Journal Jahrgang 2020, Ausgabe 02

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ISSN 1432-4334 JAHRGANG 29 HEFT 2 März 2020

FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE

JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY

Eisenmangel bei Krebspatienten: Intravenöse Eisensubstitution als bedeutender Faktor in der Supportivtherapie

Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom: Apalutamid plus ADT schließt therapeutische Lücke

Biologika-Therapie bei Colitis ulcerosa

Metastasiertes kolorektales Karzinom: Hohe Remissionsraten unter mFOLFOXIRI plus Panitumumab

Immunsuppression nach Leber- und Nierentransplantation: Innovative TacrolimusFormulierung verbessert Outcome

HER2+/HR+ Mammakarzinom: Extendierte adjuvante Therapie mit Neratinib senkt Rezidivrisiko

Teriflunomid: Neue Erkenntnisse zum Wirkmechanismus unterstreichen die Wirksamkeit und Sicherheit in der MS-Therapie

Morbus Crohn: Stammzelltherapie als Therapieoption bei komplexen perianalen Fisteln Perampanel: Früher Einsatz in der Epilepsietherapie kann sich lohnen – auch bei Patienten mit komorbiden Schlafstörungen

Octenidin-Lutschtabletten: Bakterizide Wirkung auch gegen MRSA bestätigt

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Komplexe perianale Fisteln bei Morbus Crohn

Alofisel®

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ZEIGEN SIE IHREN PATIENTEN DEN WEG Anhaltende Wirksamkeit2 auch über 2 Jahre3 Von der ECCO* empfohlen, mit besserem Evidenzgrad im Vergleich4 Schließmuskel-schonend

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* European Crohn’s and Colitis Organisation 1 Alofisel® ist die erste allogene Stammzelltherapie für CED-Patienten, die in Europa eine Zulassung als Arzneimittel erhalten hat. Zugelassen als orphan drug zur Behandlung seltener Leiden. 2 52 % bzw. 56% der Patienten erzielten den Endpunkt der kombinierten Remission in Woche 24 (n=53/103) bzw. 52 (n=58/103) (äußerer Verschluss ohne Sezernierung bei Fingerdruck und keine Flüssigkeitsansammlung ≥ 2 cm im MRT). Quelle: Panés J et al. Gastroenterology 2018;154:1334-42. 3 56% der über 2 Jahre weiter beobachteten Patienten waren in klinischer Remission (äußerer Verschluss ohne Sezernierung bei Fingerdruck; n=14/25). Quellen: Alofisel® Fachinformation, Stand Januar 2020, Spinelli A et al. European Colorectal Congress 2019; Poster 1614. 4 Empfehlung der allogenen Stammzelltherapie mit Evidenzlevel 2 im Vergleich zu chirurgischen Therapien mit Evidenzlevel 3-4. Quelle: Adamina M et al. J Crohn’s Colitis 2020;14:155-68. Alofisel® 5 Millionen Zellen/ml Injektionssuspension Wirkstoff: Darvadstrocel. Zusammensetzung: Dieses Arzneimittel enthält Zellen menschlicher Herkunft. Jede Durchstechflasche enthält eine Suspension aus 30 Millionen Zellen (eASC) in 6 ml Lösung, was einer Konzentration von 5 Millionen Zellen/ml entspricht. Sonstige Bestandteile: Dulbecco’s Modified Eagle’s Medium (DMEM) (enthält Aminosäuren, Vitamine, Salze und Kohlenhydrate). Humanalbumin. Anwendungsgebiete: Alofisel® ist zur Behandlung von komplexen perianalen Fisteln bei erwachsenen Patienten mit nicht-aktivem/gering-aktivem luminalen Morbus Crohn indiziert, wenn die Fisteln unzureichend auf mindestens eine konventionelle oder biologische Therapie angesprochen haben. Alofisel sollte nur nach der Vorbereitung der Fistel angewandt werden (siehe Fachinformation Abs. 4.2). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen das Arzneimittel, gegen Rinderserum oder gegen einen der sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: Häufig: Analabszess, Proktalgie*, Analfistel, eingriffsbedingte Schmerzen* (*Reaktionen auf die Vorbereitung, die bis zu sieben Tage nach der Reinigung der Fistel zur Verabreichung der Behandlung auftraten). Wechselwirkungen sowie weitere Hinweise: siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. EU-Zulassungsinhaber: Takeda Pharma A/S, Taastrup, Dänemark Kontaktadresse d. Pharm. Unternehmens in Deutschland: Takeda GmbH, Byk-Gulden-Straße 2, 78467 Konstanz, Tel.: 0800 8253325, medinfo@takeda.de. Stand: 04/2019

Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG, Jägerstraße 27, 10117 Berlin


EDITORIAL

Manchmal kommt einem die Zeit wie eine Ewigkeit vor. In der Tat ist es aber gerade einmal drei Jahre her, dass die Nachfahren unbeugsamer Kelten und Angelsachsen mit 51,9 % der abgegebenen Stimmen (= 37,5% der Stimmberechtigten) für einen Austritt aus den Vereinigten Abendlanden votierten und das (noch) Vereinte Königreich vor gerade einmal 2 Monaten diesen Schritt denn auch vollzog. Darum geht es mir aber gar nicht, sondern um die Begleitumstände, die bemerkenswerterweise in der gesamten, oft kaum erträglichen Diskussion nie eine wesentliche Rolle zu spielen schienen, obwohl sie das in Wirklichkeit tatsächlich taten. Die maßgeblichen Protagonisten des Brexit führten von Anfang an eine verlogene, Fakten verdrehende, opportunistische Pseudoargumentation, geleitet allein von ihren Interessen, nie aber von Fürsorge für das Wohl der Allgemeinheit oder ähnlichen altruistischen Motiven. Anders als in Großbritannien unterstellt man in Deutschland den Volksvertretern keineswegs grundsätzliche Unfehlbarkeit, weshalb sich die Gründerväter unseres Staates eine Menge an Kontrollorganen einfallen ließen, vom Bundesrechnungshof bis hin zum Instrument der Untersuchungsausschüsse. Irgendwie scheint sich dieser Anfangsverdacht inhärenter Interessenskonflikte wie ein magischer roter Faden durch alle Lebensbereiche zu ziehen. Niemand würde etwa erwarten, dass ein Metzger potenziellen Kunden vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den Risiken des Genusses von rotem Fleisch vom Kauf seiner Waren abrät oder ein Bäcker wegen der gesundheitspositiven Auswirkungen einer Low-Carb-Diät. Kein Wunder, dass auch gegenüber Ärzten, insbesondere Wissenschaftlern, ein solcher Anfangsverdacht mitschwingt. Keine wissenschaftliche Zeitschrift, die etwas auf sich hält, vergisst am Ende einer Publikation ein Statement abzudrucken, in dem die Autoren genötigt werden, sich bezüglich ihres „Conflict of Interest“ nackig zu machen. Ein solcher wird

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Zwickmühle Conflict of Interest insbesondere dann unterstellt, wenn es in dem Beitrag um irgendetwas geht, womit Dritte ihr wirtschaftliches Überleben sichern. Pharmaunternehmen zum Beispiel oder medizintechnische Unternehmen, ja selbst die Betreiber eines „Heilwaldes“ (was immer das auch sein mag). Vor gut 10 Jahren publizierten führende medizinische Fachjournale gleichzeitig ein Consensus-Papier des ICMJE (International Committee of Medical Journal Editors) mit dem Ziel, dass Autoren fortan bei möglichst vielen Journalen sich mit einem einheitlichen Formular zu bestehenden oder möglichen Interessenskonflikten offenbaren [1]. Jetzt stieß ich im Deutschen Ärzteblatt Anfang Februar auf ein „Editorial“ [2], das mit identischem Text parallel auch in international bedeutenden medizinischen Fachzeitschriften kommuniziert wurde. „Viele Faktoren“, so heißt es da, „einschließlich beruflicher und persönlicher Beziehungen und Aktivitäten, können das Design, die Durchführung und die Publikation klinischer Forschung … beeinflussen“. Wer sich über die Hintergründe kundig machen möchte, der findet die Überlegungen zum Thema „Conflict of Interest“ eingebettet in ein 38-seitiges Dokument des ICMJE mit „Empfehlungen“ zu allen Aspekten des Publizierens in medizinischen Fachjournalen [3]. Auch dort dreht sich alles um „Beziehungen und Aktivitäten“ (relationships and activities) im Sinne der (finanziellen) Einflussnahme Dritter. Nicht, dass ich mir so etwas nicht vorstellen könnte – aber alle vergangenen und offensichtlich auch alle künftigen Anstrengungen fokussieren damit ausschließlich auf einen vergleichsweise lächerlichen Nebenkriegsschauplatz und ignorieren (oder leugnen?) die de facto mit Abstand bedeutendste Bias-Quelle:

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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster

den Beruf und damit die primäre Existenzgrundlage eines Großteils der in der klinischen Forschung Aktiven. Schließlich sehen die neuen Spielregeln zur Offenlegung von Interessenskonflikten explizit vor, dass „öffentliche Finanzierungsquellen wie Regierungsbehörden, mildtätige Stiftungen oder akademische In­ stitutionen nicht offengelegt werden müssen“. Dabei herrscht nicht zuletzt dort ein wüstes Hauen und Stechen, ist die berufliche Existenz nicht selten auf Gedeih und Verderb davon abhängig, dass der Fuß möglichst sicher in der Türe bleibt. Wie dem Bäcker die Brötchen näher sind als die Wurst (siehe oben), so wird etwa wohl auch kaum ein Chirurg oder Internist ausblenden können, dass ein „konkurrierender“ konservativer oder invasiver therapeutischer Ansatz, der dem einen Handwerk zum Vorteil gereicht, notwendigerweise zu Lasten des anderen Handwerks gehen wird. Ich halte das (auch und nicht zuletzt, was den unterbewussten und sogar unbe© VERLAG PERFUSION GMBH


INHALT

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wussten Point of View anbelangt) für um Dimensionen relevanter als den klassischen Freiflug zu einem Kongress auf Einladung eines Dritten. Andererseits habe ich auch keinen realistischen Lösungsansatz zu dieser essenziellen Bias-Quelle, denn die ganz und ausschließlich der reinen wissenschaftlichen Wahrheit verpflichtete „objektive“ Position eines Autors bei gleichzeitiger hoher fachlicher Kompetenz gibt es wohl schlicht und ergreifend einfach nicht. Wer, wenn nicht ein Pädiater sollte sich um Themen der Pädiatrie kompetent annehmen können (und wollen), wer, wenn nicht ein Dermatologe um solche der Dermatologie! Dass es auch nicht besser wird, wenn neutrale „Wissenschaftler“ Themen an sich ziehen, mit denen sie fachlich nichts zu tun haben (und von denen sie konsequenterweise keine Ahnung haben), belegen eindrucksvoll die vielen, typischerweise auch noch apodiktisch daherkommenden Publikationen, die in fachlichem Blindflug methodisch exzellenten Nonsens produzieren. So fürchte ich (leider), dass alle Bemühungen zu einer fruchtbaren Kontrolle von Interessenskonflikten an einem inhärenten Catch 22 werden scheitern müssen. Und so macht die Offenlegung eines Vortragshonorars etc. für mich auch in Zukunft den Inhalt einer wissenschaftlichen Publikation nicht automatisch verdächtiger auf verzerrend wirkende Eigeninteressen als die Bekundung des Autors, es gäbe keinen Conflict of Interest ... Karl-Ludwig Resch, Bad Elster

Quellen: 1 Drazen JM et al. Toward more uniform conflict disclosures: the updated ICMJE Conflict of Interest Reporting Form. Chin Med J (Engl) 2010;123:1621-1622 2 Taichman DB et al. A disclosure form for work submitted to medical journals. Dtsch Arztebl Int 2020;117:61-63 3 ICMJE. Recommendations for the Conduct, Reporting, Editing, and Publication of Scholarly Work in Medical Journals. Im Internet: http://www.icmje.org

ÜBEERSICHTSARBEIT Eisenmangel bei Krebspatienten: Intravenöse Eisensubstitution als bedeutender Faktor in der Supportivtherapie 40 Brigitte Söllner

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom: Apalutamid plus ADT schließt therapeutische Lücke

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Biologika-Therapie bei Colitis ulcerosa

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Metastasiertes kolorektales Karzinom: Hohe Remissionsraten unter mFOLFOXIRI plus Panitumumab 54 Immunsuppression nach Leber- und Nierentransplantation: Innovative Tacrolimus-Formulierung verbessert Outcome 56 HER2+/HR+ Mammakarzinom: Extendierte adjuvante Therapie mit Neratinib senkt Rezidivrisiko

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Teriflunomid: Neue Erkenntnisse zum Wirkmechanismus unterstreichen die Wirksamkeit und Sicherheit in der MS-Therapie 62 Morbus Crohn: Stammzelltherapie als Therapieoption bei komplexen perianalen Fisteln

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Perampanel: Früher Einsatz in der Epilepsietherapie kann sich lohnen – auch bei Patienten mit komorbiden Schlafstörungen 68 Octenidin-Lutschtabletten: Bakterizide Wirkung auch gegen MRSA bestätigt

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RUBRIKEN Wissenswertes 46, 51, 63 Kongresse 72

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Die erste und einzige zugelassene Therapie beim fortgeschrittenen kutanen Plattenepithelkarzinom (cSCC)1 1. Fachinformation LIBTAYO® (Cemiplimab), Stand September 2019. Libtayo 350 mg Konzentrat Wirkst.: Cemiplimab. Zusammens.: Arzneil. wirks. Bestandt.: 350 mg Cemiplimab/ Durchstechflasche. Cemiplimab wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in einer Zellsuspensionskultur aus Ovarialzellen des Chinesischen Hamsters (CHO) hergestellt. Sonst. Bestandt.: Histidin, Histidinhydrochlororid-Monohydrat, Sucrose, Prolin, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke. Anw.-geb.: als Monotherapie zur Behandl. von Erw. mit metastasiertem od. lokal fortgeschrittenem kutanen Plattenepithelkarzinom, die für eine kurative Operation od. kurative Strahlentherapie nicht in Betracht kommen. Gegenanz.: Überempfindlichk. geg. d. Wirkst. od. sonst. Bestandt. Warnhinw. u. Vorsichtsmaßn.: Zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit Name u. Chargenbez. des angew. Produkts eindeutig dokumentieren. Behandelnde Ärzte müssen mit dem Schulungsmaterial vertraut sein. Behandl. von immunvermittelten Nebenw. bzw. infusionsbedingte Reaktionen s. FI. Aufgrund fehlender Daten Cemiplimab bei Pat. mit aktiven Infektionen od. immunsupprimierte Pat. nur mit Vorsicht nach sorgfältiger Bewertung des Nutzen-Risiken-Verhältnisses anwenden. Eine systemische Anw. von Kortikosteroiden od. Immunsuppressiva vor Therapiebeginn, außer physiologische Dosen systemischer Kortikosteroide (≤ 10 mg/Tag Prednison od. Äquivalent), aufgrund mögl. Beeinträchtigungen der pharmakodynamischen Aktivität u. der Wirksamkeit von Cemiplimab vermeiden. Systemische Kortikosteroide od. andere Immunsuppressiva können nach Beginn der Therapie mit Cemiplimab zur Behandl. von immunvermittelten Nebenw. angewendet werden. Fertilit., Schwangersch. u. Stillz.: Es sind keine klin. Daten zu Auswirkungen auf die Fertilität verfügbar. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung u. mind. 4 Monate nach der letzten Cemiplimab-Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Anw. während der Schwangersch. u. b. Frauen im gebärfähigen Alter, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, nicht empfohlen, es sei denn der klinische Nutzen überwiegt das potenzielle Risiko. Es ist nicht bekannt, ob Cemiplimab in die Muttermilch übergeht. Ein Risiko für das gestillte Neugeborene/Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Wenn sich eine Frau für die Behandl. mit Cemiplimab entscheidet, darf sie während der Behandlung mit Cemiplimab u. mind. 4 Monate nach der letzten Dosis nicht stillen. Nebenw.: Immunsyst.: Häufig infusionsbedingte Reaktion. Gelegentl. Sjögren-Syndrom, Immunthrombozytopenische Purpura, Vaskulitis. Endokrine Erkr.: Häufig Hypothyreose, Hyperthyreose. Gelegentl. Diabetes mellitus Typ 1, Nebenniereninsuffizienz, Hypophysitis, Thyreoiditis. Nerven: Gelegentl. paraneoplastische Enzephalomyelitis, chron. entzündl. demyelinisierende Polyradikuloneuropathie, Enzephalitis, Meningitis, Guillain-Barré-Syndrom, Entzündung d. ZNS, periphere Neuropathie, Myasthenia gravis. Augen: Gelegentl. Keratitis. Herz: Gelegentl. Myokarditis, Perikarditis. Atemw./Brustr./Mediast.: Häufig Pneumonitis. Leber/Galle: Häufig Hepatitis. Haut/Unterhautzellgewebe: Sehr häufig Ausschlag, Pruritus. Skelett/Bindegew./Knochenerkrank.: Häufig Arthralgie, Schmerzen d. Muskel- u. Skelettsystems, Arthritis. Gelegentl. Muskelschwäche. Nieren/Harnwege: Gelegentl. Nephritis. Allgem./Beschw. a. Verabreichungsort: Sehr häufig Fatigue. Untersuchungen: Häufig Alanin- u. Aspartataminotransferase erhöht, alkalische Phosphatase u. Kreatinin im Blut erhöht. Hinweis: Patienten über Patientenpass u. Vorgehen, wenn bei ihnen Symptome immunvermittelter Nebenw. u. infusionsbedingte Reaktionen auftreten, informieren. Verschreibungspflichtig. Inhaber der Zulassung: Regeneron Ireland Designated Activity Company (DAC), Europa House, Harcourt Centre, Harcourt Street, Dublin 2, Irland. Örtlicher Vertreter: SanofiAventis Deutschland GmbH. Stand: September 2019 (SADE.LIB.19.07.1759(1))

Sanofi und Regeneron arbeiten gemeinsam an einem globalen Produktentwicklungsprogramm und an der Vermarktung von LIBTAYO®. © 2019 Regeneron Pharmaceuticals, Inc., and Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Potsdamer Straße 8, 10785 Berlin, Telefon 0800 0436996, www.sanofi.de. All rights reserved. SADE.LIB.19.10.2712 – 11.2019 1902_CEM_B Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden.

Mit wegweisenden Therapien komplexen Erkrankungen begegnen.


ÜBERSICHTSARBEIT

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ZUSAMMENFASSUNG Krebspatienten leiden häufig an einem Eisenmangel, der neben einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität auch die Wirksamkeit der Chemotherapie beeinflussen, zum Auftreten lokaler Rezidive beitragen und die Mortalitätsrate erhöhen kann. Deshalb sind eine sorgfältige Diagnostik, bei der die Bestimmung der Transferrinsättigung (TSAT) eine Schlüsselrolle spielt, und die frühzeitige Therapie des Eisendefizits wichtig. Als effektive Möglichkeit der EisenmangelKorrektur empfehlen nationale und internationale Leitlinien eine i.v. Eisensubstitution. Gegenüber anderen i.v. Eisenpräparaten weist Eisencarboxymaltose eine Reihe von Besonderheiten auf, die im Praxisalltag Vorteile bieten. Schlüsselwörter: Eisenmangel, Anämie, Eisensubstitution, Onkologie, Supportivtherapie, Eisencarboxymaltose

Eisenmangel bei Krebspatienten:

Intravenöse Eisensubstitution als bedeutender Faktor in der Supportivtherapie Brigitte Söllner, Erlangen

E

isenmangel stellt die weltweit häufigste Mangelerkrankung des Menschen dar [1]. Zu den verschiedenen Personen- und Patientengruppen, die ein erhöhtes Risiko für Eisenmangel und die daraus entstehende Eisenmangel­ anämie haben, gehören insbesondere Krebspatienten. In Abhängigkeit von der Tumorentität weisen bis zu 63 % der onkologischen Patienten einen Eisenmangel auf sowie im Durchschnitt aller Tumorentitäten 33 % eine Eisenmangel­anämie. Am höchsten ist die Eisenmangelrate bei Patienten mit einem Pankreaskarzinom (63 %), einem kolorektalen Karzinom (52 %) oder einem Lungenkarzinom (51 %) (Abb. 1) [2]. 82 % der betroffenen Patienten haben einen funktionellen Eisenmangel. Hier ist trotz ausreichender Eisenreserven die Verfügbarkeit des Eisens im Sinne einer unspezifischen Abwehrmaßnahme eingeschränkt, sodass eine eisendefizitäre Erythropoese vorliegt [1]. Schon vor der onkologischen Therapie besteht bei 30 % der Patienten mit soliden Tumoren oder hämatologischen Neoplasien bereits eine Anämie, bei 40 % ein Eisenmangel [2]. Stadien des Eisenmangels

Vom Eisenmangel bis hin zur manifestierten Eisenmangelanämie JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2020 · 29. JAHRGANG

lassen sich 3 Stadien unterscheiden [1]: 1. Eine negative Eisenbilanz führt zunächst zu einem Speicher­ eisenmangel. Hierbei sind die Eisenspeicher nicht ausreichend gefüllt, die Blutbildung wird aber noch mit genügend Eisen versorgt. 2. Im Stadium der eisendefizi­ tären Erythropoese ist das Speicher­eisen aufgebraucht und der Anteil an Transportund Funktionseisen nimmt ab. In diesem Stadium werden die erythropoetischen Vorstufen im Knochenmark nicht mehr ausreichend mit Eisen versorgt, das Hämoglobin liegt jedoch noch im Normbereich. Der Eisenmangel kann mit vielfältigen Symptomen und Folgeerscheinungen einhergehen, die sich negativ auf die Lebensqualität auswirken, wie z.B. Fatigue, Beeinträchtigungen des Immunsystems, kognitive Dysfunktionen, Restless-LegsSyndrom sowie die Verschlechterung einer bestehenden Herzinsuffizienz [3]. 3. Bei einem Unterschreiten des Normwertes für das Hämo­glo­ bin (Hb) (<12 g/dl bei Frauen, <13 g/dl bei Männern) liegt eine Anämie vor. In mindestens 50 % der Fälle ist der Grund für die Anämie ein Eisenman­gel [1]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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ÜBERSICHTSARBEIT

Multifaktorielle Pathogenese

Abbildung 1: Prävalenz von Eisenmangel (TSAT <20 %) und Anämie (Hb <12 g/dl) bei verschiedenen Tumorentitäten (mod. nach [2]).

Abbildung 2: Ursachen eines Eisenmangels bzw. einer Eisenmangelanämie bei onkologischen Patienten (mod. nach [5]).

Blockierung der Eisen-Aufnahme über den Darm

Enterozyten (Duodenum, oberes Jejenum)

Reduzierung der Eisen-Freisetzung aus den Speichern

Retikuloendotheliale Makrophagen (z.B. Leber und Milz)

Abbildung 3: Einfluss von Hepcidin auf die Eisenaufnahme und -freisetzung bei chronischer Entzündung (mod. nach [6]).

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Bei der Entstehung eines Eisenmangels bei Krebspatienten spielen verschiedene Faktoren zusammen (Abb. 2) [4]: So können ein durch den Tumor bedingter chronischer Blutverlust, Ernährungsdefizite oder Resorptionsstörungen die Eisenspeicher leeren. Eine weitere mögliche Ursache ist ein gesteigerter Eisenbedarf infolge einer durch Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESA) induzierten erhöhten Erythropoese [5]. Auch der Tumor selbst kann Ursache für den Eisenmangel sein. Hierbei spielt das bei chronischen Entzündungen von der Leber ausgeschüttete Hormon Hepcidin eine wichtige Rolle. Hepcidin hemmt die Eisenaufnahme über den Darm und die Eisenfreisetzung aus den Speichern durch die Blockade des Ferroportins (sog. Hepcidin-Block) und führt so zu einem funktionellen Eisenmangel (Abb. 3) [6]. Weitere wichtige Ursachen für eine Eisenmangelanämie bei onkologischen Patienten sind neben Knochenmark­infiltrationen die Chemo- und Radiotherapie [7]: Bereits nach dem 4. Chemotherapie-Zyklus entwickelt etwa die Hälfte der Patienten eine Anämie [2]. Auswirkungen des Eisenmangels bei onkologischen Patienten

Neben den generell möglichen Symptomen eines Eisenmangels wie Fatigue, Beeinträchtigung des Immunsystems und kognitive Dysfunktion [8] kann eine Eisenmangelanämie bei Krebspatienten auch die Therapie maßgeblich beeinflussen: Das Risiko für eine Dosis­ erniedrigung und -unterbrechung im Verlauf einer Chemotherapie kann bei moderater Anämie um © VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

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Parameter

Normwert

Knochenmark-Sideroblasten

15 – 50 %

Knochenmark-Speichereisen

2 (Skala von 0 – 4)

Hämoglobin

Frauen: 12,3 – 15,3 g/dl Männer: 14,0 – 17,5 g/dl

Mittleres korpuskuläres Volumen (MCV)

80 – 96 fl

Mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH)

28 – 33 pg

Hypochrome Erythrozyten

<2,5 %

Retikulozytenhämoglobin

≥26 pg

Ferritin

Frauen: 15 – 150 µg/l Männer: 30 – 400 µg/l

Transferrin

200 – 400 mg/dl

Transferrinsättigung (TSAT)

16 – 45 %

Lösliche Transferrin-Rezeptoren (sTfR)*

0,76 – 1,76 mg/dl

TfR – Index**

Frauen: 0,6 – 3,8 Männer: 0,2 – 3,7

Zinkprotoporphyrin (ZPP)***

* ** ***

≤40 µmol/mol Häm

Die Referenzwerte sind testabhängig, hier Dade Behring, Marburg, Deutschland Tinaquant® sTfR-Assay von Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland Aviv front-face Hämotofluorometer, Lakewood, NJ, USA

Tabelle 1: Die wichtigsten Parameter des Eisenstoffwechsels. Zu beachten ist, dass die Referenzwerte vom jeweiligen Testsystem abhängig sind. Das gilt insbesondere für das Zinkprotoporphyrin, das nicht nur die Diagnose der eisendefizitären Erythropoese, sondern auch deren Quantifizierung erlaubt. Trotzdem wird es in der Praxis nur selten genutzt, weil es mit verschiedenen Verfahren ermittelt wird und es eine Vielzahl von laborspezifischen Referenzwerten dafür gibt [1].

1. Speichereisenmangel

2. Eisendefizitäre Erythropoese

3. Eisenmangelanämie

Ferritin bei Frauen <15 µg/l bei Männern <20 μg/l

Transferrinsättigung <20 % + Ferritin >30 – 800 ng/ml

Hämoglobin bei Frauen <12 g/dl bei Männern <13 g/dl

KM-Speichereisen

Ggf. zusätzlich: Transferrinrezeptoren (sTFR) Zinkprotoporphyrin (ZPP) Hypochrome Erythrozyten Retikulozytenhämoglobin

KM-Sideroblasten

Abbildung 4: Die Parameter zur Beurteilung des Eisenstoffwechsels sind für jedes Stadium des Eisenmangels unterschiedlich sensitiv, was bei der Diagnostik berücksichtigt werden muss [1, 7].

das 1,5-Fache und bei schwerer Anämie sogar um das 2,8-Fache erhöht sein [9]. Bei anämischen Patienten können häufiger lokale Rezidive auftreten [10] und das Sterblichkeitsrisiko steigen [11]. Darüber hinaus kann eine Eisenmangelanämie die Lebensqualität der Betroffenen, insbesondere die körperliche und soziale Funktionsfähigkeit, das psychische Wohl-

befinden und die Vitalität, beeinträchtigen [12]. Diagnostik

Die frühzeitige und sorgfältige Diagnostik eines Eisenmangels ist bei Tumorpatienten daher unerlässlich. Zur Beurteilung des Eisenstatus kann eine Reihe von Parametern bestimmt werden (Tab. 1).

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Diese messen jedoch nicht den Eisenmangel an sich, sondern sind ein Maß für den Zustand der Eisenspeicher bzw. der eisendefizitären Erythropoese und für die klinischen Stadien des Eisenmangels unterschiedlich sensitiv [1] (Abb. 4). Als Erstlinien-Parameter des Eisenstoffwechsels wird in der klinischen Praxis routinemäßig das © VERLAG PERFUSION GMBH


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ÜBERSICHTSARBEIT

Serumferritin bestimmt. Durch seine Korrelation mit den Eisenspeichern ist es prinzipiell der sensitivste Test des Eisenstoffwechsels, der im Unterschied zu den anderen Laborparametern bereits einen Speichereisenmangel erfasst [1]. Bei onkologischen Patienten ist das Ferritin jedoch wegen seiner Eigenschaft als Akut-Phase-Protein für die Abschätzung der Eisenspeicher unbrauchbar, da es normale oder erhöhte Werte aufweisen und damit einen bestehenden Eisenmangel maskieren kann [7]. Wie Untersuchungen zeigen, werden bei einem Viertel der Patienten mit nachgewiesener Eisenmangel­ anämie bei hämatologischen und soliden Neoplasien Ferritinwerte von 100 – 800 μg/l gemessen, bei einem weiteren Viertel liegen sie sogar >800 μg/l [13]. Daher müssen bei Krebspatienten die Stadium-II-Parameter bestimmt werden. Eine Schlüsselrolle dabei spielt die Transferrinsättigung (TSAT), da deren Rückgang ein Zeichen für eine Verschlechterung der Eisenverfügbarkeit ist, unabhängig davon, ob dieser ein absoluter oder ein funktionellen Eisenmangel zugrunde liegt [1]. Fällt der TSAT-Wert unter 20 %, ist von einer eisendefizitären Erythropoese auszugehen. Ist dieser Wert mit einem Ferritinwert <30 µg/l verbunden, ist ein absoluter Eisenmangel wahrscheinlich, bei Ferritinkonzentrationen von 100 –800 µg/l eher ein funktionelle Mangel. Patienten, die das Stadium der eisendefizitären Erythropoese erreicht haben, sollten unbedingt eine Eisenmangeltherapie erhalten, da sich mit einer frühzeitigen Intervention die Progredienz zur Eisenmangelanämie verhindern lässt [1].

Die Transferrinsättigung gibt an, wie viel Prozent des Transferrins im Serum mit Eisen beladen sind, ist also ein Maß für das zur Ver­ fügung stehende Funktionseisen. Sie wird nach folgender Formel berechnet: Transferrinsättigung [%] =

Serumeisen [μmol/l]

Transferrin in Serum [mg/dl]

× 398

Unter physiologischen Bedingungen sind 16 – 45 % der Transferrin­ moleküle im Plasma mit Eisen abgesättigt. Bei onkologischen Pa­ tienten gilt eine Transferrinsattigung <20 % als Nachweis für eine eisendefizitäre Erythropoese [1].

Leitlinienempfehlungen zur Eisensubstitution bei Krebspatienten

Für das Ziel der Normalisierung der Eisenspeicher und der Hb-Konzentration stehen neben Bluttransfusionen und der Eisensubstitution auch Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESA) zur Verfügung. Bluttransfusionen sollten aufgrund der erhöhten Komplikations- und Mortalitätsraten [14] so lange wie möglich vermieden werden; bei ESA stellt das Risiko für thromboembolische Komplikationen einen entscheidenden Nachteil dar [15, 16]. Bei anämischen onkologischen Patienten empfehlen nationale [1] und internationale [5] Leitlinien eine Eisensubstitution, die vorzugsweise intravenös erfolgen sollte. Denn pathophysiologisch scheint eine orale Eisensubstitution nicht sinnvoll zu sein, da bei aktivem Tumor oder aktiviertem Immunsystem das Hepcidin erhöht ist und durch die Ferroportinblockade die Eisenresorption aus dem Duodenum und die Eisenfreisetzung aus dem retikulohistiozytären System hemmt (vgl. Abb. 3) [7]. Lediglich bei einem absoluten Eisenmangel mit einer Transferrinsättigung <20% und einem Ferritinwert <30 μg/l ist ein Versuch mit

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oralen Eisenpräparaten vertretbar. Beträgt die Ferritinkonzentration 100 – 800 μg/l, ist ein funktioneller Eisenmangel wahrscheinlich und damit eine i.v. Eisensubstitution indiziert. Tumorpatienten, die zur Korrektur einer chemotherapiebedingten Anämie ESA erhalten, sollten grundsätzlich intravenös substituiert werden. Patienten, die Ferritinwerte >800 μg/l oder eine Transferrinsätigung >50 % aufweisen, sollen keine Eisensubstitution erhalten [1]. Präparate zur intravenösen Eisensubstitution

Bei den für die intravenöse Substitution zugelassenen Präparaten handelt es sich um kolloidal gelöste Nanopartikel, die aus einem polymeren Eisen(III)-haltigen Kern und aus einer Kohlenhydrathülle bestehen. Diese Hülle dient nicht nur der „Verpackung“, sondern sorgt auch für eine kontrollierte Freigabe des Eisens, sodass toxische Konzentrationen von freiem, ungebundenem Eisen im Blut vermieden werden. Allerdings ist der Kohlenhydratanteil auch Ursache der gefürchteten allergischen und anaphylaktischen Reaktionen, die nach der Verabreichung von i.v. Eisenpräparaten beobachtet wur© VERLAG PERFUSION GMBH


ÜBERSICHTSARBEIT

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den. Als problematisch erwies sich dabei insbesondere das früher als Hülle verwendete hochmolekulare Dextran. Heute werden daher Eisenkomplexe mit niedrigmolekularem Dextran oder die Dextranähnliche Eisen(III)-Derisomaltose eingesetzt, die zwar wesentlich verträglicher sind, aber ebenfalls ein Überempfindlichkeitsrisiko bergen. Laut eines EMA-Berichts traten unter diesen Formulierungen vermehrt anaphylaktische Reaktionen auf; die Melderate betrug 0,003 %, was 1039 Fallberichten pro 100.000 Patiententagen entspricht, wobei die Mehrzahl der Fälle als schwerwiegend eingestuft wurde (366/587; 62 %) [7]. Aus diesem Grund empfehlen die Leitlinien zur Korrektur eines Eisenmangels bevorzugt Dextran-freie Präparate [1, 5, 7]. In Deutschland zugelassene Dex­ tran-freie Präparate sind der Eisen(III)-Glukonat-Komplex, der Eisen(III)-Hydroxid-Saccharose-Komplex und die Eisencarboxymaltose (Tab. 2) [1]. Die Unterschiede zwischen diesen Präparaten beruhen vor allem auf der jeweiligen Kohlenhydratkomponente, die maßgeblich für die Stabilität des Eisenkomplexes verantwortlich ist und damit entscheidend zu den pharmakologischen Eigenschaften sowie zur Verträglichkeit des jeweiligen Präparates beiträgt [1]. Aufgrund der linearen Korrelation zwischen Molekularmasse und Stabilität ist das niedermolekulare Eisen-Glukonat am wenigsten stabil und kann deshalb nur in einer Dosis von maximal 62,5 mg täglich appliziert werden (Eisen-Saccharose: 200 mg/d, Eisencarboxymaltose: 1000 mg/d). Etwas stabiler ist die Eisen-Saccharose, allerdings beträgt auch hier die Applikationszeit 20 – 30 Minuten [1]. Das wohl effektivste

Eisen(III)Gluconat

Eisen(III)Saccharose

Eisencarboxy­ maltose

Molekular­gewicht (kDa)

38

43

150

Maximale Tagesdosis

64,2 mg

200 mg

1000 mg

Verdünnungs­ medium

0,9 % NaCl

0,9 % NaCl

0,9 % NaCl

Verdünnungs­menge Applikationszeit

100 – 250 ml

20 – 30 Minuten

maximal 200 ml

maximal 250 ml

30 Minuten

15 Minuten

Tabelle 2: In Deutschland zugelassene Dextran-freie i.v. Eisenkomplexe [1].

Präparat zur i.v. Eisensubstitution ist die Eisencarboxymaltose, die dank ihrer hohen Komplexstabilität das Eisen langsam und kontrolliert zuführt. Dadurch ist die Applikation von bis zu 1000 mg Eisen und damit die Korrektur des Eisenmangels im Idealfall in einer einzigen Sitzung möglich [17, 18]. Klinische Daten zu Eisencarboxymaltose

Als effektive Möglichkeit der Korrektur eines Eisenmangels wird von den Leitlinien die i.v. Eisensubstitution mit Eisencarboxymaltose (Fer­inject® 50 mg Eisen/ml) genannt [1, 5]. Erfahrungen aus mittlerweile 31 klinischen Studien mit mehr als 7.000 Patienten belegen das gute Sicherheitsprofil und die Wirksamkeit des Dextran-freien Eisenpräparates, das seit mehr als 10 Jahren auf dem Markt und bereits in vielen Bereichen etabliert ist. Von anderen Präparaten unterscheidet sich Eisencarboxymaltose vor allem durch ihre hohe Komplexstabilität [19], die eine Applikation von bis zu 1000 mg über einen kurzen Zeitraum (15 Minuten Applikation, zuzüglich 30 Minuten Nachbeobachtung) erlaubt. Möglich ist die Verabreichung einer Einzeldosis von 100

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bis maximal 1000 mg Eisen als Bolusinjektion oder als Infusion (verdünnt mit 0,9%-iger NaClLösung). Die maximale kumulative Dosis beträgt 1000 mg Eisen (20 ml Ferinject®) pro Woche [17]. Abhängig vom individuellen Eisenbedarf reichen in der Regel 1500 mg aus, um ein Eisendefizit nachhaltig auszugleichen [20]. Diese Mange kann in nur 2 Sitzungen (1000 mg + 500 mg) innerhalb von 2 Wochen appliziert werden [18]. Die geringe Anzahl von Applikationen und Arztbesuchen erleichtert die Eisentherapie für Arzt und Patienten gleichermaßen. Eisencarboxymaltose führt bei guter Verträglichkeit [19] zu einem schnellen [21] sowie nachhaltigen [22, 23] Ausgleich des Eisenmangels und kann so auch den negativen Auswirkungen des Eisendefizits bei Tumorpatienten entgegenwirken. Der Nutzen von Eisencarboxymaltose bei onkologischen Patienten mit Eisenmangel wurde in folgenden Studien nachgewiesen: • In einer nicht interventionellen Studie bei Patienten mit Krebs- und Chemotherapie-assoziierter Eisenmangelanämie (91,2 % hatten einen soliden Tumor, 61,0 % davon Metastasen) führte die i.v. Eisensubsti© VERLAG PERFUSION GMBH


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Literatur

Abbildung 5: Schnelle und nachhaltige Stabilisierung des Hb-Wertes bei 11 – 12 g/dl (6,8 – 7,7 mmol/l) durch Eisencarboxymaltose (FCM) bei Patienten mit Krebs- und Chemotherapie-assoziierter Eisenmangelanämie [24].

tution mit Eisencarboxymaltose sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit einem ESA dazu, dass der Hb-Wert innerhalb von 5 Wochen zunahm und sich anhaltend stabilisierte (Abb. 5) [24]. • Eine Interventionsstudie mit 19 Lymphom-Patienten zeigte, dass die i.v. Eisenmangeltherapie mit Eisencarboxymaltose bei Chemotherapie-induziertem Eisenmangel und Eisenmangel­ anämie zu einer schnellen Bereitstellung von Funktionseisen (TSAT) und zur effektiven Korrektur der Eisenmangelanämie führte. Die Hb-Werte stiegen nach 8 Wochen in der Eisencarboxymaltose-Gruppe signifikant höher (p = 0,021) als in der Kontrollgruppe, die nach der im jeweiligen Krankenhaus üblichen Praxis behandelt wurde [25]. • Des Weiteren konnten durch i.v. verabreichte Eisencarboxymaltose zur Behandlung der präoperativen Eisenmangelanämie bei Tumorpatienten das Transfusionsrisiko und die Krankenhausverweildauer im Vergleich

zu einem historischen Kollektiv, das kein i.v. Eisen, jedoch orales Eisen erhielt, gesenkt werden [23]. Demnach kann eine rechtzeitig begonnene i.v. Eisensubstitution eine sinnvolle, nachhaltige Ergänzung für eine restriktive Transfusionsstrategie sein. In allen Studien zeigte Eisencarboxymaltose eine gute Verträglichkeit. Die am häufigsten berichtete unerwünschte Arzneimittelwirkung war Übelkeit (bei 2,9 % der Patienten), gefolgt von Reaktionen an der Injektions-/Infusionsstelle, Hypophosphatämie, Kopfschmerzen, Gesichtsrötung (Flush), Schwindel und Hypertonie. Anaphylaktoide/anaphylaktische Reaktionen traten nur selten auf [18].

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1 Hastka J et al. Leitlinien der Fachgesellschaften für Hämatologie und Onkologie aus Deutschland (DGHO), Österreich (OeGHO) und der Schweiz (SSMO und SGH+SSH). Eisenmangel und Eisenmangelanämie. Stand Dezember 2018. Im Internet: https://www.onkopedia.com/de/ onkopedia/guidelines/eisenmangel-undeisenmangelanaemie/ @@guideline/html/ index.html 2 Ludwig H et al. Prevalence of iron deficiency across different tumors and its association with poor performance status, dis­ease status and anemia. Ann Oncol 2013;24:1886-1892 3 Ponikowski P et al. Beneficial effects of long-term intravenous iron therapy with ferric carboxymaltose in patients with symptomatic heart failure and iron deficiency. Eur Heart J 2015;36:657-668 4 Saint A et al. Iron deficiency during firstline chemotherapy in metastatic cancers: a prospective epidemiological study. Support Care Cancer 2019. doi :10.1007/ s00520–019–04938-3. 5 Aapro M et al. on behalf of the ESMO Guidelines Committee. Prevalence and management of cancer-related anaemia, iron deficiency and the specific role of i.v. iron. Ann Oncol 2012;23:1954-1962 6 Hentze M et al. Balancing acts: molecular control of mammalian iron metabolism. Cell 2004;117:285-297 7 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen – Langversion 1.2, 2019, AWMF Registernummer: 032/054OL 8 Nielsen P. Diagnostik und Therapie von Eisenmangel mit und ohne Anämie. Bremen: UNI-MED; 2009:66-69 9 Family L et al. The effect of chemotherapy-induced anemia on dose reduction and dose delay. Support Care Cancer 2016; 24:4263-4271 10 Zhang Y, et al. Impact of preoperative anemia on relapse and survival in breast cancer patients. BMC Cancer 2014;14: 844 11 Wan S et al. Post-diagnosis hemoglobin change associates with overall survival of multiple malignancies – results from a 14-year hospital-based cohort of lung, breast, colorectal, and liver cancers. BMC Cancer 2013;13:340 12 Lind M et al. The level of haemoglobin in anaemic cancer patients correlates positively with quality of life. Brit J Cancer 2002;86:1243-1249 13 Ludwig H et al. Iron metabolism and iron supplementation in cancer patients. Wien Klin Wochenschr 2015;127:907-919 14 Salim A et al. Role of anemia in traumatic brain injury. J Am Cell Surg 2008; 207:398-406

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WISSENSWERTES

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15 Bohlius J et al. Recombinant human erythropoietins and cancer patients: updated meta-analysis of 57 studies includ­ing 9353 patients. J Natl Cancer Inst 2006;98:708-714 16 Bokemeyer C et al. EORTC guidelines for the use of erythropoietic proteins in anaemic patients with cancer: 2006 update. Eur J Cancer 2007;43:258-270 17 Keating GM. Ferric carboxymaltose: a review of its use in iron deficiency. Drugs 2015;75:101-127 18 Fachinfiormation Ferinject® 50 mg Eisen/ ml; Stand: November 2018 19 Geisser P. The pharmacology and safety profile of ferric carboxymaltose (Ferinject®): structure/reactivity relationships of iron preparations. Port J Nephrol Hypert 2009;23:11-16 20 Koch TA et al. Intravenous iron therapy in patients with iron deficiency anemia: Dosing considerations 2015. Anemia 2015; Article 763576. https://doi. org/10.1155/2015/763576 21 Beshara S et al. Pharmacokinetics and red cell utilization of 52Fe/59Fe-labelled iron polymaltose in anaemic patients using positron emission tomography. Br J Haematol 2003;120:853-859 22 Toledano A et al. Clinical use of ferric carboxymaltose in patients with solid tumours or haematological malignancies in France. Support Care Cancer 2016;24:6775 23 Calleja JL et al. Ferric carboxymaltose reduces transfusions and hospital stay in patients with colon cancer and anemia. Int J Colorectal Dis 2016;31:543-551 24 Steinmetz T et al. Clinical experience with ferric carboxymaltose in the treatment of cancer- and chemotherapy-associated anaemia. Ann Oncol 2013;24: 475482 25 Hedenus M et al. Intravenous iron alone resolves anemia in patients with functional iron deficiency and lymphoid malignancies undergoing chemotherapy. Med Oncol 2014;31:302

Anschrift der Verfasserin: Brigitte Söllner Lärchenweg 10 91058 Erlangen brigitte.soellner@online.de

Therapie der rheumatoiden Arthritis:

Tofacitinib jetzt auch als Retardformulierung verfügbar Der orale Januskinase (JAK)-Inhibitor Tofacitinib ist ab sofort in Deutschland auch als einmal tägliche Dosis Tofacitinib (Xeljanz® Retardtabletten 11 mg) für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis (RA) erhältlich. Durch eine TofacitinibFormulierung mit verzögerter Wirkstofffreisetzung reicht bei der RA-Therapie eine einmal tägliche Einnahme von 11 mg aus. Die Wirkung ist mit der von zweimal 5 mg täglich vergleichbar. Xeljanz® Retardtabletten 11 mg sind ausschließlich für die RA zugelassen, nicht für die Indikationen Psoriasis-Arthritis und Colitis ulcerosa. Die Zulassungserweiterung für Tofacitinib als tägliche Einmalgabe in der RA-Therapie hat die European Medicine Agency bereits am 16.12.2019 erteilt. Der von der EMA – standardmäßig bei der Prüfung modifizierter Formulierungen von bestehenden Medikamenten – geforderte Nachweis der Bioäquivalenz von Tofacitinib 11 mg einmal täglich zum Referenzprodukt Tofacitinib 5 mg zweimal täglich wurde in zwei pharmakokinetischen Studien mit gesunden Probanden erbracht. Weitere Daten zu Tofacitinib 11 mg einmal täglich, die bei der EMA eingereicht worden waren, umfassten die Ergebnisse einer Expositions-ReaktionsAnalyse, Daten aus klinischen Studien und zur Sicherheit, sowie Real-World-Daten aus dem USamerikanischen Biologika-Register CORRONA.

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Real-World-Daten zeigen vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit der Formulierungen

In den USA ist die 11 mg-Einmalgabe seit Februar 2016 zugelassen. Eine Analyse des US-amerikanischen CORRONA-Registers* verglich die klinische Wirksamkeit der Tofacitinib-Formulierungen 1 × täglich 11 mg und 2 × täglich 5 mg. Primärer Endpunkt war der minimale klinisch wichtige Unter­ schied (MCID) beim Clinical Disease Activity Index (CDAI) nach 6 Monaten. Für die insgesamt 334 Patienten (11 mg 1 × täglich: n = 196; 5 mg 2 × täglich: n = 138), die nach 6 Monaten bei der Visite waren, lagen Daten zum CDAI vom Studieneinschluss bis zum Follow-up vor. Der Anteil der Patienten mit CDAI-Verbesserungen ≥ MCID war zwischen beiden TofacitinibFormulierungen ähnlich und betrug ohne Adjustierung jeweils 23,5 % (11 mg 1 × täglich) vs. 21,0 % (5 mg 2 × täglich) (p = 0,79). Auch beim Erreichen einer LDA, Remission oder Verbesserungen im HAQ waren beide Formulierungen vergleichbar. S. M.

* Cohen S et al. Arthritis Rheumatol 2018; 70: Suppl 10 © VERLAG PERFUSION GMBH


Jetzt in d S3-Leitlin er ie C empfohle 4 U n

XELJANZ® Schnell1, stark2 und langanhaltend2 bei CU

Der erste und einzige zugelassene JAK-Inhibitor bei CU

Über 5 Jahre Daten zur Sicherheit3 1.157 CU-Patienten in Studien3

2.050,5 Patientenjahre Exposition3

1. Hanauer S et al. Clin Gastroenterol Hepatol 2019;17(1):139 –147. 2. Sandborn WJ et al. N Engl J Med 2017;376:1723 –1736. 3. Sandborn WJ et al. Poster 466 präsentiert auf dem Congress of the European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO); 6.– 9. März 2019, Kopenhagen, Dänemark. 4. Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa; Zeitschrift für Gastroenterologie 2019;57(11):1321–1405. Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 der Fachinformation. XELJANZ® 5 mg Filmtabletten XELJANZ® 10 mg Filmtabletten XELJANZ® 11 mg Retardtabletten Wirkstoff: Tofacitinib Zusammensetzung: Wirkstoff: Filmtbl.: 1 Filmtbl. enth. 5 mg/ 10 mg Tofacitinib. Retardtbl.: 1 Retardtbl. enth. 11 mg Tofacitinib. Sonst. Bestandteile: Filmtbl.: Tablettenkern: Mikrokristalline Cellulose, Lactose-Monohydrat, Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat (Ph.Eur.). Filmüberzug: Hypromellose 6cP (E 464), Titandioxid (E 171), Lactose-Monohydrat, Macrogol 3350, Triacetin (E 1518), Indigocarmin-Aluminiumsalz (E 132) (nur 10-mg-Stärke), Brillantblau-FCF-Aluminiumsalz (E 133) (nur 10-mg-Stärke). Retardtbl.: Tablettenkern: Sorbitol (Ph.Eur.) (E 420), Hyetellose, Copovidon, Magnesiumstearat (Ph.Eur.). Filmüberzug: Celluloseacetat, Hyprolose (E 463), Hypromellose (E 464), Titandioxid (E 171), Triacetin (E 1518), Eisen(III)-oxid (E 172). Drucktinte: Schellack (E 904), Ammoniumhydroxid (E 527), Propylenglycol (E 1520), Eisen(II,III)-oxid (E 172). Anwendungsgebiete: Filmtbl.: Rheumatoide Arthritis (RA): In Komb. m. Methotrexat (MTX) zur Behandl. d. mittelschweren bis schweren aktiven RA b. erw. Pat., d. auf e. od. mehrere krankheitsmodifiz. Antirheumatika unzureichend angespr. od. diese nicht vertragen haben. Anw. als Monotherapie, wenn MTX nicht vertragen wird od. wenn e. Behandl. m. MTX ungeeignet ist. Psoriasis-Arthritis (PsA): In Komb. m. MTX zur Behandl. d. aktiven PsA b. erw. Pat., d. auf e. vorangeg. krankheitsmodifiz. antirheumat. (DMARD-) Ther. unzureichend angespr. od. diese nicht vertragen haben. Colitis ulcerosa (CU): Behandl. erw. Pat. mit mittelschwerer bis schwerer aktiver CU, d. auf e. konvention. Ther. od. e. Biologikum unzureichend angespr. haben, nicht mehr darauf anspr. od. diese nicht vertragen haben. Retardtbl.: RA: In Komb. m. MTX zur Behandl. d. mittelschweren bis schweren aktiven RA b. erw. Pat., d. auf e. od. mehrere krankheitsmodifiz. Antirheumatika unzureichend angespr. od. diese nicht vertragen haben. Anw. als Monotherapie, wenn MTX nicht vertragen wird od. wenn e. Behandl. m. MTX ungeeignet ist. Gegenanzeigen: Überempfindlichk. gg. d. Wirkstoff od. e. d. sonst. Bestandt. Aktive Tuberkulose (TB), schwere Infekt. w. z. B. Sepsis od. opportunist. Infekt., schwere Leberfunkt.-stör., Schwangersch. u. Stillzeit. Nebenwirkungen: Häufig: Pneumonie, Influenza, Herpes Zoster, Harnwegsinfekt., Sinusitis, Bronchitis, Nasopharyngitis, Pharyngitis; Anämie; Kopfschmerzen; Hypertonie; Husten; Bauchschmerzen, Erbr., Diarrhö, Übelk., Gastritis, Dyspepsie; Ausschlag; Arthralgie; Pyrexie, peripheres Ödem, Fatigue; erhöhte Kreatinphosphokinase i. Blut. Gelegentlich: Tuberkulose, Divertikulitis, Pyelonephritis, Zellulitis, Herpes simplex, virale Gastroenteritis, Virusinfekt.; nicht-melanozytärer Hautkrebs; Leukopenie, Lymphopenie, Neutropenie; Dyslipidämie, Hyperlipidämie, Dehydrier.; Insomnie; Parästhesie; Venöse thromboembol. Ereignisse (LE u. TVT); Dyspnoe, verstopfte Nebenhöhlen; Lebersteatose, erhöhte Leberenzymwerte, Erhöh. d. Transaminasen, anomaler Leberfunkt.-test, erhöhter Gamma-Glutamyltransferasewert; Erythem, Pruritus; Skelettmuskelschmerzen, Gelenkschwell., Tendinitis; erhöhter Blut-Kreatininspiegel, erhöhter Blutcholesterinspiegel, erhöhter Lipoprotein-Cholesterinwert niedriger Dichte, Gewichtszunahme; Bänderdehn., Muskelzerr. Selten: Sepsis, Urosepsis, disseminierte Tuberkulose, nekrotisier. Fasziitis, Bakteriämie, Staphylokokken-Bakteriämie, Pneumocystis jirovecii-Pneumonie, Pneumokokken-Pneumonie, bakt. Pneumonie, Enzephalitis, atyp. mykobakterielle Infekt., Zytomegalovirus-Infekt., bakt. Arthritis. Sehr selten: Tuberkulose d. ZNS, KryptokokkenMeningitis, Mycobakterium-avium-Komplex-Infekt. Häuf. nicht bekannt: Arzneim.-Überempfindlichk., Angioödem, Urtikaria. Folgende schwere Infekt. können ebenf. auftr.: Appendizitis, Infekt. m. Cryptococcus, Histoplasmose, ösophageale Candidose, Cytomegalievirus, BK-Virus-Infekt., Listeriose und Coccidioidomykose. Erhöhung der Lipidparameter enth. Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride. Außerdem bei Filmtbl. bei CU-Pat.: Verschlecht. d. CU . Warnhinweise: Filmtbl.: Enth. Lactose. Packungsbeilage beachten Retardtbl.: Enth. Sorbitol (Ph.Eur.) (E 420). Packungsbeilage beachten. Weitere Informationen s. Fach- u. Gebrauchsinformation. Abgabestatus: Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Pfizer Europe MA EEIG, Boulevard de la Plaine 17, 1050 Brüssel, Belgien. Repräsentant in Deutschland: PFIZER PHARMA GmbH, Linkstr. 10, 10785 Berlin. Stand: Januar 2020 b-9v1xj-0-0

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

E

in metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom (mHSPC) liegt vor, wenn mindestens eine Fernmetastase in der Bildgebung nachgewiesen wurde und der Tumor noch auf eine konventionelle antihormonelle Therapie (Androgendeprivationstherapie, ADT) anspricht [1]. Dies kann auf Patienten zutreffen, deren Tumor bei Erstdiagnose bereits metastasiert ist und die zu diesem Zeitpunkt noch nicht systemisch vorbehandelt sind, aber auch auf Patienten, deren Tumor in einem früheren Stadium erkannt und ggf. auch bereits behandelt wurde, im weiteren Krankheitsverlauf jedoch metastasiert ist. Letztere haben dann entweder noch keine ADT erhalten oder sie sind mit einer ADT vorbehandelt, der Tumor hat jedoch noch keine Resistenz gegenüber der Behandlung entwickelt und ist daher weiterhin „hormonsensitiv“. Bisherige Therapie des mHSPC und Unmet Medical Need

Die ADT stellte jahrzehntelang die Primärtherapie des mHSPC dar. Trotz eines initial häufig guten Ansprechens und anhaltenden Testosteronwerten auf Kastrationsniveau erleiden Patienten mit mHSPC unter alleiniger ADT jedoch im Median innerhalb von 2 – 3 Jahren einen Progress zum metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC), wodurch sich ihre Prognose erheblich verschlechtert [1, 2]. Basierend auf den Studien CHAARTED [3] und STAMPEDE [4] erfolgte 2015/2016 ein Paradigmenwechsel hin zum Einsatz einer kombinierten Chemohormontherapie, bestehend aus Docetaxel und einer ADT, die für diese Indikation auch zugelassen ist [5]. Denn in

Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom: Apalutamid plus ADT schließt therapeutische Lücke beiden Studien verlängerte Docetaxel/ADT gegenüber alleiniger ADT das Gesamtüberleben signifikant. Das mediane Überleben lag in der CHAARTED-Studie bei 57,6 vs. 44,0 Monaten (HR: 0,61; p < 0,001) und in der STAMPEDEStudie bei 59,1 vs. 43,1 Monaten (HR: 0,81; p = 0,009). In den Studien traten jedoch teils schwere Nebenwirkungen auf, wie Neuropathien oder höhergradige febrile Neutropenien, die für Docetaxel anscheinend typisch sind [3, 4]. Dies kann insofern problematisch sein, weil die Patienten mit Prostatakarzinom häufig ein fortgeschrittenes Alter bzw. einen durch Komorbiditäten und Vorerkrankungen bedingten, eingeschränkten Gesundheitszustand haben. Daher empfiehlt die deutsche S3Leitlinie diese Option für Patienten in gutem Allgemeinzustand (ECOG 0-1) mit metastasiertem (M1) HSPC [6]. Die Suche nach einer Alternative zur Chemotherapie, gegen die viele Patienten aufgrund der Nebenwirkungen Vorbehalte haben, führte zur Zulassung von Abirateron plus Prednison/Prednisolon (Abirateron/P) als ergänzende orale antihormonelle Therapie zur ADT [7]. Die Zulassungserweiterung basiert auf den Daten der

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LATITUDE-Studie, in der ebenfalls ein Überlebensvorteil im Vergleich zur alleinigen ADT bei Patienten mit mHSPC nachgewiesen wurde (53,3 vs. 36,5 Monate; HR: 0,66; p < 0,0001) [8]. Allerdings dürfen die Patienten, die für eine Behandlung mit Abirateron/P infrage kommen, nicht vorbehandelt sein und müssen gemäß den LATITUDEEinschlusskriterien mindestens 2 der 3 folgenden Risikofaktoren aufweisen: Gleason-Score ≥8, ≥3 Knochenläsionen, mindestens eine Viszeralmetastase [8]. Dies schränkt die Behandlung erheblich ein – für Patienten mit niedrigem Risiko sowie systemischer, operativer oder strahlentherapeutischer Vortherapie steht die Abirateron/P-Therapie im Rahmen der Zulassung nicht zur Verfügung [7]. Diese therapeutische Lücke lässt sich nun mit Apalutamid (Erleada®) schließen. Der orale Androgenrezeptor-Inhibitor, der bereits zur Behandlung des nicht metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (nmCRPC) mit hohem Metastasierungsrisiko zugelassen ist, erhielt Ende Januar 2020 die entsprechende Indikationserweiterung und kann seither in Kombination mit einer ADT bei allen mHSPC-Patienten zum Einsatz kommen – eine vorherige Stratifi© VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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zierung nach Vorbehandlung oder Risiko ist nicht erforderlich [8, 9]. Signifikante Überlegenheit von Apalutamid/ADT versus alleiniger ADT

In der zulassungsrelevanten prospektiven, doppelblinden Phase-IIIStudie TITAN, in die ein breites Spektrum an mHSPC-Patienten (n = 1052) einbezogen wurde, verlängerte Apalutamid plus ADT im Vergleich zu Placebo plus ADT das Gesamtüberleben (dual-primärer Endpunkt) signifikant: Das Risiko zu versterben wurde um 33 % reduziert (Median in beiden Armen noch nicht erreicht [NR]; HR: 0,67; 95%-KI: 0,51 – 0,89; p = 0,005) (Abb. 1) [10]. Die 2-Jahres-Überlebensrate betrug nach einem medianen Followup von 22,7 Monaten im Verumarm 82,4 % und im Placebo-Arm 73,5 %. Demnach war nach knapp 2 Jahren unter alleiniger ADT mehr als ein Viertel der Patienten verstorben – dies zeigt erneut, dass eine alleinige ADT beim mHSPC nicht ausreicht. Beim zweiten dual-primären Endpunkt, dem radiografisch progressionsfreien Überleben (rPFS), ergab sich ebenfalls ein signifikanter Vorteil von Apalutamid plus ADT gegenüber Placebo plus ADT: Das Risiko, einen radiografischen Progress zu erleiden oder zu versterben, war um 52 % reduziert (Median NR vs. 22,1 Monate; HR: 0,48; 95%-KI: 0,39 – 0,60; p < 0,001) (Abb. 2) [10]. Auch beim sekundären Endpunkt, der Zeit bis zum Beginn der Chemotherapie, erzielte Apalutamid im Vergleich zu Placebo (jeweils plus ADT) ein signifikant besseres Ergebnis (Median NE vs. NE; HR: 0,39; 95%-KI: 0,27 – 0,56;

Abbildung 1: Ergebnis der TITAN-Studie für den dual-primären Endpunkt Gesamtüberleben [10].

Abbildung 2: Ergebnis der TITAN-Studie für den dual-primären Endpunkt radiografisch progressionsfreies Überleben (rPFS) [10].

p < 0,001) [10]. Da die Auswertung hierarchisch erfolgte und der Unterschied zwischen beiden Armen beim nächsten Endpunkt, der Zeit bis zur Schmerzprogression, zum Zeitpunkt der zulassungsrelevanten Interimsanalyse noch nicht signifikant war (Median NE vs. NE; HR: 0,83; 95%-KI: 0,65 – 1,05; p = 0,12), wurden die übrigen sekundären Endpunkte bislang noch nicht ausgewertet [10]. Beim explorativen Endpunkt, der Zeit bis zum Progress des PSA-

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Werts (prostataspezifisches Antigen), zeigte sich ebenfalls eine Überlegenheit im Verumarm (Median NR vs. 12,9 Monate; HR: 0,26; 95%-KI: 0,21 – 0,32; p < 0,0001) [10, 11]. Günstiges Verträglichkeitsprofil

Die in der TITAN-Studie unter der Apalutamid-Therapie auftretenden Nebenwirkungen waren meist mild (Grad 1 und 2) und © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

unterschieden sich in den beiden Studiengruppen nicht wesentlich [10]. Grad-3/4-Nebenwirkungen wurden in beiden Armen nahezu gleich häufig beobachtet (42,2 % vs. 40,8 %). Die häufigsten Grad≥3-Nebenwirkungen, die unter Apalutamid/ADT öfter auftraten als unter Placebo/ADT, waren Hautausschläge (6,3 % vs. 0,6 %). Diese waren aber in der Regel gut behandelbar und bildeten sich meist wieder zurück. Die Rate an Therapieabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen lag im Apalutamid-Arm bei 8,0 % und im Placebo-Arm bei 5,3 % (je plus ADT) [10]. Positive Effekte auf die Wirksamkeit der Folgetherapie

Eine Besonderheit der TITAN-Studie waren die Biomarker-Analysen sowie die Berücksichtigung des relativ neuen Studienendpunkts progressionsfreies Überleben über 2 Therapielinien (PFS2, explorativer Endpunkt). Da unter der antihormonellen Therapie des Prostatakarzinoms Resistenzen auftreten können, die deren Wirksamkeit sowie ggf. auch die Wirksamkeit der Folgetherapie beeinflussen, wurden in der Biomarker-Analyse typische Veränderungen am An­ drogenrezeptor (AR) erfasst, die zu einer Resistenzentwicklung führen können [12]. PFS2 ist ein Parameter, in den die Wirksamkeit der ersten Folgetherapie im mCRPC einfließt [10]. Wie die Biomarker-Analyse ergab, traten unter Apalutamid plus ADT signifikant weniger Veränderungen des AR auf als unter Placebo plus ADT [12]. Zu Studienbeginn zeigte sich noch kein Unterschied beim Anteil der Patienten mit entsprechenden AR-Aberrationen (20 %

Apalutamid Apalutamid (Erleada®) ist ein oral verabreichter Inhibitor des An­ drogenrezeptors (AR), der auf mehreren Ebenen in die Androgen­ signalkaskade eingreift: Er blockiert das Andocken von Andro­ genen an den AR, unterbindet die Translokation des AR in den Zellkern, verhindert die Bindung des AR an die DNA sowie die ARvermittelte Transkription und zeigt keine agonistische Aktivität am AR. Die Behandlung mit Apalutamid vermindert die Proliferation der Tumorzellen und steigert die Apoptose, wodurch es zu einer ausgeprägten antitumoralen Aktivität kommt [8].

vs. 23 %; Biomarker-Population n = 265). Am Ende der Studienbehandlung war zwar der Anteil der Patienten mit AR-Veränderungen in beiden Studienarmen gestiegen, dennoch hatten im Apalutamid/ ADT-Arm signifikant weniger Patienten AR-Aberrationen als im Placebo/ADT-Arm (48 % vs. 67 %; p = 0,041) [12]. Die geringere Rate von AR-Veränderungen unter der Apalutamid-Therapie hat möglicherweise dazu beigetragen, dass der Vorteil der Verumgruppe auch unter der Folgetherapie, d.h. beim explorativen Endpunkt PFS2, erhalten blieb: Nach Gabe von Apalutamid/ADT vs. Placebo/ADT beim mHSPC war das PFS2, d.h. die Zeit von der Randomisierung bis zum Progress oder Tod unter der nachfolgenden Erstlinientherapie des mCRPC, signifikant länger (Median NR vs. NR; HR: 0,66; 95%-KI: 0,50 – 0,87; p = 0,0026) [10, 11]. In der Sequenz erhielt jeweils etwa ein Drittel bis ein Viertel der Studienteilnehmer eine Chemotherapie mit Docetaxel bzw. eine antihormonelle Therapie mit Abirateron/P als erste Folgetherapie [12]. Eine aktuelle Posthoc-Analyse der TITAN-Studie zeigt einen signifikanten PFS2Vorteil nach Gabe von Apalutamid/ADT vs. Placebo/ADT beim mHSPC sowohl in der Gruppe mit einer lebensverlängernden Hor-

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montherapie (HR: 0,684; 95%KI: 0,482 – 0,971; p = 0,0326) als auch in der Gruppe mit einer Chemotherapie (HR: 0,634; 95%-KI: 0,456 – 0,881; p = 0,0062) als erster Folgetherapie [13]. Fazit

Der oral zu verabreichende Androgenrezeptor-Inhibitor Apalutamid (Erleada®) ist in Kombination mit einer ADT eine gut wirksame und gut verträgliche Option für Patienten mit mHSPC. Da im Gegensatz zur Therapie mit Docetaxel plus ADT oder Abirateron/P plus ADT keine vorherige Stratifizierung nach Vorbehandlung und Risiko erforderlich ist, kann Apalutamid plus ADT bei der gesamten Patientenpopulation – unter Berücksichtigung von Kontraindikationen und Warnhinweisen – zum Einsatz kommen, die Behandlung kann deutlich schneller begonnen werden und zusätzliche Kontrolluntersuchungen sind nicht erforderlich. Für die Sequenztherapie von Vorteil ist, dass dem behandelnden Arzt nach Erstbehandlung des mHSPC mit Apalutamid/ADT bei einer Progression zum mCRPC das gesamte Spektrum an möglichen mCRPC-Folgetherapien zur Verfügung bleibt, während die Ersttherapie mit Docetaxel plus ADT © VERLAG PERFUSION GMBH


WISSENSWERTES

oder Abirateron/P plus ADT die Auswahl an Optionen für die Folgetherapie deutlich einschränkt. Brigitte Söllner, Erlangen

Otsuka Team Award Psychiatry+ 2020 Bereits das dritte Jahr in Folge schreibt die Otsuka Pharma GmbH den Otsuka Team Award Psychiatry+ in Höhe von 20.000 € aus. Ziel ist es, die teamübergreifende Behandlung psychisch erkrankter Patienten in der Praxis zu fördern und zukunftsweisende Konzepte weiterzuentwickeln. Wer kann sich bewerben?

Literatur 1 Scher HI et al. PLoS One 2015;10: e0139440 2 Harris WP et al. Nat Clin Pract Urol 2009;6:76-85 3 Sweeney CJ et al. N Engl J Med 2015; 373:737-746 4 James ND et al. Lancet 2016;387:11631177 5 Fachinformation Taxotere®; Stand: November 2019 6 Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Version 5.1 – Mai 2019. AWMF-Registernummer: 043/022OL 7 Fachinformation Zytiga®; Stand: Februar 2019 8 Fachinformation Erleada®; Stand: Februar 2020 9 Fizazi K et al. N Engl J Med 2017;377: 352-360 10 Chi KN et al. N Engl J Med 2019;381:1324 11 Chi KN et al. J Clin Oncol 2019;37 (Suppl 15): Abstract 5006 & Oral Abstract Session. ASCO Annual Meeting 2019 12 Chi KN et al. Ann Oncol 2019; 30 (Suppl. 5): Abstract 883P & Poster Presentation. European Society for Medical Oncology (ESMO) Annual Conference 2019 13 Agarwal N et al. J Clin Oncol 2020; 38 (Suppl 6): Abstr 82 & Oral Presentation. GU ASCO 2020

Otsuka ruft alle Teams aus Kliniken, klinischen Einrichtungen und Praxen auf, ihre erprobten interdisziplinären und interprofessionellen Behandlungskonzepte, die zu einer messbaren Verbesserung der Patientenversorgung führen, einzureichen. Voraussetzung ist, dass die Teams aus mindestens zwei Berufsgruppen und einem klinisch tätigen Neurologen/Psychiater bestehen. Der Preis dient als Förderpreis und soll für den Ausbau der multiprofessionellen Zusammenarbeit eingesetzt werden. Die Jury

Unter dem Vorsitz von Professor Peter Falkai, Klinikum der Universität München, bewertet eine hochkarätige, interdisziplinäre Jury die eingereichten Projekte. Der Preis wird alljährlich im Rahmen der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. in Berlin verliehen. Ihre Bewerbung

Unter team-award@otsuka.de reichen Interessenten bitte bis zum 30.06.2020 ihre Bewerbung bestehend aus Motivationsschreiben, Zusammenfassung der wissen-

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schaftlichen Untersuchung oder Veröffentlichung, Lebenslauf und einer aktuellen Publikationsliste ein. Weitere Informationen finden Sie unter: www.otsuka-europe. com/de/team-award-psychiatrie S. M.

Eltrombopag jetzt auch als Suspension für die ITPTherapie verfügbar Die Immunthrombozytopenie (ITP; Morbus Werlhof) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich Autoantikörper gegen Thrombozyten bilden, die dazu führen, dass diese vermehrt abgebaut werden. Zudem kann es zu einer Störung der Thrombozytopoese kommen. Das klinische Bild ist demzufolge durch verstärkte Blutungsneigung bzw. Blutungen charakterisiert. Der Thrombopoetin-RezeptorAgonist (TPO-RA) Eltrombopag (Revolade®) interagiert mit der Transmembran-Domäne des Thrombopoetin-Rezeptors und kann dadurch die Proliferation und Differenzierung von Megakaryozyten aus Knochenmark-Vorläuferzellen stimulieren. Eltrombopag ist als Zweitlinientherapie bei primärer Immunthrombozytopenie indiziert, wenn diese 6 Monate oder länger nach Diagnosestellung andauert und die Patienten gegenüber anderen Therapien (z.B. Kortikosteroiden oder Immunglobulinen) refraktär sind. Zusätzlich zur bisher erhältlichen Filmtablette ist Eltrombopag seit dem 17. Februar 2020 auch als Pulver zur Herstellung einer Suspension verfügbar. Die neue Darreichungsform kann vor allem Kindern und Personen mit Schluckbeschwerden die Einnahme erleichtern. S. M. © VERLAG PERFUSION GMBH


AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

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Biologika-Therapie bei Colitis ulcerosa

P

rimäre Ziele der Colitis-ulcerosa-Therapie sind das rasche Erreichen einer klinischen Remission und die Bewahrung einer langfristigen steroidfreien klinischen und endoskopischen Remission. Die Wahl und die Dauer der geeigneten Schub- und Erhaltungstherapie hängen in erster Linie von der Erkrankungsausbreitung, dem Erkrankungsverlauf (Häufigkeit und Schweregrad der Erkrankungsschübe), dem Ansprechen auf vorangegangene Therapien und den Therapienebenwirkungen ab. Für die Behandlung stehen etablierte Arzneistoffe wie Mesalazin, Steroide und Immunsuppressiva sowie neue Therapieansätze mit Biologika zur Verfügung (Tab. 1) [1]. Wertvolle Erkenntnisse, die die Ärzte bei der Entscheidung unterstützen können, welche BiologikaTherapie bei Patienten mit Colitis ulcerosa eingesetzt werden soll, liefern die Ergebnisse der PhaseIIIb-Studie VARSITY, die die Wirksamkeit von Vedolizumab intravenös im Vergleich zu Adalimumab subkutan bei mittelschwer bis schwer aktiver Colitis ulcerosa untersuchte [2]. Wirkprinzip von Vedolizumab

Der Integrin-Antikörper Vedolizumab (Entyvio®) ist seit 2014 zur Behandlung von Patienten mit mit-

telschweren bis schweren aktiven Formen der Colitis ulcerosa zu­ gelassen, bei denen konventionel­le Therapien wie Kortikosteroide und Immunmodulatoren wie Azathioprin oder TNFα-Antagonisten versagt haben, die darauf nur unzureichend ansprechen oder bei denen eine Unverträglichkeit vorliegt [3]. Im Therapiealgorithmus der Colitis ulcerosa stellt Vedolizumab die einzige Therapie dar, die darmselektiv wirkt und bei der keine systemische immunsuppressive Aktivität nachgewiesen wurde. Dies beruht darauf, dass Vedolizumab gezielt das zelluläre Adhäsionsmolekül α4β7-Integrin auf der Oberfläche von Lymphozyten blockiert und dadurch verhindert, dass Lymphozyten in die Darmwand einwandern, wo sie die chronische Entzündung aufrechterhalten. Daher wird Vedolizumab in den S3-Leitlinien Colitis ulcerosa der DGVS für bestimmte Patienten als First-Line-Biologikum empfohlen [1]. Wirkstoffgruppen Aminosalicylate Steroide Immunsuppressiva TNFα-Antikörper

Integrin-Antikörper Januskinase-Inhibitor

Head-to-Head-Studie unterstreicht Nutzen von Vedolizumab versus Adalimumab

VARSITY ist die erste Head-toHead-Studie mit direktem Vergleich zweier Biologika-Therapien bei Colitis ulcerosa [2]. Die eingeschlossenen 769 Patienten wurden in 2 Behandlungsgruppen randomisiert: Vedolizumab i.v. und Placebo s.c. (n = 383) oder Adalimumab s.c. und Placebo i.v. (n = 386). Die Patienten der Vedolizumab-Gruppe erhielten 300 mg Vedolizumab i.v. in Woche 0, 2, 6 und anschließend alle 8 Wochen bis Woche 46. Dazu bekamen sie Placebo s.c. in Woche 0 und dann alle 2 Wochen bis in Woche 50. Die Patienten der Adalimumab-Gruppe erhielten 160 mg Adalimumab s.c. in Woche 0, dann 80 mg in Woche 2 und anschließend 40 mg alle 2 Wochen bis Woche 50, dazu Placebo i.v. in Woche 0, 2 und 6, danach 8-wöchentlich bis Woche 46. Primärer Endpunkt war die klinische Remission in Woche 52, sekundäre

Beispiele

Mesalazin, Sulfasalazin Prednisolon, Prednison, Budesonid Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin, Tacrolimus Infliximab (intravenös), Adalimumab (subkutan), Golimumab (subkutan) Vedolizumab (intravenös) Tofacitinib (oral)

Tabelle 1: Optionen für die medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa.

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

Adalimumab 40 mg s.c. alle 2 Wochen

60

∆ = 8,8 Prozentpunkte (95 %-KI: 2,5 bis 15,0) p=0,006

40 20

31,3 % 22,5 %

100 80 60 40

100 ∆ = 11,9 Prozentpunkte (95 %-KI: 5,3 bis 18,5) p<0,001 39,7 % 27,7 %

20

0 n = 383

60

Kortikosteroidfreie klinische Remission* ∆ = 9,3 Prozentpunkte (95 %-KI: -18,9 bis 0,4) n.s.

40 20

0 n = 386

80

Patienten (%)

Patienten (%)

80

Endoskopische Besserung

Patienten (%)

100

Klinische Remission (primärer Endpunkt)

Vedolizumab 300 mg i.v. alle 8 Wochen

21,8 % 12,6 %

0 n = 386

n = 383

n = 119

n = 111

Abbildung 1: Ergebnisse der VARSITY-Studie: Hinsichtlich der klinischen Remission und der endoskopischen Besserung (Mukosaheilung) erwies sich der Integrin-Antikörper Vedolizumab (Entyvio®) dem TNFα-Blocker als überlegen [2]. * Untergruppe der Patienten mit Kortiko­ steroidbedarf bei Baseline.

Endpunkte waren die Mukosaheilung (endoskopische Verbesserung) und die kortikosteroidfreie Remission – definiert als Patienten, die zu Studienbeginn (Woche 0) orale Kortikosteroide einnahmen, diese absetzten und sich in Woche 52 in klinischer Remission befanden. Beim Erreichen des primären Endpunkts erwies sich Vedolizumab gegenüber Adalimumab als signifikant besser wirksam: Eine klinische Remission in Woche 52 erreichten mit 31,3 % signifikant mehr Vedolizumab-Patienten im Vergleich zu 22,5 % der Adalimumab-Patienten (p = 0,006) [2]. Außerdem kam es unter Vedolizumab signifikant häufiger zur Mukosaheilung als unter Adalimumab (39,7 % vs. 27,7 %; p < 0,001). Dagegen erreichten mit 21,8 % versus 12,5 % mehr mit Adalimumab behandelte Patienten eine kortikosteroidfreie Remission (Abb. 1) [2]. In VARSITY wurde außerdem eine explorative Analyse durchgeführt, um das klinische Ansprechen sowie das Fehlen einer histologischen Krankheitsaktivität

unter Vedolizumab im Vergleich zur Adalimumab-Therapie zu evaluieren: 67,1 % der Patienten, die Vedolizumab erhielten, zeigten in Woche 14 ein klinischen Ansprechen im Vergleich zu 45,9 % der Adalimumab-Patienten. Bereits ab Woche 6 wurden numerisch höhere Ansprechraten unter Vedolizumab beobachtet [4]. Außerdem wurde bei einem signifikant höheren Anteil der Vedolizumab-Patienten im Vergleich zu Adalimumab in Woche 52 das Fehlen einer histologischen Krankheitsaktivität nachgewiesen – sowohl anhand des Geboes-Scores (33,4 % vs. 13,7 %) als auch des Robarts-Histopathologie-Index (42,3 % vs. 25,6 %) [2]. Weitere explorative Ergebnisse ergaben für die Vedolizumab-Gruppe einen höheren medianen Rückgang des oralen Kortikosteroidverbrauchs von Baseline bis Woche 52 als für die Adalimumab-Gruppe (–10,0 mg vs. –7,0 mg) sowie eine Verbesserung der Lebensqualität unter der Vedolizumab-Behandlung: 52,0 % der VedolizumabPatienten gegenüber 42,2 % der Adalimumab-Gruppe berichteten

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eine Verbesserung um mindestens 16 Punkte von Baseline bis Woche 52 im Gesamt-IBDQ-Score (Inflammatory Bowel Disease Questionnaire) [2]. Obwohl die Studie nicht zum Vergleich der Sicherheit der beiden Biologika angelegt war, kam es bei den mit Vedolizumab behandelten Patienten über 52 Wochen seltener zu unerwünschten Ereignissen als in der AdalimumabGruppe (62,7 % vs. 69,2 %). Auch schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten unter Vedolizumab seltener auf als unter Adalimumab (11,0 % vs. 13,7 %). Behandlungsabbrüche aufgrund unerwünschter Ereignisse waren in beiden Gruppen vergleichbar [2]. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Kucharzik T et al. Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa. Z Gastroenterol 2019;57:1321-1405 2 Sands B et al. N Engl J Med 2019;381: 1215-1226 3 Fachinformation Entyvio®; Stand: Februar 2019 4 Sands B et al. Gastroenterology 2019;156 (6-Supplement 1):S-81 © VERLAG PERFUSION GMBH


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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

F

ür die Erstlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms (mCRC) steht mit dem FOLFOXIRI-Regime ein sehr aktives Triplett zur Verfügung. Durch zusätzliche Gabe des Anti-EGFR-Antikörpers Panitumumab (Vectibix®) kann dessen Wirksamkeit noch weiter gesteigert werden, wie die Ergebnisse der VOLFI-Studie belegen, die auf der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) präsentiert [1] und im Journal of Clinical Oncology publiziert wurden [2]. Sie zeigen, dass die intensive Erstlinientherapie mit mFOLFOXIRI plus Panitumumab für fitte Patienten mit hohem Remissionsdruck, hoher Tumorlast und schwerer Symptomatik sowie für Patienten mit der Chance auf eine Resektion initial inoperabler Metastasen eine vielversprechende, wichtige Option darstellt. Höhere Ansprechrate, raschere Tumorschrumpfung und mehr Remissionen

Die Phase-II-Studie VOLFI schloss 96 initial nicht resektable mCRCPatienten mit RAS-Wildtyp ein, die im Verhältnis 2 : 1 einem modifizierten FOLFOXIRI-Regime* plus Panitumumab (n = 63) oder der Chemotherapie mit FOLFOXIRI allein (n = 33) zugeteilt wurden. Die Dreifach-Chemotherapie in Kombination mit Panitumumab ist gut durchführbar, wenn Irinotecan und 5-Fluorouracil (5-FU) dosisreduziert werden. * mFOLFOXIRI: FOL = Leucoverin 200 mg/m2, F = 5-FU 3000 mg/m2, OX = Oxaliplatin 85 mg/m2, IRI = Irinotecan 150 mg/m2 vgl. FOLFOXIRI: FOL = Leucoverin 200 mg/m2, F = 5-FU 3200 mg/m2, OX = Oxaliplatin 85 mg/m2, IRI = Irinotecan 165 mg/m2

Metastasiertes kolorektales Karzinom: Hohe Remissionsraten unter mFOLFOXIRI plus Panitumumab Durch die zusätzliche Gabe von Panitumumab (6 mg/kg 1 × alle 2 Wochen) zur Chemotherapie wurde die objektive Ansprechrate (primärer Endpunkt) laut Auswertung durch die Prüfärzte signifikant von 60,6% unter FOLFOXIRI auf 87,3% unter mFOLFOXIRI plus Panitumumab verbessert (p = 0,02). Dieses Ergebnis wurde durch den zentralen radiologischen Review bestätigt (89,3 % vs. 66,7 %; p = 0,004). Außerdem führte die Panitumumab-Addition bei einem höheren Anteil von Patienten zu einer raschen Tumorschrumpfung (85,7 % vs. 60,0 %; p = 0,01) und zu tieferen Remissionen (58,9 % vs. 40,9 %; p=0,004). Größere Chance auf sekundäre Metastasenresektion und besseres Gesamtüberleben

Ein wichtiges Ergebnis der VOLFI-Studie ist die hohe Rate sekundärer Resektionen, die durch die zusätzliche Antikörper-Gabe erreicht wurde: In der vorab definierten Kohorte 2, das heißt bei initial inoperablen Patienten mit Chance auf eine sekundäre Metastasenresektion, war im PanitumumabArm bei 75 % der Teilnehmer eine sekundäre Resektion möglich. Im FOLFOXIRI-Arm gelang eine se-

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kundäre Resektion bei 36,4 % der Patienten (Tab. 1). Die hohe Effektivität des Panitumumab-Regimes resultierte in dieser Kohorte zudem in einer tendenziellen Verlängerung des Gesamtüberlebens auf median 52 Monate (FOLFOXIRI: 41,7 Monate; p = 0,07). Die VOLFI-Studie ist damit als weiterer Beleg für die gute Wirksamkeit von Panitumumab-Regimen beim mCRC mit RAS-Wildtyp zu werten, wie zuvor bereits die Studien PRIME und PEAK bei Kombination des Antikörpers mit FOLFOX sowie PLANET bei Kombination mit FOLFIRI [3, 4, 5]. Positive Ergebnisse zur Panitumumab-basierten Erhaltungstherapie

Angesichts der deutlich verlängerten Lebenserwartung (mediane Gesamtüberlebenszeiten von >40 Monaten) von mCRC-Patienten stehen mittlerweile neue Aspekte im Fokus der klinischen Forschung: So wird untersucht, ob man den Therapieerfolg nach eingeleiteter Remission auch mit deeskalierten und daher besser verträglichen Maintenance-Therapien erhalten kann. Dies ist für die Patienten relevant, weil z.B. Oxaliplatin wegen seiner kumulativen Polyneuropa© VERLAG PERFUSION GMBH


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Rate sekundärer Metastasenresektionen ITT (n = 96) R0 R1 Rx Kohorte 2 (n = 31) R0 R1 Rx

mFOLFOXIRI + Panitumumab (%) 21 (33,3 %) 62 % 19 % 19 % 15 (75 %) 60 % 27 % 13 %

FOLFOXIRI (%) 4 (12,1 %) 75 % 25 %

OR = 3,63 (1,13 – 11,67) p = 0,029 4 (36,4 %) 75 % 25 % OR = 5,25 (1,07 – 25,8) p = 0,056

Tabelle 1: Bei allen Patienten (ITT), insbesondere aber bei den potenziell resektablen Patienten (Kohorte 2), erhöhte sich die Chance auf eine sekundäre Metastasen-Resektion durch die zusätzliche Gabe von Panitumumab zu mFOLFOXIRI [1, 2].

Panitumumab Panitumumab (Vectibix®) ist der erste vollhumane monoklonale Antikörper zur Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzi­ noms (mCRC). Der Antikörper richtet sich gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR), ein Protein, das eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Signalen spielt, die das unkontrol­ lierte Wachstum in Tumorzellen induzieren. Maßgeblich beteiligt an der Kontrolle der Signalübertragung sind die RAS-Protoonko­ gene KRAS und NRAS. Liegt ein KRAS/NRAS-Wildtyp, kurz RASWildtyp, vor, so kann der EGFR-Signalweg durch Panitumumab blockiert werden. Dann unterbleibt die Weiterleitung des Wachs­ tumssignals bis in den Zellkern. Ist jedoch eine Mutation des RASGens aufgetreten, so spricht der Signalweg nicht auf die Blockade des EGFR an, unabhängig davon, ob dieser aktiviert oder thera­ peutisch inhibiert wurde. Panitumumab ist indiziert zur Behandlung von erwachsenen mCRC-Patienten mit RAS-Wildtyp: • in der Erstlinientherapie in Kombination mit FOLFOX oder FOLFI­ RI • in der Zweitlinientherapie in Kombination mit FOLFIRI bei Pati­ enten, die in der Erstlinientherapie eine Fluoropyrimidin-haltige Chemotherapie erhalten haben (ausgenommen Irinotecan). • als Monotherapie nach Versagen von Fluoropyrimidin-, Oxalipla­ tin- und Irinotecan-haltigen Chemotherapieregimen [10].

thie zeitlich limitiert angewendet werden sollte. Die Phase-II-Studie SAPPHIRE hat bereits deutlich gemacht, dass die deeskalierte Erhaltungstherapie mit 5-FU/Leukovorin (LV) plus Panitumumab unter Verzicht auf Oxaliplatin ebenso wirksam ist wie die Weiterführung

der Therapie mit Panitumumab plus mFOLFOX [6]. Die Effektivität von Panitumumab/5-FU/LV zur Erhaltung wurde in der Phase-II-Studie VALENTINO untermauert [7]. Derzeit läuft die PanaMa-Studie der AIO, in der 5-FU/LV plus Panitumumab mit der alleinigen Gabe

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von 5-FU/LV nach Induktion mit FOLFOX plus Panitumumab verglichen wird [8]. Therapeutische Herausforderung: KRAS-mutierte Tumoren

Tumoren mit mutiertem KRASRezeptor stellen bislang ein therapeutisches Problem dar, spezifische Substanzen stehen hier nicht zur Verfügung. Mit AMG 510 wird derzeit ein neues Wirkprinzip beim KRAS-mutierten mCRC und NSCLC geprüft. Es ist der erste KRASG12C-Inhibitor, der gezielt an der G12C-Alteration im KRASProtein ansetzt, die sich bei rund 3 % der CRC und 13 % aller Lungenkarzinome findet. Die niedermolekulare Substanz führt zur irreversiblen Hemmung des mutierten KRAS, indem es die Bindung von GTP verhindert, sodass das Protein im inaktiven Zustand verharrt [9]. Entsprechen könnte sie einen neuen Ansatz im Rahmen der zielgerichteten Therapie des mCRC ermöglichen. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Geissler M et al. Oncol Res Treat 2019;42(Suppl 4): Vortrag und Abstr. V253 2 Modest DP et al. J Clin Oncol 2019;37: 3401-3411 3 Douillard JY et al. J Clin Oncol 2010;28: 4697-4705 4 Schwartzberg LS et al. J Clin Oncol 2014;32:2240-2247 5 Abad A et al. J Clin Oncol 2014;32 (Suppl):Abstr. 3590 6 Nakamura M et al. J Clin Oncol 2018;36 (Suppl 4S): Poster und Abstr. 729 7 Pietrantonio F et al. J Clin Oncol 2018;36 (Suppl 4S): Vortrag und Abstr. 3505 8 ClinicalTrials.gov identifier: NCT01991 873 9 Ryan MB et al. Nat Rev Clin Oncol 2018 15:709-720 10 Fachinformation Vectibix®; Stand: September 2019 © VERLAG PERFUSION GMBH


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N

ach einer Organtransplantation erhalten die Patienten eine immunsuppressive Therapie, um die Abstoßung des körperfremden Gewebes zu verhindern. Der Calcineurininhibitor Tacrolimus gehört leitliniengemäß zur Standardmedikation. Die intra- und interindividuelle Variabilität von Tacrolimus stellt jedoch eine klinische Herausforderung dar, da die Balance zwischen optimaler Wirksamkeit und guter Verträglichkeit gefunden werden muss. Aufgrund der durch die MeltDose®-Technologie veränderten Galenik stellt das retardierte Tacrolimus-Präparat Envarsus® hier eine gut zu handhabende Behandlungsoption dar. Fast und Slow Metabolizer

Tacrolimus ist sehr effektiv in der Verhinderung von Abstoßungsreaktionen, aber nicht einfach in der Handhabung. Denn durch eine ausgeprägte inter- und intraindividuelle Variabilität ist es sehr schwierig, den notwendigen Zielspiegel zu erreichen. Unter den Patienten gibt es unterschiedliche Metabolisierungstypen: Die sogenannten Fast Metabolizer benötigen hohe Tacrolimus-Dosen für das Erreichen des Zielspiegels, während bei den Slow Metabolizern eine geringere Dosis ausreichend ist [1]. Jedoch lässt sich vor der Therapie nicht feststellen, welche Menge Tacrolimus ein bestimmter Patient benötigt, um den idealen Wirkspiegel zu erzielen. Zudem beeinflussen viele veränderbare, aber auch unveränderbare Faktoren die Pharmakokinetik dieses immunsuppressiven Medikaments. Dazu gehören unter anderem Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI) und genetische Faktoren [2]. Diese

Immunsuppression nach Leber- und Nierentransplantation: Innovative TacrolimusFormulierung verbessert Outcome Faktoren sind zwar bekannt, haben jedoch bislang keinen Einzug in den klinischen Alltag gehalten, weil sie entweder von untergeordneter Bedeutung sind, da sie sich laufend ändern, oder weil die Analyse dieser Faktoren zu kostspielig ist. C/D-Ratio – einfach und praktikabel für den klinischen Alltag

Auf der Suche nach einem einfachen Verfahren zur Stratifizierung der Patienten wurde die C/D-Ratio entwickelt. Dieser Quotient aus Tacrolimus-Talspiegel und täglicher Dosis hat sich im klinischen Alltag etabliert. Am stabilsten ist die C/D-Ratio allerdings erst ab dem 3. Monat nach Transplantation, sodass ihre Berechnung erst zu diesem Zeitpunkt sinnvoll ist. Patienten, die eine C/D-Radio <1 haben, metabolisieren Tacrolimus schnell, Patienten mit einer C/DRatio >1 haben einen eher langsamen Tacrolimus-Metabolismus. Eine aktuell veröffentliche Studie [3] zeigt, dass Fast Metabolizer während der ersten beiden Jahre nach Nierentransplantation unter einer signifikant schlechteren Nierenfunktion leiden. Datenaus-

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wertungen von Nieren- und Lebertransplantierten an der Universitätsklinik Münster kamen zu einem ähnlichen Ergebnis [4, 5]. Außerdem sind Patienten, die Tacrolimus schnell metabolisieren, häufiger von einer Abstoßungsreaktion des Transplantats betroffen, ihr Transplantatüberleben verschlechtert sich und ihre Mortalität steigt [6]. Das schlechte Outcome ist durch die erhöhten Tacrolimus-Spitzenspiegel bedingt, die bei Fast Metabolizern doppelt so hoch sind wie bei Slow Metabolizern, sodass die für Calcineurininhibitoren (CNI) typische Nephrotoxizität erhöht ist. Verlangsamung der Metabolisierung durch veränderte Pharmakokinetik

Das retardierte Tacrolimus-Präparat Envarsus® setzt den Wirkstoff aufgrund der MeltDose®Technologie kontinuierlich über 24 Stunden frei [7]. Das patentierte Herstellungsverfahren reduziert die Partikelgröße von Arzneistoffen auf bis zu Einzelmolekülgröße, sodass der Wirkstoff in einem Zustand vorliegt, der auch als „feste Lösung“ (solid solution) bezeichnet wird. Dieses gut lösliche Sys© VERLAG PERFUSION GMBH


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tem wird in die retardierende Tablettenmatrix integriert. Durch die veränderte Galenik von Tacrolimus mit einer geringeren Partikelgröße sowie größeren Wirkstoffoberfläche und der daraus resultierenden besseren Wasserlöslichkeit besitzt Envarsus® im Vergleich zu den herkömmlichen Formulierungen eine ca. 40 % höhere Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe [7]. Ein wesentlicher Vorteil der MeltDose®-Formulierung mit einmal täglicher Gabe ist, dass sich der Spitzenspiegel auch bei Fast Metabolizern verringert und damit möglicherweise auch die Toxizitätsrate abnimmt [6, 8]. Patienten, die mit diesem Tacrolimus-Präparat behandelt werden, weisen ein stabiles, flacheres pharmakokinetisches Profil mit niedrigeren Spitzenspiegeln und einer geringeren Fluktuation des Wirkspiegels von Tacrolimus auf als Patienten, die eine Formulierung mit sofortiger Freisetzung (Prograf®, 2 × täglich) bzw. konventionell retardiertem Tacrolimus (Advagraf®, 1 × täglich) einnehmen [9]. Nierenprobleme und Interaktionsrisiko bei Calcineurininhibitoren

Patienten entwickeln nach einer Lebertransplantation häufig Nierenprobleme, die unter anderem

auf die Nephrotoxizität der CNI zurückzuführen sind. Vor allem bei Fast Metabolizern ist die Nephrotoxizität hoch, sodass das Einsparen von CNI ein wichtiges Ziel darstellt. Eine gute Option hierbei ist der Einsatz von Envarsus®. So gibt die offene prospektive Studie ASTCOFF, die die 3 verfügbaren Tacrolimus-Formulierungen verglich, für die Anpassung der Tagesgesamtdosis folgende Empfehlungen: Dosisreduktion um –30 % bei einer Umstellung von Prograf® auf Envarsus® und um –36 % bei einer Umstellung von Advagraf® auf Envarsus® [9]. Neben der Nephrotoxizität sind auch Wechselwirkungen zwischen den Immunsuppressiva und den oft zahlreichen Begleitmedikamenten ein weiteres Problem. Werden die Wirkstoffe über das gleiche Cytochromsystem metabolisiert, kann das zu einem instabilen Wirkspiegel des Immunsuppressivums führen. Vor allem Tacrolimus weist ein enges therapeutisches Fenster auf: Eine Unterdosierung kann bis zur Abstoßung des Transplantates führen, bei einer Überdosierung kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie z.B. vermehrt auftretenden Infektionen, Neuro- oder Nephrotoxizität, kommen. Tacrolimus interagiert mit einer Vielzahl an Medikamenten, beispielsweise mit Voriconazol, einem klassischen Medikament zur

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Behandlung von Pilzinfektionen. In einer aktuellen Studie mit 18 gesunden Freiwilligen wurde die Interaktion zwischen Voriconazol und Prograf® vs. Voriconazol und Envarsus® verglichen [10]. Hierbei ergaben sich deutliche Unterschiede: Die durch Voriconazol erhöhte Tacrolimus-Exposition war unter Envarsus® signifikant geringer als unter Prograf® (2,62-fach vs. 6,02fach der AUC [area under the curve]; p < 0,001) und der Wirkspiegel war unter Envarsus® signifikant stabiler als unter Prograf® (AUCZunahme 1,6- bis 4,8-fach vs. 1,8bis 19-fach) [10]. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur 1 Schütte-Nütgen K et al. Curr Drug Metab 2018;19:342-350 2 Stratta P et al. Eur J Clin Pharmacol 2012; 68:671-680 3 Nowicka M et al. Kidney Blood Press Res 2019;44:1075-1088 4 Thölking G et al. PLoS One 2014;9: e111128 5 Thölking G et al. Ann Transplant 2016; 21: 167-179 6 Schütte-Nütgen K et al. J Clin Med 2019; 8. pii:E587. doi:10.3390/jcm8050587 7 Fachinformation Envarsus® 0,75 mg/1 mg/4 mg Retardtabletten; Stand: Juni 2019. 8 Thölking G et al. J Clin Med 2019;8. pii:E1586. doi:10.3390/jcm8101586 9 Tremblay S et al. Am J Transplant 2017; 17:432-442 10 Huppertz A et al. Clin Pharmacol Ther 2019;106:1290-1298

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

I

n Deutschland ist das Mammakarzinom mit 29,5 % die häufigste maligne Krebserkrankung und die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen: Jede 8. Frau ist im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Durch Fortschritte in der Therapie konnten die Heilungschancen in den letzten Jahrzehnten bedeutend verbessert werden. So liegt die absolute brustkrebsspezifische 5-Jahres-Überlebensrate heutzutage bei 79 %. Entscheidend hierbei ist neben der frühzeitigen Diagnose auch die detaillierte Charakterisierung des Tumortyps, die eine individualisierte Behandlung des Mammakarzinoms ermöglicht [1]. HER2+/HR+ – eine Risikokonstellation mit erhöhter Rezidiv-Wahrscheinlichkeit

Mit einer Häufigkeit von 13 – 15 % ist das HER2-positive (HER2+) Mammakarzinom ein relevanter Subtyp. Es ist charakterisiert durch die Überexpression von HER2 (Human Epidermal Growth Factor Receptor 2). HER2 gehört zur Familie der ErbB-Tyrosin-Kinase-

HER2+/HR+ Mammakarzinom: Extendierte adjuvante Therapie mit Neratinib senkt Rezidivrisiko Rezeptoren (bestehend aus HER1– 4), die eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Zellproliferation, Zellüberleben, Metastasierung und Adhäsion spielen [2]. HER2+ Mammakarzinome sind mit einem aggressiven Krankheitsverlauf, einer hohen Rezidivrate und einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert [3, 4, 5]. In den meisten Fällen gehen Rezidive mit Fernmetastasen einher. Dementsprechend ist es besonders wichtig, das verbleibende Rezidivrisiko nach Abschluss der Primärtherapie des frühen Mammakarzinoms (bestehend aus neoadjuvanter und/oder [postneo-]ad-

juvanter Therapie, Operation und ggf. Strahlentherapie) weiter zu reduzieren. Für Patientinnen mit einem HER2+ Subtyp empfiehlt die aktuelle Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) im Anschluss an eine Operation (und ggf. nach neoadjuvanter Behandlung) eine adjuvante Trastuzumab-basierte Therapie [6]. Der zielgerichtete anti-HER2-Antikörper Trastuzumab bindet extrazellulär an den HER2-Rezeptor und verhindert so die Aktivierung der nachgeschalteten Signalkaskade [7]. Trotz der deutlichen Verbesserung des Outcomes von HER2+ Patien-

Abbildung 1: Rezidivwahrscheinlichkeit beim frühen Mammakarzinom nach Abschluss der adjuvanten Therapie [7–10]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2020 · 29. JAHRGANG

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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS

tinnen durch Trastuzumab sowie durch neue, gegen HER2-gerichtete Wirkstoffe wie Pertuzumab und Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) entwickeln bis zu 26 % der Betroffenen im Nachbeobachtungszeitraum von 10 Jahren ein Rezidiv (Abb. 1) [7–10]. Eine besondere therapeutische Herausforderung stellt dabei das HER2+ / HR+ Mammakarzinom dar. Dabei handelt es sich um eine Subgruppe der HER2+ Mammakarzinom-Patientinnen, bei denen die Überexpression des HER2Rezeptors mit einem positiven Hormonrezeptorstatus (HR+) für Östrogen- und/oder ProgesteronRezeptoren kombiniert ist [11]. Diese Patientinnen weisen ein erhöhtes Risiko für späte Rezidive auf, zeigen häufig ein schlechteres Ansprechen auf eine neoadjuvante Therapie und haben seltener eine pathologischer Komplettremission als Patientinnen mit HER2+/HRStatus [12, 13]. pan-HER-Hemmer Neratinib eröffnet neue Perspektiven

Für die adjuvante Therapie des HER2+/HR+ Mammakarzinoms in einem frühen Stadium steht mit dem irreversiblen pan-HERTyrosinkinase-Inhibitor Neratinib (Nerlynx®) seit Kurzem eine vielversprechende zusätzliche Option zur Verfügung, mit der sich das Rezidivrisiko bei dieser Patientengruppe weiter minimieren lässt, wenn die Neratinib-Behandlung innerhalb eines Jahres nach Beendigung einer adjuvanten Trastuzumab-basierten Therapie begonnen wird [14]. Von anderen HER2-gerichteten Therapeutika unterscheidet sich Neratinib durch seinen Wirkmechanismus: Es bindet intrazellulär

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Abbildung 2: Neratinib inhibiert die Signalwege durch irreversible Bindung an die intrazelluläre Tyrosinkinasedomäne von HER1, 2 und 4 [15].

und irreversibel an die Tyrosinkinasedomänen von HER1, 2 und 4 und inhibiert dadurch effektiv die nachgelagerte Signalkaskade (Abb. 2) [15]. Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Neratinib wurden in der placebokontrollierten, randomisierten, doppelblinden PhaseIII-Studie ExteNET untersucht [16–19]. Eingeschlossen wurden 2.840 Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom im Frühstadium. Sie erhielten nach vorausgegangener adjuvanter Trastuzumab-Therapie entweder 1 Jahr lang Neratinib (240 mg täglich) oder Placebo. Als primärer Endpunkt der Studie wurde das Überleben frei von invasiver Erkrankung (iDFS, invasive disease free survival) definiert. Die sekundären Endpunkte umfassten u.a. die Zeitspanne bis zum Auftreten von Fernmetastasen, das Überleben frei von Fernmetastasen, die kumulative Inzidenz von ZNS-Metastasen, die Sicherheit und das Gesamtüberleben. Die Datenanalyse erfolgte nach 2 und 5 Jahren.

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Nach 2-jähriger Nachbeobachtung zeigte sich, dass durch die erweiterte adjuvante Therapie über ein Jahr das Rezidivrisiko deutlich gesenkt und eine statistisch signifikante Verlängerung des iDFS erreicht wurde (HR: 0,67; 95%-KI: 0,50 – 0,91; p = 0,0091) [15]. Dies wurde auch nach 5 Jahren bestätigt [16]. Dabei profitierten besonders die HER2+/HR+ Patientinnen, die die adjuvante Trastuzumab-Therapie vor weniger als einem Jahr beendet hatten, von der extendierten Adjuvanz mit Neratinib: Das Risiko für ein invasives Rezidiv oder Tod wurde nach 5 Jahren Nachbeobachtung um 42 % gesenkt (HR: 0,58; 95%-KI: 0,41 – 0,82). Gegenüber Placebo bedeutet dies eine absolute Reduktion der Rezidiv-Wahrscheinlichkeit von 5,1 % (Abb. 3) [17]. In der Studie zeigte Neratinib ein gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil: Die häufigsten unerwünschten Ereignisse (≥25 %; alle Schweregrade) in der NeratinibGruppe waren Diarrhö (95 % vs. 36 % im Placebo-Arm), Übelkeit © VERLAG PERFUSION GMBH


signifikant im Vergleich zu Placebo Überleben frei von invasiver Erkrankung (iDFS) in der HER2+/HR+ AKTUELLE DIE PRAXIS Patienten, dieTHERAPIEKONZEPTE ≤ 1 Jahr vor derFÜR Randomisierung eine Trastuzumab-basierte Therapie abgeschlossen haben

60Population:

NERLYNX® Placebo

90,8 %

100

90,8 %

90

85,7 %

80

85,7 %

70

iDFS ( % )

60

42 %

50 40

RISIKOREDUKTION

30

(HR 0,58; 95 % KI: 0,41-0,82)*4

5,1% Absolute Reduktion der Rezidivwahrscheinlichkeit†4

20 10 0 0

6

12

18

24

30

36

42

48

54

60

Zeit (Monate)

Patienten unter Risiko NERLYNX®

670

620

599

577

523

469

465

460

457

448

428

Placebo

664

634

609

583

535

481

471

462

458

450

433

Abbildung 3: Ergebnisse der ExteNET-Studie für die Subgruppe der Patientinnen mit HER2+/HR+ Mammakarzinom, die innerhalb eines Jahres nach einer adjuvanten Trastuzumab-Therapie eine 12-monatige Behandlung mit Neratinib (Nerlynx®) erhalten hatten: Das Risiko eines invasiven Rezidivs oder Tod war über den Beobachtungszeitraum von 5 Jahren um 42 % reduziert [17]. iDFS = Überleben frei von invasiver Erkrankung.

Unerwünschte Ereignisse über alle Schweregrade bei ≥ 25 % der Patienten (Safety-Population, Literatur Diarrhö 95 % / 35 %; Übelkeit (43 %), Fatigue (27 %)NERLYNX® und Er- / Placebo: 9 Von G et al. N 27 Engl Med. n = 1408, alle Grade), 43 %Minckwitz / 22 %; Fatigue % J/ 20 %; 2017;377:122-131 brechen (26 %). Es ergaben sich Minckwitz G et al. N Engl J Med Erbrechen 26 %auf / 8 %eine Lang- 1 Robert Koch-Institut 2019; 12. Ausgabe. 10 Von weder Hinweise 2019;380:617-628 Krebs in Deutschland für 2015/2016 zeittoxizität oder kardiale Toxizität 11 Lv Q et al. Int J Mol Sci 2016;17:2095 2 Harbeck N et al. Nat Rev Dis Primers 12 Strasser-Weippl et al. Breast Cancer Res KI: Konfidenzintervall; HER2: humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor Ratio; HR+: Hormonrezeptor-positiv. noch war ein erhöhtes Risiko für2; HR: Hazard 2019;5:66 2015;17:56 * Primärer Endpunkt der ExteNET Studie war das iDFS nach zwei Jahren in der Intent-to-treat (ITT) Population Neratinib vs. Placebo (HR 0,66 [95 % KI 0,49-0,90], p=0,008). Die explorative Analyse der ExteNET Studie nach 5 Jahren basiert auf 74,5 % (2.117/2.840) sekundäre maligne Erkrankungen 3 Slamon DJ et al. Science 1987;235:177Die dargestellten Ergebnisse basieren auf einer Subgruppe dieser Population (HR+; ≤ 113 Hurvitz Jahr nach Abschluss der der ITT Patienten, die erneut ihre Einwilligung für die längere Nachbeobachtung erteilt haben. S Trastuzumab-Therapie); et al. Lancet Oncol 2018;19: 95 % der HER2+/HR+-Studienpopulation erhielten gleichzeitig eine endokrine Therapie. 182 zu†Rezidiv verzeichnen [16, 17]. Wie kli115-126 ist definiert als invasives lokales oder regionäres Rezidiv, Auftreten von Metastasen oder Tod des Patienten. 4 Slamon DJ et al. Science 1989;244:70714 Fachinformation Nerlynx®; Stand: Oktonische Daten zeigen, lässt sich die 712 ber 2019 kumulative Dauer der Diarrhö, des 5 Seshadri R et al. J Clin Oncol 1993;11: 15 Chan A et al. Lancet Oncol 2016;17:3671936-1942 377 häufigsten Neratinib-assoziierten 6 Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische 16 Martin M et al. Lancet Oncol 2017;18: unerwünschten Ereignisses, durch Onkologie (AGO) e.V. Diagnostik und 1688-1700 die frühzeitige prophylaktische Therapie früher und fortgeschrittener 17 Gnant M et al. Abstract, Poster, San AnMammakarzinome, 2019 tonio Breast Cancer Symposium 2018 Gabe antidiarrhoischer Substanzen 18 Mortimer J. Breast Cancer Res 2019; 7 Perez EA et al. J Clin Oncol 2014;32: um nahezu 80 % verkürzen [19]. 21:32 3744-36752 Elisabeth Wilhelmi, 8 Piccart M et al. Präsentation SABCS 19 Hurvitz Z et al. Abstract P3-14-01, SABCS 2018 2019 München 2

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ExTENDiErT ADJUVANT

ADJUVANT

OpErATiON

NEOADJUVANT

DiE EXtENDiERtE ADjuvANz bEim HER2+/HR+ mAmmAkARziNom

NERLYNX®: Die nächste Stufe zur möglichen Senkung des Rezidivrisikos*1−4

Für HEr2+/Hr+ patienten, die eine Trastuzumab-basierte adjuvante Therapie vor weniger als einem Jahr beendet haben. NERLYNX® ist indiziert für die erweiterte adjuvante Behandlung von erwachsenen Patienten mit HR+/HER2 überexprimiertem/amplifiziertem Brustkrebs im Frühstadium, die vor weniger als einem Jahr eine Trastuzumab-basierte adjuvante Therapie abgeschlossen haben1

https://www.oncosite.de

NER-191119-a-DE

* Rezidiv ist definiert als invasives lokales oder regionäres Rezidiv, Auftreten von Metastasen oder Tod des Patienten. 1 Fachinformation Nerlynx®, 02/2020 2 Chan A, et al. Neratinib after trastuzumab-based adjuvant therapy in patients with HER2-positive breast cancer (ExteNET): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial Lancet Oncol. 2016; 17: 367–77. 3 Martin M, Holmes FA, Ejlertsen B, et al. Neratinib after trastuzumab-based adjuvant therapy in HER2-positive breast cancer (ExteNET): 5-year analysis of a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Oncol. 2017 Dec; 18(12): 1688–1700. 4 Gnant M, et al. Efficacy of neratinib in hormone receptor-positive patients who initiated treatment within 1 year of completing trastuzumab-based adjuvant therapy in HER2+ early stage breast cancer: subgroup analyses from the phase III ExteNET trial; Puma Biotechnology; Presented at the 41st San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), Dec 4–8, 2018, San Antonio, TX. Nerlynx® 40 mg Filmtabletten. Wirkstoff: Neratinib. Zusammensetzung: 1 Filmtablette enthält 40 mg Neratinib (als Neratinibmaleat). Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Mannitol (E421), mikrokristalline Cellulose, Crospovidon, Povidon, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat. Tablettenüberzug: Poly(vinylalkohol), Titandioxid (E171), Macrogol, Talkum, Eisen(III)-oxid (E172). Anwendungsgebiete: Nerlynx ist indiziert für die erweiterte adjuvante Behandlung von erwachsenen Patienten mit Hormonrezeptorpositivem, HER2-überexprimiertem/amplifiziertem Brustkrebs in einem frühen Stadium, die vor weniger als einem Jahr eine Trastuzumab-basierte adjuvante Therapie abgeschlossen haben. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Gleichzeitige Verabreichung von starken CYP3A4-/ P-gp-Induktoren oder von milden CYP3A4-/P-gp-Inhibitoren. Schwere Leberinsuffizienz (Child Pugh C). Nebenwirkungen: sehr häufig: Appetitlosigkeit, Durchfall, Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Schmerzen im Oberbauch, Stomatitis, Hautausschlag, Muskelspasmen, Ermüdung. häufig: Harnwegsinfektionen, Dehydratation, Epistaxis, Völlegefühl, trockener Mund, Dyspepsie, erhöhte Alaninaminotransferase, erhöhte Aspartataminotransferase, Nagelerkrankungen, rissige und trockene Haut, erhöhtes Blutkreatinin, Gewichtsabnahme. gelegentlich: erhöhte Bilirubinkonzentration im Blut, Niereninsuffizienz. Arzneimittel für Kinder unzugänglich aufbewahren. Nicht das Trockenmittel verschlucken. Verschreibungspflichtig. Weitere Hinweise: siehe Fachinformation. Stand: Februar 2020. Pierre Fabre Pharma GmbH, Jechtinger Str. 13, 79111 Freiburg.


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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A

ktuelle Befunde zum Wirkmechanismus von Teriflunomid tragen dazu bei, die in Langzeitstudien [1, 2, 3] wie auch Real-World-Untersuchungen [4, 5] dokumentierte gute Wirksamkeit und konsistente Sicherheit des MS-Therapeutikums zu erklären. Das Medikament greift selektiv in den Metabolismus hochaffiner autoreaktiver T-Zellen bei der Multiplen Sklerose ein und korrigiert die MS-assoziierten Veränderungen [6]. Zukunftsträchtiger Wirkmechanismus

Bereits länger ist bekannt, dass Teriflunomid selektiv das mitochondriale Enzym DihydroorotatDehydrogenase (DHODH) hemmt und damit die De-novo-Pyrimidinsynthese in proliferierenden Zellen unterbindet [7]. Aus aktuellen Forschungsprojekten gibt es nunmehr Befunde, die den Wirkmechanismus von Teriflunomid weiter erhellen. Sie erklären zugleich die gute Wirksamkeit und Sicherheit des Wirkstoffs bei der Behandlung der schubförmig-remittierenden Multiplen Sklerose (RRMS). So wurde gezeigt, dass T-Zellen von RRMSPatienten einen veränderten Zellmetabolismus aufweisen. Durch die Inhibierung der DHODH greift Teriflunomid in die mitochondriale Atmungskette ein und hemmt den bei MS gesteigerten Energiestoffwechsel in T-Zellen [6]. Dabei wirkt Teriflunomid nicht auf alle T-Zellen gleich, die Wirkung ist vielmehr abhängig von der Aktivierung der Zellen: Insbesondere wird die Proliferation aktivierter hochaffiner T-Zellen unterdrückt, wobei vor allem die Proliferation proinflammatorischer T-Zellen gehemmt wird. Regulatorische T-

Teriflunomid: Neue Erkenntnisse zum Wirkmechanismus unterstreichen die Wirksamkeit und Sicherheit in der MS-Therapie Zellen werden kaum inhibiert und nehmen damit im Vergleich zu den proinflammatorischen Zellen prozentual sogar zu. Teriflunomid greift somit gezielt in den bei der MS veränderten Zellmetabolismus ein – ein zukunftsträchtiger Wirkmechanismus, dessen Bedeutung bislang unterschätzt wurde. Konsistente Verträglichkeit und Sicherheit

Die neuen Befunde können den Zusammenhang zwischen der guten Wirksamkeit und dem konsistenten Verträglichkeitsprofil bei der Behandlung mit Teriflunomid erklären. So kommt es unter Teriflunomid nur bei einer Minderheit der Patienten zu einer Lymphopenie ersten oder zweiten Grades ohne erhöhte Infektionsrate; klinisch schwerwiegende Lymphopenien wurden nicht beobachtet [6]. Auch die Impfantwort der Patienten bleibt unter der Therapie erhalten [8]. Als häufigste Nebenwirkungen wurden generell eine leichte Erhöhung des ALT-Wertes, eine meist reversibel verminderte Haardichte* sowie Kopfschmerzen, Übelkeit und Diarrhöen beobachtet [7].

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Die meisten Reaktionen waren mild bis moderat ausgeprägt [7]. Für die Sicherheit von Teriflunomid spricht auch die Tatsache, dass es anders als bei anderen MS-Therapeutika für diesen Wirkstoff, mit dem inzwischen mehr als 100.000 Patienten weltweit behandelt wurden, bisher keinen Rote-HandBrief gegeben hat. Die gute Langzeitwirksamkeit von Teriflunomid wurde in Extensionsstudien mit einer Dauer von bis zu 12 Jahren belegt [1, 2, 3, 9]. Dabei zeigten sich eine anhaltend niedrige Schubrate (0,23) [3] sowie ein hoher Anteil schubfreier Patienten (im Mittel 41 %, im letzten Jahr des jeweiligen Follow-up der einzelnen Patienten 80 %), außerdem ein im Mittel stabiler EDSS bis zu 12 Jahren (Mittlerer EDSS 2,57 bei Baseline und 2,27 im Jahr 12) [9]. Teriflunomid zeigt eindrucksvolle Wirksamkeit im Real Life

Auch im Behandlungsalltag überzeugt Teriflunomid mit einer beeindruckend guten Wirksamkeit, wie Real-World-Studien doku* Bei 87,1 % der mit Teriflunomid 14 mg behandelten Patienten bildete sich die Haar­ dichteminderung zurück, 1,3 % brachen die Behandlung ab [7]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Sexuelle Dysfunktion durch Antidepressiva: Warnhinweis­ pflicht für SSRI und SNRI Die am häufigsten eingesetzten Arzneistoffe zur Behandlung depressiver Störungen sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Während der Therapie kann es zu Nebenwirkungen kommen, die sich jedoch meist bei fortgesetzter Behandlung nach 1 – 2 Wochen wieder zurückbilden. Nicht so bei einer sexuellen Dysfunktion, einer bekannten Nebenwirkung von SSRI und SNRI: Selbst nach Absetzen der Medikamente kann diese weiter bestehen bleiben. Es gibt zunehmend Meldungen über lang anhaltende Beeinträch-

In einer US-Real-World-Studie war Teriflunomid hinsichtlich der Reduktion der Hirnatrophie DMF sogar überlegen: Unter Teriflunomid kam es zu einem statistisch signifikant geringeren jährlichen Hirnvolumenverlust als unter der DMF-Therapie (0,1 % vs. 0,5 % pro Jahr; p = 0,0212) [5]. Außerdem entwickelte ein geringerer Anteil der Patienten unter Teri­ flunomid (30 %) neue oder sich vergrößernde T2-Läsionen oder Gadolinium-anreichernde (Gd+) Läsionen als unter DMF (40 %Prozent; p = 0,2752). Unter Teriflunomid traten auch weniger Nebenwirkungen auf als unter DMF (24 % vs. 28 %). Fabian Sandner, Nürnberg

tigungen der sexuellen Funktion, die trotz Absetzen der SSRI bzw. SNRI fortbestehen. Hier ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, die in der Tabuisierung des Themas sexuelle Dysfunktion begründet liegt. Betroffene berichten selten direkt über die Beeinträchtigung ihrer sexuellen Funktion und viele Ärzte fragen ihre Patienten nicht gezielt nach diesen Beschwerden. Zudem lassen sich Symptome wie genitale Anästhesie und Libidoverlust nach Absetzen des Antidepressivums nur schwer als unerwünschte Arzneimittelwirkung zuordnen. Auf Veranlassung der EMA müssen Zulassungsinhaber nun einen zusätzlichen Warnhinweis in die Produktinformation von SSRI und SNRI aufnehmen. Dieser beinhaltet die Information, dass es bei der Einnahme zu einer möglicherweise anhaltenden Beeinträchtigung

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Literatur 1 O’Connor P et al. N Engl J Med 2011; 365:1293-1303 2 Freedman MS et al. Mult Scler 2017; 23(S3):427-679, P1203 3 Mäurer M et al. Neurology 2017;88(16 Suppl): P6-361 4 Kalincik T et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2019;90:458-468 5 Zivadinov R et al. J Comp Eff Res 2019; 8:305-316 6 Klotz L et al. Sci Transl Med 2019;11:490 7 Fachinformation Aubagio®; Stand: Oktober 2019 8 Bar-Or A et al. Neurology 2013;81:552558 9 Freedman MS et al. Mult Scler 2018; 24(S2):530-737, P 1233 10 Freedman MS et al. Mult Scler Relat Disord 2016;10:204-212 11 Confavreux C et al. Lancet Neurol 2014; 13:247-256 12 Gold R et al. N Engl J Med 2012;367: 1098-1107 13 Fox RJ et al. N Engl J Med 2012;367: 1087-1097 Mit freundlicher Unterstützung der SanofiAventis Deutschland GmbH

der sexuellen Funktion kommen kann. Grundlage sind Risikosignale, die bereits im September 2018 zu einem europäischen Risikobewertungsverfahren geführt hatten. Unter Johanniskrautextrakt keine sexuelle Dysfunktion bekannt

Wenn bei einer leichten oder mittelschweren Depression eine Pharmakotherapie erwogen wird, kann gemäß der S3-Leitlinie unipolare Depression ein erster Therapieversuch mit Johanniskraut unternommen werden. Laif® 900 wurde in einer groß angelegten prospektiven Versorgungsforschungsstudie in puncto Verträglichkeit, bei therapeutischer Gleichwertigkeit, signifikant besser bewertet als SSRI. Bei den untersuchten Patienten konnten keine Fälle von sexueller Dysfunktion beobachtet werden. E. W. © VERLAG PERFUSION GMBH

GZDE.AUBA.20.03.0175 (03/2020)

mentieren. So ergab die Auswertung des internationalen MS-Base-Registers eine vergleichbare mittlere jährliche Schubrate unter Teriflunomid und Dimethylfumarat (DMF) (0,22 vs. 0,19). Bei der Number Needed to Treat (NNT) zur Verhinderung eines Schubes zeigte sich mit 5,9 und 5,6 unter Teriflunomid und 5,3 und 5,6 unter DMF eine vergleichbare Wirksamkeit. Deutlich günstigere NNT-Werte von Teriflunomid gegenüber DMF ergaben sich bei der Verhinderung einer Behinderungsprogression. Dies ist auch dadurch bedingt, dass nur für Teriflunomid, nicht aber für DMF, eine signifikante Reduktion des Risikos für eine Behinderungsprogression versus Placebo in beiden Zulassungsstudien dokumentiert wurde [1, 10, 11, 12, 13].


NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

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K

ennzeichnend für den Morbus Crohn ist eine in Schüben verlaufende, chronische, progressive Entzündung, die den gesamten Gastrointestinaltrakt vom Mundraum bis zum Anus befallen kann und mit krampfartigen Bauchschmerzen, Durchfällen sowie oft unspezifischem Krankheitsgefühl und Erschöpfung einhergeht. Als belastende Komplikation treten bei bis zu 26 % der Patienten perianale Fisteln auf, in etwa 17 % der Fälle bereits mehr als 6 Monate vor der Diagnosestellung des Morbus Crohn. Betroffen sind vor allem jüngere Patienten [1]. Faktoren, die die Fistelbildung begünstigen

Eine Fistel ist eine pathologische Verbindung zwischen zwei epithelialen Oberflächen. Bei Morbus Crohn kommt es zu gastrointesti-

Morbus Crohn: Stammzelltherapie als Therapieoption bei komplexen perianalen Fisteln nalen Fisteln, d.h. pathologischen Verbindungen zwischen Darm und perianaler Haut (54 %) oder Darm und angrenzenden Organen (u.a. Darm–Darm 24 %, Darm–Vagina 9 %) [2]. Als stärkster Risikofaktor für die Entstehung perianaler Fisteln gilt der Befall von Kolon und Rektum [3]. Die exakte Pathogenese ist noch nicht vollständig geklärt, zwei zentrale Mechanismen scheinen jedoch daran beteiligt zu sein [1, 2, 3]:

• Die chronische Entzündung und die bei Morbus Crohn eingeschränkten Reparaturmechanismen bedingen einen Defekt in der epithelialen Barriere. Im Zuge von alternativen Reparaturmechanismen migrieren intestinale epitheliale Zellen als invasive Myofibroblasten in tiefere Schichten der Mukosa und der Darmwand. Dieser Prozess wird als epithelial-mesenchymale Transition bezeichnet (Abb. 1).

Defekt der epithelialen Barriere durch

Epithelial-mesenchymale Transformation durch

Invasive Fistelbildung durch

• Wundheilungsprozesse

• Auflösung der Zellkontakte

• I nflammatorische Reaktion auf bakterielle Stimuli

•V erlust der Polarität

• E rhöhte Aktivität von MatrixMetalloproteinasen – Abbau der extrazellulären Matrix •T ransformation zu invasiven Myofibroblasten

Abbildung 1: Pathogenese perianaler Fisteln bei Morbus Crohn. PAMPs = Pathogen-assoziierte molekulare Muster, IL = Interleukin, TNFα =  Tumor­nekrosefaktor alpha, TGF-β = Transforming Growth Factor beta, MMP = Matrix-Metalloproteinase, TH = T-Helferzelle (mod. nach [1, 2]). JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2020 · 29. JAHRGANG

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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL

Einfache Fisteln

Komplexe Fisteln

1

(Tiefe) transsphinktäre Fistel 1

4

4

(Hohe) transsphinktäre Fistel

2

2 Intersphinktäre Fistel

5

5

Suprasphinktäre Fistel

3

Superfizielle/subkutane Fistel 3

6

6

Extrasphinktäre Fistel

1 2

3

1 4 2 5 36

4 5 6

Abbildung 2: Einteilung der perianalen Fisteln anhand der anatomischen Lage (mod. nach [4]).

Einfache Fistel

Anatomie des Fistelgangs

• s uperfiziell • i ntersphinktär (tief) • t ranssphinktär (tief)

Anzahl der äußeren Öffnungen

• e ine

Präsenz von Abszessen und/oder Proktitis

• k ein Abszess • k eine Striktur

Organbeteiligung

keine

Komplexe Fistel

• • • •

i ntersphinktär (hoch) t ranssphinktär (hoch) e xtrasphinktär s uprasphinktär

• m ehrere

• fi stelassoziierter Abszess • a norektale Striktur • a ktive rektale Erkrankung

Blase, Vagina

Tabelle 1: Einteilung der perianalen Fisteln nach AGA (American Gastroenterological Association) [5].

• Ein weiterer Schlüsselmechanismus ist die Umstrukturierung der extrazellulären Matrix, die durch eine erhöhte Aktivität von Matrix-Metalloproteinasen (insbesondere MMP-3 und MMP-9) bedingt ist und über den Abbau der extrazellulären Matrix immunvermittelte Gewebeschädigungen wie eine invasive Fistelbildung zu fördern scheint (Abb. 1). Komplexe perianale Fisteln sind besonders belastend

Perianale Fisteln werden nach ihrer anatomischen Lage klassifiziert als superfiziell, intersphinktär, transsphinktär, suprasphinktär und extrasphinktär (Abb. 2) [1, 4] und je nach Ausprägung als einfach oder komplex (Tab. 1) [5].

70 – 80 % der perianalen Fisteln sind komplex [6, 7]. Da sie ex­tra-, supra-, hoch inter- oder transsphinktär lokalisiert sind, mehrere äußere Öffnungen sowie Abszess- oder Strikturbildungen oder eine Beteiligung der anliegenden Organe (Blase, Vagina) aufweisen können, sind sie schwer zu behandeln und sprechen auf konventionelle Therapieoptionen meist schlecht an. Komplexe perianale Fisteln weisen eine hohe Rezidivrate nach Beendigung der konventionellen medikamentösen Behandlung von 60 – 70 % auf und nur wenige Patienten erreichen eine Langzeitremission [7]. Für die Patienten bedeutet das eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität, denn die perianalen Fisteln verursachen Schmerzen beim Stuhlgang, Sitzen oder Laufen, außerdem kann durch den Fis-

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telgang unkontrolliert Blut, Eiter oder Stuhl austreten. Konventionelle Therapie

Die Therapie soll nicht nur die Symptome wie Schmerzen, Druckgefühle und Ausfluss behandeln, langfristiges Ziel ist das Austrocknen, der Verschluss und damit die Heilung der Fistel. Zur optimalen Behandlung von perianalen Fisteln ist daher eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Gastroenterologen für die konservative Crohn-Therapie sowie von Viszeralchirurgen und Koloproktologen für die chirurgische und lokale Therapie gefordert, um die Zerstörung der perianalen Strukturen, insbesondere der Sphinktermuskulatur, durch die undrainierte perianale Entzündung zu verhindern [3, 8]. © VERLAG PERFUSION GMBH


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Bei komplexen perianalen Fisteln ist immer ein chirurgisches Vorgehen erforderlich. Im Vordergrund stehen die Abszessspaltung und -drainage mittels Seton-Drainage. Dazu können TNFα-Inhibitoren als Erstlinientherapie, ggf. auch in Kombination mit Thiopurinen, zum Einsatz kommen [8]. Eine Fistulotomie oder Fistulektomie sollte aufgrund des Inkontinenzrisikos nur sehr selektiv durchgeführt werden. Bei schwerer fistulierender Erkrankung, die medikamentös nicht anspricht, kann temporär ein künstlicher Darmausgang (Deviationsstoma, Anus praeter) erwogen werden, bei schweren refraktären Verläufen die Proktektomie mit der Anlage eines dauerhaften Stomas [8]. Als Erhaltungstherapie werden Thiopurine, TNFα-Inhibitoren, eine Seton-Drainage oder eine Kombination aus medizinischer und chirurgischer Therapie empfohlen [8]. Stammzellenbehandlung mit Darvadstrocel

Eine therapeutische Option zur Behandlung von komplexen perianalen Fisteln ist Darvadstrocel (Alofisel®) [9]. Dabei handelt es sich um expandierte, allogene, mesenchymale, adipöse Stammzellen, die an den Stellen der Entzündung antiinflammatorische und immunmodulatorische Wirkungen zeigen [1]. Inflammatorische Zytokine, insbesondere IFN-γ, die durch aktivierte Immunzellen freigesetzt werden, aktivieren die Stammzellen [7, 9]. Sobald sie aktiviert sind, beeinträchtigen die Stammzellen die Proliferation von aktivierten Lymphozyten und reduzieren die Freisetzung von proinflamma­ torischen Zytokinen [1]. Durch

ihre entzündungshemmenden und immunmodulatorischen Eigenschaften kann die Anwendung von Stammzellen die Heilung von geschädigtem perianalem Gewebe fördern [10]. Zellgewinnung Die Zellen für Darvadstrocel werden aus Fettaspirationen gesunder, erwachsener, menschlicher Spender isoliert. Nach der Extraktion können die Zellen in Zellkultur vermehrt (stabil expandiert) und bis zum Einsatz als Arzneimittel eingefroren gelagert werden. Da aus Fettgewebe gewonnene Stammzellen keine HLA-DR-Moleküle aufweisen, besitzen sie eine geringe Immunogenität [11]. Indikationen Darvadstrocel ist zur Behandlung von komplexen perianalen Fisteln bei erwachsenen Patienten mit nicht aktivem/gering aktivem luminalem Morbus Crohn indiziert, wenn die Fisteln unzureichend auf mindestens eine konventionelle oder biologische Therapie angesprochen haben. Darvadstrocel sollte nur nach der Vorbereitung der Fistel angewandt werden [9]. Dosierung und Verabreichung Eine Einzeldosis von Darvadstrocel enthält 120 Millionen Zellen, die auf 4 Durchstechflaschen mit je 6 ml Suspensionslösung ver-

teilt sind. Der gesamte Inhalt der 4 Durchstechflaschen muss für die Behandlung von bis zu 2 internen und bis zu 3 externen Fistelöffnungen verwendet werden [9]. Die Applikation von Darvadstrocel erfolgt nach eingehender Diagnostik* einmalig und unter sterilen OP-Bedingungen und in Narkose. Unmittelbar vor der lokalen Injektion der Stammzellsuspension in das die Fistelgänge umgebende Gewebe müssen die Fistelgänge vorbereitet werden: Gegebenenfalls vorhandene Seton-Einlagen werden entfernt, das Fistelgewebe mittels Kürettage „angefrischt“ und die inneren Fistelöffnungen durch Nähte verschlossen. Anschließend wird die Stammzellsuspension injiziert: • zum einen mittels einer durch den Anus in das Darmlumen eingeführten Nadel in das Gewebe rund um die internen Fistelöffnungen (Abb. 3A) und • zum anderen mittels einer durch die externen Fistelöffnungen eingeführten Nadel in das Gewebe entlang der zu behandelnden Fistelgänge (Abb. 3B). Wichtig ist dabei, dass Darvadstrocel nicht in das Lumen der Fistelgänge injiziert wird, um den Verlust von Zellen zu vermeiden [9]. ADMIRE-CD-Studie bestätigt Wirksamkeit und Sicherheit

Wirksamkeit und Sicherheit von Darvadstrocel wurden in der rando­misierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie

* Es wird empfohlen, mindestens 2 – 3 Wochen vor dem Anwendungstag einen vorbereitenden Eingriff (unter Anästhesie) vorzunehmen, um die Fistelanatomie (Anzahl der vorhandenen Fisteln und Fistelöffnungen), die Topographie (Ausmaß und Verhältnis zum Sphinkter und anderen Beckenmuskeln), die potenziell damit verbundenen Komplikationen (z.B. Abszesse) und den Grad der lokalen mukosalen Erkrankung (leicht oder inaktiv) zu untersuchen [9].

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A

B

Abbildung 3: Applikation von Darvadstrocel (Alofisel®). A: vom Darmlumen aus (Injektionsstellen = grüne Punkte); B: von außen (Injektionsstellen = rote Punkte) [9].

ADMIRE-CD beurteilt [7]. Einbezogen wurden 212 Patienten mit seit mindestens 6 Monaten bestehendem nicht aktivem oder gering aktivem Morbus Crohn und therapierefraktären komplexen perianalen Fisteln, die auf mindestens eine konventionelle oder biologische Therapie unzureichend angesprochen hatten. Sie erhielten zusätzlich zur Standardbehandlung (einschließlich Drainage des Abszesses, Einsetzen/Entfernen eines Setons, Kürettage, Vernähen von internen Fistelöffnungen und medikamentöser Therapien) randomisiert entweder eine lokale Injektion mit Dar-

vadstrocel 120 Millionen Zellen (n = 107) oder Placebo (Kochsalzlösung; n = 105). Eine begleitende Anwendung von konstanten Dosen von Immunsuppressiva (18 % der Patienten) oder TNF-Blockern (33 %) oder von beidem (28 %) war während der Studie erlaubt. Als primärer Endpunkt wurde die kombinierte Remission in Woche 24 festgelegt, definiert als klinischer Verschluss aller behandelten externen, zu Studienbeginn sezernierenden Fisteln und Abwesenheit von Flüssigkeitsansammlungen >2 cm, bestätigt durch ein verblindetes zentrales MRT. Die wichtigste sekundären Endpunkte waren die klinische Remission (klinischer Verschluss aller behandelten Fisteln) und das klinische Ansprechen (Verschluss von mindestens 50 % aller behandelten Fisteln) in Woche 24. Zusätzlich wurde bei einem Teil der Patienten eine Langzeitnachbeobachtung bis Woche 52 bzw. 104 durchgeführt [12, 13]. Ausgewertet wurden die Intentionto-treat (ITT)-Population, d.h. alle randomisierten Patienten (n = 212), sowie eine modifizierte Intentionto-treat (mITT)-Population, die alle randomisierten Patienten ein-

Anteil der Patienten (%)

Woche 24 80

p = 0,021

70 60

Woche 52 Kontrolle

38,6 %

35,6 %

40

Alofisel®

p = 0,010

56,3 %

51,5 %

50

schloss, bei denen mindestens einmal nach Studienbeginn die Wirksamkeit überprüft wurde (n = 204). Für den primären Endpunkt, die kombinierte Remission in Woche 24, ergaben sich folgende Ergebnisse: • In der ITT-Population betrug der Anteil der Patienten mit einer kombinierten Remission in der Darvadstrocel-Gruppe 49,5 % und in der KontrollGruppe 34,3 % (p = 0,024). • In der mITT-Population erreichten 51,5 % der Darvadstrocel- und 35,6 % der Kon­ troll-Gruppe eine kombinierte Remission (p = 0,021) [7]. In der mITT-Population wurden von 70 Patienten der Darvadstrocel-Gruppe und 61 Patienten der Kontroll-Gruppe Langzeitergebnisse in Woche 52 erhoben. Dabei zeigte sich unter Darvadstrocel signifikant häufiger eine kombinierte Remission als bei den Kontrollen: 56,3 % vs. 38,6 % (95 %-KI: 4,2 – 31,2 (p = 0,010; Abb. 4) [12]. Die Daten zum Anteil der Patienten, die sich in Woche 104 in klinischer Remission befanden, waren vergleichbar mit den Raten der Patienten in klinischer Remission, die Woche 52 vollendeten [13].

30 20 10 0

n/n =

53/103

36/101

58/103

39/101

Alofisel®

Kontrolle

Alofisel®

Kontrolle

Abbildung 4: Ergebnisse der ADMIRE-CD-Studie für den primären Endpunkt in Woche 24 und Woche 52. In der mITT-Population erreichten signifikant mehr Patienten unter Darvadstrocel (Alofisel®) eine kombinierte Remission als in der Placebo-Gruppe [7, 12]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2020 · 29. JAHRGANG

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Die Auswertung der Sicherheitsdaten ergab, dass unerwünschte Ereignisse in beiden Behandlungsarmen vergleichbar in Häufigkeit und Art sowie meist mild oder moderat waren. Die häufigsten unter der Behandlung aufgetretenen unerwünschten Ereignisse (Darvadstrocel: 19,4 % vs. Kontrolle: 13,7 % der Patienten) waren Proktalgie (14,6 % vs. 11,8 %) und Analfistel (10,7 % vs. 7,8 %) [9]. Fazit

Für Patienten mit komplexen perianalen Crohn-Fisteln, die auf die konventionelle medikamentöse Therapie nicht ansprechen, bietet die Stammzelltherapie mit Darvadstrocel (Alofisel®) eine vielversprechende Option. Die dabei injizierten allogenen mesenchymalen Stammzellen bewirken eine lang anhaltende Fistelheilung und ermöglichen damit eine sichere lokale Therapie von komplexen perianalen Fisteln ohne eine den Patienten belastende systemische Immunsuppression. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Panés J et al. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2017;14:652-664 2 Siegmund B et al. J Crohns Colitis 2016;10:377-386 3 Marzo M et al. World J Gastroenterol 2015;21:1394-1403 4 Parks AG et al. Br J Surg 1976;63:1-12 5 Sandborn WJ et al. Gastroenterology 2003;125:1508-1530 6 Bell SJ et al. Aliment Pharmacol Ther 2003;17:1145-1151 7 Panés J et al. Lancet 2016;388:1281-1290 8 Gionchetti P et al. J Crohns Colitis 2017; 11:135-149 9 Fachinformation Alofisel®; Stand: April 2019 10 Garcia-Olmo D et al. World J Gastroenterol 2015;21:3330-3336 11 Jeong JH. Int J Stem Cells 2008;1:43-48 12 Panés J et al. Gastroenterology 2018;154: 1334-1342 13 Spinelli A et al. European Colorectal Congress 2019, St. Gallen. Abstract #1614

Perampanel: Früher Einsatz in der Epilepsietherapie kann sich lohnen – auch bei Patienten mit komorbiden Schlafstörungen

S

eit der EU-Zulassung von Perampanel (Fycompa®) im September 2012 konnten europaweit Erfahrungen mit 100.000 behandelten Patienten gesammelt werden. Weltweit sind es insgesamt sogar etwa 200.000 Epilepsie-Patienten, die Perampanel als Zusatztherapie erhielten. Die aus der Praxis gewonnenen umfangreichen Daten bestätigen die Ergebnisse aus den Zulassungsstudien und geben wertvolle Erkenntnisse zu Perampanel und dessen Einsatz im Behandlungsalltag. Gute Ergebnisse im frühen Therapieverlauf

Neben Beobachtungsstudien aus Deutschland und Österreich liegen inzwischen auch Praxisdaten aus weiteren europäischen Ländern vor, die die Effektivität von Perampanel beim Einsatz im frühen Therapieverlauf zeigen [1]. Eine retrospektive multizentrische Studie aus Spanien untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Perampanel als erste Zusatztherapie (nach unzureichender Wirkung von maximal 2 konsekutiven Monotherapien) bei Jugendlichen und Erwachsenen. Daten von 149 Patienten mit fokaler oder idiopathisch generalisierter Epilepsie über den Verlauf von 12 Monaten belegen,

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dass Perampanel beim Einsatz im früheren Behandlungsverlauf zu hohen Responder- und Anfallsfreiheitsraten führt: Rund 85 % der Patienten zeigten ein relevantes Therapieansprechen (mindestens 50%ige Reduktion der Anfallsfrequenz) und 46 % wurden anfallsfrei. Unerwünschte Ereignisse traten bei knapp der Hälfte der Patienten auf. Sie waren zumeist mild oder moderat ausgeprägt, Schwindel war – wie in den Zulassungsstudien – am häufigsten. Rund 11 % der Patienten brachen die Behandlung aufgrund von Verträglichkeitsproblemen ab. Die Retentionsrate nach 12 Monaten lag bei etwa 85 % und war somit bei niedrigeren Dosierungen von 6 mg höher als in vorangegangenen multizentrischen Beobachtungsstudien bei Patienten mit therapieschwierigen Epilepsien [1, 2]. Vergleichbare Erfolge auch bei idiopathisch generalisierter Epilepsie

Die multizentrische GENERALStudie, die 149 Patienten mit idiopathischer generalisierter Epilepsie einschloss und 2018 publiziert wurde [3], beleuchtete erstmalig Praxiserfahrungen zum Einsatz von Perampanel in der Zusatztherapie bei primär generalisierten © VERLAG PERFUSION GMBH


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tonisch-klonischer Anfällen. In dieser Studie wurde nach 12 Monaten eine mit 83 % vergleichbar hohe Retentionsrate mit 4 mg als häufigster Tagesdosis berichtet wie in der Beobachtungsstudie zum früheren Therapieverlauf [1]. Epilepsie und Schlaf – ein bidirektionaler Zusammenhang

Ausreichend und qualitativ guter Schlaf gilt als Grundlage zur Regeneration und fördert die Gedächtnisleistung sowie die synaptische Plastizität. Bei Epileptikern sind Schlafstörungen weit verbreitet und können sich negativ auf die Anfallskontrolle auswirken [4]. Aufgrund der durch fragmentierten Schlaf herabgesetzten Anfallsschwelle ist die Wahrscheinlichkeit von epileptischen Anfällen erhöht, die wiederum die Schlafqualität negativ beeinflussen. Die hieraus resultierende übermäßige Tagesschläfrigkeit, Konzentrationsschwäche und verschlechterte Lernfähigkeit kumulieren letztlich zu einer verminderten Lebensqualität – Epilepsie-Patienten mit Schlafstörungen befinden sich in einem regelrechten Teufelskreis. Daher sollte bei der Wahl des additiven Antikonvulsivums zur Behandlung von fokalen Anfällen auch darauf geachtet werden, die Tagesschläfrigkeit und Schlafqualität des Patienten nicht weiter zu verschlechtern. In einer multizentrischen, prospektiven, interventionellen, offenen Studie wurden die subjektive Schlafqualität und Tagesschläfrigkeit bei Epilepsie-Patienten unter Perampanel untersucht [5]. Die Patienten (n = 72; >16 Jahre) erhielten Perampanel als Zusatztherapie zur Behandlung von fokalen Anfällen. Die Schlafqualität wurde

Perampanel Perampanel (Fycompa®) ist in der Europäischen Union und in der Schweiz als Zusatztherapie für Patienten ab 12 Jahren mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung zugelassen. Da­ rüber hinaus ist Perampanel indiziert bei Patienten ab 12 Jahren zur Zusatzbehandlung primär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle in Verbindung mit idiopathisch generalisierter Epilepsie. Perampanel ist ein hochselektiver, nicht kompetitiver Glutamat-Re­ zeptor-Antagonist des Typs AMPA (α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4isoxazolpropionsäure), der seine Wirksamkeit in der Reduktion von Anfällen in Studien der Phasen II und III demonstriert hat. AMPARezeptoren, die weithin in fast allen exzitatorischen Neuronen vor­ handen sind, übertragen Signale, die vom Neurotransmitter Glu­ tamat im Gehirn vermittelt werden. Es wird davon ausgegangen, dass sie eine Rolle bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems spielen, die sich durch übermäßige exzitatorische Signalbildung auszeichnen, wie u.a. die Epilepsie [6].

dabei mittels Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI, Score <5 = normal; Score ≥5 = beeinträchtigt) gemessen, die Tagesschläfrigkeit über die Epworth Schläfrigkeitsskala (ESS, Score 0–10 = normal; Scores >10 = übermäßige Schläfrigkeit) bestimmt. Evaluiert wurde zu Studienbeginn sowie 3 und 6 Monate nach Beginn der Perampanel-Therapie. Anfangs betrug der mediane PSQI-Score 7,26 und der ESS-Wert 6,19. Unter einer Dosis von im Mittel 4 mg Perampanel verbesserte sich die Schlafqualität nach 3 Monaten signifikant im Vergleich zur Baseline (–1,51 Punkte, n = 44; p = 0,007), wohingegen die Tagesschläfrigkeit nahezu unverändert blieb (n = 61; p = 0,43). Bei 31 Patienten, die 6 Monate lang beobachtet wurden, lag der ESS zu Beginn mit 8,1 Punkten etwas höher als in der Gesamtgruppe, sank letztlich aber signifikant auf 6,4 Punkte (–1,7 Punkte; p = 0,029). Auch der PSQI-Score verringerte sich über diesen Zeitraum um 1,2 Punkte (7,1 vs. 5,9). Gleichzeitig zeigte sich eine signifikante Abnahme der Anfallshäufigkeit (mediane Reduktion nach 3 Monaten:

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17 %, n = 54; p = 0,002 vs. Baseline; nach 6 Monaten: 33 %, n = 40; p < 0,001 vs. Baseline). Perampanel wurde in diesem Zeitraum allgemein gut vertragen, wobei Müdigkeit und Schwindel die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren, die aber überwiegend als mild und/oder vorübergehend beurteilt wurden. Somnolenz führte bei 2 von 16 Patienten, die dieses unerwünschte Ereignis angaben, zum Abbruch der Therapie [5]. Diese Ergebnisse bestätigen, dass Perampanel nicht zu einer Verschlechterung der Tagesmüdigkeit oder der Schlafqualität führt. Eine einmal tägliche Einnahme vor dem Zubettgehen ist dem Patienten entsprechend gut zu vermitteln. Elisabeth Wilhelmi, München

Literatur

1 Bertol-Alegre V et al. Posterpräsentation AES 2018 2 Steinhoff BJ et al. Epilepsy Res 2014; 108:986-988 3 Villanueva V et al. Epilepsia 2018;59: 1740-1752 4 Jain SV et al. Epilepsia 2014;55:26-37 5 Toledo M et al. Epilepsy Behav 2016;63: 57-62 6 Fachinformation Fycompa®; Stand: August 2018 © VERLAG PERFUSION GMBH


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Octenidin-Lutschtabletten: Bakterizide Wirkung auch gegen MRSA bestätigt

A

ntiseptika sind eine sehr wirkungsvolle und schonende Option bei schmerzhaften Entzündungen im Mund- und Rachenraum und können dazu beitragen, Antibiotika einzusparen. Der Wirkstoff Octenidindihydrochlorid bekämpft nachweislich wichtige bakterielle Erreger, behüllte Viren und Pilze [1]. Mit Laryngomedin® Octenidin Antisept steht das bewährte Antiseptikum Octenidin erstmals als Lutschtablette zur Verfügung [2]. Neue In-vitroDaten bestätigen die bakterizide Wirkung gegenüber klinisch relevanten Keimen im Oropharyngealbereich, insbesondere auch gegenüber Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA). MRSA als Problemkeime im Mund- und Rachenraum

Halsschmerzen treten meist im Rahmen einer akuten Infektion auf. Allerdings wird auch der gesunde Mund- und Rachenraum von einer Vielzahl fakultativ pathogener Mikroorganismen besiedelt, die erst in bestimmten Situationen, z.B. bei geschwächter Immunabwehr, Diabetes mellitus oder Druckstellen durch Zahnprothesen, akute Entzündungen und entsprechende Beschwerden hervorrufen können. Ein besonderes Problem stellt die Besiedlung des Oropharynx mit MRSA dar, denn

sie können von asymptomatischen Trägern auf prädisponierte Personen übertragen werden und schwere Infektionen auslösen. Zudem haben MRSA-Träger ein erheblich erhöhtes Risiko, im Verlauf selbst eine klinisch manifeste Infektion zu entwickeln. Antiseptika statt Antibiotika

Bei unkomplizierten Entzündungen im Mund- und Rachenraum sollte die lokale Applikation von Antibiotika vor dem Hintergrund zunehmender Resistenzen vermieden werden. Eine Resistenz- oder Toleranzentwicklung gegenüber Antiseptika wurde dagegen bisher nicht beobachtet. Da Antiseptika rein lokal „desinfizierend“ wirken, belasten sie den Körper nicht unnötig und werden sehr gut vertragen. Allerdings ist die Auswahl an geeigneten Wirkstoffen zur Anwendung auf der Schleimhaut begrenzt und viele Antiseptika weisen nicht die erforderliche Wirkung gegen das entsprechende Erregerspektrum auf. Octenidin – ein bewährtes Antiseptikum

Octenidin hat sich seit Jahrzehnten in der Wund- und Oberflächendesinfektion bewährt. Octeni­dindihydrochlorid ist eine katio-

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nenaktive Verbindung, die aus­geprägte oberflächenaktive Eigenschaften besitzt und mit Bestandteilen der Zellwand und Membran von Mikrobenzellen reagiert und dadurch die Zellfunktion stört. Als nicht volatile Verbindung, die weder über die Haut noch das Übergangsepithel resorbiert wird, entwickelt Octenidindihydrochlorid eine anhaltende antiseptische Wirkung auf der Haut oder auf den Schleimhäuten, die auch nach mehreren Stunden noch nachweisbar ist. Octenidindihydrochlorid bekämpft nachweislich Krankheitserreger, die zu akuten Infektionen der Mund- und Rachenschleimhaut führen. Dazu gehören grampositive und gramnegative Bakterien wie Staphylokokken, Pneumokokken, Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa, behüllte Viren und (seltener) Pilze, insbesondere Candida albicans [2]. Die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) und der Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) haben als Grenze für eine ausreichende bakterizide Wirksamkeit für Bakterien eine Keimreduktion um mindestens 5 log-Stufen festgelegt; für Hefepilze um mindestens 4 log-Stufen. Im Hinblick auf eine viruzide Wirkung haben die Leitlinie der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. (DVV) und das Robert Koch-Institut (RKI) © VERLAG PERFUSION GMBH


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eine Virusreduktion um mindestens 4 log-Stufen definiert. Untersuchung der bakteriziden Wirkung von OctenidinLutschtabletten

Mit Laryngomedin® Octenidin Antisept steht das bewährte Antiseptikum Octenidin erstmals als Lutschtablette zur Verfügung. Jede Octenidin-Lutschtablette enthält als aktive Substanz 2,6 mg Octenidindihydrochlorid. Aktuelle In-vitro-Untersuchungen bestätigten die bakterizide Wirkung von Octenidin-Lutschtabletten gegenüber klinisch relevanten Bakterien im Orophyaryngealbereich. Durchgeführt wurden drei quantitative Suspensionstests nach der Europäischen Norm (EN) 13727: Quantitativer Suspensionsversuch zur Bestimmung der bakteriziden Wirkung im humanmedizinischen Bereich – Prüfverfahren und Anforderungen (Phase 2, Stufe 1). Im ersten Test wurde die bakterizide Wirkung von OctenidinLutschtabletten gegenüber den Testkeimen Staphylococcus aureus (ATCC 6538), Enterococcus hirae (ATCC 10541), Escherichia coli K12 (NCTC 10538) und Pseudomonas aeruginosa (ATCC 15442) untersucht, in einem weiteren Test gegenüber Staphylococcus aureus (ATCC 6538) und im dritten Versuch gegenüber drei verschiedenen klinischen Isolaten von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA 735, MRSA 633 und MRSA 324/2). Breite bakterizide Wirkung bestätigt

Octenidin-Lutschtabletten zeigten unter Belastung von 3,0 g/l Rinder-

serumalbumin bei 20 °C spätestens nach 3 Minuten bei Verdünnung auf 97 % (m/v) sowie nach 5 Minuten bei Verdünnung auf 97 % und 80 % (m/v) eine bakterizide Wirkung, das heißt eine Keimzahlreduktion um mindestens 5 logStufen. Die bakterizide Wirkung wurde gegenüber allen untersuchten Testkeimen gezeigt. Damit konnte für OctenidinLutschtabletten eine breite bakterizide Wirkung nachgewiesen werden. Unter klinischen Aspekten ist hier insbesondere die bakterizide Wirkung gegenüber den hier untersuchten klinischen Isolaten von MRSA hervorzuheben, die als multiresistente Keime einer Behandlung mit üblichen Antibiotika nicht zugänglich sind. Wirksam auch gegen behüllte Viren und Pilze

Neben Bakterien gehören auch behüllte Viren zu den häufigen Krankheitserregern, die akute Infektionen im Mund-Rachen-Raum hervorrufen. Die viruzide Wirkung von Octenidindihydrochlorid gegenüber behüllten Viren wurde in In-vitro-Untersuchungen mit dem bovinen Virusdiarrhoe-Virus (BVDV) und Vacciniavirus (VV) bestätigt. Nach den offiziellen Empfehlungen des RKI und der DVV stellen diese Viren Surrogatmodelle dar, sodass die Prüfergebnisse auf alle behüllten Viren übertragbar sind. Die Ergebnisse der In-vitro-Untersuchungen mit Laryngomedin® Octenidin Antisept zeigten nach einer Inkubationszeit von 2 Minuten bei Raumtemperatur und einer Konzentration von 80  eine Verringerung der Viren um ≥4 log-Stufen. Pilzinfektionen können bei Entzündungen im Mund- und Ra-

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chenraum ebenfalls eine Rolle spielen, insbesondere Candida albicans. Dieser Hefepilz besiedelt bei 50 – 75 % der Menschen die Schleimhaut, ohne Symptome auszulösen. Die fungizide Wirkung von Octenidin-Lutschtabletten konnte ebenfalls in vitro bestätigt werden. Fazit

Die Daten der drei aktuellen Invitro-Studien untermauern die breite antimikrobielle Wirksamkeit von Laryngomedin® Octenidin Antisept gegenüber den typischen Krankheitserregern, die Infektionen im Mund- und Rachenbereich auslösen können, insbesondere auch gegenüber MRSA. Dr. med. Kirsten Westphal, Kirchheim b. München

Literatur 1 Köhnlein J et al. Zur antimikrobiellen und viruziden Wirksamkeit von Octenidin-Lutschtabletten. Krh.Hyg. + Inf.verh. 2016;38:165-173 2 Fachinformation Laryngomedin® Octenidin Antisept; Stand: März 2019

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KONGRESSE

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CDK4/6-Inhibition beim HR+, HER2fortgeschrittenen Mammakarzinom:

Real-World-Daten untermauern Wirksamkeit und Verträglichkeit von Palbociclib

Durch die endokrin-basierte Kom­bi­nationstherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor wie Palbociclib (Ibrance®) haben sich die Perspektiven für Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem (HR+), HER2-negativem (HER2-) fortgeschrittenen Mammakarzinom erheblich verbessert. Nach umfangreichen Daten aus klinischen Studien liegen für Palbociclib nun erstmals für einen CDK4/6Inhibitor aussagekräftige RealWorld-Daten (RWD) vor. Diese bestätigen die der endokrinen Monotherapie überlegene Wirksamkeit auch in der klinischen Praxis. Den Stellenwert der neuen Daten sowie von RWD beim Mammakarzinom diskutierten Experten auf einer Veranstaltung am Rande des 32. Deutschen Krebskongresses in Berlin. RWD bestätigt Überlegenheit von Palbociclib gegenüber der endokrinen Monotherapie

„Real World Daten erweitern unser Verständnis für den besten Einsatz einer Therapie“, konstatierte PD Dr. Oleg Gluz, Brustzentrum Niederrhein. „Denn Daten aus der klinischen Praxis ermöglichen zusätzliche Rückschlüsse, wie das Potenzial neuer Wirkstoffe am besten ausgeschöpft werden kann.“ Die CDK4/6-Inhibitoren sieht er beim HR+, HER2- fortgeschrittenen Mammakarzinom in der

Erstlinie am besten platziert, wie es auch die Leitlinien empfehlen. „Das ist schon auf Basis der Studienprogramme wie auch klinischer Erfahrungen in Deutschland evident. Neue Daten zu Palbociclib bestätigten dies nun eindrücklich“, so seine Beurteilung. Hierbei bezog er sich auf eine retrospektive Analyse US-amerikanischer elektronischer Krankenakten der Flatiron Health Analytic Datenbank, die erstmalig beim ESMO 2019 und jüngst auf Basis aktualisierter Daten auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) im Dezember 2019 präsentiert wurde. In der „Flatiron-Datenbank“ wurden 928 Patientinnen mit HR+, HER2- fortgeschrittenem Mammakarzinom und einer Erstlinientherapie aus der PalbociclibLetrozol-Kombination oder einer Letrozol-Monotherapie 1 : 1 anhand von Propensity Scores auf Grundlage relevanter prognostischer und klinischer Parameter gematcht. Das Ergebnis: Im Real-WorldSetting war das mediane progressionsfreie Überleben unter der Palbociclib-Kombination signifikant verlängert: Unter Palbociclib plus Letrozol betrug es 20,0 Monate gegenüber 12,1 Monate unter der Letrozol-Monotherapie (HR: 0,55; 95%-KI: 0,45 − 0,66; p < 0,0001). Das mediane Gesamtüberleben wurde in der aktuellen Auswertung unter Palbociclib plus Letrozol noch nicht erreicht und lag bei 38,1 Monaten unter der Letrozol-Monotherapie. „Die Daten zeigen, dass die Wirksamkeit der Palbociclib-Kombination der endokrinen Monotherapie auch in der Praxis signifikant überlegen ist – und das in einer heterogeneren Patientenpopulation als in der Studie“, resümierte Gluz.

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OPAL bietet Einblicke zur Versorgung des Mamma­karzinoms in Deutschland

Als ein Beispiel für RWD aus Deutschland stellte Dr. Norbert Marschner, iOMEDICO Freiburg, erste Ergebnisse der OPALTumorregisterplattform vor. Darin wird die Versorgungssituation beim Mammakarzinom über alle Therapielinien hinweg dokumentiert. Bislang sind 1.000 Patientinnen mit metastasiertem oder inoperablem Mammakarzinom rekrutiert, von denen ca. 60 % einen HR+ und HER2- Tumortyp haben. Ergänzend werden in einem begleitenden Satellitenprojekt auch Patient-Reported Outcomes erfasst. „Insgesamt werden bis zu 200 Zentren an OPAL teilnehmen“, so Marschner. Therapiewandel: CDK4/6Inhibition zunehmend, endokrine Mono- und Chemotherapie rückläufig

Daten einer von Marschner vorgestellten Interimsanalyse zeigen deutlich, dass der Anteil der Chemotherapie in der ersten palliativen LinieB sukzessive abnimmt. „Wurden in den Jahren 2012 bis 2016 noch 49 % der Patientinnen primär mit einer Chemotherapie behandelt, so sind es 2019 gerade noch 13 %. Der Anteil der Patientinnen, die in dieser Situation einen CDK4/6-Inhibitor erhalten, ist auf 73 % angestiegen. Die endokrinbasierte Kombinationstherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor ist damit die Standardtherapie der Patientin mit einem HR+, HER2- fortgeschrittenen Tumor in der Erstlinie“, schlussfolgerte Marschner. Diese Daten sind aufgrund der bundesweit und intersektoral ver© VERLAG PERFUSION GMBH


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KONGRESSE

teilten Zentren (n = 193) weitgehend repräsentativ. Aktuell liegen aufgrund der 2-jährigen Laufzeit aus OPAL noch keine Daten zum progressionsfreien Überleben, dem Einfluss auf die Lebensqualität oder dem Gesamtüberleben vor. „Erste Ergebnisse zu diesen beiden

Ergebnisqualitäten erwarten wir ab 2022. Wir sind extrem gespannt, inwieweit sich die Ergebnisse aus den klinischen Studien in der RWD-Dokumentation widerspiegeln werden. Wir erwarten, einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität und das Overall Survival

durch den Einsatz von CDK4/6-Inhibitoren beim HR+, HER2- fortgeschrittenen Mammakarzinom zeigen zu können“, prognostizierte der Experte Elisabeth Wilhelmi, München

Titelbild: Die als Heilpflanze genutzte Zaubernuss (Hamamelis virginiana) ist in Kanada und im Osten der USA beheimatet. Die Rinde und Blätter des Strauches verfügen über einen hohen Gehalt an Gerbstoffen mit adstringierenden und entzündungshemmenden Eigenschaften, die zur Linderung von juckenden Hautreizungen und zur Beschleunigung der Wundheilung eingesetzt werden, so. z.B. gegen die typischen Beschwerden bei äußeren Hämorrhoiden (Quelle: Pixabay, Foto von Hans Braxmeier). Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg

Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org

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