen 1 Lost-to-Follow-up

0

Fazit für die Praxis

1 Relapse 1 Zustimmung zurückgezogen

4 Relapse

20 146 150

97 101

45 45

5 5

74 78

GT1

GT1a

GT1b

GT2

GT3

20 22

1 1

GT4

6 6

GT5

GT6

Bourliere M, et al. N Engl J Med 2017; 376: 2134-46.

Abbildung 1: Ergebnisse der Studie POLARIS-1, in der mit NS5A-Inhibitor vorbehandelte Patienten mit HCV-Infektionenen des Genotyps 1 bis 6 für 12 Wochen mit der Dreifach-Kombination Vosevi® behandelt wurden [21].

Virologisches Versagen nach non - NS5A-Therapie POLARIS-4: SOF/VEL/VOX oder SOF/VEL für 12 Wochen bei DAA-vorbehandelten Patienten mit dem GT1–4, die keinen NS5A-Inhibitor erhalten haben

100

SOF/VEL/VOX 12 Wochen (n = 182) 96 98 95 89

100

SOF/VEL 12 Wochen (n = 151) 100 96 97 85

80

SVR12, %

hohe SVR12-Raten erzielt werden (POLARIS-1: 96 %; POLARIS-4: 98 %) (Abb. 1 und 2). Das Regime erwies sich als gut verträglich. Häufigste Nebenwirkungen in den Studien waren Kopfschmerz, Diarrhö und Übelkeit. Die Rate an Therapieabbrüchen betrug weniger als 1 % [21].

60

2 Lost-to-Follow-up

1 Tod

1 Relapse

40 1 Relapse

5 Relapses

1 Durchbruch unter Therapie

8 Relapses

20 0

53 54

39 44

GT1a GT1a

23 24

21 22

GT1b GT1b

31 31

32 33 GT2 GT2

52 54

44 52

GT3 GT3

19 19

0

x 00 xx

GT4 GT4

Abbildung 2: Ergebnisse der Studie POLARIS-4, in der mit DAA-vorbehandelte (ohne NS5AInhibitor) Patienten mit HCV-Infektionen des Genotyps 1 bis 4 für 12 Wochen mit der Dreifach-Kombination Vosevi® oder der Zweifachkombination Epclusa® behandelt wurden [21]. Bourliere M, et al. N Engl J Med 2017; 376: 2134-46.

III-Studienprogramm POLARIS tienten in der offenen POLARISuntersucht [21, 22]. In die randomi- 4-Studie zuvor ein DAA-Regime Differenzierung einzelner Therapieop.onen sierte, placebokontrollierte Studie ohne NS5A-Inhibitor erhalten hatPOLARIS-1 wurden Patienten mit ten [21]. In beiden StudienAspekte konnten „Bei mehreren gleichwertigen Therapiemöglichkeiten sollten somit zusätzliche Differenzierung einzelnen Therapiemöglichkeiten werden: oderzurohne Zirrhosederaufgenommen, mit einerherangezogen 12-wöchigen Behandlung dieeinem Therapiedauer, die • mit NS5A-Inhibitor vor- ohne Zugabe von Interferon oder •  die Notwendigkeit zum Einsatz von Ribavirin, behandelt waren, während die Pa- Tabletteneinnahme RBV bei allen HCV-Genotypen •  die einmalige oder mehrmalige tägliche sowie Tablettenmenge, •  die ggf. aufwendigere Labordiagnostik wie das Testen auf virale Resistenzen, •  der Preis“.

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Seit Erweiterung des therapeutischen Spektrums durch Vosevi® können somit fast alle Patienten mit HCV-Infektion unabhängig vom Genotyp, Zirrhosestatus oder einer DAA-Vorbehandlung von den SOF-basierten Therapieregimes profitieren. Dies erlaubt eine einfachere Behandlung – nicht nur aufgrund der einmal täglichen 10 der kurzen TheraDosierung und piedauer (8–12 Wochen), sondern auch aufgrund der Tatsache, dass nun bei allen HCV-Genotypen unabhängig vom Behandlungsstatus eine wirksame und gut verträgliche Therapieoption zur Verfügung steht. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Der Eco-Hep-Report; Leberhilfe Projekt gUG 2016, https://www.leberhilfe-projekt. de/files/Projekte/Hepatitis-C-Belastung-inDeutschland/downloads/Eco-Hep-ReportGERMAN.pdf; Stand: November 2017 2 Zeuzem S. Dtsch Arztebl Int 2017;114:11– 21 3 Bundesministerium für Gesundheit. Strategie zur Eindämmung von HIV Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen. https://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/Presse/Strategiezur-Eindaemmung-von-HIV-Hepatitis-Bund-C-und-anderen-sexuell-uebertragbaren-Infektionen.pdf; Stand: November 2017 4 WHO. Combating hepatitis B and C to reach elimination by 2030. www.who.int/ hepatitis/publications/hepelimination-by2030-brief/en; Stand: November 2017

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

5 Sarrazin C et al. Z Gastroenterol 2010;48:289-351; http://www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/021-012.html 6 Wolffram I et al. J Hepatol 2015;62:12561264 7 Fachinformation SOVALDI®, Stand Februar 2017 8 DGVS et al. Aktuelle Empfehlungen zur Therapie der chronischen Hepatitis C; 2016. www.dgvs.de/wissenkompakt/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/hepatitis-c 9 Sundaram V et al. AASLD 2016, Poster LB-16 10 Feld JJ et al. N Engl J Med 2015;373: 2599-2607 11 Foster GR et al. N Engl J Med 2015;373: 2608-2617 12 Curry MP et al. N Engl J Med 2015;373: 2618-2628 13 Curry MP et al. EASL 2017, Abstract PS102 und mündliche Präsentation 14 Christensen S et al. EASL 2017; Poster #SAT-275 15 Tsai N et al. EASL 2017; Poster #SAT-244 16 Khalili M et al. EASL 2017; Poster #SAT222 17 Buggisch P et al. ILC 2017, Poster #Sat254 18 Fachinformation EPCLUSA®, Stand: Mai 2017 19 European Association for the Study of the Liver (EASL). J Hepatol 2017;66:153-194 20 Fachinformation VOSEVI®, Stand: Juli 2017 21 Bourliere M et al. N Engl J Med 2017;376: 2134-2146 22 Jacobson IM et al. Gastroenterology 2017; 153:113-122

Quelle: Pressekonferenz „Auf dem Weg zur Hepatitis-C-Eliminierung – Heilung jetzt auch für schwer zu behandelnde Patienten möglich” im Rahmen der 72. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS); Veranstalter: Gilead Sciences GmbH, Martinsried

Eosinophile Ösophagitis: Erkennen und gezielt therapieren

W

enn Brot und Fleisch in der Speiseröhre stecken bleiben, der Patient beim Verzehr solider Speisen extrem viel nachtrinken muss oder den Genuss dieser Speisen gleich ganz vermeidet, liegt die Diagnose „eosinophile Ösophagitis“ (EoE) nahe. Leitsymptom ist die Dysphagie bei geformten Speisen, manchmal begleitet von retrosternalem Schmerz. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie können dann die fortschreitende Fibrosierung der Speiseröhre aufhalten, die Gefahr der Bolusimpaktierung reduzieren und die Lebensqualität verbessern [1]. EoE ist keine „nice-to-have“-Diagnose, sondern eine „must-to-treat“Erkrankung. Die medikamentöse Therapie setzt auf topische Steroide, die sich in randomisierten kontrollierten Studien als wirksam erwiesen haben [1]. Noch ist kein Präparat zugelassen. Für große Aufmerksamkeit sorgen daher die Phase-III-Daten einer von Dr. Falk Pharma, Freiburg, entwickelten Budesonid-Schmelztablette. Sie verbesserte in der Induktionstherapie über 6 Wochen die Histologie und Symptomatik der EoE hochsignifikant im Vergleich zu Placebo [2]. Charakteristika der EoE

Die eosinophile Ösophagitis ist eine seltene Erkrankung und ge-

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hört zu den sogenannten OrphanKrankheiten. Erste Fälle wurden vor 40 Jahren berichtet, eine genaue Beschreibung des Krankheitsbildes wurde Anfang der 90er Jahre publiziert. Definiert wurde die EoE 2011 durch eine internationale Expertengruppe als chronisch entzündliche, immunvermittelte ösophageale Erkrankung, die klinisch durch Symptome einer ösophagealen Dysfunktion und histologisch durch Infiltration der Ösophagusmukosa mit eosinophilen Granulozyten charakterisiert ist. Die EoE tritt gehäuft bei Männern im Alter von 30–50 Jahren auf (Geschlechterverhältnis 3:1), kann sich aber in jedem Lebensalter manifestieren. Zudem ist sie häufiger bei Patienten mit Nahrungsmittelallergien oder atopischen Erkrankungen. Vor allem bei jüngeren Patienten mit atopischer Anamnese sollte deshalb bei entsprechenden Beschwerden an eine EoE gedacht werden [1]. Leitsymptom der EoE ist bei Erwachsenen die Dysphagie: Die Patienten können feste Speisen wie etwa Brot oder Fleisch nur sehr schwer schlucken, begleitet von leichtem Würgen bis hin zu der Gefahr, dass der Bolus in der Speiseröhre stecken bleibt. Zusätzlich klagt etwa die Hälfte der Betroffenen über retrosternale Schmerzen. Der Leidensdruck ist hoch. Bei Kindern mit EoE stehen Nahrungsverweigerung und Gedeih© VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS / WISSENSWERTES

störung ganz oben auf der Liste der Symptome. Hinzu können Bauchschmerzen, abdomineller Schmerz und Diarrhö kommen [1]. Frühzeitig diagnostizieren – per Panendoskopie und Histologie

Bei Verdacht auf eine EoE ist eine Panendoskopie mit strukturierter Biopsieentnahme (mindestens 6) indiziert. Diagnostisch wegweisend ist die typische Symptomatik in Kombination mit einer Eosinophilen-prädominanten Entzündung, definiert als ≥15 eos/High Power Field. Das endoskopische Erscheinungsbild ist variabel. Es zeigen sich Längsfurchen, weißliche Auflagerungen, Ringe, Stenosen und langfristig ein fibrotischer Umbau – der Ösophagus wird vom elastischen Schlauch zu einem starren Rohr. Dabei gilt: Je länger die Zeit zwischen Symptombeginn und Therapie, umso größer ist das Risiko von Fibrosierung und Striktur [1]. Wird früh interveniert, lässt sich das Remodeling verhindern. Morphologische und funktionelle Kapazität der Speiseröhre bleiben erhalten. Damit sinkt die Gefahr der Bolusimpaktation und die Lebensqualität verbessert sich. Budesonid-Schmelztablette reduziert Entzündung und Symptome hochsignifikant

Topische Steroide wie Budesonid haben sich in randomisierten, kontrollierten Studien bei EoE als wirksam erwiesen. In der Induktionstherapie reduzieren sie die Eosinophilen-dominante Entzündung und die Symptomatik [1]. Bislang ist allerdings kein Präparat speziell für die Therapie der EoE zugelassen. In der Entwicklung sind

unter anderem 2 Formulierungen von Dr. Falk Pharma, die bereits in Phase-II- und III-Studien untersucht werden: eine BudesonidSuspension und eine BudesonidSchmelztablette. Wie wirksam die Budesonid-Schmelztablette ist, belegen die Daten der randomisierten, doppelblinden, placebokon­ trollierten Phase-III-Studie EOS-1 [2], die den Effekt der BudesonidSchmelztablette (2 × 1 mg/d) bei Patienten mit klinisch-pathologisch aktiver EoE über 6 Wochen untersuchte. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Rate der Patienten mit klinisch-histologischer Remission nach 6 Wochen. Das Ergebnis zeigt einen hochsignifikanten Vorteil der Schmelztablette gegenüber Placebo. Der Anteil der Patienten, die unter Verum den primären Endpunkt erreichten, war hochsignifikant höher als unter Placebo (57,6 % versus 0 %; p < 0,00001). Eine histologische Remission wurde bei mehr als 90 % der Patienten erreicht, unabhängig von der Lokalisation der Entzündung in der Speiseröhre und dem Ausmaß der Erkrankung. Auch die Entzündungsaktivität zu Therapiebeginn hatte keinen Einfluss auf das überzeugende Ergebnis [2]. Fabian Sandner, Nürnberg

STADA Gesundheitsreport 2017: Gesundheit kommt im Bildungssystem zu kurz Der STADA Gesundheitsreport 2017 „Nachhilfe nötig: Muss Gesundheit Schule machen?“ zeigt, dass vielen jungen Erwachsenen in Deutschland die Gesundheitsbildung fehlt. Sie wissen nicht, wie sie mit elementaren und alltäglichen Fragestellungen rund um Gesundheit und Krankheit richtig umgehen. Der Grund dafür liegt unter anderem in der Schulzeit: Das deutsche Bildungssystem versäumt es anscheinend, Kindern und Jugendlichen Gesundheitsthemen näherzubringen – unabhängig von Schulform und Bildungsabschluss. 80 % der jungen Erwachsenen in Deutschland wünschen sich ein Schulfach „Gesundheit“. Sie haben gemerkt, dass Gesundheitsthemen aktuell im Klassenzimmer kaum vorkommen: 69 % geben im STADA Gesundheitsreport 2017 an, Gesundheitsthemen haben im Unterricht nur eine geringe oder gar keine Rolle gespielt. Nur 13 % sagen, sie haben in der Schule et18- bis 24-Jährige wünschen sich ein Schulfach „Gesundheit“ für die nächsten Generationen.

Literatur 1 Lucendo A, Molina-Infante J, Arias A et al. Guidelines on eosinophilic esophagitis: evidence-based statements and recommendations for diagnosis and management in children and adults. United European Gastroenterol J 2017;5:335-358 2 Lucendo A, Miehlke S, Vieth M et al. Budesonide orodispersible tablets are highly effective for treatment of active eosinophilic esophagitis: results from a randomized, double-blind, placebo-controlled, pivotal multicenter trial (EOS-1). Gastroenterology 2017;152 (Suppl. 1):S207

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WISSENSWERTES

was über das Gesundheitssystem gelernt. Über Prävention sowie Volkskrankheiten haben nur 21 % bzw. 27  % etwas erfahren. Der Report basiert auf einer bevölkerungsrepräsentativen Studie der Beratungs- und Marktforschungsagentur Kantar Health im Auftrag der STADA Arzneimittel AG. Sie befragte 2.000 junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren.

denken fälschlicherweise, dass Antibiotika gegen Viren helfen. • Nur 62  % wissen, dass sich Krankenkassen unter anderem aus den Beiträgen ihrer Versicherten finanzieren. Noch weniger kennen die Finanzierungsquellen von Ärzten. Jeder Vierte glaubt zum Beispiel noch an die Praxisgebühr. • 40 % kennen nicht die Unterschiede von stationärer und ambulanter Behandlung. 13 % glauben, ambulante Behandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass man vom Notarzt ins Krankenhaus gefahren wird. • Jede dritte junge Frau denkt, sie dürfe nicht zum Urologen gehen, weil dieser nur Männer behandle. 40 % der jungen Männer wissen nicht, dass ein Gynäkologe hauptsächlich Frauen behandelt. Und geschlechterübergreifend meinen 18 %, dass ein Orthopäde auch Organschäden behandelt. Wo, wenn nicht in der Schule?

„Generation Ahnungslos“ in Gesundheitsfragen

Die fehlende Aufklärung zu Gesundheitsthemen in der Schule macht sich bei den jungen Erwachsenen bemerkbar. Nur 34 % von ihnen haben eine ausreichende Gesundheitskompetenz. Damit schneiden die 18- bis 24-jährigen Deutschen schlechter ab als viele europäische Nachbarn*. Übersetzt in alltägliche Fragestellungen zeigen sich entsprechend Wissenslücken. Ein Auszug: • 38 % wissen nicht, was Antibiotikaresistenz bedeutet. 36 % * Die Gesundheitskompetenz wurde auf Basis der Kurzform des EU-weit standardisierten, validierten Health Literacy Survey ermittelt (HLS-EU-Q16).

Das Dilemma an der fehlenden Vermittlung von Gesundheitsthemen in der Schule ist, dass sich die jungen Erwachsenen sich ihre Informationen aus anderen – nicht immer seriösen – Quellen holen. Nur 23 % geben an, in der Schule am meisten über Gesundheit gelernt zu haben. Stattdessen sagen 32 %, ihre Topinformationsquelle sei das Internet. „Das ist nicht zufriedenstellend. Die Schule müsste hier eigentlich einen viel wichtigeren Platz einnehmen“, sagt Prof. Dr. Klaus Hurrelmann. Der Gesundheitsund Bildungsforscher von der Hertie School of Governance hat den STADA Gesundheitsreport 2017 mitentwickelt.

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Doch es gibt Hoffnung

Was die Studie auch zeigt: Mehr Gesundheitsthemen können die Gesundheitsbildung verbessern. Denn bei den jungen Erwachsenen mit ausreichender Gesundheitskompetenz spielten Gesundheitsthemen in der Schule häufiger eine große Rolle – nämlich in 36 % der Fälle. Bei denjenigen mit inadäquater Gesundheitskompetenz trifft das nur auf 25 % zu. Ein Anhaltspunkt für die These vieler Wissenschaftler, dass Gesundheit vor allem ein Bildungsproblem ist – aber unabhängig von Schulform und Bildungsabschluss. Denn die Problematiken zeigten sich bei allen Befragten in ähnlichem Ausmaß. „Ich empfinde die fehlende Vermittlung von Gesundheitsthemen als sehr kritisch. Die junge Generation muss sich noch nicht mit Gesundheitsfragen beschäftigen, weil sie in der Regel gesund ist. Trotzdem wird in jungen Jahren der Grundstein gelegt. Es muss hier gelingen, Gesundheitsbildung schon in der Schule so an die Menschen heranzutragen, dass sie den Mehrwert erkennen und Spaß daran haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, erklärt Hurrelmann. S. M. Einen Beitrag zur Vermittlung von Gesundheitswissen an junge Erwachsene bietet STADA mit der Digitalkampagne #HealthChecker. Unter www. health-checker.de kann das eigene Gesundheitswissen – auch im Vergleich mit den Teilnehmern der Studie – auf den Prüfstand gestellt werden. Nach jeder Frage gibt es zudem weiterführende Gesundheitsinformationen.

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

D

ie Diagnose und Therapie der Immunthrombozytopenie (ITP, Morbus Werlhof) sind im Wandel. So haben sich insbesondere mit der Einführung von Thrombopoetinrezeptor-Agonisten (TPO-RA) wie Eltrombopag (Revolade®) wichtige neue Behandlungsperspektiven ergeben [1]. Einen Überblick zur gegenwärtigen Versorgungssituation von ITP-Patienten in Deutschland gibt eine aktuelle Studie [2], die Professor Uwe Platzbecker, Dresden, auf einer Pressekonferenz im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinischen Onkologie in Stuttgart vorgestellt hat. ITP: Niedrige Thrombozytenwerte, erhöhtes Blutungsrisiko

Kennzeichnend für die Autoimmunerkrankung ITP ist der Antikörper-vermittelte Abbau von Thrombozyten, begleitet von einer Hemmung der Thrombozytopoese im Knochenmark. Der daraus resultierende Thrombozytenmangel führt zu einer erhöhten Blutungsneigung, die im Falle einer ZNS-Beteiligung mitunter lebensbedrohlich sein kann. Die Gefahr tödlicher Blutungen steigt insbesondere nach dem 60. Lebensjahr deutlich an [3]. Die ITP kann in 3 Stadien eingeteilt werden: Von einer neu diagnostizierten ITP spricht man, wenn die Krankheit bis zu 3 Monate nach Diagnosestellung fortbesteht. Persistierende Verlaufsformen umfassen eine Dauer von 3–12 Monaten nach Diagnose, bei einer Dauer von über 12 Monaten handelt es sich um eine chronische ITP (cITP) [3].

Immunthrombozytopenie: Neue Studie unterstreicht Relevanz von Eltrombopag in der täglichen Praxis

Die Inzidenz beträgt bei Erwachsenen wie bei Kindern etwa 20–40 Neuerkrankungen pro 100.000/ Jahr. Die Prävalenz liegt bei etwa 20 cITP-Fällen pro 100.000 Erwachsenen. Bei Kindern wird die Prävalenz auf etwa 5/100.000 Kinder geschätzt. Im Kindesalter ist die ITP die häufigste Ursache einer erhöhten Blutungsneigung (ca. 3–5/100.000 pro Jahr) [3]. Therapie der ITP

Eine ITP wird oft zufällig oder nach bereits stattgefundenen Blutungen diagnostiziert. Die Therapieentscheidung orientiert sich in erster Linie am Blutungsrisiko, erst in zweiter Instanz an der Thrombozytenkonzentration [3]. Während bei geringem Risiko meist eine Watch-and-Wait-Strategie verfolgt wird, werden Patienten mit hoher Blutungsneigung in der Erstlinientherapie vorrangig mit Steroiden behandelt. Im Falle akuter Blutungen stehen Immunglobuline zur Verfügung. Diese führen meistens zu einem raschen Anstieg der Thrombozytenzahlen,

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die Werte fallen aber in der Regel schnell wieder auf das Ausgangsniveau. Dauerhafte Remissionen werden durch ImmunglobulinGabe selten erreicht; dadurch beschränkt sich deren Anwendung auf Notfallsituationen (Blutungen, nicht aufschiebbare Operationen). In der Zweitlinientherapie erweitern seit einigen Jahren Thromb o p o e t i n r e z e p t o r- A g o n i s t e n (TPO-RA) wie Eltrombopag das Therapiespektrum [1, 3]. TPO-RA stimulieren die Produktion von Thrombozyten und können so zur Erhöhung der Thrombozytenkonzentrationen beitragen. Der Einsatz von TPO-RA in der Zweitlinie ist von zentraler Bedeutung, da Steroide aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils maximal über einen Zeitraum von 2–3 Monaten verabreicht werden sollten. Damit bieten TPO-RA eine Therapiealternative für cITP-Patienten, deren Erkrankung unter Steroidgabe persistiert [3]. Eine weitere 2nd-Line-Therapieoption ist die Splenektomie. Sie weist allerdings eine relativ hohe „Versagerquote“ auf: Etwa jeder dritte Patient spricht nicht an oder © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

60%

56%

Anteil der Patienten (%)

50% 40% 30% 18%

20%

14%

13%

10%

6%

5%

2%

2%

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0%

G as

erleidet ein Rezidiv. Die postoperative Morbidität liegt bei ca. 10 % (Infektionen), die Mortalität beträgt 1 % bei der Laparotomie und 0,2 % bei der Laparoskopie. Im klinischen Alltag wird nur etwa ein Drittel der ITP-Patienten splenektomiert; Grund hierfür ist die medikamentöse Alternativtherapie, beispielsweise mit dem TPO-RA Eltrombopag [3]. Im Januar 2016 erfolgte eine Zulassungserweiterung für Eltrombopag bei chronischer ITP. Daher ist die Splenektomie nun keine Voraussetzung mehr für die Behandlung mit dem Thrombopoetinrezeptor-Agonisten [4].

Abbildung 1: Gründe, die zur Diagnose ITP führten [2].

Eltrombopag Aktuelle Daten zur ITPVersorgungssituation in Deutschland

Seit der Einführung von TPO-RA bieten diese bei ITP eine wichtige Therapieoption für behandelnde Ärzte. Wie sich die Diagnose- und Behandlungsmuster in Deutschland durch die neuen Therapiemöglichkeiten verändert haben, untersuchten Platzbecker et al. in einer retrospektiven Studie. In die Erhebung per Fragebogen flossen die Daten aus 13 deutschen hämatologischen Zentren mit insgesamt 821 Patienten aus dem Jahr 2016 ein. Die Fragen erfassten unter anderem Angaben zu den Patienten, zu klinischen Parametern zum Zeitpunkt der Diagnose sowie zu bisherigen und aktuellen Behandlungsstrategien [2]. Mehr als die Hälfte der Patienten war über 60 Jahre alt (58 %). Männer wie Frauen waren etwa gleich häufig betroffen (47 % vs. 53 %). In 71 % aller Fälle lag eine chronische ITP vor. Bemerkenswert waren laut Studienautor Platzbecker die Gründe, die zur Diagnose

Bei Eltrombopag (Revolade®) handelt es sich um ein „small molecule“ aus der Klasse der Thrombopoetinrezeptor-Agonisten, das einmal täglich oral eingenommen wird [4]. Thrombopoetin (TPO) reguliert durch Bindung an den TPO-Rezeptor (TPO-R) die Megakaryopoese und Thrombozytenproduktion. Eltrombopag interagiert mit der Transmembran-Domäne des TPO-R und kann somit die Proliferation und Differenzierung von Megakaryozyten aus Knochenmark-Vorläuferzellen stimulieren [5]. Hierbei binden Eltrombopag und TPO an unterschiedliche Stellen des TPO-R, wodurch sich synergistische Effekte einstellen können [6]. Revolade® ist zugelassen zur Behandlung von Patienten ab einem Jahr mit chronischer immun(idiopathischer)-thrombozytopenischer Purpura, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind (z.B. Kortikosteroide, Immunglobuline). Ferner besteht eine Zulassung zur Anwendung bei erwachsenen Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Virus-Infektion zur Behandlung einer Thrombozytopenie, wenn das Ausmaß der Thrombozytopenie der Hauptfaktor ist, der die Initiierung einer optimalen Interferon-basierten Therapie verhindert oder die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung einer optimalen Interferon-basierten Therapie limitiert [4].

ITP führten. So handelte es sich bei mehr als der Hälfte aller Fälle (56 %) um eine Zufallsdiagnose, gefolgt von bereits aufgetretenen Blutungsereignissen (Hämatome 18 %, Petechien 13 %; Abb. 1) [2]. Wurden die Patienten allerdings nach ihren Thrombozytenkonzentrationen gruppiert, so waren bei

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ITP-Patienten mit niedrigen Werten bereits stattgefundene Blutungen maßgeblich für die Diagnose verantwortlich. Der hohe Anteil von Patienten mit Blutungen vor Diagnose verdeutlicht, dass bei vielen ITP-Patienten die Erkrankung erst spät diagnostiziert und behandelt wird. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Erstlinientherapie

herapie

bei höheren Thrombozytenzahlen

TRO-RA: Thrombopoetinrezeptor-Agonist

31-50 x 109/l

44%

60%

Steroide

1% Sonstige

0%

0% Rituximab

0% TPO-RA

Chemotherapie

b)

Thrombozytenkonzentrate

Splenektomie

0%

Immunglobuline

5%

20%

3%

40%

1%

% Patienten (n = 116)

80%

46%

0% Chemotherapie

4%

0% Rituximab

Therapie bei Patienten mit Thrombozytenzahl 9 31-50mit x 10 /l Therapie bei Patienten Thrombozytenzahl

Sonstige

0%

a)

gonist

Immunglobuline

0% Splenektomie

Steroide

0%

Watch & Wait

3%

20%

5%

17%

40%

TPO-RA

60%

•  Bei höherer Thrombozytenzahl wurde 1st-line mit Steroiden behandelt oder abgewartet. •  Je höher die Thrombozytenzahl, desto eher wurde keine Therapie gegeben.

Thrombozytenkonzentrate

80% % Patienten (n = 78)

hl wurde hlich mit delt

72%

Therapie beiPatienten Patienten mit Therapie bei mitThrombozytenzahl Thrombozytenzahl 0-30 0-30xx10 109/l9/l

Watch & Wait

Thrombozytenzahlen

Platzbecker U, HeßlingÖsterreichischen J, Hurzt H.-J. Retrospektive Analyse der Versorgungssituation von Patienten mit Immunthrombozytopenie. Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und rospektive Analyse der Versorgungssituation von Patienten mit Immunthrombozytopenie. Jahrestagung der Deutschen, und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie 2017, Stuttgart; Abstract P313. atologie und Medizinische Onkologie 2017, Stuttgart; Abstract P313.

Therapie bei Patienten mit Thrombozytenzahl Therapie bei Patienten mit Thrombozytenzahl 9 31-50 x 10 /l 9 31-50 x 10 /l

6% Sonstige

Chemotherapie 0%

Rituximab

6%

19% TPO-RA

6%

10% Thrombozytenkonzentrate

Steroide

Watch & Wait

0%

Splenektomie

3%

20%

Immunglobuline

40%

26%

60%

23%

% Patienten (n = 44)

80%

0%

Sonstige

2%

Chemotherapie

2%

Rituximab

TPO-RA

Thrombozytenkonzentrate

0%

16%

•  In dritter Behandlungslinie auch Steroide •  Zunehmend Einsatz von TPO-RA •  Ab dritter Linie auch zunehmend Splenektomie •  Bild ähnlich über alle Thrombozytenzahlen 18%

45%

Immunglobuline

0%

0%

20%

Splenektomie

hlen über alle hlen

40%

Steroide

bei

60%

16%

uch -RA

80%

Watch & Wait

dlungslinie edliche genutzt g:

Therapie beibeiPatienten Thrombozytenzahl Therapie Patienten mit mit Thrombozytenzahl 31-50 x x 10 31-50 1099/l/l

% Patienten (n = 44)

n

Abbildung 2: Behandlungsstrategien für die Erstlinientherapie der Immunthrombozytopenie in der täglichen Praxis. a) Bei niedriger ThrombozytenzahlLinie wurde 1st-line hauptsächlich Therapie mit Steroiden behandelt. Bei höherer Thrombozytenzahl wurde 1st-line mit Steroiden behandelt oder zweiter in b)dritter Linie abgewartet. Je höher die Thrombozytenzahl war, desto eher wurde keine Therapie gegeben [2].

TRO-RA: Thrombopoetinrezeptor-Agonist

gonist

rospektive Analyse der Versorgungssituation von Patienten mit Immunthrombozytopenie. Jahrestagung Platzbecker der Deutschen, U, HeßlingÖsterreichischen J, Hurzt H.-J. Retrospektive und Analyse der Versorgungssituation von Patienten mit Immunthrombozytopenie. Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und atologie und Medizinische Onkologie 2017, Stuttgart; Abstract P313. Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie 2017, Stuttgart; Abstract P313.

Abbildung 3: Behandlungsstrategien für die Zweitllinientherapie der Immunthrombozytopenie in der täglichen Praxis. Immer noch häufig wurden Steroide eingesetzt, zunehmend aber auch TPO-RA, kaum dagegen die Splenektomie [2].

Steroidgabe in der Zweit- und Drittlinientherapie mitunter kritisch In der Erstlinientherapie der ITP wurde bei hohen Thrombozytenzahlen die Watch-and-Wait-Strate-

Abbildung 4: Behandlungsstrategien für die Drittlinientherapie der Immunthrombozytopenie in der täglichen Praxis. Auch hier wurden noch Steroide eingesetzt, zunehmend TPO-RA und eher selten die Splenektomie [2].

gie verfolgt, bei niedrigen Konzentrationen kamen zumeist Steroide zum Einsatz (Abb. 2a und b) [2]. Zudem wurden Steroide auch in der Zweit- oder sogar Drittlinientherapie verwendet (Abb. 3 und 4). Dieser häufige, langfristige Stero-

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ideinsatz in der klinischen Praxis sollte laut Platzbecker überdacht werden, da die Kortikosteroide aufgrund ihres Risikoprofils eigentlich nicht länger als 2–3 Monate geben werden sollten.

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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RA ist eine Aktualisierung der DGHO-Leitlinien zur ITP Anfang 2018 geplant. Aus den Daten der Versorgungsstudie ergibt sich für die Therapie in der Praxis der in Abbildung 5 gezeigte Vorschlag für einen überarbeiteten Algorithmus [2]. Fabian Sandner, Nürnberg

Literatur

Abbildung 5: Vorschlag für einen Therapiealgorithmus der Immunthrombozytopenie [2]. OL = Off-Label.

Thrombopoetinrezeptor-Agonisten kommen vermehrt zum Einsatz In der Zweit- und Drittlinientherapie zeigte sich ein zunehmender Einsatz von TPO-RA wie Eltrombopag (Abb. 3 und 4). Die vermehrte Gabe von TPO-RA scheint mit einem Rückgang an Splenektomien einherzugehen, zumal seit 2016 eine vorangegangene Splenektomie nicht mehr Voraussetzung für den Einsatz von Eltrombopag ist und sich daraus eine deutliche Vereinfachung der Therapie und Entlastung für die Patienten ergibt. Der steigende Einsatz von TPORA bei cITP spiegelt deren gute

Langzeitwirksamkeit und Verträglichkeit wider. So zeigen die Ergebnisse der EXTEND-Studie mit Daten von bis zu 8,8 Jahren, dass die Gabe von Eltrombopag zu einer lang anhaltenden Erhöhung von Thrombozytenzahlen und Reduktion der Blutungsereignisse bei gutem Verträglichkeitsprofil führt [1]. Fazit

Angesicht der sowohl auf Stu­ dienebene als auch in der klinischen Praxis belegten Evidenz für die hohe Wirksamkeit von TPO-

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1 Bussel J, Saleh MN, Khelif A et al. Final safety and efficacy results from the EXTEND-Study: Treatment with eltrombopag in adults with chronic Immunethrombocytopenia. 21st Annual Meeting of the European Haematology Association (EHA), Kopenhagen, Denmark, June 9–12, 2016; Abstract S517 2 Platzbecker U, Heßling J, Hurzt HJ. Retrospektive Analyse der Versorgungssituation von Patienten mit Immunthrombozytopenie. Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie 2017, Stuttgart; Abstract P313 3 Matzdorff A, Eberl W, Giagounidis A et al. DGHO-Leitlinie Immunthrombozytopenie (ITP). Stand: November 2013. Im Internet: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/ guidelines/immunthrombozytopenieitp/@@view/html/index.html#ID0E2H 4 Fachinformation Revolade® 5 Kuter DJ. The biology of thrombopoietin and thrombopoietin receptor agonists. Int J Hematol 2013;98:10-23 6 Erickson-Miller CL, Deloe E, Tian SS et al. Preclinical activity of eltrombopag (SB497115), an oral, nonpeptide thrombopoietin receptor agonist. Stem Cells 2009; 27:424-430

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Lenalidomid – ein essenzieller Bestandteil der MyelomPrimärtherapie

P

atienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (ndMM) lassen sich grob in 2 Gruppen aufteilen: solche, bei denen ein autologe Stammzelltransplantation (ASZT) möglich ist, und solche, für die eine derartige Therapie keine Option darstellt (NSCT). Dabei machen körperlich fitte Patienten in einer guten klinischen Verfassung, die transplantierbar sind, rund 36 % der ndMM-Patienten aus [1, 2]. Eine Behandlung mit dem immunmodulierenden Wirkstoff Lenalidomid (Revlimid®) kommt für beide Patientenkollektive infrage – entweder als Erstlinientherapie oder als Erhaltungstherapie im Anschluss an die autologe Transplantation [3]. Erhaltungstherapie mit Lenalidomid: medianes Gesamtüberleben von 111 Monaten

Im Februar 2017 erhielt Lenalidomid als Monotherapie die Zulassung für die Erhaltungstherapie von erwachsenen Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom nach einer autologen Stammzelltransplantation [3]. Die Behandlung mit Lenalidomid verbessert die Prognose dieser Patienten, bei denen es ohne Erhaltungstherapie meist innerhalb von 2–3 Jahren zu einem Krankheitsrezidiv

kommt, deutlich [4, 5]. So betrug das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) in der von der Cancer and Leukemia Group B (CALGB) durchgeführten zulassungsrelevanten Phase-III-Studie CALGB 100104 nach median 81,9 Monaten Follow-up unter Lenalidomid 56,9 Monate, während es unter Placebo nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 81,0 Monaten bei 29,4 Monaten lag (HR: 0,61; p < 0,001) [3]. In IFM 2005-02, der zweiten zulassungsrelevanten Phase-III-Studie der Intergroupe Francophone du Myélome (IFM), lag das mediane PFS nach 96,7 Monaten medianem Follow-up unter Lenalidomid bei 44,4 Monaten im Vergleich zu 23,8 Monaten unter Placebo (HR: 0,57; p < 0,001) [3]. Eine gepoolte Netzwerk-MetaAnalyse dieser beiden Studien sowie der Studie GIMEMA RV-209 der Gruppo Italiano Malattie Ematologiche dell’Adulto (GIMEMA) wertete die Daten von insgesamt 1.208 Patienten aus. Die Analyse zeigte einen Vorteil von etwa 2 Jahren im medianen Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zu Patienten ohne Erhaltungstherapie: Das mediane OS der Patienten, die Lenalidomid im Anschluss an eine ASZT erhielten, betrug 111 Monate, das der Patienten im Kontrollarm (Placebo/ keine Erhaltungstherapie) dagegen nur 86,9 Monate. Zum Zeitpunkt

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des verlängerten Follow-up zum 1. Februar 2016 reduzierte die Lenalidomid-Erhaltungstherapie somit das Mortalitätsrisiko um 23 % (HR: 0,77; p = 0,002). Aufgrund dieser überzeugenden Ergebnisse stellt die 2017 erfolgte Zulassung von Lenalidomid zur Erhaltungstherapie nach autologer Stammzelltransplantation einen bedeutenden Fortschritt für Patienten sowie Ärzte dar. Überlebenszeitgewinn auch für nicht transplantierbare Patienten

Bereits etwa 2 Jahre zuvor, im Februar 2015, erhielt Lenalidomid die Zulassung als Kombinationstherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit unbehandeltem multiplem Myelom, die nicht transplantierbar sind [3]. Eine aktuelle Auswertung der FIRST-Studie (MM-020), auf deren Basis Daten die Zulassung eingereicht wurde, zeigt einen medianen OS-Vorteil von 10,0 Monaten für die kontinuierliche Lenalidomid-Therapie neu diagnostizierter MM-Patienten im Vergleich zum MPT-Regime (Melphalan + Prednison + Thalidomid): Das mediane OS im Lenalidomid/Dexamethason-Arm betrug 59,1 Monate, im MPT-Arm 49,1 Monate (HR: 0,78; p = 0,00234) [7]. Die Therapieoption mit Lenalidomid ist für neu diagnostizierte © VERLAG PERFUSION GMBH


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Neue ESMO-Guidelines zum multiplen Myelom Das Leitlinien-Komitee der European Society for Medical Oncology hat im April 2017 ein Update der Guidelines zu Diagnose, Behandlung und Follow-up des multiplen Myeloms publiziert (Moreau P et al. Ann Oncol 2013;24,Suppl. 6:vi133-vi137). Die Aktualisierung enthält Empfehlungen für unterschiedliche Behandlungssettings: Therapie älterer nicht transplantierbarer Patienten: Zur Erstlinientherapie nicht transplantierbarer Patienten werden die beiden von der EMA zugelassenen Kombinationen Lenalidomid plus niedrig dosiertes Dexamethason (Rd) und Bortezomib/Melphalan/Prednison (VMP) empfohlen. Die Zulassung von Rd umfasst die Gabe bis zur Krankheitsprogression. Die Autoren diskutieren zudem weitere nur z.T. zugelassene Kombinationen in diesem Setting wie z.B. die weit verbreitete Kombination Bortezomib/ Cyclophosphamid/Dexamethason (VCD). Therapie jüngerer Patienten (<65 Jahre oder fitte Patienten <70 Jahre in guter klinischer Verfassung): Für diese Patienten stellt die Hochdosis-Induktion gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation (ASZT) den Behandlungsstandard dar. In diesem Kontext diskutieren die Autoren den State-of-theArt bei der Induktionstherapie, wobei verschiedene Kombinationsregime mit modernen Substanzen eine höhere Effektivität im Vergleich zu der ehemaligen Standardtherapie VAD (Vincristin/Doxorubicin/ hoch dosiertes Dexamethason) zeigten. Nach ASZT ist eine Konsolidierung möglich. Die Evidenz für den systematischen Einsatz der Konsolidierung ist laut Autoren allerdings noch nicht ausreichend. Hierzu laufen derzeit mehrere Studien. Als Erhaltungstherapie nach ASZT wird Lenalidomid empfohlen. Therapie des rezidivierten/refraktären multiplen Myeloms: Die Wahl der Therapie hängt von vielen Faktoren, wie z.B. Alter und Komorbiditäten des Patienten, aber auch von der Art und Anzahl der Vortherapien ab. Ab der 2. Therapielinie können bei Patienten mit Bortezomib-basierter Vortherapie beispielsweise die Rd-Therapie oder Rd-basierte Kombinationen mit u.a. Daratumumab, Carfilzomib, Elotuzumab oder Ixazomib eingesetzt werden. Patienten mit einer auf einem immunmodulierenden Wirkstoff basierender Vortherapie können eine Therapie mit einem Proteasominhibitor wie Carfilzomib + Dexamethason oder eine Bortezomib-basierte Triplet-Therapie erhalten. Ab der 3. Therapielinie empfehlen die Autoren den Einsatz von Pomalidomid-basierten Kombinationstherapien oder den Antikörper Daratumumab. Zudem könnte bei jüngeren Patienten eine zweite ASZT in Erwägung gezogen werden.

MM-Patienten, die nicht für eine Transplantation infrage kommen, insofern bedeutsam, als diese Patienten häufig auch eine HochdosisChemotherapie nicht gut tolerieren können, beispielsweise aufgrund ihres Alters oder bestehender Komorbiditäten [8]. Somit stellt die Möglichkeit einer besser verträglichen Therapie, die kontinuierlich eingenommen werden kann, für

die Behandlung dieser Patienten eine Bereicherung dar, die sowohl ihr Überleben verlängert als auch ihre Lebensqualität bestmöglich erhält. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Moreau P et al. Ann Oncol 2013;24(Suppl. 6):vi133-vi137

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2 Merz M et al. Ann Hematol 2017;96:987993 3 Fachinformation REVLIMID®; Stand Februar 2017 4 McCarthy PL et al. N Engl J Med 2012; 366:1770-1781 5 Attal M et al. N Engl J Med 2012;366: 1782-1791 6 McCarthy PL et al. J Clin Oncol 2017;35: 3279-3289 7 Facon T, et al. ASH 2016, Abstract # 241 8 Leitlinien der DGHO, im Internet: http:// www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/ leitlinien/multiples-myelom/index_ html#23.2

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Rixathon® – ein RituximabBiosimilar für die Onkologie/ Hämatologie und Rheumatologie

S

eit Ende der 1990er Jahre werden monoklonale Antikörper in der Onkologie eingesetzt und haben in Kombination mit Zytostatika die Therapieergebnisse verbessert und die Überlebenszeit der Patienten deutlich verlängert. Rituximab ist ein chimärer, monoklonaler Anti-CD20-Antikörper, der an das auf B-Lymphozyten exprimierte Oberflächen-Antigen CD20 bindet. Dadurch wird eine Immunreaktion ausgelöst, durch die die B-Lymphozyten eliminiert werden, die bei der Pathogenese von Lymphomen sowie bestimmter Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen. Das Rituximab-Referenzpräparat MabThera® wurde 1998 für die Behandlung verschiedener Non-Hodgkin-Lymphome (follikuläres Lymphom, diffuses großzelliges B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom) sowie bei chronischer lymphatischer Leukämie zugelassen, 2006 erfolgte die Zulassungserweiterung für Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Granulomatose mit Polyangiitis sowie mikroskopische Polyangiitis. Mit Rixathon® ist seit dem 15. Juni 2017 europaweit ein RituximabBiosimilar verfügbar [1], das sich in den Studien ASSIST-FL und ASSIST-RA [2, 3] hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit als äquivalent zum Referenzpräparat

MabThera® erwiesen hat und für die oben genannten Indikationen zugelassen wurde. Da mit den zielgerichteten Krebstherapien mit Biopharmazeutika sehr hohe Behandlungskosten verbunden sind [4], eröffnet die Einführung des Biosimilars die Möglichkeit für Ausgabensenkungen im Gesundheitssystem und bietet eine wichtige Perspektive, auch zukünftig eine wirtschaftliche und moderne Arzneimittelversorgung sicherzustellen. ASSIST-FL: Bioäquivalenz bei der Erstlinientherapie des follikulären Lymphoms

In ASSIST-FL, einer prospektiven, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie, wurden die Wirksamkeit und Sicherheit des Rituximab-Biosimilars Rixathon® mit dem Referenzpräparat MabThera® (jeweils in Kombination mit Cyclophosphamid, Vincristin und Prednison [CVP]), bei 629 Patienten mit unbehandeltem fortgeschrittenem follikulärem Lymphom (FL) verglichen [2]. Diese Erkrankung wurde als am besten geeignete Indikation ausgewählt, weil sie unter den zugelassenen onkologischen Indikationen von Rituximab ein homogeneres Erscheinungsbild aufweist. Au-

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ßerdem wurde die Kombination R-CVP als sensibelste Behandlungsoption betrachtet, da Rituximab den größten zusätzlichen Behandlungseffekt bei einer chemotherapeutischen Backbone-Behandlung in der Kombination mit CVP gezeigt hatte. Die Induktionsphase umfasste 8 Zyklen über 6 Monate, in der die Patienten zusätzlich zu CVP entweder das Biosimilar (375 mg/m², n = 314) oder das Referenzpräparat (375 mg/m², n = 315) erhielten. In die 2-jährige Erhaltungsphase konnten aus beiden Studienarmen jeweils 231 Responder übergehen. Diese bekamen alle 3 Monate entweder 375 mg/m² Rixathon® oder das Referenzpräparat. Als primärer Endpunkt wurde die Gesamtansprechrate definiert, sekundäre Endpunkte waren unter anderem die Komplettremission, progressionsfreies Überleben, Gesamtüberleben und Sicherheit (inkl. Immunogenität). Das primäre Studienziel, die Vergleichbarkeit der Gesamtansprechrate, wurde erreicht. In der Rixathon®-Gruppe sprachen 87,1  % und in der MabThera®Gruppe 87,5 % der Patienten auf die jeweilige Therapie an (Abb. 1). Auch in den sekundären Endpunkten wurden keine signifikanten Differenzen beobachtet und beide Arme wiesen vergleichbare © VERLAG PERFUSION GMBH


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Primärer Endpunkt: Gesamtansprechrate Differenz (90 %-CI): - 0,4 % 90 %-CI: - 5,10, 4,30

Ansprechrate (%)

100 90

87,1

87,5

80

14,8

13,4

70 60

Partielles Ansprechen Vollständiges Ansprechen

50 40

74,,1

72,3

30 20 10 0

Rixathon®

(n = 311)

Referenz-Rituximab MabThera®

(n = 313)

Abbildung 1: Ergebnis der ASSIST-FL-Studie bei Patienten mit unbehandeltem follikulärem Lymphom. Äquivalenz zwischen Rixathon® und dem Rituximab-Referenzpräparat MabThera® wurde festgestellt, da sich das gesamte 90%-CI für die Differenz in der Gesamtansprechrate zwischen den beiden Behandlungen innerhalb der vorab festgelegten Äquivalenzgrenze von ±12 % befand [2].

Sicherheitsprofile auf. Somit kann von einer Bioäquivalenz zwischen Rixathon® und dem Referenzpräparat ausgegangen werden [2]. ASSIST-RA: Bioäquivalenz bei rheumatoider Arthritis

In der zweiteiligen pharmakokinetischen/pharmakodynamischen Phase-I/II-Studie ASSIST-RA wurde untersucht, ob Rixathon® bei der Behandlung von erwachsenen Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis (RA) bioäquivalent zu den Referenzpräparaten MabThera® und Rituxan® ist [3]. Primärer Endpunkt war die pharmakokinetische Vergleichbarkeit, definiert durch den AUC(0-inf) (Area under the curve), gemessen nach 24 Wochen. Als sekundäre Endpunkte wurden weitere pharmakokinetische (Konzentrationsmaximum nach den Infusionen) und pharmakodynamische Parameter (B-Zell-depletierende Wirkung im peripheren Blut), Wirksamkeit

(u.a. American College of Rheumatology-Score ACR20, ACR50, ACR70; Simple Disease Activity Index [SDAI], Clinical Disease Activity Index [CDAI], Health Assessment Questionnaire [HAQ]), sowie die Sicherheit und Verträglichkeit von Rixathon® und der Referenzpräparate nach insgesamt 1,5 Jahren untersucht. Im europäischen Teil der Studie wurden 173 Patienten, deren RA unter einer Therapie mit StandardDMARD und bis zu 3 TNF-αInhibitoren refraktär oder intolerant war, 1:1 randomisiert und erhielten über 1,5 Jahre entweder das Rituximab-Biosimilar Rixathon® oder das Referenzpräparat MabThera®. Im US-amerikanischen Teil 2 wurden 124 Patienten 1:2 randomisiert und erhielten entweder das Referenzpräparat Rituxan® (n = 82) oder das RituximabBiosimilar Rixathon® (n = 42). Verabreicht wurde in beiden Teilen jeweils 1000 mg i.v. innerhalb von 14 Tagen (insgesamt 2 Infusionen an Tag 1 und Tag 15 und ggf.

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wiederholte Infusion nach 24 Wochen). 24 Wochen nach der letzten Infusion endete das SicherheitsFollow-up. Der primäre Endpunkt wurde in beiden Studienteilen erreicht: Anhand der AUC(0-inf) konnte eine Bioäquivalenz zwischen Rixathon® und dem Referenzpräparat gezeigt werden (Geometrisches Mittel – Verhältnis = 1,064; 90%KI 0,8–1,25). Auch der pharmakodynamische, sekundäre Endpunkt wurde erreicht. So zeigte sich zwischen den beiden Medikamenten eine Äquivalenz hinsichtlich der peripheren B-ZellDepletion. Rixathon® war den jeweiligen Referenzpräparaten MabThera® bzw. Rituxan® nicht hinsichtlich der Verbesserung der Krankheitsaktivität innerhalb der ersten 24 Wochen, gemessen mittels DAS28-CRP, unterlegen. Es traten gleich viele (schwere) Nebenwirkungen und potenziell infusionsbedingte Reaktionen auf. In der Referenzpräparatgruppe entwickelten 21,4 % Anti-Drug© VERLAG PERFUSION GMBH


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Monoklonale Antikörper und Biosimilars Monoklonale Antikörper (mAb) zählen zu den Biologika und werden seit 1986 therapeutisch eingesetzt. Ein Vorteil der mAb ist, dass sie die pathologischen Prozesse zielgerichtet beeinflussen können und so weniger systemtoxisch im Vergleich zu Chemotherapeutika wirken. Aktuell sind 59 mAb in Deutschland zugelassen; viele davon für die Therapie onkologischer Erkrankungen. Und von einigen gibt es bereits Biosimilars [6]. Biologika und damit auch Biosimilars werden in lebenden Zellen biotechnologisch hergestellt. Dadurch kann es – auch in einzelnen Chargen des gleichen Produkts – zu einer Mikroheterogenität kommen. Diese Variabiliät ist normal. Daraus resultiert jedoch, dass die regulatorischen Anforderungen an ein Biosimilar strenger sind als die an ein Generikum eines chemischen Wirkstoffs. Für die Markteinführung eines Biosimilars muss der Nachweis erbracht werden, dass es eine äquivalente Bioäquivalenz mit dem Referenzpräparat aufweist. Dazu wird in präklinischen Untersuchungen und klinischen Phase-I-Studien überprüft, ob das Biosimilar und Referenzpräparat hinsichtlich Toxikologie, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik äquivalent sind. Zudem sind Phase-III-Studien erforderlich, deren Studiendesign von der Biosimilarklasse und Indikation abhängt [7, 8, 9]. Extrapolation: Die Bioäquivalenz-Studien für Biosimilars haben nicht zum Ziel, die Wirksamkeit der Biosimilars an sich zu belegen, sondern zu zeigen, dass es mit dem Referenzpräparat äquivalent wirksam ist. Ist die Äquivalenz für eine Indikation des Referenzpräparats nachgewiesen und bestehen keine weiteren klinisch relevanten Unterschiede, kann eine Zulassung anhand der Gesamtheit der verfügbaren Evidenz in allen Indikationsgebieten durch Extrapolation erfolgen. Dies ist ein wissenschaftlich gesicherter Prozess, der auch in anderen Bereichen der Arzneimittelzulassung Anwendung findet, unter anderem bei der Änderung der Herstellungsverfahren und bei Zulassungserweiterungen [10].

Antikörper (ADA), während es in der Rixathon®-Gruppe nur 11,0 % waren [3]. Fazit für die Praxis

Die Studien zeigen, dass das Rituximab-Biosimilar Rixathon® hinsichtlich der Wirksamkeit sowohl

bei unbehandelter fortgeschrittener FL als auch bei RA therapeutisch äquivalent zum Referenzpräparat ist. Auch die Sicherheitsprofile der beiden Produkte sind vergleichbar. Die Zulassung von Rixathon® erweitert nicht nur das Spektrum der in der Onkologie zielgerecht einsetzbaren Therapeutika, sondern kann sich auch als Benefit für das

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Gesundheitssystem erweisen: Das weltweite Einsparpotenzial durch günstigere Biosimilars wird auf 28 Mrd. USD geschätzt [5]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Fachinformation Rixathon® (Rituximab), Stand: Juli 2017 2 Jurczak W et al. A phase III efficacy and safety study of the proposed rituximab biosimilar GP2013 versus rituximab in patients with previously untreated advanced follicular lymphoma. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH), 3.–6. Dezember 2016, San Diego, USA 3 Smolen J et al. Pharmacokinetics, pharmacodynamics, safety and efficacy of proposed rituximab biosimilar (GP2013) vs. EUApproved rituximab (rtx) in patients with rheumatoid arthritis: results from a randomized controlled trial (GP13-201) over 52 weeks. EULAR-Kongress, 8.–11. Juni 2016, London, GB: FRI0222 4 Haustein R et al. Saving money in the European healthcare systems with biosimilars. GaBI Journal 2012;1:120-126 5 Ludwig WD, Dicheva S. Biosimilars in der Onkologie: Eine therapeutische Alternative zu Referenzarzneimitteln? Z Gastroenterol 2016;54:1223-1229 6 Position des Paul-Ehrlich-Instituts zum Einsatz von Biosimilars, 8.12.2015. Online unter: http://www.pei.de/DE/arzneimittel/ immunglobuline-monoklonale-antikoerper/monoklonale-antikoerper/monoklonaleantikoerper-node.html. Letzter Aufruf am 30.05.2017 7 EMA, Biosimilars in the EU – Information for the Health Care Professionals, 5.5.2017. Online unter: http://www.ema. europa.eu/docs/en_GB/document_library/ Leaflet/2017/05/WC500226648.pdf. Letzter Aufruf am 30.05.2017 8 Tabernero J et al. Biosimilars: a position paper of the European Society for Medical Oncology, with particular reference to oncology prescribers. ESMO Open 2017;1, e000142 9 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO). Positionspapier Biosimilars von monoklonalen Antikörpern in der Medizinischen Onkologie. 3.5.2017. Online unter: https:// www.dgho.de/informationen/stellungnahmen/patientenversorgung/Positionspapier_ Biosimilars.pdf. Letzter Aufruf am 30.05.2017 10 Weise M et al. Biosimilars: the science of extrapolation. Blood 2014;124:3191-3196

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Benzydamin hemmt die Aktivierung proinflammatorischer Transkriptionsfaktoren in Makrophagen

B

ei einer akuten Entzündung kommt es durch Reizstoffe oder Krankheitserreger zu einer Aktivierung von Makrophagen, die in der Folge Effektormoleküle freisetzen, welche die typischen Entzündungssymptome auslösen. Die Freisetzung solcher Mediatoren und damit auch die Entzündungskaskade können durch verschiedene Substanzen beeinflusst werden. Klinische Daten zeigten für die lokale Anwendung von Benzydamin-Lutschtabletten bei Halsschmerzen eine deutliche Reduktion von Entzündungssymptomen und Schluckbeschwerden. Pharmakologische Daten sprechen dafür, dass Benzydamin einen zentralen Mechanismus im Netzwerk der akuten Entzündung adressiert.

den Kontakt mit Pathogenen aktiviert, z.B. durch Lipopolysaccharide (LPS). Die Aktivierung erfolgt über sogenannte PatternRecognition-Rezeptoren, unter anderem den Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4), der bereits durch geringe LPS-Mengen aktiviert wird (Abb. 1). Die Bindung von LPS an TLR4 löst eine Signalkaskade aus, die schließlich zur Aktivierung von Transkriptionsfaktoren wie STAT3 (Signal transducer and activator of transcription 3), NF-κB (nuclear factor kappalight-chain-enhancer of activated B-cells ) und AP-1 (Activator pro-

Von den Transkriptionsfaktoren bis hin zu TNF-α

Makrophagen entwickeln sich aus den im Knochenmark gebildeten Monozyten. Diese Zellen werden in die Zirkulation geschwemmt und während einer Infektion durch Chemotaxis vom Infektionsort angezogen. Unter dem Einfluss von Zytokinen und Antigenen differenzieren sie sich im Gewebe zu Makrophagen. Diese werden durch

Abbildung 1: LPS/TLR4-Signalweg. Der Toll-like-Rezeptor (TLR4) wird durch Lipopolysaccharide (LPS) aktiviert, die zuvor mit dem LPS Binding Protein (LBP) einen Komplex gebildet haben. Wird die Bildung des LPS-LBP-Komplexes verhindert, wird die Signalkaskade der Entzündung gestoppt.

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tein 1) führt. Am Ende des TLR4Signalweges steht das Zytokin Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), das eine Vielzahl immunregulatorischer und proinflammatorischer Eigenschaften besitzt und als ein zentraler Mediator der Immunantwort gilt. Neue In-vitro-Daten bestätigen die antientzündliche Wirkung von Benzydamin

Vor diesem Hintergrund wurde die antientzündliche Wirkung der Lutschtabletten neo-angin® Benzydamin gegen akute Halsschmerzen in vitro in einem Makrophagen-Modell untersucht. Zielparameter war der Effekt von Benzydamin-Lösungen in unterschiedlichen Konzentrationen auf LPS-stimulierte Transkriptionsfaktoren (STAT3, NF-κB und AP-1) in Makrophagen. Der Einfluss auf die 3 Transkriptionsfaktoren wurde in 3 entsprechenden Assays gemessen. Zunächst wurden die Makrophagen mit spezifischen Plasmiden transfiziert. Die Testsubstanzen (Lutschtablette) wurden in jeweils 5 ml Zellkulturmedium aufgelöst und die Wirkstofflösungen in ansteigenden Konzentrationen (1 µg/ © VERLAG PERFUSION GMBH


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ml, 5 µg/ml, 10 µg/ml, 25 µg/ml, 50 µg/ml, 75  µg/ml, 100  µg/ml) zu den Makrophagen gegeben und diese mit LPS (1 µg/ml) stimu­liert. Die Ergebnisse: Zum einen erwies sich neo-angin® Benzydamin gegen akute Halsschmerzen in dieser In-vitro-Untersuchung als sehr gut zellverträglich. Selbst in Konzentrationen von 50 µg/ml zeigte sich keine Zytotoxität. Bei der Wirksamkeit überzeugte neo-angin® Benzydamin gegen akute Halsschmerzen ebenfalls: Die Lutschtabletten zeigten ab Konzentrationen von 25 µg/ml inhibitorische Effekte auf die LPS-induzierte Aktivierung der Transkriptionsfaktoren NF-κB, STAT3 und AP-1. Fazit

Da die durch LPS induzierten Transkriptionsfaktoren alle gehemmt wurden, ist es wahrscheinlich, dass Benzydamin an einer zentralen Stelle im LPS/TLR4Signalweg (Abb. 1) ansetzt. Benzydamin könnte beispielsweise die Bindung von LPS an das Lipopolysaccharid-Binde-Protein (LPS binding protein, LBP) im Serum verhindern oder vorgeschaltete Kinasen hemmen, die mit dem TLR4-Rezeptor interagieren. Insgesamt sprechen diese In-vitro-Daten für einen direkten antiinflammatorischen Effekt von Benzydamin und erklären die im klinischen Alltag beobachtete schnelle und effektive Wirkung von neo-angin® BenzydaminLutschtabletten bei akuten Halsschmerzen. Dr. Kirsten Westphal, Heimstetten

Ein Jahr Onivyde: Wie hat sich die Therapie für Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom verändert? Onivyde (pegyliertes liposomales Irinotecan, nal-IRI) in Kombination mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin (LV) ist das bisher einzige zugelassene Medikament für die Behandlung von Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas, deren Erkrankung unter einer Gemcitabin-basierten Therapie fortgeschritten ist. Seit fast einem Jahr ist das Produkt in Österreich verfügbar – Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Das Fazit,

zu dem Experten auf einer Fachpresseveranstaltung während der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie gelangten: Die praktischen Erfahrungen bestätigen die Studien-Daten: Onivyde ist im Therapiealltag angekommen. Patienten profitieren von liposomal verkapseltem Irinotecan

Das Pankreaskarzinom gehört zu den tödlichsten Krebsarten weltweit und macht etwa 3 % aller Krebsfälle aus – mit steigender Tendenz. Allein in Deutschland erkrankten 2016 schätzungsweise 18.600 Menschen an einem Pan-

Onivyde Onivyde (liposomales Irinotecan) ist ein Orphan-Drug und wurde im Oktober 2016 von der Europäischen Kommission in Kombination mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin (LV) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas zugelassen, deren Erkrankung nach einer Gemcitabin-basierten Therapie fortgeschritten ist. Onivyde ist die erste verkapselte und lang im Blutkreislauf zirkulierende Form von Irinotecan, die entwickelt wurde, um den Transport des Wirkstoffs im Blutkreislauf zu verbessern und die Tumor-Expositionsdauer von Irinotecan zu verlängern. Liposomales Irinotecan hemmt die Topoisomerase, die superhelikale DNA in entspannte DNA überführt, indem sie Einzelstrangbrüche induziert sowie Verdrillungen und die Torsionsspannung der DNA aufhebt. Das Enzym schafft so die Voraussetzung für die Transkription der DNA. Irinotecan bzw. sein aktiver Metabolit SN-38 bindet reversibel an den Topoisomerase-1-DNA-Komplex und verhindert so die Reparatur der Einzelstrangbrüche, was zu Doppelstrangbrüchen in der DNA und zum Tod der Krebszellen führt. Zu beachten ist, dass der Wirkmechanismus von Onivyde nicht dem der nicht liposomalen Irinotecan-Formulierung entspricht. Die Substanzen sollten daher nicht gegeneinander ausgetauscht werden. Auch die Dosiskonzentrationen und -stärken beider Formulierungen unterscheiden sich.

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kreaskarzinom und fast genauso viele verstarben daran. „Bei der Behandlung von Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom stehen uns nur begrenzte Behandlungsoptionen zur Verfügung. Durch die Zulassung von Onivyde haben wir endlich eine überzeugende Substanz mehr. Meine Erfahrungen aus Österreich haben gezeigt, dass liposomal verkapseltes Irinotecan gut einsetzbar ist und die Patienten deutlich davon profitieren“, erläuterte Professor Armin Gerger, Graz. „Liposomal verkapseltes Irinotecan erweitert das Behandlungsspektrum und ermöglicht eine sequenzielle Therapie über mehrere Linien – und das bei beherrschbaren Nebenwirkungen.“ Dies entspricht auch den Erfahrungen von Professor Manfred P. Lutz, Saarbrücken, der das nalIRI-haltigen Regime sowohl bei Patienten nach Vorbehandlung mit einer Gemcitabin-Kombinationstherapie als auch mit einer Gemcitabin-Monotherapie einsetzt. Für die Behandlung des metastasierten Pankreaskarzinoms ist eine Gemcitabin-haltige Therapie Standard. Noch bis vor einem Jahr stand keine zugelassene Behandlungsoption für Patienten zur Verfügung, bei denen dass die Gemcitabin-haltige Therapie versagt hat. Dies hat sich mit der Zulassung von Onivyde grundlegend geändert. „Für unsere Behandlungspraxis ist es ein großer Fortschritt, dass wir dem Patienten im Fall des Versagens der initialen Behandlung mit einer Gemcitabin-haltigen Therapie nun eine Weiterbehandlung mit liposomal verkapseltem Irinotecan anbieten können. So haben wir die Chance, das Gesamtüberleben der Patienten bei einer guten Verträglichkeit zu verlängern“, erklärte Professor Michael Geißler, Esslingen.

Datenlage unterstreicht die hervorragende Wirksamkeit

Maßgeblich für die Zulassung von Onivyde waren die Daten der multizentrischen, offenen Phase-IIIStudie NAPOLI-1, in der Onivyde in Kombination mit 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin (LV) das Gesamtüberleben der Patienten gegenüber einer 5-FU/LVMonotherapie signifikant von 4,2 auf 6,1 Monate verbesserte (HR: 0,67; p = 0,012), ohne dabei die Lebensqualität zu beeinträchtigen. Untersucht wurden randomisiert Pankreaskarzinom-Patienten mit metastasierter Erkrankung bei Progress unter einer Gemcitabinbasierten Therapie im neoadjuvanten, adjuvanten, lokalen oder metastasierten Setting. Die Auswertung zum Langzeitüberleben (1-Jahres-OS-Daten) der NAPOLI-1-Studie zeigt einen deutlichen Überlebensvorteil der 117 Patienten der nal-IRI+5-FU/ LV-Gruppe gegenüber den 119 Patienten aus der 5-FU/LV-Gruppe: 26 % (n = 29) überlebten mindestens 1 Jahr gegenüber 16 % (n = 17) im Kontrollarm. Aus einer aktuellen Analyse geht hervor, dass die Patienten mit Langzeitüberleben eher jünger (≤65 Jahre) waren, einen besseren Allgemeinzustand (Karnofsky PS ≥90), ein Neutrophilen-Lymphozyten-Verhältnis ≤5, einen CA 19-9-Spiegel <59 x ULN hatten und weniger Lebermetastasen aufwiesen. Die häufigsten Nebenwirkungen (Grad ≥3 TEAEs) waren Neutropenie, verringerte Leukozytenzahl, Diarrhö, Fatigue, Erbrechen und Anämie. Dass der Überlebensvorteil nach Einsatz von nal-IRI + 5-FU/LV unabhängig von der Vor­ therapie (Gemcitabin-Monotherapie vs. Gemcitabin-Kombinationstherapie) ist, zeigt eine weitere

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Auswertung der NAPOLI-1-Daten. Auch Patienten nach Gemcitabin-Monotherapie profitierten von dem nal-IRI-haltigen Regime und sollten eine weitere Therapielinie angeboten bekommen. Kein Verlust an Lebensqualität

Eine weitere Auswertung der NAPOLI-1-Daten zeigt eine gleichbleibende Lebensqualität unter der nal-IRI-Therapie. Die gesamte gesundheitsbezogene Lebensqualität wie auch alle funktionalen Parameter außer der körperlichen Funktion blieben in beiden Studienarmen von Beginn bis Woche 6 und 12 unverändert. Die körperliche Funktion nahm in beiden Studienarmen geringfügig zwischen Beginn und Woche 6 ab (6,7 Punkte). Lediglich die Fatigue nahm um 11 Punkte moderat im nal-IRI + 5-FU/LV-Arm zu. Ansonsten waren die Symptomscores unter beiden Therapien bis Woche 12 gleich. Elisabeth Wilhelmi, München

Neue Wege in der Therapie von Immun­neuropathien wie CIDP Immunneuropathien sind nicht nur seltene Erkrankungen, sie lassen sich auch sehr schwer voneinander abgrenzen. Wie Dr. Korbinian Holzapfel, Augsburg, anlässlich einer Expertendiskussion auf dem DGN-Kongress berichtete, kann die Nervensonografie die Diagnose von Immunneuropathien anhand spezifischer Scores erleichtern. Trotzdem wird z.B. die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) oft erst © VERLAG PERFUSION GMBH


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KONGRESSE / WISSENSWERTES

Privigen® Privigen® ist ein hochkonzentriertes (10 %) polyvalentes HumanImmunglobulin G (IgG) mit hoher Reinheit (IgG-Anteil ≥98 %) zur sofortigen intravenösen Verabreichung. In der PRIMA-Studie sprachen 61 % der CIDP-Patienten auf Privigen® an: Der INCAT-Score ging signifikant zurück und sowohl maximale Griffstärke wie auch motorische Funktionen verbesserten sich. Außer zur Immunmodulation bei CIDP ist Privigen® zugelassen zur Therapie des Guillain-Barré- oder Kawasaki-Syndroms und bei primärer Immunthrombozytopenie (ITP) bei hohem Blutungsrisiko oder zur Korrektur der Thrombozytenzahlen vor Operationen.

nach Jahren diagnostiziert. Dabei sind laut PD Dr. Min-Suk Yoon, Bochum, viele Neuropathien gut behandelbar, eine CIDP etwa mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG, wie z.B. Privigen®). In Zukunft könnten Ärzte die Therapie womöglich noch individueller und für manche Patienten vorteilhafter gestalten, sagte Yoon. Dann nämlich, wenn auch subkutane Immunglobuline (SCIG) zur CIDP-Therapie zugelassen sind. Individualisierte CIDP-Therapie

Standardmedikamente zur CIDPErsttherapie sind nach wie vor intravenöse Immunglobuline, wie z.B. Privigen®, oder Steroide. Um das IVIG-Ansprechen beurteilen zu können, empfahl er, mindestens 2 Therapiezyklen abzuwarten. „Eine IVIG-Dauertherapie kann zur klinischen Stabilität oder gar weiteren Verbesserung beitragen“, betonte Yoon. Als neuere Interventionsmöglichkeit bei therapierefraktärer CIDP stellte Yoon die Plasmazelldepletion vor. „In einer retrospektiven Datenananalyse von insgesamt 10 therapierefraktär verlaufenden CIDP-Fällen (Versagen multipler Vortherapien, z.B. Immunsuppressiva, B-Zell-Depletion), konnte gezeigt werden, dass durch

die Plasmazelldepletion 2 Patienten stabilisiert und 4 Patienten im INCAT-Score (Inflammatory Neuropathy Cause and Treatment) verbessert werden konnten.“ Als Austauschverfahren kommt alternativ zur Plasmapherese eine Immunadsorption infrage. In einer Studie mit 20 Patienten, von denen jeweils die Hälfte eine der beiden Therapieoptionen (6 Zyklen in 12 Tagen) erhielt, zeigte sich unter der Immunadsorption ein deutlich besseres Ansprechen sowohl bei den Kraftgraden wie auch im INCATScore. Zukünftig werden laut Yoon in der CPDP-Therapie subkutane Immunglobuline (SCIG) eine zunehmende Rolle spielen. Wenn die Zulassung auf diese Indikation erweitert wird, könnte das bestimmten Patienten die Möglichkeit der Selbsttherapie zu Hause eröffnen. Erste Studien haben die Wirksamkeit der SCIG bei CIDP belegt. Bei Umstellung von IVIG ist zu beachten, dass man mit der SCIG-Therapie innerhalb einer Woche nach der letzten IVIG-Dosis beginnen sollte. Yoon empfahl, dosisäquivalent umzustellen, je nach Bedarf eventuell auch mit einer leicht erhöhten SCIG-Startdosis. Vorteilhaft ist möglicherweise, dass sich unter SCIG recht gleichmäßige IgSpiegel einstellen. Elisabeth Wilhelmi, München

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Trimbow®, die erste extrafeine DreifachFixkombination für COPDPatienten Für die Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) bei erwachsenen Patienten steht in der EU seit dem 17.07.2017 mit Trimbow® eine neue Option zur Verfügung. Trimbow® ist die erste DreifachFixkombination aus einem langwirkenden β2-Agonisten (LABA), einem langwirkenden MuscarinAntagonisten (LAMA) und einem inhalativen Kortikosteroid (ICS). Da die Wirkstoffe Formoterolfumarat (FF), Glycopyrroniumbromid (GB) und Beclometasondipropionat (BDP) über einen einzigen Inhalator appliziert werden, vereinfacht sich die COPD-Behandlung, sodass die Compliance der Patienten verbessert werden kann. Trimbow® wird als Dosieraerosol (pMDI, Lösungsaerosol) in extrafeiner Formulierung in einer Wirkstärke von 87 μg/5 μg/9 μg (BDP/ FF/GB) zweimal täglich verabreicht. Indiziert ist die Fixkombination zur Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit moderater bis schwerer COPD, die mit einer Kombination aus einem inhalativen Kortikosteroid und einem langwirkenden β2-Agonisten nicht ausreichend eingestellt sind. Klinisch relevante Reduktion der Exazerbationsrate

Die Zulassung basiert auf 2 PhaseIII-Zulassungsstudien des ChiesiStudienprogramms zu Trimbow®, das insgesamt 12 klinische Studien mit knapp 7000 Patienten umfasst: © VERLAG PERFUSION GMBH


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WISSENSWERTES

• In der TRILOGY-Studie wurde die Wirksamkeit von Trimbow® mit der COPD-Standardtherapie Beclometason/Formoterol (ICS/LABA, Foster®) verglichen. Dabei konnte unter der Dreifach-Fixkombination eine signifikante Verbesserung der Lungenfunktion verzeichnet werden. Auch die jährliche Rate von moderaten bis schweren Exazerbationen wurde im Vergleich zur BDP/FF-Therapie klinisch relevant um 23 % über 52 Wochen gesenkt.

• In der zweiten Zulassungsstudie TRINITY wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Trimbow® im Vergleich zur COPD-Standardtherapie Tiotropium (LAMA, Spiriva®) sowie zur freien Triple-Kombination aus Tiotropium plus Beclometason/Formoterol (ICS/ LABA, Foster®) untersucht. Dabei reduzierte sich die Exazerbationsrate unter Trimbow® signifikant und klinisch relevant um 20 % im Vergleich zur LAMA-Monotherapie.

Weitere Informationen zu Trimbow® finden Sie im öffentlichen EU-Register der zentral zugelassenen Arzneimittel. Über den QRCode gelangen Sie direkt dorthin: http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/ newproc.htm B. S.

Titelbild: Die Frühlingsschlüsselblume (Primula veris) wird schon lange als Heilpflanze genutzt. Ein Flüssigextrakt aus den Blüten ist auch in Cardiodoron® enthalten, einem anthroposophischen Arzneimittel, das bei nervösen Herzbeschwerden, Kreislauf­schwäche oder einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus eingesetzt wird (© WELEDA). Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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Die Zeitschrift erscheint 6mal im Jahr; Jahresabonnement € 66,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Einzelheft € 11,00 inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Studenten-Abo zum halben Preis. Der Abonnementpreis ist im Voraus zahlbar. Stornierungen sind bis 6 Wochen vor Ablauf eines Kalenderjahres möglich. Abonnementbestellungen direkt beim Verlag. Geschäftsführerin: Sibylle Michna Anschrift wie Verlag

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Fälle höherer Gewalt, Streik, Aussperrung und dergleichen entbinden den Verlag von der Verpflichtung auf Erfüllung von Aufträgen und Leistungen von Schadensersatz.

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PERFUSION Verlag PERFUSION GmbH Storchenweg 20 90617 Puschendorf Telefon: 09101/990 11 10 Fax: 09101/990 11 19 www.Verlag-Perfusion.de E-Mail: perfusion@t-online.de

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WEIL MEINE VORGESCHICHTE NICHT GANZ EINFACH IST.

® : D I V O N M I h c a f n Ei

2 ter3 und e1, Zytogenetik , Al pi ra he rt Vo n vo ig unabhäng s progressions4* signifikant verlänger te us at st Nierenfunktions Myelompatienten. freies Überleben für

IMNOVID ® in Kombination mit niedrig dosiertem Dexamethason (LoDex) wurde mit hoch dosiertem Dexamethason (HiDex) beim rezidivierten und refraktären multiplen Myelom (rrMM) verglichen. 1 San Miguel JF et al. Haematologica 2015; 100(10): 1334–9. 2 Dimopoulos MA et al. Haematologica 2015; 100(10): 1327–33. 3 San Miguel JF et al. Lancet Oncol 2013; 14(11): 1055–66. 4 Weisel K et al. Haematologica 2016; 101(7): 872–8; * Vergleichsdaten für Patienten mit mäßiger Niereninsuffizienz (NI) (CLcr ≥30 bis < 60 ml/min) und ohne NI (CLcr ≥60 ml/min); IMNOVID ® ist zudem effektiv bei Patienten mit rrMM und mäßiger bis schwerer NI, einschließlich dialysepfl ichtiger Patienten (Sonneveld P et al. Haematologica 2017; 102(s2): 113. Abstract P343). IMNOVID ® 1 mg/2 mg/3 mg/4 mg Hartkapseln. Wirkstoff: Pomalidomid. Zusammensetzung: Jede 1 mg/2 mg/ 3 mg/4 mg Hartkps. enth.: 1 mg/2 mg/3 mg/4 mg Pomalidomid; sonst. Bestandteile: Kapselinhalt: Mannitol, vorverkleisterte Stärke, Natriumstearylfumarat. Kapselhülle: Gelatine, Titandioxid (E171), Indigocarmin (E132), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H 2 O (E172) – nur bei 1 mg/2 mg/3 mg, Erythrosin (E127) – nur bei 2 mg, Brillantblau FCF (E133) – nur bei 4 mg, weiße Farbe, schwarze Farbe – nur bei 1 mg. Weiße Druckfarbe: Schellack, Titandioxid (E171), Simeticon, Propylenglycol (E1520), Ammoniak-Lösung (E527); schwarze Druckfarbe: Schellack, Eisen(II,III)-oxid (E172), Propylenglycol (E1520), Ammoniak-Lösung (E527). Anwendungsgebiete: IMNOVID ® ist in Kombination mit Dexamethason indiziert für d. Behandl. d. rezidivierten u. refraktären multiplen Myeloms bei erwachsenen Patienten, die mindestens zwei vorausgegangene Therapien, darunter Lenalidomid u. Bortezomib, erhalten u. unter d. letzten Therapie eine Progression gezeigt haben. Gegenanzeigen: Schwangerschaft; gebärfähige Frauen, außer alle Bed. d. Schwangerschaftsverhütungsprogramms werden eingehalten; männl. Pat., die nicht i. d. Lage sind die erforderl. Verhütungsmaßn. zu befolgen o. einzuhalten; Überempf. gegen d. Wirkstoff o. einen d. sonst. Bestandteile. Nebenwirkungen (NW): Sehr häufig: Pneumonie; Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie; Appetitlosigkeit; Dyspnoe; Obstipation, Diarrhoe, Nausea; Muskelkrämpfe, Knochenschmerzen; peripheres Ödem. Häufig: intrakranielle Blutung; Nasopharyngitis, Infektion d. oberen Atemwege; Vorhoffl immern; Myokardinfarkt; Urtikaria; Panzytopenie; neutropen. Sepsis; Hyperkaliämie; Hyponatriämie; Hyperurikämie; Verwirrtheit; Bewusstseinstrübung; Taubheitsgefühl, periphere sensor. Neuropathie (alle Grade), Schwindel, Tremor; Vertigo; Erbrechen; Hautausschlag; Pruritus; Nierenversagen; Harnverhalt; Unterleibsschmerzen; erhöhte Alaninaminotransferase; Herpes Zoster. Gelegentlich: Schlaganfall; Hepatitis, Hyperbilirubinämie; Tumorlyse-Syndrom. Warnhinweise: Pomalidomid darf während d. Schwangerschaft nicht eingenommen werden, da teratogene Effekte zu erwarten (gebärfähige Patientinnen: zuverl. Empfängnisverhütung; nicht gebärfähige Patientinnen: zuverlässiger Nachweis d. Nicht-Gebärfähigkeit; männl. Pat.: Verwendung v. Kondomen). Überw. d. Pat. auf hämatolog. NW, insbes. Neutropenie, Anämie u. Thrombozytopenie. Risiko für venöse u. arterielle Thromboembolien, daher engm. Überw. von Pat. mit bek. Risikofaktoren für Thromboembolien, einschl. Thrombose i. d. Vorgeschichte; Minimierung d. Risikofakt. (z.B. Rauchen, Hypertonie, Hyperlipidämie). Einnahme kombinierter oraler Kontrazeptiva nicht empfohlen. Pat. mit schwerw. allerg. Reakt. i. d. Vorgeschichte unter Thalidomid o. Lenalidomid dürfen Pomalidomid nicht erhalten. Bei Grad-2- o. Grad-3-Hautauschlag

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eine Unterbrechung o. ein Absetzen v. Pomalidomid erwägen. Bei Angioödem, Grad-4-Hautausschlag, exfoliativem o. bullösem Hautausschlag Pomalidomid dauerhaft absetzen. Unterbrechung d. Stillens o. d. Behandl. unter Berücksichtigung d. Bedeutung d. Arzneimittels für die Mutter. Vorsichtsmaßn.: Beding. d. Schwangerschaftsverhütungsprogramms müssen erfüllt werden. Hinweis auf Aufklärungsmaterialien u. Beschränkungen für Verordnung u. Abgabe. Keine Weitergabe d. Arzneimittels an andere Personen. Keine Blut-, Samen- bzw. Spermaspende während d. Behandl., während Dosisunterbrechungen u. für 7 Tage nach Behandl.ende. Regelm. Kontrolle d. großen Blutbildes zur Überw. hämatolog. NW; Dosisanpassung o. Einsatz v. Blutprod./Wachstumsfakt. möglich. Vorsicht b. gleichz. Einnahme v. erythropoet. o. anderen Subst., die Thromboserisiko erhöhen können; Antikoagulationstherapie empfohlen, v.a. bei Pat. mit thrombot. Risikofaktoren. Bei Behandl. v. Pat. mit fortbestehender Neuropathie ≥Grad 2 u. signifik. kardialer Dysfunktion ist Vorsicht geboten. Regelm. Überw. auf Anzeichen u. Symptome einer Herzinsuffi zienz. Engm. Überw. d. Pat. mit Risiko für Tumorlyse-Syndrom. Vermeidung v. Situationen, in denen Schwindel u. Verwirrtheit problemat. sein können, u. andere Arzneimittel, die Schwindel o. Verwirrtheit hervorrufen können ohne vorherige ärztl. Beratung nicht anwenden. Sorgfältige Untersuchung v. Pat. mit akutem Auftr. o. ungeklärter Verschlechterung pulmonaler Symptome; Aussetzen d. Behandl. bis zur Abkl. dieser. Pat. mit eingeschr. Leberfunktion auf NW überw. u. bei Bedarf die Dosis reduz. o. die Behandl. unterbrechen. Regelm. Kontr. d. Leberfunktion empfohlen. Bei Pat. mit eingeschr. Nierenfunkt. die Dosis erst nach d. Dialyse einnehmen. Pat. sollten vor u. während d. Behandl. mithilfe d. übl. Maßnahmen zur Krebsfrüherkennung hinsichtl. d. Auftretens sekundärer Primärmalignome (z.B. nicht-melanozytärer Hautkrebs) sorgfältig untersucht u. ggf. eine Therapie eingeleitet werden. Wg. seltener Fälle einer HBV-Reaktivierung, ist d. Hepatitis-B-VirusStatus vor Beginn d. Behandl. abzuklären. Vorher mit HBV infi zierte Pat. müssen während d. gesamten Behandl. engm. auf Anzeichen u. Symptome einer aktiven HBV-Infektion überwacht werden. Wenn starke CYP1A2-Inhib. (z.B. Ciprofl oxacin, Enoxacin, Fluvoxamin) gleichz. mit Pomalidomid angw. werden, Pomalidomid-Dosis um 50% reduzieren. Weitere wichtige Inf. entnehmen Sie d. Zusammenfassung d. Merkmale d. Arzneimittels (Fachinformation). Darreichungsform u. Packungsgröße: IMNOVID ® 1 mg/2 mg/3 mg/4 mg Hartkapseln; Packung mit 21 Hartkps. Verschreibungspfl ichtig. Pharmaz. Untern.: Celgene Europe Ltd., 1 Longwalk Road, Stockley Park, Uxbridge, UB11 1DB, Vereinigtes Königreich. Stand d. Inf.: Juli 2016


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