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Rezidiviertes multiples Myelom: Patienten profitieren von der Triplett-Therapie mit Isatuximab
Eine Standardtherapie für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom ist die Kombination aus dem Proteasom-Inhibitor Carfilzomib und Dexamethason. Wird zu diesem sog. Kd-Schema als 3. Komponente noch der CD38Antikörper Isatuximab (Sarclisa®) hinzugegeben, lässt sich das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um weitere 47% senken und die Ansprechtiefe signifikant verbessern: Bei fast 30% der Patienten mit rezidiviertem multiplem Myelom waren keine Myelomzellen mehr nachweisbar. Dies sind die überzeugenden Ergebnisse der ersten geplanten Zwischenanalyse der Phase-III-Studie IKEMA, die in einer Late-Breaking-Session auf dem virtuellen Kongress der European Hematology Association präsentiert wurden [1].
CD38 als Zielantigen
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Isatuximab ist ein monoklonaler IgG1-Antikörper, der gegen das CD38-Molekül gerichtet ist [2]. Bei CD38 handelt es sich um ein auf den Tumorzellen des multiplen Myeloms durchgängig und in großen Mengen exprimiertes transmembranes Glykoprotein, das sowohl als Rezeptor als auch als Ektoenzym aktiv ist. Dadurch bietet sich das CD38-Molekül als Zielstruktur für Antikörper-basierte Therapieansätze beim multiplen Myelom an. Isatuximab bindet am CD38-Molekül an ein spezifisches Epitop, d.h. an einen definierten Molekülabschnitt, der eine spezifische Immunantwort triggern kann. Dadurch werden mehrere Folgereaktionen ausgelöst [2]: • die Induktion der Antikörperabhängigen zellulären Zytoto-
xizität (ADCC), der Komplement-abhängigen Zytotoxizität (CDC) und der Antikörper-abhängigen zellulären Phagozytose (ADCP), • die Hemmung der ektoenzymatischen Aktivität von CD38, • eine Immunmodulation und • die direkte Induktion der Apoptose, d.h. des programmierten
Tumorzelltodes (Abb. 1).
ICARIA-MM-Studie: Signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben
Dass durch die genannten Mechanismen ein starker antitumoraler Effekt mit einer ausgeprägten Reduktion der Tumorlast eingeleitet wird, belegten bereits die Ergebnisse der Zulassungsstudie ICARIA-MM [3], in der Isatuximab in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason (POM-DEX) im Vergleich zur alleinigen Gabe von POM-DEX das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) der Patienten mit refraktärem/ rezidiviertem multiplem Myelom signifikant verlängerte (11,53 Monate gegenüber 6,47 Monate) und das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod signifikant um 40 % verbesserte [3]. Aufgrund dieser Therapievorteile erhielt Isatuximab im Juni 2020 die Zulassung zur Behandlung des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms bei Erwachsenen, die mindestens zwei vorausgegangene Therapien, darunter Lenalidomid und einen Proteasom-Inhibitor, erhalten haben und unter der letzten Therapie eine Krankheitsprogression zeigten [2].
IKEMA-Studie: Klinisch bedeutsames Ansprechen und geringeres Progressionsrisiko
Isatuximab wird derzeit in mehreren laufenden Phase-III-Studien in Kombination mit aktuellen Standardtherapien in den verschiedenen Behandlungsstadien des multiplen Myeloms untersucht, insbesondere bei vorbehandelten Patienten, die z.B. nach einem Rezidiv nicht mehr auf die Standardtherapien ansprechen. Vielversprechende Ergebnisse zeigt eine Zwischenanalyse der randomisierten, unverblindeten Phase-III-Studie IKEMA [1], die das in der Rezidivsituation häufig verwendete Therapieschema aus dem Proteasom-Inhibitor Carfilzomib plus Dexamethason (KdArm) mit der Triplett-Therapie mit zusätzlichem Isatuximab (Isatuximab/Kd-Arm) verglich. Eingeschlossen in die Studie wurden 302 Patienten mit refraktärem/
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Die multiplen Wirkmechanismen von Isatuximab
Aktivierung
ADCC
Aktivierung von natürlichen Killerzellen/ Monozyten
Monozyt
Differenzierung Natürliche Killerzelle
Zytokine
Makrophage zytotoxische Granula
Apoptose
Hemmung der ektoenzymatischen Aktivität von CD38
Fc Myelomzelle
CDC
Komplementkaskade
MAC
Membranangriffskomplex
regulatorische T-Zelle Hemmung der Immunsuppression
ADCP Immunmodulation
ADCC: antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität 1. Jiang H et al.; Leukemia 2016;30:399-408 Abbildung 1: Die multiplen Wirkmechanismen von Isatuximab [2]. Einzelheiten siehe Text. ADCP: antikörperabhängige zellvermittelte Phagozytose 2. Lin P et al.; Am J Clin Pathol 2004;121:482-488 ADCC: antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität, ADCP: antikörperabhängige zellvermittelte Phagozytose, CDC: komplementvermit-CDC: komplementvermittelte Zytotoxizität (c)ADPR: (zyklische) Adenosindiphosphatribose 3. Angelopoulou MK et al.; Eur J Haematol 2002;68:12-21 4. Schwonzen M et al.; Br J Haematol 1993;83:232-239 telte Zytotoxizität, (c)ADPR: (zyklische) Adenosindiphosphatribose, Ig: Immunglobulin, MAC: Membranangriffskomplex, NAD: Nicotinamid Ig: Immunglobulin 5. Keyhani A et al.; Leukemia Res 2000; 24:153-159 adenindinukleotid (Quelle: Sanofi Genzyme). MAC: Membranangriffskomplex NAD: Nicotinamidadenindinukleotid 6. Domingo-Domenech E et al.; Haematologica 2002;87:1021-1027 7. Deckert J et al.; Clin Cancer res 2014;20:4574-4583
rezidiviertem multiplem Myelom, jede zweite Woche. Die Therapie al Disease, MRD), das Gesamtdie bereits 1–3 Behandlungen ge- erfolgte in Form von 28-tägigen überleben (Overall Survival, OS) gen ihr Myelom erhalten hatten. Zyklen in Kombination mit Car- und die Sicherheit [1].Mit wegweisenden Therapien Sie wurden 3:2 entweder auf den komplexen Erkrankungen begegnen. filzomib in einer Dosis von 20mg/ Während der Median des PFS, Isatuximab/Kd-Arm (n=179) oder m2 zweimal wöchentlich an den der Zeit bis zur Krankheitsproden Kd-Arm (n=123) randomi- Tagen 1–2 und danach 56mg/m2 gression oder bis zum Tod des siert, stratifiziert nach der Anzahl Carfilzomib für 3 von 4 Wochen; Patienten, unter der Therapie mit der Vortherapien und nach R-ISS außerdem erhielten alle Studien- dem Kd-Schema 19,15 Monate (Revised Multiple Myeloma In- teilnehmer zweimal wöchentlich betrug, wurde er bei den mit der ternational Staging System). 44%, 20mg Dexamethason in Standard- Isatuximab-Kombinationsthera33% und 23% hatten 1, 2 und ≥3 dosierung. pie behandelten Patienten zum Vortherapien bekommen; 90% Als primärer Studienendpunkt Zeitpunkt der vorab festgelegten hatten zuvor einen Proteasom- wurde das PFS definiert, sekun- Zwischenanalyse nach einem meInhibitor und 78% einen immun- däre Endpunkte waren das Ge- dianen Follow-up von 20,7 Momodulierenden Wirkstoff erhalten; samtansprechen (Overall Respon- naten noch nicht erreicht (HR: 24% hatten eine Hochrisiko-Zyto- se Rate, ORR), eine vollständige 0,531; 99%-KI: 0,318–0,889; genetik. Rückbildung des Myeloms (Com- p=0,0007). Das bedeutet, dass die Im Prüfarm wurde Isatuximab als plete Remission, CR,), sehr gute Isatuximab-Kombination das Risiintravenöse Infusion in einer Do- Teilremissionen (Very Good Par- ko für Krankheitsprogression oder sis von 10mg/kg verabreicht, und tial Response, VGPR), eine Nega- Tod um 47% verringerte Der PFSzwar in den ersten 4 Wochen ein- tivität in Bezug auf eine minimale Vorteil bestand über alle Subgrupmal wöchentlich und anschließend Resterkrankung (Minimal Residu- pen hinweg.
Die Gesamtansprechrate (ORR) betrug 86,6 % unter Isatuximab-Kd und 82,9 % unter Kd (p = 0,193), die Rate des mindestens sehr guten Ansprechens (≥VGPR) 72,6 % im Isatuximab/Kd-Arm gegenüber 56,1 % im Kd-Arm (p = 0,0011). Die Rate an Komplettremissionen (CR) lag bei 39,7 % unter Isatuximab-Kd versus 27,6 % unter Kd. Eine MRD-Negativität wurde in der Gesamtstudie (ITT-Population) bei 29,6% der mit der Isatuximab-Kombinationstherapie und bei 13% der mit dem Kd-Schema behandelten Patienten beobachtet (p=0,0004). Das bedeutet, dass bei fast 30% der mit der Isatuximab-Kombinationstherapie behandelten Patienten mittels Next Generation Sequencing (NGS) mit einer Sensitivität von 10-5 keine Myelomzellen mehr nachweisbar waren. Die Daten für das Gesamtüberleben (OS) waren zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse noch nicht reif (17,3% Ereignisse im Isatuximab/ Kd-Arm vs. 20,3% im Kd-Arm). Bei 76,8% der mit Isatuximab-Kd behandelten Patienten und 67,2% unter der Kd-Behandlung traten unerwünschte Ereignisse (UE) vom Grad ≥3 auf, schwerwiegende UE und zum Tode führende UE waren in den beiden Behandlungsgruppen vergleichbar häufig: 59,3% bzw. 3,4% unter Isatuximab-Kd gegenüber 57,4% bzw. 3,3% unter Kd.
Fazit
Für die Therapie des multiplen Myeloms wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Medikamente wie Immunmodulatoren und Proteasom-Inhibitoren der nächsten Generation sowie myelomspezifische Antikörper zugelassen. Diese Entwicklung hat zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose und des Überlebens geführt, auch wenn das multiple Myelom bis heute nicht heilbar ist. Die Erweiterung des Therapiespektrums um den CD38-Antikörper Isatuximab, der in Kombination mit den bislang eingesetzten Standardtherapie-Schemata bereits in 2 Studien bessere Ergebnisse erzielt hat als die Standardtherapie alleine, erhöht die Chancen, die Prognose der refraktären bzw. rezidivierten Patienten weiter zu verbessern. Damit könnte sich ein neuer Standard für diese Patientengruppe ergeben.
Brigitte Söllner, Erlangen
Um bei leichter bis mittelschwerer Colitis ulcerosa (CU) die Remission einzuleiten und zu erhalten, empfehlen die Leitlinien Mesalazin (5-Aminosalicylsäure, 5-ASA) als Erstlinientherapie [1]. Wie eine neue Studie zeigt, korreliert dabei die Mesalazin-Konzentration in der Sigmoid-Schleimhaut signifikant mit der endoskopischen Remission [2]. Um das von der International Organization for the Study of Inflammatory Bowel Diseases (IOIBD) empfohlene Therapieziel [3] möglichst vollständig zu erreichen, entwickelte Tillotts eine neue Galenik. Asacol® 1600 mg ist die Tablette mit der höchsten Mesalazin-Einzeldosis am Markt. Ihr dualer Freisetzungsmechanismus verteilt 5-ASA gezielt im gesamten Kolon bis hin zum Rektum [4, 5].
Literatur
1 Moreau P et al. EHA 2020; Abstr
LB2603; ClinicalTrials.gov. Kennung:
NCT03275285 2 Fachinformation Sarclisa®. https://www. ema.europa.eu/en/documents/product-information/sarclisa-epar-product-information_de.pdf 3 Attal M, Richardson PG, Rajkumar SV et al.; ICARIA-MM study group. Isatuximab plus pomalidomide and low-dose dexamethasone versus pomalidomide and low-dose dexamethasone in patients with relapsed and refractory multiple myeloma (ICARIA-MM): a randomised, multicentre, open-label, phase 3 study. Lancet 2019;394:2096-2107
Entscheidend ist die 5-ASAKonzentration in der Mukosa des Colon sigmoideum
Mesalazin entfaltet seine Wirkung vorwiegend topisch. Die Wirkstoff-Konzentration am Ort der Entzündung ist daher für den Therapieerfolg entscheidend. Dies wurde nun durch eine Studie bei 50 CU-Patienten bestätigt, die mit 5-ASA behandelt wurden [2]. Alle Patienten unterzogen sich einer Endoskopie, bei der auch Gewebeproben aus der Darmmukosa entnommen wurden. Bei CU-Patienten mit vollständiger Remission (Mayo Endoscopic Score MES=0 bzw. Ulcerative Colitis Endoscopic Index of Severity UCEIS ≤1) war eine signifikant höhere 5-ASA-Konzentration in der Mukosa des Colon sigmoideum nachweisbar (Median 17,3ng/