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ÜBERSICHTSARBEIT

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INTERVIEW

INTERVIEW

Die Sichelzellkrankheit (Sickle Cell Disease, SCD) ist eine autosomal-rezessiv vererbte Störung der Hämoglobinsynthese, bei der anstelle des physiologischen Hämoglobins (HbA) das Sichelzellhämoglobin (HbS) gebildet wird. HbS polymerisiert bei Sauerstoffmangel und zwingt die Erythrozyten in eine starre Sichelform. Die verformten Blutkörperchen verklumpen miteinander, Gefäßverschlüsse und starke Schmerzen in verschiedenen Organsystemen sind die Folge. Die Erkrankung ist nur bei homozygoten Trägern des Sichelzellgens (HbSS) voll ausgeprägt, heterozygote Träger bilden neben dem HbS auch HbA in ausreichender Menge, sodass sie selbst nicht erkranken, es sei denn, sie haben vom anderen Elternteil eine weitere Mutation geerbt, etwa für Hämoglobin-C (HbSC) oder Thalassämie (HbSβ) [1, 2].

Epidemiologie

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Weltweit weisen etwa 4% der Bevölkerung das Sichelzellmerkmal heterozygot auf. Die höchste Prävalenz findet sich in Afrika mit bis zu 25% und die niedrigste in Europa mit unter 1% [2]. Für heterozygote Merkmalsträger hat der Trägerstatus keinen Krankheitswert, sie geben die Genveränderung aber an ihre Nachkommen weiter. Rein statistisch gesehen hat ein Elternpaar aus zwei heterogenen Merkmalsträgern 25% gesunde Nachkommen, 50% Nachkommen mit heterozygotem Sichelzellmerkmal und 25% Nachkommen, die das Merkmal homozygot besitzen und deshalb eine manifeste SCD erleiden [3]. Weltweit werden jährlich mindestens 300.000 Kinder mit einer SCD geboren [4]. In Deutschland liegt die Inzidenz bei 1–2:10.000 Neugeborenen [5]. Durch Zuwanderung aus Gebieten mit hoher SCD-Prävalenz steigt die Anzahl der Patienten mit SCD seit Jahren kontinuierlich an, derzeit leben hierzulande etwa 2.000–3.000 SCD-Patienten [6].

Sichelzellkrankheit: Symptome, Ursachen und Behandlung

Brigitte Söllner, Erlangen

Ursache und Pathophysiologie

Das normale Hämoglobinmolekül (HbA) des Erwachsenen besteht aus 2α- und 2βAminosäureketten. Bei der SCD ist die β-Hämoglobinkette durch eine Punktmutation im HBB-Gen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 11 verändert, sodass an der Postion 6 der β-Globin-ProteinUntereinheit die Aminosäure Glutaminsäure durch Valin ersetzt wird. Das daraus resultierende Sichelzellhämoglobin (HbS) polymerisiert im desoxygenierten Zustand, in dem eine hydrophobe Seitenkette frei liegt, zu langen Bündeln, wodurch die Eryzthrozyten die charakteristische Sichelform annehmen und außerdem einer vorzeitigen Hämolyse unterliegen [4]. Die starren, sperrrigen Erythrozyten blockieren vor allem kapilläre und postkapilläre Blutgefäße, zumal sich auch das Adhäsionsverhalten der Sichelzellen verändert [7]: Durch das bei der Hämolyse freigesetzte extrazelluläre Hämoglobin bildet sich ein proinflammatorisches Milieu, in dem auf Gefäßendothelzellen und Thrombozyten vermehrt Adhäsionsmoleküle wie das P-Selektin exprimiert werden. Dieses bindet an P-Selektin-Glyko-protein-Ligand-1 (PSGL-1) auf Leukozyten sowie an PSGL-1-like-Rezeptoren auf den Sichelzellen [8]. Die erhöhte Interaktion zwischen den Zellen untereinander und mit dem Endothel führt zu Gefäßverschlüssen, den vasookklusiven Krisen (VOC), die sehr schmerzhaft und komplikationsträchtig sind. Die Gefäßokklusionen können in allen Organen auftreten, dort zu einer dauerhaften Schädigung bis hin zum Tode führen [9]. Die am schwersten verlaufenden Formen der Sichelzellerkrankung sind die homozygote Erkrankung (HbSS, „Sichelzellanämie“) und die Sichelzell-β-Thalassämie (HbSβ).

Diagnose

Eine frühe Diagnose ist die Voraussetzung für die rechtzeitige Implementierung lebensrettender therapeutischer Maßnahmen. Idealerweise wird die Diagnose durch das Neugeborenen-Screening gestellt; ein Neugeborenen-Screening per Trockenbluttest ist in

Deutschland für 2021 in Planung [6]. Ist das Testergebnis positiv, folgen als zweiter Schritt eine venöse Blutentnahme und weitere Untersuchungen zur Bestätigung. Die derzeit am häufigsten angewendeten Diagnosemethoden sind: • Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) • Kapillarelektrophorese (CE) • Isoelektrische Fokussierung (IEF) • Tandem-Massenspektrometrie • Restriktionsfragment-Längenpolymorphismus • Polymerasekettenreaktion (PCR) • DNA-Sequenzierung Aus Kostengründen und wegen der einfachen Durchführung werden HPLC, CE und IEF bevorzugt eingesetzt [10, 11]. Wurde kein Neugeborenen-Screening durchgeführt, so erfolgt die Diagnose oftmals erst bei Auftreten schwerer Komplikationen im Kleinkindalter. Warnzeichen für eine SCD sind rezidivierende Schmerzen im Skelettsystem, unklare schmerzhafte Schwellungen von Händen und Füßen sowie eine ausgeprägte Anämie ohne Retikulozytose. Die Anämie kann mit Hämolyse oder Schock assoziiert sein. Gerade bei Patienten aus Regionen mit hoher Prävalenz ist an eine SCD zu denken. Angehörige ersten Grades von SCD-Patienten oder Merkmalsträger sollten immer auf das Vorliegen einer SCD und die Merkmalträgerschaft getestet werden.

Akutkomplikationen

Die SCD ist mit akuten und chronischen Komplikationen vergesellschaftet, die sämtliche Organsysteme, wie z.B. das HerzKreislauf-System, das Nervensystem sowie das retikulohistiozytäre, muskuloskelettale, urogenitale und gastrointestinale System, betreffen können [12]. Häufige Akutkomplikationen sind:

Vasooklusive Krisen (VOC): Infolge von Gefäßverschlüssen im blutbildenden Knochenmark und durch den Druck, den das resultierende Ödem auf die Knochenhaut ausübt, kommt es zu den charakteristischen Schmerzkrisen, die mehrere Tage dauern und Schmerzstärken von 9 bis 10 auf der von 0 bis 10 reichenden visuellen Analogskala (VAS) erreichen können. VOC verstärken die systemische Inflammation und befeuern damit das Risiko für weitere Komplikationen. Sie sind der Grund für 90 % der stationären Aufnahmen [13]. Ein Teil der Betroffenen erlebt mehrere schmerzhafte VOC pro Jahr und viele haben auch zwischen den VOC kein schmerzfreies Intervall, leiden daher an chronischen Schmerzen, oftmals mit Stärken von 5 bis 7 auf der VAS [14].

Akutes Thoraxsyndrom (ATS): Diese z.T. fulminant verlaufende pulmonale Komplikation ist gekennzeichnet durch Fieber, Husten, Tachypnoe, Thoraxschmerzen, Leukozytose und pulmonale Infiltrate. Bakterielle Superinfektionen, Fettembolien, Gefäßthrombosen und respiratorisches Versagen können das ATS aggravieren. Es stellt die häufigste Todesursache bei SCD-Patienten dar [15].

Priapismus: Unter vollen oder teilweisen Erektionen über mindestens 4 Stunden ohne sexuelle Erregung, verbunden mit starken Schmerzen, leiden im Alter von 20 Jahren bereits etwa 89% der männlichen SCD-Patienten [12]. Milzinfarkt: Im Zuge der Vasooklusion wird auch die Milz geschädigt. Bereits im Alter von 12 Monaten wurde bei 86 % der Kinder eine Einschränkung der Milzfunktion nachgewiesen, etwa 10 % hatten keine Milzfunktion mehr [16]. Folge ist ein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Infektionen, insbesondere Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Meningokokken können sich rasant ausbreiten und zur Sepsis führen.

Milzsequestration: Durch das „Versacken“ einer großen Menge von Erythrozyten in der Milz kommt es zu einem Hb-Abfall um meist mehr als 2–3g/dl mit der Gefahr des hypovolämischen und hypoxischen Schocks. Von dieser lebensbedrohlichen Komplikation sind in der Regel Kinder im Alter von 3 Monaten bis 5 Jahren betroffen. Sie ist die zweithäufigste Todesursache von SCD-Patienten in der ersten Lebensdekade [12].

Schlaganfall: Ischämische Schlaganfälle bei SCD treffen vor allem Kinder und ältere Erwachsene ab 35 Jahren. Hämorrhagische Schlaganfälle kommen insbesondere bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 35 Jahren vor. Zu beachten ist das hohe Risiko für stumme Schlaganfälle [17].

Chronische Folgeschäden

Die Lebenserwartung von SCDPatienten hat sich in den Industrieländern deutlich verbessert und beträgt heute im Median >60 Jahre [4]. Allerdings leiden die Patienten neben den Akutkomplikationen häufig auch unter chronischen Folgeschäden, so vor allem über [2]:

Crizanlizumab

Crizanlizumab (Adakveo®) ist ein selektiver monoklonaler Antikörper, der mit hoher Affinität an P-Selektin bindet und die Interaktion mit dessen Liganden, einschließlich P-Selektin-Glykoprotein-Ligand-1, blockiert. Bei P-Selektin handelt es sich um ein Adhäsionsmolekül, das auf aktivierten Endothelzellen und Thrombozyten exprimiert wird und eine entscheidende Rolle bei der initialen Rekrutierung von Leukozyten und der Aggregation von Thrombozyten am Ort einer Gefäßverletzung während einer Entzündung spielt. Bei Patienten mit Sichelzellkrankheit wird P-Selektin überexprimiert und zirkulierende Blutzellen sowie das Endothel werden aktiviert und hyperadhäsiv, sodass es infolge der multizellulären Adhäsion zum Gefäßverschluss kommt. Indem Crizanlizumab das P-Selektin auf der Oberfläche des aktivierten Endothels und der Thrombozyten blockiert, verhindert es die Interaktionen zwischen Endothelzellen, Thrombozyten, Erythrozyten und Leukozyten und damit die schmerzhafte Vasookklusion [21]. 12 Crizanlizumab ermöglichte Sichelzellpatienten Indikation und Anwendung längere Phasen ohne VOCs Crizanlizumab ist indiziert zur Prävention rezidivierender vasookklusiver Krisen bei Patienten mit Sichelzellkrankheit. Das Biologikum kann Patienten ab 16 Jahren zusätzlich zur Behandlung mit Hydroxyurea/Hydroxycarbamid (HU/HC) verordnet werden oder als Monotherapie, wenn HU/HC nicht geeignet ist oder unzureichend wirkt. Crizanlizumab wird als intravenöse Infusion in einer Dosierung von 5 mg/kg KG verabreicht. Die AnDer Primäre Endpunkt wurde erreicht: Die mediane Rate an VOCs pro Jahr verringerte wendung erfolgt an Tag 0, Tag 14 und danach alle 4 Wochen [21].sich unter Crizanlizumab um 45,3%

Ergebnisse der Zulassungsstudie SUSTAIN

Die Zulassung von Crizanlizumab erfolgte auf Basis der placebokontrollierten Phase-II-Studie SUSTAIN [20]. Eingeschlossen waren 198 SCDPatienten aller Genotypen im Alter von 16 – 65 Jahren, die in den 12 Monaten vor Studienbeginn 2 – 10 SCD-assoziierte vasookklusive Krisen (VOC) erlitten hatten. Die Patienten erhielten randomisiert Crizanlizumab 5,0 mg/kg oder Crizanlizumab 2,5 mg/kg oder Placebo. Die Infusionen erfolgten an Tag 0, Tag 14 und weiter alle 1 4 Wochen bis Woche 50. 62,1 % bekamen eine begleitende HU/HC-Therapie. Primärer Endpunkt war die jährliche Anzahl SCD-assoziierter VOC in Woche 52, ebenso die Zeit bis zur ersten bzw. bis zur zweiten VOC. Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Unter Crizanlizumab 5,0 mg/kg verringerte sich die mediane jährliche VOC-Rate im Vergleich zu Placebo um 45,3 %: Sie sank von 2,98 auf 1,63 Ereignisse pro Jahr (p = 0,01). Die mediane Zeit bis zur ersten VOC war unter Crizanlizumab 5,0 mg/kg mit 4,07 vs. 1,38 Monate fast dreimal länger, der Zeitraum bis zum Auftreten einer zweiten VOC mit 10,32 vs. 5,09 Monate fast doppelt so lang (p = 0,02). 16,9 % der Kontrollpatienten und 35,8 % der Patienten unter Crizanlizumab 5,0 mg/kg blieben das U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N ganze Jahr über frei von VOC. Der Vorteil für Crizanlizumab war unabhängig vom Genotyp der SCD und von einer begleitenden Therapie mit HU/HC. Die Anzahl unerwünschter Ereignisse war unter Crizanlizumab 5,0 mg/kg mit jener unter Placebo vergleichbar. Zu den häufigsten UE unter Crizanlizumab (>10 %) zählten Arthralgie, Übelkeit, Rückenschmerzen, Pyrexie und abdominale Schmerzen [20].

3,5 Intention-to-treat (ITT) Population

Mediane Rate an VOCs / Jahr 0,5 1,5 2 2,5 3 -45,3% Jährliche Rate an VOC fast halbiert (p = 0,01) 1,63 2,98 Jährliche Rate an VOC mehr als halbiert 0 Crizanlizumab Placebo

(5 mg/kg; n = 67) (n = 65) VOCs wurden definiert als akute Schmerzepisoden, welche eine medizinische Behandlung erforderten. Akutes Thoraxsyndrom, Leber-/ Milzsequestration oder Priapismus wurden ebenfalls dazu gezählt. Ataga KI et al. N Engl J Med 2017;376:429–439.

• Chronische Schmerzen • Chronische avaskuläre Osteonekrosen • Nierenschädigung/-versagen • Hämolytische Anämie • Thrombophilie • Kardiomyopathie • Herzinsuffizienz • Myokardinfarkt • Herzrhythmusstörungen • Pulmonale Hypertonie • Cholezystolithiasis • Hyposthenurie • Enuresis • Erektile Dysfunktion • Einschränkung bzw. Verlust der

Sehkraft • Konzentrationsstörungen

Therapie

Die bisher verfügbaren Therapieoptionen haben die Lebenserwartung von SCD-Patienten in den Industrienationen deutlich erhöht. Für die langfristige Behandlung werden insbesondere die folgenden Verfahren und Medikamente eingesetzt:

Bluttransfusionen: Eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten kann erfolgen zur Akuttherapie anämischer Zustände, zur Anämieprävention vor operativen Eingriffen, bei akutem Thoraxsyndrom, bei transienten aplastischen Krisen und akuter Milzsequestration sowie zur Schlaganfallprävention. Da bei Transfusionen die Gefahr der Alloimunisierung, Hämosiderose und Übertragung von Infektionen besteht, sollte die Indikation zurückhaltend gestellt werden. Zur primären Behandlung von Schmerzkrisen sind Transfusionen nicht indiziert [4].

Hydroxycarbamid (HC; früher Hydroxyurea, HU): HC ist das bislang einzige Medikament, das Komplikationen der SCD vorbeugen und die Mortalität senken kann, denn es induziert die Bildung von fetalem Hämoglobin (HbF), das den Krankheitsverlauf abmildert. Außerdem reduziert HC die Neutrophilenzahl, verändert die Membraneigenschaften von Retikulozyten, Leukozyten und Endothelzellen, verbessert die Hydratation von Erythrozyten und setzt Stickstoffmonoxid frei [18]. Daher sollte laut Leitlinie jeder Patient mit HC/HU behandelt werden; die Therapiedauer ist prinzipiell unbegrenzt [12].

Infektionsprophylaxe und Impfungen: Da Infektionen vasookklusive Krisen auslösen können, kommt der Infektionsprophylaxe sowie den Impfungen eine große Bedeutung zu [4, 12]. Für Kinder bis zu 5 Jahren werden eine prophylaktische Penicillingabe sowie die Einhaltung der von der STIKO empfohlenen Impfungen einschließlich der Impfungen gegen Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae b (Hib) empfohlen. Insbesondere sollten alle SCD-Patienten gegen Influenza immunisiert werden. Bei erwachsenen SCD-Patienten, die bisher nicht gegen Pneumokokken geimpft wurden oder PPSV-23 erhalten haben, soll eine einmalige Impfung mit PCV-13 erfolgen. Patienten mit einer invasiven Pneumokokkeninfektion in der Vorgeschichte und nach chirurgischer Splenektomie sollten über das 5. Lebensjahr hinaus eine Antibiotikaprophylaxe erhalten [4, 12].

Schmerztherapie: Zur Schmerzlinderung im ambulanten Bereich können Paracetamol, nichtsteroidale Antiphlogistika und Metamizol verordnet werden. Aufgrund der hohen Schmerzintensität benötigen viele Patienten jedoch Opioide, sodass die Medikation um Tramadol oder Tilidin erweitert und ggf. stationär erfolgen sollte [12].

Allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT): Die allogene HSZT ist die einzige kurative Therapiestrategie bei SCD, denn die von HLAidenten Spendern transplantierten pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen ermöglichen die Bildung physiologischer Erythrozyten mit HbA. Sie kommt insbesondere für Patienten mit signifikanten nicht infektiösen Komplikationen durch Vasookklusion infrage [19].

Prävention von vasooklusiven Krisen: Eine neue, im Oktober 2020 in der EU zugelassene Therapieoption ist der monoklonale Antikörper Crizanlizumab (Adakveo®), der speziell zur Prävention rezidivierender vasookklusiver Krisen bei Patienten mit Sichelzellkrankheit entwickelt wurde. Er richtet sich gegen P-Selektin und greift in die Pathophysiologie der Erkrankung ein (siehe Insert auf S. 14). Die Behandlung mit Crizanlizumab reduzierte in Studien signifikant die Zahl der Schmerzkrisen [20]. Crizanlizumab kann Patienten ab 16 Jahren zusätzlich zu einer Hydroxycarbamid-Therapie verordnet werden oder als Monotherapie, wenn Hydroxycarbamid ungeeignet ist oder unzureichend wirkt [21].

Literatur

1 Houwing ME, de Pagter PJ, van Beerset

EJ et al. Sickle cell disease: Clinical presentation and management of a global health challenge. Blood Rev 2019;37: 100580 2 DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.

Onkopedia-Leitlinie „Sichelzellkrankheiten“, im Internet: https://www.onkopedia. com/de/onkopedia/guidelines/sichelzellkrankheiten/@@guideline/html/index. html. Stand: September 2020 3 Gallo AM, Wilkie D, Suarez M et al. Reproductive decisions in people with sickle cell disease or sickle cell trait. West J

Nurs Res 2010;32:1073-1090 4 Piel FB, Steinberg MH, Rees DC. Sickle cell disease. N Engl J Med 2017; 376:1561-1573 5 Lobitz S. Neugeborenenscreening auf Sichelzellkrankheiten in Deutschland. Kinder- und Jugendmedizin 2017;17: 82-86 6 Kunz JB, Lobitz S, Grosse R et al. Sickle cell disease in Germany: Results from a national registry. Pediatr Blood Cancer 2020;67:e28130 7 Kato GJ, Steinberg MH, Gladwin MT. Intravascular hemolysis and the pathophysiology of sickle cell disease. J Clin Invest 2017;127:750-760 8 Matsui NM, Borsig L, Rosen SD et al. Pselectin mediates the adhesion of sickle erythrocytes to the endothelium. Blood 2001;98:1955-1962 9 Sundd P, Gladwin MT, Novelli EM. Pathophysiology of sickle cell disease.

Annu Rev Pathol 2019;14:263-292 10 Frömmel C. Newborn screening for sickle cell disease and other hemoglobinopathies: a short review on classical laboratory methods – isoelectric focusing,

HPLC, and capillary electrophoresis. Int J

Neonatal Screen 2018;4:39 11 Naik RP, Haywood C, Jr. Sickle cell trait diagnosis: clinical and social implications. Hematology Am Soc Hematol

Educ Program 2015;2015:160-167 12 Cario H, Grosse R, Jarisch A et al. Sichelzellkrankheit: AWMF-S2k-Leitlinie 025/016, Gesellschaft für Pädiatrische

Onkologe und Hämatologie. Im Internet: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/025-016.html 13 Ballas SK, Gupta K, Adams-Graves P.

Sickle cell pain: a critical reappraisal.

Blood 2012;120:3647-3656 14 Smith WR, Penberthy LT, Bovbjerg VE et al. Daily assessment of pain in adults with sickle cell disease. Ann Intern Med 2008; 48:94-101 15 Howard J, Hart N, Roberts-Harewood M et al. Guideline on the management of acute chest syndrome in sickle cell disease. Br J Haematol 2015;169:492-505 16 Rogers ZR, Wang WC, Luo Z et al. Biomarkers of splenic function in infants with sickle cell anemia: baseline data

from the BABY HUG Trial. Blood 2011;117:2614-2617 17 Ohene-Frempong K, Weiner SJ, Sleeper

LA et al. Cerebrovascular accidents in sickle cell disease: rates and risk factors.

Blood 1998;91:288-294 18 McGann PT, Ware RE. Hydroxyurea for sickle cell anemia: what have we learned and what questions still remain? Curr

Opin Hematol 2011;18: 158-165 19 Shenoy S. Hematopoietic stem-cell transplantation for sickle cell disease: current evidence and opinions. Ther Adv Hematol 2013;4:335-344 20 Ataga KI, Kutlar A, Kanter J et al. Crizanlizumab for the prevention of pain crises in sickle cell disease. N Engl J Med 2017;376:429-439 21 Fachinformation Adakveo®; Stand: 10/ 2020

Anschrift der Verfasserin:

Brigitte Söllner Medizinjournalistin und Wissenschaftliche Lektorin Lärchenweg 10 91058 Erlangen E-Mail: brigitte.soellner@online.de

Indikationserweiterung für den PARP-Inhibitor Olaparib beim Ovarial- und Prostatakarzinom

Seit der ersten Zulassung von Olaparib (Lynparza®) für die Erhaltungstherapie des Platin-sensitiven rezidivierten Ovarialkarzinoms mit BRCA1/2-Mutation im Dezember 2014 hat sich das Indikationsspektrum des PARP-Inhibitors stetig erweitert. Am 3. November 2020 folgte ein weiterer bedeutender Meilenstein: die EU-Zulassung von Olaparib-Filmtabletten für die Erstlinien-Erhaltungstherapie in Kombination mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab beim primär fortgeschrittenen Ovarialkarzinom mit homologer Rekombinationsdefizienz (HRD-positiv) und als Monotherapie beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) mit BRCA1/2-Mutation. Mittlerweile kann der PARP-Inhibitor bei 4 unterschiedlichen Tumorentitäten und insgesamt 6 Indikationen angewendet werden. Beide Indikationserweiterungen basieren auf Biomarker-spezifischen Subgruppenanalysen der Phase-III-Studien PAOLA-1 und PROfound.

PAOLA-1-Studie beim Ovarialkarzinom: Verlängerung des PFS auf mehr als 3 Jahre

In der Phase-III-Studie senkte die Therapie mit Olaparib in Kombination mit Bevacizumab als Erstlinien-Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit einem fortgeschrittenen HRD-positiven Ovarialkarzinom das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um 67% (HR=0,33, 95%-KI: 0,25–0,45). Die zusätzliche Gabe des PARP-Inhibitors verlängerte dabei das progressionsfreie Überleben (PFS) im Median auf 37,2 Monate gegenüber 17,7 Monaten unter Bevacizumab plus Placebo. Durch die Zulassung von Olaparib für HRD-positive Ovarialkarzinome können nun deutlich mehr Patientinnen mit dem Wirkprinzip der PARP-Inhibition behandelt werden, denn fast die Hälfte aller neu diagnostizierten Patientinnen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs haben einen HRD-positiven Tumor, was BRCA1/2-Mutationen miteinschließt.

PROfound-Studie beim mCRPC: Signifikante Verlängerung von rPSF und OS

In der Phase-III-Studie senkte Olaparib bei Männern mit BRCA1/2positivem mCRPC, die unter einer

vorherigen Behandlung mit Enzalutamid oder Abirateron progredient waren, das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod um 78% (HR: 0,22, 0,95%-KI: 0,15–0,32; nominaler p-Wert <0,0001). Unter Olaparib verlängerte sich das radiographische progressionsfreie Überleben (rPFS) im Median auf 9,8 Monate gegenüber 3,0 Monaten bei erneuter Gabe von Enzalutamid oder Abirateron. Das Sterberisiko sank um 37% (HR: 0,63; 95%-KI: 0,42–0,95) bei einem medianen Gesamtüberleben (OS) von 20,1 Monaten gegenüber 14,4 Monaten bei erneuter Gabe von Enzalutamid oder Abirateron. Die Prognose für das mCRPC ist mit einer mittleren Überlebenszeit von 9–13 Monaten schlecht, eine kurative Therapie gibt es bislang nicht. Für die etwa 11% der Betroffenen mit einer BRCA1/2-Mutation im Tumor steht mit Olaparib nun erstmals ein zielgerichteter Therapieansatz, zur Verfügung, der die Progression verzögert und das Gesamtüberleben verlängert.

F. S.

Psoriasis-Arthritis: Secukinumab überzeugt durch schnelles Ansprechen

Im Rahmen des virtuellen Kongresses des American College of Rheumatology (ACR) wurden neueste Studiendaten zur Therapie der Psoriasis-Arthritis (PsA) mit dem IL-17A-Inhibitor Secukinumab (Cosentyx®) präsentiert. So zeigen die Ergebnisse der ersten dezidierten Ultraschall-Phase-IIIbStudie ULTIMATE eine Verringerung der Synovitis in Woche 12. Dass der IL-17A-Inhibitor auch bei PsA mit axialer Beteiligung wirksam ist, bestätigen die Daten der MAXIMISE-Studie.

Psoriasis-Arthritis erkennen – Symptome im Überblick

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Schuppige, juckende psoriatische Plaques

Tüpfelnägel, Ölflecken, Splitterblutungen und Onycholyse (Prädiktor für PsA)

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Periphere Arthritis mit Enthesitis, Daktylitis, Druckschmerz, Gelenksteifheit, Gelenkerosionen

Wirbelsäulenbefall mit entzündlichem Rückenschmerz, -steifheit und Knochenneubildungen

Abbildung 1 (Quelle: Novartis Pharma GmbH).Quellen: 1 Boehncke WH et al. Dtsch Arztebl. 2006; 103 (21): A–1455/B–1242/C–1193.; 2 Helliwell P et al. Ann Rheum Dis. 1998;57(3):135-140.

ULTIMATE-Studie

In der 52-wöchigen Phase-IIIbStudie ULTIMATE wurde erstmals die Wirksamkeit von Secukinumab auf die Synovitis bei Biologikanaiven PsA-Patienten mittels Ultraschall untersucht. Der primäre Endpunkt, die Überlegenheit von Secukinumab gegenüber Placebo hinsichtlich der Verbesserung des Global OMERACT-EULAR Synovitis Score (GLOESS) in Woche 12, wurde erreicht: Die Therapie mit dem IL-17A-Inhibitor führte zu einer gegenüber Placebo signifikanten Verbesserung im GLOESS und damit eine Reduktion der Synovitis in Woche 12 (–9,0 vs. –5,8; p=0,004). Außerdem waren die ACR20- und ACR50-Ansprechraten signifikant höher: 68% der mit Secukinumab behandelten Patienten erreichten ein ACR20-Ansprechen, unter Placebo waren es lediglich 34% (p<0,0001). 46% der mit Secukinumab behandelten Patienten erreichten sogar ein ACR50-Ansprechen, in der Placebo-Gruppe waren es gerade einmal 9% (p<0,0001).

MAXIMISE-Studie

Bei bis zu 70% der PsA-Patienten ist neben der Haut, peripheren Gelenken, Sehnen und Nägeln auch die Wirbelsäule betroffen (Abb. 1). Die Wirksamkeit von Secukinumab speziell auf die axialen Komponenten der PsA untersuchte erstmals die doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie MAXIMISE. Eingeschlossen wurden 498 PsA-Patienten mit klinisch diagnostizierter axialer Beteiligung, d.h. mit Rückenschmerzen bewertet als >40/100 auf einer visuellen Analogskala und mit einem BASDAI ≥4 trotz Behandlungsversuch mit mindestens 2 NSAR). Die Patienten erhielten 300mg bzw. 150mg Secukinumab s.c. oder Placebo. In Woche 12 erzielten 63,1% der mit 300mg und 66,3% der mit 150mg Secukinumab behandelten Patienten eine 20%ige Verbesserung der axialen Symptome gemäß den Klassifikationskriterien der Assessment of SpondyloArthritis international Society (ASAS20Ansprechen) (jeweils p<0,0001). Unter Placebo waren es lediglich 31,3% der Patienten. Eine Linderung der Beschwerden konnte unter Secukinumab bereits in Woche 4 beobachtet werden. Außerdem gingen die im MRT an der Wirbelsäule und den Sakroiliakalgelenken sichtbaren entzündlichen Läsionen zurück.

F. S.

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