ISSN 1432-4334 JAHRGANG 20 HEFT 2 Juni 2012
FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE
JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY
Konzept und Bedeutung des komplexen naturheilkundlichen Ansatzes in der Behandlung der funktionellen Dyspepsie Biologika machen Paradigmenwechsel in der Rheumatologie möglich
Eine neue Option in der MS-Therapie – Fingolimod überzeugt mit Langzeitdaten Somatostatin-Analogon Pasireotid: Erste medikamentöse Therapie für Patienten mit Morbus Cushing
Langzeittherapie mit Febuxostat schützt vor schwerwiegenden Folgen der systemischen Hyperurikämie Chronische Obstipation: Symptom, Nebenwirkung oder Befindlichkeitsstörung? GOLD-Update: Neue Richtlinie wird Komplexität der COPD besser gerecht Einfluss von Roflumilast auf Komorbiditäten bei COPD Heilung fördern durch konsequente Wundreinigung
VERLAG
PERFUSION
Strontiumranelat
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Fachinformation PROTELOS® Meunier PJ et al., N Engl J Med. 2004,350:459-468 Kanis JA et al., Osteoporos Int.2008;19(4):399-428 Roux C et al., J Bone Miner Res.2006;21: 536-542 Reginster JY et al., Arthritis & Rheumatism 2008;58(6):1687-1695 Reginster JY et al., Osteoporos Int; epub: DOI 10.1007/s00198-011-1847-z
Protelos® 2 g – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen Wirkstoff: Ranelicsäure, Distrontiumsalz (Strontiumranelat) Zusammensetzung: Jeder Beutel enthält 2 g Ranelicsäure, Distrontiumsalz (Strontiumranelat). Sonstige Bestandteile: Aspartam (E951), Maltodextrin, Mannitol (Ph. Eur., E421) Anwendungsgebiete: Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zur Reduktion des Risikos von Wirbelsäulen- und Hüftfrakturen. Gegenanzeigen: ¸DGTGORƌ PFNKEJMGKV IGIGP FGP 9KTMUVQHH QFGT GKPGP FGT UQPUVKIGP $GUVCPFVGKNG #MWVG XGPÒUG 6JTQODQGODQNKGP 86' QFGT 86' KP FGT 8QTIGUEJKEJVG GKPUEJNKG» NKEJ VKGHGT 8GPGPVJTQODQUG WPF .WPIGPGODQNKG 8QTØDGTIGJGPFG QFGT FCWGTJCHVG +OOQDKNKUKGTWPI CWHITWPF XQP \ $ RQUVQRGTCVKXGT QFGT UQPUVKIGT NÀPIGTGT $GVVTWJG Nebenwirkungen: +PUIGUCOV WPVGTUEJKGFGP UKEJ FKG 4CVGP FGT 0GDGPYKTMWPIGP WPVGT 5VTQPVKWOTCPGNCV PKEJV XQP 2NCEGDQ FKG 0GDGPYKTMWPIGP YCTGP OGKUV NGKEJV WPF XQTØDGTIGJGPF &KG JÀWƌ IUVGP 0GDGPYKTMWPIGP YCTGP ¸DGNMGKV WPF &KCTTJQG YGNEJG JCWRVUÀEJNKEJ DGK $GJCPFNWPIUDGIKPP DGTKEJVGV YWTFGP QJPG URÀVGTGP DGOGTMDCTGP 7PVGTUEJKGF \YKUEJGP FGP $GJCPFNWPIUITWRRGP +P 2JCUG +++ 5VWFKGP YCT FKG ØDGT HØPH ,CJTG DGQDCEJVGVG LÀJTNKEJG +P\KFGP\ XGPÒUGT 6JTQODQGODQNKGP 86' GVYC DGK OKV 5VTQPVKWOTCPGNCV DGJCPFGNVGP 2CVKGPVKPPGP OKV GKPGO TGNCVKXGP 4KUKMQ XQP KO 8GTINGKEJ \W 2NCEGDQ 2U[EJKCVTKUEJG 'TMTCPMWPIGP *ÀWƌ IMGKV PKEJV DGMCPPV 8GTYKTTWPIU\WUVCPF 5EJNCƍ QUKIMGKV 'TMTCPMWPIGP FGU 0GTXGPU[UVGOU JÀWƌ I -QRHUEJO XU $GYWUUVUGKPUUVÒT XU )GFÀEJVPKUUEJYWPF XU IGNGIGPVN -TCORHCPHÀNNG XU )GHÀ»GTMTCPMWPIGP JÀWƌ I XGPÒUG 6JTQODQGODQNKG 86' XU 'TMTCPMWPIGP FGT #VGOYGIG FGU $TWUVTCWOU W /GFKCUVKPWOU *ÀWƌ IMGKV PKEJV DGMCPPV DTQPEJKCNG *[RGTTGCMVKXKVÀV 'TMTCPMWPIGP FGU )CUVTQKPVGUVKPCNVTCMVU JÀWƌ I ¸DGNM XU &KCTTJQG XU FØPPGT 5VWJN XU *ÀWƌ IMGKV PKEJV DGMCPPV 'TDTGEJGP CDFQOKPCNG 5EJOGT\GP 4GK\ F /WPFUEJNGKOJCWV GKPUEJNKG»N 5VQOCVKVKU W QF 7N\GTCVKQP KO /WPFDGTGKEJ ICUVTQÒUQRJCICNGT 4Gƍ WZ &[URGRUKG 1DUVKRCVKQP (NCVWNGP\ .GDGT W )CNNGPGTMTCPMWPIGP *ÀWƌ IMGKV PKEJV DGMCPPV GTJÒJVG 5GTWOVTCPUCOKPCUG 9GTVG KP 8GTDKPFWPI O ¸DGTGORƌ PFNKEJMGKVUTGCMV F *CWV *GRCVKVKU 'TMTCPMWPIGP FGT *CWV W FGU 7PVGTJCWV\GNNIGYGDGU JÀWƌ I &GTOCVKVKU XU 'M\GOG XU UGNVGP &4'55 5[PFT UGJT UGNVGP UEJYGTG *CWVTGCM VKQPGP YKG 5,5 6'0 *ÀWƌ IMGKV PKEJV DGMCPPV ¸DGTGORƌ PFNKEJMGKVUTGCMV F *CWV GKPUEJNKG»N #WUUEJNCI 2TWTKVWU 7TVKMCTKC #PIKQÒFGO #NQRG\KG 5MGNGVVOWUMWNCVWT $KPFGIGYGDU W -PQEJGPGTMTCPMWPIGP *ÀWƌ I MGKV PKEJV DGMCPPV OWUMWNQ UMGNGVVCNGT 5EJOGT\ GKPUEJNKG»N /WUMGNMTÀORHG /[CNIKG -PQEJGPUEJOGT\ #TVJTCNIKG W 5EJOGT\GP K F 'ZVTGOKVÀVGP #NNIGOGKPG 'TMTCPMWPIGP WPF $GUEJYGTFGP CO 8GTCDTGKEJWPIUQTV *ÀWƌ IMGKV PKEJV DGMCPPV 9CUUGTGKPNCIGTWPI KP #TOGP W $GKPGP RGTKRJGTGU ²FGO 2[TGZKG KP 8GTDKPFWPI O ¸DGTGORƌ PFNKEJMGKVUTGCMV F *CWV 'TMTCPMWPIGP FGU $NWVGU WPF FGU .[ORJU[UVGOU *ÀWƌ IMGKV PKEJV DGMCPPV -PQEJGPOCTMFGRTGUUKQP 'QUKPQRJKNKG KP 8GTDKPFWPI OKV ¸DGTGORƌ PFNKEJMGKVUTGCMV FGT *CWV .[ORJCFGPQRCVJKG KP 8GTDKPFWPI OKV ¸DGTGORƌ PFNKEJMGKVUTGCMV FGT *CWV 7PVGTUWEJWPIGP JÀWƌ I 'TJÒJ F -TGCVKPRJQURJQMKPCUG %2- XU Warnhinweise: 2416'.15 GPVJÀNV GKPG 3WGNNG HØT 2JGP[NCNCPKP FCU HØT 2CVKGPVKPPGP OKV 2JGP[NMGVQPWTKG UEJÀFNKEJ UGKP MCPP 2TQVGNQU DGK UEJYGTYKGI CNNGTI 4MV CDUGV\GP $GK #PY YWTFGP (ÀNNG UEJY *CWVTGCMVKQPGP GKPUEJN 5,5 6'0 WPF &4'55 DGTKEJVGV $GK #WHVTGVGP GKPGU #WUUEJNCIU UQNN 2TQVGNQU WPXGT\ØIN W FCWGTJCHV CDIGUGV\V YGTFGP 9GKVGTG Hinweise siehe Fachinformation. 8GTUEJTGKDWPIURƍ KEJVKI 2JCTOC\GWVKUEJGT 7PVGTPGJOGT .GU .CDQTCVQKTGU 5GTXKGT TWG %CTPQV 5WTGUPGU EGFGZ (TCPMTGKEJ ²TVNKEJGT 8GTVTGVGT 5GTXKGT &GWVUEJNCPF )OD* 'NUGPJGKOGTUVT & /ØPEJGP 6GN 5VCPF /CK
EDITORIAL
In der letzten Ausgabe dieses Journals hatte ich ein paar kritische Gedanken zum Thema „personalisierte/individualisierte Medizin“ formuliert [1]. Gestört hatte mich vor allem der damit implizierte Ansatz, für die wesentlichen chronischen Erkrankungen seien die Gene eines Menschen „schuld“ und die damit logisch verknüpfte Schlussfolgerung, Forschung und Entwicklung in Richtung einer „individualisierten“ Gentherapie sei der Schlüssel zur endgültigen Kontrolle von Arteriosklerose, Diabetes etc. Ich halte die massive Forschungsförderung dieses Hightech-Ansatzes mit öffentlichen Mitteln nach wie vor für skandalös, zumindest solange nicht gleichzeitig mindestens ebenso viel Geld in Forschungsprojekte investiert wird, die sich mit Strategien zur Modifikation von Verhalten und Verhältnissen beschäftigen. Die rege, weit überwiegend positive Resonanz scheint mich recht eindrucksvoll zu bestätigen. Es ist wohl nicht schwer nachzuvollziehen, dass man, statt den Teil der Raucher, der eine genetisch bedingte erhöhte Anfälligkeit zur Entwicklung eines Lungenkarzinoms aufweist, mit „individualisierten“ gentechnischen Verfahren davor zu schützen, vielleicht besser Lehren aus dem höchst erfolgreichen Feldversuch ziehen sollte, durch Rauchverbote Aktiv- wie Passivraucher zu schützen sowie für Raucher bessere, „individualisierte“ Strategien zu entwickeln und anzubieten, wie sie ihr Laster elegant loswerden können. Dabei möchte ich die Macht der Gene absolut nicht klein reden. Ganz im Gegenteil! Der Evolution standen in der Tat nur wenige Hundert Generationen zur Verfügung, den auf Jäger und Sammler programmierten Genpool des Homo sapiens sapiens auf Sesshaftwerdung umzuprogrammieren. Die anthropologische Forschung zeigt denn auch, dass sich seit damals kaum etwas
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Macht Technik dumm? genetisch verändert hat. Noch viel weniger übrigens, was die Anpassungen an die Segnungen der modernen Zivilisation betrifft. Beispiele gefällig? Bitte sehr! Wo soll denn das genetische Programm herkommen, mit den uns jahrzehntelang gebetsmühlenartig empfohlenen 5 kleinen Mahlzeiten am Tag fertig zu werden? Neueste Erkenntnisse, wonach wir damit vor allem bis auf wenige Nachtstunden den Insulinspiegel konstant und unnatürlich hoch halten, wären mit etwas Nachdenken unmittelbar aus unserem mutmaßlichen genetischen Programm ableitbar gewesen ... Zu Ende gedacht müssen wir uns ebenso schwer tun, Aufzüge, Lifte, Armlehnen, Nackenstützen, und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die 7-Zonen-Kaltschaummatratze mit gewichtsadjustiertem Härtegrad zu verkraften. Zahlen wir am Ende einen teuren Preis für die „Segnungen der Zivilisation“, weil wir nicht über das genetische Programm verfügen, sie „auszuhalten“, ohne krank zu werden? Bewegungsmangel beeinträchtigt die koordinativen Fähigkeiten, Funktionsmangel führt zur Degeneration von vermeintlich nicht gebrauchten Strukturen, ein permanentes metabolisches Überangebot nagt an Herz und Gefäßen, Leber und Nieren. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unfälle und Stürze, kaputte Knie und Hüften, chronische Rückenund Nackenschmerzen und und und. Zu allem Überfluss sind wir gegenwärtig dabei, dieses zerstörerische System immer weiter zu vervollständigen und zu perfektionieren. Unter dem Schlagwort „Ambient Assisted Living“ (AAL) investie-
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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster
ren die Länder der EU Hunderte Millionen Euro in die Entwicklung technischer Geräte, die vordergründig älteren Menschen ermöglichen sollen, länger in ihren eigenen vier Wänden ein selbstbestimmtes, autonomes Leben zu führen. Grundsätzlich ein hehres Anliegen. Beim genaueren Hinsehen entpuppen sich viele dieser „Assistenzsysteme“ allerdings als sprichwörtlich zweischneidiges Schwert. Nur wenn eine dauerhaft verlorengegangene Funktion durch ein technisches Hilfsmittel ersetzt wird, scheint es mir sinnvoll und für den Betroffenen tatsächlich hilfreich. Sensoren, die mich (zuverlässig) daran erinnern, Fenster zu schließen, die meinen Schlüsselbund lokalisieren, und selbst Handys, die alle Nummern speichern, attackieren letztlich meine grauen Zellen, lassen die Synapsen degenerieren. Apropos – auch das „Navi“ und die „Cloud“ sind in dieser Beziehung nicht ungefährlich. Alles immer und überall verfügbar, das minimiert den Anreiz noch weiter, © VERLAG PERFUSION GMBH
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EDITORIAL
auch nur irgendein Byte lokal (im eigenen Gehirn) abzuspeichern und wieder abzurufen. Dabei zeigen viele Studien überzeugend, dass Funktions- und Leistungsfähigkeit unseres Gehirns direkt mit den Anforderungen korrelieren, die wir an unseren „endogenen Computer“ stellen. Eine rezente Untersuchung an Personen, die sich erfolgreich auf die Prüfung zum Taxifahrer in London vorbereiteten, fand eine selektive Zunahme der grauen Zellen im posterioren Hippocampus und markante Änderungen im Gedächtnisprofil [2]. Kandidaten, die bei der Prüfung durchfielen, und Kontrollpersonen zeigten keine derartigen Veränderungen. Übrigens konnten Grundlagen forscher inzwischen nachweisen, dass selbst „altersassoziiert“ verlorengegangene kognitive Fähigkeiten wieder zurückgewonnen werden können [3]. „Memory Loss With Aging Not Necessarily Permanent“ brachte es z.B. ScienceDaily auf den Punkt. Fazit: Ein funktionierendes Oberstübchen kann man nicht kaufen, man muss es sich erarbeiten. Karl-Ludwig Resch, Bad Elster
Quellen 1 Resch KL. Individualisierte Medizin und die Freude am Leben. J Pharmakol Ther 2012;21:1-2 2 Woollett K, Maguire EA. Acquiring “the Knowledge” of London‘s layout drives structural brain changes. Current Biology 2011;21:2109-2114 3 Ayako Tonoki A, Davis RL. Aging impairs intermediate-term behavioral memory by disrupting the dorsal paired medial neuron memory trace. PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) 2012;109:63196324
INHALT
ÜBERSICHTSARBEIT Konzept und Bedeutung des komplexen naturheilkundlichen Ansatzes in der Behandlung der funktionellen Dyspepsie K.-L. Resch, R. M. Bachmann, H. Leuchtgens
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Praxistaugliche Schmerztherapie mit MOR-NRI: Tapentadol: Einfach in der Handhabung – stark in der Wirkung
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Biologika machen Paradigmenwechsel in der Rheumatologie möglich
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Eine neue Option in der MS-Therapie – Fingolimod überzeugt mit Langzeitdaten
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Somatostatin-Analogon Pasireotid: Erste medikamentöse Therapie für Patienten mit Morbus Cushing
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aktuelle therapiekonzepte für die praxis Langzeittherapie mit Febuxostat schützt vor schwerwiegenden Folgen der systemischen Hyperurikämie
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Chronische Obstipation: Symptom, Nebenwirkung oder Befindlichkeitsstörung?
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GOLD-Update: Neue Richtlinie wird Komplexität der COPD besser gerecht
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Einfluss von Roflumilast auf Komorbiditäten bei COPD
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Heilung fördern durch konsequente Wundreinigung
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Rubriken Wissenswertes Kongresse
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ZUSAMMENFASSUNG Der therapeutische Fortschritt der modernen Medizin in den letzten Jahrzehnten ist grundsätzlich beeindruckend. Allerdings gilt dies vornehmlich für Bereiche, in denen ein bestimmtes Krankheits modell vorausgesetzt oder ange nommen werden kann: das Vorlie gen einer konkreten, abgrenzbaren und diagnostizierbaren Ursache, für die es eine wirksame, spezi fische Therapie gibt. Daneben existiert ein weiter Bereich häufiger, oftmals (nicht zuletzt subjektiv) erheblich be einträchtigender Gesundheitsstö rungen, der bezeichnenderweise als „Ausschlussdiagnose“ übrig bleibt, wenn alle diagnostischen Bemühungen erfolglos waren. Die unklare Ätiologie wird typischer weise mit Bezeichnungen wie „funktionell“ umschrieben und „symptomatisch“ behandelt. Es gibt grundsätzliche Überlegungen, dass gerade hier der naturheil kundlich-kurörtliche Ansatz im Sinne Kneipps besonders ziel führend sein könnte. In einer Analyse von Daten einer komplexen, individualisierten Therapie am Kurort nach den Prinzipien Kneipps war bei einer typischen funktionellen Problema tik, der funktionellen Dyspepsie (FD), ein substanzieller, therapeu tischer Erfolg beobachtet worden. Eine umfassende, systematische Analyse dieser Daten sowie deren Bewertung im Kontext neuerer Forschungsergebnisse scheint zu bestätigen, dass der naturheil kundlich-kurörtliche Ansatz bei der FD schulmedizinischen Ansät zen überlegen ist. Weitere Analy sen offenbaren plausible Gründe dafür und zum Verständnis der zu grunde liegenden therapeutischen Rationale. Daraus leiten sich die folgenden Erkenntnisse ab:
Konzept und Bedeutung des komplexen naturheil kundlichen Ansatzes in der Behandlung der funktionellen Dyspepsie K.-L. Resch1, 2, R. M. Bachmann1, 2, H. Leuchtgens2 1
Verein für Forschung und Lehre in der Naturheilkunde 2 Kneippärztebund
Problem
Erkrankungen des Magen-Darmtrakts gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen in den westlichen Industrieländern [1]. In Großbritannien ist dies der Grund für 10 % aller Konsultationen beim Hausarzt. 15 % der Bevölkerung klagen im Zeitraum eines Jahres über Reizdarmsymptome, 20 % über gastroösophagealen Reflux und 20 % über dyspeptische Beschwerden [2]. In den meisten Fällen bleibt die spezifische medizinische Diagnostik, insbesondere die endoskopische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltrakts, ohne therapierelevantes Ergebnis [1]. Lässt sich keine organische, systemische oder metabolische Ursache nachweisen, wird die Diagnose „funktionelle Dyspepsie“ gestellt [3, 4, 5]. Sie gilt als eine der häufigsten gastrointestinalen Störungen überhaupt [6]. Die Prävalenz schwankt je nach Land und Kriterien zwischen 10 und 30 % [7]. Jeder Dritte gibt an, wegen der Symptomatik immer wieder nicht zur Arbeit gehen zu können [8, 9], die Lebens-
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qualität ist teilweise erheblich eingeschränkt [10]. Viele Faktoren werden als Ursache bzw. Auslöser angeführt, darunter eine gestörte Motilität, eine viszerale Hypersensibilität, psychosoziale Faktoren, eine vermehrte Magensäureproduktion, eine Infektion mit Helicobacter pylori, genetische und Umweltfaktoren, Lebensstil und Ernährungsgewohnheiten [3], wobei einige wie die intestinale Motilität und viszerale Hypersensibilität schon länger im Fokus stehen [11]. Dennoch sind bis heute die therapeutischen Möglichkeiten begrenzt [6, 12]. Mehr als 50 % der Menschen mit funktioneller Dyspepsie nehmen regelmäßig Medikamente [8, 9]. Für insgesamt 6 verschiedene Klassen von Medikamenten liegen Untersuchungen zur Wirksamkeit bei funktioneller Dyspepsie vor (Ant azida, Histamin-H2-Antagonisten, Protonenpumpeninhibitoren, Prokinetika, schleimhautschützende Substanzen und Antimuskarinika). In einem Cochrane-Review [13] fanden sich Hinweise darauf, dass eine antisekretorische Therapie erfolgversprechend sein könnte, ins© VERLAG PERFUSION GMBH
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1. Die FD kann als komplexe vegetative Regulationsstörung verstanden werden. Dafür spre chen z.B. die Begleitdiagnosen. Sie eignet sich deshalb als Modell für die Untersuchung der vorlie genden Fragestellung. 2. Der komplexe kurörtliche An satz richtet sich nicht primär ge gen eine umgrenzte, „spezifische“ Pathologie. Die im Vergleich zu anderen Vortherapien durchgän gig bessere Wirksamkeit und die bemerkenswert gute subjektive Verträglichkeit (bestätigt u.a. auch durch die hohe Compliance) werden durch die Reduktion bzw. das Absetzen der Medikation bei jedem zweiten Patienten und eine mit der subjektiven Erfolgsbewer tung nahezu identische Bewertung durch die behandelnden Ärzte objektiviert. 3. Konkret eröffnen die Ergebnisse der Untersuchung den Patienten eine neue, zusätzliche, erfolgver sprechende Therapieoption in der Behandlung der FD. 4. Ein zusätzlicher Nutzen für Patienten bzw. Anwender dürf te darin bestehen, dass sich der hier untersuchte therapeutische Ansatz nicht auf die Behandlung der Hauptdiagnose beschränkt, sondern offensichtlich parallel auch andere, vegetativ bedingte Störungen erfolgreich löst. 5. Die vorliegende Studie kann als Basis für spezifischere Inter ventionsstudien im Bereich der kurörtlichen Medizin, insbeson dere des komplexen Kneipp‘schen Ansatzes verstanden werden. Sie gibt wertvolle Hinweise auf ein erfolgversprechendes methodo logisches Grundgerüst und sollte damit weitere Forschungsinitiati ven konkret befruchten. Schlüsselworter: funktionelle Dyspepsie, Kurortmedizin, Kneipp
gesamt ermöglicht die Datenlage aber keine überzeugenden Schlussfolgerungen. Auch primär auf die Psyche abzielende Interventionen scheinen kein erfolgversprechender Lösungsansatz zu sein [14]. Ansatz
Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer italienischen Studie bemerkenswert, die in einem sequenziellen Design vordergründig die Wirkung einer Trinkkur mit einem Kalziumsulfat-BikarbonatHeilwasser bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie untersuchten [15]. Bereits nach nur 29 Patienten zeigte sich eine statistisch signifikante Wirkung in den Hauptzielkriterien globaler Symptomscore und Rückgang der Intensität der Symptome auf ein Niveau, das die Aktivitäten des täglichen Lebens nicht mehr beeinträchtigt, wenngleich (noch) nicht alle Symptome komplett unterdrückt werden konnten. Was in der Publikation nicht besonders herausgearbeitet wurde, ist die Tatsache, dass alle Patienten sich für die Dauer der Studie in dem italienischen Heilbad Chianciano Terme (in der Provinz Siena, Partnerstadt des tschechischen Kurorts Marienbad) aufhielten. Gleichwohl weisen die Autoren darauf hin, dass die Popularität dieses bis in die Zeiten der Etrusker und Römer zurückgehenden Therapieansatzes seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wegen „ökonomischer Restriktionen“ abgenommen habe, die kurörtliche Therapie neuerdings aber wieder stärker in den Blickpunkt komme, „weil eine wachsende Zahl von Patienten mit funktionellen Erkrankungen unzufrieden mit den wenigen verfügbaren pharmakologischen Optionen ist.“
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Dies deckt sich weitestgehend mit den Ergebnissen einer bislang nicht wissenschaftlich publizierten Untersuchung des Forschungsinstituts für Balneologie und Kurortwissenschaft Bad Elster im Auftrag des Deutschen Heilbäderverbands [16]. Eine geschichtete Stichprobe von Ärzten aus Bayern, Niedersachsen und Sachsen war dabei telefonisch zu Gesundheitsstörungen befragt worden, die nach den eigenen Erfahrungen als am Kurort besonders gut bzw. weniger gut behandelbar erinnert wurden. Die Ergebnisse waren dann im Rahmen eines Delphiverfahrens roboriert und validiert worden. Es hatte sich gezeigt, dass sowohl bei den befragten 680 Ärzten (darunter 148 Hausärzte und 100 Badeärzte) vor allem Erkrankungen positiv mit dem Kurort assoziiert wurden, bei denen eine „multifunktionale Pathologie“ zugrunde gelegt werden kann, wie z.B. Asthma und Neurodermitis. Auf den Rängen 3 bis 5 fanden sich psychosomatische Erkrankungen, Erschöpfung und psychovegetative Erkrankungen. Legt man die Systematik von Bühring zugrunde, wonach die vier essenziellen Strategien in der medizinischen Therapie die Eliminatio (das Ausschalten der Ursache), die Substitutio (das Ergänzen eines Mangels), die Directio (die – typischerweise pharmakologisch – forcierte Veränderung eines Gleichgewichts) und die Stimulatio (das gezielte Anregen des biologischen Systems zu einer gewünschten Reaktion) [17] sind, dann war und ist die Therapie am Kurort immer und ganz besonders mit dem Prinzip der Stimulatio assoziiert. Damit ließen sich z.B. die Ergebnisse der oben beschriebenen italienischen Studie zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie auf einer breiteren, ganzheitlicheren Basis interpretie© VERLAG PERFUSION GMBH
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ren. Da es unseres Wissens keine zuverlässigen und aussagekräftigen neueren Untersuchungen gibt, die dies im Rahmen einer kontrollierten Interventionsstudie untermauern würden, soll im Folgenden versucht werden, eigene Daten einer größeren Beobachtungsstudie vor allem unter diesem Aspekt zu analysieren. Validierung
Kohorte In die Analyse einbezogen wurden 253 konsekutive Patienten, die sich im Verlauf von ca. 2 ½ Jahren für die Dauer von 3 Wochen in 2 Kurund Rehabilitationseinrichtungen in Bad Hindelang bzw. Bad Wörishofen zu einer stationären Kurmaßnahme aufhielten und die bei der Eingangsuntersuchung dyspeptische Beschwerden angegeben hatten. Die Patienten waren im Mittel etwa 55 Jahre alt (55,2 ± 12,0 Jahre). 13 % waren jünger als 40 Jahre und 2 Drittel der Patienten waren Frauen. Weitere häufige Diagnosen waren Schmerzen im Bewegungsapparat (n=182; 79,1 %), psychovegetative Dystonie (n=121; 47,8 %), Durchschlafstörungen (n=112; 44,3 %) und Obstipation (n=87; 34,4 %). Unter den primär somatischen Problemen waren Venenleiden (n=96; 37,9 %) und degenerativ-rheumatische Beschwerden (n=86; 34,0 %). Bei Aufnahme nahmen knapp 2 Drittel der Patienten regelmäßig mindestens ein synthetisches Arzneimittel aus mindestens einer der oben aufgeführten Medikamente zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie ein, knapp 30 % (ergänzend oder alternativ) ein Phytopharmakon.
Interventionen Nach umfassender Anamnese und Befundung wurde ein individualisierter Therapieplan erstellt. Interventionen aus den Bereichen Bewegungstherapie (n=245), Ernährungstherapie (n=247) und Hydro-Thermotherapie (n=246) erhielten jeweils etwa 90 % der Patienten, jeder Zweite (n=134) zusätzlich Verordnungen aus dem Bereich der Entspannungstherapie und 3 von 4 Patienten mindestens ein Phytopharmakon (n=204). Etwa 25 % der Patienten erhielten ein hochdosiertes, standardisiertes Artischockenpräparat (Hepar-SL forte) mit choleretischer und antidyspeptischer Wirkung. Ergebnisse
Bei fast jedem zweiten Patienten konnte die medikamentöse Therapie reduziert oder ganz abgesetzt werden (44,7 %), bei den übrigen Patienten blieb sie vorläufig unverändert. Eine Dosiserhöhung war in keinem Fall erforderlich. Behandelnde Ärzte und Patienten benoteten (1 = ausgezeichnet, 2 = gut, 3 = mäßig, 4 = minimal; 5 = unzureichend) am Ende des Aufenthalts den Therapieerfolg identisch: ärztliche Note im Mittel 1,88 ± 0,61, Note der Patienten 1,84 ± 0,63). Noch besser beurteilten die Patienten die subjektive Verträglichkeit der gesamten Behandlung: 44 % votierten mit „sehr gut“ und 53 % mit „gut“, keiner mit den beiden schlechten Kategorien „minimal“ oder „unzureichend“ (Mittelwert 1,59 ± 0,55). Entsprechend hoch war die Bewertung der Patientencompliance durch die behandelnden Ärzte auf einer dreiteiligen Skala: Bei über 70 % wurde die
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Compliance als „hoch“, bei gut 20 % als „mittel“ und bei nur 16 der 273 Patienten als „niedrig“ eingeschätzt (Mittelwert: 1,35 ± 0,59). Schließlich fanden fast 90 % der Patienten den therapeutischen Ansatz als „erheblich besser“ (n=98) oder „besser“ (n=143). Inkludiert man die 29 Patienten, die den aktuellen Ansatz mit anderen, bisher erfahrenen konkurrenzfähig fanden („gleich gut“), in eine gemeinsame Gruppe „gleich gut oder besser“, dann finden sich darin gut 99 % aller Patienten. Lediglich 2 von 273 votierten „eher schlechter“, keiner „erheblich schlechter“. Bewertung
Rationale der klassischen Naturheilkunde und der kurörtlichen Medizin Der grundlegende „Wirkmechanismus“ der klassischen Naturheilkunde – wesentlich repräsentiert durch die 5 Ebenen der Kneipptherapie – ist das Prinzip „Reiz-Reaktion“ bzw. „Reiz-Regulation“ [18]. Die Idee dahinter ist die gezielte Stimulation erwünschter Reaktionen (im Sinne eines Immediateffektes) bzw. einer Adaptation, also Neujustierung physiologischen Antwortverhaltens des Körpers (im Sinne eines Prolongateffektes). Hoff etwa formulierte in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: „Die heilsame Reaktion ist nicht etwas Passives, keine einfache Ursache-Wirkungs-Beziehung wie in der unbelebten Natur, sondern eine positive Leistung des Lebendigen, wobei zwischen Reiz und Reaktion die dauernd veränderliche Reaktionsfähigkeit des Organismus eingeschaltet ist” [19]. Grundsätzlich lassen sich Adapta tionsphänomene zuverlässig pro© VERLAG PERFUSION GMBH
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vozieren bzw. beobachten, z.B. in Form vermehrter Anstrengungen des Körpers zur Abwehr wiederholt auftretender Reize (Hornhaut, Kälteadaptation), als Zunahme der Toleranz gegenüber als unbedeutend erlebten Reizen (Hyposensibilisierung) oder als Konditionierung des Abwehrreizes (Immunmodulation). Auch eine Art Re-Physiologisierung eines pathologisch veränderten Zustands (Durchbrechen eines Circulus vitiosus) ist ein wichtiges Therapieziel vieler komplexer Kur- oder Rehamaßnahmen. Obwohl als Begriff von Kneipp nie explizit verwandt, kann die „ordnende Regulation“ als Fundament seines gesamten therapeutischen Konzepts angesehen werden. Sie zieht sich als eine Art roter Faden durch alle Ebenen der Kneipptherapie hindurch und ist als wesentliches Prinzip nahezu allgegenwärtig. So lässt sich leicht nachvollziehen, dass Kneipp etwa Nahrung auch als einen „Reiz“ für den Körper versteht, der adäquat und damit gesundheitsfördernd oder inadäquat und damit der Gesundheit abträglich ist. Nur so macht etwa die Empfehlung Sinn, die Ernährung auf die individuellen Verhältnisse und Bedürfnisse abzustimmen (vgl.: „Was den Schmied nährt, zerreisst den Schneider“). Analogien finden sich zuhauf, aber auch jenseits von Hydro- und Bewegungstherapie, von Ernährung und Phytotherapie finden sich recht deutliche Empfehlungen unter anderem zur Erlangung von Harmonie und Regelmäßigkeit in den Lebensrhythmen (Schlaf, Wachen, Mahlzeiten u.a.). Nicht zuletzt scheint die Idee der „ordnenden Regulation“ in dem wohl populärsten Zitat Kneipps deutlich durch: „Gesund ist nur derjenige, der es gelernt hat, mit sich selbst,
seiner Umwelt und dem Herrgott fertig zu werden.“ Letzteres Zitat ist zudem getragen von der profunden Erkenntnis, dass Gesundheit kein einfaches Gottesgeschenk ist, sondern nicht zuletzt ein Ausdruck von erworbener Kompetenz (siehe: „gelernt hat“), aktiv Ordnung bei sich selbst und in seiner Lebenswelt zu unterhalten. Im Kontext der modernen klinischen Forschung erscheint es dabei sinnvoll, diese „Wirkebene“ neben der sog. spezifischen Wirkung (z.B. definierter pharmakologisch aktiver Substanzen) und der unspezifischen Wirkung (z.B. Placeboeffekte) als systemische Wirkung einzuführen. Viele moderne Erkenntnisse zu Phänomenen, die früher der Kategorie „unspezifischer Effekt“ zugeordnet wurden, werden dadurch konzeptionell wesentlich besser wiedergegeben [20]. Der pathologiezentrierte Ansatz in der Therapie der funktionellen Dyspepsie Die funktionelle Dyspepsie (gastrointestinale Reizung, ReizmagenSyndrom, dyspeptische Beschwerden, nicht ulzeröse Dyspepsie, NUD) ist eine funktionelle Störung im Bereich des Magens, der keine diagnostisch nachweisbare pathologische Veränderung zugrunde liegt (ICD-10: K30 – Dyspepsie). Bei dieser Diagnose handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, wenn die Symptomatik mehr als 3 Monate oder wiederholt für mehrere Tage auftritt und keine eindeutige Ursache festgestellt werden kann. Sie wird bei etwa 50 % aller Personen mit „Magenbeschwerden“ gestellt [21]. Die Tatsache, dass es sich um eine „Ausschlussdiagnose“ handelt, ebenso wie die Tatsache, dass es
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offensichtlich keine erfolgversprechende spezifische Therapie gibt, könnte darauf hindeuten, dass es sich um einen Sammelbegriff für verschiedene Krankheitsentitäten handelt. Dafür spricht, dass mit unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen Erfolge berichtet werden [5, 12, 13, 14]. Allerdings sind die Erfolge meist bescheiden, was zum Teil auch damit zu erklären ist, dass die entsprechenden Therapieansätze jeweils bei einer Minderheit der Patienten zu klinisch relevanten Veränderungen führen, bei den meisten Patienten jedoch wenig oder nicht erfolgreich sind. Der naturheilkundliche Ansatz in der Therapie der funktionellen Dyspepsie Vieles spricht dafür, dass es sich bei der funktionellen Dyspepsie vornehmlich um ein komplexes multifaktorielles Geschehen handelt [1, 3, 6, 7, 10, 11, 12, 21] bzw. dass eine fehlregulierte Reizantwort des Vegetativums insgesamt mit besonderer Symptomatik im Bereich des Magen-Darm-Trakts im Mittelpunkt steht [3, 6, 11, 12]. Die Daten der hier vorgestellten Beobachtungsstudie scheinen dies zu unterstreichen, da auch die prävalentesten anderen Gesundheitsstörungen auf komplexe Regulationsstörungen hinweisen (z.B. psychovegetative Dystonie, Durchschlafstörungen und Obsti pation). Auch bei einem Gutteil der Fälle mit Schmerzen im Bewegungsapparat findet sich kein organisch-morphologisches Korrelat, man denke nur an den „unspezifischen“ Rückenschmerz. Die vorgestellten Daten können als eindrucksvoller Beleg dafür gewertet werden, dass ein komplexer naturheilkundlicher Ansatz am Kurort anderen, spezifischeren © VERLAG PERFUSION GMBH
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Ansätzen deutlich überlegen sein könnte. Immerhin bewerteten 9 von 10 Patienten den Erfolg dieses therapeutischen Ansatzes besser als andere Strategien, mit denen sie bereits im Vorfeld Erfahrungen gesammelt hatten. Neben dieser relativen Bewertung spricht auch die absolute Bewertung mit einer Note von 1,84 eine deutliche Sprache. Diese beiden Beurteilungen aus Patientensicht finden ihre überzeugende Bestätigung in der Fremdbeurteilung durch die behandelnden Ärzte. Dass der Therapieerfolg von Ärzten und Patienten so gut wie identisch beurteilt wurde, macht es auch unwahrscheinlich, dass die Bewertungen durch externe Einflussfaktoren verzerrt sind. Dies wird zusätzlich durch weitere Ergebnisse bekräftigt, etwa die bemerkenswert positive Beurteilung der Verträglichkeit durch die Patienten und der Compliance durch die Ärzte. Eine gute Verträglichkeit ist eine conditio sine qua non für eine hohe Compliance, und diese wiederum ist regelhaft eng korreliert mit einer subjektiv wahrgenommenen relevanten Verbesserung der Beeinträchtigungen. Auch die Beobachtung, dass bei jedem zweiten Patienten die medikamentöse Therapie reduziert oder abgesetzt werden konnte, spricht dafür, dass der naturheilkundliche Ansatz tatsächlich erfolgversprechend ist. Da es sich beim vorliegenden Problem grundsätzlich um eine Beeinträchtigung handelt, für die es kein extern validierbares Korrelat gibt, kommt den subjektiven Einschätzungen zentrale Bedeutung zu. Auch aus praktischen Erwägungen erscheint es statthaft, die subjektive Einschätzung der Patienten als Maßstab zu verwenden, da diese regelhaft unmittelbar korreliert mit volkswirtschaftlich relevanten
Aspekten wie Arbeitsfähigkeit und Leistungsfähigkeit. Dass die klassische Naturheilkunde der dominierende Ansatz war, geht zwanglos einerseits aus der Dimension der Verordnungen aus den einzelnen Säulen hervor, andererseits aus der Tatsache, dass nur bei gut einem Drittel der Patienten (37,7 %) zusätzlich andere Verfahren zum Einsatz kamen. Als Indiz für eine gute Wirksamkeit des meist verwendeten Phytotherapeutikums, einem hochdosierten, standardisierten Artischockenpräparat (Hepar-SL forte) mit choleretischer und antidyspeptischer Wirkung, kann die Nebenbeobachtung gewertet werden, dass die damit behandelten etwa 25 % der Patienten ihren Therapieerfolg insgesamt besonders hoch bewerteten. Ausblick
Es steht zu erwarten, dass auch in absehbarer Zukunft für einen weiten Bereich von Gesundheitsstörungen keine erfolgversprechend einfachen, spezifischen Therapieansätze gefunden werden. Möglicherweise ist dies sogar ein grundsätzliches konzeptionelles Problem, da man in der Vergangenheit davon ausgegangen ist, dass der in vielen Bereichen der modernen Medizin hoch erfolgreiche konzeptionelle Ansatz der direkten Kausalität zwischen Problem und Ursache universell verallgemeiner bar sei. Dabei wurden vielfältige experimentelle Erkenntnisse, die diese Annahme grundsätzlich in Frage stellen [22, 23, 24], ebenso geflissentlich ignoriert wie die alltäglichen Erfahrungen der praktisch tätigen Ärzte (siehe oben und [16]). Für die Zukunft wäre es aus wissenschaftlicher Sicht sicher
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wünschenswert, durch geeignete Studien unterschiedliche therapeutische Ansätze miteinander zu vergleichen. Die Chancen dafür dürften in den nächsten Jahren erheblich steigen, nicht zuletzt weil sich international mit dem Ansatz des Comparative Effectiveness Research eine Forschungsstrategie zu etablieren beginnt [25, 26, 27], für die eben solche Fragestellungen relevant sind. Daneben wird die allenthalben propagierte stürmische Entwicklung des sog. zweiten Gesundheitsmarkts [28, 29, 30, 31] gerade solchen Ansätzen neue Chancen eröffnen, bei denen der subjektiv und individuell erlebte Nutzen im Zentrum steht [32, 33]. Literatur 1 Locke GR 3rd. Prevalence, incidence and natural history of dyspepsia and functional dyspepsia. Baillieres Clin Gastroenterol 1998;12:435-442 2 Jones R. Primary care research and clinical practice: Gastroenterology Postgrad Med J 2008;84:454-458 3 Miwa H, Watari J, Fukui H, Oshima T, Tomita T, Sakurai J, Kondo T, Matsumoto T. Current understanding of pathogenesis of functional dyspepsia. J Gastroenterol Hepatol 2011;26(Suppl 3):53-60 4 Drossman DA. The functional gastrointestinal disorders and the Rome III process. Gastroenterology 2006;130:1377-1390 5 Suzuki H, Nishizawa T, Hibi T. Therapeutic strategies for functional dyspepsia and the introduction of the Rome III classification. J Gastroenterol 2006;41:513-523 6 Tack J, Kindt S. Pathogenesis and therapy for idiopathic dyspepsia. Curr Gastroenterol Rep 2005;7:437-444 7 Mahadeva S, Goh KL. Epidemiology of functional dyspepsia: A global perspective. World J Gastroenterol 2006;12:2661-2666 8 Haycox A, Einarson T, Eggleston A. The health economic impact of upper gastrointestinal symptoms in the general population: results from the Domestic/International Gastroenterology Surveillance Study (DIGEST). Scand J Gastroenterol 1999;231 (Suppl):38-47 9 Moayyedi P, Mason J. Clinical and economic consequences of dyspepsia in the community. Gut 2002;50(Suppl 4):iv10-iv12 10 Chang L. Review article: epidemiology and quality of life in functional gastrointestinal disorders. Aliment Pharmacol Ther 2004;20(Suppl 7):31-39 © VERLAG PERFUSION GMBH
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NorGA Award 2012 Zum dritten Mal wurde auch in diesem Jahr der NorGA (Norgine Gastro Award) verliehen, ein Preis für herausragende gastroenterologische Arbeiten. Zwei Gewinner konnten sich durchsetzen, Priv.Doz. Dr. Oliver Pech, Leiter der Endoskopie und Oberarzt der HSK Wiesbaden, sowie Priv.-Doz. Dr. Jutta Keller, Oberärztin im Israelitischen Krankenhaus Hamburg. Preisträger Dr. Oliver Pech verglich in seiner Studie die chirurgische und endoskopische Resektion von mukosalen Barettkarzinomen (BC)
20 Resch KL. Spezifische, unspezifische und systemische Effekte. J Pharmakol Ther 2011;20:64-65 21 El-Serag HB, Talley NJ. Systemic review: the prevalence and clinical course of functional dyspepsia. Aliment Pharmacol Ther 2004;19:643-654 22 Zeyer A. Salutogenese und Pathogenese – ein Paradigmenwechsel aus der Perspektive der modernen Physik. Soz Präventivmed 1997;42:380-384 23 Resch KL. Die Probleme der Medizin mit dem Ganzheitlichen. IN: Heiß G, Hrsg. Wie krank ist unser Gesundheitswesen? Das Gesundheitswesen in Deutschland und Europa an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Mainz: März Verlag, 2000: 601-608 24 Müller H, Resch KL. Indikationen für einen Milieuwechsel: ein systematischer Review. Heilbad und Kurort 2002;54:200-202 25 Hochman M, McCormick D. Characteristics of published comparative effectiveness studies of medications. J Am Med Ass 2010;303:951-958 26 O’Connor AB. Building comparative efficacy and tolerability into the FDA approval process. J Am Med Ass 2010;303:979-980 27 Conway PH, Clancy C. Charting a path from comparative effectiveness funding to improved patient-centered health care. J Am Med Ass 2010;303:985-986 28 Von der Gesundheitsversorgung zur Gesundheitswirtschaft – ein Paradigmenwechsel In: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Schlaglichter der Wirtschaftspolitik. Monatsbericht September 2008
29 Deutschland 2020. Zukunftsperspektiven für die deutsche Wirtschaft. Frankfurt: McKinsey & Company, Inc. 2008 30 Kartte J, Neumann K, Kainzinger F, Henke KD. Innovation und Wachstum im Gesundheitswesen. Roland Berger Strategy Consultants, 2005 31 Kartte J, Neumann K. Der Zweite Gesundheitsmarkt. Die Kunden verstehen, Geschäftschancen nutzen. Roland Berger Strategy Consultants, 2007 32 Resch KL. Von Bedarfen und Bedürfnissen – Gesundheit zwischen Solidarität und Kommerz. Forsch Komplementärmed 2009;16:72–74 33 Brown MM, Brown GC, Sharma S. Evidence-based to value-based medicine. Chicago: American Medical Association, 2005
bei jeweils 38 Patienten. Eine komplette Remission konnte sowohl in der Endoskopie- als auch in der Chirurgie-Gruppe bei allen Patienten erreicht werden. Die endoskopische Therapie ging mit einer höheren Rezidivrate einher, beim chirurgischenVerfahren kam es zu einer höheren Morbidität und Mortalität. Die gewonnen Ergebnisse zeigen, dass beide Verfahren eine sichere Methode zur Behandlung des Barettkarzinoms darstellen. Dr. Jutta Keller überzeugte mit ihrer Arbeit über die Detektion einer moderaten exokrinen Pankreasinsuffizienz mittels eines modifizierten 13C-Atemtest mit gemischten Triglyzeriden (13C-TG-AT). Ziel ihrer Studie war es, einen klini-
schen Test zu definieren, mit dem eine mäßig ausgeprägte Bauchspeicheldrüsenunterfunktion zuverlässig erfasst werden kann. Dazu wurden 9 Patienten mit Pankreas erkrankungen sowie eine gesunde Kontrollgruppe (n=10) drei wissenschaftlichen Tests unterzogen. Die Testungen zeigten eine sehr hohe Sensitivität des 13C-TG-AT, der sich damit als sehr zuverlässig für die Diagnose einer exokrinen Pankreasinsuffizienz erweist. Beide Gewinner erhalten je ein Preisgeld von 5.000 Euro von Norgine und außerdem die Möglichkeit, ihre ausgezeichnete Arbeit beim Gastro Update Spezial 2013 vorzustellen. E. W.
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Anschriften der Verfasser: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch Dr. med. Robert. M. Bachmann Verein für Forschung und Lehre in der Naturheilkunde e. V. Kontaktadresse: Römerstraße 21 86842 Türkheim http://www.naturheilverfahren-bayern.de Dr. med. Heinz Leuchtgens Ärztegesellschaft für Präventionsmedizin und klassische Naturheilverfahren Kneippärztebund e.V. Hahnenfeldstraße 21a 86825 Bad Wörishofen http://www.kneippaerztebund.de
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it Tapentadol (Palexia® retard) hat ein innovatives Wirkprinzip Einzug in die Schmerztherapie gehalten. Es vereint 2 Wirkmechanismen in einem Molekül: µ-Opioid-RezeptorAgonismus (MOR) und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmung (NRI). Beide tragen synergistisch zur Analgesie bei. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich das Analgetikum gemäß dem Wirkmechanismus bei allen chronischen Schmerzarten (nozizeptiv, neuropatisch und gemischt) einsetzen lässt [1, 2, 3]. Die Vorteile der Substanz liegen vor allem in der starken Wirksamkeit bei einer vergleichsweise geringeren Nebenwirkungsrate [4]. Eigenschaften, die vor allem in der ambulanten Schmerztherapie von großer Bedeutung sind, kommt es doch gerade deshalb bei vielen chronischen Schmerzpatienten häufig zu Compliance-Problemen. Dies bestätigt auch Dr. med. Kai-Uwe Kern vom Schmerzzentrum Wiesbaden, der mit dem neuen Analgetikum durchweg positive Erfahrungen gemacht hat: „Unsere Patienten kommen nach der Einstellungsphase gut mit der Substanz zurecht. Durch die im Vergleich zu einem klassischen Opioid verbesserte Verträglichkeit lässt sich die Therapie problemlos in den Alltag der Schmerzpatienten integrieren.“ Starke Wirksamkeit gepaart mit guter Verträglichkeit
Tapentadol ist ein stark wirksames Analgetikum und unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz. „Die Stärke von Tapentadol sollten wir uns auch in der Praxis zunutze machen. Das Analgetikum besitzt eine hohe Potenz“, erklärt Kern. „Aufgrund der effizienten NRI-Kom-
Praxistaugliche Schmerztherapie mit MOR-NRI:
Tapentadol: Einfach in der Handhabung – stark in der Wirkung ponente ist Tapentadol bei einer vergleichsweise geringen Bindung am µ-Rezeptor trotzdem genauso stark wirksam wie beispielsweise Oxycodon.“ Die opiodtypischen Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Obstipation fallen aufgrund der geringeren µ-Aktivität viel geringer aus als bei den starken, klassischen Opioiden [5, 6]. Durch die verbesserte Verträglichkeit im Vergleich zu Oxycodon gab es in den Studien deutlich weniger nebenwirkungsbedingte Therapieabbrüche. In einer doppelblinden placebo- und aktiv kontrollierten Phase-III-Studie bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen brachen nur 5,3 % der Tapentadol-Patienten aufgrund unerwünschter gastrointestinaler Ereignisse die Therapie ab – im Oxycodon-Arm waren es dagegen 18,3 % [2]. Tapentadol ist eine Substanz, die unabhängig von Metabolisierungsprozessen und den dadurch bedingten Metaboliten direkt schmerzlindernd wirkt. Da der Wirkstoff hauptsächlich über Glukuronidierung abgebaut wird und über eine geringe Plasmaeinweißbindung, verfügt, besitzt er ein vergleichsweise geringes Interaktionspotenzial [7]. Daher ist Palexia® retard breit einsetzbar und auch für Patienten geeignet, die mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen. Dieser Vorteil ist in der Praxis oft entscheidend.
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Richtige Titration – ein entscheidender Erfolgsfaktor
Bei der Einstellung auf Tapentadol sollte auch die Vormedikation immer berücksichtigt werden. Bei opioidnaiven Patienten ist zu Anfang eine niedrige Dosierung (2 x 50 mg/d) zu empfehlen, die dann innerhalb von 3 Tagen gesteigert wird – angepasst an den Bedarf des Patienten. In Studien war die Minimaldosis des Patienten auf 2 x 100 mg festgelegt. Wenn der Schmerzpatient bereits auf ein starkes Opioid eingestellt ist, sollte beim Wechsel auf Tapentadol ggf. mit höheren Dosierungen gemäß den entsprechenden äquianalgetischen Dosierungen begonnen werden. Es ist zudem wichtig, eventuelle Begleitmedikationen wie Antikonvulsiva beizubehalten. Um den größtmöglichen Therapieerfolg zu erzielen, sollte der Arzt sich an der Ein- und Umstellungsempfehlung orientieren, die über den Hersteller erhältlich ist. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Afilalo M et al. Clin Drug Invest 2010; 30:489-505 2 Buynak R et al. Expert Opin Pharmacother 2010;11:1787-1804 3 Schwarz S et al. Curr Med Res. Opin 2011; 27:151-162 4 Lange B et al. Adv Ther 2010;27:381-399 5 Tzschentke et al. Drugs Fut 2006;31:10531061 6 Tzschentke et al. Drugs Today 2009;45: 483-496 7 Grünenthal GmbH. Fachinformation Palexia® retard. Stand: August 2010
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och bis vor wenigen Jahren galten Erkrankungen aus dem entzündlich-rheumatischen Formenkreis und ihre oftmals schwerwiegenden Folgen als unausweichliches Schicksal für die Patienten. Medikamente konnten Linderung verschaffen, aufzuhalten waren Krankheiten wie die rheumatoide Arthritis (RA) damit nicht. Die Einführung der Biologika in der Therapie der RA machte vor 12 Jahren einen bedeutsamen Paradigmenwechsel möglich: Dank des völlig neuen Wirkprinzips der TNF-α-Inhibition haben Biologika heute die Remission für Patienten mit RA zu einem realistischen Therapieziel gemacht. Die Krankheitsprogression konnte bei vielen Patienten effektiv verlangsamt oder gar gestoppt werden. Seither haben die Biologika Erfolgsgeschichte geschrieben: Daten aus mittlerweile 12 Jahren Biologikatherapie dokumentieren eine gute Langzeitwirksamkeit und -verträglichkeit dieser Substanzen. Sie bilden nicht nur einen Meilenstein in der Therapie der RA, sondern sind auch fest etabliert in der Behandlung von weiteren Indikationen wie der ankylosierenden Spondylitis, der juvenilen idiopathischen Arthritis, der Psoriasis-Arthritis sowie der Plaque-Psoriasis und der juvenilen Plaque-Psoriasis. Behandlungsziel Symptomlinderung
Während sich im 19. und 20. Jahrhundert in vielen Bereichen der Medizin große Umwälzungen vollzogen, galt die Disziplin Rheumatologie lange Zeit als „Stiefkind“ der Inneren Medizin. Das Behandlungsziel war in erster Linie Symptomlinderung, therapeutische Innovationen ließen lange Zeit
Biologika machen Paradigmenwechsel in der Rheumatologie möglich auf sich warten. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war die Acetylsalicylsäure eine wichtige Säule in der Therapie der RA. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac und Ibuprofen hinzu. In dieser Zeit stand die Schmerzbekämpfung im Vordergrund. Eine Kombination mehrerer Medikamente war in der RA-Therapie noch nicht etabliert. Es wurde nur eine langsame und stufenweise Eskalation der medikamentösen Therapie verfolgt. Zu dieser Zeit wurde auch das Kortison eingeführt, bei dem man schrittweise die Dosis erhöhte. Auch heute hat es einen Platz in der RA-Therapie, wird aber meist während eines Krankheitsschubs kurzfristig hochdosiert gegeben oder aber in niedriger Dosierung in der Basistherapie. Das Fortschreiten der Krankheit und die Destruktion der Gelenke sowie die schwerwiegenden Folgen konnten diese Medikamente alleine nicht verhindern. Hilflosigkeit und Resignation dominierten unter Ärzten und Patienten. Krankheitsmodifizierende Therapie
Die synthetischen DMARDs (Dis ease-Modifying Antirheumatic Drugs) brachten dann einen ersten großen Fortschritt gegenüber der rein symptomatischen Behand-
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lung, denn sie lindern nicht nur die Schmerzen und verringern die Gelenkschwellung, sondern sie können auch den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Allerdings ist ihr Einfluss auf die Krankheitsprogression begrenzt. DMARDS wie Methotrexat werden auch heute als Basismedikation – auch in Kombination mit Biologika – langfristig eingesetzt. Ein Nachteil ist, dass ihre Wirkung erst nach Wochen oder Monaten einsetzt. Die Ära der Biologika – Therapieziel Remission
Mit den biotechnologisch hergestellten Biologika brach im Jahr 2000 eine neue Ära der Rheumatherapie an. Erstmals stand eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung, die mit der Hemmung des Entzündungsmoleküls Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) an der Ursache der rheumatischen Erkrankung ansetzte [1]. TNF-α-Inhibitoren der ersten Stunde waren Etanercept, das im Jahr 2000 zur Therapie der RA in Deutschland zugelassen wurde, gefolgt von Infliximab und Adalimumab. Etanercept ist das einzige rekombinant hergestellte humane lösliche TNF-α-Rezeptorfusionsprotein, während es sich bei Infliximab und Adalimumab um monoklonale Antikörper handelt. Die unterschiedliche molekulare Struktur kann zu unterschiedlichen pharmakologischen © VERLAG PERFUSION GMBH
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Profilen führen und Auswirkungen auf die Immunogenitätsprofile der Biologika haben [2]. Etanercept ist nicht mit der Bildung neutralisierender Antikörper assoziiert, weil seine Bindungsdomänen weitgehend denen der natürlicherweise vorkommenden TNF-Rezeptoren entsprechen [3]. Dagegen können die monoklonalen Antikörper eine Immunantwort auslösen, die mit der Bildung von Anti-Wirkstoff-Antikörpern in Verbindung gebracht wird. Dies kann möglicherweise zu einem sinkenden Wirkstoffspiegel [4] und dadurch zu einem verringerten Ansprechen auf die Therapie führen [1, 5]. Die Biologika haben einen revolutionären Fortschritt in der Therapie entzündlicher Erkrankungen gebracht: Ihre Wirkung beginnt relativ schnell – innerhalb weniger Tage bis Wochen, und sie machen erstmals eine komplette Remission möglich – nicht nur klinisch, sondern auch radiologisch und funktionell [6]. Die Patienten profitieren deutlich durch den Erhalt der Lebensqualität und der Arbeitsfähigkeit – ein erheblicher auch sozioökonomischer Fortschritt im Vergleich zur „Prä-Biologika“Ära. Damals war die Lebenserwartung der Patienten um rund 4–10 Jahre verkürzt und etwa die Hälfte der Betroffenen mit einer hohen Krankheitsaktivität wurde in Deutschland innerhalb der ersten 5 Krankheitsjahre berentet [7]. Als realistisches Therapieziel gilt heute die Remission, definiert als niedriger DAS28 (Disease Activity Score 28) von < 2,6, keine radiologischen Zeichen einer Gelenkdestruktion sowie Erhalt der Funktion. Wegweisend für den Paradigmenwechsel im Hinblick auf die therapeutischen Erwartungen waren die Ergebnisse aus der COMET-Studie (Combination of Methotrexate and
Etanercept in Active Early Rheumatoid Arthritis Trial) [6]. Für diese kontrollierte klinische Studie waren erstmals die beiden Parameter Remission (DAS28) und der radiologische Nachweis einer gestoppten Progression als primäre Endpunkte festgelegt worden. Patienten mit aktiver früher RA erhielten entweder eine Therapie mit einer Kombination aus Methotrexat (MTX) und Etanercept oder eine Monotherapie mit MTX. Tatsächlich erreichten nach einem Jahr 50 % der Patienten mit früher RA eine DAS28-Remission; bei 59 % kam die Röntgenprogression zum Stillstand [6]. Die Auswertung der COMET-Studie nach 2 Jahren bestätigt, dass die Vorteile einer Entanercept-Kombinationstherapie gegenüber einer Methotrexat-Monotherapie anhalten. Die 2-Jahres-Daten belegen eine dreifache Remission und damit die Wirksamkeit von Etanercept sowohl radiologisch, mit einer Remission bei 90 % der Behandelten, als auch eine funktionelle Remission bei 62 % der Behandelten (HAQ ≤ 0,5 nach 2 Jahren) sowie die klinische Remission von 57 % der Behandelten bezogen auf den DAS28 < 2,6 [8]. Biologika-Register: Real-Life-Daten aus der Praxis
Neben klinischen Studiendaten liegen zur Langzeitwirksamkeit und -sicherheit einer Therapie mit Biologika auch umfangreiche Daten aus verschiedenen nationalen und internationalen Registern vor, die in der Regel von unabhängigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften geführt werden. Diese prospektiven Langzeitbeobachtungen gelten als wichtige Quelle für Erkenntnisse zur Wirksamkeit und
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Sicherheit von Medikamenten unter Alltagsbedingungen und wurden zum Teil schon kurze Zeit nach der Einführung der ersten Biologika eingerichtet. Die im Versorgungsalltag gesammelten Daten haben den Vorteil, dass sie ohne strenge Einschlusskriterien den gesamten Patienten-Querschnitt erfassen, denn die medikamentösen Therapien erfolgen je nach individueller Situation des Patienten und Entscheidung des Behandlers. Außerdem ist die Beobachtungsdauer unbegrenzt und die Teilnehmerzahlen sind hoch. Das deutsche RABBIT gehört zu den Biologika-Registern der ersten Generation und wird seit dem Jahr 2000 geführt [9]. Es dient der Beobachtung des Krankheits- und Therapieverlaufs von Patienten mit RA und evaluiert die Wirksamkeit und Sicherheit von Biologika im Vergleich zu konventionellen Basistherapien. Die Daten aus dem deutschen Register mit über 10.000 erwachsenen Patienten zeigen über einen langen Beobachtungszeitraum übereinstimmend eine gute Effektivität der Biologika und dass die Therapie mit TNF-α-Inhibitoren trotz eines insgesamt gering erhöhten Risikos für schwerwiegende Infektionen auch unter Praxisbedingungen ein gutes Sicherheitsprofil aufweist [10]. Rechtzeitige Diagnosesicherung ist entscheidend
Für die Patienten sind eine frühe Diagnosesicherung und ein frühzeitiger Behandlungsbeginn wichtig, um eine Remission erreichen zu können. Die interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zum Management der frühen RA fordert daher, dass innerhalb der © VERLAG PERFUSION GMBH
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ersten 3 Monate nach Beginn der Beschwerden eine krankheitsmodifizierende Therapie begonnen werden sollte, weil gerade zu Beginn der RA radiologisch nachweisbare Gelenkdestruktionen am stärksten fortschreiten [11]. Die DGRh-Leitlinie empfiehlt initial bei einer frßhen RA Methotrexat (MTX). Wenn Patienten darauf nicht ausreichend ansprechen, sollte im nächsten Schritt die Zugabe eines weiteren DMARD erfolgen. Spätestens bei einem erneuten nicht hinreichenden Ansprechen ist die sehr wirksame Kombination MTX plus Biologikum einzusetzen. Das Ende der Hilflosigkeit
Das Blatt hat sich seit 2000 fĂźr die Rheuma-Patienten eindeutig gewendet: weg von der zu späten Diagnose, hin zu FrĂźharthritis-Sprechstunden, weg von den NSAR hin zum frĂźhen Einsatz von DMARDs und zur frĂźhen Kombinationstherapie mit Biologika und insbesondere weg von der Linderung, hin zum Therapieziel Remission. Heute erhalten rund 23â&#x20AC;&#x2020;% der Patienten mit einer gesicherten RA erhalten eine Therapie mit einem Biologikum [12]. Wie die Kern-
dokumentation der Regionalen Kooperativen Rheumazentren [12] zeigt, hat sich die Situation der RA-Patienten in den vergangenen Jahren eindrucksvoll verbessert: Die mittlere Dauer der Krankenhausaufenthalte von RA-Patienten ist von 3,7 Wochen im Jahr 1994 auf 1,8 Wochen im Jahr 2009 zurĂźckgegangen. Auch der Anteil der erwerbstätigen RA-Patienten ist in dieser Zeit gestiegen â&#x20AC;&#x201C; von den unter 65-jährigen RA-Patienten waren es in den letzten Jahren stabil Ăźber 50â&#x20AC;&#x2020;% der Männer und knapp unter 50â&#x20AC;&#x2020;% der Frauen. Und nicht zuletzt konnten die bei RA-Patienten erhĂśhten Mortalitätsraten durch eine Biologika-Therapie gĂźnstig beeinflusst werden, sodass sie heute nicht mehr hĂśher liegen als beim BevĂślkerungsdurchschnitt [13]. Brigitte SĂśllner, Erlangen Literatur 1 Anderson PJ. Tumor necrosis factor inhibitors: clinical implications of their different immunogenicity profiles. Semin Arthritis Rheum 2005;34(Suppl 1):19-22 2 Moots RJ et al. Differences in biologic dose-escalation, non-biologic and steroid intensification among three anti-TNF agents: evidence from clinical practice. Clin Exp Rheumatol 2011;29:26-34 3 Flood J. Tumor necrosis factor inhibitors in the treatment of chronic inflammatory dis eases. A review of immunogenicity and
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ie Auswahl an Medikamenten zur Behandlung von Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (MS) hat sich nach Jahren ohne Innovationen durch die Zulassung des ersten hocheffektiven und zugleich oralen Therapeutikums Fingolimod (Gilenya®) im März 2011 verbessert. Die Zulassung basiert auf dem bislang größten Studienprogramm für ein MS-Medikament mit insgesamt 4 Phase-III-Studien und 2 Phase-II-Studien. Allein in den klinischen Studien erhielten über 6.000 Patienten Fingolimod. Bis heute konnten weltweit mehr als 36.000 Patienten mit dem neuen MS-Arzneimittel behandelt werden, über 130 Patienten befinden sich inzwischen im 8. Behandlungsjahr betreut. Die guten Erfahrungen aus Studien ...
Mit Gilenya® wurde eine neue Behandlungsoption zugelassen, die einerseits hocheffektiv Schübe reduziert und andererseits durch die orale Anwendung das tägliche Leben leichter machen kann. Im Vergleich zu IFNβ-1a i.m. senkte Fingolimod die jährliche Schubrate bei behandlungsnaiven Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und bei vorbehandelten Patienten in der 12-monatigen TRANSFORMSStudie um 52 % (p<0,001) [1]. In der FREEDOMS-Studie verringerte es die Schubrate gegenüber Placebo nach 24 Monaten um 46 % (0,18 vs. 0,40; p<0,001) [2]. Das Risiko der Behinderungsprogression (bestätigt nach 3 Monaten) war gegenüber Placebo um 37 % reduziert. In beiden Studien war die Wirkung von Fingolimod auf Schubrate, Behinderungsprogression und MRT-Parameter un-
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Eine neue Option in der MS-Therapie – Fingolimod überzeugt mit Langzeitdaten
abhängig von Faktoren wie der Vorbehandlung (ja/nein) und der Krankheitsaktivität vor Studienbeginn [3]. Mit der Studie FREEDOMS II mit 1083 Patienten bestätigt eine dritte Phase-III-Studie die hohe Wirksamkeit von Fingolimod 0,5 mg. Im Vergleich zu Placebo war in einer Post-hoc-Analyse die jährliche Schubrate nach 24 Monaten um 48 % und das Risiko der bestätigten Behinderungsprogression um 34 % vermindert. Extensionsdaten der FREEDOMSStudie belegen die Wirksamkeit von Fingolimod über einen Zeitraum von bis zu 4 Jahren [4]. Bei den durchgehend behandelten Patienten war die Schubrate in den Monaten 24–48 ebenso gering wie in den ersten beiden Jahren. Bei den initial mit Placebo behandelten Patienten ging sie nach Umstellung auf Fingolimod um 55 % zurück (p<0,001). 59,3 % der durchgehend mit Fingolimod behandelten
Patienten erlitten während dieser Zeit keinen Schub. Das Hirnvolumen nahm bei ihnen bis Monat 48 signifikant weniger ab als bei Patienten, die zunächst Placebo erhalten hatten (–1,67 % vs. –2,24 %; p=0,001). Ergebnisse einer Phase-II-Extensionsstudie zeigen nach bis zu 7 Jahren eine anhaltend niedrige Krankheitsaktivität [5]: Bei durchschnittlich 0,16 Schüben pro Jahr – d.h., im Durchschnitt erlitt jeder Patient alle 6 Jahre einen Schub – waren mehr als die Hälfte der Patienten über den Beobachtungszeitraum schubfrei. ... bestätigen sich im Praxisalltag
Für die Patienten und uns Ärzte war die Einführung der ersten oralen Therapie vor einem Jahr natürlich mit großen Hoffnungen verbunden. Das vergangene Jahr haben wir daher genau hingeschaut, ob sich die
Fingolimod Fingolimod (Gilenya®) ist der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse, den Sphingosin-1-Phosphat-(S1P-)Rezeptor-Modulatoren. Das Arzneimittel reduziert die Zahl der autoaggressiven Lymphozyten im Blut. Gilenya® besitzt einen zielgerichteten Wirkmechanismus und wird 1x täglich als Kapsel oral eingenommen. Es führt zu einer Umverteilung der im Blut zirkulierenden Lymphozyten in die Lymphknoten. Wichtige Funktionen des Immungedächtnisses gewebsständiger Lymphozyten bleiben dabei unbeeinflusst.
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guten Erfahrungen aus den Studien auch im Praxisalltag und über einen langen Behandlungszeitraum bestätigen. Erste Daten des deutschen Patientenregisters PANGAEA (PostAuthorization Non-Interventional German Safety Study of Gilenya® in RRMS Patients) bestätigen in der täglichen Praxis das aus Studien bekannte günstige Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Fingolimod. Der klinische Gesamteindruck der aktuell knapp 1.300 auswertbaren Patienten verbesserte sich in den ersten 9 Monaten signifikant (p<0,00001). Ein Großteil der behandelnden Neurologen und auch der Patienten bescheinigten Fingolimod eine gute oder sehr gute Wirksamkeit. Prof. Dr. med. Volker Limmroth, Direktor der Klinik für Neurologie und Palliativmedizin, Ärztlicher Direktor, Klinikum Köln-Merheim
Literatur 1 Cohen JA et al. N Engl J Med 2010;3 62:402-415 2 Kappos L et al. N Engl J Med 2010; 362:387-401 3 Havrdová et al. 5. Kongress der „European and Americas Committees for Treatment and Research in Multiple Sclerosis” (ECTRIMS/ACTRIMS), Amsterdam, Niederlande, 19.–22. Oktober 2011, Poster P473 4 Kappos L et al. 64. Jahrestagung der „American Academy of Neurology“, New Orleans (USA), 21.–28.4.2012, Abstract S41.004 und Präsentation 5 Antel J et al. 64. Jahrestagung der „American Academy of Neurology“, New Orleans (USA), 21.–28.4.2012, Poster P01.129 6 Ziemssen T et al. 64. Jahrestagung der „American Academy of Neurology“, New Orleans (USA), 21.–28.4.2012, Poster P04.131
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Interferon beta-1a s.c. ab sofort mit erweiterter Zulassung für MS im Frühstadium Interferon beta-1a s.c. (Rebif®) verzögert bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS) den Übergang in eine Multiplen Sklerose gemäß den McDonaldKriterien signifikant im Vergleich zu Placebo. Das zeigen aktuell publizierte Daten der REFLEX-Studie*. Vor dem Hintergrund dieser positiven Ergebnisse wurde nun die Zulassung für Rebif® 3 x 44 μg auf Patienten erweitert, die frühe Anzeichen für eine MS zeigen, erweitert. „Lange Zeit galt das Paradigma‚ MS erst bei bleibenden Ausfällen zu behandeln, was jetzt aber nicht mehr haltbar ist. Zudem erlauben die neuen Kriterien die Diagnosestellung MS bereits beim ersten Schub (CIS), wenn das Kernspin alte und neue Herdsetzungen zeigt, erläuterte Prof. Dr. Ralf Gold, Bochum, auf der Pressekonferenz von Merck Serono und ergänzte: „Histopathologische Studien, die vor allem Gewebe zu diagnostischen Zwecken heranziehen, zeigen, dass die Krankheitsaktivität gerade zu Beginn am höchsten ist. Deshalb profitieren Patienten von einer möglichst frühen und effektiven
Behandlung.“ Dies hat sich auch in Therapiestudien bestätigt, in denen schon früh hohe Dosierungen von Immunmodulatoren verabreicht wurden. In der REFLEX-Studie senkte die Behandlung mit IFN beta-1a s.c. das Risiko für den Übergang in eine McDonald-MS um 51 % (3x 44 μg/Woche) bzw. 31 % (1x 44 μg/Woche) im Vergleich zu Placebo. Die Konversion in eine klinisch gesicherte MS (CDMS) konnte unter der hochfrequenten Gabe um 52 % und unter der niedrigfrequenten Gabe um 47 % im Vergleich zu Placebo reduziert werden. Auch alle MRT-basierten sekundären Endpunkte verbesserten sich signifikant im Vergleich zu Placebo, wobei die Behandlung mit 3x wöchentlich IFN beta-1a s.c. der 1x wöchentlichen Gabe überlegen war. Nebenwirkungen traten nur vorübergehend auf und waren schwach ausgeprägt. Auffällig war, dass hochfrequent behandelte Patienten seltener unter grippeähnlichen Symptomen und Fieber litten als in der niederfrequenten Gruppe. Damit wird das Konzept einer hochdosierten und hochfrequenten Therapie zusätzlich unterstützt: Neben einer verbesserten Krankheitsprognose profitieren Patienten auch von einer besonders verträglichen Behandlung, die zugleich die Therapietreue erhöht. F. S.
* Comi G et al. Comparison of two dosing frequencies of subcutaneous interferon beta-1a in patients with a first clinical demyelinating event suggestive of multiple sclerosis (REFLEX): a phase 3 randomised controlled trial. Lancet Neurol 2012;11:33-41
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er Morbus Cushing ist mit einer Prävalenz von ca. 35 pro Million Einwohner eine seltene Erkrankung. Ursache ist ein ACTH-produzierendes Adenom in der Hypophyse, wodurch es zu einer Überproduktion von Kortisol in der Nebenniere kommt. Der anhaltende Hyperkortisolismus führt zum einen zu typischen äußerlich sichtbaren Veränderungen wie Vollmondgesicht (Facies lunata), Stammfettsucht, Fettpolster im Nacken („Stiernacken“), rötlichen Dehnungsstreifen der Haut und proximaler Muskelatrophie (Abb. 1). Zum anderen geht der Morbus Cushing mit einer Reihe von Komorbiditäten einher, so vor allem Hypertonie, Diabetes mellitus und Osteoporose, aber auch Depressionen und kognitive Störungen, Zyklusstörungen und Libidominderung, Hyperlipidämie sowie Immunsuppression. Bei Nichtbehandlung des Hyperkortisolismus ist mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen; die mediane Überlebenszeit liegt unter 5 Jahren [1].
Somatostatin-Analogon Pasireotid: Erste medikamentöse Therapie für Patienten mit Morbus Cushing Behandlungseffekts, der eine zwischenzeitliche symptomatische Therapie erforderlich macht. Eine Möglichkeit, die überschießende Kortisolproduktion zu verringern, ist die Hemmung der Steroidsynthese in den Nebennieren. Dafür können verschiedene Substanzen eingesetzt werden, wie z.B. Ketoconazol, Metyrapon, Mifepriston, Mitotan oder Etomidat, die jedoch für diese Indikation nicht zugelassen sind und zudem bei längerer Einnahme zu einer Niereninsuffizienz führen können [3].
Andere Medikamente, die direkt an der ACTH-Produktion in der Hypophyse ansetzen, wie das Somatostatin-Analogon Octreotid sowie die Dopaminagonisten Bromocriptin oder Cabergolin, haben sich bei Morbus Cushing als nicht ausreichend wirksam erwiesen. Als Ultima ratio bleibt daher für viele Cushing-Patienten nur die operative Entfernung beider Nebennieren. Zwar wird mit diesem Eingriff der Hyperkortisolismus sofort beseitigt, da dann auch bei erhöhtem ACTH-Spiegel kein Kortisol mehr synthetisiert werden kann, die Pati-
Grenzen der bisherigen Therapie
Standardtherapie bei Morbus Cushing ist die Resektion des zugrunde liegenden Hypophysenadenoms. Allerdings ist die Rezidivrate mit 20–25 % ziemlich hoch [2]. Patienten, deren Hypophysenadenom nicht vollständig reseziert werden kann oder deren schwere Begleit erkrankungen eine chirurgische Resektion unmöglich machen, müssen daher mit alternativen Strategien behandelt werden. Eine davon ist die Strahlentherapie, die bei 50–60 % der Patienten zum Erfolg führt [3]. Problematisch dabei ist jedoch der lange Zeitraum (3–5 Jahre) bis zum Einsetzen des
Abbildung 1: Charakteristische Symptome bei Morbus Cushing.
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enten sind aber lebenslang auf eine Substitutionstherapie mit Kortisol und Mineralokortikoiden angewiesen und es besteht durch die dauerhafte Erhöhung der ACTHProduktion das Risiko für die Entwicklung eines Nelson-Syndroms. Pasireotid wirkt zielgerichtet am Hypophysenadenom
Für Patienten mit Morbus Cushing, für die ein chirurgischer Eingriff keine Option ist oder bei denen eine Operation fehlgeschlagen ist, steht seit dem 25. April 2012 mit dem Somatostatin-Analogon Pasireotid (Signifor®) eine medikamentöse Therapie zur Verfügung. Mit der Zulassung von Pasireotid wurde nicht nur eine Behandlungslücke geschlossen, sondern auch ein Meilenstein in der Behandlung von Cushing-Patienten erreicht, da sich dieser neue medikamentöse Ansatz gezielt gegen die Ursache der Erkrankung richtet – das zugrunde liegende Hypophysenadenom. Pasireotid ist ein Analogon des Hormons Somatostatin. Dieses wird vor allem in Pankreas und Darm gebildet und hemmt in der Hypophyse nicht nur die Freisetzung des Wachstumshormons (Somatropin), sondern auch die ACTH-bildenden Zellen. Diese Zellen, deren adenomatöse Wucherung den Morbus Cushing auslöst, exprimieren mehrere Rezeptoren für das wachstumshemmende Somatostatin, insbesondere den Subtyp sst5. Pasireotid bindet an 4 der 5 bekannten SomatostatinRezeptortypen und hat dabei – im Gegensatz zum natürliche Somatostatin oder anderen Analoga – eine besonders hohe Affinität zum Subtyp sst5. Dadurch kann dieses Somatostatin-Analogon zielgerichtet
zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden, die mit diesem Rezeptorsubtyp assoziiert sind. Bei Morbus Cushing beseitigt es die Ursache für die überschießende Kortisolbildung in den Nebennieren, indem es durch Bindung an die Somatostatin-Rezeptoren auf den Hypophysenadenomzellen die ACTH-Sekretion unterdrückt. Schnelle und anhaltende Senkung der Kortisolwerte
Die Wirkung von Pasireotid wurde in einer internationalen Phase-IIIStudie untersucht [4]. Eingeschlossen wurden 162 Cushing-Patienten, die für eine Hypophysenoperation nicht infrage kamen. Sie bekamen zweimal täglich 0,6 mg oder 0,9 mg Pasireotid subkutan injiziert. Primärer Endpunkt war die Normalisierung des freien Kortisolwertes im Urin (UFC) nach sechsmonatiger Behandlung. Pasireotid erwies sich in beiden Dosisgruppen als wirksam und führte bei fast allen Patienten zu einer Senkung der Kortisolwerte. Eine Normalisierung des UFC-Wertes nach 6 Monaten erreichten 14,6 % der Patienten im Studienarm mit 0,6 mg Pasireotid und 26,3 % der Patienten mit der höheren Dosierung. Bei 34 % der Patienten unter 0,6 mg und 41 % der Patienten unter 0,9 mg Pasireotid kam es zu einer mindestens 50%igen Reduktion der UFC-Werte. Im Median wurde der UFC-Wert nach 12 Monaten um 2 Drittel gegenüber dem Ausgangswert gesenkt (67,6 % unter 0,6 mg bzw. 62,4 % unter 0,9 mg). Unabhängig von der Dosierung zeigte sich ein schnelles Ansprechen: So konnten bereits nach 1–2 Monaten die Patienten identifiziert werden, die nicht auf die Therapie ansprachen.
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Signifikante Symptomkontrolle und Verbesserung der Lebensqualität
Die Unterdrückung der exzessiven Kortisolbildung wurde begleitet von einer deutlichen Verbesserung der Cushing-Symptome. Blutdruck und Gesamtcholesterin wurden ebenso gesenkt wie Körpergewicht und Body-Mass-Index. Mit sinkendem UFC-Wert erhöhte sich maßgeblich auch die Lebensqualität der Patienten. Im Durchschnitt nahm der Score der krankheitsbezogenen Lebensqualität (Cushing QoLD-Fragebogen) um 11,1 Punkte zu (95% KI: 6,8–15,5 %). Das Verträglichkeitsprofil entsprach dem der anderen Somatostatin-Analoga mit Ausnahme einer höheren Häufigkeit an Hyperglykämien. Diese traten vor allem bei Patienten mit Diabetes oder Prädiabetes auf. Die häufigsten Nebenwirkungen (≥10 %) über alle Grade in beiden Dosisgruppen waren: Diarrhö (58 %), Nausea (52 %), Hyperglykämie (40 %), Cholelithiasis (30 %) und Diabetes mellitus (18 %). Als häufigste Grad-3/4-Nebenwirkung wurde mit 13 % die Hyperglykämie, gefolgt von Diabetes mellitus (7 %) beobachtet. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Dekkers OM et al. Mortality in patients treated for Cushing’s disease is increased, compared with patients treated for nonfunctioning pituitary macroadenoma. J Clin Endocrinol Metab 2007;92:976-981 2 Tritos NA et al. Management of Cushing’s disease. Nat Rev Endocrinol 2011;7:279289 3 Mancini T et al. Treatment of Cushing’s disease: overview and recent findings. Ther Clin Risk Manag 2010;6:505-516 4 Colao A et al. A 12-month phase 3 study of pasireotide in Cushing’s disease. N Engl J Med 2012;366:915-924
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis
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Langzeittherapie mit Febuxostat schützt vor schwerwiegenden Folgen der systemischen Hyperurikämie
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ie symptomatische Hyper urikämie zählt zu den häufigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Durch die Ausfällung von Harnsäure aufgrund eines dauerhaft erhöhten Harnsäurespiegels kann es nicht nur zu den typischen Manifestationen der Gicht am Gelenksystem, sondern aufgrund der komplexen metabolisch-inflammatorischen Störung auch zu assoziierten renalen und kardiovaskulären Folgen kommen, die das Sterblichkeitsrisiko der Betroffen erhöhen und letztlich prognosebestimmend sind [1, 2]. An erster Stelle steht dabei die chronische Niereninsuffizienz, aufgrund von Harnsäureablagerungen in den Gefäßen kann sich aber auch eine arterielle Hypertonie mit all ihren kardiovaskulären Konsequenzen entwickeln [2]. Wie die Ergebnisse aktueller Untersuchungen zeigen, kann diesen Folgen der symptomatischen Hyperurikämie jedoch mit einer dauerhaften Senkung der Serumharnsäure entgegengewirkt werden [3]. Harnsäurespiegel unter 6 mg/dl senken
Die klinischen Manifestationen der Gicht sind auf die Ablagerung von Mononatriumuratkristallen zu-
rückzuführen. Werden diese vollständig aufgelöst und können sich keine neuen Kristalle mehr bilden, treten keine Gichtanfälle mehr auf. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Serumharnsäurespiegel unterhalb des Sättigungspunktes für Mononatriumurat liegen. In den evidenzbasierten Empfehlungen der Europäischen Liga gegen Rheumatismus (EULAR) wird dazu geraten, den Serumharnsäurewert auf ≤6 mg/dl (360 µmol/l) zu senken [4]. Wird dieser Zielwert dauerhaft unterschritten, gelingt es, die symptomatische Hyperurikämie in Remission zu bringen und Folgen und Risiken langfristig zu verhindern. Beim Erreichen dieses Ziels hat sich Febuxostat (Adenuric®) als moderne Therapieoption bei Patienten mit einer milden bis
moderaten Nierenfunktionsstörung erwiesen [3]. Überlegene Wirksamkeit im Vergleich zu Allopurinol
Die Wirksamkeit von Febuxostat wurde in mehreren Studien im Vergleich zu Allopurinol untersucht. Dabei war Febuxostat durchweg statistisch signifikant wirksamer als Allopurinol: In der APEXStudie erreichten 48 bzw. 65 % der Patienten mit dem neuen Medikament (80 bzw. 120 mg/d) den Endpunkt (Serumharnsäure <6,0 mg/dl bei den letzten 3-monatlichen Messungen) gegenüber 22 % unter Allopurinol. In der Ein-Jahres-Studie FACT waren es 53 bzw. 62 % versus 21 %. Der günstige Effekt blieb
Febuxostat Das neue Urikostatikum Febuxostat (Adenuric®) ist zugelassen zur Behandlung der chronischen Hyperurikämie bei Erwachsenen, die bereits Ablagerungen von Uratkristallen haben. Das 2-Aryl-ThiazolDerivat hemmt selektiv das Enzym Xanthinoxidase, das den oxidativen Umbau von Hypoxanthin zu Xanthin und weiter zu Harnsäure katalysiert. Infolge der Enzymhemmung werden vermehrt Hypoxanthin und Xanthin renal ausgeschieden, sodass der Harnsäurespiegel im Blut und Urin sinkt. Empfohlen wird die tägliche Einnahme einer 80-mg-Tablette Febuxostat. Sinken unter dieser Behandlung die Serumharnsäurewerte nach 2–4 Wochen nicht unter 6 mg/dl, kann die Tagesdosis auf 120 mg erhöht werden.
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis
in offenen Verlängerungsstudien über 3 Jahre erhalten. Hervorzuheben ist, dass dabei über 96 % der Patienten keine Behandlung wegen eines Gichtanfalls benötigten [5]. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Harnsäuresenkung invers mit dem Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR) korrelierte, d.h., je größer die Senkung der Serumharnsäure ist, desto stabiler ist auch die Nierenfunktion [6]. Für die Patienten bedeutet das letztlich eine deutliche Prognoseverbesserung. Brigitte Söllner, Erlangen
Literatur 1 Lottmann K et al. Association between gout and all-cause as well as cardiovascular Mortality: a systematic review. Curr Rheumatol Rep 2012;14:195-203 2 Tausche AK et al. Die Gicht als Systemerkrankung – Manifestationen, Begleit- und Folgeerkrankungen der Hyperurikämie. Z Rheumatologie 2012;71:224-230 3 Becker MA et al. The urate-lowering efficacy and safety of febuxostat in the treatment of the hyperuricemia of gout: the CONFIRMS trial. Arthr Res Ther 2010;12:R63 4 Zhang W et al.: EULAR evidence based recommendations for gout. Part II: Management. Report of a task force of the EULAR Standing Committee for International Clinical Studies Including Therapeutics (ESCISIT). Ann Rheum Dis 2006; 65:1312-1324 5 Fachinformation Adenuric®, Stand Januar 2012 6 Whelton A et al. Renal function in gout: long-term treatment effects of febuxostat. J Clin Rheumatol 2011; 17:7-13
Chronische Obstipation: Symptom, Nebenwirkung oder Befindlichkeitsstörung?
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ie chronische Obstipation stellt für die innere Medizin eine wirkliche Herausforderung dar. Denn wesentlich mehr Menschen als gemeinhin angenommen leiden unter einer gestörten Verdauung und sind in ihrer Lebensqualität dadurch erheblich beeinträchtigt. Dabei kann die Obstipation Symptom anderer schwerwiegender Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Diabetes mellitus sein. Regelmäßig tritt sie auch als Nebenwirkung einer Schmerztherapie mit Morphinpräparaten auf. Bei alten Menschen sind meist mehrere prädisponierende Faktoren gleichzeitig anzutreffen und erfordern eine individuelle Therapie. Das therapeutische Spektrum reicht mittlerweile weit über die Basistherapie mit „Lifestyle“-Empfehlungen, Flüssigkeits- und Ballststoffzufuhr hinaus und wurde durch die Entwicklung von Prokinetika und sekretionsfördernden Medikamenten entscheidend erweitert. So lässt sich durch die Behandlung mit dem Prokinetikum Prucaloprid (Resolor®) die Darmmotilität verbessern und die Verdauung aktivieren. Chronische Obstipation – ein häufiges Problem
Mit einer Prävalenz von 3–18 % ist die chronische Obstipation eine der häufigsten Beschwerden in
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der Allgemeinbevölkerung. Damit ist sie weit mehr als nur eine Befindlichkeitsstörung. Vielmehr können die mit einer chronischen Verstopfung einhergehenden Probleme die Lebensqualität des Betroffenen erheblich mindern. Dabei sind die Übergänge von einer noch hinzunehmenden gelegentlichen Verdauungsstörung hin zu einem Geschehen von wirklichem Krankheitswert fließend. Denn weniger objektive Parameter wie die Stuhlfrequenz bestimmen das Krankheitsgefühl als vielmehr die subjektive Beeinträchtigung durch starkes Pressen, das Gefühl der inkompletten Entleerung oder das Empfinden einer anorektalen Blockade. Die Ursache klären
Entscheidend ist, bereits zu Beginn der Diagnostik durch eine genaue Anamnese, ggf. mit Anlage eines Stuhl- bzw. Ernährungstagebuches, und durch die klinische Untersuchung inklusive rektal-digitaler Untersuchung zwischen einer Obstipation mit verlangsamter Dickdarmpassage („slow transit constipation“) und einer Obstipation bei anorektaler Entleerungsstörung („outlet obstruction“) zu differenzieren. Während bei der Transitstörung nur im Einzelfall eine weiterführende Diagnostik (Passage-Entleerungszeiten, gastro© VERLAG PERFUSION GMBH
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis
Motilitätsstörungen beim Diabetiker
Prucaloprid Prucaloprid (Resolor®) ist ein selektiver, hochaffiner Agonist für serotonerge Rezeptoren vom Typ 5-HT4 (5-Hydroxytryptamin Typ 4) direkt in der Darmwand. Durch die Bindung von Prucaloprid an die 5-HT4-Rezeptoren erfolgt eine präsynaptische Aktivierung cholinerger Synapsen, die daraufhin vermehrt den erregenden Transmitter Acetylcholin ausschütten. Acetylcholin wiederum stimuliert den peristaltischen Reflex und aktiviert direkt die Muskelzellen mit der Folge vermehrter Kontraktionen der Darmmuskulatur. Durch die Stimulation des enterischen Nervensystems hilft Prucaloprid, die natürliche Darmfunktion wieder herzustellen. Prucaloprid (Resolor®) ist zugelassen für Frauen mit chronischer Obstipation, bei denen Laxanzien keinen ausreichenden Therapieerfolg erzielen konnten. Eine aktuelle Zulassungsstudie prüft die Wirksamkeit bei Männern, die in den bisherigen Studien zahlenmäßig unterrepräsentiert waren. Die übliche Dosis beträgt 2 mg pro Tag, Frauen über 65 Jahre erhalten zunächst nur 1 mg pro Tag.
intestinale Motilität) angezeigt ist, sollte bei Verdacht auf Stuhlentleerungsstörungen immer eine proktologische und ggf. proktoskopische Untersuchung angeschlossen werden. Im Einzelfall kann diese Basisuntersuchung durch weiterführende Untersuchungen (anorektale Manometrie, anale Elektromyographie, Elektromyographie des N. pudendus, Defäkographie, Defäko-MRT, Ballonexpulsionstest) ergänzt werden. So können eine Beckenbodensenkung oder auch ein rektoanaler Prolaps erkannt oder sicher ausgeschlossen werden. Schlüsselstellung des Bauchhirns
Nach heutigen Vorstellungen ist die chronische Obstipation häufig die Folge von neuromuskulären oder neurosekretorischen Störungen, die mit sensorimotorischen Veränderungen einhergehen. Eine Schlüsselposition nimmt dabei das Nervengeflecht ein, das den Darm umspannt. Dieses „Bauchhirn“ besteht aus rund 100 Millionen Ner-
venzellen und ist damit größer als das Nervensystem im Kopf und im Rückenmark. Seine Aufgabe ist die Koordination der Verdauung, d.h. die Auswertung und der Weitertransport der zugeführten Nahrung. Grundlage dafür ist der peristaltische Reflex, der die Aktivierung und Hemmung der beteiligten Muskulatur steuert. Einer der zentralen Modulatoren dieser peristaltischen Aktivität ist das Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT), das von den enterischen Nerven in der Darmwand und insbesondere von den enterochromaffinen Zellen in der Darmschleimhaut gebildet und freigesetzt wird. Rezeptoren für 5-HT werden auf Zellen der Darmmuskulatur, der Darmschleimhaut sowie im Darmnervensystem exprimiert. Besonders die Rezeptoren 5-HT4 und 5-HT1P beeinflussen die nervale Aktivität und die Motilität. Die Stimulation dieser Rezeptoren fördert daher die Darmperistaltik und damit den Transport der Nahrung. Auf diesem Mechanismus beruht die Wirkung des Prokinetikums Prucaloprid.
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Die Polyneuropathie sowohl des autonomen als auch des peripheren Nervensystems ist mit einer Prävalenz von 20–30 % eine besonders häufige Folgekomplikation des Diabetes mellitus Typ I und Typ II. Daher leiden Diabetiker besonders häufig, nämlich zu 30–40 %, unter gastrointestinalen Beschwerden. Das Spektrum reicht von Übelkeit (20 %), Erbrechen (8 %) und Dysphagie (15 %) bzw. Schmerzen (20 %) am oberen Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt) bis zu Verstopfung (20%) und fäkaler Inkontinenz (10 %) am unteren GI-Trakt. Überwiegend handelt es sich um Manifestationen von Motilitätsstörungen im Sinne eines verzögerten gastrointestinalen Transits in allen Abschnitten des Verdauungskanals, die häufig parallel zur Entwicklung einer diabetischen Neuropathie, vor allem am vegetativen Nervensystem auftreten. Solche Motilitätsstörungen tragen häufig zu einer sehr labilen Stoffwechsellage bei. Umgekehrt hat eine normnahe Stoffwechseleinstellung einen günstigen Einfluss auf die autonome Neuropathie, was bei eingetretener Motilitätsstörung die Notwendigkeit einer supportiven, motilitätsregulierenden Therapie erforderlich macht. Die Verfügbarkeit des neuen Prokinetikums Prucaloprid ist daher für die Betroffenen eine vielversprechende Option. Chronische Obstipation beim Schmerzpatienten
Die Obstipation ist eine übliche Nebenwirkung einer Opioidtherapie, die zudem mit einer verzögerten Magenentleerung, Bauch© VERLAG PERFUSION GMBH
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis / WISSENSWERTES
krämpfen, Unterleibsschmerzen und harten und trockenen Stühlen einhergehen kann. Die opioidinduzierte Obstipation hält, wenn sie auftritt, während der gesamten Therapiedauer an und hat einen bedeutenden Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten. Opioide aktivieren Opioidrezeptoren im Gastrointestinaltrakt, vermindern die Freisetzung von Neurotransmittern, unterbrechen die rhythmischen Kontraktionen, die für eine normale intestinale Motilität notwendig sind und reduzieren die normale mukosale Sekretion. Für Schmerzpatienten kann das, neben der Schmerzerkrankung selbst, eine extreme Belastung darstellen, die mit schmerzhaften und unvollständigen Darmentleerungen und einem Gefühl der Darmobstruktion assoziiert sein kann. Schätzungen zur Häufigkeit der opioidinduzierten Verstopfung liegen je nach Substanz zwischen 15–90 % bei Patienten mit nicht tumorbedingten Schmerzen. Für den obstipierten Schmerzpatienten stehen verschiedene therapeutische Ansätze zur Verfügung. Meist werden Laxanzien verordnet, die jedoch nicht das zugrunde
Phospholipide und Omega3-Fettsäuren sind essenziell für mentale Fitness Bestimmte Mikronährstoffe in der Nahrung können die Gehirnfunktion positiv beeinflussen – so das Ergebnis wissenschaftlicher Studien [1–3]. Gerade für ältere Menschen ist die frühzeitige Versorgung mit Phospholipiden und Omega-3Fettsäuren wichtig: Sie fördern u.a. die Reizweiterleitung und können
liegende Problem behandeln. Ein gezielterer Ansatz ist die Anwendung von Opioid-Antagonisten. So wurde kürzlich Methylnaltrexon zur Therapie der opioidinduzierten Obstipation in Europa zugelassen. Es wird subkutan injiziert und führt etwa innerhalb von 4 Stunden zu einer Darmentleerung. Die Kombination von Naloxon und Oxycodon verbessert ebenfalls die Darmfunktion, ohne die analgetische Wirkung des Opioids zu vermindern. Auch für Prucaloprid konnten bei opioidinduzierter Obstipation eine Zunahme der Darmkontraktionen, eine Stimulation der proximalen Kolonmotilität und eine Beschleunigung der Magenentleerung, also insgesamt eine verdauungsfördernde Wirkung gezeigt werden. Obstipation im höheren Lebensalter
Obstipation ist eine Alterserkrankung – ihre Prävalenz steigt von etwa 15 % in der Bevölkerung auf bis zu 30 % bei über 84-Jährigen und sogar auf 80 % in Pflegeheimen an. Ursachen sind neben einer Mangel- oder Fehlernährung und leichten kognitiven Störungen entgegenwirken. Zusätzlich schützen Antioxidanzien vor oxidativem Stress und unterstützen so kognitive Prozesse. Für die Prävention von leichten kognitiven Störungen empfiehlt sich die Aufnahme von spezifischen Mikronährstoffen wie sie z.B. in Orthomol Mental® enthalten sind. Bessere Reizweiterleitung
Aufgrund seines hohen Anteils an ungesättigten Fettsäuren (DHA) ist
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Immobilisierung, insbesondere Erkrankungen wie Schlaganfall und Morbus Parkinson, aber auch die Einnahme obstipationsfördernder Medikamente. Die Therapieansätze müssen diese multifaktorielle Auslösung der Obstipation berücksichtigen und sollten zusätzlich zur Mobilisierung und Ernährungsumstellung auf faserreiche Kost auch das Training einer regelmäßigen Stuhlentleerung sowie schließlich auch eine Pharmakotherapie umfassen. Hierbei sollte eine genaue Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. In erster Linie sind neben Psyllium osmotische Laxanzien wie Lactulose oder Polyethylenglycol zu bevorzugen, die effektiv und sicher sind. Salinische oder die Darmwand reizende Stimulanzien wie Bisacodyl oder Senna sollten vermieden werden. Auch Prucaloprid wurde erfolgreich in großen Studien mit älteren Patienten getestet und zeigte positive Ergebnisse. Im Unterschied zu älteren Prokinetika tritt die bislang begrenzende Nebenwirkung der selektiven Serotonin-(5-HT4-)Rezeptoragonisten, die QTC-Verlängerung, unter Prucaloprid nicht auf. Elisabeth Wilhelmi, München das menschliche Gehirn besonders anfällig gegenüber Lipidperoxidation. Dieser Prozess kann die Biomembran schädigen, was sich wiederum negativ auf die Reizübertragung und Reizweiterleitung auswirken kann. Eine ergänzende Zufuhr von Phospholipiden und Omega-3-Fettsäuren – beides Bestandteile der Nervenzellmembranen – kann dem entgegenwirken: Sie liefern wichtige Membranbausteine von Nervenzellen und fördern die Reizweiterleitung [4]. In verschiedenen Studien konnte der positive Einfluss von Phospholi© VERLAG PERFUSION GMBH
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WISSENSWERTES
Mikronährstoffe für Gehirn, Konzentration und Gedächtnis Orthomol Mental® enthält eine spezifische Kombination aus Mikronährstoffen, die die mentale Leistungsfähigkeit fördern können. Phospholipide und Omega-3-Fettsäuren unterstützen die Reizweiterleitung und liefern wichtige Membranbausteine von Nervenzellen. Zusätzlich fördern Omega-3-Fettsäuren, L-Carnitin, Coenzym Q10 sowie B-Vitamine die Durchblutung und den Energiestoffwechsel des Gehirns. Vitamin C und E sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie Carotinoide schützen vor oxidativem Stress. Orthomol Mental® ist als Granulat oder Kapseln in Apotheken erhältlich.
piden auf kognitive Funktionen, wie Gedächtnis und Konzentration, gezeigt werden [5]. So auch bei Omega-3-Fettsäuren: Wissenschaftliche Untersuchungen legten dar, dass bei älteren Personen eine seefischreiche Ernährung mit einer besseren kognitiven Leistungsfähigkeit einhergeht [2]. Positives Signal für Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose:
G-BA bestätigt Zusatz nutzen von Pirfenidon Der Gemeinsame Bundesausschuss hat im März 2012 den Zusatznutzen von Pirfenidon (Esbriet®) in der Behandlung der leichten bis mittelschweren idiopathischen Lungenfibrose (IPF) bei Erwachsenen mit dem Nutzen der Stufe 4 (nicht quantifizierbar) festgelegt. Mit dieser Einstufung wird ein Zusatznutzen grundsätzlich anerkannt, jedoch kann das Ausmaß des Zusatznutzens, der zwischen Stufe 3 (gering) und Stufe 1 (erheblich) liegen kann, zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Klassifizierung erfolgte nach dem Bewertungssystem des deutschen Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG). Mit diesem verbindlichen Beschluss korrigiert der G-BA auch
Antioxidanzien erhöhen kognitive Leistung
Erwachsene mit einem hohen täglichen Obst- und Gemüse-Verzehr weisen eine höhere kognitive Leistung auf als Personen, die davon wenig zu sich nehmen. Dies zeigte eine Studie mit 193 Erwachsenen eine vorläufige Bewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom Dezember 2011. Das IQWiG konnte ursprünglich keinen Zusatznutzen für Esbriet® erkennen. Belegte Wirksamkeit und Sicherheit
Pirfenidon ist das einzige weltweit für die Therapie der IPF zugelassene Arzneimittel. Es reduziert die Akkumulation von Entzündungszellen und dämpft die Fibroblastenproliferation, die Produktion von fibroseassoziierten Proteinen und Zytokinen sowie die erhöhte Biosynthese und Ansammlung von extrazellulärer Matrix als Reaktion auf Zytokin-Wachstumsfaktoren. Das oral verfügbare Medikament ist seit dem 15. September 2011 in Deutschland erhältlich. Im Rahmen der frühen Nutzenbewertung konnte gezeigt werden,
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im Alter von 45–102 Jahren [3]. Dabei war bei Studienteilnehmern mit einer hohen Obst- und Gemüse-Aufnahme die Konzentration an Biomarkern für oxidativen Stress verringert. F. S.
Literatur
1 Gomez-Pinilla F. Brain foods: the effects of nutrients on brain function. Nat Rev Neurosci 2008;9:568-578 2 Nurk E et al. Hordaland Health Study. Am J Clin Nutr 2007;86:1470-1478 3 Polidori MC et al. High fruit and vegetable intake is positively correlated with antioxidant status and cognitive performance in healthy subjects, Alzheimers Dis 2009; 17:921-927 4 Cenacchi T et al. Cognitive decline in the elderly: a double-blind, placebo-controlled multicenter study on efficacy of phosphatidylserine administration. Aging Clin Exp Res 1993;5:123-133 5 Kidd PM. Phosphatidylserine; membrane nutrient for memory. A clinical and mechanistic assessment. Altern Med Rev 1996; 1:70-84
dass Pirfenidon bei IPF-Patienten das Risiko einer Krankheitsprogression senkt und sowie die Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit verlangsamt. So zeigen die Ergebnisse einer gepoolten Analyse zulassungsrelevanter Studien, dass Pirfenidon im Vergleich zu Placebo im 6-Minuten-Gehtest die Abnahme der Gehstrecke signifikant um 31 % (p<0,001) mindern konnte und gegenüber Placebo die Abnahme der forcierten Vitalkapazität (FVC) deutlich um rund 23 % (vom Sollwert; p=0,005) reduzierte. Eine unabhängige Analyse der Cochrane-Collaboration kommt zu dem Schluss, dass Pirfenidon einen klinisch signifikanten Behandlungseffekt auf die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens hat. Die reversiblen Nebenwirkungen der Therapie sind in Anbetracht der ungünstigen Prognose von IPF-Patienten vertretbar. B. S. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis
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as Komitee der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) hat zum Jahreswechsel 2011/2012 eine deutlich überarbeitete Version des GOLD-Reports veröffentlicht und damit einen Paradigmenwechsel im COPD-Management vollzogen: Die bisherige eindimensionale Klassifizierung nach dem FEV1-Wert trug der Komplexität der Erkrankung nicht ausreichend Rechnung; so liegt ein wesentlicher Schwerpunkt des GOLD-Updates nun mehrdimensional auf der Beurteilung sowohl der symptomatischen Belastung als auch des Exazerbationsrisikos [1]. Anpassung der Kriterien für die Schweregradeinteilung
COPD-Patienten wurden bisher in die GOLD-Schweregrade I–IV eingeteilt. Diese basierten auf der Einschränkung der Lungenfunktion, insbesondere des FEV1-Wertes. In der pneumologischen Praxis gibt es neben dem Grad der Ob struktion weitere Faktoren, die für COPD-Patienten von großer Bedeutung sind. Dazu gehören körperliche Belastbarkeit und Atemnot sowie bisherige Exazerbationen. Diese akuten Krisen der COPD beeinträchtigen Lungenfunktion und Lebensqualität anhaltend und können in schweren Fällen die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten verringern. Sie können in allen Stadien der COPD auftreten. Die ECLIPSE-Studie hat deutlich gemacht, dass bereits im mittelschweren COPD-Stadium das Exazerbationsrisiko signifikant erhöht ist und es zu häufigeren und schwereren akuten Krisen kommt [2]. Exazerbationsprophylaxe ist daher eines der Hauptziele der COPD-Therapie. Diese Erkennt-
GOLD-Update: Neue Richtlinie wird Komplexität der COPD besser gerecht nisse hat das GOLD-Komitee zum Jahreswechsel 2012 nun auch in einer deutlich überarbeiteten Version ihres Berichts „Globale Strategien zu Diagnose, Management und Vorbeugung von COPD“ niedergelegt [1]. Symptomschwere und Exazerbationsrisiko erhalten stärkeres Gewicht
Mit dem GOLD-Update hat ein Umdenken stattgefunden – weg von einer eindimensionalen Einteilung von COPD-Patienten nach der Einschränkung ihrer Lungenfunktion hin zu einer multivariaten Phänotypisierung. Das GOLD-Update klassifiziert COPD-Patienten nun basierend auf ihrer Symptomschwere und ihrem Exazerbationsrisiko in 4 Patientengruppen A bis D (Abb. 1). Die Schwere der Symp tome zum aktuellen Zeitpunkt wird anhand einfacher Fragebögen, z.B. des mMRC [3], ermittelt. Das in die Zukunft gerichtete Risiko für das Auftreten von Exazerbationen wird anhand zweier Parameter abgeschätzt: aus dem Grad der Ob struktion, gemessen wie bisher als FEV1-Wert, und der Exazerbationshistorie der letzten 12 Monate. Damit erhält die Stimme des Patienten ein stärkeres Gewicht und die individuelle Ausrichtung der COPDTherapie ist besser verankert.
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Im Praxisalltag läst sich das GOLD-Update relativ einfach umsetzen: Die Symptomschwere wird über Fragebögen strukturiert erfasst, die Spirometrie wird wie bisher durchgeführt und mithilfe der Unterlagen kann die Exazerbationsanamnese erhoben werden. So lässt sich bei überschaubarem Aufwand eine deutlich bessere Klassifizierung erzielen. Das GOLD-Update bündelt alle bisherigen Vorgehensweisen in einem strukturierteren Vorgehen im COPD-Management. Empfehlungen zum Start in die COPD-Dauertherapie
In der medikamentösen Therapie empfiehlt das GOLD-Update Patienten mit wenig Symptomen und niedrigem Risiko (Gruppe A) eine Bedarfstherapie mit kurzwirksamen Bronchodilatatoren. Alle anderen Patienten (Gruppen B bis D) werden mit einer langwirksamen Dauertherapie behandelt. Hierzu empfiehlt das GOLD-Update langwirksame Anticholinergika (LAMA). Tiotropium (Spiriva®) ist derzeit das einzige in Deutschland zur COPD-Therapie zugelassene LAMA. Bei Patienten mit hohem Exazerbationsrisiko (Gruppen C und D) kommt als gleichrangige Alternative zum LAMA eine Kombi© VERLAG PERFUSION GMBH
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis
res-Studie POET-COPD mit 7.376 COPD-Patienten im direkten Vergleich, dass das LAMA Tiotropium (Spiriva®, 1 x 18 µg HandiHaler®, Inhalationspulver) gegenüber Salmeterol aus der Klasse der LABA (2 x 50 µg Dosieraerosol) hinsichtlich der Reduktion von mittelschweren und schweren Exazerbationen signifikant überlegen ist [5]. Weiterhin große Bedeutung der nicht medikamentösen COPD-Therapie
Abbildung 1: GOLD-Update [1].
nation aus einem langwirksamen Beta-Mimetikum (LABA) und inhalativen Steroiden (ICS) in Betracht. Eine LABA-Monotherapie wird für Patienten der Kategorie B als gleichrangige Alternative zur LAMA-Therapie empfohlen. Die durchgängige Empfehlung für die Dauertherapie (Patientengruppen B bis D) gilt damit nur für langwirksame Anticholinergika mit Tiotropium als derzeit einzigem für die COPD-Therapie zugelassenem Vertreter in Deutschland. Die Position der LAMA im GOLDReport ist wesentlich auf die klinischen Daten zu Tiotropium zurückzuführen. Die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tiotropium sind mit über 10.000 Patien-
tenjahren in mehr als 30 kontrollierten Studien umfassend belegt [4]. Tiotropium bewirkt bei einmal täglicher Anwendung eine relevante und über 24 Stunden anhaltende Bronchodilatation und verringert die Lungenüberblähung anhaltend. Die körperliche Belastbarkeit wird gesteigert, die Obstruktion verringert und das Exazerbationsrisiko reduziert. Aktuell zeigte die 1-JahDie Neuerungen des GOLD-Reports stellen Boehringer Ingelheim und Pfizer interessierten Ärzten fundiert und praxisnah in Form eines eBooks auf der Webseite www.copd-aktuell. de vor.
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Über die medikamentöse Therapie der stabilen COPD hinaus geht das GOLD-Update intensiv auch auf die Rolle der nicht medikamentösen Therapie, wie Raucherentwöhnung, Rehabilitation und Influenza-Impfung ein. Körperliche Aktivität wird nach wie vor für alle COPD-Patienten empfohlen. Komorbiditäten werden deutlich stärker berücksichtigt, was der Komplexität der Erkrankung Rechnung trägt. In Summe repräsentiert das GOLDUpdate einen ganzheitlicheren Ansatz, der auch die Rolle des Hausarztes im Zusammenhang mit der Versorgung von COPD-Patienten betont. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease. Global strategy for the diagnosis, management and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. 2011. http://www.goldcopd.org/uploads/ users/files/GOLD_Report_2011Dec30.pdf 2 Hurst JR et al. N Engl J Med 2010;363: 1128-1138 3 Bestall JC et al. Thorax 1999;54:581-586 4 Celli B et al. Chest 2010;137:20-30 5 Vogelmeier C et al. N Engl J Med 2011; 364:1093-1103
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis
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atienten mit chronisch-ob struktiver Lungenerkrankung (COPD) leiden häufig gleichzeitig an Komorbiditäten, die Einfluss auf Lebensqualität und Lebenserwartung haben können [1]. Besonders oft treten in diesem Zusammenhang kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Schätzungen zufolge ist ein Drittel der Patienten von einer Form der Herzinsuffizienz betroffen [2]. Ein möglicher Grund ist die von der Lunge ausgehende Entzündung [3], die auf weitere Organe wie das Herz übergreifen kann [4, 5]. Mit dem Phosphodiesterase-4-Hemmer Roflumilast (Daxas®) steht ein Wirkstoff zur Verfügung, der gegen die COPD-spezifische Entzündung wirkt [6] und darüber hinaus positiven Einfluss auf Komorbiditäten haben kann [7, 8]. Dieser Zusammenhang wird derzeit weiter in Studien untersucht. Entzündungen nicht nur in der Lunge
Das Bild der COPD hat sich in den vergangenen Jahren durch neue Erkenntnisse zum Krankheitsgeschehen wesentlich verändert. Sie wird zunehmend als entzündliche Erkrankung mit signifikanten Auswirkungen über die Lunge hinaus wahrgenommen [9]. Seit Juli 2010 steht mit dem Phosphodieste rase-4-Hemmer (PDE4-Hemmer) Roflumilast der bisher einzige Wirkstoff zur Verfügung, der gezielt gegen die systemische Entzündung bei COPD wirkt [6], die vor allem durch das Einströmen von Neutrophilen in die Atemwege charakterisiert ist [10]. Ergebnisse aus früheren Studien zeigten bereits, dass die Entzündung der Lunge systemisch auf andere Organsysteme übergreifen und für
Einfluss von Roflumilast auf Komorbiditäten bei COPD Komorbiditäten wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes, Osteoporose, Depression und Krebs verantwortlich sein kann [4, 5]. Die antiinflammatorische Wirkung von Roflumilast könnte daher einen hohen Stellenwert haben, wie beispielsweise erste Untersuchungen zu den extrapulmonalen Effekten des PDE4-Hemmers bei kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes gezeigt haben [7, 8]. Diese und weitere Effekte des Wirkstoffs sollen nun durch weitere Untersuchungen verifiziert werden, unter anderem durch zwei nicht interventionelle Beobachtungsstudien [11]. Roflumilast in GOLD-Leitlinie empfohlen
Die aktuelle Leitlinie der GOLD („Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease“) empfiehlt entsprechend des gewandelten Krankheitsbildes inzwischen einen mehrdimensionalen Ansatz für die Therapie der COPD (siehe Beitrag auf S. 58f.) [1]. Sowohl die klinischen Symptome der Patienten und die Historie an Exazerbationen als auch das zukünftige Risiko für Exazerbationen und Krankenhauseinweisungen tragen zur Phänotypisierung bei. Patienten mit zwei oder mehr Exazerbationen in der Vergangenheit gehören hiernach zum Hochrisikokollektiv. Gemäß der Leitlinie und aktuellen
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Studiendaten profitiert insbesondere der Phänotyp des Häufig-Exazerbierers von der Dauertherapie mit Roflumilast. Bei gleichzeitiger Gabe eines langwirksamen Beta2-Agonisten (LABA) konnte die Zahl an Exazerbationen um 21 % gesenkt werden [12]. Die Number Needed to Treat (NNT) zur Vermeidung von Exazerbationen pro Jahr betrug in dieser Gruppe lediglich 3,2 [12], was bedeutsam ist für die Behandlung der Erkrankung, denn das häufige Auftreten von Exazerbationen erhöht das Risiko für eine Krankheitsprogression [13, 14]. Zudem bedeuten sie eine starke Belastung für Patienten, denn die Wiederherstellung der Lebensqualität kann viele Monate in Anspruch nehmen [15]. Auf Grundlage der aktualisierten GOLD-Leitlinie können Patienten nun noch individueller behandelt werden. Wechselwirkungen mit anderen häufig bei COPD verordneten Wirkstoffen wie Salbutamol, Formoterol oder Budenosid sind dabei nicht zu erwarten [16]. Auch die gleichzeitige Gabe von Theophyllin führte nicht zu einer klinisch relevanten Erhöhung der totalen PDE4-Hemmung, wird aber wegen fehlender Langzeitdaten nicht empfohlen [16]. Compliance der Patienten sichern
Die Therapie der COPD mit Roflumilast ist eine Langzeitbehand© VERLAG PERFUSION GMBH
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Aktuelle Therapiekonzepte Für die Praxis
lung, Patienten sollten daher über die Anwendung und mögliche Nebenwirkungen des Wirkstoffs entsprechend gut aufgeklärt werden. Obwohl der hochselektive PDE4Hemmer in Studien mit über 12.000 Patienten im Allgemeinen gut vertragen wurde, treten bei etwa 16 % der Patienten hauptsächlich in den ersten Wochen der Therapie vor allem gastrointestinale Beschwerden und Gewichtsverlust auf, die aber meistens im Verlauf der weiteren Therapie abklingen [16]. Gleichzeitig setzt die Wirkung von Roflumilast aber erst nach etwa 4–8 Wochen ein [16]. Um insbesondere zu Therapiebeginn die Compliance der Patienten zu sichern, sollten Patienten darüber entsprechend informiert werden. Auf diese Weise kann die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung in der Regel umfassend behandelt werden. Elisabeth Wilhelmi, München
Heilung fördern durch konsequente Wundreinigung
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ur eine saubere Wunde kann heilen. Am Anfang jeder Wundversorgung steht daher die sorgfältige Wundreinigung. Fremdkörper, abgestorbene und infizierte Gewebeanteile lassen sich jedoch meist nicht vollständig mechanisch entfernen. Daher muss mit entsprechenden Wundauflagen dafür gesorgt werden, dass schmutz- und keimhaltige Exsudate und Fibrinbeläge schonend aus der Wunde absorbiert werden. Mit den neuen Kompressen und Tamponaden UrgoClean wird die Wundreinigung noch einfacher und sicherer.
Literatur 1 Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease. Global strategy for the diagnosis, management and prevention of COPD. Revised 2011. www.goldcopd.org 2 Rutten FH et. al. Eur Heart J 2005; 26:1887-1894 3 Nussbaumer-Ochsner Y et al. Chest. 2011; 139:165-173 4 Agusti A et al. COPD 2008;5:133-138 5 Fabbri LM et al. Lancet 2007;370:797-799 6 Rabe KF. Br J Pharmacol 2011;163:53-67 7 Wouters EFM et al. Am J Respir Crit Care Med 2010;181:A4471 8 White W et al. Am J Respir Crit Care Med 2011;183:A3092 9 Couillard A et al. Rev Pneumol Clin 2011;67:143-153 10 Grootendorst DC et al. Thorax 2007;62: 1081-1087 11 Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP), #284 12 Bateman ED et al. Eur Respir J 2011; 38:553-560 13 Vogelmeier C et al. Pneumologie 2007;61; e1-e40 14 Wedzicha JD et al. Lancet 2007;370:786796 15 Seemungal TA et al. Am J Respir Crit Care Med 2000;161:1608-1613 16 Fachinformation Daxas® 500 µg Filmtabletten, Stand Januar 2012
Exsudatabsorption beschleunigt autolytische Wundreinigung
Die innovativen Wundauflagen bestehen aus widerstandsfähigen, hydroreinigenden Polyacrylatfasern, die sich durch eine besonders gute Absorption von Wundexsudat und fibrinösen Belägen auszeichnen und blutstillend wirken – Eigenschaften, die entscheidend zur autolytischen Wundreinigung beitragen. In Kontakt mit dem Wundexsudat bilden die Fasern von UrgoClean ein feuchtes Gel, das fibrinöse Be-
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läge anzieht, diese absorbiert und ableitet, ohne aber die Wunde auszutrocknen. Aufgrund seiner Zugfestigkeit lässt sich UrgoClean in einem Stück aus der Wunde entfernen. Die UrgoClean Kompresse ist zusätzlich mit einer mikroadhäsiven Lipidokolloid-Matrix (TLC) beschichtet, die die Positionierung der Wundauflage erleichtert und für schmerzfreie Verbandwechsel sorgt. Die UrgoClean Tamponade wird mit einer sterilen Applikationshilfe geliefert, die das Einbringen in tiefe Wunden erleichtert. Geeignet für chronische und akute Wunden
UrgoClean ist unmittelbar ab der Reinigungsphase für fibrinöse, exsudierende chronische Wunden (Ulcus cruris, Dekubitus, diabetisches Fußsyndrom) sowie für fibrinöse akute, postoperative und tumorbedingte Wunden geeignet. In klinischen Studien erfolgte der Verbandwechsel im Durchschnitt alle 3 Tage – bei bester Verträglichkeit der Wundauflage und hoher Akzeptanz. Brigitte Söllner, Erlangen
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Problematische Nutzenparameter, unklare Vergleichstherapien Frühjahrstagung der DGHO:
Onkologie in Deutschland: Innovationen zulassen, Expertise erhalten Um das hohe Niveau der Krebsversorgung in Deutschland zu halten, müssen Krebsspezialisten auch künftig in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen und innovative Therapien verordnen können, die von den Krankenkassen angemessen erstattet werden. Anlässlich ihrer Frühjahrstagung plädierte die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. (DGHO) für Verbesserungen bei der frühen Nutzenbewertung für Medikamente (AMNOG-Prozess) und für verstärkte Bemühungen um den Erhalt der Medizinischen Onkologie in Deutschland. Seit Inkrafttreten des Arzneimit telmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) unterlaufen neue Medikamente in Deutschland in Ergänzung zur Zulassung die sogenannte frühe Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Das Ergebnis entscheidet über die Art der Erstattung des jeweiligen Medikaments durch die Krankenkassen. „Die Befürchtungen, die wir im Vorfeld des AMNOG geäußert hatten, haben sich mit dem bisherigen Vorgehen bei der Nutzenbewertung leider bestätigt“, betonte Prof. Gerhard Ehninger, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO. Bei der DGHO-Frühjahrstagung in Berlin erläuterte er die wichtigsten Punkte, die die Fachgesellschaft für dringend überarbeitungswürdig hält. ,
Da ist zum einen die Gewichtung der Parameter, anhand derer der Nutzen eines neuen Medikaments bestimmt wird. Hier steht derzeit das Gesamtüberleben im Vordergrund. „Das Gesamtüberleben ist nur ein möglicher Parameter, der in vielen Fällen nicht ausreicht. Andere patientenrelevante Endpunkte wie die Lebensqualität finden aber zumindest in den bisherigen Bewertungen des IQWiG fast keine Berücksichtigung“, unterstrich Ehninger. Problematisch sei zudem, dass selbst breit akzeptierte Surrogatparameter für die Wirksamkeit bestimmter Medikamente vom IQWiG als nicht ausreichend validiert zurückgewiesen würden, beispielsweise die signifikante Senkung der Viruslast bei Hepatitis C als Surrogatparameter für die Verhinderung hepatozellulärer Karzinome. „Hier zeigt sich eine inakzeptable Diskrepanz in der Bewertung des medizinischen Fortschritts zwischen dem Institut und der wissenschaftlichen Community“, so Ehninger. Intransparent sei bei der Nutzenbewertung auch die Auswahl der Vergleichstherapien. Eine bessere Abstimmung von IQWiG und Zulassungsbehörden hält die DGHO gerade in diesem Punkt für unverzichtbar. Neben diesen formalen Kritikpunkten sieht die DGHO das Problem, die Nutzenbewertung könne zu Lasten der Krebserkrankten gehen. So können Studiendesigns, die in der palliativen Situation ein patientenfreundliches Cross-Over oder auch sequenzielle Nachtherapien erlauben, den tatsächlich bestehenden Nutzen einer Behandlung statistisch verwischen und damit die Nutzenbewertung erschwe-
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ren. „Es besteht die Gefahr, dass die Hersteller von Arzneimitteln solche Studiendesigns seltener einsetzen, was nicht im Interesse unserer Patienten sein kann“, folgerte Ehninger. Kritisch sieht auch Prof. Georg Marckmann vom Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin der LMU München das derzeitige Vorgehen bei der frühen Nutzenbewertung. Problematisch sei vor allem, dass der Nutzen eines Medikaments zu einem Zeitpunkt bewertet werden soll, an dem dieses aufgrund fehlender Erfahrungen im Versorgungsalltag nur eingeschränkt möglich ist. Eine frühe Nutzenbewertung sollte laut Marckmann deshalb nicht primär der Preisfestlegung, sondern der Identifizierung offener Fragen dienen, die im Anschluss in vom Hersteller unabhängigen Studien beantwortet werden können. Nötig ist ein Diskurs über die impliziten Werturteile
Marckmann äußerte auch Zweifel, ob das derzeitige Vorgehen bei der frühen Nutzenbewertung allen formal-ethischen Anforderungen genüge, die an einen solchen Prozess zu stellen seien. So fehle eine ausreichende Transparenz über die zugrunde liegenden Werturteile: „Eine frühe Nutzenbewertung ist ohne Werturteile nicht denkbar. Aber diese sollten klar benannt, nach Möglichkeit begründet und einem offenen Diskurs zugänglich gemacht werden.“ Zu den impliziten Werturteilen der frühen Nutzenbewertung, wie sie derzeit praktiziert wird, zählt Marckmann die Auswahl und Hierarchie der Zielgrößen, die Festlegung auf relative statt absolute Risiken sowie die Festlegung © VERLAG PERFUSION GMBH
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von Schwellenwerten und Konfidenzintervallen. Seitens der Politik signalisierte Dr. Rolf Koschorrek, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags, dass der AMNOG-Prozess mit der Etablierung der frühen Nutzenbewertung keinesfalls abgeschlossen sei: „Die frühe Nutzenbewertung wurde im AMNOG bewusst als lernendes System ausgelegt, um kleinteilige gesetzliche Regelungen zu vermeiden. Um das Verfahren weiterzuentwickeln, haben wir eine sehr engmaschige Beobachtung etabliert, bei der wir auch mit den Vertretern der betroffenen Unternehmen sprechen.“ Für die DGHO sicherte Ehninger eine konstruktive Mitwirkung bei der Weiterentwicklung der frühen Nutzenbewertung zu. Behandlung durch Spezialisten muss sichergestellt sein
Ebenfalls kontrovers diskutiert wurde bei der DGHO-Frühjahrstagung die Frage, wie in Deutschland sichergestellt werden kann, dass eine infolge des demografischen Wandels wachsende Zahl an Krebspatienten auch in Zukunft problemlosen Zugang zu Medizinischen Onkologen behält. Anders als in vielen anderen Ländern werden onkologische Patienten in Deutschland von einer Vielzahl unterschiedlicher Fachdisziplinen betreut, im Wesentlichen abhängig von dem Organ, in dem sich der Primärtumor befindet. Es gibt außerdem rund 600 Medizinische Onkologen, die als Spezialisten für systemische Tumortherapie und ganzheitliche Krebsversorgung vor allem in ambulanten Praxen wirken und die in zahlreichen Tumorboards vertreten sind.
Die derzeit breite Verfügbarkeit Medizinischer Onkologen gelte es im Interesse der Patienten unbedingt zu erhalten, betonte Prof. Martin Wilhelm von der Medizinischen Klinik 5 am Klinikum Nürnberg. „Für die onkologische Behandlung brauchen wir auch in Zukunft entsprechend ausgebildete Spezialisten. Eine onkologische Systemtherapie lässt sich nicht abends kurz vor dem Feierabend machen, wenn vorher den ganzen Tag operiert wurde.“ Prof. Martin Schuler, Medizinischer Onkologe im Direktorium des Westdeutschen Tumorzentrums am Universitätsklinikum Essen, warnte in diesem Zusammenhang vor einem drohenden Nachwuchsmangel in der Medizinischen Onkologie. Als Lehrstuhlinhaber seien Medizinische Onkologen eine vom Aussterben bedrohte Spezies: „Wir müssen unbedingt vermehrt eigenständige Lehrstühle für Medizinische Onkologie einrichten, um für die Herausforderungen gewappnet zu sein, vor denen wir in der Krebsversorgung stehen.“ Fabian Sandner, Nürnberg
Endoskopischer Ultraschall – von Experten für Experten Der diagnostische und therapeutische endoskopische Ultraschall (EUS) hat sich als interdisziplinäre „Königsdisziplin“ der Endoskopie etabliert. Die Akzeptanz des EUS im klinischen Alltag ist durch die überzeugende wissenschaftliche Evidenz in den etablierten Indikationsgebieten, durch die adäquate Erwähnung in aktuellen Leitlinien und durch die relativ breite Verfügbarkeit in hoher Qualität zu erklären – so das Fazit einer Fachpressekonferenz, die im Rahmen
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des 42. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren e.V. (DGEBV) stattfand. High-End-Technologie und einzigartiger Service für beste medizinische Diagnosen
Voraussetzungen für den Erfolg der Endosonographie ist nicht nur eine hohe Bildqualität, sondern auch eine hohe diagnostischer Sicherheit des Untersuchers. Damit beides gewährleistet ist, bietet der wegweisende Pionier im EUS Hitachi Medical Systems nicht nur Ultraschallplattformen mit höchstem technischen Niveau und bester Bildqualität an, sondern ebenso einen Rundum-Service. Unter dem Dach „EUS-Expert“ erhalten Ärzte und Kliniken High-End-Ultraschallgeräte für die Diagnostik und gleichzeitig die auf den jeweiligen Bedarf zugeschnittene Betreuung – beginnend von der Produkteinweisung durch Experten über das Training der Anwender und des Assistenzpersonals bis hin zur Wartung der Geräte. „Die Endosonographie ist die am schwersten erlernbare Methode der bildgebenden Diagnostik, denn die Schnittführung des endoskopischen Ultraschalls ist in keinem anatomischen Atlas zu finden“, erklärte Dr. med. Eike Burmester, Sprecher des Arbeitskreises Endosonographie der DEGUM. Deshalb hat es sich Hitachi zur Aufgabe gemacht, die Aus- und Weiterbildung der Ärzte auf dem Gebiet der EUS zu unterstützen und zu verbessern. Aufbauend auf seinem in über 20 Jahren erworbenen Spezialistenwissen und der intensiven Partnerschaft mit den Anwender hat das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der DEGUM ein EUS-Ausbil© VERLAG PERFUSION GMBH
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dungskonzept entwickelt mit dem Ziel, das Wissen der Experten von heute an die Experten von morgen weiterzugeben. Wie Burmester ausführte, ist ein integraler Bestandteil des Trainings die sichere Darstellung definierter anatomischer Leitstrukturen, um bei krankhaften Veränderungen die „Abweichung vom Normalen“ zu erkennen. Dabei werden die schwierige Lagebeziehung des Schallkopfs zu den anatomischen Leitstrukturen sowie deren Bewegung zueinander bei einem Manöver des Endoskops vermittelt. „Um das deutlich breitere Indikationsspektrum des longitudinalen endoskopischen Ultraschalls, verbunden mit diffizilen Eingriffen am menschlichen Körper, erfolgreich umsetzen zu können, sollte nachhaltig trainiert werden“, empfahl der Experte und ergänzte: „Die Ausbildungsprogramme der Industrie ermöglichen Updates und bieten den Anwendern damit einen Service zum Auffrischen ihrer Kenntnisse, was wiederum dem Wohle des Patienten dient.*“ Innovative Ultraschallplattformen: HI VISION Preirus und HI VISION Avius EUS-EXPERT
Hitachi hat sich bereits seit mehr als 2 Jahrzehnten auf den speziellen Bereich des endoskopischen Ultraschall fokussiert. Seine innovativen Ultraschall-Systeme bestechen nicht nur durch hochmoderne Technologie, wie z.B. die schnelle und einfache Bildoptimierung oder die Integration der endoskopischen Bildgebung über das Bild-in-BildVerfahren und die Möglichkeit der zentralen, gemeinsamen Speicherung aller untersuchungsrelevanten Daten, sondern auch durch die individuelle Anpassbarkeit und
professionelles Zubehör. Speziell entwickelte Ultraschall-Köpfe eröffnen neue Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie – ein Vorteil, den Dr. med. Christian Jenssen, Krankenhaus Märkisch-Oderland, hervorhob: „Ergänzungen wie die endosonographisch gezielte Punktion erweitern das Potenzial des EUS mit feingeweblicher Diagnostik und können falsch-negativ Befunde beträchtlich minimieren.” Durch ständige Weiterentwicklungen der Technik konnten sich neben den luminalen Aspekten des Gastrointestinaltrakts auch Untersuchungs- und Therapietechniken benachbarter extraintestinaler Organe etablieren. Heute kommt der EUS zur Diagnostik in der Gastroenterologie, Viszeralchirurgie und Proktologie zum Einsatz und inzwischen auch beim Staging und minimalinvasiven Eingriffen in der Hämato-Onkologie, Pneumologie und Endokrinologie. „Durch Ultraschallkontrastmittel und damit der Möglichkeit der „LiveBetrachtung“ der Mikroperfusion in den Organen wird die Technik des EUS einzigartig“, fasste PD Dr. med. Michael Hocke, Klinikum Meiningen, zusammen. Und Prof. Dr. med. Christoph F. Dietrich vom Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim ergänzte: „Interdisziplinarität ist das Stichwort.“ Nur die Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Experten kann diese innovative Diagnosetechnik nachhaltig weiterentwickeln, um Therapiemethoden festlegen und stets anpassen zu können – für die höchste Sicherheit und zum Wohle des Patienten. Elisabeth Wilhelmi, München * Aktuelle Kurse finden Sie unter: www. hitachi-medical-systems.de
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Rheumatoide Arthritis: Hausärzte und Rheumatologen gemeinsam für schnellere Diagnose und bessere Therapiekontrolle Schmerzen und Unbeweglichkeit der Gelenke sowie allgemeine Abgeschlagenheit und Erschöpfung – mit diesen Symptomen wenden sich viele Patienten erstmalig an ihren Hausarzt. Dieser kann anhand einer einfachen Tastuntersuchung und ersten Laborergebnissen schnell feststellen, ob ein Verdacht auf rheumatoide Arthritis vorliegt. Dann sollte der Patient beim Rheumatologen vorstellig werden. Dies ist umso wichtiger, da bei der entzündlich-rheumatischen Erkrankung eine rasche Diagnose und ein früher Therapiebeginn die Inflammation und letztlich die Gelenkzerstörung aufhalten können. Verordnet wird dafür in erster Linie eine Basismedikation, oftmals kombiniert mit einer niedrig dosierten Kortisongabe. So haben die Patienten eine gute Chance auf einen positiveren Krankheitsverlauf und eine aktive Lebensgestaltung mit weniger Einschränkungen im Alltag – sie profitieren also direkt von der guten Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Rheumatologen. Umsetzung der Zusammenarbeit in der Praxis
Dass diese Zusammenarbeit nicht nur in der Theorie funktioniert, sondern auch in der Praxis umgesetzt wird, berichtete Dr. Oliver Ranze, Allgemeinmediziner und Hausarzt aus Fulda, auf dem „Rheumatalk“ in Wiesbaden: „Ich betreue derzeit 12 Patienten mit rheumatoider Arthritis. Die meisten bekommen eine Basistherapie mit MTX und © VERLAG PERFUSION GMBH
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dazu niedrig dosiertes Kortison. Wenn durch den Rheumatologen eine Diagnose gestellt und eine Therapie begonnen wurde, sollte der Hausarzt diese fortführen, überwachen und den Verlauf der Erkrankung kontrollieren.“ Er sieht die Vorteile der Betreuung durch den Hausarzt vor allem darin, dass dieser die gesamte Krankengeschichte des Patienten kennt. In besonders schweren Fällen treten auch spezialisierte Kliniken auf den Plan. Prof. Peter Kern vom Klinikum Fulda betonte: „Eine stationäre Behandlung bei rheumatoider Arthritis ist immer dann angezeigt, wenn eine relevante Beteiligung innerer Organe vorliegt, eine Komplikation der Therapie im Sinne einer bedrohlichen Infektion oder Unverträglichkeit aufgetreten ist, die entzündlichen Schmerzen ambulant nicht beherrschbar oder ambulante Behandlungsmöglichkeiten aufgrund einer fortgeschrittenen Behinderung nicht mehr wahrnehmbar sind.“ Doch auch das Erkennen von Komplikationen und eine rasche Klinikeinweisung in Notfällen sind in der Regel nur möglich, wenn der Patient von einem funktionierenden Netzwerk betreut wird. Gute Kooperation auch im Interesse der Fachgesellschaften
Gerade in ländlichen Gegenden, wo nach wie vor Rheumatologen fehlen, ist die Qualifikation der Hausärzte im rheumatologischen Fachgebiet unbedingt notwendig. Je besser ein Hausarzt die ersten Anzeichen einer rheumatoiden Arthritis erkennt, umso gezielter kann er eingreifen – insbesondere wenn der Patient längere Zeit auf einen Termin beim Rheumatologen warten muss. Umgekehrt gibt
es durch die richtige Einschätzung seitens des Hausarztes weniger Fehlüberweisungen zum rheumatologischen Facharzt. Prof. Klaus Krüger, Rheumatologe aus München, nimmt an dieser Stelle auch die Kollegen aus den Fachgesellschaften in die Pflicht: „Um das Wissen der verschiedenen Fachgruppen optimal vernetzen zu können, sollten auch die einzelnen Gesellschaften wie die DGRh die Thematik fokussieren und zum Beispiel rheumatologische Fortbildungen für Hausärzte anbieten. In der DGRh wurde eine solche Entwicklung in Gang gesetzt.“ Davon dürften letztlich vor allem die Patienten profitieren, so Krüger weiter. Besonders effektive Entzündungshemmung
Allgemeinmediziner und Rheumatologen sehen in der Therapie mit niedrig dosierten Glukokortikoiden einen wichtigen Baustein einer erfolgreichen RA-Behandlung. Eine solche Langzeittherapie bietet gute Chancen, die Krankheitsaktivität bei rheumatoider Arthritis zu senken. Lodotra® (Prednison MR) verbessert die Aktivität von Patienten mit rheumatoider Ar thritis besonders effektiv, da es eine Entzündungshemmung exakt zum Zeitpunkt der ansteigenden Entzündungsaktivität in der Nacht ermöglicht: Das Medikament wird abends um 22 Uhr eingenommen und wirkt aufgrund seiner programmierten Freisetzung um 2 Uhr nachts. So können RA-Patienten mit deutlich reduzierten Beschwerden in den Tag starten und alltägliche Aktivitäten besser meistern, wie klinische Studien zeigen. Fabian Sandner, Nürnberg
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Mehr Therapiesicherheit bei der antientzündlichen Schmerztherapie Beim Pfizer-Symposium auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag, diskutierten Prof. Markus Gaubitz, Prof. Rainer Wigand und PD Dr. Michael Überall, welche Möglichkeiten die Behandlung mit traditionellen bzw. selektiven NSAR bieten und welche Risiken damit verbunden sein können. Eine entscheidende Rolle bei der medikamentösen Langzeitbehandlung mit Antiphlogistika spielt die Bewertung sowohl des kardiovaskulären als auch gastrointestinalen Risikos. Letztere Problematik gewinnt auch unter dem Aspekt vermehrt auftretender Anämien – ausgelöst durch Blutungen im unteren Gastrointestinaltrakt – immer mehr an Bedeutung. Nebenwirkungsprofil beachten
Die gesamte Substanzklasse der nicht steriodalen Antiphlogistika ist sehr gut wirksam. Alle NSAR lindern sehr gut Schmerzen und reduzieren die Entzündung, führte der Gastroenterologe Prof. Markus Gaubitz zu Beginn aus. Unterschiede gibt es hingegen in der Bewertung des Nebenwirkungsprofils. Die traditionellen NSAR wie Naproxen, Ibuprofen oder Diclofenac haben ein nicht zu unterschätzendes gastrointestinales Risiko, selbst wenn als Säureschutz Protonenpumpenhemmer (PPI) gegeben werden. Die CONDOR-Studie erlaubt eine explizite Gegenüberstellung einer Celecoxib-Monotherapie (2 x 200 mg, täglich) und einer Kombinationstherapie mit Diclofenac + Omeprazol bezüglich des gastrointestinalen Sicherheitsprofils. Es zeigte sich ein enormer © VERLAG PERFUSION GMBH
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Unterschied, führte der Rheumatologe Prof. Rainer Wigand aus. Die Patienten der Kombinationsgruppe bluteten 4-mal häufiger als unter Celecoxib. Zudem lässt die Compliance bei der Einnahme von PPI bei den Patienten oft nach kurzer Zeit nach. „Fast zwei Drittel nehmen die PPI nach der dritten Verordnung nicht mehr“, berichtete Wigand. So bleibt der gewünschte Schutzeffekt aus. PPI wie Ome prazol wirken zudem nur im oberen Gastrointestinaltrakt. Etwa 40 % der GI-Blutungsraten treten jedoch unterhalb des Treitz’schen Bandes auf. Dies ist besonders bedenklich, da die klinischen Ereignisse bei Beschwerden im unteren GI-Trakt höher zu bewerten sind, als im oberen GI-Trakt, räumte Gaubitz ein. Sowohl die Hospitalisierungsrate als auch die Mortalitätsrate sind hier signifikant erhöht. Celecoxib: Schutz im oberen und unteren GI-Trakt
Celecoxib dagegen entfaltet den Schutz auch im unteren GI-Trakt, wie in einer Untersuchung mithilfe der Videokapselendoskopie belegt werden konnte. 4334 Patienten erhielten in der prospektiven randomisierten Doppelblindstudie 2 Wochen lang entweder 2 x 200 mg täglich Celecoxib oder 800 mg Ibuprofen dreimal täglich plus 20 mg Omeprazol einmal täglich oder Placebo. Ein signifikant größerer Anteil der Teilnehmer unter traditionellen NSAR plus PPI entwickelte Dünndarm-Schleimhautdefekte (25,9 %) im Vergleich zu den Gruppen unter Celecoxib oder Placebo (6,4 % bzw. 7,1 %, p<0,001 vs. tNSAR). Der Unterschied zwischen Celecoxib und Placebo war nicht signifikant (p=0,776).
Häufig gibt es im Vorfeld jedoch keine Warnsignale für gastrointestinale Beschwerden seitens der Patienten. Bei 81 % zeigen sich vor Auftreten schwerwiegender gastrointestinaler Beschwerden keine Symptome. „Denn so wie der entzündungsbedingte Schmerz im Gelenk gedämpft wird, werden auch mögliche Schmerzen, ausgelöst durch Entzündungsreaktionen in Magen und Darm, unterdrückt“, erläuterte Wigand. Bei tNSAR auf Anämien achten
„Dabei hat nicht jeder Patient Blutungen, die eine akute Lebensbedrohung darstellen. Vielmehr sind es – gerade bei älteren Patienten – langfristige Sickerblutungen, die uns Sorgen machen“, so Wigand. „Durch den langsamen Blutverlust rutschen die Patienten in eine Anämie, und die wird für ältere Menschen schnell zu einem Risiko“, erläuterte er weiter. In diesem Zusammenhang führte Wigand die InCHIANTI Studie an, in der ein mit der Anämie einhergehender Abfall des Hb-Wertes mit einer deutlichen Verminderung der Leistungsfähigkeit korrelierte. Das bedeutet für die Praxis: Anämische ältere Patienten stürzen leichter, bedürfen öfter einer stationären Behandlung, bleiben länger im Krankenhaus und sterben auch früher. Kardiovaskuläres Risiko ist bei allen NSAR ähnlich hoch
Der Eingriff von NSAR in den Prostaglandinstoffwechsel führt nicht nur zur Schmerz-und Entzündungshemmung, sondern erhöht in geringem Maße auch das Risiko für kardiovaskuläre Nebenwirkungen. Die Erhöhung des Herzinfarkt-
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risikos gilt dabei jedoch für alle NSAR, also auch für die traditionellen NSAR wie Diclofenac und Ibuprofen. Die einzige Ausnahme bildet Naproxen, ein Medikament, das jedoch unter GI-Aspekten wiederum sehr kritisch zu sehen ist. Die kardiovaskuläre Risikoerhöhung sollte laut Wigand aber insgesamt nicht überbewertet werden. Man kann von 3–4 kardiovaskulären Ereignissen pro 1.000 Patientenjahre ausgehen. Das entspricht etwa dem Risiko von Patienten, die 3–4 Zigaretten am Tag rauchen. Praxisfragebogen zur Therapiesicherheit bei entzündungsbedingten Schmerzen
Bei der Wahl der richtigen Therapie komme es, so PD Michael Überall, im Einzelfall immer auf den jeweiligen Patienten und sein persönliches Risikoprofil an. Um die Therapiesicherheit bei der Behandlung von entzündungsbedingten Schmerzen zu stärken, entwickelte Überall in Zusammenarbeit mit der DGS den „DGS-Praxisfragebogen zur Therapiesicherheit bei entzündungsbedingten Schmerzen“. Für die Ärzte ist es nun möglich, anhand weniger Fragen das entsprechende Risikoprofil näher zu bestimmen und daraus Rückschlüsse für eine adäquate Therapie zu ziehen. Der Fragebogen kann über die Pfizer GmbH, unter Angabe der Versandadresse, kostenlos unter der Faxnummer 0211/51 60 45 249 bezogen werden. Fabian Sandner, Nürnberg
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Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom:
Therapie mit Cabazitaxel bewährt sich im klinischen Alltag Mit Cabazitaxel (Jetvana®) steht eine wichtige Therapieoption für Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) nach DocetaxelVersagen zur Verfügung. Für die Substanz ist nicht nur ein signifikanter Überlebensvorteil belegt, Cabazitaxel ist in der klinischen Anwendung auch hinsichtlich der Nebenwirkungen gut zu handhaben, betonten Experten anlässlich des diesjährigen Deutschen Krebskongresses (DKK) in Berlin. Daten aus dem klinischen Alltag zeigen, dass sich das Wirksamkeitspotenzial von Cabazitaxel mit einem proaktiven Nebenwirkungsmanagement für die Patienten voll nutzen lässt, sodass die Patienten nicht nur länger, sondern auch unter Wahrung einer adäquaten Lebensqualität überleben. Neues Taxan schließt therapeutische Lücke
Über 80 % aller Prostatakrebserkrankungen werden entdeckt, solange der Tumor sich in seiner Ausbreitung noch auf die Prostata und umliegende Organe beschränkt; bei 10–20 % der Patienten wird der Krebs jedoch erst im metastasierten Stadium diagnostiziert. Bei vielen von ihnen schreitet die Erkrankung trotz vorausgegangener Chemotherapie weiter fort. Auch die Unterdrückung der männlichen Geschlechtshormone, die das Wachstum von Prostatakrebszellen fördern, bringt den Krebs meist nicht zum Stillstand. Die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten
mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom sind also ziemlich begrenzt. Eine neue Behandlungsoption, das Taxan Cabazitaxel, kann diese therapeutische Lücke schließen, wie Erfahrungen aus der Praxis zeigen. „Wir haben in unserer Praxis mittlerweile 11 Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom mit Cabazitaxel behandelt und gute Erfahrungen mit der Substanz gemacht“, erläuterte Dr. med. Bernhard Heinrich, niedergelassener Onkologe aus Augsburg. Fast alle Patienten waren bereits intensiv vorbehandelt, hatten unter anderem Docetaxel erhalten und waren mehrheitlich über 70 Jahre alt. Alle 11 Patienten profitierten von der Behandlung mit Cabazitaxel. Weder das Alter noch die intensive Vorbehandlung sprechen laut Heinrich gegen den Einsatz von Cabazitaxel. Ebenso wenig sieht er eine Kontraindikation gegen Cabazitaxel bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion: „Wir haben alle unsere Patienten mit der vollen Cabazitaxel-Dosis plus Prämedikation behandelt.“ Eine sinnvolle prophylaktische Maßnahme ist laut Heinrich die Gabe von G-CSF bei Patienten mit 2 oder mehr Vortherapien. „Wir geben den Patienten 5 Injektionen im
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ersten Zyklus jeden zweiten Tag.“ Darüber hinaus empfiehlt der Onkologe, den Patienten prophylaktisch ein Rezept für Loperamid und Ciprofloxacin mitzugeben, um rechtzeitig intervenieren zu können, falls es in seltenen Fällen zu Durchfall kommt. Sichere Behandlung mit proaktivem Patienten-Management
„Mit diesem proaktiven Nebenwirkungsmanagement kommen unsere Patienten gut zurecht“, betonte Heinrich. „Wir überblicken jetzt 61 Therapiezyklen und haben lediglich in 2 Zyklen eine febrile Neutropenie beobachtet; in beiden Fällen hatten die Patienten die G-CSF-Injektion vergessen.“ Insgesamt haben alle 11 Patienten die Behandlung mit Cabazitaxel gut vertragen. 6 der 11 Patienten sind nach 3–10 Monaten Therapie noch am Leben, bei allen konnte ein PSA-Ansprechen unter Cabazitaxel beobachtet werden. Bei 7 Patienten kam es zu einer deutlichen Schmerzreduktion. Die eigenen Erfahrungen, so Dr. Heinrich, stimmen mit den Daten aus dem Compassionate Use Programm (CUP) überein, die letztes Jahr erstmals vorgestellt wurden. Auch
Cabazitaxel Cabazitaxel (Jetvana®) ist ein neuartiges Taxan, das auch bei Zelllinien wirksam ist, die normalerweise nicht mehr auf Taxane ansprechen, also taxanresistent sind. Es konnte gezeigt werden, dass Cabazitaxel die Zellteilung und Tumorzellproliferation hemmt, indem es an Tubulin bindet und dieses stabilisiert. Tubulin ist ein Protein in den Mikrotubuli von Zellen, die unter anderem für die Aufrechterhaltung der Zellform und die Zellteilung zuständig sind. Cabazitaxel wurde bereits 2010 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) in einem beschleunigten Verfahren zugelassen; am 17. März 2011 wurde durch die EMA auch die Zulassung für Europa erteilt.
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im Rahmen des CUP lag die Nebenwirkungsrate und speziell die Neutropenierate deutlich niedriger als in der Zulassungsstudie TROPIC. „Wir haben gelernt, mit Cabazitaxel im klinischen Alltag umzugehen“, unterstrich Heinrich. Dies sei wichtig, um den Patienten den vollen Nutzen der Behandlung zukommen zu lassen. Insbesondere Patienten, die ein schnelles Therapieansprechen benötigen, sowie jene, die auf die Vortherapie mit Docetaxel gut angesprochen haben, profitieren von Cabazitaxel und sollten laut Heinrich auch damit behandelt werden. Fabian Sandner, Nürnberg
TNF-α-Inhibitoren zeigen Unterschiede in der Immunogenität Die Wirksamkeit und Sicherheit der TNF-α-Inhibitoren in der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA) und anderer entzündlichrheumatischer Erkrankungen ist nach über 12 Jahren Einsatz in der Praxis gut dokumentiert. Während die meisten TNF-α-Inhibitoren auf monoklonalen Antikörpern basieren, ist Etanercept (Enbrel®) bis heute das einzige humane lösliche TNF-α-Rezeptorfusionsprotein, dessen Bindungsdomänen für TNF-α weitgehend denen der natürlicherweise im Körper vorkommenden TNF-α-Rezeptoren entsprechen. Vermutlich ist aus diesem Grund der Wirkstoff nicht mit der Bildung neutralisierender Antikörper assoziiert. Während einer Presseveranstaltung in Berlin erläuterte PD Dr. med. Peter Willeke, Münster, die wissenschaftlichen Hintergründe zur Immunogenität von therapeutischen Proteinen
sowie zur Entstehung von AntiDrug-Antikörpern und den daraus resultierenden Konsequenzen für die therapeutische Praxis.
assoziiert. Es scheint keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von nicht neutralisierenden Antikörpern und dem klinischen Ansprechen zu geben.
Immunogenes Potenzial
Jedes Fremdprotein, das in den Körper gelangt, besitzt ein immunogenes Potenzial – so auch therapeutische Proteine wie die TNF-α-Antagonisten. Das Ausmaß der Immunogenität ist von verschiedenen Faktoren abhängig, zum Beispiel von der Molekülgröße, der chemischen Struktur, aber auch von der Applikationsart, der Kombinationstherapie mit einem DMARD und von individuellen Faktoren, die von Patient zu Patient variieren können. „Gemeinsam ist allen TNF-α-Inhibitoren, dass sie den Entzündungsmediator TNF-α binden und ihn dadurch ausschalten. Obwohl alle diese Wirkstoffe die gleiche Funktion ausüben, unterscheiden sie sich in ihrer Molekülstruktur, in ihrem Wirkmechanismus und ihrem pharmakologischen Profil. Daraus resultieren auch Unterschiede in ihren immunogenen Eigenschaften“, erklärte Willeke. Im Allgemeinen besitzen humane therapeutische Proteine (wie monoklonale Antikörper oder Rezeptorfusionsproteine) eine geringere Immunogenität als murine oder chimäre Proteine. Etanercept ist ein rekombinantes, humanes lösliches TNF-α-Rezeptorfusionsprotein, das gentechnologisch in Ovarialzelllinien des chinesischen Hamsters hergestellt wird. Die Bindungsdomänen von Etanercept entsprechen weitgehend denen der natürlicherweise im Körper vorkommenden TNF-α-Rezeptoren. Etanercept ist nicht mit der Bildung neutralisierender Antikörper
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Anti-Drug-Antikörper und neutralisierende Antikörper
Jedes Fremdprotein – so auch therapeutische Proteine wie die TNFα-Inhibitoren – können je nach immunogenem Potenzial die Bildung von Antikörpern induzieren. Bei Antikörpern, die gegen einen Wirkstoff gerichtet sind, spricht man von Anti-Drug-Antikörpern (ADA). Sie können die Wirksamkeit des Medikaments vermindern, indem sie zum Beispiel durch Komplexbildung die Elimination des Wirkstoffs aus dem Körper beschleunigen. ADA können darüber hinaus Nebenwirkungen hervorrufen, die auf allergischen oder anaphylaktischen Reaktionen beruhen. Ebenso können sie eine Immunantwort auslösen, die zu einer Autoimmunität führen kann. Die mutmaßlichen immunogenen Strukturen für die Anti-Drug-Antikörperbildung unterscheiden sich zwischen den einzelnen monoklonalen Antikörpern. Bei Infliximab bestehen diese wahrscheinlich aus Epitopen auf der Gerüstregion des murinen Teils des FabFragments, bei Certolizumab aus murinen Epitopen in der Antigenbindungsstelle des Fab-Fragments, bei Adalimumab und Golimumab aus Idiotypen der variablen Region des Fab-Fragments. Wenn die Anti-Drug-Antikörper-Bindung die Bindungsstelle für TNF blockiert, spricht man von neutralisierenden Antikörpern, da diese die Wirksamkeit vermindern können. Bei Etanercept liegt die primäre immunogene Struktur für die © VERLAG PERFUSION GMBH
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Anti-Drug-Antikörper-Bindung in der Gelenkregion zwischen der extrazellulären Domäne des TNF-Rezeptors und dem Fc-Teil. Die Blockierung der TNF-αBindungsstelle durch Anti-DrugAntikörper und eine damit verbundene Neutralisierung der Wirkung ist daher unwahrscheinlich. Klinische Relevanz von Anti-Drug-Antikörpern
„Anti-Drug-Antikörper können den Wirkstoff-Serumspiegel senken. In klinischen Studien sind die Serumspiegel der Patienten umso niedriger, je höher der Anti-DrugAntikörpertiter ist. Die Reduktion der klinischen Effekte durch das Auftreten von Anti-Drug-Antikörpern kann sich bereits wenige Wochen nach Therapiebeginn zeigen“, sagte Willeke. In mehreren klinischen Studien zu Etanercept, Infliximab und Adalimumab wurde untersucht, ob das Auftreten von Anti-Drug-Antikörpern mit einer verminderten Wirksamkeit dieser TNF-α-Inhibitoren verbunden ist. Sowohl für Infliximab als auch für Adalimumab gibt es Hinweise auf eine Korrelation zwischen dem Auftreten von Anti-Drug-Antikörpern und einem Verlust der Wirksamkeit der TNF-α-Therapie bei den untersuchten Patienten. „Für Etanercept ist diese Korrelation bislang nicht nachzuweisen“, so Willeke. Allerdings variieren je nach verwendeter Messmethode, untersuchtem Patientenkollektiv, Erkrankung und Komedikation die Häufigkeit des Auftretens von Anti-Drug-Antikörpern. „Bei Etanercept scheint kein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Antikörpern und dem klinischen Ansprechen zu bestehen. Studien dokumentieren, dass
die Anzahl der Patienten mit AntiDrug-Antikörpern bei Etanercept gering ist und dass keiner der nachgewiesenen Antikörper neutralisierend wirkte“, berichtete Willeke. Elisabeth Wilhelmi, München
Postmenopausale Osteoporose: Langfristiger Frakturschutz durch Strontiumranelat Für Frauen mit postmenopausaler Osteoporose stellt Strontiumranelat (Protelos®) eine hocheffektive Therapieoption dar. Es fördert in vitro den Knochenaufbau und bremst die Knochenresorption, führt zu einer verbesserten Mikroarchitektur des Knochens und ermöglicht hierdurch einen langfristigen Frakturschutz über bis zu 10 Jahre. Neue Daten zu Strontiumranelat und aktuelle Aspekte rund um die Osteoporose wurden anlässlich des Osteologie-Kongresses 2012 in Basel auf einem Symposium von renommierten Experten in kurzen Impulsvorträgen vorgestellt und anschließend zur Diskussion freigegeben. Biopsiedaten belegen Wirksamkeit
Dass Knochenbiopsien auch heute noch sowohl zur Abklärung unsicherer Diagnosen als auch in Studien zu Wirkmechanismen und Therapieeffekten spezifischer Antiosteoporotika eine wichtige Rolle spielen können, verdeutlichte Prof. Dr. Michael Amling, Hamburg. Er verwies auf die Daten der bislang größten vergleichenden Knochen-
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biopsiestudie, an der 268 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose teilgenommen hatten. Nach 12 Monaten zeigte sich, dass unter Strontiumranelat (2 g/Tag) sowohl die mineralisierende Knochenoberfläche, die Wachstumsrate des mineralisierten Knochens als auch die Knochenformationsrate jeweils signifikant größer waren als unter Alendronat (70 mg/Woche). Untermauert werden diese Erkenntnisse durch weitere Biopsiedaten zu Strontiumranelat, die im Rahmen einer oftmals nach antiresorptiver Vorbehandlung mit Bisphosphonaten erforderlichen sequenziellen Monotherapie von besonderer Relevanz sind. Laut Amling konnte in einem aktuellen Fallbeispiel einer mit Therapiepausen für 7,5 Jahre mit Bisphosphonaten behandelten Patientin nach dem Wechsel auf Strontiumranelat eine deutliche Verbesserung von verschiedenen Parametern der Knochenstruktur nachgewiesen werden. Vergleichbar positive Effekte auf die Knochenstruktur hatte zuvor bereits eine Biopsiestudie mit 10 Patientinnen demonstriert, in der das ebenfalls sequenziell nach antiresorptiver Alendronat-Vorbehandlung verordnete Strontiumranelat nach 12 Monaten zu einem signifikanten Anstieg des Knochenvolumens und der trabekulären Dicke führte. HR-pQCT zeigt Verbesserung der Knochenmikroarchitektur
Während in der täglichen Praxis die Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) trotz aller Limitationen weiter den Standard für Diagnostik und Verlaufskontrolle darstellt, bietet das moderne Verfahren der hochauflösenden Mikro-Compu© VERLAG PERFUSION GMBH
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tertomografie (HR-pQCT) zusätzlich die Möglichkeit, präzise Informationen zur Mikroarchitektur des Knochens zu erhalten, betonte Prof. Dr. Dieter Felsenberg, Berlin. Mit der HR-pQCT wurden über 2 Jahre hinweg bei 88 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose die Effekte von Strontiumranelat und Alendronat auf die Knochenmikrostruktur der Tibia bestimmt. Nach 24 Monaten zeigte sich unter Strontiumranelat eine signifikante Zunahme sowohl der kortikalen Dicke um 6,3 % als auch des trabekulären Knochenvolumens um 2,5 %, während unter dem Bisphosphonat kein signifikanter Anstieg dieser Parameter verzeichnet wurde. Dass sich die positiven Effekte von Strontiumranelat auf die Knochenmikroarchitektur bei einem langfristig guten Sicherheitsprofil auch in einem andauernden Frakturschutz niederschlagen, bestätigen nach den Worten Felsenbergs die 10-Jahres-Daten einer offenen Fortführung der beiden großen randomisierten kontrollierten Phase-III-Studien SOTI und TROPOS. Bei den durchgehend mit Strontiumranelat behandelten Patientinnen wurde ein signifikanter Anstieg der Knochendichte an der Lendenwirbelsäule um 34,5 % dokumentiert. Wichtigstes Ergebnis: Nach 10 Jahren wurde für Strontiumranelat im Vergleich zu einer angepassten Placebogruppe eine signifikante relative Risikoreduktion für vertebrale und nicht vertebrale Frakturen um 35 bzw. 38 % ermittelt. Bemerkenswert ist hierbei, so erläuterte Felsenberg, dass im zeitlichen Verlauf über die Behandlungsjahre 0–5 und 6–10 keine signifikante Abschwächung des Frakturschutzes gesehen wurde. Elisabeth Wilhelmi, München
Akutnitrate machen die Rehabilitation bei KHK-Patienten erfolgreicher Bei akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen sichert die kardiologische Rehabilitation langfristig die berufliche und gesellschaftliche Wiedereingliederung. Sportliche Betätigung hat dabei eine zentrale Bedeutung. Die prophylaktische Gabe von Akutnitraten wie Nitrolingual® hebt die Angina-pectorisSchwelle an und steigert die symptomfreie körperliche Belastbarkeit. Die Vermeidung belastungsinduzierter Angina-pectoris-Anfälle erhöht die Bereitschaft, sich einem regelmäßigen körperlichen Training zu unterziehen. Dieses Fazit zog Prof. Dr. Rainer Hambrecht (Bremen) auf einem Pressegespräch der Firma Pohl-Boskamp. Sport ist ebenso wichtig wie die medikamentöse Therapie.
„Neben der Lebensstiländerung ist die medikamentöse, leitliniengerechte Therapie zentrales Therapieziel der kardiologischen Rehabilitation. Prognostisch relevant ist insbesondere die Behandlung der Herzpatienten mit Acetylsalicylsäure und/oder Clopidogrel bei gezielter Indikation, kardioselektiven Betablockern, ACE-Hemmern bzw. Angiotensinrezeptorblockern und Statinen“, betonte Hambrecht. Neben der leitliniengerechten Pharmakotherapie plädierte der Experte dafür, dass sich KHKPatienten körperlich betätigen. „Positiv wirkt sich die sportliche Betätigung vor allem auf eine bestehende endotheliale Dysfunktion aus, sie reduziert jedoch auch das thrombogene Risiko und erhöht die Kollateralisierung. Bei Übergewichtigen verringert Sport das en-
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dokrin aktive viszerale Fettgewebe. Darüber hinaus verbessert ein sportliches Training bei chronisch herzinsuffizienten Rehabilitanden die zentrale Hämodynamik, die Ventilation und den Metabolismus des Skelettmuskels. Zu den somatischen Zielen der Bewegungstherapie gehören die Verbesserung der kardiopulmonalen Belastbarkeit und der Bewegungsökonomie, die Steigerung von Ausdauer und Koordination und die positive Beeinflussung der Risikofaktoren (z.B. Übergewicht). Nicht zuletzt soll beispielsweise nach Eingriffen am Herzen der muskuläre und kardiovaskuläre Funktionsverlust wieder hergestellt werden. Hilfreich ist hier insbesondere ein Ergometertraining, mit dem zum einen die Herzfrequenz und der Blutdruck überwacht werden können, zum anderen gegebenenfalls ein EKG geschrieben werden kann. Geeignete Sportarten sind auch geführte Wanderungen (Terraintraining) und – bei nicht frisch sternotomierten Patienten – freies Radfahren, Nordic Walking und Schwimmen.“ Akutnitrate erhöhen die Angina-pectoris-Schwelle
Sollte trotz erfolgreicher Revaskularisierung mittels PTCA/Stent oder Bypass-OP eine belastungsinduzierte Angina pectoris persistieren, kann der prophylaktische Einsatz von Akutnitraten vor einer Trainingseinheit helfen, die Angina-pectoris-Schwelle anzuheben und somit die beschwerdefreie Belastbarkeit zu erhöhen. „Hierdurch kann das körperliche Training als Therapieform sicher angewandt werden; dies führt dazu, dass man durch die Gabe von Akutnitraten Patienten die Angst © VERLAG PERFUSION GMBH
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vor belastungsinduzierten Anginapectoris-Anfällen nehmen kann, die sich ansonsten negativ auf die Trainingscompliance auswirken würde,“ erläuterte Hambrecht. Die sublinguale Applikation eines Nitroglycerinsprays wie Nitrolingual akut® Spray erhöht dosisabhängig die Anginaschwelle und die Zeit bis zum Auftreten einer klinisch relevanten ST-Streckensenkung. Die maximale Belastungsdauer nimmt deutlich zu. Deshalb weist die European Association of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation (EACPR) in ihrem aktuellen Positionspapier explizit auf den Nutzen von akut wirksamen Nitroglycerinpräparaten für die Kardio-Rehabilitation hin.
Sport ist effektiver als die interventionelle Revaskularisation
Dass eine optimale medikamentöse Therapie in Kombination mit körperlichem Training das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko nachhaltiger reduzieren kann, zeigen Resultate der PET-Studie mit 101 Patienten: Im Rahmen dieser Studie wurde ein Kollektiv mittels interventioneller Revaskularisation behandelt, die Kontrollgruppe erhielt eine leitliniengerechte Therapie und betrieb täglich 20 Minuten Sport bei 70 % der maximalen Belastung. Im Ergebnis zeigte sich, dass die medikamentöse Therapie in Kombination mit körperlicher Bewegung die Rate kardiovasku-
Schluckimpfung gegen Typhus
Reisezeit – Impfprophylaxe nicht vergessen! Infektionen, die über verunreinigte Nahrungsmittel aufgenommen werden, stellen die häufigste Infektionskrankheit auf Fernreisen dar. Das Risiko steigt mit der Größe der Unterschiede im Hygienestandard zwischen Heimat und Reiseland. Die Globetrotterregel „Boil it, peel it, cook it, or forget it!“ ist auch im 21. Jahrhundert noch aktuell und beinhaltet die Beachtung elementarer hygienischer Grundprinzipien. Neben diesen Hygieneregeln sollte bei der reisemedizinischen Beratung auch die Möglichkeit einer Impfprophylaxe gegen die unterschiedlichen Erreger, wie z.B. Salmonella typhi, angesprochen werden.
Beim Typhus abdominalis handelt es sich nicht um eine Lokalinfektion des Darms, sondern um eine zyklische Infektionskrankheit (Erregeraufnahme über die Darmmukosa, Weiterleitung ins Lymphsystem, schließlich hämatogene Aussaat, dann Verbreitung in den Darm). Zur Klinik gehören eine Fieberkontinua, zunächst eine Obstipation sowie schweres Krankheitsgefühl. Erst in der 2. bis 3. Krankheitswoche kann eine Durchfallsymptomatik auftreten. Zur Therapie werden insbesondere Chinolone sowie Beta-Laktam-Antibiotika eingesetzt. Zur aktiven Immunisierung stehen orale Lebendimpfstoffe und parenterale Totimpfstoffe zur Verfügung. Der Lebendimpfstoff richtet sich gegen verschiedene Bakterienantigene (O und H), der Totimpfstoff gegen das Vi-Antigen, das bei 10% der Salmonel-
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lärer Ereignisse deutlicher senkte als die Stent-Implantation. Nach einem Jahr traten bei nur 12 % der Patienten in der Sportgruppe – im Vergleich zu 30 % der Patienten der Stent-Gruppe – Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Revaskularisation oder Hospitalisation wegen Angina-pectoris-Beschwerden auf. In einer weiteren Analyse nach 5 Jahren zeigte sich erneut die Überlegenheit der medikamentösen Therapie: In der Sportgruppe waren 63 % frei von kardiovaskulären Ereignissen – in der StentGruppe waren es demgegenüber nur 40 %. Fabian Sandner, Nürnberg
la-typhi-Stämme und allen Paratyphus-Stämmen fehlt. Somit ist die Stammabdeckung beim oralen Lebendimpfstoff breiter. Die Impfung ist insbesondere für Reisende unter einfachen hygienischen Verhältnissen sinnvoll, doch belegen Fallberichte, dass auch im FünfSterne-Hotel Typhus-Infektionen erworben werden können. Risikogebiete sind Südamerika, Afrika und Südostasien. Typhoral® L ist ein lyophylisierter Lebendimpfstoff zur Schluckimpfung gegen Typhus, der auch gegen die Paratyphus-Seroformen A und B schützt. Verimpft werden attenuierte Salmonella-typhi-Bakterien des Stammes Ty 21a Berna, wobei jede magensaftresistente Kapsel mindestens 2 Milliarden lebende und mindestens 5 Milliarden inaktivierte Keime enthält. Typhoral® L ist der erste selbstlimitierende Typhus-Impfstoff, da sich die Bakterien aufgrund eines genetischen Defekts nach Entfaltung der Wirksamkeit durch Autolyse zerstören. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Da der Impfstoff den natürlichen, oralen Infektionsweg nachahmt, werden die Erreger schon im Darm angegriffen und können somit nicht weiter in den Körper vordringen. Hierdurch erzeugt Typhoral® L letztlich einen Dreifach-Schutz: • Lokale Darmimmunität: Auf der Darmschleimhaut gebildete sekretorische Antikörper vom Typ IgA fangen die Bakterien bereits im Darm ab. Somit können sie nicht ins Blut eindringen und den Körper überschwemmen. • Humorale Immunität: Zusätzlich werden IgG-Antikörper im Blut gebildet, die einen individuellen Schutz gegen dennoch ins Blut gelangte Erreger verleihen. • Zelluläre Immunität: Aktivierte T-Zellen schützen zudem Gewebe und Organe vor Erregern und verhindern so etwa die Besiedlung von Gallenblase und Leber, die für die Entstehung von Dauerausscheidern von wesentlicher Bedeutung ist. Gleichzeitig wird ein immunologisches Gedächtnis aufgebaut, das jederzeit eine problemlose Boosterung ermöglicht. Die Schluckimpfung ist außerordentlich gut verträglich, sodass Typhoral® L bereits bei Kindern ab dem 1. Lebensjahr eingesetzt werden kann. Hierbei müssen keine Zeitabstände zu anderen Impfungen beachtet werden. Zum Einsatz bei Schwangeren und stillenden Müttern bestehen keine ausreichen Erfahrungen, jedoch ist kein fetales Risiko bekannt. Dennoch sollten Schwangere nur bei strenger Indikationsstellung geimpft werden. Die Dosierung der Impfung ist bei Kindern und Erwachsenen gleich und besteht aus jeweils einer Kapsel an den Tagen 1, 3 und 5, die
eine Stunde vor einer Mahlzeit eingenommen werden sollten. Eine Auffrischung des Impfschutzes sollte bei gelegentlichen Reisen in Endemiegebiete nach einem Jahr erfolgen. Bei häufigem oder ständigem Aufenthalt ist eine Auffrischung nach 3 Jahren ausreichend. E. W.
PharmaMar verleiht Wissenschaftspreis Weichteilsarkome 2012 Im Rahmen der Sarkomkonferenz, die vom 22. bis 24. März 2012 in Berlin stattfand, wurde. Prof. Dr. Lars Steinsträßer von der Universitätsklinik Bergmannsheil/Ruhr Universität Bochum für seine herausragende Arbeit „Suppression of Soft Tissue Sarcoma Growth by a Host Defense-Like Lytic Peptide“ mit dem PharmaMar Wissenschaftspreis Weichteilsarkome ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis wurde bereits zum vierten Mal verliehen. PharmaMar möchte damit auch in Zukunft dazu beitragen, die unabhängige Forschung auf dem Gebiet der Weichgewebssarkome weiter voranzutreiben und neue Diagnose-und Therapiestrategien zu erschließen. Auf Initiative der Fachjury wurde das Themenfeld für zukünftige Arbeiten um das Thema Knochentumoren erweitert. Bewerbung für 2012
Für 2013 sind erneut junge Forscher aufgerufen, bereits publizierte Arbeiten auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Sarkom- und Knochentumorforschung einzureichen. Der Bewer-
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ber sollte approbierter Arzt sein mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland, Österreich oder der Schweiz und das 40. Lebensjahr möglichst nicht überschritten haben. Einreichungstermin ist der 31. Dezember 2012. Der Gewinner soll im Frühjahr im Rahmen der Sarkomkonferenz 2013 verkündet und feierlich prämiert werden. Aktuelle Studienlage beim Weichteilsarkom
Im Rahmen der Sarkomkonferenz wurden aktuelle Entwicklungen in der Systemtherapie von Sarkomen sowie neue Studienkonzepte vorgestellt. Die German Interdisciplinary Sarcoma Group (GISG), die auf Grundlage des Kompetenznetzes Sarkome (Ko.Sar) gegründet und 2008 als Verein eingetragen wurde, befasst sich mit der Förderung klinischer, akademischer Studien. Unter Leitung von PD Dr. med. Bernd Kasper startete im Januar 2012 eine Phase-I-Studie (GISG-02), die die Kombination von Gemcitabine und Trabectedin bei Patienten mit fortgeschrittenem und/ oder metastasiertem Leiomyosarkomen oder Liopsarkomen untersucht. Eingeschlossen werden Patienten mit histologisch gesicherten Leiomyosarkomen oder Liopsarkomen und einer messbaren Erkrankung nach RECIST 1.1. Primärer Endpunkt der Studie ist die Bestimmung der maximal verträglichen Dosis (MTD). Trabectedin ist die synthetische Variante eines Wirkstoffs, der ursprünglich aus der karibischen Seescheide (Ecteinascidia turbinata) gewonnen wurde. Es wird derzeit zur Therapie bei fortgeschrittenen Weichteilsarkomen eingesetzt, wenn die Standardtherapie mit Anthrazyklinen und Ifos© VERLAG PERFUSION GMBH
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WISSENSWERTES
famid nicht wirkt oder diese Mittel für Patienten nicht geeignet sind. In Kombination mit pegyliertem liposomalen Doxorubicin (PLD) ist Trabectedin außerdem eine effiziente Therapieoption beim platinsensiblen Ovarialkarzinom. Der Wirkstoff zeichnet sich durch einen bislang einzigartigen Wirk-
mechanismus aus. Das moderne Zytostatikum setzt zwei Hebel an der Tumorzelle an: Es bindet im Zellkern an die kleine Furche der DNA und setzt damit eine Kaskade an Reaktionen in Gang, die letztlich zur Folge hat, dass der Zellzyklus angehalten und die Tumorzelle in die Apoptose, also in den program-
mierten Zelltod, getrieben wird. Außerdem stört Trabectedin die Transkription in Tumorzellen sowohl auf der Ebene der Initiation als auch der Elongation, wodurch ebenfalls weitere Zellteilungen unterbunden werden. Beide Effekte haben zur Folge, dass ein weiteres Tumorwachstum gehemmt wird. E. W.
Titelbild: Test der neuen Aspirin®-Formulierungen im Labor von Bayer HealthCare (© Bayer HealthCare AG).
Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Lindenstraße 5, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Medizinische Klinik m. S. Kardiologie der Charité, Campus Virchow-Klinikum, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg
Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Lindenstraße 5, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: fbk-dig@t-online.de
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ösophageale Refluxkrankheit, Erbrechen, Bauchblähung, abdominale Beschwerden, Bauchschmerzen, Oberbauchschmerzen, Magenbeschwerden, Gastritis, Obstipation, Flatulenz, ALT u. / o. AST- o. Gammaglutamyltransferase-Anstieg, Juckreiz, Erythem, trockene Haut, Hautausschlag (erythematös, makulär, pruritisch), Myalgie, Arthralgie, Asthenie, nichtkardiale Thoraxschmerzen, Sonnenbrand. Warnhinweis: Arzneimittel für Kinder unzugänglich aufbewahren. Weitere Angaben: siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Zulassungsinhaber: InterMune UK Ltd., Euston Tower,
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2008;590:400 – 408. 3. Noble PW, Albera C, Bradford WZ, et al. Pirfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis (CAPACITY): two randomised trials. Lancet 2011;377:1760 – 1769.
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Floor 32, 286 Euston Road, London, NW1 3DP, Vereinigtes Königreich. Stand: 02/2012. Referenzen 1. Spagnolo P, Del Giovane C, Luppi F,et al. Non-steroid agents for idiopathic pulmonary fibrosis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010;9:CD003134. 2. Oku H, Shimizu T, Kawabata T, et al. Antifibrotic action of pirfenidone and prednisolone: different effects on pulmonary cytokines and growth factors in bleomycin-induced murine pulmonary fibrosis. Eur J Pharmacol
InterMune Deutschland GmbH Rosenstraße 2 10178 Berlin Tel.: (030) 4672 405 30 E-Mail: med-info@intermune.de
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