ISSN 1432-4334 JAHRGANG 29 HEFT 3 Juni 2020
FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE
JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY
Aktueller Stand der Erkenntnis zu den Übertragungsmechanismen von SARS-CoV-2 und der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen in geschlossenen Räumen mit besonderem Fokus auf Aerosole – ein systematischer Review Klimawandel erhöht Anforderungen an die Asthma-Therapie Migräne-Prophylaxe: Fremanezumab reduziert auch Komorbiditäten Gilteritinib – eine neue Option zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie bei Patienten mit FLT3-Mutation Orale Therapie mit Siponimod verzögert das Fortschreiten der sekundär progredienten Multiplen Sklerose Nintedanib – ein effektives Medikament zur Behandlung der interstitiellen Lungenerkrankung mit systemischer Sklerose
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EDITORIAL
Seit Mitte März ist ein relevanter Teil meines beruflichen Lebens durch Corona bestimmt. Nein, ich arbeite nicht plötzlich auf einer Intensivstation, ich versuche vielmehr beizutragen, den inzwischen überbordenden Wettbewerb mit immer noch komplizierteren konsensbasierten Hygieneplänen in möglichst rationale, evidenzbasierte Bahnen zu lenken. Die täglichen Meldungen subskribierter Informationsdienste scannen, die einschlägigen Portale der großen Zeitschriften und Verlage abklappern und Verdächtiges durch eigene Recherchen weiter zu verfolgen – das kostet viel Zeit, bringt aber eine nie vorher erlebte Lernkurve mit sich. Noch sind viele Fragen offen, aber noch vor Kurzem waren so gut wie alle Fragen offen! So offen, dass es Dokumentationen von Einzelfällen bis in das New England Journal of Medicine schafften, dass zwischen Einreichung und (Vorab-)Veröffentlichung oft nur wenige Tage lagen. Kein Wunder, dass die Daseinsvorsorge politisch eine Art General-Reinkarnation feierte. Niemand wollte sich später der tödlichen Sorglosigkeit bezichtigen lassen, niemand wollte „Schuld sein“. Daher besann man sich auch auf das, was übrig bleibt, wenn man gegen eine ansteckende Krankheit kein wirksames Heilmittel besitzt: mit voller Kraft voraus Schutzmaßnahmen durchsetzen. Unklar ist, ob dabei auch epigenetisch verankerte Erfahrungen aus mittelalterlichen Pestzeiten, in denen man neben Aderlässen und Kräuteressenzen auch schützende Tücher zum Einsatz brachte, eine Rolle spielten, vielleicht aber auch die eigene unmittelbare Lebenserfahrung: Hut und Mütze zum Schutz vor Kälte, Handschuhe zum Schutz in Werkstatt und Garten. Mundschutz! Mund-Nasen-Schutz! 16,5 Millionen Treffer bei Google für den einfachen und mehr als 2 Millionen Treffer für den zusammengesetzten Begriff. Und schnell auch Abmahnverfahren mit der Begründung,
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Maskenpflicht: Paradigmenwechsel überfällig! dass beim In-Verkehr-Bringen etwas, das dem Träger keinen ausreichenden Schutz bietet, auch nicht als Schutz bezeichnet werden darf. Pikanterweise gestand selbst Deutschlands bekanntester Virologe Professor Drosten im Fernseh interview ein, dass er sich mit Maske im Supermarkt etwas sicherer fühle als ohne. Und das, obwohl er wie wir wohl alle, zumindest in Famulaturen und/oder im PJ, selbst mal am OP-Tisch stand, wo uns ziemlich klar war, dass wir uns damit nicht vor den Keimen des Operierten schützen wollten, sondern ebendiesen vor unseren. Seit unsere Politiker die sog. Maskenpflicht ausgerufen haben, beobachte ich immer öfter Menschen, deren Verhalten überdeutlich zum Ausdruck bringt, dass sie sich durch das Tragen ihrer Maske bestmöglich geschützt fühlen. Dabei waren wohl recht frühe Erkenntnisse wegweisend, dass SARS-CoV-2-Infizierte schon Tage vor den ersten Symptomen wahre Virenschleudern sein können und, durch eine zunehmende Zahl von Analysen bestätigt, erst recht die bis zu 80 % aller Infizierten, bei denen überhaupt keine Symptome auftreten (ganz aktuell: [1]). Die typische Lokalisation des Infektionsherds in den Bereichen des Nasen- und Rachenraums, in denen besonders viele Flimmerepithel- und Becherzellen vorkommen (für deren Oberflächenprotein ACE2 SARS-CoV-2 auf seinen Spikes den passenden Schlüssel hat) erklärt sich einerseits plausibel durch eine Infektion über Tröpfchen mit über 20 µm Durchmesser, wie sie beim Niesen und Husten entstehen und beim Einatmen gleich „ganz oben
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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster
hängen bleiben“. Auf der anderen Seite ist diese Lokalisation die perfekte Quelle für Tröpfchen, sich mit Viren zu beladen. Da liegt es nahe, allen einen „Virenmaulkorb“ zu verpassen, der infektiöse Tröpfchen beim Husten und Niesen in der Maske zurückhält bzw. deren Geschwindigkeit massiv abbremst. Der Rest ist schnell ungefährlich, da Tröpfchen in dieser Größe in wenigen Sekunden zu Boden sinken oder, falls ein starker Luftzug herrscht, schnell verdünnt und davongetragen werden. Unglücklicherweise scheint aber noch ein zweiter Übertragungsmechanismus eine wichtige Rolle zu spielen, der nur im ersten Moment große Ähnlichkeit mit der Tröpfcheninfektion hat: die Infektion über infektiöses Aerosol (siehe dazu auch [2]). Es handelt sich dabei um den „feuchten Atem“, der bei einer schlecht sitzenden Maske die Brille beschlagen lässt und der auf seinem Weg vorbei an Rachen und Nasenschleimhaut Viren © VERLAG PERFUSION GMBH
INHALT
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mitreißt. Aerosole mit einer Partikelgröße von Feinstaub oder noch wesentlich kleiner „stehen“ lange in der Luft und können deshalb in geschlossenen Räumen über die Zeit relevant kumulieren. So erklären sich Super-Spreading-Events bei Chorproben, Gottesdiensten oder auf Schiffen. Auf der Greg Mortimer jedenfalls konnte weder „Social Distancing“ durch Quarantäne in den Kabinen noch maskenbewehrtes Servicepersonal den Lauf der (Infektions-)Dinge entscheidend bremsen [1]. Gegen Aerosole sind zum Selbstschutz ausschließlich echte Schutzmasken (z.B. nach den Standards F95, FFP2 und FFP3) wirksam, zum Schutz der anderen nur, wenn sie kein Ventil haben und für alle, wenn sie richtig getragen und entsorgt bzw. desinfiziert werden. Alle anderen Masken sind aus meiner Sicht obsolet: Vor Tröpfcheninfektionen schützen sie nur bedingt, vor Aerosoloinfektionen eher gar nicht, vor allem Selbstgenähte aus grob gewebten und/oder Feuchtigkeit aufnehmenden Stoffen. Und natürlich alle die nicht, bei denen die Nase rausschaut und/oder die nicht ringsum dicht anliegen, sowie die, die falsch angefasst oder im falschen Moment auf- oder abgesetzt werden. Am Ende des Tages: eigentlich fast alle. Weshalb die Maskenpflicht in ihrer derzeitigen Form so überflüssig ist wie ein Kropf. Also, liebe Volksvertreter: Entweder richtig und dies konsequent, oder gar nicht! Karl-Ludwig Resch, Bad Elster Quellen 1 Ing AJ, Cocks C, Green JP. COVID-19: in the footsteps of Ernest Shackleton. Thorax. Epub ahead of print: [31.05.2020]. doi:10.1136/thoraxjnl-2020-215091 2 Resch KL. Aktueller Stand der Erkenntnis zu den Übertragungsmechanismen von SARS-CoV-2 und der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen in geschlossenen Räumen mit besonderem Fokus auf Aerosole – ein systematischer Review. J Pharmacol Ther 2020;29:76-82
ÜBERSICHTSARBEIT Aktueller Stand der Erkenntnis zu den Übertragungs mechanismen von SARS-CoV-2 und der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen in geschlossenen Räumen mit besonderem Fokus auf Aerosole – ein systematischer Review Karl-Ludwig Resch
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Klimawandel erhöht Anforderungen an die Asthma-Therapie 83 Migräne-Prophylaxe: Fremanezumab reduziert auch Komorbiditäten
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Gilteritinib – eine neue Option zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie bei Patienten mit FLT3-Mutation 89 Orale Therapie mit Siponimod verzögert das Fortschreiten der sekundär progredienten Multiplen Sklerose
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Nintedanib – ein effektives Medikament zur Behandlung der interstitiellen Lungenerkrankung mit systemischer Sklerose 96
RUBRIKEN Wissenswertes 84, 95, 104 Kongresse 98
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ZUSAMMENFASSUNG Seit sich in den ersten Monaten dieses Jahres die ursprünglich in Wuhan und dann auch in weiteren Orten in China grassierende Epidemie mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zur Pandemie entwickelt hat, stand neben der Übertragung durch Kontakt mit infizierten Oberflächen die Übertragung durch Tröpfchen mit einem Durchmesser von etwa 50 µm bis zu 1 mm, wie sie typischerweise beim Husten und Niesen von infektiösen Erkrankten freigesetzt werden, im Mittelpunkt der Überlegungen. Vorschriften wie das „Abstandsgebot“ (1,50 – 2 m) und die Pflicht zum Tragen einer Maske, die die Geschwindigkeit infektiöser Tröpfchen beim Husten, Niesen und Sprechen massiv verringern und damit die „Reichweite“ infektiösen Materials minimieren kann, sollten diesen Infektionsweg möglichst weitgehend unterbinden. Zunehmende Hinweise darauf, dass auch die Übertragung durch kleinere und kleinste infektiöse Partikel, sog. Aerosole, ein wichtiger Übertragungsweg sein könnte, müssen zusammen mit (auch empirischen) Erkenntnissen zur Alltags-Effektivität der bisherigen Strategien zu einer Neubewertung des tatsächlichen Risikos mit und ohne entsprechende individuelle Schutzmaßnahmen führen. Nur durch die Fokussierung auf möglichst evidenzbasierte Grundlagen kann verhindert werden, dass die derzeit allenthalben geforderten, z.T. quantitativ ausufernden Hygienekonzepte in der Konsequenz zu wirtschaftlich existenzgefährdenden Selbstbeschränkungen in Dienstleistung, Handel und Gewerbe führen. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll auf der Basis des aktuellen
Aktueller Stand der Erkenntnis zu den Übertragungsmechanismen von SARS-CoV-2 und der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen in geschlossenen Räumen mit besonderem Fokus auf Aerosole – ein systematischer Review Karl-Ludwig Resch Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Bad Elster SARS-CoV-2 und Tröpfcheninfektion
Wer zwei und zwei zusammenzählt, für den wird unmittelbar klar, dass die sog. Tröpfcheninfektion ein zentraler Ansteckungsmechanismus mit SARS-CoV-2 sein muss. Schließlich wird das Untersuchungsmaterial entsprechend den aktuellen Empfehlungen bei einem Test auf Infektion mit SARS-CoV-2 durch einen Abstrich aus Nase und Rachen gewonnen (vgl. Robert-KochInstitut: „In der frühen Phase sind Abstriche aus den oberen Atemwegen als Probenmaterial besonders geeignet“ [1]). Eine Ende April in Nature Medicine publizierte Studie [2] des weltweiten Human Cell Atlas-Konsortiums, bei dem auch das deutsche Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der
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Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) beteiligt ist, hat 2 Zelltypen in der Nasenschleimhaut identifiziert, die dem SARS-CoV-2-Viren besonders viele Türen öffnen und die wohl die „ersten Eintrittspforten für das neue Coronavirus“ [3] sein dürften: die Sekret produzierenden Becherellen sowie die Flimmerzellen. Diese Zellen finden sich direkt an den natürlichen Eintrittspforten der Luft, also am Beginn der Atemwege. Mittels seinen aus vielen Darstellungen bestens bekannten „Strahlen“, den sog. Spikes, die als Schlüssel perfekt in das Schloss (die ACE2-Rezeptoren) der Zellen passen, verschafft sich das SARSCoV-2-Virus Eintritt in diese Zellen und zwingt sie, Viruskopien herzustellen. Kurze Zeit später entlässt die Zelle dann hunderte von Kopien des Virus, sodass in © VERLAG PERFUSION GMBH
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Nase und Rachen schnell besonders hohe Viruskonzentrationen vorhanden sind [2]. Hinzu kommt, dass jeder zweite Infizierte über Husten (49 %) und/ oder Schnupfen (21 %) klagt [4], die damit zu den häufigsten Symptomen insgesamt gehören [5]. Bekannt ist auch, dass beim Husten und Niesen viel Luft mit großer Geschwindigkeit freigesetzt wird [6] und dass der physiologische Sinn dahinter in der mechanischen Reinigung der Atemwege besteht [7]. Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 bedeutet das wie bei anderen Infektionen der Atemwege auch, dass diese „Selbstreinigungsmechanismen“ der oberen Atemwege gleichzusetzen sind mit einer Freisetzung großer Mengen an infektiösen Partikeln [8]. Vor diesem Hintergrund sind das derzeit (noch) verpflichtende Tragen einer Mund-Nasen-Maske bzw. das Abstandsgebot geeignet, um die beim Husten bzw. Niesen ausgestoßenen Tröpfchen abzufangen und damit deren Einatmen durch in der Nähe befindliche Dritte zu verhindern (vgl. Robert-Koch-Institut: „Um sich selbst und andere vor einer Ansteckung mit SARSCoV-2 zu schützen, sind ... Einhalten von Husten- und Niesregeln und das Abstandhalten [mindestens 1,5 Meter] die wichtigsten und effektivsten Maßnahmen“ [1]). SARS-CoV-2 und Infektion durch Aerosole
Vorstellbar ist grundsätzlich natürlich auch, dass schon beim „normalen“ Atmen, bei dem ja ebenfalls Luft über die mit Viren beladenen Partien in Nase und Rachen strömt, einzelne Viren mitgerissen werden und sich in der Luft geschlossener Räume ansammeln, auch weil At-
men im Gegensatz zu Husten und Niesen keine sporadische, sondern eine kontinuierliche Aktivität darstellt [8]. Im Gegensatz zu den mit bis zu 1 mm großen Tröpfchen beim Husten und Niesen handelt es sich dabei um viel kleinere „Tröpfchen“ mit einem Durchmesser von 0,01 mm oder kleiner (ca. 1 – 5 µm = Feinstaub), die unter dem Begriff Aerosol subsumiert werden [9], schon früh als möglicherweise wichtiger Übertragungsweg thematisiert wurden [10] und jüngst verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses rücken [11]. Auslöser für das starke mediale Interesse war eine Reihe von Beobachtungen, die sich mit der Infektion durch Aerosole als Mechanismus der Übertragung plausibel erklären ließen. Anfang April wurde ein Bericht chinesischer Wissenschaftler vorveröffentlicht, die insgesamt 318 „Ausbrüche“ mit jeweils mehreren Erkrankten analysierten und fanden, dass bei allen bis auf 2 Ausbrüchen das Infektionsgeschehen innerhalb geschlossener Räume stattgefunden haben muss [12]. Ein anderer Bericht stellt die Übertragung auf Nachbartische in einem Restaurant in Guangzhou (China) dar, die sich mit einer Verteilung virushaltigen Aerosols über die Luftzirkulation durch die Klimaanlage erklären lässt (Abb. 1, Seite 79) [13]. In die gleiche Richtung deuten verschiedene Super-SpeadingEvents, bei denen (lautes) Sprechen oder Singen als wesentlicher Mechanismus plausibel erscheint (Chorproben, Gottesdienste, Karnevalssitzungen etc.). Wichtig in diesem Zusammenhang sind Ergebnisse von experimentellen Untersuchungen, denen zufolge davon auszugehen ist, dass größere Tröpfchen durch ihr Eigengewicht schnell zu Boden sinken [9]. Nimmt man eine Sink-
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Wissens um SARS-CoV-2 und COVID-19 und der PubmedStrategie, Stand 28.5.2020 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/ sars-cov-2/), eine Hilfestellung für das Erstellen und Überprüfen möglichst effektiver und effizienter Hygienekonzepte geben. Schlüsselwörter: SARS-CoV-2, Übertragungswege, Aerosole, Schutzmaßnahmen, Hygienekonzepte
SUMMARY Since the SARS-CoV-2 coronavirus epidemic originating from Wuhan and spreading to other places in China, has developed into a pandemic in the first months of this year, surface transmission and transmission through respiratory droplets with a typical diameter of about 50 µm to 1 mm, produced when an infected person coughs, sneezes or talks, have been considered the main modes of transmission for COVID-19. Advice as to maintain a good social distance of 1.5 to 2 meters, and the obligation to wear a mask to greatly reduce the speed of infectious droplets when coughing, sneezing and speaking and thus to minimize the “range” of infectious material aimed at minimizing these modes of infection route as much as possible. An increasing body of evidence that the transmission through (much) smaller infectious particles, so-called aerosols, could be another important mode of transmission, together with (also empirical) evidence of real life effectiveness of those strategies © VERLAG PERFUSION GMBH
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demand for a reappraisal of the actual risk reduction due to commonly recommended individual and population based protective measures. Only prioritizing of and restricting to regulations justified by reasonably reliable evidence may prevent currently required hygiene concepts from leading to quantitatively escalating self-restrictions in service, trade and commerce, which may jeopardize economic survival of the society at large. The present review aims at drawing upon the current best evidence concerning SARS-CoV-2 and COVID-19, and the respective search strategy suggested by Pubmed as of May 28, 2020 (https:// www.ncbi.nlm.nih.gov/sars-cov-2 /) to support developing effective and efficient hygiene concepts and their appraisal. Key words: SARS-CoV-2, transmission, aerosols, protective measures, hygiene concepts
geschwindigkeit von ca. 7 cm/s für Tröpfchen mit einer Größe von 50 µm an [14], so würde ein solches Tröpfchen innerhalb von wenigen Sekunden deutlich unter den Kopfbereich anderer Personen absinken. Demgegenüber verringert sich die Sinkgeschwindigkeit mit abnehmender Größe dramatisch, für typische Aerosoltröpfchen mit einem Durchmesser von 10 µm etwa auf nur noch 1 cm in 3 Sekunden [14], was einer Art stehendem Nebel gleichkommt. In dieser für die aktuelle Fragestellung wichtigen Publikation werden weitere Variablen angesprochen, die für eine Infektion durch Aerosole von Bedeutung sind, wie z.B. der „Wasseranteil“ in den Aerosoltröpfchen sowie die Geschwindigkeit, mit der sich dieser verringert. Der dort zu Grunde gelegten (ausschließlichen) Annahme, dass größere Tröpfchen dadurch schnell kleiner werden, müssten weitere, grundsätzlich physikalisch ebenso mögliche Optionen an die Seite gestellt werden, zumindest insoweit diese Teil des bekannten Spektrums der Dynamik eines Aerosols allgemein sind (vgl. „Ein Aerosol ist ein dynamisches System und unterliegt ständigen Änderungen durch Kondensation von Dämpfen an bereits vorhandenen Partikeln, Verdampfen flüssiger Bestandteile der Partikel, Koagulation kleiner Teilchen zu großen oder Abscheidung von Teilchen an umgebenden Gegenständen“ [15]). Diese Vorgänge sind schon lange bekannt [16] und bilden u.a. die Grundlage für das Verständnis der Entstehung von Wolken und Niederschlägen [17]. Insofern wäre auch eine Dynamik in die Richtung vorstellbar, dass sich kleine Aerosoltröpfchen (insbesondere bei höherer relativer Feuchtigkeit in der Luft) tendenziell eher zusammenlagern, dadurch
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an Volumen zunehmen und daraus resultierend die Sinkgeschwindigkeit steigt. Überlegungen zur Relevanz der Übertragung von SARS-CoV-2 durch Aerosole basieren aktuell vor allem auf allgemeinen Analogieschlüssen zwischen Erkenntnissen zu entsprechenden Übertragungsmechanismen bei anderen bakteriellen oder viralen Erkrankungen und SARS-CoV-2 oder beruhen auf Erkenntnissen zu Ähnlichkeiten in Struktur und Eigenschaften zwischen SARS-CoV-2 und anderen Vertretern aus der Gruppe der Coronaviren, sieht man von einer kleinen experimentellen Studie ab, die aber unter wenig praxisnahen Laborbedingungen abgelaufen ist [18]. Einen zusätzlichen Hinweis bieten Beobachtungen im Zusammenhang mit dem COVID19-Ausbruch auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, wenngleich hier mangels konkreter Analysen des Aerosols im Inneren des Schiffs das Aerosolkonzept als der Übertragungsmechanismus als „plausible Hypothese“ kategorisiert werden muss. Immerhin wurden dort für die sog. Basisreproduktionsrate, die weltweit insgesamt maximal zwischen 2 und 3 liegt/lag, Werte um 11 errechnet [19] und angesichts der stringenten Quarantäne in den Kabinen ist die Übertragung ausschließlich über Tröpfcheninfektion durch Husten und Niesen eher unwahrscheinlich. Insgesamt muss festgestellt werden, dass es derzeit so gut wie keine direkten und zuverlässigen experimentellen Belege für das Persistieren der Infektiosität von SARS-CoV-2 in solchen Aerosolen gibt [20]. Der Grund liegt ganz einfach darin, dass bei entsprechenden Untersuchungen so gut wie ausschließlich die RT-PCRMethode zum Einsatz kam (vgl. © VERLAG PERFUSION GMBH
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[21]). Diese kann aber nur das Vorhandensein bestimmter Anteile („Bruchstücke“) der Virus-RNA nachweisen, Rückschlüsse darauf, dass diese RNA von SARS-CoV2-Viren stammt, die tatsächlich noch in der Lage sind, in menschliche Zellen einzudringen, sind derzeit noch weitestgehend spekulativ [22, 23]. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen anzunehmenden Dynamik der Veränderungen des Aerosols in einem geschlossenen Raum und deren mutmaßlicher Abhängigkeit von weiteren physikalischen Faktoren, insbesondere Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Luftbewegung, erscheint es fraglich, dass sich in naher Zukunft aus einzelnen experimentellen Ansätzen für die Praxis wesentliche, allgemeingültige Erkenntnisse sowie richtungsweisende, verlässliche Maßnahmen ableiten lassen. Maßnahmen gegen die Übertragung von SARS-CoV-2 durch Aerosole in geschlossenen Räumen
Insofern dürfte insbesondere zwei grundsätzlichen gedanklichen Ansätzen besondere infektionspräventive Relevanz zukommen, nämlich a) wirksamen Schutzmaßnahmen auf der Ebene des Einzelnen in einem geschlossenen Raum und b) möglichst rasche Minimierung der Konzentration potenziell infektiöser („schwebender“) Aerosolpartikel. Schutzmaßnahmen auf Individualebene Was Schutzmaßnahmen auf der Ebene des Einzelnen anbelangt, lässt sich aus dem oben Darge-
Abbildung 1: Anordnung der Tische in einem Restaurant in Guangzhou, China, in dem sich 2 Familien bei einer bereits infizierten Familie mit dem Coronavirus angesteckt haben. Das Restaurant wird über eine Klimaanlage belüftet und hat keine Fenster. Die Abbildung oben zeigt die mögliche Luftbewegung durch die Klimaanlage, die Skizze unten die Sitzordnung: Familie A mit dem Indexpatienten A1, dem Ursprung der Infektionskette, saß in der Mitte, Familie B und C, die sich ansteckten, direkt daneben. Allerdings saß der Indexpatient viel zu weit von den anderen beiden Familien entfernt, als dass er sie per Tröpfcheninfektion hätte anstecken können. Die chinesischen Experten halten es daher für wahrscheinlich, dass der Luftstrom der Klimaanlage die Viren deutlich weiter verbreitet hat als einen Meter. Eine der Familien saß direkt unter der Anlage (Quelle: Guangzhou Center for Disease Control and Prevention [13]).
stellten zwanglos folgern, dass die derzeit zentralen Empfehlungen, nämlich das Tragen einer Maske und ein Abstand von 1,5 – 2 m für den Schutz vor Aerosolen kaum Wirksamkeit entfalten können. Derzeit wird allenthalben für die
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Art der Maske keine Bedingung formuliert. So haben sich selbst genähte Masken inzwischen fast zum Standard entwickelt. Diese dürften relativ unabhängig vom Material eine doch deutliche Bremswirkung auf die beim Husten und Niesen © VERLAG PERFUSION GMBH
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ausgestoßenen, vergleichsweise großen Tröpfchen ausüben und damit in der Tat wesentlich dazu beitragen, dass diese ggf. in unmittelbarer Nähe des Verursachers innerhalb von Sekunden (s.o.) aus dem unmittelbaren Bereich der Einatemluft Anwesender nach unten sinken. Dies gilt wohl (mit einigen Einschränkungen) selbst für Schals, Tücher und andere behelfsmäßige Masken-Ersatze. Es ist allerdings anzunehmen, dass der Großteil der wesentlich kleineren Aerosolpartikel diese „Barriere“ beim Einatmen ziemlich ungehindert passiert. Dies gilt wahrscheinlich auch für einen Gutteil der ebenfalls häufig verwendeten „chirurgischen Masken“, insbesondere (was in der täglichen Beobachtung eher die Regel als die Ausnahme sein dürfte) wenn sie nicht korrekt angelegt und getragen werden (mangelnder Schluss an den Seiten und/oder im Bereich der Nase). Insofern ist zu befürchten, dass Masken dem Träger wie anderen anwesenden Personen nur in wenigen Ausnahmefällen (konkret: bei korrekt angelegten Masken der Klassen FFP2 und FFP3 – und ohne Ventil!) gegenüber der Ansteckungsgefahr durch Aerosole einen hinreichenden Schutz bieten. Sollte sich der Verdacht weiter erhärten, dass Aerosole einen wesentlichen Übertragungsweg für die Infektion mit SARS-CoV-2 darstellen, müsste dies primär Konsequenzen für die derzeitigen Empfehlungen/Vorgaben zur sog. Maskenpflicht haben. Insbesondere selbst gefertigte Masken mit Materialien, die das Aus- bzw. Einatmen von Aerosolpartikeln durch die Maske hindurch nicht zuverlässig minimieren (wie dies etwa FFP2-Masken gewährleisten), Masken, die nicht ringsum dicht
abschließen, sowie die derzeit häufig zu beobachtenden Fehler beim Tragen von Masken würden den derzeitigen Ansatz weitgehend ad absurdum führen. Da, wie ausgeführt, die tatsächliche protektive Wirkung von Masken schon für die klassische Tröpfcheninfektion erheblich geringer sein dürfte als die theoretisch mögliche und für die Infektion über Aerosole so gut wie null, könnte unter dem Strich sogar die derzeit noch kontrovers diskutierte Wirksamkeit von sog. Schilden der heutigen „Maskenpraxis“ überlegen sein. Zumindest in geschlossenen Räumen, in denen durch einen hinreichenden vertikalen Luftstrom sowohl Aerosole als auch Tröpfchen mit Durchmessern über 50 µm schnell und zuverlässig aus der Ebene des Entstehens abgeführt werden. Schutzmaßnahmen durch Adaptation der Umgebungs bedingungen Wenn eine denkbare Konsequenz, nämlich die obligatorische Verwendung von geeigneten Masken [24] und die Sanktionierung jeder Art von Verwendungsfehlern, nicht als erste Wahl betrachtet wird (wovon auszugehen ist), dann bleibt als wirksame Strategie nur, entstehendes infektiöses Aerosol möglichst schnell aus dem Bereich zu entfernen, aus dem Menschen vorzugsweise ihre Atemluft entnehmen (also in einer Höhe von etwa 1 – 2 m), sowie für Viren möglichst wenig protektive Bedingungen anzustreben. Letzteres betrifft insbesondere die physikalischen Bedingungen, also Temperatur, Feuchtigkeit und UV-Exposition. Was die Luftfeuchtigkeit angeht, gibt es recht zuverlässige Erkenntnisse, dass behüllten Viren (zu
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denen auch SARS-CoV-2 gehört) eine mittlere Luftfeuchtigkeit [25, 26] sowie zunehmende Temperaturen [27, 28] besonders zusetzen. Entsprechende Überlegungen kommen nachvollziehbarerweise weniger aus dem Bereich der (klinischen) Medizin als vielmehr von Forschungsgruppen, die sich z.B. mit „gebauter Umwelt“ (built environment) oder Gebäude- und Lüftungstechnik beschäftigen [29]. Grundansatz ist dabei die Überlegung, dass infektiöse Personen in einem geschlossenen Raum auch und nicht zuletzt durch ihre spontanen Atmung die Luft zunehmend mit Viren anreichern, im Englischen oft als „airborne infection“ im engeren Sinne beschrieben. Bekannt ist, dass die Infektion mit einer großen Zahl von Viren mit einem schwereren Verlauf der Erkrankung assoziiert ist. So war bei Menschen mit besonders schwerem Krankheitsverlauf die Virenkonzentration in den ersten Abstrichen gut 50-mal höher als bei Menschen, die nur leicht erkrankten und bei denen das Virus auch für einen wesentlich kürzeren Zeitraum im Test nachgewiesen werden konnte [30]. Vor diesem Hintergrund ist denkbar, dass die quantitative Minimierung der Exposition gegenüber infektiösen Viren, mithin also eine möglichst effektive Reduzierung einer anzunehmenden Virenkonzentration in der Raumluft, die Virenexposition unter die für eine floride Infektion erforderliche (derzeit allerdings völlig unbekannte) Schwelle drücken oder zumindest die Schwere der Infektion abmildern könnte. An dieser Stelle sei die Spekulation gestattet, dass die zunehmende Zahl an Publikationen, die über einen meist erstaunlich hohen Anteil an asymptomatischen Infizierten berichten (z.B. ca. 50 % der vor© VERLAG PERFUSION GMBH
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wiegend älteren Menschen auf der Diamond Princess [31]) oder über einen Anteil von Trägern spezifischer Antikörper an der Bevölkerung, der weit über die Anzahl der aufgrund von Symptomen getesteten und registrierten Erkrankten hinausgeht (z.B. [32, 33, 34]), kompatibel ist mit der Vorstellung, dass bei einer Infektion mit einer so geringen Anzahl an Viren das angeborene Immunsystem in der Lage ist, den Angriff erfolgreich abzuwehren und über die bekannten Mechanismen die Bildung von Antikörpern zu initiieren. Vor diesem Hintergrund dürfte die aktuell schnell populärer werdende Empfehlung zu sehen sein, das Lüften von Räumen stärker ins Zentrum der Palette präventiver Maßnahmen zu rücken (vgl. z.B. Deutschlandfunk vom 25.5.2020: „Im Alltag eher aufs Lüften konzentrieren als auf ständiges Desinfizieren“ [35]). Diese Empfehlung findet sich auch in einer aktuellen Übersichtsarbeit, in der es heißt: „Größere Luftaustauschraten in Gebäuden können helfen, im Inneren befindliche Schadstoffe in der dortigen Atemluft zu verdünnen, einschließlich Viren“ [29]. In öffentlichen Räumen kann allerdings das sog. Querlüften durchaus auch Gefahren in sich bergen, da es neben der quantitativen Komponente des ausgetauschten Luftvolumens wohl wesentlich auf die Richtung des Luftstroms ankommen dürfte. Dies gilt noch mehr für Umluftsysteme (Klimaanlagen) mit horizontalem Luftstrom (vgl. [13]). So stellt eine aktuelle Publikation zur Übertragung infektiöser Partikel durch Aerosole fest, dass „die Verweildauer in der Luft selbst für kleinere Tröpfchen massiv reduziert werden kann, wenn ein deutlicher Luftstrom nach unten auf sie wirkt, z.B. aus
Auslässen von der Decke“ [9], ein Prinzip, das in der Medizin seit Langem als „laminar air flow“ bei extrem immungeschwächten Patienten zur Minimierung von Keimen in der Luft Verwendung findet [36]. Das Gleiche gilt natürlich für einen vertikalen Luftstrom von unten nach oben, wie er insbesondere in Hallenbädern, Thermen und öffentlichen Saunen zu finden ist. Dort fokussieren die einschlägigen Bauvorschriften (z.B. [37]) schon lange u.a. auf das schnelle und effiziente Abführen der in diesen Räumen verstärkt entstehenden (Wasserdampf-)Aerosole (Luftstrombemessung: „Die Auslegung der RLT-Anlagen ist nach der VDI 2089, Teil 1, vorzunehmen“ [38]), allein schon aus Gründen des Gebäudeschutzes und des Schutzes des Inventars. Gleichzeitig gilt es dort, den klassischen Luftaustausch (also den Ersatz durch Frischluftzufuhr von außen) aus Gründen des Umweltschutzes (Energieeffizienz) wie im Interesse eines ungestörten Behaglichkeitsgefühls der Gäste (möglichst kein spürbarer Luftzug) auf das Notwendige zu begrenzen. Dies wird regelhaft erreicht durch die Anordnung der Entlüftungselemente in größerer Höhe (meist direkt unterhalb der Deckenkonstruktion). Schon ein einigermaßen laminarer Luftstrom von wenigen Zentimetern pro Sekunde reicht dabei aus, um eine eventuelle Kontamination durch infektiöses Aerosol aus der Ausatemluft eines Gastes in wenigen Sekunden aus dem Einatembereich der übrigen Gäste zu entfernen. Hallenbäder, Thermen und öffentlichen Saunen könnten somit anderen Einrichtungen Orientierungshilfe bei der zunehmend geforderten Erstellung von Hygienekonzepten bieten, um den
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Aufenthalt in ihren Räumlichkeiten möglichst sicher zu gestalten – nicht nur durch Maßgaben für Schutzmaßnahmen vor infektiösen Aerosolen auf individueller Ebene, sondern auch durch Maßnahmen zur kontinuierlichen Aerosolminimierung.
Literatur 1 https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/ NCOV2019/gesamt.html 2 Sungnak W, Huang N, Bécavin C et al. SARS-CoV-2 entry factors are highly expressed in nasal epithelial cells together with innate immune genes. Nat Med 2020;26:681-687 3 https://www.mdc-berlin.de/de/news/ press/die-eintrittspforten-fuer-sars-cov-2 4 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText2 5 https://www.who.int/health-topics/coronavirus#tab=tab_3 6 Tang JW, Nicolle A, Pantelic J et al. Airflow dynamics of coughing in healthy human volunteers by shadowgraph imaging: an aid to aerosol infection control. PLoS One 2012;7:e34818 7 Hess DR. Airway clearance: physiology, pharmacology, techniques, and practice. Respir Care 2007;52:1392-1396 8 Tang JW, Nicolle AD, Klettner CA et al. Airflow dynamics of human jets: sneezing and breathing – potential sources of infectious aerosols. PLoS One 2013;8: e59970 9 Tellier R, Li Y, Cowling BJ et al. Recognition of aerosol transmission of infectious agents: a commentary. BMC Infect Dis 2019;19:101 10 Eissenberg T, Kanj SS, Shihadeh AL. Treat COVID-19 as though it is airborne: it may be. AANA J 2020;88:29-30 11 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113154/Aerosole-Drosten-regt-anRichtlinien-zu-ueberdenken (Meldung vom 25.5.2020) 12 Qian H, Miao T, Liu L et al. Indoor transmission of SARS-CoV-2. medRxiv 2020.04.04.20053058 (https://www. medrxiv.org/content/10.1101/2020.04.04. 20053058v1) 13 Lu J, Gu J, Li K et al. COVID-19 outbreak associated with air conditioning in restaurant, Guangzhou, China, 2020. Emerg Infect Dis 2020 Jul (https://wwwnc.cdc.gov/eid/article/26/7/20-0764_article#tnF1) © VERLAG PERFUSION GMBH
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14 borne lifetime of small speech droplets and their potential importance in SARSCoV-2 transmission. Proc Natl Acad Sci USA 2020:202006874 15 https://www.chemie.de/lexikon/Aerosol. html 16 Gelbard F, Seinfeld JH. The general dynamic equation for aerosols. Theory and application to aerosol formation and growth. J Colloid Interf Sci 1979;68. 2:363-382 17 Roedel W. Physik unserer Umwelt – Die Atmosphäre. Kapitel 9 Aerosole. Heidelberg: Springer 2000:395-439 18 van Doremalen N, Morris DH, Holbrook MG et al. Aerosol and surface stability of SARS-CoV-2 as compared with SARSCoV-1. N Engl J Med 2020;382:15641567 19 Mizumoto K, Chowell G. Transmission potential of the novel coronavirus (COVID-19) onboard the diamond Princess Cruises Ship, 2020. Infect Dis Model 2020;5:264-270 20 Anderson EL, Turnham P, Griffin JR et al. Consideration of the aerosol transmission for COVID-19 and public health. Risk Anal 2020;40:902-907 21 Liu Y, Ning Z, Chen Y et al. Aerodynamic characteristics and RNA concentration of SARS-CoV-2 aerosol in Wuhan hospitals during COVID-19 outbreak. https:// www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.0 3.08.982637v1 22 h t t p s : / / w w w. s p e k t r u m . d e / n e w s / steckt-das-neue-coronavirus-in-schwebenden-troepfchen/1735368 23 Autome Provinz Bozen, Ressort Gesundheit vom 18.5.2020 https://www.bmv. bz.it/de/covid-19-de/wird-das-neue-coronavirus-auch-ueber-die-luft-uebertragen/ 24 Huang C, Wang Y, Li X et al. Clinical features of patients infected with 2019 novel coronavirus in Wuhan, China. Lancet 2020;395:497-506 25 Casanova LM, Jeon S, Rutala WA et al. Effects of air temperature and relative humidity on coronavirus survival on surfac-
es. Appl Environ Microbiol 2010;76: 2712-2717 26 Yang W, Marr LC. Mechanisms by which ambient humidity may affect viruses in aerosols. Appl Environ Microbiol 2012;78:6781-6788 27 Kim SW, Ramakrishnan MA, Raynor PC et al. Effects of humidity and other factors on the generation and sampling of a coronavirus aerosol. Aerobiologia 2007; 23:239-248 28 Chan KH, Malik Peiris JS, Lam SY et al. The effects of temperature and relative humidity on the viability of the SARS coronavirus. Adv Virol 2011:734690 29 Dietz L, Horve PF, Coil DA et al. 2019 Novel coronavirus (COVID-19) pandemic: built environment considerations to reduce transmission. mSystems 2020;5: e00245-20 30 Liu Y, Yan LM, Wan L et al. Viral dynamics in mild and severe cases of COVID-19. Lancet Infect Dis 2020;20: 656-657 31 Mizumoto K, Kagaya K, Zarebski A et al. Estimating the asymptomatic proportion of coronavirus disease 2019 (COVID-19) cases on board the Diamond Princess cruise ship, Yokohama, Japan, 2020. Euro Surveill 2020;25:2000180 32 Streeck H, Schulte B, Kuemmerer B et al. Infection fatality rate of SARS-CoV-2 infection in a German community with a super-spreading event. https://www. medrxiv.org/content/10.1101/2020.05.04. 20090076v1 33 https://www.livescience.com/covid-antibody-test-results-new-york-test.html 34 Meyerowitz-Katz G, Merone L. A systematic review and meta-analysis of published research data on COVID-19 infection-fatality rates. https://www.medrxiv. org/content/10.1101/2020.05.03.2008985 4v3 35 https://www.deutschlandfunk.de/virologe-drosten-zu-aerosol-uebertragung-imalltag-eher.694.de.html?dram:article_ id=477312 (veröffentlich tam 25.5.2020)
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36 Iwasaki M, Kanda J, Hishizawa M et al. Effect of laminar air flow and building construction on aspergillosis in acute leukemia patients: a retrospective cohort study. BMC Infect Dis 2019;19:38 37 Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV). RLT – Anlagenbau 2018. Hinweise zur Planung und Ausführung von Raumlufttechnischen Anlagen für öffentliche Gebäude. https://www. amev-online.de/AMEVInhalt/Planen/Maschinenbau-und-Versorgungstechnik/RLT Anlagenbau 2018/RLT_2018Stand_06_2018.pdf 38 Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e. V. Deutscher Schwimm-Verband e. V. Deutscher Olympischer Sportbund e. V. (Hrsg.) Richtlinien für den Bäderbau Koordinierungskreis Bäder 5. Auflage, Abschnitt 63.40 Luftstrombemessung. Essen, Kassel, Frankfurt am Main, April 2013, Seiten 150-153
Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH Kirchstraße 8 08645 Bad Elster E-Mail: DIG: info@d-i-g.org
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
I
n den vergangenen Jahren hat sich die Prävalenz von Asthma bei Erwachsenen in Deutschland drastisch erhöht: Von 2009 bis 2016 ist sie um 35 % angestiegen [1]. Mögliche Ursachen sind der Klimawandel und eine steigende Luftverschmutzung. Eine Tendenz, die sich laut dem aktuelle Report der American Academy of Allergy, Asthma & Immunology (AAAAI) in den kommenden Jahren fortsetzen wird [2]. Dabei spielen verschiedene, teils synergistisch wirksame Faktoren eine Rolle: die Verlängerung der Pollensaison sowie eine erhöhte Pollenproduktion mit möglicherweise erhöhter Allergenität (durch erhöhte Sensitivität für IgE-Bindung). Hinzu kommt die steigende Schadstoffkonzentration der Luft. Sie steht nicht nur im Verdacht, zu einer generell höheren Prävalenz von Atemwegserkrankungen zu führen, sondern kann auch die Situation insbesondere für anfällige Asthmatiker verschärfen, da sie durch Veränderungen der respiratorischen Abwehrmechanismen und durch das Zusammenwirken mit Allergenen zu einer Krankheitsprogression führen kann. Die GINA-Leitlinien [3] weisen darauf hin, dass Allergenexposition und Luftverschmutzung auch dann das Risiko der Patienten für Exazerbationen erhöhen, wenn diese nur eine geringe Asthma-Symptomatik aufweisen. Vor diesem Hintergrund sind Pneumologen gefordert, insbesondere in der Pollenflugsaison Frühwarnsignale zu beachten und vorausschauend zu therapieren, um gerade Risiko-Patienten bestmöglich zu versorgen. Flexibel einsetzbare Medikamente wie die extrafeine Fixkombination Foster® können dabei eine entscheidende Rolle im Therapiealltag übernehmen.
Klimawandel erhöht Anforderungen an die Asthma-Therapie Adäquate Asthmakontrolle durch flexible Therapieanpassung
Besonderes Augenmerk gilt Patienten mit allergischem Asthma, die bereits mit Beginn des Pollenfluges verstärkt unter schweren asthmatischen Symptomen wie Reizhusten, Dyspnoe, klinisch reduzierter Belastbarkeit, Brustenge und Atemgeräuschen leiden können. Wie im Stufenmodel der GINA-Leitlinien vorgesehen, kann in einer Phase erhöhter Exazerbationen ein Stepup auf eine ICS/LABA-Kombinationstherapie sinnvoll sein [3]. So können adhärente Patienten über die Jahre einen stabilen Verlauf erreichen und meist keine Einschränkung ihrer Alltagsaktivität erfahren. Kommt es dennoch zu rezidivierenden Exazerbationen, kann der antiinflammatorische Effekt durch Eskalation auf eine ICS-Hochdosis-Fixkombination verstärkt und eine bessere Symptomkontrolle erreicht werden. Las-
sen die Beschwerden gegen Ende der Allergieperiode nach, kann der Patient wieder die Standarddosierung verwenden [3]. Für diese Fälle sind antiasthmatische Therapien gefragt, die flexibel auf den individuellen Bedarf angepasst werden können, wie z.B. die extrafeine Fixkombination Foster® aus dem inhalativen Kortikosteroid (ICS) Beclometason und dem langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) Formoterol, die in 2 Dosierungen (100/6 μg bzw. 200/6 μg) zur Verfügung steht [4, 5]. Individuellen Bedarf durch unterschiedliche Wirkstärken und Devices decken
Je nach Symptomatik kann flexibel entweder die eine oder die andere Dosierung zum Einsatz kommen. Dafür gibt es für die extrafeine ICS/ LABA-Fixkombination zwei unterschiedliche Inhalationsdevices:
Pluspunkt extrafeine Wirkstoffformulierung Da die inflammatorischen Prozesse in den kleinen Atemwegen we sentlich zur Pathogenese des Asthmas beitragen, gilt es, diese in der Therapie besonders zu berücksichtigen. Hierzu eignen sich vor allem Inhalativa mit extrafeiner Wirkstoffformulierung wie Foster®, da sie mit einer durchschnittlichen Partikelgröße von ca. 1 – 2 μm (bezogen auf MMAD – Mass Median Aerodynamic Diameter) auch die kleinen Atemwege im gesamten Bronchialraum erreichen und somit eine hohe und homogene Deposition in der Lunge erzielen [4, 5]. Wie eine Studie belegt, sind bezüglich der Asthmakontrolle extrafeine Wirkstoffformulierungen den Inhalativa mit größeren Wirkstoffpartikeln überlegen [6].
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS / WISSENSWERTES
• Das Dosieraerosol bietet eine zuverlässige Wirkstoffabgabe ohne erforderliches Schütteln. Somit können die Patienten – unabhängig vom Schütteln – vom ersten bis zum letzten Sprühstoß von einer konstanten Wirkstoffabgabe profitieren. • Beim NEXThaler® werden die Wirkstoffpartikel durch den integrierten Dosisschutz nur bei korrektem Atemmanöver freigesetzt, sodass keine Dosis verloren gehen kann. Inhaliert der Patient einmal nicht mit der nötigen Atemflussrate von ≥35 l/min, verbleibt die Dosis im Inhaler, sodass der Patient die nachfolgende Dosis sicher inhalieren kann. Diese Technik gewährleistet, dass immer die volle Dosis abgegeben wird, die bis in die kleinen Atemwege gelangen kann [4, 5]. Mit den beiden Wirkstärken in zwei unterschiedlichen Inhalatoren ist eine flexible Anpassung an den akuten Bedarf für den Patienten schnell und unproblematisch möglich, da dieser mit dem jeweiligen Device bereits vertraut ist. Ein Aspekt, der sich nicht zuletzt positiv auf die Compliance auswirken kann. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Akmatov MK et al. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Versorgungsatlas-Bericht Nr. 18/08. Berlin 2018. DOI: 10.20364/VA-18.08 2 Poole JA et al. J Allergy Clin Immunol 2019;143:1702-1710 3 GINA Update 2019. Im Internet: https:// ginasthma.org/wp-content/uploads/ 2019/04/GINA-2019-main-Pocket-Guide-wms.pdf 4 Fachinformation FOSTER® NEXThaler® 100 g/6 μg pro Inhalation Pulver zur Inhalation; Stand: 06/2018 5 Fachinformation FOSTER® NEXThaler® 200 μg/6 μg pro Inhalation Pulver zur Inhalation; Stand: 06/2018 6 Muller V et al. BMC Pulm Med 2011; 11:40
Neu: Mono-Impfstoff Avaxim® gegen Hepatitis A Seit 15. Mai 2020 steht Ärzten und Patienten der Mono-Impfstoff Avaxim® von Sanofi Pasteur zur Verfügung. Avaxim® enthält 160 Einheiten des inaktivierten Hepatitis A Virus in einer Fertigspritze und ist indiziert zur aktiven Immunisierung gegen Hepatitis A bei Jugendlichen und Erwachsenen ab 16 Jahren. Es sollte gemäß den offiziellen Empfehlungen der STIKO geimpft werden. Ein Impfschutz kann bereits 14 Tage nach Applikation der Primärdosis gegeben sein. Die vollständige Immunisierung erfordert eine Auffrischimpfung 6 – 36 Monate nach der 1. Dosis zum Langzeitschutz, der mindestens 10 Jahre anhält. Das Injektionsvolumen beträgt dabei nur 0,5 ml. Hepatitis A auch in Deutschland verbreitet
Weltweit gibt es etwa 159 Millionen Hepatitis-A-Infektionen und zwischen 15.000 und 30.000 Todesfälle jährlich. In Deutschland wurden im Jahr 2019 laut Robert Koch-Institut 873 Fälle gemeldet. 2018 gab es 1.043 gemeldete Fälle und 6 Todesfälle, darunter 3 Männer und 3 Frauen im Alter von 50 – 93 Jahren. 61 % der Infizierten haben sich in Deutschland angesteckt. Zu relevanten Ausbrüchen kam es z.B. durch den Verzehr von Erdbeerprodukten (29 Erkrankte) oder von Datteln aus Marokko (23 Erkrankte). Das Hepatitis-A-Virus wird über den Darm ausgeschieden und verbreitet sich über verunreinigte Lebensmittel oder Wasser. Symp
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tome einer Infektion sind u.a. Erbrechen und einer Grippe ähnelnde Beschwerden. Im Verlauf kann sich eine Gelbsucht entwickeln. Eine kausale Behandlung existiert nicht; im Allgemeinen wird Bettruhe verordnet. Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Hepatitis A für Personen mit erhöhtem beruflichem Expositionsrisiko, wie etwa Beschäftigte im Gesundheitsdienst, Personen mit Abwasserkontakt oder Mitarbeiter in Kindertagesstätten, Behindertenwerkstätten oder Asylbewerberheimen, sowie für Reisende in Regionen mit hoher Hepatitis-A-Inzidenz. B. S.
Wechsel des Trägeröls bei den Tilray VollspektrumCannabisextrakten Tilray, ein GMP-zertifizierter Hersteller von medizinischem Cannabis, setzt für die seine Vollspektrum-Cannabisextrakte zur Herstellung von Rezepturarzneimitteln in der Apotheke ab sofort statt chemisch extrahiertem Traubenkernöl qualitativ hochwertiges, kalt gepresstes Traubenkernöl ein. Durch den schonenden Herstellungsprozess bleiben die wertvollen Inhaltsstoffe wie z.B. Fettsäuren und Vitamine weitestgehend erhalten. Zudem zeichnet sich das hochwertige Produkt natürlichen Ursprungs durch sein sehr niedriges Allergenpotenzial aus. Bei Raumtemperatur gelagert, besitzt kaltgepresstes Traubenkernöl ein intensiveres Aroma als das chemisch extrahierte Öl. Daher kann es zu einer Veränderung des Geschmacks der VollspektrumCannabisextrakte kommen, was die Wirksamkeit der Extrakte aber nicht beeinträchtigt. S. M. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Axiale Spondyloarthritis
Secukinumab jetzt auch für die nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis zugelassen Secukinumab (Cosentyx®) hat als erster vollhumaner IL-17A-Inhibitor die Zulassung der Europäischen Kommission für die Behandlung von Erwachsenen mit aktiver nichtröntgenologischer axialer Spondyloarthritis (nr-axSpA), die unzureichend auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) angesprochen haben, erhalten. Der monoklonale Antikörper richtet sich direkt gegen IL-17A, ein Zytokin, das an Entzündungsprozessen und der Entstehung von Plaque-Psoriasis (PsO), Psoriasis-Arthritis (PsA) und axialer Spondyloarthritis (axSpA) beteiligt ist. Secukinumab ist bereits zur Behandlung bei mittelschwerer bis schwerer PsO, PsA und ankylosierender Spondylitis (AS) zugelassen. Damit kann Secukinumab als erster IL-17A-Inhibitor im gesamten Krankheitsspektrum der axialen Spondyloarthritis eingesetzt werden. PREVENT-Studie belegt signifikante Verbesserung der Symptome
Ausschlaggebend für die nun erfolgte Zulassungserweiterung waren die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie PREVENT, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von Secukinumab 150 mg im Vergleich zu Placebo geprüft werden. Eingeschlossen in die noch laufende Studie mit einer zweijährigen Verlängerungsphase wurden 555
Die axiale Spondyloarthritis (axSpA) umfasst ein Krankheitsspek trum von chronisch lang andauernden entzündlichen Erkrankun gen, die neben anderen Symptomen vorwiegend durch entzündli chen Rückenschmerz gekennzeichnet sind. Das axSpA-Spektrum beinhaltet sowohl die ankylosierende Spon dylitis (AS), bei der bereits entzündliche strukturelle Schäden am Sakroiliakalgelenk im Röntgenbild sichtbar sind, wie auch die nraxSpA, bei der diese im konventionellen Röntgenbild noch nicht sichtbar sind, jedoch objektive Anzeichen einer Entzündung durch erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) nachweisbar sind und/oder im MRT entzündliche Läsionen auffallen. Beide Ausprägungen haben eine vergleichbar hohe Krankheitslast, einschließlich nächtlicher Schmerzen, Fatigue, Morgensteifigkeit und funktionellen Ein schränkungen. Ohne Behandlung kann die nr-axSpA die Aktivität der Betroffenen mindern, die Arbeitsfähigkeit reduzieren sowie die Lebensqualität erheblich einschränken.
erwachsene Männer und Frauen mit aktiver nr-axSpA, die folgende Kriterien erfüllten: • Erkrankungsbeginn vor dem 45. Lebensjahr, • Rückenschmerz bewertet mit >40/100 auf der visuellen Analogskala, • ein Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) ≥4 und • Einnahme von mindestens 2 nichtsteroidalen Antirheumatika in höchster Dosierung bis zu 4 Wochen vor Studienbeginn. Patienten die im Vorfeld mit maximal einem Tumornekrose faktor(TNF)-Inhibitor behandelt wurden und ein unzureichendes Ansprechen zeigten, konnten ebenfalls teilnehmen. Von den 555 Patienten waren 501 Biologikanaiv (90,3 %). Als primärer Endpunkt wurde der Anteil der TNF-naiven Patienten unter Secukinumab 150 mg definiert, die zu Woche 16 bzw. zu Woche 52 ein ASAS40-Ansprechen (Assessment of SpondyloArthritis international Society) erreichen. Sekundäre Endpunkte umfassen
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BASDAI-Veränderungen im zeitlichen Verlauf sowie Veränderungen im Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score mit CRP (ASDAS-CRP). Der primäre Endpunkt wurde erreicht: In Woche 16 hatten 41,5 % der mit Secukinumab 150 mg behandelten Patienten eine 40%ige Verbesserung ihrer Symptome gegenüber dem Ausgangswert zu Studienbeginn gemäß den ASAS40-Ansprechkriterien erreicht; mit Placebo traf dies für 29,2 % der Patienten zu (p<0,05). Darüber hinaus wurde eine Symptomverbesserung bis Woche 52 beobachtet. Außerdem wurden statistisch signifikante Verbesserungen der sekundären Endpunkte nachgewiesen, darunter Schmerzen, Krankheitslast und gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die Studie zeigte ein anhaltendes Ansprechen und ein Sicherheitsprofil, das mit früheren klinischen Studien übereinstimmt. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale festgestellt. B. S.
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
Migräne-Prophylaxe: Fremanezumab reduziert auch Komorbiditäten
D
ie Migräne gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen in Deutschland – etwa 10 – 15 % der Bevölkerung sind davon betroffen [1]. Für die Patienten ist die MigräneErkrankung mit starken Einschränkungen der Lebensqualität und einem hohen Leidensdruck verbunden. Denn die Kopfschmerzattacken werden häufig von Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- oder Lärmempfindlichkeit begleitet. Auch damit einhergehende Komorbiditäten beeinträchtigen das Familien-, Sozial- und Berufsleben. An erster Stelle steht dabei die Depression, an zweiter die Medikamenten-induzierten Kopfschmerzen aufgrund eines Medikamentenübergebrauchs (Medication Overuse Headache, MOH), da die Patienten zusätzlich zur verordneten Medikation oft selbstbestimmt weitere Schmerzmittel einnehmen. Ziel einer vorbeugenden MigräneTherapie sollte es daher sein, nicht nur die Häufigkeit, Stärke sowie Dauer der Migräne-Attacken zu reduzieren, sondern auch die Komorbiditäten zu lindern. Dass sich dieses Ziel mit dem gegen das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) gerichteten monoklonalen, humanisierten Antikörper Fremanezumab (Ajovy®) erreichen lässt, wurde in verschiedenen Studien bestätigt.
Bedarfsgerechte MigräneProphylaxe mit Fremanezumab verbessert das Patient-reported Outcome
Jeder Migräne-Patient hat sehr individuelle Bedürfnisse, die in das Therapiemanagement mit einfließen sollten, damit bestmögliche Adhärenz gewährleistet ist. Mit den CGRP-Antikörpern wurde eine Substanzklasse entwickelt, die nicht nur hinsichtlich Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit überzeugt, sondern auch den Bedürfnissen der Patienten gerecht wird. Seit der Zulassung von Fremanezumab haben die Patienten erstmals die Möglichkeit, ihre prophylaktische Therapie flexibel
zu dosieren. Denn der monoklonale Antikörper für die spezifische Migräneprophylaxe kann aufgrund seiner langen Halbwertszeit von 32 Tagen nicht nur monatlich, sondern auch nur einmal pro Quartal mit 675 mg Fremanezumab in der dreifachen Monatsdosis à 225 mg vom Patienten selbst per Fertigspritze injiziert werden [2]. Das vereinfacht die Gabe und erhöht die für eine anhaltende Therapieadhärenz erforderliche Akzeptanz. Besonders hervorzuheben ist auch das schnelle Ansprechen auf die Fremanezumab-Therapie: Verbes serungen zeichnen sich bereits nach einer Woche ab (Abb. 1) [3]. Auch Migräne-Patienten mit mehreren erfolglosen Vortherapien
Abbildung 1: Bei Patienten mit chronischer Migräne führt die Therapie mit Fremanezumab (Ajovy®) nach nur einer Woche zu einer signifikanten Reduktion der Kopfschmerztage [3] (Quelle: Teva).
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können von einer Behandlung mit Fremanezumab profitieren. Dies bestätigen die Ergebnisse der FOCUS-Studie, in der unter der Therapie mit Fremanezumab die monatlichen Migränetage um 4,1 (bei monatlicher Dosis) bzw. 3,7 Tage (bei Quartalsdosis) im Vergleich zur Placebo-Gabe mit 0,6 Tagen reduziert werden konnten (p<0,0001) [4]. Im Studienprogramm zu Fremanezumab wurde zudem eine signifikante Verbesserung der Patientreported Outcomes (PRO) wie Lebensqualität, Gesundheitsstatus und Arbeitsproduktivität im Vergleich zu Placebo beobachtet. Bei 55 % der Migräne-Patienten, die Fremanezumab als Quartalsdosis erhielten, konnte eine deutliche Verbesserung des Gesundheitsstatus und der allgemeinen Lebensqualität erreicht werden [4].
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Fremanezumab Fremanezumab (Ajovy®) ist ein monoklonaler, vollständig huma nisierter IgG2Δa-Antikörper, der an den Liganden des Calcitonin Gene-Related-Peptide (CGRP) bindet. Das aus 37 Aminosäuren be stehende CGRP findet sich in verschiedenen Bereichen im zentra len und peripheren Nervensystem und fungiert gleichermaßen als Neurotransmitter und Modulator der zerebrovaskulären Nozizep tion. CGRP wird sowohl im ZNS als auch von trigeminalen Fasern in der Peripherie freigesetzt und ist zum einen an der Weiterlei tung des Schmerzsignals sowie der zentralen Sensitivierung und zum anderen an der Vasodilatation und neurogenen Entzündung beteiligt [12]. Es konnte nachgewiesen werden, dass das CGRP eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne einnimmt. Der CGRP-Level im Speichel steigt während einer Migräne-Attacke an und die CGRP-Level im Blut bleiben – insbesondere bei der choni schen Migräne – auch zwischen den Attacken erhöht [13]. Durch das Binden des CGRP-Antikörpers an den Botenstoff kann es zu einer Reduktion der Migräne-Attacken kommen, da zum einen die CGRP-Level gesenkt werden und zum anderen CGRP nicht an seinem Rezeptor andocken kann.
Reduktion der Depressionssymptomatik durch Fremanezumab
Depression ist die häufigste Komorbidität bei Migräne [5]. Neben der Reduktion der monatlichen Kopfschmerz-/Migräne-Tage hat auch die Verringerung der Depressionssymptomatik einen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten, denn beide Erkrankungen beeinflussen sich gegenseitig: Die Migräne erhöht das Risiko für eine Depression und diese wiederum das Risiko für weitere MigräneAttacken und eine Chronifizierung. Bei der Wahl einer geeigneten Migräne-Prophylaxe muss daher besonders auf eine komorbide Depression geachtet werden, zumal in diesem Fall bestimmte Wirkstoffklassen kontraindiziert sind. Fremanezumab ist auch bei Migräne-Patienten mit einer De-
Modulierung des Trigeminussystems durch den CGRP-Antikörper Fremanezumab (Quelle: Teva).
Fremanezumab ist indiziert zur Migräne-Prophylaxe bei erwachse nen Patienten, die an mindestens 4 Tagen pro Monat an Migräne leiden [2].
pression wirksam und führt zu einer Verbesserung der damit verbundenen Symptomatiken: In einer randomisierten, doppelblinden Langzeitstudie reduzierten sich bei
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Patienten mit chronischer Migräne mit komorbider mittelschwerer bis schwerer Depression nach 12 Monaten Antikörper-Therapie die Migränetage signifikant (monatliche © VERLAG PERFUSION GMBH
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Dosis: –7,2; Quartalsdosis: –8,2) [6]. Gleichzeitig kam es zu einer schellen und anhaltenden Verbesserung der depressiven Symptomatik um ca. 10 Punkte, erhoben mit dem PHQ-9-Fragebogen (9item Patient Health Questionnaire) [5]. Eine Post-hoc-Analyse aus dem zulassungsrelevanten HALOStudienprogramm bei Patienten mit chronischer Migräne und komorbider Depression zeigt darüber hinaus, dass die Behandlung mit Fremanezumab (monatliche oder Quartalsdosierung) die Lebensqualität (Migraine-Specific Quality of Life, role function-preventive) in Woche 12 signifikant verbesserte (jeweils p < 0,05 versus Placebo) [7]. Erfolgreiche Migräne-Prophylaxe bei Medikamentenübergebrauch
Neben der Verbesserung der Lebensqualität gilt auch die Vermeidung von Medikamenten-induzierten Kopfschmerzen aufgrund eines Medikamentenübergebrauchs (MOH) als sekundäres Ziel in der Migräne-Prophylaxe. Schätzungen zufolge erfüllen 30 – 50 % der Patienten mit chronischer Migräne die Kriterien für einen Medikamentenübergebrauch [8, 9]. Ein Übergebrauch von Kopfschmerz- und Migränemitteln kann zu einer Zunahme der Kopfschmerzen führen und das Risiko
für den Übergang einer episodischen Migräne in eine chronische Migräne erhöhen [10]. Daher sollten die Patienten ausführlich über die Risiken der Analgetika-Einnahme aufgeklärt und zum Führen eines Kopfschmerztagebuchs angehalten werden. Mit einer medikamentösen Prophylaxe kann entweder direkt begonnen werden oder es wird vorher ein Medikamentenentzug durchgeführt. Langzeitstudiendaten zufolge können Migräne-Patienten mit MOH auch ohne Medikamentenentzug vom CGRP-Antikörper Fremanezumab profitieren. In eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie wurden insgesamt 1110 Patienten mit chronischer und 780 mit episodischer Migräne eingeschlossen, bei 54 % bzw. 13 % lag ein Medikamentenübergebrauch vor. 12 Monate nach Beginn der Prophylaxe mit Fremanezumab kam es unter beiden Dosierungen (225 mg monatlich, 675 mg vierteljährlich) sowohl bei Patienten mit als auch ohne Medikamentenübergebrauch im Vergleich zum Ausgangswert zu einer anhaltenden Reduktion der monatlichen Kopfschmerztage und der monatlichen Migränetage [11]. Bei den Patienten mit chronischer Migräne war der Effekt bei Medikamentenübergebrauch tendenziell stärker ausgeprägt und bei ca. 60 % dieser Betroffenen konnte dieser erfolgreich behandelt wer-
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den [10]. Aus diesem Ergebnis lässt sich schließen, dass Fremanezumab bei Migräne-Patienten mit Medikamentenübergebrauch ohne vorherigen Medikamentenentzug eingesetzt werden kann, was die Therapie für Arzt und Patient erheblich erleichtert. Brigitte Söllner, Erlangen
Literatur 1 DMKG. Migräne. http://www.dmkg.de/ patienten/antworten-auf-die-wichtigstenfragen-rund-um-den-kopfschmerz-onlinebroschuere/online_broschuere_migraene.html 2 Fachinformation Ajovy®; Stand: März 2019 3 Silberstein SD et al. N Engl J Med 2017; 377:2113-2122 4 Ferrari MD et al. Lancet 2019;394:10301040 (+Appendix) 5 Grobe, Steinmann, Szecsenyi. Barmer Arztreport 2017 6 Lipton BB et al. American Academy of Neurology (AAN) Meeting 2019, Philadelphia, PA/USA: P1.024 7 Cohen JM et al. AAN Meeting 2018, Los Angeles, CA/USA: P4.097 8 Westergaard ML et al. Ther Adv Drug Saf 2016;7:147-158 9 Straube A et al. Cephalgia 2010;30:27213 10 Diener HC et al. Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln. S1-Leitlinie 2018; AWMF-Register-Nr. 030/131 11 Silberstein SD et al., International Head ache Congress (IHC) 2019, Dublin, Irland: Poster IHC-PO-168 12 Meßlinger K, Dux M. Nervenheilkunde 2016;7/8:492-500 13 Cernuda-Morollon E et al. Neurology 2013;81:1191-1196
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
M
it der Zulassung von Gilteritinib (Xospata™) ist seit Kurzem eine zielgerichtete Therapie von erwachsenen Patienten mit rezidivierter oder refraktärer akuter myeloischer Leukämie (AML) mit einer FLT3-Mutation (FLT3mut+) verfügbar [1]. Wie die Ergebnisse der Zulassungsstudie ADMIRAL zeigen, kann der Inhibitor der FLT3-Kinase die Behandlungsperspektive für AMLPatienten mit den häufigsten Mutationen – FLT3 interne Tandemduplikationen (ITD) und Mutationen in der FLT3 Tyrosinkinasedomäne (TKD) – erheblich verbessern: Gegenüber der Salvage-Chemotherapie erhöhte sich nicht nur die Ansprechrate, sondern auch das mediane Gesamtüberleben der Patienten signifikant [2].
Gilteritinib – eine neue Option zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie bei Patienten mit FLT3-Mutation FLT3-Mutationen und ihre Folgen Das FLT3-Gen kodiert für eine membranständige Rezeptortyrosin kinase, die normalerweise in hämatopoetischen Stammzellen ex primiert wird [3]. Bei gesunden Zellen aktiviert die Bindung des FLT3-Liganden an den FLT3-Rezeptor verschiedene Signalwege für die Proliferation und Differenzierung dieser Zellen. Bei Mu tationen im FLT3-Gen wird eine konstitutiv aktive Tyrosinkinase gebildet, wodurch PI3K-, RAS- und STAT5-Signalwege Ligandenunabhängig aktiviert werden. Dadurch können Apoptose und Zell differenzierung ausbleiben und eine unkontrollierte Proliferation sowie Wachstum der Tumorzellen begünstigt werden [5].
Zielgerichtete Therapie der AML nach positiver Testung auf FLT3-Mutation
Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML und einer Mutation im Gen der FMS like Tyrosinkinase 3 (FLT3) haben eine besonders schlechte Prognose und wenige Therapieoptionen nach Rückfall aus der Erstlinientherapie – eine Chance auf Langzeitremission bot bislang nur die allogene Stammzelltransplantation [3]. Mit der Zulassung von Gilteritinib gibt es nun eine zielgerichtete Therapie gegen die FTL3-Mutation, die als Treibermutation bei der AML gilt (vgl. Insert) [4]. Aktivierende Mutationen im FLT3Gen lassen sich bei rund 30 % der Betroffenen nachweisen [4]: • FLT3-interne Tandemduplikationen (ITD) bei 25 % aller AML-Patienten • Punktmutationen in der FLT3Tyrosinkinasedomäne (TKD)
Mutationen im FLT3-Gen führen zu einer konstitutiv aktiven Tyrosinkinase und zur Aktivierung der assoziierten Signalwege [5]. ITD = interne Tandemduplika tionen, TKD = Tyrosinkinasedomäne.
bei etwa 7 – 10 % aller AMLPatienten Mutationen des FLT3-Gens sind nicht nur die häufigsten genetischen Defekte bei AML-Patienten,
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sondern haben auch einen wesentlichen Einfluss auf die Prognose: • Aktivierende FLT3-Mutationen sind mit Hyperleukozytose und einem schnellen Tumorwachstum assoziiert [6]. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Gilteritinib Gilteritinib (Xospata™) ist ein Typ-1-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor, der den FLT3-Rezeptor in der aktiven Konformation entweder nahe der Aktivierungsschleife oder der ATP-Bindestelle bindet und sich damit gegen ITD- und TKD-Mutationen (einschließlich FLT3-ITD, FLT3-D835Y und FLT3-ITD-D835Y) richtet [1, 4, 5]. Im Gegensatz dazu binden Typ-2-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitoren den FLT3-Rezeptor in der inaktiven Konformation neben der ATP-Bindungsdomäne und richten sich damit gegen ITDMutationen, nicht jedoch gegen TKD-Mutationen [4].
Als Typ-1-Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor richtet sich Gilteritinib gegen FLT3 mit ITD- und TKD-Mutationen [4].
Gilteritinib inhibiert FLT3 und damit die FLT3-assoziierten Signalwege (PI3K, RAS, STAT5), die bei AMLPatienten Liganden-unabhängig aktiviert werden [1, 5]. Dadurch hemmt Gilteritinib die Proliferation in den Zellen, die FLT3-Mutationen exogen exprimieren, einschließlich FLT3-ITD, FLT3-D835Y und FLT3ITD-D835Y. Bei leukämischen Zellen, die FLT3-ITD exprimieren, induziert Gilteritinib eine Apoptose [1]. Xospata™ ist ein Orphan Drug und als Monotherapie für erwachsene Patienten mit rezidivierender oder refraktärer AML mit einer FLT3-Mutation zugelassen [1].
• FLT3-ITD-Mutationen erhöhen das Risiko für einen frühen Rückfall und Mortalität [7, 8, 9]. Die Prognose, aber auch die Wahl der Therapie richtet sich daher zu einem großen Teil nach dem genetischen Hintergrund der AML, wobei eine Vielzahl von Genen betroffen sein kann (neben FLT3 auch DNMT3A, NPM1 und IDH1/2) [3]. Aus diesem Grund sind bereits bei der Erstdiagnose zyto- und molekulargenetische Befunde unverzichtbar für die Auswahl der initialen Therapie. Da sich Mutationen in AMLassoziierten Genen während des Krankheitsverlaufs ändern können,
z.B. in der Zeit zwischen Diagnose und Rezidiv, ist eine genetische Testung auch in der Rezidivsituation angezeigt, um diejenigen Patienten zu identifizieren, die von der zielgerichteten FLT3-Therapie mit Gilteritinib profitieren können [10]. Höhere Ansprechrate und verbessertes Gesamtüberleben unter Gilteritinib gegenüber Chemotherapie
In der Phase-III-Studie ADMIRAL wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Gilteritinib gegenüber einer Salvage-Chemotherapie
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bei 371 erwachsenen Patienten mit rezidivierter oder refraktärer AML und nachgewiesener FLT3Mutation untersucht [2]. Die Patienten erhielten im Verhältnis 2 : 1 randomisiert entweder Gilteritinib 120 mg/d (n = 247) oder eine Salvage-Chemotherapie* (n = 124). Primäre Studienendpunkte waren das Gesamtüberleben (OS) und die Rate der kompletten Remissionen/ * Salvage-Chemotherapie: 60,5 % hoch intensive und 39,5 % gering intensive Behandlung (MEC und FLAG-Ida: bis zu 2 Zyklen, LoDAC und Azacitidin: kontinuierliche 4-wöchige Zyklen) [1]. MEC: Mitoxantron, Etoposid, Cytarabin; FLAGIda: Granulozyten-Kolonie stimulierender Faktor, Fludarabin, Cytarabin, Idarubicin; LoDAC: Cytarabin. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Abbildung 1: Ergebnis für den primären Endpunkt der ADMIRAL-Studie: Patienten unter Gilteritinib hatten ein signifikant längeres medianes Gesamtüberleben (9,3 Monate) im Vergleich zu den Patienten unter einer Salvage-Chemotherapie (5,6 Monate) [2].
der kompletten Remission mit partieller hämatologischer Erholung. Unter Gilteritinib zeigte sich ein signifikant längeres Überleben als unter der Salvage-Chemotherapie: Bei den mit Gilteritinib behandelten Patienten betrug das mediane OS 9,3 Monate im Vergleich zu 5,6 Monaten bei Patienten, die eine Salvage-Chemotherapie erhielten (HR: 0,637; 95%-KI: 0,490 – 0,830; 1-seitiger p-Wert: 0,0004) (Abb. 1). Die 1-JahresÜberlebensrate betrug 37 % bei den Patienten unter Gilteritinib gegenüber 17 % bei Patienten unter Salvage-Chemotherapie. Neben den überzeugenden OSDaten unterstreichen auch die An-
sprechraten die Wirksamkeit von Gilteritinib: Die Rate der kompletten Remissionen/der kompletten Remission mit partieller hämatologischer Erholung betrug unter Gilteritinib 34,0 %, unter der SalvageChemotherapie 15,3 % [2]. In der ADMIRAL-Studie zeigte Gilteritinib ein günstiges Nebenwirkungsprofil, insbesondere war die Anzahl expositions-adjustierter Nebenwirkungen ≥ Grad 3 unter Gilteritinib niedriger als unter Salvage-Chemotherapie (Ereignisse pro Patientenjahr: 19,34 unter Gilteritinib vs. 42,44 unter SalvageChemotherapie) [2]. Brigitte Söllner, Erlangen
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Literatur 1 Fachinformation XOSPATA™; Stand: Oktober 2019 2 Perl AE et al. N Engl J Med 2019;381: 1728-1740 3 DGHO-Leitlinien Onkopedia, Oktober 2019 4 Daver N et al. 2019;33:299-312 5 Kavanagh S et al. JCI Insight 2017;2 e95679 6 Canaani J et al. Am J Hematol 2017;92: 653-659 7 Abu-Duhier FM et al. Br J Haematol 2000;111:190-195 8 Kottaridis PD et al. Blood 2001;98:17521759 9 Chillon MC et al. Hematol J 2004;5:239246 10 Fathi AT et al. Curr Hematol Malig Rep 2014;9:186-192
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N
ach einem anfänglich schubförmig remittierendem Verlauf geht die Multiple Sklerose bei bis zu 89 % der Patienten in eine sekundär progrediente Form (SPMS) über, bei der zwar seltener Schübe auftreten, es aber zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der neurologischen Funktionen kommt. Die betroffenen Patienten leiden typischerweise unter einer Gangunsicherheit, Koordinationsstörungen, einer eingeschränkten Kognition, Müdigkeit, Erschöpfung und depressiven Verstimmungen [1]. Die Therapieoptionen bei sekundärer Progredienz beschränkten sich bisher auf β-Interferone [2]. Mit dem seit 17. Februar 2020 verfügbaren Wirkstoff Siponimod (Mayzent®) steht nun erstmals ein peroral bioverfügbares Medikament zur Verfügung, das für erwachsene SPMS-Patienten mit Krankheitsaktivität, nachgewiesen durch Schübe oder Bildgebung der entzündlichen Aktivität, zugelassen ist [3]. Wie die Zulassungsstudie EXPAND nachwies, verzögert der Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptormodulator Siponimod die Krankheitsprogression in dieser Patientenpopulation [4]. Untermauert und ergänzt werden die Ergebnisse durch die kürzlich publizierten 5-Jahres-Daten der EXPAND-Studie, die zudem die Vorteile eines frühen Behandlungsbeginns mit Siponimod belegt [5]. Signifikante Reduktion der Behinderungsprogression
Die EU-Zulassung von Siponimod basiert auf Daten der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie EXPAND, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Siponimod gegen-
Orale Therapie mit Siponimod verzögert das Fortschreiten der sekundär progredienten Multiplen Sklerose
über Placebo bei SPMS-Patienten mit verschiedenem Schweregrad der Behinderung (EDSS-Score* bei Baseline 3,0 – 6,5) untersuchte [4]. Unter den 1.651 eingeschlossenen Teilnehmern befand sich eine Subgruppe von 779 Patienten mit aktiver Erkrankung, definiert als Patienten mit mindestens einem Schub in den 2 Jahren vor der Studie und/oder Kontrastmittelanreichernden T1-Läsionen bei Studienbeginn. Alle Studienteilnehmer wurden im Verhältnis 2 : 1 auf die Therapie mit 2 mg/d Siponimod oder Placebo randomisiert. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur nach 3 Monaten bestätigten Behinderungsprogression, definiert durch die Zunahme des EDSS um 1 Punkt bei Ausgangswerten zwischen 3,0 und 5,0 sowie um plus 0,5 Punkte bei Werten zwischen 5,5 und 6,5. Wichtige sekundäre Endpunkte waren die Veränderung des Volumens der T2-Läsionen gegenüber dem Studienstart, die nach 6 Monaten bestätigte Behinderungsprogression, die prozentuale Veränderung des Gehirnvolumens und Parameter für die * EDSS = Expanded Disability Status Scale, eine Skala, die den Schweregrad der Behinderung bei Multiple-Sklerose-Patienten angibt.
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entzündliche Krankheitsaktivität (jährliche Schubrate, Läsionen im MRT). In der Gesamtpopulation verringerte die Behandlung mit Siponimod die Zeit bis zum Auftreten der Behinderungsprogression signifikant: Das relative Risiko für eine nach 3 Monaten bestätigte Progression sank gegenüber Placebo signifikant um 21 % (p = 0,0134), das Risiko für eine nach 6 Monaten bestätigte Progression um 26 % (p = 0,0058) (Abb. 1) [4, 6]. Die Behandlung mit Siponimod wirkte auch positiv auf andere für die MS-Krankheitsaktivität relevante Parameter: In der Gesamtpopulation sank die jährliche Schubrate relativ um 55 % (p < 0,0001) und im Vergleich zu Placebo ging die entzündliche Aktivität im Gehirn, nachgewiesen mit Magnetresonanz-Tomografie, signifikant zurück: Unter Siponimod waren mehr Patienten frei von Gd-anreichernden Läsionen (89 % vs. 67 %) und von neuen oder sich vergrößernden T2-Läsionen (57 % vs. 37 %) [4]. Eine explorative Analyse ergab außerdem, dass Siponimod unter Annahme eines anhaltenden Behandlungseffekts die Zeit bis zum Erreichen des Rollstuhls um 4,3 Jahre verlängern konnte [7]. © VERLAG PERFUSION GMBH
Behinderungsprogression um 21 % im Vergleich zu Placebo (Hazard Ratio[HR] 0,79, p = 0,0134) und einer Risikoreduktion für eine nach 6 Monaten bestätigte Behinderungsprogression um 26 % gegenüber Placebo (HR 0,74, p = 0,0058). Patienten mit nach 3 und 6 Monaten bestätigter Behinderungsprogression anhand von EDSS-Kaplan-Meier-Kurven (vollständiger Analysesatz, Studie A2304)
Zeit bis zur nach 3 Monaten bestätigten Behinderungsprogression gegenüber Placebo
Zeit bis zur nach 6 Monaten bestätigten Behinderungsprogression gegenüber Placebo
(Primärer Endpunkt)
50
Prozentsatz Patientenmit mitnach nach 6 Monaten Prozentsatz der der Patienten 6 Monaten bestätigter bestätigterBehinderungsprogression Behinderungsprogression
Prozentsatz Monaten Prozentsatzder derPatienten Patienten mit nach nach 33Monaten bestätigter bestätigterBehinderungsprogression Behinderungsprogression
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Abbildung 1
50
In der Subgruppe der Patienten (n = 779) mit Krankheitsaktivität (definiert als Patienten mit Schub in 40 40 den 2 Jahren vor der Studie und/oder Vorhandensein von Gd-verstärkenden T1-Läsionen zu Studienbeginn) waren die Baseline-Eigenschaften ähnlich der Gesamtpopulation. Das mediane Alter betrug 4730Jahre, die mediane Krankheitsdauer 15 Jahre und 30 der mediane EDSS-Wert zu Studienbeginn 6,0. 20
20
Die Zeit bis zum Auftreten der nach 3 und 6 Monaten bestätigten Behinderungsprogression war bei mit Siponimod behandelten Patienten mit Krankheitsaktivität signifikant verzögert, um 31 % im 10 10 Vergleich zu Placebo (Hazard Ratio 95%-KI: 0,53; 0,91) und umRatio: 37 %0,74, impVergleich zu Hazard Ratio: 0,79, p =[HR] 0,0134;0,69; (95%-Kl: Hazard = 0,0058; (95%-Kl: 0,65; 0,95); Risikoreduktion: 21 %ARR (bestätigte Schübe) war Placebo (HR 0,63; 95%-KI: 0,47; 0,86). Die im Vergleich zu Placebo 0,60; 0,92); Risikoreduktion: 26 % 0 0 um 46 % reduziert (ARR-Verhältnis 0,54; 95%-KI: 0,39; 0,77). Die relative Ratenreduktion der 0 6 12 18 24 30 36 42 0 6 12 24 30 36 kumulativen Anzahl von Gd-verstärkenden T1-gewichteten Läsionen über 24 18 Monate betrug 85 % 42 Studienmonat Studienmonat in der (Ratenverhältnis 0,155; 95%-KI: 0,104; 0,231) im Vergleich zu Placebo. Die Unterschiede Anzahl der Patienten unter Risiko Anzahl der Patienten unter Risiko Veränderung des T2-Läsionsvolumens und im Prozentsatz der Veränderung des Gehirnvolumens 1.099 960 811 525 306 5 0 Siponimod 1.099 947 499 0 Siponimod (Durchschnitt über die781 Monate 12289 und 101 24) im40 Vergleich zu Placebo betrugen -1163 mm3 106 (95%Placebo 546 473 361 230 128 37 1 0 Placebo 546 463 352 223 124 35 0 KI: -1484, -843 mm3) beziehungsweise 0,141 % (95%-KI: 0,020; 0,261 %). Siponimod (n = 1.099)
Abbildung 2
Placebo (n = 546)
Patienten mit nach 3 und 6 Monaten bestätigter Behinderungsprogression Abbildung 1: Ergebnis deranhand EXPAND-Studie für die nach 3 und 6 Monaten bestätigte Behinderungsprogression in der Gesamtstudienpopulation von EDSS-Kaplan-Meier-Kurven – Subgruppe mit aktiver SPMS anhand von EDSS-Kaplan-Meier-Kurven [4] (Quelle: [6]). (vollständiger Analysesatz, Studie A2304)
50
Prozentsatz der Patienten mit nach 6 Monaten Prozentsatz der Patienten mit nach 6 Monaten bestätigter Behinderungsprogression bestätigter Behinderungsprogression
Prozentsatz der Patienten mit nach 3 Monaten bestätigter Behinderungsprogression
Zeit bis zur nach 3 Monaten bestätigten Behinderungsprogression gegenüber Placebo (Primärer Endpunkt)
40 30 20 10
Hazard Ratio: 0,69 (95%-Kl: 0,53; 0,91); Risikoreduktion:
0
31% 0
6
12
18
24
30
36
42
Zeit bis zur nach 6 Monaten bestätigten Behinderungsprogression gegenüber Placebo 40
30
20
10
Hazard Ratio: 0,63 (95%-Kl: 0,47; 0,86); Risikoreduktion: 37%
0 0
6
12
Studienmonat 516 263
439 221
24
30
36
42
1 0
0 0
Studienmonat Anzahl der Patienten unter Risiko
Anzahl der Patienten unter Risiko
Siponimod Placebo
18
376 164
245 112
149 68
48 19
1 0
0 0
Siponimod Placebo
Siponimod (n=516)
516 263
447 225
391 171
258 115
156 68
51 20
Placebo (n=263)
19
Abbildung 2: Ergebnis der die nach 3 und 6 Monaten bestätigte Behinderungsprogression in der Subgruppe mit aktiver In der Subgruppe derEXPAND-Studie Patienten (n für = 827) ohne Anzeichen und Symptome von Krankheitsaktivität SPMS anhand von EDSS-Kaplan-Meier-Kurven [8] (Quelle: [6]).
(definiert als Patienten ohne Schub in den 2 Jahren vor der Studie und ohne Vorhandensein von Kontrastmittel anreichernden T1-Läsionen zu Studienbeginn), waren die Auswirkungen auf die nach 3 JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2020 · 29. JAHRGANG © VERLAG7PERFUSION und 6 Monaten bestätigte Behinderungsprogression gering (die Risikoreduktionen betrugen % bzw. GMBH 13 %).
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Subgruppenanalysen zeigten, dass die Patienten mit aktiver SPMS-Erkrankung und jüngere Menschen deutlich mehr von der Siponimod-Behandlung profitierten: Ihr relatives Risiko für eine nach 3 bzw. 6 Monaten bestätigte Behinderungsprogression war um 31 % (p = 0,0094) bzw. 37 % (p = 0,0040) niedriger als unter Placebo [8] (Abb. 2). Die Analyse der SPMS-Subgruppe bestätigte auch weitere positive Effekte von Siponimod auf andere relevante Parameter der MS-Aktivität: Die jährliche Schubrate war im Vergleich zu Placebo um 46 % reduziert, die kumulative Anzahl von Gd-verstärkenden T1-gewichteten Läsionen über 24 Monate um 85 %. Das T2Läsionsvolumen nahm um 1163 m3 weniger zu als unter Placebo und der prozentuale Volumenverlust der grauen Hirnsubstanz war um 0,141 % geringer als unter Placebo [8]. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, da der Volumenverlust mit der Behinderungsprogression und den kognitiven Einbußen korreliert. Entsprechend zeigen die Studienergebnisse auch, dass die Patienten unter der Behandlung mit Siponimod ihre Gehfähigkeit im Durchschnitt 4 Jahre länger erhalten können [8]. Basierend auf diesen Daten hat die Europäische Arzneimittelagentur Siponimod die Zulassung für die Behandlung von SPMS-Patienten mit nachgewiesener Krankheitsaktivität erteilt. Rechtzeitiger Behandlungsbeginn bietet größeren Benefit
Ein wesentliches Ergebnis der EXPAND-Studie war, dass die Behandlungsergebnisse umso besser ausfielen, je früher die Patienten Siponimod erhalten hatten [4].
NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
Siponimod Siponimod (Mayzent®) ist ein neuartiger Modulator des Sphin gosin-1-Phosphat-(S1P)-Rezeptors, der sich im Vergleich zu Fin golimod durch eine höhere Rezeptorspezifität und günstigere pharmakokinetische Eigenschaften auszeichnet. Siponimod bindet selektiv an die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren S1P-Rezeptor 1 und S1P-Rezeptor 5. Indem es als funktioneller Antagonist auf den S1P-Rezeptor 1 der Lymphozyten wirkt, verhindert Siponimod die Migration von Lymphozyten aus den Lymphknoten. Dadurch wird die Rezirkulation von T-Zellen in das ZNS vermindert und dort die Entzündung begrenzt [9]. Nach Überwinden der Blut-Hirn-Schran ke bindet Siponimod außerdem direkt an den S1P-Rezeptor 5 auf spezifischen Zellen im ZNS, einschließlich Astrozyten und Oligoden drozyten, und wirkt dadurch im Hirngewebe schädlichen immuno logischen Prozessen entgegen [10]. In präklinischen MS-Modellen zeigte Siponimod remyelinisierende und neuroprotektive Effekte [11]. Seit 17. Februar 2020 ist Mayzent® auf dem deutschen Markt als erste orale, spezifisch zur Therapie der aktiven SPMS zugelassene Medikation verfügbar. Die empfohlene Dosierung richtet sich nach dem Genotyp des Pa tienten [6]: • Bei Patienten mit einem CYP2C9*3*3-Genotyp (langsame Me tabolisierer, etwa 0,3 – 0,4 % der Bevölkerung) darf Siponimod nicht angewendet werden, da bei diesen Patienten die Anwen dung von Siponimod zu deutlich erhöhten Plasmaspiegeln des Wirkstoffs führt. • Bei Patienten mit einem CYP2C9*2*3- (1,4 – 1,7 % der Bevölke rung) oder CYP2C9*1*3-Genotyp (9 – 12 % der Bevölkerung) be trägt die empfohlene Erhaltungsdosis 1 mg einmal täglich (4 Ta bletten zu 0,25 mg). • Bei allen Patienten mit anderem CYP2C9-Genotyp beträgt die empfohlene Erhaltungsdosis von Siponimod 2 mg einmal täglich.
Da der Übergang der schubförmig remittierenden MS in die aktive SPMS schleichend erfolgt, sollten Patienten mit schubförmiger MS sorgfältig überwacht werden, um die Transitionsphase zu erkennen und Siponimod möglichst früh einsetzen zu können. Den Benefit des rechtzeitigen Therapiebeginns mit Siponimod – ein geringeres Risiko für Behinderungsprogression und kognitive Einbußen im Vergleich zum späteren Therapiewechsel auf Siponimod – belegen die 5-Jahres-Daten
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der EXPAND-Studie, die kürzlich publiziert wurden [5]. In der Open-Label-Extension der EXPAND-Studie wurden die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Siponimod bei Patienten mit SPMS untersucht, die in der Verlängerungsphase entweder weiterhin Siponimod erhielten (Siponimod-Gruppe) oder von Placebo auf Siponimod wechselten (Placebo-Switch-Gruppe). Die Daten zeigen, dass die Patienten in der Siponimod-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Switch-Gruppe, d.h. © VERLAG PERFUSION GMBH
NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL / WISSENSWERTES
bei späterem Wechsel auf Siponimod, eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit sowohl für eine nach 3 als auch eine nach 6 Monaten bestätigte Behinderungsprogression hatten (p = 0,0064 bzw. p = 0,0048) [5]. Das Risiko einer nach 6 Monaten bestätigten Verschlechterung der kognitiven Beeinträchtigungen (gemäß Symbol Digit Modalities Test) war in der Siponimod-Gruppe um 23 % niedriger als in der Placebo-SwitchGruppe (p = 0,0014). Außerdem sank die jährlichen Schubrate um 52 % im Vergleich zur PlaceboSwitch-Gruppe (p < 0,0001) [5]. Der Nutzen der Siponimod-Behandlung aus der kontrollierten Beobachtungsphase blieb für bis zu 5 Jahre erhalten. Die offene Extensionsphase läuft insgesamt über eine Dauer von 7 Jahren. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse entsprach dem der kon trollierten Behandlungsphase der EXPAND-Studie, in der als häu-
Neu: MabThera®-Biosimilar Ruxience® Am 2. April 2020 hat die Europäische Kommission Ruxience® (Wirkstoff Rituximab), ein Biosimilar zu MabThera® i.v., zugelassen. Ruxience® ist indiziert zur Behandlung von Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), chronischer lymphatischer Leukämie (CLL), rheumatoider Arthritis (RA), granulomatöser Polyangiitis (GPA), mikroskopischer Polyangiitis (MPA) und Pemphigus vulgaris (PV). Rituximab ist ein chimärer, gegen CD20 gerichteter monoklonaler Antikörper, der eine vorübergehende Depletion von
figste Nebenwirkungen Kopfschmerzen, Bluthochdruck und erhöhte Leberenzymwerte beobachtet wurden [4]. Brigitte Söllner, Erlangen
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1 Multiple Sclerosis International Federation. Atlas of MS 2013. http://www.msif. org/wp-content/uploads/2014/09/Atlasof-MS.pdf 2 National Multiple Sclerosis Society. Secondary Progressive MS (SPMS). https:// www.nationalmssociety.org/What-is-MS/ Types-of-MS/Secondary-progressive-MS 3 European Commission, Public Health – Union Register of medicinal products. https://ec.europa.eu/health/documents/ community-register/html/h1414.htm 4 Kappos L, Cree B, Fox R et al. Siponimod versus placebo in secondary progressive multiple sclerosis (EXPAND): a double-blind, randomized, phase 3 study. Lancet 2020, published online March 22, 2018. http://dx.doi.org/10.1016/S01406736(18)30475-6 5 Kappos L, Giovannoni G, Gold R et al. Long-term efficacy and safety of siponimod in patients with SPMS: EXPAND extension analysis up to 5 years. Neurology 2020;94(15 Suppl.):4128
6 https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/mayzentepar-product-information_de.pdf 7 Vermersch P, Gold R, Kappos L et al. Siponimod delays the time to wheelchair in patients with SPMS: Results from the EXPAND study. 35th Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), September 2019 8 Gold R, Kappos L, Bar-Or A et al. Efficacy of siponimod in secondary progressive multiple sclerosis patients with active disease: the EXPAND study subgroup analysis. 35th Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis, September 2019:P750 6 Gergely P, Nuesslein-Hildesheim B, Guerini D et al. The selective sphingosine 1-phosphate receptor modulator BAF312 redirects lymphocyte distribution and has species-specific effects on heart rate. Brit J Pharm 2012;167:1035-1047 10 Tavares A, Barret O, Alagille D et al. Brain distribution of MS565, an imaging analogue of siponimod (BAF312), in non-human primates. Eur J Neurol 2014; 21 (Suppl 1):504-PP2067 11 Dietrich M, Hecker C, Ramseier P et al. Neuroprotective potential for siponimod (BAF312) revealed by visual system readouts in a model of experimental autoimmune encephalomyelitis-optic neuritis (EAEON). 35th Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis, September 201: P844
CD20-exprimierenden B-Zellen induziert. Die Zulassung basiert auf umfassenden Daten, die die Biosimilarität von Ruxience® zum Referenzarzneimittel MabThera® belegen. Dazu gehören die Ergebnisse der vergleichenden klinischen Phase-III-Studie REFLECTIONS B3281006: Bei Patienten mit nicht vorbehandeltem, CD20-positivem follikulärem Lymphom mit geringer Tumorlast wurden im Vergleich zum Referenzprodukt keine klinisch relevanten Unterschiede in der Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität der Therapie sowie in den pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften festgestellt. „Biosimilars wie Ruxience® ermöglichen die gleiche Therapie-
qualität wie ihr jeweiliges Referenzprodukt, sind dabei jedoch kosteneffektiver“, betont Carl Janssen, Leiter der Onkologie bei Pfizer Deutschland. „Neben der Bereitstellung von innovativen Krebstherapien möchten wir mit unserem Biosimilars-Portfolio zu einer bedarfsgerechten Patientenversorgung mit modernen Biopharmazeutika beitragen.“ Seit mehr als 30 Jahren entwickelt Pfizer neue biologische Wirkstoffe und blickt auf mehr als 10 Jahre Erfahrung im Bereich der Herstellung von Biosimilars zurück. Das europäische Biosimilars-Portfolio von Pfizer umfasst derzeit 7 Wirkstoffe in den Bereichen Onkologie, Inflammation und Supportive Therapien. S. M.
Literatur
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Nintedanib – ein effektives Medikament zur Behandlung der interstitiellen Lungenerkrankung mit systemischer Sklerose
I
m April 2020 hat die Europäische Kommission den Tyrosinkinase-Inhibitor Nintedanib (OFEV®) zur Behandlung der interstitiellen Lungenerkrankung bei Erwachsenen mit systemischer Sklerose (SSc-ILD) zugelassen. Damit steht erstmals ein Medikament für diese Autoimmunerkrankung zur Verfügung, das den Verlust der Lungenfunktion effektiv bremsen kann. Bahnbrechender Durchbruch für SSc-ILD-Patienten
Die systemische Sklerose (SSc), auch Sklerodermie genannt, ist eine seltene, bisher unheilbare, das gesamte Organsystem betreffende Autoimmunerkrankung des Bindegewebes [1, 2, 3]. Kennzeichnend sind Fibrosen in verschiedenen Organen, darunter Lunge, Herz, Verdauungstrakt und Nieren, die zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen können. Ist die Lunge betroffen, entwickelt sich eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD), die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Denn die Regenerationskapazitäten der Lunge sind irgendwann erschöpft und es kommt aufgrund von fehlgeleiteten Reparaturmechanismen zu einer überschießenden Narben-
bildung [4], die schließlich zum Funktionsverlust der Lunge führt. Therapeutisch werden bislang Immunsuppressiva (z.B. Mycophenolat, Cyclophosphamid) oder Methotrexat plus Vasodilatatoren eingesetzt, die den Krankheitsverlauf aber nicht effektiv und zielgerichtet beeinflussen können [2]. Daher ist die ILD für rund ein Drittel aller Todesfälle bei SSc-Patienten verantwortlich und damit eine der Haupttodesursachen bei systemischer Sklerose [5]. Für die SSc-ILD besteht deshalb ein hoher ungedeckter therapeutischer Bedarf. Mit Nintedanib als erster und einziger zugelassener Behandlung haben Menschen, die mit dieser lebensbedrohlichen Erkrankung leben, eine nennenswerte Chance, dass sich ihr fortschreitender Lungenfunktionsverlust deutlich verlangsamen lässt [6]. Verlust der Lungenfunktion im Vergleich zu Placebo nahezu halbiert
Die Zulassung von Nintedanib basiert auf den Ergebnissen der SENSCIS®-Studie, einer doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Nintedanib bei 576 Patienten mit SSc-ILD aus
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32 Ländern untersuchte [6]. Die wichtigsten Einschlusskriterien waren die Diagnose einer systemischen Sklerose, bei der der Beginn der Erkrankung nicht länger als 7 Jahre zurücklag, eine durch hochauflösende Computertomografie gesicherte Lungenfibrose, eine forcierte Vitalkapazität (FVC) in der Lungenfunktionsprüfung von ≥40 % sowie eine Kohlenmon oxid-Diffusionskapazität (DLCO) von 30 – 89 % des Normalwerts. Die Studienteilnehmer erhielten 1 : 1 randomisiert zweimal täglich 150 mg Nintedanib oder Placebo. Patienten, die unter einer stabilen Therapie mit Mycophenolat oder Methotrexat standen und/oder Prednison bis zu 10 mg/Tag einnahmen, durften diese Medikation begleitend beibehalten. Primärer Endpunkt war die Reduzierung des jährlichen Verlusts der FVC über einen Zeitraum von 52 Wochen. Als wichtige sekundäre Endpunkte wurden die absoluten Veränderungen der Hautbeteiligung im Modified Rodnan Skin Score (mRSS) und der Lebensqualität im St. George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) bestimmt. Nach 52 Wochen Therapie betrug der jährliche FVC-Verlust bei den mit Nintedanib behandelten Patienten –52,4 ml/Jahr im Vergleich zu –93,3 ml/Jahr unter Placebo © VERLAG PERFUSION GMBH
n = 287
n = 288
Adjustierter jährlicher FVC-Verlust (ml/Jahr)
OFEV®0 VERLANGSAMTE IN SENSCIS® DEN FVC-VERLUST BEI SSC-ILD -20
Der primäre Endpunkt von SENSCIS®, Verringerung des FVC-Verlusts über 52 Wochen, wurde NEUE die UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL -40 erreicht: OFEV® verlangsamte im Vergleich zu Placebo den Verlust der Lungenfunktion bei Patienten mit SSc-ILD über 52-52,4 Wochen effektiv um 44 % (Abb. 1).12 Dieser Wert entspricht in etwa den -60 Ergebnissen, die zuvor in den Phase-III-Studien INPULSIS® mit OFEV® bei IPF erzielt wurden.7,12 Differenz 41,0 (95 %-KI: 2,9–79,0); p = 0,04 OFEV®Reduktion: 44 % Relative
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Die Rate an jeglichen unerwünschten und schwerwiegenden unern = 287 n = 288 0 wünschten Ereignissen war in beiden Studienarmen vergleichbar. -20 Abb. 1: SENSCIS®-Studie: Reduktion des adjustierten jährlichen FVC-Verlusts nach 52 Wochen OFEV® versus Placebo (primärer Endpunkt; mod. Unter der Nintedanib-Therapie nach 12) -40 traten am häufigsten gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhö -52,4 -60 auf (75,7 % unter Im Therapieverlauf zeichnete sich in SENSCIS® früh ein geringerer FVC-Verlust unter OFEV® imNintedanib vs. -80 Differenz 41,0nach 12 Wochen war dieser erkennbar und 31,6 % unter sich Placebo). Diese war Vergleich zu Placebo ab. Bereits vergrößerte im (95 %-KI: 2,9–79,0); p = 0,04 12 in den meisten Fällen von leichter Nach 52 Wochen betrug der adjustierte Studienverlauf weiter zugunsten von OFEV® (Abb. 2). -100 -93,3 Relative Reduktion: 44 % jährliche FVC-Verlust bei mit OFEV® behandelten Patienten 52,4 ml/Jahr und ml/Jahr unterIntensität [6]. bis93,3 mittelschwerer Wirksamkeitsvorteil Placebo (absolute Differenz 41,0 ml/Jahr [95 %-KI: 2,9–79,0; p = 0,04]).12 Ein Insgesamt war das Sicherheitsvon OFEV® war in allen untersuchten Subgruppen unabhängig z. B. von Geschlecht, Alter (unter bzw. von Ninund Verträglichkeitsprofil Abb. 1: SENSCIS®-Studie: Reduktion des adjustierten jährlichen FVC-Verlusts nach 52 Wochen OFEV® versus Placebo (primärer Endpunkt; mod. ® limitierter SSc und Mycophenolat-Begleitmedikation nachweisbar.12 über 65 Jahre), diffuser oder Abbildung 1: Ergebnis der SENSCIS -Studie für den primären Endpunkt, die Reduktion des tedanib bei SSc-ILD vergleichbar nach 12) adjustierten jährlichen FVC-Verlusts nach 52 Wochen Behandlung (OFEV®) Ein Effekt von OFEV® auf die Fibrosierung der Haut mit undNintedanib auf die Lebensqualität der Patienten wurdemit idiopamit dem bei Patienten bzw. Placebo (mod. nach [6]). innerhalb der 52 Wochen nicht beobachtet.12 thischer Lungenfibrose, für deren Im Therapieverlauf zeichnete sich in SENSCIS® früh ein geringerer FVC-Verlust unter OFEV® im Behandlung Nintedanib bereits in Vergleich zu Placebo ab. Bereits nach 12 Wochen war dieser erkennbar und vergrößerte sich im mehr als 75 Ländern zugelassen Studienverlauf weiter zugunsten von OFEV® (Abb. 2).12 Nach 52 Wochen betrug der adjustierte 20 ist. jährliche FVC-Verlust bei mit OFEV® behandelten Patienten 52,4 ml/Jahr und 93,3 ml/Jahr unter 0 Brigitte Söllner, 12 Placebo (absolute Differenz 41,0 ml/Jahr [95 %-KI: 2,9–79,0; p = 0,04]). Ein Wirksamkeitsvorteil -20 von OFEV® war in allen untersuchten Subgruppen unabhängig z. B. von Geschlecht, Alter (unter bzw.Erlangen -80
Placebo -93,3
Mittlere absolute Mittlere absolute FVC-Veränderung zu Baseline (ml)FVC-Veränderung zu Baseline (ml)
Adjustierter jährlicher FVC-Verlust (ml/Jahr)
-100
über 65-40Jahre), diffuser oder limitierter SSc und Mycophenolat-Begleitmedikation nachweisbar.12 Ein Effekt von OFEV® auf die Fibrosierung der Haut und auf die Lebensqualität der Patienten wurde -60 der 52 Wochen nicht beobachtet.12 innerhalb -80 -100 20 -120 00
4
12
16
20
24
28
32
36
40
44
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52
Woche
-20 -40
8
OFEV®
Placebo
-60
Abb. 2: SENSCIS®-Studie: Mittlere absolute FVC-Veränderung zu Baseline über 52 Wochen (mod. nach 12)
Abbildung 2:-80Mittlere absolute FVC-Veränderung in der SENSCIS®-Studie im Verlauf der 52-wöchigen Therapie mit Nintedanib (OFEV®) bzw. Placebo gegenüber dem Ausgangswert (mod. nach -100 [6]).
Literatur
1 Denton CP, Khanna D. Systemic sclerosis. Lancet 2017;390:1685-1699 -120 2 Cottin V, Brown KK. Interstitial lung dis0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 ease associated with systemic sclerosis (absolute Differenz 41,0 ml/Jahr; 65 Jahre), diffuser oder limitierter Woche (SSc-ILD). Respir Res 2019;20:13 95 %-KI: 2,9 – 9,0; p = 0,04). Dies SSc und Mycophenolat-Begleit- 3 Kowal-Bielecka O, Fransen J, Avouac J et OFEV® al. Update of EULAR recommendations entspricht einer relativen DifferenzPlacebo medikation nachweisbar [6]. for the treatment of systemic sclerosis. von 44 % bezüglich der Abnah- Ein Effekt von Nintedanib auf die Ann Rheum Dis 2017;76:1327-1339 Mittlere absolute FVC-Veränderung zu Baseline über 52 Wochen (mod. nach 12) meAbb. der2: SENSCIS®-Studie: Lungenfunktion (Abb. 1) Fibrosierung der Haut und auf 4 Solomon JJ, Olson AL, Fischer A. Scleroderma lung disease. Eur Respir Rev [6]. Im Therapieverlauf zeichne- die Lebensqualität der Patienten 2013;22:6-19 te sich schon früh ein geringerer wurde innerhalb der 52 Wochen 5 Tyndall AJ, Bannert B, Vonk M et al. FVC-Verlust in der Nintedanib- nicht beobachtet. Die VeränderunCauses and risk factors for death in systemic sclerosis: a study from the EULAR Gruppe ab; dies war bereits nach gen des mRSS (−0,21; 95 %-KI: scleroderma trials and research (EUS12 Wochen erkennbar (Abb. 2). −0,94 – 0,53; p = 0,58) und des TAR) database. Ann Rheum Dis 2010; Ein Wirksamkeitsvorteil von Nin- totalen SGRQ-Scores (1,69; 69:1809-1815 tedanib war in allen untersuchten 95 %-KI: −0,73 – 4,12) unterschie- 6 Distler O, Highland KB, Gahlemann M et al. Nintedanib for systemic sclerosis-asSubgruppen unabhängig z.B. von den sich in beiden Behandlungsarsociated interstitial lung disease. N Engl J Geschlecht, Alter (unter bzw. über men nicht wesentlich [6]. Med 2019;380:2518-2528 JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2020 · 29. JAHRGANG
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20 Jahre Estradiol-Dosiergel:
Zur Sicherheit der Hormonersatztherapie (HRT) Unter dem Titel „Körperidentische HRT mit transdermalem Estradiol und mikronisiertem Progesteron – die sicherste Wahl“ hat der Wiener Hormonspezialist Dr. Ewald Boschitsch, Ärztlicher Leiter und Vorstandsvorsitzender des Ambulatoriums KLIMAX, einen Überblick über die Studienlage zu der seit 2 Jahrzehnten zugelassenen Gel-Applikation von Estradiol als Webcast veröffentlicht. Ursprünglich war sein Vortrag im Rahmen eines Satellitensymposiums am 13. März auf dem diesjährigen Fortbildungskongress FOKO in Düsseldorf geplant gewesen, der aber aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt werden musste. Wir bringen hier eine Zusammenfassung des Webcast, der online abzurufen ist unter https://www.hormonspezialisten.de/fortbildung/teilnehmerlogin/dosiergeljubilaeumssympos ium/?utm_source=webcast&utm_ medium=link&utm_campaign= teilnehmer (Zugangscode: Jub20Gyno). Risiken einer HRT
Boschitsch beschäftigt sich bereits seit Anfang der 1980-er Jahre mit der körperidentischen HRT mit transdermalem Estradiol und oralem, mikronisiertem Progesteron, nachdem Arbeiten französischer Forscher seine Aufmerksamkeit geweckt hatten. Mitte der 1980-er Jahre habe er die damals in Österreich noch nicht erhältlichen Präparate importiert, die bald da-
rauf zur ersten Wahl bei der HRT geworden und es bis heute geblieben seien, berichtet Boschitsch zu Beginn seines Vortrags, in dem er sich vor allem mit dem Thema Sicherheit befasst. Für das Risikoprofil einer HRT sind laut Boschitsch 3 Faktoren entscheidend: 1. die Art der verwendeten Hormone (körperidentisch vs. bioidentisch), 2. der Verabreichungsweg (oral, transdermal) und 3. der Beginn der Substitution (Window of Opportunity). Art der verwendeten Hormone
Anhand von Studien zeigt Boschitsch auf, dass eine HRT mit den gleichen Hormonen, die in den Ovarien produziert werden, also Estradiol (E2) und Progesteron (P4), Risiken vermeiden kann, die mit synthetischen Wirkstoffen assoziiert werden. Als körperidentische Hormone werden zugelassene Medikamente mit Evidenz für Wirksamkeit und Sicherheit bezeichnet, während unter dem Begriff „bioidentisch“ oft nicht standardisierte Mixturen aus Estron, Estradiol und Estriol mit Progesteron (P4), Dehydroepiandrosteron (DHEA), Testosteron und Levothyroxin (T4) von speziellen Apotheken ohne Qualitätskontrolle vermarktet werden. In seinem Vortrag geht Boschitsch auch auf die Aussagen der WHIStudien zu Nutzen und Risiken der Kombinations- und zur Monotherapie ein und betont, dass das Brustkrebsrisiko, anders als immer wieder in Medien behauptet, in diesen Studien gar nicht signifikant erhöht war. Weiter würden die damals untersuchten Präparate bereits seit Langem nicht mehr
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verwendet und der wesentlich stärkere Einfluss vor allem der Adipositas, aber auch des Zigarettenrauchens auf das Brustkrebsrisiko sei in den Studien vernachlässigt worden. Nicht zu unterschätzen sei zudem der Einfluss des in dieser Studie geprüften Progesterons auf das Mammakarzinomrisiko. „Insgesamt hat sich eine HRT mit Estradiol und mikronisiertem Progesteron bei Behandlungsbeginn als beste Strategie erwiesen,“ fasst Boschitsch zusammen. Transdermale Administration im Vorteil
Wie wichtig für das Risikoprofil auch die Administrationsroute des Estradiols ist, belegt Boschitsch anhand weiterer Studien. Insbesondere hinsichtlich des Thromboserisikos sei die transdermale Applikation der oralen Therapie grundsätzlich vorzuziehen. Vor allem Patientinnen mit Adipositas sollten in jedem Fall transdermal behandelt werden, aber auch für Patientinnen mit prothrombotischen Mutationen wie der FaktorV-Leiden-Mutation ist das Risiko einer transdermalen HRT wesentlich geringer als mit einer oralen. Eine ähnliche Situation ist beim Schlaganfallrisiko gegeben. Boschitsch verweist hierzu auf eine Fallkontrollstudie, die über eine Datenbank der französischen Krankenversicherung mehr als 97 % der französischen Bevölkerung einbezogen hatte. Die Studie zeigt, dass die mit der oralen Anwendung von Estrogenen assoziierten Risiken mit der transdermalen Anwendung vermieden werden können. Eine dänische Registerstudie hat zudem ergeben, dass eine HRT mit transdermalem Estradiol das © VERLAG PERFUSION GMBH
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Durch naturidentische Hormone in Harmonie mit der Natur Die bioidentische (auch naturidentisch genannte) Hormoner satztherapie gilt als risikoarme und wirksame Behandlung bei Wechseljahresbeschwerden – vor allem Hitzewallungen und Schweißausbrüchen – und wird von den deutschen Fachgesell schaften empfohlen. Die WHI-Studie im Jahr 2002 ließ die Hormonersatztherapie (HRT) risikobehaftet erscheinen und löste bei vielen Frauen Angst aus. Hinzu kam, dass man Hormone damals nach dem „Gieß kannenprinzip“ verabreichte. Inzwischen wurden die Ergebnisse neu bewertet, denn die Studienautoren mussten schwere Inter pretationsfehler einräumen. Geändert hat sich auch die Praxis der Hormonvergabe – sie erfolgt heute nur unter fachärztlicher Beobachtung und wird exakt den Bedürfnissen der Patientin an gepasst. Viele Experten empfehlen deshalb eine bioidentische HRT mit einer Kombination aus transdermalem Estradiol und na türlichem Progesteron. Die Wirkstoffe der geprüften Präparate entsprechen genau den Hormonen, die der Körper nicht mehr ausreichend produzieren kann. Vorsicht bei Individualrezepturen Von den Fachgesellschaften ausdrücklich nicht empfohlen wer den sogenannte bioidentische Hormonrezepturen, die zwar vom Arzt verordnet, aber in Apotheken erst gemischt werden. Der Grund: Es fehlen klinische Studien zur Wirksamkeit und Un bedenklichkeit sowie Qualitätskontrollen [1, 2, 3]. Außerdem ist nicht bekannt wie viel des Wirkstoffs vom Körper aufgenommen wird, sodass die Gefahr der Über- und Unterdosierung besteht. Transdermales Estrogen und natürliches Progesteron Als Ersatz für körpereigenes Estrogen kommt bei der HRT vor wiegend naturidentisches Estradiol zum Einsatz. Am besten eig net sich die Anwendung über die Haut, zum Beispiel in Form ei nes Dosiergels. Wenn es über die Haut aufgenommen wird und nicht die Leber passieren muss, bleibt das Thromboserisiko ge ring. Wurde die Gebärmutter nicht entfernt, verordnet der Arzt zusätzlich ein Gestagen-Präparat. Es verhindert ein übermäßiges Wachstum der Gebärmutterschleimhaut. Dafür bietet sich na türliches Progesteron als Weichkapseln zur oralen Einnahme an (wie Utrogest®), das im Vergleich zu synthetischen Gestagenen weder Blutfette noch Blutdruck negativ beeinflusst [4, 5]. Au ßerdem unterstützt Progesteron die Wasserausscheidung, wirkt beruhigend und fördert einen gesunden Schlaf. F. S.
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Herzinfarktrisiko der behandelten Frauen sogar signifikant senken kann. Wann sollte die HRT starten?
Als „Window of Opportunity“ für die HRT gilt der Zeitraum innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause bzw. vor dem 60. Lebensjahr. Innerhalb dieser Zeit überwiegen die Vorteile der HRT die Risiken. In seinem Webcast präsentiert Boschitsch eine Untersuchung zu vaskulären Effekten einer frühen oder späten HRT. Danach funktioniert die kardiovaskuläre Protektion nur, wenn die HRT in den ersten 6 Jahren postmenopausal initiiert wird. Später verschwindet dieser Effekt. Fazit
Das günstigste Risikoprofil zur Minimierung des Brustkrebs-, Thrombose-, Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos hat laut Boschitsch eine in der Peri- oder frühen Postmenopause begonnene HRT mit transdermalem Estradiol (E2) und natürlichem Progesteron (P4). Fabian Sandner, Nürnberg
Quellen: 1 The North American Menopause Society (NAMS). Menopause 2017;24:728753 | 2 British Menopause Society (BMS). Post Reprod Health 2017;23:149 | 3 de Villiers TJ et al. Maturitas 2016;91:153-155 | 4 Lee DY et al. Climacteric 2011;14:92-99 | 5 The Writing Group for the PEPI Trial. JAMA 1995;273:199-208
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Optimiertes Management der hepatischen Enzephalopathie Wie kann eine nahtlose und leitliniengerechte Versorgung von Patienten mit hepatischer Enzephalopathie (HE) sektorenübergreifend gestaltet werden? Diese Frage wurde beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) diskutiert. Im Mittelpunkt eines Symposiums standen dabei interdisziplinäre Ansätze, die die Zusammenarbeit durch konkrete Therapievorgaben beim Entlassmanagement sowie eine enge Kommunikation zwischen Fach- und Hausärzten verbessern können. Auslöser identifizieren und eliminieren
Die HE gilt als starker Prädiktor für die Mortalität bei Leberzirrhose – unbehandelt stirbt nahezu die Hälfte der HE-Patienten innerhalb eines Monats nach der Diagnose. Vor diesem Hintergrund hob Professor Christian Lange, Essen, den Stellenwert der Diagnose in der Klinik hervor – auch dann, wenn der primäre Hospitalisierungsgrund ein anderer war. Darüber hinaus sei es enorm wichtig, die Auslöser der HE zu identifizieren, um weitere Rezidive zu vermeiden. „Sollte die Ursache nicht gefunden werden, ist eine Rehospitalisierung quasi vorprogrammiert“, erklärte Lange. In einer Studie waren die häufigsten Ursachen für Rezidive gastrointestinale Blutungen, Infektionen und Dehydratation durch Lactulose sowie mangelnde Adhärenz aufgrund von Lactulose-Unverträglichkeit. „Während der Akuttherapie in der
Klinik müssen daher die auslösenden Faktoren identifiziert werden, um erneute Rezidive zu verhindern und die Patienten aus diesem Teufelskreis zu befreien.“ Handlungsempfehlungen konsequent weitervermitteln
„Bei den Entlassbriefen, die aus der Klinik kommen, wird häufig keine Weiterverordnung der Rezidivprophylaxe empfohlen, geschweige denn die Notwendigkeit einer solchen erläutert. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass klare Therapieempfehlungen aus den Krankenhäusern kommen“, forderte Professor Wolf Peter Hofmann, Berlin. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Therapie nahtlos weitergeführt wird. Zukünftig sollten die eindeutigen Empfehlungen der aktualisierten S2k-Leitlinie der DGVS: „Komplikationen der Leberzirrhose“ so auch im Entlassbrief an die Hausarzte kommuniziert werden. Die Leitlinie empfiehlt für die Rezidivprophylaxe eine Kombinationstherapie mit Lactulose und Rifaximin, sollte bei alleiniger Gabe von Lactulose ein Rezidiv aufgetreten sein. Falls eine Sekundärprophylaxe mit Lactulose z.B. wegen schlechter Verträglichkeit nicht möglich ist, kann auch eine alleinige Therapie mit Rifaximin erfolgen. Das darmselektive Antibiotikum Rifaximin-α (Xifaxan® 550 mg) senkt sowohl das Rezidivrisiko als auch die Mortalitätsrate signifikant und ist langfristig gut verträglich. Hofmann betonte außerdem die besondere Verantwortung der niedergelassenen Fachärzte. Ihre Empfehlungen sollte nicht nur mit den Patienten, sondern auch mit den Hausärzten besprochen werden.
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An dieser Schnittstelle zwischen Fach- und Hausarztpraxis besteht dringender Bedarf für eine bessere lokale Vernetzung. „Die Rezidivprophylaxe ist ein Muss“
Professor Joachim Labenz, Siegen, unterstrich ebenfalls den Stellenwert eingespielter lokaler Netzwerke und forderte die Gastroenterologen im Auditorium auf, aktiv die Kommunikation mit den Hausärzten „vor Ort“ zu suchen und klare Handlungsempfehlungen auszusprechen. „Wenn Therapieempfehlungen nicht richtig an die Hausärzte kommuniziert werden, bricht jede noch so gut begründete Rezidivprophylaxe irgendwann ab“, betonte er. Auf diese Versorgungslücke weisen auch erste Ergebnisse einer webbasierten Umfrage unter Gastroenterologen und Hausärzten hin: So wurde beispielsweise Rifaximin in fast 40 % der Fälle von Gastroenterologen verschrieben, jedoch noch nicht einmal von 10 % der Hausärzte. So heterogen die Ursachen für diese Diskrepanz auch sein mögen, zeigt sich hier doch ein deutliches Gefälle, das am Ende zu Lasten der Patienten geht. Gerade die Hausärzte sind in der täglichen Versorgung der Patienten für die potenziell lebensverlängernde Folgeverordnung entscheidend. Labenz wies darauf hin, dass eine Missachtung der Leitlinien-Empfehlung einem Verstoß gegen geltende Regeln in der Medizin gleichkommt, und resümierte: „Die Rezidivprophylaxe ist ein Muss, und sie ist zeitlich nicht begrenzt. Das ist die wichtigste Botschaft des Tages.“ Elisabeth Wilhelmi, München © VERLAG PERFUSION GMBH
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XVIII. Gastroenterologie-Seminarwoche Titisee:
Aus der Wissenschaft für die Praxis
Die Seminarwoche der Falk Foundation e.V. in Titisee hat in der gastroenterologischen Fortbildung in Deutschland bereits Tradition. Das Erfolgskonzept ist die Grundstruktur der Veranstaltung: Es werden organbezogen die neuesten praxisrelevanten Entwicklungen in Diagnostik und Therapie gastroenterologischer und hepatologischer Erkrankungen vorgestellt und diskutiert. Auch diesmal diente die „Reise durch den Magen-DarmTrakt“ der Umsetzung neuer Erkenntnisse in den ärztlichen Alltag in Praxis und Klinik. Eosinophile Ösophagitis: Eine progrediente Erkrankung
Die eosinophile Ösophagitis (EoE) ist eine chronisch entzündliche, immunvermittelte Erkrankung. Leitsymptom ist die Dysfunktion der ösophagealen Motilität mit Dysphagie oder Bolusimpaktion. Nach neueren Untersuchungen sind insbesondere gut ausgebildete jüngere Männer davon betroffen. Diagnostiziert wird die Erkrankung mittels Ösophago-Gastro-Duodenoskopie mit Biopsien, deren histologische Untersuchung eine eosinophile Entzündung zeigt. Typische endoskopische Befunde sind ringförmige Einschnürungen, Ödeme, weißliche Exsudate, rote Furchen, Krepppapierzeichen und Stenosen. „Aber ein normaler endoskopischer Befund schließt die Erkrankung nicht aus, sodass bei Verdacht immer biopsiert werden sollte“, betonte Professor Ralf Kiesslich, Wiesbaden.
Bei den Betroffenen liegt häufig eine Disposition gegen bestimmte Nahrungsmittelallergene vor, sodass die Erkrankung durch eine strikte Six-Food-Eliminationsdiät mit Vermeiden von Milch, Weizen, Soja, Eiern, Nüssen, Fisch/ Meeresfrüchten behandelt werden kann. Doch eine so strenge Diät ist im Alltag kaum praktikabel. Auch eine Off-Label-Therapie mit hochdosierten PPIs ist langfristig nur bei einem Drittel der Patienten wirksam. Die einzige bisher zugelassene Akuttherapie der EoE bei Erwachsenen ist die lokal wirksame Budesonid-Schmelztablette mit Brauseeigenschaften (Jorveza®). Damit konnte in Studien mit einer Dosierung von 2 × 1 mg/d nach 12 Wochen eine klinisch-histologische Remission bei 85 % der Patienten erreicht werden. Nach Absetzen der Therapie mit topischen Steroiden kam es aber in einer klinischen Studie innerhalb von durchschnittlich 22 Wochen bei 82 % zu einem Rezidiv. Dies kann, wie eine neuere Studie zeigt, durch eine Erhaltungstherapie mit der Budesonid-Schmelztablette in einer niedrigeren, bislang noch nicht zugelassenen und noch nicht verfügbaren Dosierung verhindert werden. Primär biliäre Cholangitis: UDCA kann die Zirrhose verhindern
Die primär biliäre Cholangitis (PBC) und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) zählen zu den autoimmunen Lebererkrankungen, deren Ätiologie und Pathogenese noch weitestgehend unverstanden sind. Beide Erkrankungen verlaufen chronisch progredient und führen unbehandelt
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zu einer biliären Leberzirrhose. Das typische klinische Leitsymptom ist der cholestatische Pruritus. Häufig sind extrahepatische Manifestationen wie Fatigue, Arthralgien und Sicca-Symptomatik. Besteht bereits eine Leberzirrhose, so finden sich die typischen Leberhautzeichen wie Palmarery them, Spider naevi und die Zeichen einer portalen Hypertonie mit Aszites und hepatischer Enzephalopathie. Bei Patienten mit einer PBC ist eine Leberpunktion zur Diagnosesicherung nur dann erforderlich, wenn sie kein typisches Antikörperprofil aufweisen. Bei der PSC wird die Diagnose mittels MRCP gesichert, wobei dieses Verfahren eine vergleichbar gute Sensitivität und Spezifität hat wie die ERC. Therapie der Wahl bei der PBC ist Ursodesoxycholsäure (UDCA, z.B. Ursofalk®) in einer Dosierung von 13 – 15 mg/kg KG pro Tag. „Diese Substanz hemmt die Progression der Fibrose“, erläuterte Professor Christoph Schramm, Hamburg. Bei einem biochemischen Ansprechen ist die Prognose exzellent, d.h., das Stadium der Leberzirrhose wird meist nicht erreicht. Als Zweitlinientherapie kommen die bereits zugelassene Obeticholsäure oder Bezafibrat als Off-Label-Therapie in Betracht, so der Experte. 70 % aller PSC-Patienten leiden ebenfalls an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) in Form einer Pancolitis und haben somit ein deutlich erhöhtes Risiko für ein Kolonkarzinom. Da es bisher keine gesicherte wirksame medikamentöse PSC-Therapie gibt, ist die Prognose deutlich schlechter als die der PBC. Doch in einigen Studien wurde auch bei der PSC ein biochemisches Ansprechen auf UDCA nachgewiesen. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED): Innovativ und individualisiert
Die Therapie der CED ist in den letzten Jahren durch die Einführung neuer Optionen komplexer geworden. „Dabei geht es darum, für den richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt das richtige Medikament zu finden“, konstatierte Professor Britta Siegmund, Berlin, und ergänzte: „Doch das Problem ist, dass wir bei der Erstdiagnose nicht vorhersagen können, ob es sich im weiteren Verlauf um einen unkomplizierten Verlauf handelt, der keiner langfristigen immunsuppressiven Therapie bedarf, oder ob daraus ein komplizierter Verlauf entstehen wird, der von einer frühen immunsuppressiven Therapie profitiert. In absehbarer Zeit dürften aber genetische Marker zur Verfügung stehen.“ Doch solange keine Biomarker für die tägliche Praxis verfügbar sind, muss man sich bei der Wahl des Medikaments an anderen Kriterien orientieren wie der Krankheitsaktivität, dem Nebenwirkungsprofil und dem Vorliegen von extraintestinalen Manifestationen. Entscheidend ist dabei die Frage: Ist eine schnelle Kontrolle der Krankheitsaktivität erforderlich oder hat man etwas Zeit? Zu den etablierten antientzündlichen Therapieverfahren einer unverzichtbaren Basistherapie gehören Aminosalicylate wie Mesalazin (z.B. Salofalk®), Kortikosteroide wie Budesonid (z.B. Budenofalk®), Thiopurine wie Azathioprin (z.B. Azafalk®), Methotrexat und TNFAntikörper. Neue Therapieansätze sind der Integrin-Antikörper Vedolizumab, der gegen IL-12 und IL-23 gerichtete Antikörper Ustekinumab und der JAK-Inhibitor Tofacitinib.
Als Therapieziel sind in den letzten Jahren an die Stelle einer klinischen Besserung oder Beschwerdefreiheit zunehmend objektivere Endpunkte getreten, die das Ansprechen durch Laborparameter wie Calprotectin oder durch endoskopische bzw. histologische Endpunkte messbar machen. Therapieziel sollte heute die vollständige Mukosaheilung sein. Elisabeth Wilhelmi, München
Eine weniger selektive Immunsuppression führt laut Schmierer möglicherweise zu Nebenwirkungen wie Neutropenie, Listeriose und sekundärer Autoimmunität. Im Gegensatz zur Impulstherapie sind Dauertherapien mit einem höheren Risiko für kumulative Effekte und damit mit Nebenwirkungen wie Infektionen, sekundärer Malignität oder progressiver multifokaler Leukenzephalopathie assoziiert. Therapie mit Cladribin-Tabletten im Alltag
Wirksame MSBehandlung mit moderner Impulstherapie Im Rahmen des Webinars zum MS-Forum präsentierte Merck Daten zur zunehmenden Bedeutung einer Langzeit-Suppression bestimmter B-Sub-Zelltypen für eine erfolgreiche MS-Therapie. „Die Krankheitskontrolle der Multiplen Sklerose ist dabei umso effektiver, je stärker die Suppression der B-Gedächtniszellen ist“, erklärte Professor Klaus Schmierer, London. Bei der Impulstherapie mit Cladribin-Tabletten (Mavenclad®) bleiben die CD19+ und CD20+ B-Gedächtniszellen ein Jahr nach Therapie effektiv unterdrückt. Die Auswirkungen auf andere Immunzellen wie Plasmazellen, Neutrophile und Makrophagen sind durch die selektive Reduktion dagegen gering und auf CD4+ und CD8+ T-Zellen moderat; dadurch bleibt die bakterielle und virale Infektabwehr der Patienten weitestgehend erhalten. Die jährliche Schubrate sinkt bei Patienten mit hochaktiver schubförmiger MS (RMS) um bis zu 67 % und die EDSS-Progression (Expanded Disability Status Scale) um bis zu 82 %.
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Dr. Christoph Grothe, Troisdorf, stellte erste Ergebnisse seiner Kohorte mit 55 Patienten vor, die mit Cladribin-Tabletten behandelt werden. Die Mehrheit seiner Patienten (39 %) erhält CladribinTabletten als First-Line-Therapie. Bei Personen mit hochaktiver MS setzt er die Impulstherapie ein, um eine initiale Krankheitskontrolle zu erreichen und eine fehlende Krankheitsprogression ohne Dauertherapie zu ermöglichen. Bei 18 von 20 dieser Patienten wurde keine Krankheitsaktivität festgestellt. „Cladribin-Tabletten sind eine gut verträgliche Option, ohne Signale für eine relevant vermehrte Infektanfälligkeit bei wenigen Therapieabbrüchen“, resümierte Grothe. Außerdem sind Cladribin-Tabletten bei Patienten mit mangelnder Compliance durch ihre einfache Handhabung eine pragmatische Alternative. Auch für Patientinnen mit hochaktiver MS und mittelfristigem Kinderwunsch ist die Impulstherapie eine Option. MS und Infektprophylaxe
Um das Risiko für Infektionen zu reduzieren, empfiehlt Professor © VERLAG PERFUSION GMBH
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Matthias Maschke, Trier, dass MSPatienten zur Infektprophylaxe auf die konsequente Umsetzung der Basishygiene und der Husten- und Niesetikette achten sowie Gesichtsberührungen, Menschenansammlungen und öffentliche Verkehrsmittel meiden sollten. Bei Infektionsgefahr kann der Behandlungsbeginn mit Cladribin-Tabletten im zweiten Jahr um bis zu 6 Monate verschoben werden. Aufgrund einer möglicherweise erhöhten Anfälligkeit für Infekte rät Maschke generell dazu, den Impfstatus der Patienten vor dem Beginn einer Therapie zu überprüfen. Bei Bedarf sollte nach Empfehlungen der Ständigen Impfkommission nachgeimpft werden. Fabian Sandner, Nürnberg
Autophagie-Induktor Spermidin – ein neuer Ansatz in der Demenzprävention Autophagie ist ein entscheidender Mechanismus im Prozess der Zellregeneration und insofern bedeutsam für die Prävention neurodegenerativer Erkrankungen. Wie Autophagie durch das Polyamin Spermidin induziert wird, stellten Wissenschaftler auf einer Pressekonferenz am 6. Februar in Frankfurt am Main vor. Anhand erster Ergebnisse einer Studie der Charité Berlin betonten sie dabei das präventive Potenzial mit Blick auf die Demenz. Fasten aktiviert die Autophagie
„Regelmäßiges Fasten verlängert in verschiedensten Organismen das Leben, hält den Körper länger ge-
sund und steigert die Fitness“, berichtete Professor Andreas Michalsen, Fastenexperte und Chefarzt im Immanuel Krankenhaus Berlin. Vor allem zum intermittierenden Fasten (Intervallfasten) verdichten sich die Studienergebnisse hinsichtlich verbesserter kardiovaskulärer Parameter sowie eines verminderten Risikos für oxidativen Stress. „Neue Hoffnung gibt es auch bei der Prävention von altersbedingten Erkrankungen wie Demenz. Denn Fasten aktiviert natürlicherweise die Autophagie.“ Der zelluläre Selbstreinigungsprozess wird durch niedrige Energielevel oder eine geringe Nährstoffzufuhr induziert, wie es beim intermittierenden Fasten der Fall ist. Die Zellen bauen beschädigte und nicht mehr benötigte Zellbestandteile sowie Proteinablagerungen ab und nutzen die daraus gewonnenen chemischen Grundbausteine entweder zur Bildung neuer Zellkomponenten oder zur Energiegewinnung. Für neurodegenerative Erkrankungen, die mit Demenz einhergehen, sind Proteinablagerungen in den Nervenzellen charakteristische Merkmale. In Zellkulturmodellen konnten Wissenschaftler bereits zeigen, dass durch zellulären Stress induzierte Proteinablagerungen mittels Aktivierung der Autophagie wieder entfernt werden konnten. Doch wie lässt sich dieser Selbstreinigungsprozess durch Fasten starten? „Für die Aktivierung der Autophagie sind die Glykogenspeicher in der Leber sowie der Muskulatur entscheidend. Sie müssen geleert sein. In Abhängigkeit von der Muskelmasse tritt der autophagiesteigernde Effekt bei Frauen nach rund 11 – 12 Stunden und bei Männern nach etwa 13 – 14 Stunden ein“, so der Experte.
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Spermidin startet den zellulären Selbstreinigungsprozess
Neben der Kalorienrestriktion durch intermittierendes Fasten gilt das Polyamin Spermidin als bedeutender Autophagie-Induktor. Die Substanz gehört zu den sogenannten Caloric Restriction Mimetics, die positive Effekte der Kalorienrestriktion wie die Aktivierung der Autophagie nachahmen können. „Dies ist vor allem für Menschen interessant, die nicht fasten können oder für die es schwierig ist, Fasten in ihren Alltag zu integrieren. Sei es aufgrund von Familie, Beruf oder aus anderen Gründen“, erklärte Michalsen. „Das Polyamin Spermidin ist tatsächlich die bisher einzig bekannte natürliche Substanz, die in unterschiedlichsten Organismen die Autophagie induziert und gleichzeitig von Natur aus im menschlichen Körper vorkommt“, bestätigte Assistenzprofessor Tobias Eisenberg vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz. „An unserem Institut haben wir herausgefunden, dass Spermidin spezifische Acetyltransferasen hemmt, was wiederum die Transkription autophagierelevanter Gene (ATG) sowie die Aktivität der autophagieregulierenden ATG-Proteine stimuliert.“ Das Polyamin wird zum einen endogen synthetisiert und zum anderen in größeren Mengen exogen über die Nahrung aufgenommen, aber auch von Darmbakterien produziert. Mit zunehmendem Alter sinkt jedoch die Spermidinkonzentration in manchen Geweben und im Blut. „Dies ist vermutlich auf eine abnehmende Spermidinsynthese zurückzuführen“, erläuterte der Wissenschaftler. „Eine gesteigerte Spermidinzufuhr könnte diese Abnahme jedoch wieder ausgleichen. Womöglich am besten in Form ei© VERLAG PERFUSION GMBH
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KONGRESSE / WISSENSWERTES
nes Supplements, da der Spermidingehalt in Lebensmitteln stark variiert und häufig unzureichend untersucht ist. Stützt man sich auf neueste epidemiologische Studien, könnte bereits eine zusätzliche Aufnahme von Spermidin im Milligrammbereich ausreichen, um gesundheitsfördernde Effekte zu erzielen“, so Eisenberg weiter. In zahlreichen präklinischen Studien und ersten Humanstudien wurden protektive Effekte im Zusammenhang mit neurodegenerativen und kardiovaskulären Erkrankungen, ein verringertes Mortalitätsrisiko und sogar Hinweise auf eine lebensverlängernde Wirkung einer spermidininduzierten Autophagie beobachtet. „Sehr vielversprechend sind aktuell Humanstudien, die eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit durch Spermidinsupplementation untersuchen“, berichtete Eisenberg.
Anti-Amyloid-Wirkstoffe noch auf sich warten lassen, müssen wir uns in der Forschung mehr auf die Prävention konzentrieren“, betonte Professor Stephan Sigrist von der Freien Universität Berlin. Aktuell steht die spermidininduzierte Autophagie bei der Prävention von Demenz im wissenschaftlichen Fokus. „Erste positive Ergebnisse konnten wir 2018 in der randomisierten, placebokontrollierten „preSmartAge“-Studie (Phase IIa) beobachten“, sagte Sigrist. Das Forscherteam der Charité Berlin um die Autoren Wirth et al. untersuchte den Effekt einer täglichen Spermidinsupplementation auf die Gedächtnisleistung von 30 Teilnehmern ab 60 Jahren mit subjektiver kognitiver Verschlechterung (erhöhtes Demenzrisiko). Die Probanden erhielten entweder 1,2 mg Spermidin in Kapselform pro Tag oder ein Placebo. Bereits nach der dreimonatigen Studiendauer wurde in der Versuchsgruppe eine moderate Verbesserung der Gedächtnisleistung (Mnemonic Discrimination Performance) gegenüber der Kontrollgruppe nach-
Ein neuer Ansatz in der Demenzprävention
„Da die erwünschten Wirksamkeitsnachweise zum Beispiel für
ROTE LISTE® 2020 Der Klassiker in gedruckter Form ist in diesem Jahr in seiner 60. Auflage erschienen. Nach wie vor hat das Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter Medizinprodukte) einen hohen Stellenwert für die Verordnungstätigkeit des Arztes und die Beratungsfunktion des Apothekers. Denn die ROTE LISTE® ermöglicht anhand der laufend aktualisierten und knapp formulierten InJOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 3/2020 · 29. JAHRGANG
gewiesen. „Die Supplementation von Spermidin stellt eine mögliche Interventionsstrategie bei abnehmender Gedächtnisleistung dar. Der Abbau von molekularem Zellmüll, wie etwa potenziell zellschädigenden Proteinaggregaten, durch eine spermidininduzierte Autophagie scheint ausschlaggebend zu sein. Das konnten Tiermodell- und Zellkulturstudien zeigen“, fasst der Biochemiker die Ergebnisse zusammen. Derzeit läuft die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Folgestudie „SmartAge“ an der Charité. Diese untersucht den demenzpräventiven Effekt der Supplementation mit Spermidin an nun 100 Probanden über einen Studienzeitraum von 12 Monaten. Die Ergebnisse der Studie werden im Herbst 2020 erwartet. Fabian Sandner, Nürnberg
formationen über pharmazeutische und pharmakologisch-therapeutische Eigenschaften der in Deutschland sowie in der EU zugelassenen Arzneimittel einen raschen Vergleich von Präparaten aus pharmakologisch-therapeutischer Sicht. Die ROTE LISTE 2020 (Redaktionsschluss Dezember 2019) beinhaltet Informationen zu 1.992 Stoffen und 28.994 Medikamenten von 399 pharmazeutischen Un ternehmen. Neben den auf Basis der aktuellen Fachinformation erstellten wissenschaftlichen Daten sind auch marktwirtschaftliche Angaben wie z.B. die PreisPackungsangaben aufgeführt. Bei © VERLAG PERFUSION GMBH
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Arzneimitteln, die der Festbetragsregelung unterliegen, ist dieser Preis zusätzlich zum Apothekenverkaufspreis angegeben. Die Fertigarzneimittel sind nach 88 Indikations- und Wirkstoffgruppen (Hauptgruppen) geordnet. Zur besseren Vergleichbarkeit sind diese in weitere Untergruppen funktionsähnlicher Arzneimittel unterteilt.
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ROTE LISTE® 2020, Buchausgabe: 2016 Seiten, Rote Liste Service GmbH, ISBN: 978-3-946057-52-9, 78,00 EUR
Titelbild: Für die Herstellung seiner Vollspektrum-Cannabisextrakte verwendet Tilray qualitativ hochwertiges, kaltgepresstes Traubenkernöl statt chemisch extrahiertes Öl (© Tilray Deutschland GmbH). Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg
Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, Deutsches Institut für Gesundheits forschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org
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Bestandt.: Siliciumdioxid-beschichtete mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Hypromellose 2910 (15 mPa.S), Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, hochdisperses Siliciumdioxid, Natriumdodecylsulfat; Filmüberzug: Eisen(II,III)-oxid (E172), Eisen(III)-oxid (E172), Macrogol 3350, Poly(vinylalkohol), Talkum, Titandioxid. Anw.geb.: Zusammen m. Prednison od. Prednisolon; z. Bhdlg. des neu diagnostiz. Hochrisiko-metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinoms (mHSPC) b. erwachs. Männern in Komb. m. Androgenentzugsther. (androgen deprivation therapy, ADT) u. des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) b. erwachs. Männern m. asympt. od. mild sympt. Verlauf d. Erkr. nach Versagen d. Androgenentzugsther., b. denen e. Chemother. noch nicht klin. indiz. ist sowie z. Bhdlg. d. mCRPC b. erwachs. Männern, deren Erkr. währ. od. nach e. Docetaxel-halt. Chemother. progredient ist. Gegenanz.: Überempfindl. gg. Abirateronacetat od. einen d. sonst. Bestandt.; schwere Leberfunkt.störg. (Child-Pugh-Klasse C); Kombinat. m. Ra-223; nicht z. Anw. b. Frauen sowie b. Kindern u. Jugendl.. Nebenwirk.: Sehr häufig (≥ 1/10); Häufig (≥ 1/100) bis < 1/10); Gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100); Selten (≥ 1/10.000, < 1/1.000); Nicht bekannt (Häufigk. auf Grundlage d. verfügb. Daten nicht abschätzbar). Sehr häufig: Harnwegsinfekt., Hypokaliämie, Hypertonie, Diarrhö, periph. Ödeme, erhöhte Alaninaminotransferase u./od. erhöhte Aspartataminotransferase (ALT, AST, abnorm. Leberfunkt.). Häufig: Sepsis, Hypertriglyceridämie, Herzinsuff. (auch kongest. Herzinsuff., linksventrik. Dysfunkt. u. vermind. Ejektionsfraktion), Angina pect., Vorhofflimmern, Tachykardie, Dyspepsie, Hautausschlag, Hämaturie, Frakturen (Osteoporose u. alle Frakturen m. Ausn. d. patholog. Frakturen). Gelegentlich: Andere Arrhythmien, Nebenniereninsuff., Myopathie, Rhabdomyolyse. Selten: allerg. Alveolitis, fulminante Hepatitis, akut. Leberversagen. Nicht bekannt: Myokardinfarkt, QT-Verlängerung. Warnhinw. u. Vorsichtsmaßn. für d. Anw.: Arzneim. f. Kdr. unzugängl. aufbewahren; b. Geschlechtsverkehr m. e. Schwangeren ist ein Kondom erforderl.; b. Geschlechtsverkehr m. e. Frau im gebärfähigen Alter ist ein Kondom u. gleichz. e. and. zuverlässige Verhütungsmethode erforderl.; bes. Vors. bei: Pat. m. hohem Blutdruck, Herzschwäche, niedrigem Blutkaliumspiegel (QT-Verlängerung wurde b. Pat. m. Hypokaliämie unter ZYTIGA® beob.), and. Herzprobl. od. Probl. m. Blutgefäßen i. d. Anamnese, b. Pat. m. hohem Blutzucker od. m. mäßiger Leberfunkt.störg.: nach Markteinf. selt. Berichte üb. akut. Leberversagen u. fulminante Hepatitis, einige m. tödl. Ausg.; b. Pat., d. währ. d. Bhdlg. e. schwere Hepatotoxizität entwickeln (ALT od. AST 20-fach üb. d. ULN) muss d. Bhdlg. abgebr. u. d. Pat. dürfen nicht erneut bhdlt. werden; b. Pat. m. schwerer Nierenfunkt.störg., beim Absetzen v. Prednison od. Prednisolon; b. Männern m. metastasiertem Prostatakarzinom können sex. Funkt.störg. u. Anämien auftreten ( jeweils einschl. derer unter Bhdlg. m. ZYTIGA®); ZYTIGA® darf nicht zusammen m. Nahrungsmitteln eingenommen werden (Einn. mind. 1 Std. vor od. frühest. 2 Std. nach d. Essen); ZYTIGA® in Kombin. m. Prednison od. Prednisolon kann d. Vermind. d. Knochendichte verstärken; b. Pat., d. zuvor wg. e. Prostatakarzinoms m. Ketoconazol bhdlt. wurden, könnten gering. Response-Raten auftreten. Vors. b. Pat., d. gleichz. m. Arzneim. bhdlt. werden, die m. d. Entstehung v. Myopathie/Rhabdomyolyse assoziiert sind. Vors. b. gleichz. Anw. v. Arzneim., d. durch CYP2D6 od. CYP2C8 aktiviert od. metabolisiert werden; starke CYP3A4-Induktoren sollen währ. d. Bhdlg. m. ZYTIGA® vermieden werden, es sei denn, es gibt keine therapeut. Alternative; Vors. b. gleichz. Anw. v. Arzneim., d. bek.maßen d. QT-Intervall verlängern; gleichz. Anw. m. Spironolacton nicht empf., da Spironolacton an d. Androgenrezept. bindet u. d. PSA-Serumlevel erhöh. kann; siehe im Übrigen ausführl. Warn- u. Wechselwirkungshinw. gem. Fachinfo. Verschreibungspflichtig. Pharmazeut. Unternehmer: Janssen-Cilag International NV, B-2340 Beerse, Belgien. Örtlicher Vertreter für Deutschland: Janssen-Cilag GmbH, Johnson & Johnson Platz 1, 41470 Neuss. Stand d. Inform.: 02/2019.
Stand: Januar 2020