ISSN 1432-4334 JAHRGANG 23 HEFT 1 Februar 2014
FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE
JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY
Beinwell-Herba-Extrakt-Creme zur Schmerzlinderung bei traininginduziertem Muskelkater – eine randomisierte placebokontrollierte Studie Pulmonale Hypertonie – Therapieoptionen für eine schwere Erkrankung HCV-Behandlung in Deutschland – geht es noch besser? Wenn der Kopf zu bersten droht: Hilfe bei schweren Migräne- und Cluster-KopfschmerzAttacken Neue Wege bei Depressionen: Interaktives Online-Programm unterstützt die Therapie Epilepsie: Neue Optionen für ein individuelles Therapiemanagement im Kindes- und Jugendalter Vortioxetin – ein neuer Ansatz in der Behandlung der Major Depression bei Erwachsenen Schmerztherapie im Alter: 7-Tage-Schmerzpflaster vereint Vorteile von Buprenorphin und Nutzen der transdermalen Applikation TNF-α-Inhibitor Golimumab – eine neue Option für Patienten mit Colitis ulcerosa T-DM1 – ein innovatives Wirkprinzip beim HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom Fortgeschrittenes Melanom: First-Line-Therapie mit Ipilimumab verbessert Überlebenschancen
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SIMPONI® – schnella, starka, kontinuierlich wirksamb bei Colitis ulcerosa1,2,* JANUAR Mittwoch
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4-wöchentliche subkutane Dosierung in der Erhaltungstherapie
* SIMPONI® ist zugelassen zur Behandlung der mittelschweren bis schweren aktiven Colitis ulcerosa bei erwachsenen Patienten, die auf eine konventionelle Therapie, einschließlich Kortikosteroide und 6-Mercaptopurin (6-MP) oder Azathioprin (AZA), unzureichend angesprochen haben oder die eine Unverträglichkeit oder Kontraindikation für solche Therapien haben. 1 Fachinformation. 2 Studiendesign der Zulassungsstudien: randomisiert, doppelblind, placebo-kontrolliert; Patientenkollektiv: Pat. mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa > 18 J. a Induktionsstudie: Gabe von SIMPONI® bzw. Placebo zu Woche 0 und 2, prim. Endpunkt: klin. Ansprechen (Rückgang des Mayo-Scores vs Ausganswert) zu Woche 6. b Erhaltungsstudie: Einschluss von Patienten, die zuvor ein klin. Ansprechen auf die Induktionsbehandlung mit SIMPONI® erzielt hatten. Gabe von SIMPONI® bzw. Placebo alle 4 Wochen. Prim. Endpunkt: Beurteilung der Krankheitsaktivität anhand eines partiellen Mayoscores alle 4 Wochen = anhaltendes = kontinuierliches klinisches Ansprechen bis Woche 54. Ergebnis: Anhaltendes Ansprechen bis Woche 54: SIMPONI® 50 mg (n = 151) 47%*, SIMPONI® 100 mg (n =151) 50%** vs Placebo (n = 154) 31% *p 0,01, **p 0,001
SIMPONI® 50 mg/100 mg Injektionslösung in vorgefülltem Injektor SIMPONI® 50 mg/100 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze Wirkstoff: Golimumab. Zus.: Ein mit 0,5 ml bzw. 1 ml vorgefüllter Injektor zum Einmalgebrauch/Eine 0,5-mlbzw. 1-ml-Fertigspritze enth.: Arzneil. wirks. Bestandt.: 50 mg bzw. 100 mg Golimumab. Sonst. Bestandt.: Sorbitol (E 420), L-Histidin, L-Histidin-Monohydrochlorid-Monohydrat, Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke. Anw.: Rheumatoide Arthritis (RA): In Komb. mit MTX: Behandl. d. mittelschw. bis schw. aktiven RA bei Erw., wenn Ther.-ansprechen mit krankheitsmodifizier. Antirheumatika (DMARD), einschl. MTX, unzureich. gewesen ist; Behandl. d. schweren, aktiven u. progredienten rheumatoiden Arthritis b. Erw., die zuvor nicht mit MTX behand. worden sind. Psoriasis-Arthritis (PsA): Behandl. d. aktiven u. fortschreit. PsA als Monother. od. in Komb. m. MTX b. Erw., die unzureich. auf eine vorhergegang. Ther. m. krankheitsmodifizier. Antirheumatika (DMARD) angespr. haben. Ankylosierende Spondylitis (AS): Behandl. d. schw., aktiven AS b. Erw., die unzureich. auf eine konvent. Ther. angespr. haben. Colitis ulcerosa (CU): Behandl. d. mittelschw. bis schw. aktiven CU bei erw. Pat., die auf eine konvent. Ther., einschl. Kortikosteroide u. 6-MP od. AZA, unzureich. angespr. haben od. b. Unverträglichk. od. Kontraind. f. solche Ther. Gegenanz.: Überempfindl. geg. d. Wirkstoff od. sonst. Bestandt., aktive TB od. and. schwerwieg. Infekt. wie Sepsis u. opportunist. Infekt. bzw. klin. relevante akute Infekt.; mittelschw. od. schw. Herzinsuff. (NYHA III/IV); seltene hereditäre Fructose-Intoleranz. Stillzeit. Vorsicht bei: Chron. Infekt. bzw. anamn. bek. rezidiv. Infekt.; Pat., d. in Gebieten gewohnt/Gebiete bereist haben mit endem. vorkomm. system. Mykosen (z. B. Histoplasmose, Kokzidioidomykose od. Blastomykose); (Verdacht auf) inaktive (latente) TB; Vorliegen mehrerer bzw. signifikanter Risikofakt. f. TB u. neg. Testergebn. auf latente TB; anamn. bek. latente od. akt. TB ohne Bestätigung über angemessene Behandl.; HBV-Träger; anamn. bek. maligne Erkrank.; Pat. m. schw. persis. Asthma; Pat. mit COPD; starke Raucher; Pat. mit Risikofakt. f. Hautkrebs; Pat. m. leichter (NYHAKlasse I/II) Herzinsuff.; Pat. m. vorbest. od. neuer demyelinisierender Erkrank.; Wechsel v. einem biol. DMARD auf ein anderes; Leber-/Nierenfkt.-stör; Komb. mit AZA od. 6-MP (hepatosplen. T-Zell-Lymphom v. a. bei männl. Jugendl. od. jungen erw. Männern in seltenen Fällen bei entz. Darmerkrank. aufgetreten); Pat. mit CU u. erhöh. Risiko f. Kolondysplasie/-karzinom (z. B. seit langer Zeit besteh. CU od. primär skleros. Cholangitis) od. anamn. bek. Kolondysplasie/-karzinom; ält. Menschen ≥ 65 J.; Pat. < 18 J.; Pat. mit RA, PsA od. AS u. > 100 kg KG; Schwangerschaft. Keine gleichz. Anw. mit Anakinra, Abatacept, and. biolog. DMARDs; gemeinsame Anw. mit Lebendvakzinen/infektiösen therapeut. Agenzien nicht empf. Nebenw.: Sehr häufig: Infekt. d. oberen Atemwege (Nasopharyngitis, Pharyngitis, Laryngitis u. Rhinitis). Häufig: Bakt. Infekt. (z. B. Entz. d. Unterhautzellgewebes); virale Infekt. (z. B. Grippe u. Herpes); Bronchitis; Sinusitis; oberfl. Pilzinfekt. Anämie. Allerg. Reakt. (Bronchospasmus, Überempf.-keit, Urtikaria); Auto-Antikörper-Positiv. Schwindel; Kopfschm. Hypertonie. Dyspepsie; gastrointest. u. abdom. Schm.; Übelk. Erhöh. ALT(GPT)-, AST(GOT)-Werte. Juckreiz; Hautausschl. Fieber; Asthenie; Reakt. a. d. Injektionsstelle (z. B. Erythem, Urtikaria, Induration, Schmerz, Bluterguss, Juckreiz, Reizung u. Parästhesie). Gelegentl.: Sept. Schock; Sepsis; Infekt. d. unteren Atemwege (z. B. Pneumonie); opportunist. Infekt. (z. B. invasive Pilzinfekt. [Histoplasmose, Kokzidioidomykose, Pneumozystose]; bakt., atyp. mykobakterielle u. Protozoeninfekt.); Abszess; bakt. Arthritis. Neubildungen (z. B. Hautkrebs, Plattenepithelkarzinom u. melanozyt. Muttermal). Leukopenie; Thrombozytopenie; Panzytopenie. Schilddrüsenerkr. (z. B. Hypo-, Hyperthyreose u. Kropf). Blutglukose erhöht, Lipide erhöht. Depression; Schlaflosigk. Demyelin. Erkr. (zentral u. peripher); Gleichgewichtsstör.; Geschmacksstör.; Parästhesien. Sehstör. (z. B. verzerrtes Sehen u. vermind. Sehschärfe); Konjunktivitis; allerg. Reakt. am Auge (z. B. Juckreiz u. Reizung). Dekomp. Herzinsuff. (Neuauftreten od. Verschlechterung); Ar-
rhythmie; ischäm. Koronararterienerkr. Thrombose (z. B. tiefe Venen- u. arterielle Thrombose); Raynaud-Syndr.; Erröten. Asthma u. verwandte Sympt. (z. B. Keuchen u. bronch. Hyperaktivität); interstit. Lungenerkr. Obstipation; entz. Magen- u. Darmerkr. (z. B. Gastritis u. Kolitis); gastroösophag. Refluxerkr.; Stomatitis. Cholelithiasis; Lebererkr. Psoriasis (Neuauftr. od. Verschlecht., palmar/plantar u. pustulös); Urtikaria; Vaskulitis (kutan); Alopezie; Dermatitis. Harnblasenerkr.; Nierenerkr. Brusterkr.; Menstruationsstör.; Beschw. im Brustbereich. Knochenbrüche. Selten: Hepatitis-B-Reaktiv.; TB; Pyelonephritis; infektiöse Bursitis. Lymphom; Leukämie; Melanom. Schwerw. syst. Überempf.-keitsreakt. (einschl. anaphyl. Reakt.); Vaskulitis (syst.); Sarkoidose. Hautablösung. Lupus-ähnl. Syndr. Verzög. Wundheilung. Unbekannt: Merkelzell-Karzinom; hepatosplenales T-Zell-Lymphom. Aplast. Anämie. Warnhinw.: Enthält Sorbitol. Nadelkappe enthält Kautschuk. Vor Ther.-beginn alle Pat. auf akt. od. latente TB u. HBV testen. Behandl. absetzen bei: Auftr. e. schwerw. Infekt. od. Sepsis; HBV-Reaktiv.; Neuauftreten/Aggravation e. Herzinsuff.; Auftreten v. Sympt. e. Lupus-ähnl. Syndroms u. positivem Ak-Test auf dsDNS; absetzen b. bestätigten erhebl. hämatol. Auffälligk.; Auftr. v. anaphylakt. Reakt. od. and. schwerw. Überempf.-keitsreakt. Individ. Nutzen-Risiko-Abw. u. ggf. Ther.-abbruch b. neu diagnost. Kolondysplasien. Pat. währ. d. Behandl. hins. Auftr. v. Infekt. (insb. TB) u. maligne Erkrank. (insb. Lymphome u. Hautkrebs) überwachen. Vorsicht bei chirurg. Eingriffen. Ther. ggf. absetzen bei: Auftr. v. demyelin. Erkrank.; klin. Nicht-Ansprechen innerh. v. 12–14 Behandl.wochen bei CU. Hinw.: Auf Verabreichung der richtigen Stärke achten. Frauen im gebärf. Alter müssen zuverlässige Empfängnisverhütungsmaßnahmen währ. u. bis ≥ 6 Mon. nach letzter Behandl. fortführen. Vakzinierung v. Säuglingen, d. in utero Golimumab ausgesetzt waren, mit Lebendimpfst. für 6 Mon. nach der letzten währ. Schwangersch. erfolgten Behandl. nicht empf. Eingeschränktes Reaktionsvermögen mögl. Im Kühlschrank (2° – 8° C) lagern. Zu weit. Hinw. s. Fach- u. Gebrauchsinfo. Verschreibungspflichtig. Stand: 10/2013 Bitte lesen Sie vor Verordnung von SIMPONI® die Fachinformation! Pharmazeutischer Unternehmer: Janssen Biologics B.V., Einsteinweg 101, 2333 CB Leiden, Niederlande Lokaler Ansprechpartner: MSD SHARP & DOHME GMBH, Lindenplatz 1, 85540 Haar
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EDITORIAL
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Frühjahrskur: Wir sind kein Auto! Exakt 4186,7 Joule braucht man, um einen Liter Wasser von 14,5 auf 15,5 Grad Celsius zu erwärmen. Weil da, bis man einen Tee brauen kann, ziemlich viele Joules zusammenkommen, zählt man die Energiemenge in Tausenderschritten, also Kilojoule (kJ). Ach ja, 1 Joule war in seinem früheren Leben mal 0,239 Kalorien, womit wir bei den Lebensmitteln wären, bei denen diese Einheit neben den offiziellen kJ mit amtlicher Erlaubnis weiter angegeben werden darf (allerdings nicht in größerer Schrift als die kJ!). Somit wissen wir auch, was man mit einer Schüssel Müsli (250 Kilokalorien) machen kann: 250 Liter Wasser von 14,5 auf 15,5° Celsius erwärmen. Das ist insofern wichtig, weil wir, wenn die Nächte länger werden (einem inneren Programm folgend?) – nein, nicht mehr Müsli, aber jede Menge Plätzchen und Lebkuchen, vor allem aber Weihnachtsgänse in uns hineinzustopfen beginnen. Die Konsequenzen solchen Tuns bescheren uns, wenn die Nächte wieder kürzer werden, regelmäßig eine Flut von Angeboten, wie wir die körpereigenen, gut gefüllten Vorratskammern wieder abbauen können, vulgo den Winterspeck wieder los werden. Im Zentrum stehen dabei die oben erläuterten Kalorien. Klar, mit jeder Kalorie, die wir unserem Körper nicht anbieten, kann er nichts Unerwünschtes anstellen. Dennoch scheint es mir, ist die Zeit gekommen, sich von dieser einfachen (und falschen, deshalb der kommende Rest dieses Tex-
tes) Sicht der Dinge und den bislang daraus abgeleiteten Strategien zu verabschieden. Es ist nämlich falsch, aus dem statthaften Schluss, dass der Körper nicht verwerten kann, was man ihm vorenthält (vgl. Vitamindefizienz) den Analogschluss zu ziehen, dass der Körper alles verwertet, was man ihm anbietet. Es ist also ein fundamentaler Irrtum anzunehmen, der menschliche Körper sei ein Ofen, der Weihnachtsgänse und anderes Substrat ebenso konstant und vorhersagbar verwertet wie unser Auto das E10. Zu einem Teil ist dafür unser Mikrobiom verantwortlich, jenes reichliche Kilo Bakterien, das sich im Darm mit dem zugeführten Rohmaterial beschäftigt. Je nachdem, wie das Verhältnis von Firmicutes-, Bacteroidetes- und einigen anderen Bakterienspezies [vgl. 1] ist, werden etwa Kohlehydrate mehr oder weniger gut so aufgespaltet, dass unser Körper etwas damit anfangen kann. Jeder Mensch hat da so sein eigenes Mischungsverhältnis. Ein mindestens ebenso relevanter Faktor ist unser neuroendokrines System. Allein darüber könnte man Bücher schreiben. Deshalb hier nur ein Beispiel: das als Stresshormon bekannte Cortisol, eines von rund 50 in der Nebennierenrinde gebildeten Steroidhormonen, das uns tagsüber „resilient“ macht gegenüber dem, was auf uns einprasselt. Nebenwirkung des ausgeprägten Tagesrhythmus des Cortisols ist eine über den Tag unterschiedliche Utilisation von Kohlehydraten (Glykogen). Und,
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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster
wie gesagt, Cortisol ist nur eines von etwa 50 Steroidhormonen der Nebennierenrinde ... Und dann hat die Natur über Millionen Jahre als ein Paradebeispiel für das, was man Evolution nennt, das Prinzip Leben mit Effizienzmechanismen ausgestattet, von denen unsere Automobilindustrie noch Lichtjahre entfernt ist. Je nachdem, was ein Individuum braucht oder eben nicht braucht, werden verschiedene Teile unseres komplexen Lebenserhaltungssystems aktiviert oder abgeschaltet. Das ist der Grund, warum z.B. erwachsene Chinesen, die nach dem Abstillen (traditionell) keine Milchprodukte mehr konsumiert haben, nicht Tag für Tag sinnloserweise Mengen des Enzyms Laktase bilden, das ausschließlich dazu gebraucht wird, Milchzucker in seine Bestandteile Galaktose und Glukose aufzuspalten. Kehrseite der Medaille, dies „verlernt“ zu © VERLAG PERFUSION GMBH
INHALT
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haben, sind übrigens die bösen Folgen für Chinesen, die sich in einem feinen französischen Restaurant als Nachtisch statt Obst eine opulente Käseplatte bestellen. Angesichts der angeborenen Effizienzmechanismen ist es absolut plausibel, dass, wer nur zwei Wochen lang dreimal die Woche je 4 bis 6 Power-Sprints von je 30 Sekunden Dauer auf seinem Hometrainer absolviert (Gesamttrainingsdauer = 15 Minuten), seine Insulin-Sensitvität um fast 25 % verbessert [2]. Evolutionstechnisch gedacht entspricht das nämlich etwa 30 Sprints in zwei Wochen, um sich vor einer Bedrohung in Sicherheit zu bringen (eine andere Motivation gab es zu einem solchen Verhalten bis in die Gegenwart einfach nicht). Dass die Überlebenschancen erheblich steigen, wenn schnell Brennstoffe mobilisiert werden können, liegt auf der Hand! Aber nicht nur physiologische Einflussfaktoren beeinflussen die Kalorienverarbeitung, auch pathologische. So sind Veränderungen der Schilddrüsenfunktion, etwa bei der HashimotoThyreoiditis, mit ausgeprägten Veränderungen der Verwertung von Nahrungsmitteln assoziiert. Wenn Sie also (wie jedes Jahr?) über eine Frühjahrskur nachdenken sollten, dann sollten Sie im eigenen Interesse darauf achten, dass Ihre Hilfsmittel hinreichend berücksichtigen, dass Sie nach dem Prinzip Leben funktionieren und nicht nach dem Prinzip Auto! Karl-Ludwig Resch, Bad Elster Quellen 1 Resch KL. Der therapeutische Stuhl. J Pharmakol Ther 2013;22:153-154 2 Babraj JA, Vollaard NB, Keast C, Guppy FM, Cottrell G, Timmons JA. Extremely short duration high intensity interval training substantially improves insulin action in young healthy males. BMC Endocr Disord 2009;9:3
ORIGINALARBEIT Beinwell-Herba-Extrakt-Creme zur Schmerzlinderung bei traininginduziertem Muskelkater – eine randomisierte placebokontrollierte Studie 3 R. Uebelhack, M. Schaudt, M. Schmidt
AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Pulmonale Hypertonie – Therapieoptionen für eine schwere Erkrankung
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Vortioxetin – ein neuer Ansatz in der Behandlung der Major Depression bei Erwachsenen
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Schmerztherapie im Alter: 7-Tage-Schmerzpflaster vereint Vorteile von Buprenorphin und Nutzen der transdermalen Applikation
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ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Topische Beinwellpräparate sind zugelassen für die Behandlung stumpfer Traumen. Es wurden auch Effekte bei überlastungsbedingten Muskelschmerzen beobachtet. Ziel dieser explorativen, randomisierten und placebokontrollierten doppelblinden Pilotstudie war die Vorbereitung einer konfirmatorischen klinischen Studie durch Untersuchung akut-schmerzlindernder Effekte einer Zubereitung mit einem Wirkstoffkonzentrat aus den oberirdischen Teilen von medizinischem Beinwell (Symphytum × uplandicum Nyman) bei Muskelkater. Methode: Bei 24 gesunden Probanden wurden unter kontrollierten Bedingungen durch standardisierte beidseitige Belastung der Oberarme Muskelkatersymptome induziert. Bei allen Probanden wurde randomisiert als Einmalapplikation auf einem Oberarm Verum, auf dem anderen Arm Placebo aufgetragen. Zur Bewertung der schmerzlindernden Effekte der Prüfzubereitung wurde über die Zeitdauer von bis zu 240 Minuten wiederholt der Druckschmerz algometrisch gemessen, der Bewegungsschmerz mittels visueller Analogskala erfasst, und die schmerzfreie Gelenkbeweglichkeit evaluiert. Ergebnisse: Intraindividuelle Rechts-links-Vergleiche zwischen Verum und Placebo waren aufgrund von Carry-over-Effekten nicht für eine Auswertung geeignet. Die alternative Auswertung im Parallelgruppenverfahren (bezogen auf den jeweils für die Prüfmedikation oder Placebo randomisierten Arm) dagegen zeigte trotz der geringen Populationsgröße und der nur einmaligen Anwendung des Prüfpräparates deutliche Tendenzen und einige Signifikanzen zugunsten von Verum. Ein signifikanter Effekt auf den Druckschmerz wurde anhand der Responderrate nach 30 und 120 Minuten beobachtet (27,5 vs. 0 % nach 30 Minuten; p=0,093; 72,7 vs. 25,0 % nach 120 Minuten; p=0,039). Im Gruppenvergleich zeigte sich eine Verbesserung der Werte für den
Beinwell-Herba-ExtraktCreme zur Schmerzlinderung bei traininginduziertem Muskelkater – eine randomisierte, placebokontrollierte Studie Ralf Uebelhack1, Marco Schaudt2, Mathias Schmidt3 1 Charité – Universitätsmedizin Berlin 2 Analyze & Realize AG, Berlin 3 Herbresearch Germany, Mattsies
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ls „Muskelkater“ wird der Schmerzzustand von Muskeln nach ungewohnter und besonders intensiver Belastung bezeichnet. Bei diesem in der Fachliteratur „delayed onset muscle soreness“ (DOMS) genannten Phänomen sind die Muskeln druckempfindlich, sie schwellen an, sind steif, hart und kraftlos. Zugleich verkleinern sich die Bewegungsradien der beteiligten Gelenke. Ein bis zwei Tage nach der ursächlichen sportlichen Betätigung erreichen die Schmerzen ihren Höhepunkt. Sie können bis zu einer Woche andauern [1]. Als Erstursache des Muskelkaters werden Schäden an Muskelzellen durch mechanische (Verletzungshypothese) oder metabolische (Stoffwechselhypothese) Belastungen diskutiert. Bevorzugt treten diese Schäden bei ungewohnten Abbremsbewegungen auf, bei denen der betroffene Muskel durch äußere Kräfte gedehnt wird (sogenannte exzentrische Kontraktionen) [2–5]. Diese Kräfte führen zu
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Mikrotraumata der Sarkomere der Skelettmuskulatur [6]. Vielfach diskutiert, aber als Schädigungsursache bislang nicht nachgewiesen, ist die Übersäuerung des Muskels durch Milchsäure [1]. Als Folge der Mikrotraumen nachgewiesen sind dagegen ein Anstieg der Kreatinkinase im Serum als Indikator für Zellschäden [7], Leukozytosen und die Freisetzung von Zytokinen [8]. Zudem lassen sich ein verstärkter Muskeleiweißabbau sowie eine durch die Metabolisierung verursachte Gewebeschwellung mit erhöhtem Gewebedruck beobachten [9]. Die Prozesse der Autolyse und Entzündung können die Verzögerung des Muskelkaters erklären. Schmerzauslösend könnten dabei die Zerfallsprodukte sowie der erhöhte Gewebedruck sein. In jüngerer Zeit wurden klinische Studien zur Anwendung von Beinwell bei stumpfen Traumen und Muskelschmerzen verschiedener Genese veröffentlicht. Auch wenn dies in der Regel kein expliziter Prüfparameter war, ließ © VERLAG PERFUSION GMBH
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Bewegungsschmerz bereits nach 15 Minuten bei 66,7 versus 16,7 % der Probanden (p=0,036). Bei der Effektstärke waren nach 30 Minuten bereits Tendenzen zugunsten einer Überlegenheit von Verum nachweisbar, die nach 120 Minuten statistisch signifikant waren (39,0±21,2 vs. 19,6±22,8 % Verbesserung, p=0,060). Schlussfolgerungen: Die bereits aus anderen Studien bekannten, rasch schmerzlindernden Effekte der topischen Beinwell-Herba-ExtraktCreme konnten auch für die Anwendung bei belastungsinduzierten Schmerzen der Muskulatur in Form von Muskelkater beobachtet werden. Die Studie liefert gute Hinweise für die Planung einer konfirmatorischen Folgestudie. Schlüsselwörter: Muskelkater, Mikrotraumen, Muskelschmerz, Beinwell, Symphytum
sich aus den Studien ein rascher Eintritt schmerzlindernder Effekte ableiten. Für die Anwendung bei Muskelüberlastung in Form von Muskelkater wäre ein rascher Wirkeintritt von Vorteil. Der Frage nach der Dauer bis zum Eintreten eines mess- und spürbaren Effektes auf Muskelschmerzen und deren Effektstärke wurde bislang nicht explizit nachgegangen. In Vorbereitung einer konfirmatorischen Prüfung wurde daher untersucht, welche Parameter zur Klärung der Wirkung und des Wirkeintritts von Beinwell-Herba-Extrakt-Creme bei belastungsinduzierten Muskelschmerzen infrage kommen können. In unserer Studie gingen wir dieser Fragestellung auf explorative Weise nach. Methoden
SUMMARY Background: Topical comfrey preparations are authorised for the treatment of blunt traumas. Effects against muscle pains caused by overload have also been observed. The aim of this explorative, randomised and placebo-controlled pilot study was the preparation of a confirmatory clinical trial in subjects suffering from muscle soreness through the examination of acute pain-relieving effects of a preparation containing a concentrate of the aerial parts of medicinal comfrey (Symphytum × uplandicum Nyman) as an active constituent. Method: Symptoms of muscle soreness were induced in 24 healthy subjects by a standardised muscle overload of both upper arms under controlled conditions. All subjects were randomised to a single application of verum on one upper arm, and of placebo on the other arm. Pain relieving effects of the study preparation were assessed by the repeated algometric measurement
Studiendesign Die Studie fand zwischen Oktober und Dezember 2012 in einem Berliner Prüfzentrum statt. Sie war als randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 24 gesunden Probanden konzipiert. Ziel war die Untersuchung der Wirkung, des Wirkeintritts und der Eignung der Messmethoden bei belastungsinduzierten Schmerzen des Skelettmuskels (DOMS; Delayed Onset Muscle Soreness, Muskelkater). Die Durchführung der Studie basierte auf den ethischen Prinzipien der Erklärung von Helsinki/Somerset West (2008) sowie den einschlägigen Leitlinien zur Guten Klinischen Praxis. Für die Studie lag ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission vor. Alle Probanden erteilten nach eingehender Information eine schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme.
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Die Studie ist bei EudraCT unter der Nummer 2011-004089-13 registriert. Untersuchungsmethode Eingeschlossen werden konnten männliche und weibliche Probanden im Alter zwischen 18 und 45 Jahren und einem BMI ≤ 30. Ausschlusskriterien waren Erkrankungen oder Verletzungen der Skelettmuskulatur und des Bindeund Stützgewebes der Arme, des Schultergürtels und des Rückens, Hauterkrankungen (Psoriasis, Neurodermitis), Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen, regelmäßiges Training, die Anwendung physikalischer Therapiemaßnahmen im Oberkörperbereich im Verlauf der Studie, Schwangerschaft und Stillzeit, bekannte Allergien gegen Bestandteile der Studienzubereitung, die Verwendung schmerzstillender Zubereitungen innerhalb eines Zeitfensters von bis zu 2 Tagen vor Beginn der Studie sowie Zweifel an der Zuverlässigkeit und Kooperationsbereitschaft des Probanden. Die Muskelschmerzen wurden durch beidseitige Belastung der Oberarmmuskulatur (Musculus biceps brachii) mittels Kurzhanteltraining bis zur muskulären Erschöpfung induziert. Durch die Möglichkeit, die Oberarme während der muskulären Belastung auflegen zu können und mit geradem Rücken zu sitzen, war eine standardisierte Körperhaltung gewährleistet. Das Gewicht der Kurzhanteln wurde individuell angepasst und bewegte sich zwischen 1 und 5 kg pro Hantel. Das Training bestand aus 12 langsam und dynamisch durchgeführten Sätzen mit jeweils 3–6 Wiederholungen, wobei sowohl die Beu© VERLAG PERFUSION GMBH
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gung des Oberarms (konzentrische Bewegung) als auch die Streckung (exzentrische Bewegung) jeweils etwa 3 Sekunden dauerte. Zwischen den Sätzen wurde eine Pause von ca. 30 Sekunden eingelegt. Die Prüfung mit der Studienmedikation erfolgte 24–48 Stunden später. Die Schmerzwerte wurden vor der muskulären Belastung (Visite 1), vor dem Auftragen der Prüfmedikation (Visite 2, Ausgangswert) sowie 15, 30, 60, 120 und 240 Minuten nach dem Auftragen gemessen. Die individuellen Druckschmerzschwellen des Musculus biceps brachii beider Oberarme wurden mittels elektronischem Druckalgometer erfasst (Somedic AB, Schweden). Die Stimulationssonde wies eine kreisförmige Spitze mit 10 mm Durchmesser auf und war mit einem Druckmessfühler verbunden. Bei jeder Messung wurde der Druck schrittweise um 30 kPa/s erhöht. Bei Erreichen der Druckschmerzschwelle (definiert als der Punkt, an dem sich das Gefühl von Druck in Schmerz verwandelt), aktivierte der Proband einen Druckknopf, der das Messergebnis fixierte. Die Messung erfolgte an 3 definierten Messpunkten einer gedachten Linie vom medialen Punkt der Ellenbeuge zum Humeruskopf über den Muskelbereich. Messpunkt 1 war der höchste Punkt des Bizeps in angespanntem Zustand, Messpunkt 2 lag 4 cm kranial von Messpunkt 1 und Messpunkt 3 lag 4 cm kaudal von Messpunkt 1. Diese Messpunkte wurden auf dem Arm markiert, um bei den Folgemessungen die Verwendung desselben Punktes zu gewährleisten. Für die Erfassung des Bewegungsschmerzes führten die Probanden mit der von ihnen verwendeten Kurzhantel eine Streckung aus der Beugung des Bizeps heraus durch
(exzentrische Bewegung). Der dabei auftretende Schmerz wurde auf einer visuellen Analogskala (VAS) eingeschätzt. Als weiterer Schmerzparameter wurde ferner die schmerzfreie Beweglichkeit im Ellenbogengelenk mittels Winkelmesser bestimmt (Neutral-Null-Methode). Der ursprüngliche Ansatz für die Studie war ein intraindividueller Rechts-links-Vergleich durch randomisierte Festlegung der Applikation von Verum und Placebo auf jeweils einem Arm, wobei auf den jeweils stärker schmerzenden Arm die Prüfzubereitung nach der Randomisierungsliste aufgetragen wurde, während auf dem anderen Arm die alternative Studienmedikation verwendet wurde. Sollte dieser Ansatz aufgrund von Carry-over-Effekten nicht verfolgt werden können, war als Alternative eine Auswertung im Sinne eines Parallelgruppenvergleichs anhand des Armes mit der höheren Schmerzausprägung vor Auftragen der Studienzubereitung durchzuführen. Studienzubereitungen Beim Prüfpräparat handelte es sich um eine Creme mit 10 % einer wässrig-ethanolischen Zubereitung aus frisch geernteten, oberirdischen Pflanzenteilen von medizinischem Beinwell (Symphytum x uplandicum Nyman) aus kontrolliertem Anbau (Droge-ExtraktVerhältnis 2–3 : 1; Traumaplant, Harras Pharma Curarina, München). Die Placebocreme bestand aus der Cremegrundlage ohne Wirkstoff und war in Farbe, Konsistenz und Geruch nicht von der Prüfzubereitung zu unterscheiden. Die Herstellung der Prüfpräparate, die Abfüllung und Etikettierung
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of pain on pressure over the time of 240 minutes. Pain on movement was assessed with the aid of a visual analogue scale. Furthermore, the painless movability of the joint was evaluated. Results: Due to carry-over effects the intra-individual right arm/left arm comparisons of verum and placebo were unsuitable for an evaluation. In contrast, the alternative evaluation by using the parallel group approach (related to the arm randomised to either the study medication or placebo) showed distinct trends and some statistical significant parameters in favour of verum, despite the small group size and the single application of the study preparations. In the evaluation of the responder rate a significant effect was observed for pain on pressure already after 30 and 120 minutes (27.5 vs. 0 % after 30 minutes; p=0.093; 72.7 vs. 25.0 % after 120 minutes; p=0.039). An improvement of pain on movement was already shown in the comparison of groups after 15 minutes in 66.7 versus 16.7 % of subjects (p=0.036). Assessments of strength of effect led to the demonstration of a trend towards a superiority of verum over placebo after 30 minutes, with statistical significance reached after 120 minutes (39.0±21.2 vs. 19.6±22.8 % improvement, p=0.060). Conclusions: The quick onset of pain-relieving effects of the topical comfrey herb extract cream already known from other studies could also be observed when applied against muscle pain related to overloadinduced muscle soreness. Useful suggestions for the planning of a confirmatory follow-up trial could be derived from this study. Keywords: muscle soreness, microtraumas, muscle pain, comfrey, Symphytum
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erfolgten durch Gehrlicher Pharmazeutische Extrakte GmbH (Eurasburg/Obb.). Die Randomliste wurde durch einen unabhängigen Biostatistiker mittels Zufallsgenerator BiAS v10.0 generiert. Entsprechend der Randomisierung wurde durch den Prüfer jeweils auf einem Arm Verum und dem anderen Arm Placebo appliziert. Aufzutragen war ein Salbenstrang von 3–6 cm Länge auf der Oberarmvorderseite vom medialen Punkt der Ellenbeuge bis unterhalb des Humeruskopfes über den ganzen Bizepsmuskel. Studienparameter Die Dauer der Studie betrug 1–2 Tage pro Teilnehmer. Über die Erfassung von Druckschmerzschwelle, Bewegungsschmerz im Oberarm und schmerzfreier Beweglichkeit im Ellenbogengelenk hinaus wurden Betrachtungen zur Reponderrate durchgeführt. Als Responder wurden Studienteilnehmer definiert, bei denen sich eine mindestens 50%ige Besserung der Druckschmerzschwelle an Messpunkt 1 zeigte bzw. sich eine mindestens 10 oder – alternativ – eine 50%ige Verbesserung des Bewegungsschmerzes ergeben hatte. Über die genannten Parameter hinaus wurden die Schwere und Häufigkeit unerwünschter Ereignisse dokumentiert. Zudem wurden die globale Wirkung und Verträglichkeit durch Prüfer und Proband auf einer verbalen Bewertungsskala abgefragt. Biometrische Auswertung Die Auswertung der Studie hatte explorativen Charakter. Alle Pa-
rameter wurden mit Methoden der explorativen Datenanalyse untersucht und deskriptiv ausgewertet. Für den Vergleich von Veränderungen von Werten zwischen den Gruppen kam der nicht-parametrische Mann-Whitney-U-Test zum Einsatz. Veränderungen innerhalb einer Gruppe wurden durch den nicht-parametrischen WilcoxonTest, Anteilswerte wurden mittels Chi2- bzw. U-Test geprüft. Der Einfluss der Ausgangswerte auf die Veränderung der Zielvariablen wurde mittels Varianzanalyse geprüft. Für die statistische Analyse wurde von der Null-Hypothese ausgegangen (es besteht kein Unterschied im Effekt von Verum und Placebo). Die Analyse geht von einem Alpha-Fehler von 5 % (zweiseitig) bzw. 2,5 % (einseitig) und einer Power von 80 % aus. Eine Fallzahlkalkulation war aufgrund des Fehlens orientierender Daten zu den Effekten von Beinwell bei Muskelkater nicht möglich. Die Zahl von 24 Probanden sollte gestatten, bei Effektstärken von 0,9 und mehr (starke Effekte) signifikante Unterschiede mit einer Power von 80 % zu erkennen. Die statistische Auswertung erfolgte mittels des Programms SPSS v.10. Ergebnisse
Alle 24 eingeschlossenen Probanden beendeten die Studie regulär. Es wurden keine Prüfplanverletzungen oder fehlenden Werte festgestellt. Eingeschlossen wurden 7 männli che (29,2 %) und 17 weibliche Probanden (70,8 %) im Alter zwischen 18 und 43 Jahren. Die Körpergröße betrug im Mittel 173,0±7,6 cm, das mittlere Körpergewicht 65,2±13,1 kg. Zwischen Verum- und Placebo-
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gruppe (je n=12) bestand kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Geschlechtsverteilung oder des Alters. Alle Patienten waren „Kaukasier“. Visite 2 mit der Erfassung der Basiswerte, der Applikation der Studienmedikation und der Messungen fand in 18/24 Fällen (75,0 %) am Tag nach dem Hanteltraining und in 6/24 Fällen (25,0 %) am 2. Tag nach dem Training statt. Bei 8 Probanden wurde kein Unterschied hinsichtlich der Schmerz ausprägung zwischen rechtem und linkem Arm festgestellt. In diesen Fällen wurde bei Rechtshändern der rechte und bei Linkshändern der linke Arm für die Randomisierung verwendet. Ansonsten waren die Schmerzen in 7 Fällen rechts und bei 9 Probanden links stärker ausgeprägt, entsprechend wurde nach dem Protokoll auf den stärker schmerzenden Arm randomisiert. Ein statistischer Unterschied zwischen Verum- und Placebogruppe bestand nicht. Cross-over versus Parallelgruppenverfahren Bei der Auswertung im Crossover-Verfahren, bei dem jeder Proband seine eigene Placebokontrolle darstellt, zeigten sich deutliche Carry-over-Effekte für den Arm mit der jeweils geringeren Schmerzausprägung. Dies führte dazu, dass die intraindividuelle Auswertung keine verwertbaren und zum Teil sogar widersprüchliche Ergebnisse ergab (Einzeldaten nicht dargestellt). Dies spiegelt sich auch in einer Responderanalyse für Probanden mit einer 10%igen Schmerzreduktion im Zeitverlauf wider: Am Arm mit der eingangs niedrigeren Schmerzausprägung korrelierten spätestens © VERLAG PERFUSION GMBH
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Druckschmerz Die Druckschmerzwerte vor dem Hanteltraining wurden für den Vergleich prozentualer Veränderungen als „Normalwerte“ angesehen. In einem Fall lag die Druckschmerzempfindlichkeit des Probanden vor dem Training niedriger als nach dem Training. Für diesen Probanden aus der Verumgruppe konnten für Messpunkt 1 keine Werte berechnet werden. Im Gruppenvergleich zeigte sich für den Messpunkt 1 eine Tendenz zugunsten von Verum, die aber aufgrund der kleinen Gruppenbesetzung nicht statistische Signifikanz erreichte (Tab. 1, Abb. 1). Dagegen war für die Messpunkte 2 und 3 kein Effekt festzustellen. Der Unterschied zwischen den Gruppen wurde im Vergleich der Responderraten sehr deutlich: Bei Definition einer Verbesserung der Druckschmerzschwelle um mindestens 50 % als Response erwiesen sich bereits nach 30 Minuten 27,5 % der mit Verum behandelten Probanden als Responder, keiner dagegen nach Behandlung mit Placebo (Tab. 2, Abb. 2). Aufgrund der kleinen Gruppengröße waren in der statistischen Auswertung nur Hinweise auf eine schwache
Mittlere Verbesserung Messpunkt 1 [%]
80 71,1
70
62,2
60
53,1
51,2
50 44,4
40
37,9
35,4
30
14,6
10 0
24,9
21,3
20
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240
Zeit nach Baseline [min]
_____
Verum (n=12) _____ Placebo (n=12)
Abbildung 1: Mittlere Veränderung des Druckschmerzwertes an Messpunkt 1 (Scheitelpunkt des angespannten Bizeps).
Probanden mit Verbesserung
15 Minuten 30 Minuten 60 Minuten 120 Minuten 240 Minuten
Verumgruppe (n=12) Mittelwert±SD
Placebogruppe (n=12) Mittelwert±SD
21,3±23,9 37,9±26,7 51,2±29,5 62,2±28,9 71,1±31,5
14,6±16,4 24,9±14,0 35,4±21,4 44,4±17,4 53,1±28,9
p 0,449 0,347 0,211 0,104 0,151
Tabelle 1: Relative Veränderungen des Druckschmerzes an Messpunkt 1 in Relation zum Wert vor dem Hanteltraining. Signifikanzen wurden mittels T-Test ermittelt. Anteil Responder (50% Verbesserung) 80 %
72,7%
70 %
72,7%
63,6%
66,7%
60 %
Anteil Probanden
nach 30 Minuten die Veränderungen mit denen des Arms mit der höheren Schmerzausprägung, wodurch die Unterschiede im Crossover-Verfahren zum Teil aufgehoben wurden. Wegen der durch diese Wechselwirkung erzeugten Artefakte wurde alternativ eine Auswertung im Parallelgruppenverfahren vorgenommen, indem nur der zu Beginn der Studie jeweils stärker schmerzende Arm (auf den randomisiert wurde) in die Auswertung einging.
50 % 40 %
20 % 10 % 0 %
33,3%
27,3%
30 %
25,0%
18,2%
0,0% nach 15 min
0,0% nach 30 min
nach 60 min
nach 120 min
nach 240 min
Zeit nach Baseline Verum (n=12)
Placebo (n=12)
Abbildung 2: Responder im Modell der Druckschmerzmessung.
Probanden mit Verbesserung
Verumgruppe (n=12) Anzahl Anteil
Placebogruppe (n=12) Anzahl Anteil
p
15 Minuten 2 18,2 % 0 0,0 % 0,217 30 Minuten 3 27,3 % 0 0,0 % 0,093 60 Minuten 7 63,6 % 4 33,3 % 0,220 120 Minuten 8 72,7 % 3 25,0 % 0,039 240 Minuten 8 72,7 % 8 66,7 % 1,000 Tabelle 2: Anteil Probanden mit Verbesserung des Druckschmerzes an Messpunkt 1 um mindestens 50 %. Signifikanzen wurden mittels Fisher Exact Test ermittelt.
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Signifikanz zu diesem Zeitpunkt zu erhalten (Fisher Exact Test, p=0,093). Nach 60 Minuten war der Anteil der Responder in der Verumgruppe doppelt so hoch wie in der Placebogruppe 63,6 versus 33,3 %, p=0,220), nach 120 Minuten sogar dreimal so hoch und statistisch signifikant (72,7 versus 25,0 %; p=0,039).
Probanden mit Verbesserung
Verumgruppe (n=12) Anzahl
15 Minuten
8
Anteil 66,7 %
Placebogruppe (n=12) Anzahl 2
Anteil 16,7 %
p 0,036
30 Minuten 12 100 % 8 66,7 % 0,093 60 Minuten 12 100 % 9 75,0 % 0,217 120 Minuten 12 100 % 9 75,0 % 0,217 240 Minuten 12 100 % 10 83,3 % 0,478 Tabelle 3: Anteil Probanden mit Verbesserung des Bewegungsschmerzes. Signifikanzen wurden mittels Fisher Exact Test ermittelt. 50
Die deutlichsten Effekte des Prüfpräparates waren für den Parameter Bewegungsschmerz zu beobachten. Bezogen auf die Probanden, für die Verbesserungen der Schmerzwerte zu verzeichnen waren (100 % im Falle von Verum ab dem Zeitpunkt 30 Minuten), ergab sich nach 15 Minuten ein statistisch signifikant besserer Effekt für Verum (U-Test, p=0,036 mit 66,7 versus 16,7 % Verbesserung des Bewegungsschmerzes in der Verum versus der Placebogruppe bei 8 versus 2 Probanden mit Verbesserungen). Zu den späteren Messzeitpunkten waren keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Zahl der Probanden mit Verbesserungen gegenüber dem Ausgangswert im Gruppenvergleich mehr sichtbar, was mit erwartungsgemäß einsetzenden Selbstheilungseffekten erklärbar ist (Tab. 3). Dagegen zeigte sich aber ein Vorteil für die Verumgruppe hinsichtlich der Effektstärke. Berechnet wurde die Größe der Veränderung der Schmerzwerte gegenüber dem Ausgangswert vor Behandlung (Tab. 4, Abb. 3). Es konnte die Tendenz zu einer Überlegenheit von Verum in der Gesamtgruppe mit 16,3±12,2 versus 10,0±11,6 % VAS-Verbesserung nach 30 Minuten bestätigt werden (T-test, p=0,165). Die Verbesserungen er-
Mittlere Verbesserung VAS [%]
Bewegungsschmerz
46,1
45 39,0
40 35 30 23,2
25 20
16,3
10 5 0
19,6
18,2
15
18,5
10,0
6,2 0,8
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240
Zeit nach Baseline Verum (n=12)
Placebo (n=12)
Abbildung 3: Mittlere Veränderung der Werte für Bewegungsschmerz, erfasst mittels visueller Analogskala.
Probanden mit Verbesserung
Verumgruppe (n=12) Mittelwert±SD
Placebogruppe (n=12) Mittelwert±SD
p
15 Minuten 6,2±7,8 0,8±7,4 0,101 30 Minuten 16,3±12,2 10,0±11,6 0,165 60 Minuten 23,2±16,5 18,2±17,7 0,370 120 Minuten 39,0±21,2 19,6±22,8 0,060 240 Minuten 46,1±22,5 18,5±25,8 0,012 Tabelle 4: Relative Veränderungen des Bewegungsschmerzes in der Gesamtgruppe in Prozent vom Ausgangswert. Signifikanzen wurden mittels U-Test ermittelt.
reichten nach 120 Minuten eine schwache statistische Signifikanz mit 39,0±21,2 versus 19,6±22,8 VAS-Skalenpunkten (U-Test, p=0,060), die nach 240 Minuten mit 46,1±22,5 versus 18,5±25,8 eindeutig nachweisbar war (UTest, p=0,012). In der Placebogruppe verbesserten sich die Werte nach 60 Minuten praktisch nicht mehr weiter. Die aus diesen Untersuchungen hervorgehenden Tendenzen und
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Signifikanzen zugunsten von Verum finden sich auch in der Responderrate wieder. Nimmt man eine 10 %ige Verbesserung der Werte als Response an, so erreicht der Anteil der Responder nach 60 Minuten 91,7 versus 58,3 % zugunsten von Verum (Fisher Exact Test, p=0,155), nach 120 Minuten 100,0 versus 58,3 % (p=0,037; Tab. 5, Abb. 4). Bei Annahme einer 50 %igen Verbesserung leidet die statistische © VERLAG PERFUSION GMBH
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Anteil Responder (10% Verbesserung) 100,0% 100 %
91,7%
90 %
91,7%
80 % 66,7%
Anteil Probanden
70 %
58,3%
60 % 50 %
58,3%
58,3%
41,7%
40 %
33,3%
30 % 20 %
8,3%
10 % 0 %
nach 15 min
nach 30 min
nach 60 min
nach 120 min
nach 240 min
Zeit nach Baseline Verum (n=12)
Placebo (n=12)
Abbildung 4: Anteile von Respondern für Bewegungsschmerz mit mindestens 10 % Verbesserung. Anteil Responder (50% Verbesserung)
Schmerzfreie Gelenkbeweglichkeit
60 % 50,0%
Anteil Probanden
50 % 40 %
33,3%
30 % 20 %
16,7%
0 %
8,3%
8,3%
10 %
Analyse sehr deutlich an den jeweils sehr kleinen Subgruppen (Tab. 5, Abb. 5). Während nach 240 Minuten immerhin die Hälfte der Verumgruppe eine Effektstärke im Sinne einer 50%igen Schmerzreduktion erreichte, war dies bei Placebo nur bei einem Probanden der Fall (50,0 vs. 8,3 %). Dennoch erreichte dieser deutliche und klinisch höchst relevante Unterschied aufgrund der statistischen Gesetzmäßigkeiten in sehr kleinen Gruppen nur eine schwache Signifikanz von p=0,069 (Fisher Exact Test).
Bei der Testung der schmerzfreien Gelenkbeweglichkeit zeigten sich nur geringe und nicht aussagekräftige Veränderungen. Auf eine weitere Darstellung wurde daher verzichtet.
0,0% nach 15 min
nach 30 min
nach 60 min
nach 120 min
nach 240 min
Zeit nach Baseline Verum (n=12)
Placebo (n=12)
Abbildung 5: Anteile von Respondern für Bewegungsschmerz mit mindestens 50 % Verbesserung.
Probanden mit 10 % Verbesserung
Verumgruppe (n=12)
Placebogruppe (n=12)
p
15 Minuten 30 Minuten 60 Minuten 120 Minuten 240 Minuten
4 8 11 12 11
1 5 7 7 7
0,317 0,414 0,155 0,037 0,155
Probanden mit 50 % Verbesserung
Verumgruppe (n=12)
Placebogruppe (n=12)
p
15 Minuten 30 Minuten 60 Minuten 120 Minuten 240 Minuten
0 0 2 4 6
0 0 0 1 1
1,000 1,000 0,478 0,317 0,069
Anzahl
Anzahl
Anteil
33,3 % 66,7 % 91,7 % 100 % 91,7 %
Anteil
0 % 0 % 16,7 % 33,3 % 50,0 %
Anzahl
Anzahl
Anteil
8,3 % 41,7 % 58,3 % 58,3 % 58,3 %
Anteil
0 % 0 % 0 % 8,3 % 8,3 %
Tabelle 5: Anteile der Probanden mit mindestens 10 % und mit mindestens 50 % Verbesserung des Bewegungsschmerzes. Signifikanzen wurden mittels Fisher Exact Test berechnet. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2014 · 23. JAHRGANG
Globale Beurteilung der Wirkung Bei der globalen Beurteilung des Effekts durch Prüfer und Proband lag der Anteil der Probanden mit „guter“ bis „sehr guter“ Einschätzung unter Verum bei 58,3 bzw. 41,7 %, unter Placebo dagegen bei 33,3 bzw. 16,7 %. Der Unterschied war aufgrund der geringen Gruppengröße nicht signifikant (Fisher Exact Test). Anwendungssicherheit Die Sicherheit der Studienmedikation erwies sich als ausgezeichnet. Im Studienverlauf trat kein unerwünschtes Ereignis auf. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Diskussion
Topische Zubereitungen aus Beinwell sind anerkannt wirksam bei stumpfen Traumen wie Verstauchungen, Prellungen und Zerrungen. Spezifisch für eine Zubereitung aus den frischen oberirdischen Pflanzenteilen des medizinischen Beinwells (Symphytum x uplandicum Nyman) konnte in Doppelblindstudien und Anwendungsbeobachtungen die Wirksamkeit und praktische Nutzbarkeit bei verschiedenen Indikationen belegt werden: bei stumpfen Traumen [10–14], zur Verbesserung der Wundheilung [15–18] und bei überlastungsbedingten Muskelschmerzen im Zusammenhang mit Mikrotraumen der Muskulatur [19–23]. In allen kontrollierten Studien wurde die Überlegenheit des Prüfpräparates mit 10 % einer Beinwellzubereitung (Droge-Extrakt-Verhältnis 2–3 : 1) gegenüber einem Referenzprodukt mit 1 % Wirkstoffkonzentration nachgewiesen. Aufgrund der schmerzlindernden Effekte bei Überlastungsbeschwerden der Muskulatur stellte sich die Frage, ob mit BeinwellHerba-Extrakt-Creme auch Muskelkaterschmerzen behandelt werden können. Überlastungsbedingte Muskelschmerzen, wie sie bei ungewohnter Muskelbelastung oder Fehlhaltung auftreten, werden auf Mikrotraumen der Skelettmuskulatur zurückgeführt [24]. Das Schadensbild der Mikrotraumen entspricht auf pathophysiologischem Niveau demjenigen von Makrotraumen, wie sie zum Beispiel bei stumpfen Verletzungen wie Zerrungen entstehen. Muskelschmerzen aufgrund von Überlastung werden entsprechend auch als Muskelzerrung vom Typ I kategorisiert [25].
Bei der hier vorgestellten Arbeit handelte es sich um eine explorative Pilotstudie, mit deren Hilfe einerseits die Geschwindigkeit des Wirkeintritts und die Effektstärke der Anwendung einer topischen Beinwellzubereitung bei Muskelkaterschmerzen eingeschätzt werden sollte und anderseits mögliche Parameter für eine konfirmatorische Studie geprüft wurden. Für die Praxis höchst relevant sind die Untersuchungen von Bewegungsschmerzen, denn Schmerzen bei Bewegung dürften das Symptom sein, das bei Muskelkater den Betroffenen am meisten belastet. Hier zeigten sich mit einer Responderrate von 66,7 versus 16,7% nach nur 15 Minuten die schnellsten Effekte mit statistischer Signifikanz zugunsten von Verum (p=0,036). Zugleich zeigen die Daten einen Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der Effektstärke auf: Der nach 120 Minuten erreichte und trotz der geringen Gruppengröße statistisch signifikante Unterschied von 39 versus nahezu 20 % Schmerzreduktion nach Einmalapplikation ist für den Betroffenen deutlich spürbar und klinisch relevant. Die Wahl der Druckalgometrie als Maß für Muskelschmerzen geht auf den pathophysiologischen Umstand zurück, dass repetitive Traumen und Entzündungen durch Sensibilisierung der peripheren nozizeptiven Nerven in den betroffenen Bereichen zu Schmerzen in den Weichteilgeweben führen. Die Algometrie ist ein etabliertes diagnostisches Instrument zur Bewertung der Wirkung von Schmerzbehandlung in den Muskeln [26–28]. Das Verfahren wurde bereits zur Messung der Schmerzempfindlichkeit bei chronischen und durch Mikrotraumata hervorgerufenen Schulter- und Nackenschmerzen
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verwendet [28–30], aber auch zur Bestimmung der Schmerzschwelle bei Muskelkater [31–33]. Prinzipiell wäre daher zu erwarten, dass mittels dieser Methode auch bei Muskelkater am Bizeps Ergebnisse zu erzielen sein sollten. Die in dieser Studie herausgearbeiteten positiven Beobachtungen hinsichtlich der Responderwerte im Vergleich zu den absoluten und relativen interindividuellen Veränderungen lassen vermuten, dass die Probandenzahl mit 12 Teilnehmern pro Gruppe auch angesichts der erwähnten Probleme mit dem intraindividuellen Vergleich zu gering war, um der Studie ausreichende Power zu geben. Dafür sprechen die konsistent über alle Parameter aufgetretenen Tendenzen zugunsten von Verum sowie erste Signifikanzen, welche die Statistik im Zusammenhang mit Druckschmerzmessungen bereits nach 30 Minuten aufzeigt, mit statistischer Überlegenheit hinsichtlich der Responderraten (mindestens 50 % Verbesserung) nach 120 Minuten. Auf die Messung an den Punkten 2 und 3 kann allerdings verzichtet werden, da dies keine sinnvoll auswertbaren Ergebnisse verspricht. Ebenso verzichtbar für eine konfirmatorische Studie ist die Messung der schmerzfreien Gelenkbeweglichkeit: Die Beweglichkeit der Gelenke wird durch Mikrotraumen erheblich eingeschränkt und eine Rückbildung der Mikrotraumata innerhalb von 240 Minuten und bei einmaliger Anwendung des Prüfpräparates ist nicht zu erwarten. Daher sind mit dieser Methode keine aussagekräftigen Ergebnisse zu erwarten. Im Rahmen einer konfirmatorischen Studie ist von einem intraindividuellen Cross-over-Design abzuraten, weil hier Carry-over© VERLAG PERFUSION GMBH
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Effekte von einem Arm die Messung der Effekte am anderen Arm stören. Dieses Problem lässt sich durch ein Parallelgruppendesign lösen. Bei einer konfirmatorischen Studie mit einem größeren Probandenkollektiv wäre gegebenenfalls auch zu berücksichtigen, dass die Einmalanwendung der Prüfmedikation nicht den Realitäten in der Praxis entspricht. Insgesamt stehen die Ergebnisse im Einklang mit einem raschen schmerzlindernden Effekt von topischer Beinwell-Herba-ExtraktCreme, wie er bereits in früheren Studien gefunden wurde. Im vorliegenden Fall zeigten sich konsistent Tendenzen zugunsten von Beinwell-Herba-Extrakt-Creme, die bei den meisten Einzelparametern nur aufgrund einer zu geringen statistischen Power die statistische Signifikanz nicht erreichten. Die Beobachtungen lassen darauf schließen, dass bei einer nach statistischen Fallzahlkriterien gewählten Probandenzahl eine konfirmatorische Studie zum Nachweis eines raschen Wirkeintritts und einer überlegenen Effektstärke erfolgversprechend ist. Immerhin wurden in dieser Pilotstudie bereits entsprechende Signifikanzen für beides, den schnellen Wirkeintritt und die überlegene Effektstärke, bestätigt.
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21 Guth A, Schmidt M. Rehabilitation des HWS-Syndroms. Beinwellcreme steigert den Erfolg der physikalischen Therapie. Allgemeinarzt 2010;32(Suppl 8):2-4 22 Kucera M, Kalal J, Polesna Z. Effects of Symphytum ointment on muscular symptoms and functional locomotor disturbances. Adv Ther 2000;17:204-210 23 Kucera M, Hladikova M. Topischer Beinwellextrakt: Studie bestätigt rasche Wirksamkeit bei Myalgien durch Überlastung oder akut stumpfe Traumen. J Pharmakol Ther 2012;21:112-117 24 Lewis PB, Ruby D, Bush-Joseph CA. Muscle soreness and delayed-onset muscle soreness. Clinics in Sports Med 2012;31: 255-262 25 Safran MR, Seaber AV, Garrett WE, Jr. Warm-up and muscular injury prevention. An update. Sports Med 1989;8:239-249 26 Incel NA, Erdem HR, Ozgocmen S et al. Pain pressure threshold values in ankylosing spondylitis. Rheumatol Int 2002;22: 148-150 27 Chesterton LS, Barlas P, Foster NE et al. Sensory stimulation (TENS): effects of parameter manipulation on mechanical pain thresholds in healthy human subjects. Pain 2002;99:253-262 28 Ylinen J, Takala EP, Kautiainen H et al. Effect of long-term neck muscle training on pressure pain threshold: a randomized controlled trial. Eur J Pain 2005;9:673-681 29 Nie H, Kawczynski A, Madeleine P et al. Delayed onset muscle soreness in neck/ shoulder muscles. Eur J Pain 2005;9:653660 30 Wakefield E, Holtermann A, Mork PJ. The effect of delayed onset of muscle soreness on habitual trapezius activity. Eur J Pain 2011;15:577-583 31 Hedayatpour N, Falla D, Arendt-Nielsen L et al. Sensory and electromyographic mapping during delayed-onset muscle soreness. Med Sci Sports Exerc 2008;40:326334 32 Dannecker EA, Koltyn KF, Riley JL, 3rd et al. The influence of endurance exercise on delayed onset muscle soreness. J Sports Med Phys Fitness 2002;42:458-465 33 Nussbaum EL, Downes L. Reliability of clinical pressure-pain algometric measurements obtained on consecutive days. Phys Ther 1998;78:160-169
Für die Verfasser: Prof. Dr. med. Ralf Uebelhack Charité – Universitätsmedizin Berlin Charitéplatz 1 10117 Berlin E-Mail: ralf.uebelhack@charite.de
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Pulmonale Hypertonie – Therapieoptionen für eine schwere Erkrankung
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ie pulmonale Hypertonie (PH) ist eine seltene, lebensbedrohliche und häufig erst sehr spät diagnostizierte Erkrankung. Typische Beschwerden wie Atemnot, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Ohnmachtsanfälle oder Wassereinlagerungen treten auch bei anderen, wesentlich häufigeren Erkrankungen auf, die vom Infekt über die obstruktive Lungenerkrankung bis hin zur Herzinsuffizienz reichen können. Aufgrund der unspezifischen Symptome sind viele Ärzte, vom Hausarzt über den niedergelassenen Kardiologen und Pneumologen bis zum Klinikarzt, an der Diagnostik beteiligt. Auch heute vergehen immer noch 2–3 Jahre bis zur endgültigen Diagnose. Die Konsequenzen sind für den PH-Patienten fatal, weil sich ein verspäteter Therapiebeginn negativ auf die Lebenserwartung auswirkt und sich die Prognose in vielen Fällen noch weiter verschlechtert [1].
tonie (PAH, Gruppe 1), die am häufigsten idiopathisch auftritt, und die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH, Gruppe 4). Gruppe 5 beinhaltet die PH unklarer Genese. PAH – eine komplexe und lebensbedrohliche Erkrankung Die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) ist durch eine Verengung der Lungenarterien gekennzeichnet. Mit der Gefäßverengung steigt der Widerstand und es kommt zu einer zunehmenden Muskularisierung in den kleinen Pulmonalarterien. Der erhöhte Widerstand führt zu einer Nachlasterhöhung des rechten Ventrikels mit konsekutiv vermehrter Pumpleistung.
Die Folge ist eine Rechtsherzvergrößerung (Hypertrophie und Dilatation) bis hin zur Rechtsherzinsuffizienz (Cor pulmonale) (Abb. 1). Unbehandelt ist die Prognose ausgesprochen schlecht und die meisten Patienten sterben innerhalb weniger Jahre an einem Rechtsherzversagen [3]. Die Erstdiagnose einer PAH erfolgt in 81 % der Fälle erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium (NYHA III oder IV) mit gravierenden Auswirkungen auf die Lebenserwartung der Betroffenen [4]. CTEPH – Risikofaktor Lungenembolie Ursache des chronischen thromboembolischen Lungenhochdrucks
Einteilung der pulmonalen Hypertonie
Die pulmonale Hypertonie wird in 5 Gruppen unterteilt [2]: Die häufigste Form ist die PH bei chronischen Linksherzerkrankungen (Gruppe 2), gefolgt von der PH bei Lungenerkrankungen wie COPD oder Emphysem (Gruppe 3). Seltener, aber dafür schwerwiegender, sind die pulmonal arterielle Hyper-
Abbildung 1: Die pulmonale Hypertonie (PH) ist verbunden mit einem Druckanstieg in den Pulmonalarterien. In der Folge kommt es zu einer Rechtsherzbelastung, da das Herz mehr Kraft aufwenden muss, um das Blut durch die Lungenarterien zu pumpen (© Bayer Vital GmbH).
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Abbildung 2: Der Chronische Thromboembolische Lungenhochdruck (CTEPH) ist eine Folgeerkrankung der Lungenembolie. Die Blutgerinnsel werden hierbei narbig umgebaut und verlegen so langfristig die Lungenarterien (© Bayer Vital GmbH).
(CTEPH) ist in den meisten Fällen eine rezidivierende Lungenembolie mit unvollständiger Rekanalisation der Lungenstrombahn. Die insuffiziente Auflösung des initialen thromboembolischen Gefäßverschlusses führt zu einem fibrotischen Umbau des Thrombus, und es kommt zu einem erhöhten pulmonal-arteriellen Druck und Umbau (sog. Remodeling) auch nicht betroffener pulmonaler Gefäße (Abb. 2) [5]. Die genaue Prävalenz ist nicht bekannt und die Dunkelziffer vermutlich sehr hoch. Laut Literatur entwickeln 0,1–3,8 % der Patienten, die eine Lungenembolie überlebt haben, eine CTEPH [6]. Unklare Dyspnoe ernst nehmen
Wenn Patienten bei bisher gewöhnlichen Alltagsbelastungen über Luftnot klagen, sollte der Hausarzt hellhörig werden und im Rahmen der Abklärung auch an eine pulmonale Hypertonie denken. Zur
Basisdiagnostik zählen eine gründliche Anamnese und Erhebung des Patientenstatus sowie Laborwerte, EKG und Röntgen-Thorax. Beim Facharzt (Pneumologe, Kardiologe) erfolgen meist Lungenfunktionstest und Blutgasanalyse sowie eine Echokardiographie. Der Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie lässt sich durch eine RechtsherzkatheterUntersuchung bestätigen. Können in der Differenzialdiagnose Linksherz- und Lungenerkrankungen als Ursache ausgeschlossen werden, wird zur Abklärung der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) eine Ventilations-Perfusions-(V/Q)-Szintigraphie durchgeführt [2]. Limitierte Therapieoptionen
Während die Behandlungsoptionen für die PH bei Linksherzerkrankung, Lungenerkrankung sowie Hypoxie und unklarer oder multifaktorieller Genese im Wesentlichen auf die Grunderkrankungen abzielen, stehen medikamentöse Therapien derzeit nur für die PAH mit 3 Substanzklassen zur Verfügung: Endothelin-RezeptorAntagonisten (ERA), Phosphodiesterase-5-(PDE-5-)Inhibitoren und Prostazyklinanaloga, die in Mono- oder Kombinationstherapie angewendet werden [2]. All diese Substanzklassen zeichnen sich in unterschiedlichem Maße durch eine gefäßerweiternde, antiproliferative und entzündungshemmende Wirkung aus. Die bisher zur Verfügung stehenden Therapieoptionen können zwar zu einer Verlangsamung der Progredienz führen und die Lebensqualität verbessern, die PAH aber nicht heilen. Die Überlebensraten bei PAH liegen trotz Therapie nach dem ersten Jahr bei 90 % [7], nach 3 Jahren bei etwa
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70 % und nach 5 Jahren bei ungefähr 60 % [8]. Anders stellt sich die Situation bei CTEPH dar. Wird sie frühzeitig diagnostiziert, besteht die Möglichkeit einer kurativen Operation. Therapiestandard ist die pulmonale Endarteriektomie (PEA), bei der das narbige, mit der Gefäßwand verwachsene, pathologische Gewebe aus den Lungenarterien entfernt wird, sodass sich die Hämodynamik und klinischen Symptome deutlich verbessern. Diese Therapieoption kann jedoch nur bei etwa 60 % der CTEPH Patienten angewendet werden. Bis zu 40 % der Patienten werden als nicht operabel eingestuft, da z.B. die Thromben distal liegen und vom Operateur nicht erreicht werden können [1]. Unbehandelt liegt die mittlere Überlebensdauer für die CTEPH bei 6,8 Jahren [9]. Neue Perspektiven mit Riociguat
Der in der Zulassung befindliche Wirkstoff Riociguat könnte zukünftig eine neue therapeutische Perspektive bei PAH und bestimmten Formen der CTEPH darstellen. Der Wirkstoff ist der erste Vertreter einer neuen Klasse von gefäßerweiternden Substanzen, den Stimulatoren der löslichen Guanylatzyklase (sGC). Dieses Enzym katalysiert die Synthese von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP). Endogenes Stickstoff monoxid (NO) wirkt dabei als Cofaktor. Der Second Messenger cGMP spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung zellulärer Funktionen wie Gefäßtonus, Zellvermehrung, Fibrose und Entzündung. Riociguat stimuliert direkt die sGC und kann das Enzym für endogenes NO sensibilisieren, ersetzt also quasi fehlendes NO. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Mittlere Veränderung zum Ausgangswert des 6-MWD (m)
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40 30
Primärer Endpunkt: Alle Patienten (n=254/126) +36 m p<0,001 (95% CI: 20–52 m)
20
Riociguat
Plazebo
10 0 -10 -20
Mittlere Veränderung zum Ausgangswert des 6-MWD (m)
Abbildung 3: Ergebnis der PATENT-1-Studie: Die Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest (6-MWD) verlängerte sich bei den mit Riociguat behandelten PAH-Patienten gegenüber der Placebo-Gruppe um 36 Meter [10].
50
Primärer Endpunkt: Alle Patienten (n=173/88) +46 m p<0,001 (95% CI: 25–67 m)
40 30
Riociguat
Plazebo
20 10 0 -10 -20
Abbildung 4: Ergebnis der CHEST-1-Studie: Bei den mit Riociguat behandelten CTEPHPatienten verlängerte sich die Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest (6-MWD) gegenüber der Placebo-Gruppe um 46 Meter [11].
Riociguat zeigte in 2 Phase-IIIStudien [10, 11] als erste Substanz eine klinische Wirksamkeit sowohl bei Patienten mit PAH als auch bei Patienten mit inoperabler CTEPH oder einer persistierenden oder wiederkehrenden pulmonalen Hypertonie nach PEA. Beide Studien erreichten ihren primären Endpunkt, indem eine statistisch signifikante Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit unter Riociguat nachgewiesen werden konnte.
In die PATENT-1 Studie [10] wurden 443 Patienten mit PAH eingeschlossen, die teilweise unbehandelt, teilweise mit Endothelin-Rezeptor-Antagonisten oder Prostanoiden vorbehandelt waren. Im Rahmen der Studie kam es zu einer Verlängerung der Gehstrecke im Riociguat-Arm (n=254) im 6-Minuten-Gehtest gegenüber Placebo (n=126) um 36 Meter (p<0,001) (Abb. 3). Die CHEST-1-Studie [11] untersuchte die Wirkung von Riociguat
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bei 261 Patienten mit CTEPH, die als inoperabel eingestuft wurden oder bei denen nach einer pulmonalen Endarteriektomie weiterhin ein Lungenhochdruck bestand bzw. wieder auftrat. Unter Riociguat (n=173) zeigte sich nach 16 Wochen Behandlung im 6-Minuten-Gehtest eine Verbesserung um 46 Meter (p<0,001) gegenüber Placebo (n=88) (Abb. 4). Somit könnte Riociguat in der PAH das Therapiespektrum erweitern und als erste Substanz auch in einer weiteren Klasse der pulmonalen Hypertonie, der CTEPH, Anwendung finden. Riociguat wurde unter dem Namen Adempas® im Oktober 2013 in den USA für Patienten mit PAH und CTEPH zugelassen. In der Europäischen Union ist die Zulassung von Riociguat seit Februar 2013 beantragt, am 24. Januar 2014 empfahl der europäische Ausschuss für Human arzneimittel (CHMP) die Zulassung des Wirkstoffs. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Pepke-Zaba J et al. Circulation 2011;124: 1973-1981 2 Hoeper MM et al. Der Kardiologe 2010; 4:189-207 3 D‘Alonzo GE et al. Ann Intern Med 1991; 115:343-349 4 Humbert M et al. Am J Respir Crit Care Med 2006;173:1023-1030 5 Dartevelle P et al. Eur Respir J 2004;23: 637-648 6 Dentali F et al. Thromb Res 2009;124:256258 7 Benza RL et al. Circulation 2010;122:164172 8 Thenappan T et al. Eur Respir J 2010;35: 1079-1087 9 Kunieda T et al. Intern Med 1999;38:543546 10 Ghofrani HA et al. N Engl J Med 2013; 369:330-340 11 Ghofrani HA et al. N Engl J Med 2013; 369:319-329
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HCV-Behandlung in Deutschland – geht es noch besser?
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as Hepatitis-C-Virus (HCV) gehört laut Robert-KochInstitut seit 2011 zur Gruppe der Erreger mit der höchsten Priorität im Hinblick auf Krankheitslast und Bedeutung für die nationale medizinische Überwachung [1]. Es ist eine der Hauptursachen für chronische Lebererkrankungen, Lebertransplantationen und Leberversagen, jedoch wissen etwa 80 % der Betroffenen nicht, dass sie infiziert sind [2]. Demzufolge suchen viele Patienten erst einen Arzt auf, wenn die Erkrankung bereits weit fortgeschritten und in die chronische Verlaufsform übergegangen ist. Welche Therapieoptionen gibt es?
Patienten mit einer HCV-Infektion können heute deutlich besser behandelt werden als noch vor wenigen Jahren. Seit der Einführung der pegylierten Interferone (PegIFN) und der Kombinationstherapie mit dem Virustatikum Ribavirin (RBV) ist das Therapieziel der dauerhaften Virusfreiheit prinzipiell erreichbar geworden. Die Erfolgsaussichten der Behandlung mit diesem Therapiestandard hängen unter anderem von der Viruslast, der genetischen Disposition des Patienten und vom Genotyp des Hepatitis-C-Virus ab,
wobei Genotyp 1 der häufigste und gleichzeitig am schwersten zu heilende HCV-Genotyp ist – die Kombinationstherapie PegIFN/ RBV ist nur bei jedem zweiten Patienten mit Genotyp 1 wirksam [3]. Sie kommt aber auch bei vielen Patienten prinzipiell nicht infrage, weil Kontraindikationen wie eine dekompensierte Leberzirrhose oder eine Interferonunverträglichkeit bestehen [3]. Mit den im Jahr 2011 eingeführten direkt antiviral wirkenden Protease-Inhibitoren und der Triple-Therapie sind die Heilungschancen insbesondere der HCVPatienten mit Genotyp 1 zwar deutlich gestiegen, dennoch wird kontinuierlich weiter nach wirksameren und zugleich verträglicheren Therapien gesucht. Denn abgesehen von den nach wie vor nicht zufriedenstellenden Heilungsraten ist die Kombinationstherapie mit PegIFN/RBV auch wegen der langen Therapiedauer und der zahlreichen Nebenwirkungen vor allem des Interferons problematisch. Unerwünschte Wirkungen wie z.B. Depressionen, grippeähnliche Symptome, gastrointestinale und dermatologische Erkrankungen oder Blutbildveränderungen treten bei sehr vielen Patienten auf und haben einen ungünstigen Einfluss auf die Therapieadhärenz.
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Wie ließe sich der Therapieerfolg verbessern?
Ein wichtiges langfristiges Ziel ist die Entwicklung interferonfreier Therapieschemata. Dieses Ziel soll in 2 Schritten erreicht werden: Zunächst wird eine Zulassung neuer Triple-Therapien angestrebt, die zwar noch interferonbasiert, aber wesentlich kürzer und nebenwirkungsärmer sind als die bisher zugelassenen Therapien. In einem zweiten Schritt sollen dann Therapien eingeführt werden, die ohne Interferon auskommen und mit 12–24 Wochen eine relativ kurze Dauer haben. Faldaprevir: frühes Therapieansprechen bei HCV-Patienten mit Genotyp 1
Mit dem Wirkstoff Faldaprevir* von Boehringer Ingelheim befindet sich derzeit ein Protease-Inhibitor der zweiten Generation in der klinischen Prüfung, der sich sowohl in interferonbasierten als auch in interferonfreien Therapieschemata als wirksam erwiesen hat. In der Phase-III-Studie START* Die Wirkstoffe Faldaprevir und Deleobuvir befinden sich in der Entwicklung und sind als Arzneimittel nicht zugelassen; Sicherheit und Wirksamkeit sind gegenwärtig nicht abschließend belegt.
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VersoTM1, wurden die antivirale Wirksamkeit und Sicherheit von Faldaprevir 120 mg und 240 mg in Kombination mit PegIFN/RBV bei therapienaiven HCV-Patienten mit Genotyp 1 untersucht. Unter dieser Triple-Therapie erreichten bis zu 80 % der Patienten in der Gesamtpopulation 12 Wochen nach Therapieende eine Heilung (Sustained Virological Response = SVR) [4]. Im Vergleich dazu wurde im Kontrollarm unter Placebo plus PegIFN/RBV eine SVR12 von 52 % beobachtet (p<0,0001). Die Patienten konnten die Gesamttherapie frühzeitig beenden, wenn ihre Viruslast in Woche 4 und Woche 8 gering genug war (Early Treatment Success [ETS] laut Definition im Protokoll). Dies wurde bei 89 % der mit Faldaprevir 240 mg plus PegIFN/RBV sowie 87 % der mit Faldaprevir 120 mg plus PegIFN/ RBV behandelten Patienten erreicht. Bei diesen Patienten konnte in dieser Studie die Gesamttherapie nach 24 Wochen beendet werden. Die Therapie wurde in beiden Faldaprevir-Dosierungen gut vertragen. Unerwünschte Ereignisse, die zu einem Therapieabbruch führten, waren mit denen in der Placebo-Gruppe vergleichbar. Die randomisierte, doppelblinde Multizenterstudie markiert somit einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Entwicklung neuer HCV-Therapieoptionen, die im Vergleich zum Behandlungsstandard PegIFN/RBV wirksamer und zugleich verträglicher sind.
Auf dem Weg zu interferonfreien Therapieschemata
Faldaprevir ist außerdem eine wichtige Säule des derzeit in klinischen Studien untersuchten interferonfreien Therapieschemas mit Deleobuvir*, einem nicht-nukleosidischen Inhibitor der NS5BPolymerase, und RBV. Therapien, die ohne Interferon auskommen, werden benötigt, weil eine immunmodulatorische Behandlung mit diesem Wirkstoff zwar relativ effektiv ist, aber auch Nachteile hat, wie z.B. die subkutane Injektion, die zahlreichen Nebenwirkungen sowie eine häufige Unverträglichkeit. In der offenen, randomiserten Phase-IIb-Studie SOUND-C2 konnten bei HCV-Patienten mit Genotyp 1b SVR-Raten von bis zu 85 % erreicht werden [5]. Geprüft worden waren die Wirksamkeit und Sicherheit von Faldaprevir, Deleobuvir und RBV bei therapie naiven Patienten mit GT-1a und -1b, den beiden weltweit am häufigsten vorkommenden HCV-Genotypen. Die Studie schloss Patienten mit Leberzirrhose (9 %) ein, die vergleichbare Heilungsraten zeigten wie die Patienten ohne Leberzirrhose. Derzeit wird die Wirksamkeit dieser interferonfreien Triple-Therapie im Phase-III-Studienprogramm HCVerso™ bei therapienaiven Patienten mit GT-1b untersucht; Ergebnisse werden für das 2. Quartal 2014 erwartet.
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Ausblick
Mit Faldaprevir und Deleobuvir befindet sich derzeit die zweite Generation der direkt wirksamen antiviralen Substanzen in Entwicklung, die durch die direkte Hemmung des viralen Zyklus die virale Replikation verhindern. Erste Ergebnisse klinischer Studien zeigen, dass sich damit zum einen verbesserte interferonbasierte Therapien, zum anderen aber auch orale interferonfreie Therapien mit höheren Heilungsraten, geringeren Nebenwirkungen und einer kürzeren Behandlungsdauer realisieren lassen können. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur
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„Ich war schon so weit, mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen, und kann verstehen, warum Cluster-Kopfschmerz Suizid-Kopfschmerz genannt wird“, beschreibt eine Cluster-Kopfschmerz-Patientin ihre extremen Kopfschmerzattacken. Mit einer Prävalenz von 0,8–0,9 ‰ ist die Häufigkeit des Cluster-Kopfschmerzes mit der Häufigkeit der Multiplen Sklerose vergleichbar. Cluster-Kopfschmerz ist zwar relativ selten, hat aber eine hohe klinische Relevanz. Obwohl die Diagnose einfach ist, wird sie meist zu spät gestellt. Migräne dagegen ist mit einer Prävalenz von 10–15 % mit Abstand die häufigste neurologische Erkrankung. Für die Therapie von Migräne und Cluster-Kopfschmerz gibt es eine Vielzahl von Medikamenten, Standardschmerzpräparate zeigen in schweren Fällen aber meist keine ausreichende Wirkung.
Wenn der Kopf zu bersten droht:
Hilfe bei schweren Migräneund Cluster-KopfschmerzAttacken wirken und bei einem größeren Anteil der Patienten zu Beschwerdefreiheit führen. Allerdings sind es gerade die Medikamente mit dem schnellsten Wirkbeginn, unter denen es am häufigsten zu einem Rebound-Effekt, d.h. einem Wiederauftreten der Beschwerden nach initialer Besserung, kommt. In diesen Fällen kann die Kombination des Triptans mit einem langwirksamen NSAR (z.B. Naproxen) von Vorteil sein.
Triptane bei chronischer Migräne
Auf OTC-Präparate wie z.B. Paracetamol, Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Kombinationspräparate sprechen ca. 70 % der Migräne-Patienten an. Die übrigen, die meist an einer chronischen Migräne leiden, bei der die Attacken bis zu 4 Tage anhalten können, benötigen jedoch Triptane für eine wirksame Therapie. Triptane wirken über eine Aktivierung des Serotonin-Rezeptors 2 B/D nur spezifisch bei Migräne und Cluster-Kopfschmerz. Die Attacken-Behandlung mit oralen Medikamenten ist allerdings aufgrund frühzeitigen Erbrechens und des langsamen Wirkeintritts für einen Teil der Patienten problematisch. Deshalb werden dann meist nasal oder subkutan zu verabreichende Triptane eingesetzt, die schneller
Sumatriptan s.c. – Mittel der Wahl bei Cluster-Kopfschmerz
Cluster-Kopfschmerz tritt mehr oder weniger gehäuft (= Cluster) auf und ist gekennzeichnet durch streng halbseitige, häufig mehrfach täglich auftretende, bis zu einer Stunde andauernde Kopfschmerzattacken. Dieser Schmerz ist oft begleitet von Laufen der Nase, Tränen des Auges, Schwitzen im Gesicht, Herabhängen des Augenlides und Bewegungsunruhe als Zeichen der Aktivierung des autonomen Nervensystems. Nach langjährigem episodischem Verlauf kann der Clusterkopfschmerz in eine chronische Form mit ganzjährigem Auftreten übergehen. Die Beeinträchtigung der Patienten ist so hoch, dass lebensmüde Gedanken auftreten können: Die Hälfte der Patienten
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leidet unter einer Depression, ein Viertel der Betroffenen ist nicht mehr zur Berufstätigkeit fähig. Cluster-Kopfschmerz-Attacken werden durch Inhalation von hochkonzentriertem Sauerstoff (8–12 l/ min über 15 Minuten) oder Gabe eines Triptans in nasaler oder subkutaner Darreichungsform wirksam behandelt. Die Gabe von Sumatriptan 6 mg s.c., wie z.B. mit dem Sumatriptan-Hormosan® Inject Fertigpen, stellt die am besten wirksame und schnellste Behandlungsmöglichkeit dar. Die kurzfristige Gabe von Kortison kann Clusterepisoden abkürzen oder beenden, die Langzeittherapie mit Kortison-Präparaten sollte aber wegen möglicher Komplikationen und Nebenwirkungen vermieden werden. Therapierefraktäre Patienten sollten frühzeitig an spezialisierte Zentren überwiesen werden, die weitergehende Therapiemöglichkeiten (z.B. neuromodulatorische Verfahren) anbieten. Brigitte Söllner, Erlangen
Quelle: Fachpressegespräch der Hormosan Pharma GmbH, Frankfurt/Main, im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses, 23.–26. Oktober 2013 in Hamburg.
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as Internetzeitalter ermöglicht neue Wege zur Vermittlung kognitiv-behavioraler Übungen und Informationen. Online-Programme können ebenso wie eine Pharmakotherapie die Behandlung von Patienten mit unipolarer Depression oder depressiver Verstimmung sinnvoll ergänzen, wie verschiedene klinische Studien bestätigen. Das CE-zertifizierte Online-Programm deprexis® hat in umfassenden Studien seine Wirksamkeit belegt [1, 2, 3]. Das Angebot online-basierter Programme bei psychischen Störungen wächst stetig. In Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Australien, den USA und Kanada sind sie weit verbreitet. In Deutschland gibt es sie bisher überwiegend in Form einfach aufbereiteter Online-Selbsthilfebücher, andere Programme sollen depressiven Menschen helfen, ihre Gefühle aufzuschreiben, andere geben Tipps für den Alltag. deprexis® – innovative OnlineStrategie gegen Depression
deprexis® basiert auf wirksamen und evidenzbasierten psychotherapeutischen Verfahren wie der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), der Akzeptanz- und CommitmentTherapie (ACT) und der positiven Psychologie, die sich inhaltlichmethodisch an den Empfehlungen der Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ orientieren. deprexis® wurde in Kooperation mit internationalen Psychiatern, Psychotherapeuten und Universitäten speziell für Menschen mit Depressionen entwickelt. Das CE-zertifizierte Medizinprodukt [4] erfüllt die Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Empfohlen wird eine 1–2-mal wöchentliche Nutzung
Neue Wege bei Depressionen: Interaktives OnlineProgramm unterstützt die Therapie für jeweils mindestens 30 Minuten. Das 12-wöchige dialogbasierte Online-Programm führt durch individuelle psychotherapeutische Übungen und zeigt leicht anzuwendende wirksame Techniken. Dabei lernen Nutzer, diese Praktiken umzusetzen, ihr Verhalten, ihr Denken und ihre Gefühle positiv zu beeinflussen. Signifikante Besserung der depressiven Symptome
In einer randomisierten Validierungsstudie wurde die Wirksamkeit
des Programms bei Patienten mit selbstberichteter Depression über 9 Wochen untersucht [1]. Die depressive Symptomatik wurde primär mit dem Beck‘schen Depressionsinventar (BDI) kontrolliert. Insgesamt wurden knapp 400 Patienten in die Studie eingeschlossen, von denen nach Randomisierung 80 % direkten Zugang zum Programm hatten und die restlichen als Vergleichsgruppe zunächst 9 Wochen auf einer Warteliste standen und danach erst das Programm anwendeten. Die Nachbeobachtungsphase ging über 6 Monate.
deprexis® deprexis® ist das erste und bisher einzige deutschsprachige interaktive Online-Programm gegen Depressionen. Es basiert auf der kognitiv-orientierten Verhaltenstherapie und umfasst 10 Themengebiete, z.B. Aktivitäten zur Depressionsbewältigung, Akzeptanz und Achtsamkeit oder Problemlösungsstrategien, die individualisiert verknüpft werden und einen individuellen dynamischen Dialog mit dem Patienten simulieren. Bezugnehmend auf die gegebenen Antworten bietet deprexis® jeweils Informationen zur Erkrankung, Übungen sowie Entspannungstechniken. Dabei wird der Nutzer in seinem eigenen Tempo durch deprexis® geführt. Außerdem versendet deprexis® E-Mails oder SMS, die den Patienten dabei unterstützen können, Inhalte der Online-Übungen im Alltag zu vertiefen. Ziel ist es, negative Denkmuster zu erkennen und neue Verhaltensweisen zu erlernen. Idealerweise ist deprexis® Bestandteil einer auf den Patienten abgestimmten Therapie durch den Psychotherapeuten und/oder einen Arzt. Weitere Informationen erhalten Sie über die Website www. deprexis.de.
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
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Warteliste, deprexis
®
Beck‘sches Depressions-Inventar II (BDI-II)
deprexis® ungestützt deprexis® gestützt
35
30
25
20
15
* p<0,009 vs. Warteliste #
0 Studienbeginn
p=0,88 vs. ungestützte Anwendung Woche 10
6 Monate (Follow-up)
Abildung 1: Wirksamkeit der webbasierten Selbsthilfe-Intervention deprexis® bei gestützter minimaler, aber wöchentlicher Unterstützung per E-Mail durch einen Therapeuten und ungestützter Anwendung im Vergleich zur Warteliste-Kontrollgruppe, die erst nach 10 Wochen Zugang zu deprexis® bekam [2].
Bei den Studienteilnehmern, die deprexis® ohne Wartezeit anwendeten, verbesserten sich die depressiven Symptome nach der Nutzung signifikant gegenüber der Wartekontrollgruppe. Der BDI sank von im Mittel 29 vor Beginn auf unter 20, nahm bis Woche 18 noch weiter ab und blieb dann über 6 Monate konstant. Ähnliche Verbesserungen zeigten sich bei der Kontrollgruppe, nachdem sie Zugang zum Programm erhielt. deprexis® wurde von 80 % der Teilnehmer als nützlich und hilfreich bewertet. Ein weiterer randomisierter kontrollierter Vergleich bei ungestützter (n=25) vs. gestützter Anwendung (n=25) bzw. einer Wartekontrollgruppe (n=26) bei insgesamt 76 Patienten mit Major Depression oder Dysthymie gemäß DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) über 10 Wochen ergab für beide Patientengruppen eine signifikante und anhaltende Verbesserung der
depressiven Symptomatik im Vergleich zur Kontrollgruppe – hier gemessen mit dem BDI-II [2]. Die Effekte waren über mindestens 6 Monate anhaltend (Abb. 1). In die Wirksamkeitsanalyse gingen auch die Verbesserung interpersoneller Probleme anhand des Inventory of Interpersonal Problems (IPP) und die Veränderung der Lebensqualität, gemessen mit dem von der WHO entwickelten Quality-ofLife-Kurzfragebogen (WHOQoLBREF), mit ein. Die Anwender, die auf der Warteliste standen, zeigten hingegen in der Wartezeit keine wesentlichen Fortschritte, wohl aber danach, als sie Zugang zum Programm hatten. Die Erfolge der durch deprexis® vermittelten Übungen und Techniken blieben bei allen 3 untersuchten Gruppen über den Nachbeobachtungszeitraum von 6 Monaten erhalten. Die Teilnehmer dieser Studie waren mit deprexis® überwiegend sehr zufrieden oder zufrieden.
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Eine dritte kontrollierte Studie zeigte die Wirksamkeit des Online-Programms bei Depressionen aller Schweregrade [3]. Patienten mit Depression bekamen bei Fortführung einer ggf. bestehenden Psycho- und Pharmakotherapie sofortigen Zugang zum Programm für 8 Wochen (n=105) oder kamen für den gleichen Zeitraum auf eine Warteliste (n=105). Der sofortige Zugang zur Online-Anwendung besserte bei allen Schweregraden einer Depression die Symptomatik (BDI) signifikant, wobei der Nutzen nach 8 Wochen bei mittelschwerer Erkrankung (BDI 19-29) mit einer Effektstärke des Gruppenunterschieds (Cohen’s D) von 0,70 am stärksten ausgeprägt war. Ebenfalls signifikant verbessert wurden dadurch depressive Denkverzerrungen, Selbstwertgefühl und die Lebensqualität als sekundäre Wirkparameter. Patienten ohne Psychotherapie profitierten hier im Vergleich zu entsprechenden Kontrollen am deutlichsten. Insgesamt wurde die Zufriedenheit mit dem Programm und dessen Verständlichkeit meist als gut bis sehr gut bewertet. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Meyer B et al. Effectiveness of a novel integrative online treatment for depression (deprexis): randomized controlled trial. J Med Internet Res 2009;11:e15 2 Berger T et al. Internet-based treatment of depression: a randomized controlled trial comparing guided with unguided self-help. Cogn Behav Ther 2011;40:251-266 3 Moritz S et al. A randomized controlled trial of internet-based therapy in depression. Behav Res Ther 2012;50:513-521 4 CE-Kennzeichnung gemäß Anhang I der Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
B
ei einer Epilepsie ist das Gehirn durch eine andauernde Prädisposition gekennzeichnet, epileptische Anfälle zu generieren. Die heterogene Ätiologie der erhöhten Epileptogenität reicht von der genetisch bedingten Veränderung z.B. an Ionenkanälen- oder Transmitterrezeptoren über verschiedene Stoffwechseldefekte bis hin zu strukturellen Hirnschäden, kann aber auch unklar bleiben. Bei einer Prävalenz von 0,5–1 % in der allgemeinen Bevölkerung leben europaweit etwa 900.000 Kinder und Jugendliche mit aktiver Epilepsie, davon etwa 60.000 allein in Deutschland und Österreich [1]. Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter: Die Inzidenz der Epilepsien erreicht im Kindesalter das erste altersabhängige Maximum, während das zweite nach dem 60. Lebensjahr beobachtet wird. Am häufigsten manifestieren sich Epilepsien im Kindes- und Jugendalter als fokale Anfälle [2]. Entwicklung und Lebensqualität von jungen Epilepsiepatienten fördern
Für die Mehrheit der EpilepsiePatienten basiert die Erstbehandlung auf einer antikonvulsiven Pharmakotherapie [3]. Bei der Therapiewahl übernehmen die behandelnden Ärzte eine hohe Verantwortung für die jungen Patienten. Denn neben den möglichen psychosozialen Folgen, die eine epileptische Erkrankung für den Patienten und seine Angehörigen mit sich bringen kann, muss auch die Langzeitanwendung des Antiepileptikums berücksichtigt werden, die von mehr als der Hälfte der Patienten benötigt wird. Hier-
Epilepsie: Neue Optionen für ein individuelles Therapiemanagement im Kindes- und Jugendalter
bei lassen sich durch eine langfristig vorausschauende Therapiewahl Langzeittoxizitäten sowie Interaktionsrisiken mit anderen Medikamenten, darunter auch andere Antiepileptika, minimieren und die Lebensqualität verbessern. Darunter fallen auch Aspekte der Entwicklung, Kognition und des Verhaltens, da sich vor allem Kinder und Jugendliche mit Epilepsie in einer vulnerablen Entwicklungsphase befinden, die sie anfällig für Lernstörungen und Verhaltensprobleme macht. Diese können mit Hyperaktivität, Aggressionen, autistischen Zügen, Depressionen sowie geringem Selbstvertrauen einhergehen und sowohl die Leistung in Schule und Ausbildung als auch die psychosoziale Entwicklung beeinträchtigen. Individuelle Pharmakotherapie erhöht Chance auf Anfallsfreiheit
Die Wahrscheinlichkeit, unter einem der verfügbaren Antiepileptika eine adäquate Anfallskontrolle zu erreichen, liegt sowohl mit den älteren, konventionellen als auch modernen Substanzen bei etwa 70 %. Die übrigen Patienten sind dringend auf neue Therapieoptionen angewiesen, da die Chancen
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für den jungen Patienten, anfallsfrei zu werden, ab einer Kombination von 2 Antiepileptika deutlich sinken. Neuere Studien zeigen allerdings auch, dass selbst bei der sogenannten Pharmakoresistenz, d.h. wenn nach einer adäquat durchgeführten Therapie mit 2 Antiepileptika sowie in Mono- oder Kombinationstherapie keine anhaltende Anfallskontrolle erreicht wurde, eine statistische Chance von 10–15 % verbleibt, unter einem weiteren (modernen) Antiepileptikum doch noch anfallsfrei zu werden [3]. Da die Patienten die Medikation interindividuell unterschiedlich tolerieren, würde ein breiteres Spektrum an Therapieoptionen die Chancen erhöhen, diejenige Therapie mit dem bestmöglichen Nutzen-Risiko-Profil für den einzelnen Patienten auszuwählen bzw. herauszufinden. Wie für viele andere Krankheiten im Kindes- und Jugendalter ist bislang nur ein kleinerer Teil der für die Erwachsenentherapie zugelassenen Antiepileptika hinreichend für die Anwendung in der Neuropädiatrie untersucht und zugelassen. Vor diesem Hintergrund ist die im Oktober 2013 erteilte erweiterte Zulassung für die Zusatztherapie mit Zonisamid (Zonegran®) bei Patienten mit fokalen © VERLAG PERFUSION GMBH
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
Zonisamid zeigt auch bei Kindern günstiges Nutzen-Risiko-Profil
Die pädiatrische Zulassungserweiterung für Zonisamid basierte auf der doppelblinden, randomisierten, multizentrischen, placebokontrollierten Phase-III-Studie CATZ (Children’s Add-on Therapy with Zonisamide), in der Zonisamid bei 207 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6–17 Jahren hinsichtlich Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit evaluiert wurde [5]. Die Patienten, die gleichzeitig bereits 1 oder 2 Antikonvulsiva als Basismedikation erhielten (Tab. 1), wurden auf die Behandlung mit Zonisamid oder Placebo randomisiert. Zonisamid wurde anfänglich mit 1 mg/kg/Tag verabreicht und danach bis zu einer Zieldosis von 8 mg/kg/Tag über 8 Wochen erhöht (eine Dosisreduktion war erlaubt) und dann für 12 Wochen beibehalten. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt der Studie war das Verhältnis von Respondern (Patienten mit einer Reduktion um mehr als 50 % im Vergleich zum Ausgangswert) während des 12-wöchigen Beobachtungszeitraums. Die Responder-Rate betrug 50 % für Zonisamid gegenüber 31 % für Placebo (p=0,0044) (Abb. 1). Die Gesamtinzidenz von während der Behandlung aufgetretenen unerwünschten Ereignissen (TEAEs, treatment-emergent adverse events) war für Zonisamid (55,1 %) und Placebo ähnlich (50,0 %) (Tab. 2), mit geringen Raten schwerwiegender TEAEs in beiden Armen der Studie (3,7 % Zonisamid vs. 2,0 % Placebo) und TEAEs, die zum Absetzen führten (0,9 % vs. 3,0 %) [5].
Placebo
Zonisamid
Anzahl Patienten gesamt, n
100
107
Diagnose Epilepsie seit (Monate) – Mittel (SD) – Median
64,2 (44,6) 54,7
67,4 (46,7) 52,4
Anzahl Antiepileptika – 0* –1 –2
1 (1,0 %) 39 (39,0 %) 60 (60,0 %)
0 44 (41,1 %) 63 (58,9 %)
Baseline Anfallsfrequenz – Median (Spanne) – Mittel (SD)
10,0 (4–882) 43,8 (126,4)
10,5 (4–261) 32,9 (50,3)
* Ein Patient wurde am Tag 8 nach Randomisierung auf ein gleichzeitig angewendetes AED eingestellt Tabelle 1: Baseline-Charakteristika der in die CATZ-Studie einbezogenen Kinder und Jugendlichen. Die Angaben sind auf die Sicherheitspopulation bezogen [5].
60
p=0,0044
50 Responder (%)
Anfällen mit oder ohne sekundärer Generalisierung ab 6 Jahren zu begrüßen [4].
50%
40 30
31%
20 10 0
Placebo n=100
Zonisamid n=107
Abbildung 1: Responderrate in der Erhaltungsphase (ITT-Population) [5]. Placebo (n=100) Kopfschmerz Verminderter Appetit Nasopharyngitis Gewichtsabnahme Somnolenz Virusinfekt der oberen Atemwege Pharyngitis Erbrechen Durchfall Oberbauchschmerz Übelkeit Bauchschmerz Fieber Müdigkeit
7 (7,0 %) 4 (4,0 %) 9 (9,0 %) 3 (3,0 %) 2 (2,0 %) 3 (3,0 %) 3 (3,0 %) 2 (2,0 %) 1 (1,0 %) 6 (6,0 %) 4 (4,0 %) 3 (3,0 %) 3 (3,0 %) 3 (3,0 %)
Zonisamid (n=107) 7 (6,5 %) 7 (6,5 %) 6 (5,6 %) 5 (4,7 %) 5 (4,7 %) 4 (3,7 %) 4 (3,7 %) 4 (3,7 %) 4 (3,7 %) 2 (1,9 %) 2 (1,9 %) 2 (1,9 %) 2 (1,9 %) 0 (0,0 %)
Tabelle 2: Inzidenz während der Behandlung mit Zonisamid bzw. Placebo aufgetretener unerwünschter Ereignisse (≥3 %) [5].
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Zonisamid ist mit keinem anderen Antiepileptikum chemisch verwandt und bietet neben multiplen Wirkmechanismen auch den Vorteil der langjährigen klinischen Erfahrung mit der Substanz. In Japan ist Zonisamid bereits seit 1989 zugelassen, in Europa liegt neben der Zulassung für die Zusatztherapie bei fokalen Anfällen mit oder ohne Generalisierung seit Juli 2012 ebenfalls die Zulassung für die Monotherapie zur Behandlung fokaler Anfälle mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Erwachsenen mit neu diagnostizierter fokaler Epilepsie vor [4]. Zonisamid ist eines von nur 4 verfügbaren Antikonvulsiva, für die in der initialen Monotherapie fokaler Anfälle zur Wirksamkeit Evidenz der Stufe A vorliegt [6]. Patienten mit Lennox-Gastaut-Syndrom
Bei mehr als 10 % der Fälle von kindlicher Pharmakoresistenz liegt ein Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) vor, das zu den am schwersten behandelbaren Epilepsien zählt [7]. Das LGS ist nicht nur ausgesprochen therapierefraktär, sondern verläuft in neurologischer und kognitiver Hinsicht progredient. Daher steht beim LGS-Patienten in erster Linie die Verbesserung
der Lebensqualität im Vordergrund der Therapiebemühungen, wie sie z.B. durch die Reduktion von Sturzanfällen erreicht werden kann. Mit dem Orphan-DrugStatus für die Zusatztherapie des LGS ab dem Alter von 4 Jahren wurde Rufinamid (Inovelon®) als erstem Antiepileptikum ein besonderer Zulassungsstatus zuerkannt (Orphan-Drug-Arzneimittel sind in der EU bei schwerwiegenden, seltenen Erkrankungen indiziert, die höchstens bei 5 von 10.000 Personen auftreten). Rufinamid ist ein Triazol, das die Aktivität von Natriumkanälen moduliert und den inaktiven Zustand verlängern kann. Die Wirksamkeit hinsichtlich einer Reduktion der Sturzanfälle wurde unter anderem in der zulassungsrelevanten, 12-wöchigen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie gezeigt und durch Daten der offenen Verlängerungsstudien untermauert [8, 9]. LGS-Patienten im Alter von 4–30 Jahren erreichten unter der Zusatztherapie mit Rufinamid eine signifikante Verringerung der Sturzanfallfrequenz (42,5 % mediane Reduktion unter Rufinamid vs. 1,4 % Zunahme unter Placebo; p<0,0001). Im offenen Langzeitverlauf zeigte nahezu die Hälfte der Patienten (47,9 %) ein Therapieansprechen auf Rufinamid in den letzten 12 Monaten (Reduk-
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tion der Sturzanfallrate um ≥50 %), wobei etwa ein Drittel (30,8 %) der Patienten eine reduzierte Anfallshäufigkeit um ≥75 %erreichte. 8 Patienten (6,8 %) wurden sogar anfallsfrei [9]. Seit März 2012 ist Rufinamid nicht nur in Tablettenform, sondern auch als orale Suspension verfügbar. Die Suspension ist zur Zusatztherapie von Anfällen bei LGS ab 4 Jahren zugelassen. Sie bietet als alternative Einnahmeform auch den Vorteil, durch kleinere Schritte bei der Titration für jeden pädiatrischen Patienten die optimale Dosis zu finden. Elisabeth Wilhelmi, München
Literatur 1 Freitag CM et al. Epilepsia 2001;42:979985 2 Bergin AM. Expert Opin Pharmacother 2003;4:421-431 3 Elger CE et al. Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter. In: Diener HC et al. (Hrsg.). Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Stuttgart; Thieme; 2012 4 Zonegran® Fachinformation; Stand: Oktober 2013 5 Guerrini R et al. Epilepsia 2013;54:14731480 6 Glauser T. et al. Epilepsia 2013;54:551563 7 French JA et al. Epilepsia 2007;48:3-7 8 Glauser T et al. Neurology 2008;70:19501958 9 Kluger G et al. Acta Neurol Scand 2010; 122:202-208
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
Vortioxetin – ein neuer Ansatz in der Behandlung der Major Depression bei Erwachsenen
A
m 27.12.2013 hat Lundbeck die Europäische Marktzulassung für Vortioxetin (Brintellix®) zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen erhalten. Die Zulassung basiert auf der positiven Bewertung eines umfangreichen klinischen Studienpakets und folgt damit der erfolgreichen Zulassung der FDA im September 2013. Signifikante Verbesserung der depressiven Symptomatik
Vortioxetin wurde in einem umfangreichen globalen Studienprogramm an mehr als 7.000 Patienten untersucht. In 12 placebokontrollierten Kurzzeitstudien (6–8 Wochen) wurden fast 4.000 Patienten mit einer akuten Episode einer Major Depression mit Vortioxetin behandelt. In 9 dieser 12 Studien konnte sich Vortioxetin statistisch signifikant im Vergleich zu Placebo abgrenzen. Die Symptome der Depression wurden mittels der Montgomery-Åsberg Depression Skala (MADRS) oder der Hamilton-Depressions-Skala (HAM-D24) bewertet. Zusätzlich wurden signifikante Effekte hinsichtlich Response
und Remissionsraten erzielt sowie eine Verbesserung des klinischen Gesamteindrucks (Clinical Global Impression – Global Improvement Score, CGI) beobachtet. In einer 24–64-wöchigen Rückfallpräventionsstudie konnte zudem der Langzeiteffekt von Vortioxetin gezeigt werden: Die Behandlung mit Vortioxetin führte im Vergleich zu Placebo zu einer statistisch signifikanten längeren krankheitsfreien Zeit und reduziert das Risiko eines Rezidivs um die Hälfte. Komplexer Wirkmechanismus
Der einzigartige Wirkmechanismus von Vortioxetin vereint zwei komplementäre pharmakologische Wirkweisen: die Inhibition des Serotonin-(5-HT-)Transporters und die direkte Modulation der komplexen serotonergen Rezeptoraktivität. Präklinische Daten weisen darauf hin, dass Vortioxetin antagonistisch an den 5-HT3-, 5-HT7-, und 5-HT1DRezeptoren, partiell agonistisch am 5-HT1B-Rezeptor, agonistisch am 5-HT1A-Rezeptor wirkt und Inhibitor des 5-HT-Transporters ist. Präklinische Studien haben zudem in vivo gezeigt, dass Vortioxetin
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die neuronale Feuerungsrate und Neurotransmitterfreisetzung in verschiedenen wichtigen Systemen moduliert, was zu erhöhten Spiegeln von Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, Acetylcholin und Histamin sowie zu einer Reduktion von GABA und zu einer Erhöhung von Glutamat in spezifischen Gehirn arealen führt. Dieses multimodale pharmakologische Profil von Vortioxetin wird für die antidepressiven Effekte und die Hinweise zur Verbesserung der kognitiven Leistung im Rahmen der depressiven Episode, dem Lernen und Erinnern, verantwortlich gemacht. Markteinführung im 2. Halbjahr 2014
Die Zulassung von Brintellix® ist in allen 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie in Island, Lichtenstein und Norwegen rechtskräftig. Die Markteinführung von Brintellix® in den ersten Ländern wird aufgrund der laufenden Diskussion um Erstattungsund Preisfestsetzung im zweiten Halbjahr von 2014 erwartet. Fabian Sandner, Nürnberg
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL
Schmerztherapie im Alter: 7-Tage-Schmerzpflaster vereint Vorteile von Buprenorphin und Nutzen der transdermalen Applikation
S
chmerzen wirksam und sicher zu therapieren, ist besonders bei betagten und hochbetagten Patienten oberste Priorität, reagiert doch gerade diese Patientengruppe häufig empfindlicher auf Arzneimittel als jüngere Erwachsene. Im Alter unterscheiden sich Verteilung, Metabolisierung und Ausscheidung von Analgetika im Vergleich zu jüngeren Schmerzpatienten deutlich. Dafür verantwortlich sind neben einem höheren Körperfettanteil und verringertem Körperwasser unter anderem auch eine zunehmend eingeschränkte Nierenfunktion, die eine suffiziente Schmerztherapie komplizieren kann. Zudem können auch kognitive oder körperliche Einschränkungen, Multimorbidität oder eine hohe Tablettenlast die Therapie bzw. Compliance erschweren. In diesen Fällen bietet sich eine transdermale Schmerztherapie an. Das 7-Tage-Pflaster Norspan® vereint die Vorteile eines transdermalen therapeutischen Systems mit den Substanzvorteilen seines Wirkstoffs Buprenorphin: Gleichmäßige Analgesie, lange Wirkdauer und eine reduzierte Tablettenlast sorgen für einen effektiven und sicheren Einsatz auch im fortgeschrittenen Alter.
Transdermale Schmerztherapie bietet ein Plus für ältere Schmerzpatienten
Betagte und hochbetagte Schmerzpatienten stellen ein sehr unterschiedliches, multimorbides Patientenklientel dar. Häufig sind neben den körperlichen Einschränkungen der Verlust der kognitiven, sozialen und alltagspraktischen Fähigkeiten eine große Herausforderung. Darüber hinaus können Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens im Alter die richtige Anwendung der Präparate beeinträchtigen und die Compliance verschlechtern. Gerade in dieser Patientengruppe kann es wichtig sein, ein Analgetikum auch transdermal applizieren zu können. Nach einer in Deutschland durchgeführten Untersuchung nehmen ältere Schmerzpatienten täglich durchschnittlich 7 verschiedene Medikamente ein, wobei die Anzahl im Einzelfall deutlich höher liegen kann [1]. Eine transdermale Schmerztherapie kann dazu beitragen, die Tablettenlast zu reduzieren und die Compliance zu erhöhen. Die einfache Handhabung des Pflasters erleichtert die Anwen-
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dung für pflegende Angehörige und Pflegekräfte und hilft Anwendungsfehler zu vermeiden und damit die Therapiesicherheit zu erhöhen. Gute Compliance ist erfahrungsgemäß eine wichtige Voraussetzung für eine gleichmäßige und erfolgreiche Analgesie. Plasmaspiegelschwankungen, Schmerzchronifizierungsprozesse und Toleranzentwicklungen als Folge einer unregelmäßigen Einnahme können so vermieden werden – Aspekte, die auch in Bezug auf eine wirtschaftliche Verordnung bedeutsam sind. Transdermale Applikationssysteme sind ein Garant für eine gleichmäßige Analgesie und eine lange Wirkdauer. Die maximalen Plasmakonzentrationen werden langsam erreicht und sorgen damit für eine lang anhaltende Wirkdauer, gleichbleibende Wirkstoffkonzentrationen und vergleichsweise gute Verträglichkeitsprofile. Ein weiterer Vorteil ist die Resorption des Wirkstoffs über die Haut, denn so wird der First-Pass-Effekt umgangen [2]. Auch für Patienten mit Schluckbeschwerden oder Verlegung des Oropharyngealtraktes stellen transdermale Systeme eine therapeutische Option dar. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Opioid Morphin Oxycodon Hydromorphon Fentanyl Buprenorphin
Bei eingeschränkter Nierenfunktion
Empfehlung
Anstieg der aktiven Metaboliten M3G und M6G Reduzierte Clearance von Oxycodon und seinen Metaboliten
Veränderungen der Clearance beschrieben Abnehmende renale Clearance bei älteren Patienten Keine klinisch relevante Veränderung
Dosisreduktion Dosisreduktion Möglicherweise niedrigere Dosierungen benötigt Dosisreduktion Keine Dosisanpassung nötig
Tabelle 1: Opioide bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion [7]. M3G = Morphin3-Glucuronid; M6G = Morphin-6-Glucuronid.
Abbildung 1: Auswahlkriterien für eine Opioidtherapie beim chronischen Schmerzpatienten.
Buprenorphin – die Substanz macht den Unterschied
Multimorbide ältere Patienten mit chronischen Opioid-sensiblen Schmerzen profitieren vom Einsatz des Buprenorphin-haltigen 7-Tage-Schmerzpflasters in mehrfacher Hinsicht. Buprenorphin ist nicht nur ein sehr effektives Analgetikum, es führt auch bei einer altersbedingt eingeschränkten Nierenfunktion nicht zu einer unerwünschten Substanzkumula tion [3]. Buprenorphin wird primär über die Leber metabolisiert und hauptsächlich mit dem Stuhl eliminiert [2]. Während beispielsweise
bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion unter Fentanyl eine Dosisanpassung erforderlich ist, kann Buprenorphin ohne Dosisanpassung eingesetzt werden (Tab. 1) [2, 4, 5]. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Dialysepflicht gilt Buprenorphin als eines der sichersten Opioide. Ein weiteres Plus: Buprenorphin bindet zu 96 % an α- und β-Globuline [2]. Es konkurriert daher nicht mit Arzneistoffen wie Furosemid, Simvastatin oder Acetylsalicylsäure, die bei altersbedingten Begleiterkrankungen häufig eingesetzt werden, um die Bindung an das Plasmaprotein
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Albumin wie verschiedene andere Opioide. Auch die Dosisstabilität ist vergleichsweise hoch. So konnte in einer retrospektiven Untersuchung zur Dosisentwicklung von Buprenorphin und Fentanyl gezeigt werden, dass die Zunahme der Dosis im Beobachtungszeitraum bei Patienten mit nicht tumorbedingten Schmerzen in der Fentanyl-Gruppe statistisch signifikant stärker ausgeprägt war als in der Buprenorphin-Gruppe [6]. Die abnehmende Funktion des zentralen Nervensystems kann im Alter Schwindel, Gang- und Standunsicherheit hervorrufen – Symptome, die durch den Einsatz von Opioiden verstärkt werden können. Auch der ZNS-Verträglichkeit von Opioiden kommt deshalb eine große Bedeutung zu. Während eine Vielzahl von Opioiden zu ZNSUnverträglichkeiten führen, verfügt transdermales Buprenorphin über eine vergleichsweise günstige ZNS-Verträglichkeit [3, 8, 9]. Eine Eigenschaft, die für die Sturzprävention bei betagten und hochbetagten Patienten von Vorteil ist. Darüber hinaus zeigt Buprenorphin den gewünschten CeilingEffekt auf die Atemdepression, nicht jedoch auf die Analgesie. Eine Studie, die die Sicherheit von Buprenorphin und Fentanyl untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Atemdepression zu entwickeln, unter Fentanyl deutlich höher ist als unter Buprenophin [10]. Fazit
Der Wirkstoff Buprenorphin ist im Vergleich zu anderen Stufe-IIIOpioiden gerade für betagte und hochbetagte Schmerzpatienten ein Gewinn (Abb. 1). Die Substanz © VERLAG PERFUSION GMBH
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kann wegen der Elimination über die Leber bei eingeschränkter Nierenfunktion ohne Dosisanpassung und auch bei Dialyse-Patienten eingesetzt werden [6]. Die ZNSVerträglichkeit ist vergleichsweise gut, die Toleranzentwicklung gering, ebenso das Interaktionspotenzial durch Bindung der Substanz im Plasma an Globuline. Die Vorzüge der 7-Tage-Applikation in Kombination mit den Vorteilen des Wirkstoffs Buprenorphin machen Norspan® zu einem zentralen Bestandteil der Therapie betagter und hochbetagter Schmerzpatienten. Da der Preis für Norspan® zum 1. Februar 2014 auf das Festbetragsniveau gesenkt wird, stellt es auch eine interessante wirtschaftliche Alternative dar. Elisabeth Wilhelmi, München
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TNF-α-Inhibitor Golimumab – eine neue Option für Patienten mit Colitis ulcerosa
S
eit Kurzem ist Golimumab, ein in der Rheumatherapie etablierter subkutan verabreichbarer TNF-α-Inhibitor, auch für erwachsene Patienten mit Colitis ulcerosa zugelassen, bei denen eine vorherige konventionelle Therapie einschließlich Kortiko steroiden und 6-Mercaptopurin (6-MP) oder Azathioprin (AZA) nicht ausreichend wirksam war, nicht vertragen wurde oder kontraindiziert ist. Golimumab kann auch vom Patienten selbst subkutan injiziert werden, wenn der Arzt dies für angemessen hält. Zur Induktion werden initial 200 mg und nach 2 Wochen 100 mg verabreicht, danach je nach Körpergewicht entweder 50 mg (<80 kg) oder 100 mg
(≥80 kg) alle 4 Wochen [1]. Grundlage für die Zulassung waren die Ergebnisse der Phase-II/III-Studie PURSUIT [2, 3]. Hohe Wirksamkeit bei Induktion und Erhaltung
Das Studienkollektiv umfasste erwachsene Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa, die zuvor auf eine Therapie mit Kortikosteroiden, Immunsuppressiva und/oder 5-ASA nicht ausreichend angesprochen bzw. diese nicht vertragen hatten oder die steroidabhängig waren. In der Induktionstherapiestudie [2] sprachen nach 6 Wochen (primä-
PURSUIT-Induction
Literatur 1 Basler HD et al. Schmerz 2003;17:252-260 2 Likar R. Ther Clin Risk Manag 2006; 2:115-125 3 Fachinformation Durogesic® SMAT, Stand Januar 2013 4 Fachinformation Norspan®, Stand März 2009 5 Tegeder I et al. Schmerz 1999;13:183-195 6 Sittl R et al. Clin Ther 2005;27:1022-1051 7 Pergolizzi J et al. Pain Practice 2008;8: 223-336 8 Johnson J. Pain Symptom Manage 2005; 29:297-326 9 Davis MP. J Support Oncol 2012;10:209219 10 Dahan A et al. Br J Anaesth 2005;94:825834
Patienten mit klinischem Ansprechen in Woche 6 Patienten in klinischer Remission in Woche 6 Patienten mit Mukosaheilung in Woche 6
Placebo (n=251) 30 %
Simponi 200/100 mg (n=253) 51 %
6 %
18 %
29 %
42 %
PURSUIT-Maintenance
Anhaltendes Ansprechen (Patienten mit klinischem Ansprechen bis Woche 54) Anhaltende Remission (Patienten in klinischer Remission sowohl in Woche 30 als auch in Woche 54
Placebo (n=154) 31 % 16 %
Simponi 50 mg (n=151) 47 % 23 %
Simponi 100 mg (n=151) 50 % 28 %
Tabelle 1: Die wichtigsten Ergebnisse der Studien PURSUIT-Induction und PURSUIT-Maintenance zur Wirksamkeit von Golimumab bei Colitis ulcerosa [2, 4].
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Bekanntes Sicherheitsprofil
Golimumab Golimumab (Simponi®) ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der sowohl mit den löslichen als auch mit den membranständigen bioaktiven Formen von humanem TNF-α hochaffine, stabile Komplexe bildet und so die Bindung von TNF-α an die entsprechenden Rezeptoren verhindert. Die Bindung von humanem TNF durch Golimumab neutralisiert nachweislich die TNF-α-induzierte Zelloberflächenexpression der Adhäsionsmoleküle E-Selektin, vaskuläres Zelladhäsionsmolekül (VCAM)-1 und interzelluläres Zelladhäsionsmolekül (ICAM)-1 durch humane Endothelzellen.
Simponi® wird als Injektionslösung in einem vorgefüllten Injektor zum Einmalgebrauch zur Verfügung gestellt. Eine 0,5-ml-Fertigspritze enthält 50 mg Golimumab, die 1-ml- Fertigspritze enthält 100 mg Golimumab.
rer Endpunkt) 51 % der Patienten unter der jetzt zugelassenen Dosierung (200 mg zu Woche 0 und 100 mg zu Woche 2) auf die Golimumab-Therapie an (n=253), aber nur 30 % im Placebo-Arm (n=251, p≤0,001). Die Raten für die klinische Remission und die Mukosaheilung betrugen 18 versus 6 % und 42 versus 29 % (p gegenüber Placebo jeweils ≤0,001) (Tab. 1). In der Erhaltungstherapiestudie [3] erhielten Patienten, die auf die Induktionstherapie gut angesprochen hatten, alle 4 Wochen entweder 50 oder 100 mg Golimumab (n jeweils 151) oder Placebo (n=154). Gleichzeitig wurde die Begleitmedikation mit Steroiden ausgeschlichen. Obwohl Golimumab unter strengen Kriterien geprüft wurde, zeigten 47 % (50-mg-Arm) bzw. 50 % (100-mg-Arm) der Patienten bis Woche 54 einen Erhalt des klinischen Ansprechens (primärer
Endpunkt), unter Placebo dagegen nur 31 % (p≤0,01 bzw. p≤0,001). Der Anteil der Patienten mit einer Mukosaheilung in den Wochen 30 und 54 betrug unter Verum jeweils 42 % gegenüber 27 % unter Placebo (p<0,05 in der 50-mg-Gruppe bzw. <0,005 in der 100-mgGruppe). Zudem erreichten im Arm mit 100 mg Golimumab signifikant mehr Patienten eine anhaltende klinische Remission (28 vs. 16 %, p≤0,01) (Tab. 1). Zu Woche 6 verbesserte sich unter Simponi die Lebensqualität signifikant, erfasst mittels der Veränderung gegenüber dem Ausgangswert in einem krankheitsspezifischen Fragebogen (IBDQ, inflammatory bowel disease questionnaire). Bei den Patienten, die eine Erhaltungstherapie mit Golimumab erhielten, blieb die mittels IBDQ erfasste verbesserte Lebensqualität bis zur Woche 54 erhalten [2, 3].
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Das Sicherheitsprofil von Golimumab war dem in den bereits zugelassenen rheumatischen Indikationen vergleichbar. In den kontrollierten Phasen der Zulassungsstudien zur rheumatoiden Arthritis, zur Psoriasis-Arthritis, zur Ankylosierenden Spondylitis und zur Colitis ulcerosa war eine Infektion der oberen Atemwege die am häufigsten beschriebene unerwünschte Arzneimittelwirkung (13 % bei mit Golimumab behandelten Patienten, 11 % bei Patienten in den Kontrollgruppen). Zu den schwerwiegendsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Golimumab gehören z.B. schwerwiegende Infektionen einschließlich Sepsis, Pneumonie, Tuberkulose, invasive Pilzinfektionen und opportunistische Infektionen [1]. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Fachinformation SIMPONI®, Stand September 2013 2 Sandborn WJ, Feagan BG, Marano C et al., PURSUIT-SC Study Group. Subcutaneous golimumab induces clinical response and remission in patients with moderate-to-severe ulcerative colitis. Gastroenterology 2014;146:85-95 3 Sandborn WJ, Feagan BG, Marano C et al., PURSUIT-Maintenance Study Group. Subcutaneous golimumab maintains clinical response in patients with moderate-tosevere ulcerative colitis. Gastroenterology 2014;146:96-109
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S
eit November 2013 ist Trastuzumab Emtansin (T-DM1; Kadcyla®) für die SecondLine-Therapie des HER2-positiven metastasierten Mammakarzinoms zugelassen [1]. Als Vertreter einer neuen Generation personalisierter Krebsmedikamente steht das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat T-DM1 für eine vollkommen neuartige Strategie in der Brustkrebsbehandlung. Erstmals ist es mit der Entwicklung von T-DM1 gelungen, die bewährte Aktivität des zielgerichteten monoklonalen Antikörpers Trastuzumab (T) mit einem hochwirksamen Zytostatikum (DM1) zu einem neuen, kombinierten Wirkmechanismus zu verbinden. Bereits vorbehandelten Patientinnen bietet diese innovative Behandlungsstrategie die Aussicht auf ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben – und das bei äußerst guter Verträglichkeit [2]. Kombinierter Ansatz gegen den Tumor
Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat T-DM1 setzt sich aus dem Antikörper Trastuzumab und dem Spindelgift DM1 zusammen (Abb. 1). Die Antikörper-Komponente bindet selektiv an die extrazelluläre Domäne des HER2-Rezeptors und blockiert dadurch intrazelluläre Signalwege, die die Proliferation und das Überleben von Tumorzellen vermitteln. Gleichzeitig markiert Trastuzumab die HER2positiven Tumorzellen für die Zerstörung durch das körpereigene Immunsystem. Die zweite Komponente des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats, das hochpotente Zytotoxin DM1, weist vergleichen mit Paclitaxel eine bis zu 500-fach, gegenüber Docetaxel sogar eine bis zu 4.000-fach er-
T-DM1 – ein innovatives Wirkprinzip beim HER2positiven metastasierten Mammakarzinom höhte zytotoxische Aktivität. Das Spindelgift aus der Gruppe der Maytansinoide hemmt die Mitose und induziert die Apoptose der Tumorzelle. Die Besonderheit an T-DM1 ist der der systemisch stabile Linker, der beide Komponenten miteinander verbindet (Abb. 1) und gewährleistet, dass DM1 im Blutkreislauf inaktiv bleibt. Nach Bindung an den HER2-Rezeptor erfolgt die Internalisierung des T-DM1-RezeptorKomplexes in die Tumorzelle und im Zellinneren dann die lysosomale Spaltung des Antikörper-WirkstoffKonjugats [3]. Aufgrund dieses speziellen Wirkmechanismus wird DM1 erst dort freigesetzt, wo es wirken soll – im Inneren der HER2positiven Tumorzelle (Abb. 2). Zulassungsstudie EMILIA: signifikanter Überlebensvorteil mit T-DM1
Die Wirksamkeit und Sicherheit von T-DM1 wurde in der zulassungsrelevanten Studie EMILIA im Vergleich zur Kombination Capecitabin (Xeloda®) plus Lapatinib untersucht [2]. An der randomisierten Phase-III-Studie nahmen 991 Patientinnen mit HER2-positivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom teil, deren Erkrankung unter Be-
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handlung mit Trastuzumab und einem Taxan fortgeschritten war. Hinsichtlich aller Wirksamkeitsendpunkte war T-DM1 der Kombination Capecitabin plus Lapatinib signifikant überlegen. So verbesserte T-DM1 die objektive Ansprechrate (ORR) bei Patientinnen von 30,8 auf 43,6 % (p<0,001). Auch das progressionsfreie Überleben (PFS) war unter T-DM1 signifikant verlängert (9,6 vs. 6,4 Monate; HR=0,65; p<0,001). In Einklang damit steht die signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS): Patientinnen, die T-DM1 anstelle der Kombinationstherapie erhielten, lebten im Median fast ein halbes Jahr länger (30,9 vs. 25,1 Monate; HR=0,68; p=0,0006) (Abb. 3). Bestätigt wird die hohe Wirksamkeit von T-DM1 durch erste Ergebnisse der randomisierten PhaseIII-Studie TH3RESA [4]: Auch bei Patientinnen mit mindestens 2 Vor therapien gegen die metastasierte Erkrankung war T-DM1 den mehrheitlich anti-HER2-basierten Vergleichstherapien hinsichtlich der ORR (31,3 vs. 8,6 %; p<0,0001) und des PFS (6,2 vs. 3,3 Monate; HR=0,528; p<0,001) signifikant überlegen. Aktuell zeichnet sich bereits ab, dass auch bezüglich des Gesamtüberlebens ein Vorteil durch die Behandlung mit T-DM1 zu erwarten ist [4]. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Mehr Lebensqualität durch bessere Verträglichkeit
Abbildung 1: Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat T-DM1 vereint die bewährte Antitumoraktivität von Trastuzumab mit der Zytotoxizität des hochpotenten Spindelgifts DM1.
Gesamtüberleben
Abbildung 2: Wirkweise des innovativen Antikörper-Wirkstoff-Konjugats T-DM1: Trastuzumab bindet selektiv an den HER2-Rezeptor und blockiert Signalwege, die für die Proliferation und das Überleben der Tumorzelle verantwortlich sind (1). Anschließend erfolgt die Internalisierung des T-DM1-Rezeptor-Komplexes in die Tumorzelle (2). Erst im Inneren der Tumorzelle wird das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat gespalten und DM1 freigesetzt (3). Das Spindelgift hemmt die Mitose (4) und induziert schließlich die Apoptose der Tumorzelle (5).
Neben der hohen Wirksamkeit profitieren die Patientinnen von der Sicherheit und guten Verträglichkeit von T-DM1. Infolge des innovativen, kombinierten Wirkprinzips des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats bleibt die systemische Belastung äußerst gering. Dies zeigen auch die Ergebnisse aus den Phase-III-Studien: Sowohl in der EMILIA- als auch in der TH3RESAStudie war die Rate an schweren unerwünschten Ereignissen ≥ Grad 3 unter T-DM1 deutlich niedriger als unter den Vergleichstherapien (EMILIA: 40,8 vs. 57,0 % bzw. TH3RESA: 32,3 vs. 43,5 %) [2, 4]. Damit verbindet T-DM1 eine gesteigerte Wirksamkeit mit besserer Verträglichkeit. Diese klinischen Vorteile spiegeln sich direkt in der Lebensqualität der Patientinnen wider – gerade in der fortgeschrittenen Therapiesituation ist das ein ganz entscheidendes Argument, wie die Analyse der validierten Fragebögen zum Patienten-orientierten Nutzen in der EMILIA-Studie belegt: Die Zeit bis zur erneuten Symptomprogression war unter T-DM1 im Vergleich zum Kontrollarm signifikant verlängert (7,1 vs. 4,6 Monate; HR=0,796; p=0,0121). Auch hinsichtlich sämtlicher evaluierter Aspekte zum körperlichen Wohlbefinden wurde T-DM1 besser bewertet als die Kombination Capecitabin plus Lapatinib [5]. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur
Zeit (Monate)
Abbildung 3: Ergebnis der EMILIA-Studie: Patientinnen, die mit T-DM1 (Kadycla®) behandelt wurden, lebten im Median 5,8 Monate länger als Patientinnen unter der Kombinationstherapie Capecitabin plus Lapatinib (30,9 vs. 25,1 Monate). Damit reduzierte T-DM1 das Mortalitätsrisiko signifikant um 32 % [2]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 1/2014 · 23. JAHRGANG
1 Fachinformation Kadcyla®; Stand: November 2013 2 Verma S et al. N Engl J Med 2012;367:1783-1791 3 Barok M et al. Breast Cancer Res 2011; 13:R46 4 Wildiers H et al. ECC 2013; Late Braking Abstract #15 5 Welslau M et al., ESMO 2012; Poster #329
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islang betrug die durchschnittliche Lebenserwartung von Patienten mit metastasiertem oder nicht resezierbarem Melanom – eine der aggressivsten Hautkrebsformen – nur 6–9 Monate [1]. Ein großer Fortschritt zeichnete sich mit der Erstzulassung von Ipilimumab (Yervoy®) im Jahr 2011 ab, denn unter der Behandlung mit diesem Immuntherapeutikum zeigte sich erstmals in einer Phase-III-Studie eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens [2]: Bei der Monotherapie mit Ipilimumab (3 mg/kg Körpergewicht) betrug das mediane Gesamtüberleben 10,1 Monate, gegenüber 6,4 Monaten bei der Monotherapie mit einem Glykoprotein 100 (gp110)-Peptid-Impfstoff (HR 0,66; 95 %-KI 0,51–0,87; p=0,003). Die 1-JahresGesamtüberlebensrate bei der Monotherapie mit Ipilimumab belief sich auf 46 % im Vergleich zu 25 % unter der Monotherapie mit gp100, die 2-Jahres-Überlebensrate lag bei 24 % (Ipilimumab), gegenüber 14 % (gp100). Im Oktober 2013 erweiterte die Europäische Kommission aufgrund neuer Daten zum Langzeitüberleben die Zulassung von Ipilimumab auf die First-Line-Therapie, sodass die Patienten mit fortgeschrittenem Melanom nun schon früher von der innovativen immunonkologischen Therapie profitieren können [3]. Vielversprechende Daten zum Langzeitüberleben
Die First-Line-Zulassung (Zulassungserweiterung) erfolgte erstmals in der Onkologie anhand der Daten aus 2 retrospektiven PhaseIV-Studien mit therapienaiven Patienten (n=120 bzw. n=61) [4, 5] sowie anhand gepoolter Daten von
Fortgeschrittenes Melanom: First-Line-Therapie mit Ipilimumab verbessert Überlebenschancen
Phase-II- und Phase-III-Studien mit chemotherapienaiven Patienten (n=78 bzw. n=137)) [6], die mit einer Ipilimumab-Induktionstherapie von 3 mg/kg Körpergewicht in Monotherapie behandelt wurden. In allen diesen Studien war das Gesamtüberleben unter der Ipilimumab-Therapie im Wesentlichen konsistent (Tab. 1): • In den beiden retrospektiven Beobachtungsstudien betrugen die geschätzten 1-Jahres-Überlebensraten 59,5 % (95%-KI: 50,1–67,8) und 49,3 % (95%KI: 35,6–61,6) [4, 5]. • Bei den chemotherapienaiven Patienten der Phase-II/III-Studien lag die geschätzte 1-Jahres-Überlebensrate bei 54,1 % (95%-KI: 42,5–65,6) und die geschätzte 2-Jahres-Überlebensrate bei 31,6 % (95%-KI: 20,7–42,9) [6]. Die Daten einer gepoolten Analyse der Überlebensdaten von 12 Studi-
Anzahl der Patienten 1-Jahres-Überleben 2-Jahres-Überleben Medianes Überleben
en (n=1.861) [7] bei Patienten mit metastasiertem, lokal fortgeschrittenem oder nicht resezierbarem Melanom, die mit Ipilimumab in unterschiedlichen Dosierungsoder Therapieschemata behandelt wurden, untermauern diese Ergebnisse und zeigen nach ca. 3 Jahren ein Plateau der Überlebenskurve. Die Follow-up-Zeit betrug bei einigen Patienten bis zu 10 Jahre. Nach 3 Jahren waren noch ca. 26 % der Patienten, die Ipilimumab als First-Line-Therapie erhielten, und 20 % der vorbehandelten Patienten am Leben. Das mediane Gesamtüberleben der Studienpopulation lag bei 11,4 Monaten (95 %-KI: 10,7–12,1) [7]. Empfehlungen zur Behandlung mit Ipilimumab
Das empfohlene Induktionsregime für Ipilimumab liegt bei 3 mg/kg Körpergewicht, intravenös über
Studie CA184-338 [4]
Studie CA184-332 [5]
Gepoolte Phase-II/ III-Studien [6]
120 59,5 % NA 14,3 Monate
61 49,3 % NA 11,5 Monate
78 54,1 % 31,6 % 13,5 Monate
Tabelle 1: Daten, auf denen die Zulassung von Ipilimumab (3 mg/kg) für die First-Line-Therapie des fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanoms basieren.
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Ipilimumab Ipilimumab (Yervoy®) ist ein vollständig humaner, monoklonaler Antikörper, der an das zytotoxische T-Lymphozytenantigen-4 (CTLA-4) bindet und dieses selektiv hemmt. CTLA-4 ist ein negativer Regulator der T-Zell-Aktivierung. Durch die Bindung an CTLA4 blockiert Ipilimumab die immuninhibitorische Wechselwirkung zwischen CTLA-4 und seinen Liganden (CD80/CD86). Die Blockade von CTLA-4 ist mit einer verstärkten Aktivierung und Proliferation von T-Zellen verbunden. Der Wirkmechanismus von Ipilimumab bei Melanompatienten ist indirekter Art und erfolgt über die Verstärkung der T-Zell-vermittelten, gegen den Tumor gerichteten Immunreaktionen [8].
und Hormonsystem sowie andere Organe betreffen. Das Sicherheitsprofil von Ipilimumab 3 mg/kg KG bei chemotherapienaiven Patienten aus gepoolten klinischen Phase-II/ III-Studiendaten (n=75) und bei therapienaiven Patienten aus einer retrospektiven Beobachtungsstudie (n=120) war vergleichbar mit dem von Patienten mit vorbehandeltem, fortgeschrittenem Melanom [4, 8]. Brigitte Söllner, Erlangen
Literatur
APC = Antigen-präsentierende Zelle, MHC = Haupthistokompatibilitätskomplex, TCR = T-Zell-Rezeptor
Regulation der T-Zell-Aktivierung
Das Ansprechmuster auf Ipilimumab kann sich von dem unter Chemotherapie oder zielgerichteten („targeted“) Substanzen unterscheiden. Beispielsweise kann ein verzögertes Ansprechen („late response“) nach einer initialen Phase der Tumorprogression zu beobachten sein. Aufgrund der T-Zell-Infiltration scheint der Tumor zunächst größer zu werden, bevor sich seine Größe verringert. Zudem kann der Zustand der Patienten unter der Behandlung mit Ipilimumab über lange Zeit stabil bleiben [9].
einen Zeitraum von 90 Minuten verabreicht, alle 3 Wochen für insgesamt 4 Dosen [8]. Das Nebenwirkungsprofil von Ipilimumab lässt sich weitgehend aus seinem immunstimulatorischen Wirkprinzip (siehe Insert) erklären. Für mögliche immunvermittelte Nebenwirkungen gibt es
spezifische Therapiealgorithmen. Richtig und zeitnah behandelt, sind die durch Ipilimumab bedingten Nebenwirkungen in der Regel gut beherrschbar [2, 8]. Immunvermittelte Nebenwirkungen können schwer oder lebensbedrohlich sein und den Gastrointestinaltrakt, die Leber, die Haut, das Nerven-
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1 Chin L et al. Malignant melanoma: Genetics and therapeutics in the genomic era. Genes Dev 2006;20:2149-2182 2 Hodi FS et al. Improved survival with ipilimumab in patients with metastatic melanoma. N Engl J Med 2010;363:711-723 3 Europäische Kommission. Community register of medicinal products for human use. Verfügbar unter: http://ec.europa.eu/ health/documents/community-register/ html/h698.htm 4 Margolin K et al. Effectiveness and safety of first-line ipilimumab (IPI) 3mg/kg therapy for advanced melanoma (AM): Evidence from a U.S. multisite retrospective chart review. Eur J Cancer 2013;49:P488 5 Patt D et al. Community-based, real-world, study of treatment-naïve advanced melanoma (AM) patients treated with 3mg/kg ipilimumab (IPI) in the United States. Eur J Cancer 2013;49:P497 6 Yervoy EPAR 09/2013 (EMA/547838/ 2013) 7 Pooled analysis of long-term survival data from Phase 2 and Phase 3 trials of ipilimumab in metastatic or locally advanced, unresectable melanoma. European Cancer Congress 2013 (ECCO-ESMO-ESTRO), abstract 24LBA 8 Yervoy® Fachinformation, Stand Oktober 2013 9 Saenger YM et al. The heterogeneity of the kinetics of response to ipilimumab in metastatic melanoma: patient cases. Cancer Immun 2008;8:1
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Roflumilast Pneumo Update 2013:
Prävention und Therapie von Exazerbationen im Fokus Neben Informationen zu verschiedenen Teilgebieten der Pneumologie standen aktuelle Studien der vergangenen 12 Monate im Mittelpunkt des Pneumo Updates im November 2013. Im Bereich der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD ging es unter anderem um die Prävention von Exazerbationen und den Einsatz antiinflammatorischer Wirkstoffe wie Roflumilast (Daxas®) als zusätzliche Säule neben Bronchodilatatoren. Patientenbefragung zu Exazerbationen
Professor Claus Vogelmeier präsentierte in seinem Vortrag über COPD neue Erkenntnisse zum Stellenwert von Exazerbationen für Patienten, die bei einer Befragung gewonnen wurden. An der Umfrage nahmen 2.000 Patienten aller COPD-Schweregrade teil, sodass detaillierte Patientenaussagen zur Erkrankung zur Verfügung stehen. Insbesondere das Thema „Exazerbationen“ stand dabei im Vordergrund. Die Patienten gaben an, dass diese eine große Belastung sowohl für sich selbst als auch für Angehörige darstellen und die Lebensqualität deutlich mindern. Trotzdem suchen nur etwa 45 % der Betroffenen sofort oder kurz nach einer Exazerbation einen Arzt auf. Zudem ergab die Befragung, dass nach wie vor ein Missverhältnis zwischen der Wahrnehmung des Patienten und der tatsächli-
Seit Juli 2010 steht mit dem Wirkstoff Roflumilast (Daxas®) eine Dauertherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerer COPD und chronischer Bronchitis sowie häufigen Exazerbationen in der Vergangenheit, begleitend zu einer bronchodilatatorischen Therapie, zur Verfügung. Der Wirkstoff ist gemäß den Kriterien der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) eine Sprunginnovation und wird eingesetzt bei COPD in den Stadien III/IV bzw. GOLD C/D. Aufgrund der antiinflammatorischen Wirkung besitzt der Wirkstoff einen potenziell hohen Stellenwert über die Lunge hinaus.
chen Schwere einer Exazerbation vorliegt. Dies führe in der Folge oftmals dazu, dass Exazerbationen nicht adäquat erkannt und behandelt werden könnten. Insgesamt, so Vogelmeier, sollten Patienten umfassend über Exazerbationen und deren schwerwiegende Auswirkungen auf Gesundheitszustand und Lebensqualität aufgeklärt werden. Hoher Stellenwert von Roflumilast
Die Vorbeugung von Exazerbationen hat einen hohen Stellenwert, denn das häufige Auftreten erhöht das Risiko für weitere akute Krisen. Mit Roflumilast steht ein Wirkstoff zur Verfügung, mit dem das Risiko für mittelschwere bis schwere Exazerbationen um 21 % reduziert werden kann (in Kombination mit einem LABA, NNT=3,2). Roflumilast wird einmal täglich in einer Dosierung von 500 µg oral eingenommen. Aufgrund der systemischen antiinflammatorischen Wirkung werden zunehmend positive Auswirkungen von Roflumilast auf Komorbiditäten diskutiert. Insbesondere die Gruppe der Häufig-Exazerbierer (≥2 Exazerbationen pro Jahr) profitiert einer aktuellen Studie von Wedzicha et
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al. zufolge von einer Therapie mit dem Phosphodiesterase-4-Hemmer: Bei Patienten mit häufigen Exazerbationen konnte mit Roflumilast das Risiko weiterer häufiger Exazerbationen signifikant um 20 % gesenkt werden (Relatives Risiko [RR] = 0,799; p=0,0148). Auch das Risiko für Patienten mit weniger Exazerbationen, nach einem Jahr zur Gruppe mit häufigen Exazerbationen zu gehören, ging um 23 % gegenüber Placebo hochsignifikant zurück (RR=0,768; p = 0,0018). Dies belegt das Potenzial von Roflumilast, die Erkrankung zu stabilisieren. Vogelmeier plädierte dafür, Patienten gezielt nach Exazerbationen zu befragen, um eine vollständige Anamnese erstellen und die Therapie optimieren zu können. In den Studien wurde Roflumilast im Allgemeinen gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen. Diese zeigen sich hauptsächlich in den ersten Wochen der Therapie, klingen aber meist im weiteren Verlauf ab. Da unerwünschte Ereignisse somit bevorzugt in den ersten Wochen auftreten, die Wirkung gleichzeitig aber erst nach 4–8 Wochen einsetzt, kommt der Patientenaufklärung eine hohe Bedeutung zu. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Roflumilast in GOLDStrategiepapier empfohlen
Die international gültigen GOLDEmpfehlungen (Global Initiative for Chronic Lung Disease) sehen den Einsatz von Roflumilast bei Patienten der Kategorien C und D. Die Kombination mit einem langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) oder langwirksamen Muskarinrezeptor-Antagonisten (LAMA) ist inzwischen gleichwertig zur LABA/LAMA-Kombination. Elisabeth Wilhelmi, München
Mikroskopische Kolitis – eindeutig auch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung Lange wurde die mikroskopische Kolitis als Krankheitsbild unterschätzt. Inzwischen ist klar, dass es sich ebenso wie beim Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa um eine chronisch entzündliche Darmerkrankung handelt. Sie ist als solche jetzt auch in den aktuellen Leitlinien der europäischen Crohn- und Colitis-Organisation (ECCO) verankert worden. Über die Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie der Erkrankung diskutierten Experten der European Microscopic Colitis Group (EMCG) bei einem Symposium der Falk Foundation e.V. im Rahmen der „United European Gastroenterology Week 2013“ in Berlin. Wässriger Stuhl, dringender Stuhldrang und Stuhlinkontinenz
Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis sind wässrige, nicht blutige Diarrhöen. Viele Patienten leiden
vor allem nachts unter Durchfällen und es kommt dadurch zu Schlafstörungen. Zusätzlich werden von den Betroffenen oft abdominelle Beschwerden, Bauchkrämpfe und ungewollter Gewichtsverlust angegeben. „Der Leidensdruck ist hoch, die Lebensqualität oft massiv beeinträchtigt“, sagte Dr. Andreas Münch, Linköping/Schweden. Dabei ist weniger die hohe Stuhlfrequenz das Problem, sondern vor allem die wässrige Stuhlkonsistenz. So berichten 70 % der Patienten, immer wieder unter einem massiven und dringenden Stuhldrang zu leiden. Etwa 40 % erleben Phasen der Stuhlinkontinenz – eine die Betroffenen massiv belastende Situation. Trotzdem wird die Erkrankung oftmals nicht adäquat diagnostiziert und die Symptome werden nicht selten fälschlicherweise als Reizdarmsyndrom fehlinterpretiert. Eine der Ursachen hierfür ist die Tatsache, dass die mikroskopische Kolitis keine endoskopisch sichtbaren Veränderungen zeigt, die Diagnose daher nur anhand von Biopsien und dem histologischen Befund zu stellen ist. Zwischen lmyphozytärer, kollagener und inkompletter Kolitis differenzieren
Zu differenzieren ist zwischen der kollagenen, der lymphozytären und der inkompletten Kolitis, wie PD Dr. Daniela E. Aust, Dresden, darlegte. Charakteristisch für die lymphozytäre Kolitis ist eine erhöhte Zahl intraepithelialer Lymphozyten (IEL), wobei per definitionem mehr als 20 IEL pro 100 Epithelzellen gezählt werden müssen. Liegt die Zahl der IEL zwischen 10 und 20/100 Epithelzellen, so
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ist von einer inkompletten Kolitis auszugehen. Typisch für diese Krankheitsform ist ferner eine leichte Verdickung des subepithelialen Kollagenbandes, allerdings deutlich weniger ausgeprägt als bei der kollagenen Kolitis. Die Diagnose der kollagenen Kolitis setzt voraus, dass histologisch ein subepitheliales Kollagenband von mehr als 10 µm nachweisbar ist. Die Zahl der IEL ist bei der kollagenen Kolitis dagegen nur leicht erhöht und liegt üblicherweise zwischen 10 und 20 Zellen pro 100 Epithelzellen. Budesonid als einzige etablierte Therapieoption
Die bislang einzige therapeutische Option bei der mikroskopischen Kolitis besteht nach Professor Stephan Miehlke, Hamburg, in der Gabe von Budesonid, einem topisch wirksamen Glukokortikoid mit hoher lokaler Aktivität und nur geringer systemischer Verfügbarkeit. Die klinische Wirksamkeit wurde in mehreren prospektiven kontrollierten klinischen Studien belegt und es ist gut dokumentiert, dass die Verabreichung von 9 mg/d Budesonid (Budenofalk® Uno 9 mg) bei rund 80 % der Patienten eine Remission induziert. Dabei bessert Budesonid signifikant die Symptomatik, und zwar im Hinblick auf Stuhlfrequenz, Stuhlkonsistenz und begleitende Symptome wie abdominelle Beschwerden. „Die Lebensqualität der Patienten nimmt eindeutig wieder zu und die Histologie normalisiert sich“, berichtete Miehlke. Die Number-Needed-to-Treat (NNT) ist mit nur 2 erstaunlich niedrig, was die gute klinische Wirksamkeit des topischen Steroids unterstreicht. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Wird Budesonid allerdings abgesetzt, so kehrt in aller Regel die Symptomatik zurück. Erste Studien zeigen nunmehr, dass sich durch eine Erhaltungstherapie, bei der Budesonid in einer niedrigeren Dosierung von 6 mg/d verabreicht wird, die Remission bei der Mehrzahl der Patienten langfristig erhalten lässt. Steigende Inzidenz oder bessere Diagnostik?
Die mikroskopische Kolitis wird zunehmend häufiger diagnostiziert, was nach Dr. Ole Kristian Bonderup, Silkeborg/Dänemark, auf eine steigende Inzidenz hindeutet. Sowohl bei der kollagenen als auch bei der lymphozytären Kolitis hat die Krankheitshäufigkeit seit den frühen 80er Jahren kontinuierlich zugenommen. Zu bedenken aber ist, dass parallel dazu auch die Häufigkeit der Biopsien und histologischen Untersuchungen zugenommen hat. „Die vermeintlich steigende Inzidenz kann somit auch durch eine vermehrte Biopsiehäufigkeit bedingt sein“, erklärte Bonderup. Die Inzidenz der mikroskopischen Kolitis wird derzeit auf 10–2 pro 100.000 Einwohner geschätzt, wobei jedoch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Typisch für die mikroskopische Kolitis ist eine Dominanz des weiblichen Geschlechts. Die Erkrankung manifestiert sich im Allgemeinen im 5. bis 6. Lebensjahrzehnt. Risikofaktoren sind neben dem Alter das Rauchen sowie die Einnahme spezieller Medikamente wie etwa Protonenpumpenhemmer (PPIs) sowie nicht steroidale Antirheumatika (NSAR). Fabian Sandner, Nürnberg
Etanercept bei rheumatoider Arthritis:
Patienten profitieren von einem flexiblen Therapiemanagement
Die Kombination aus MTX (Methotrexat) und einem Biologikum ist Goldstandard in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Für einige Biologika ist gemäß der aktuellen S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zur sequenziellen medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis auch der Einsatz als Monotherapie zugelassen, wenn MTX nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist. Professor Torsten Witte, Hannover, befasste sich auf einem Pressegespräch mit der Fragestellung, wie Patienten von der Monotherapie mit einem Biologikum profitieren können, und betonte den hohen Stellenwert eines flexiblen Therapiemanagements. Bei MTX-Unverträglichkeit Biologika auch in der Monotherapie einsetzbar
Die rheumatoide Arthritis ist eine komplexe Erkrankung, die eine möglichst individuelle und gut verträgliche Behandlung erfordert. „MTX ist ein wichtiger Partner und wir erzielen in der Kombinationstherapie mit einem Biologikum in der Regel bessere Ergebnisse als in der jeweiligen Monotherapie“, erklärte Witte. Eine gewisse Herausforderung kann jedoch die Verträglichkeit von MTX sein, was letzten Endes auch Einfluss auf die Therapietreue hat. Witte dazu: „Im Hinblick auf das zu erwartende Behandlungsergebnis lohnt es sich, auch Patienten mit Verträglichkeitsproblemen für die MTXBehandlung zu motivieren. Wird
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MTX jedoch sehr schlecht vertragen oder die Patienten verweigern sich schlichtweg, müssen wir auf diese Option verzichten, ohne aber unsere Behandlungsziele – Remission oder zumindest niedrige Krankheitsaktivität – aus den Augen zu verlieren. Daher ist es ein Vorteil, dass in den S1-Leitlinien in solchen Fällen auf den Einsatz von Biologika auch in der Monotherapie hingewiesen wird.“ Für die Monotherapie sind derzeit vier Biologika – Etanercept, Adalimumab, Tocilizumab, Certolizumab pegol – zugelassen. Etanercept (Enbrel®) ist das einzige Biologikum, bei dem in der Zulassung dokumentiert ist, dass es als Monotherapie oder in Kombination mit MTX das Fortschreiten der radiologisch nachweisbaren strukturellen Gelenkschädigungen reduziert und die körperliche Funktionsfähigkeit verbessert. Etanercept: Wirksamkeit in der Kombinations- und der Monotherapie
„Studien haben gezeigt, dass Etanercept sowohl in der Kombinations- als auch in der Monotherapie wirksam ist. Das erleichtert das Therapiemanagement und erlaubt individuelle Lösungen“, erläuterte der Experte. In der TEMPO-Studie (Trial of Etanercept and Metho trexate with Radiographic Patient Outcome) war die Kombinationstherapie der jeweiligen Monotherapie mit MTX und Etanercept signifikant überlegen – sowohl hinsichtlich der Response im Index des American College of Rheumatology (ACR 20, -50 und -70) als auch der radiologischen Veränderung. „In diese Studie waren keine MTX-Versager eingeschlossen – die Teilnehmer hatten zuvor un© VERLAG PERFUSION GMBH
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zureichend auf ein DMARD, aber nicht MTX, angesprochen. Daher dürfte der additive Effekt der beiden Therapieoptionen zum Erfolg beigetragen haben“, so Witte. Bei der Betrachtung der beiden Monotherapien hielt Etanercept die radiologische Progression signifikant stärker auf als MTX. Die erste Untersuchung, die die Überlegenheit eines Biologikums zur MTX-Monotherapie kontrolliert nachwies, war die ERA-Studie (Early Rheumatoid Arthritis). Wie der Rheumatologe darlegte, profitierten die mit Etanercept in Monotherapie behandelten Patienten nach 2 Jahren häufiger von einem Ansprechen im ACR 20/50/70 und es kam seltener zu einer radiologischen Progression als unter der MTX-Monotherapie. Während die ERA-Studie MTXnaive Patienten eingeschlossen hatte, wurden in der ADOREStudie (Add Enbrel or Replace Methotrexate) Patienten mit früher rheumatoiden Arthritis, die mindestens 3 Monate nicht ausreichend auf MTX angesprochen hatten, entweder mit einer Kombinationstherapie (Etanercept + MTX) oder einer Etanercept-Monotherapie behandelt. Hinsichtlich DAS28-Verbesserung, ACR Response und patientenbezogener Outcome-Parameter wie Schmerzen und Morgensteifigkeit waren beide Regime vergleichbar. Ob der Erfolg einer Kombinationstherapie aus Etanercept und MTX aufrechterhalten werden kann, wenn MTX abgesetzt und Etanercept als Monotherapie fortgeführt wird, wurde in der CAMEO-Studie (Canadian Methotrexate and Etanercept Outcome) untersucht. Bei Patienten, die nach 6 Monaten eine niedrige Krankheitsaktivität erreicht hatten, blieb diese sowohl unter der Kombinationstherapie
als auch unter der EtanerceptMonotherapie bis zum Ende des Beobachtungszeitraums (Monat 12) erhalten. „Das zeigt, dass wir bei Patienten mit niedriger Krankheitsaktivität gut mit der Etanercept-Monotherapie auskommen“, kommentierte Witte das Ergebnis. Patienten mit einer moderaten bis schweren Krankheitsaktivität zeigten bis zum 12. Monat eine weitere klinische Verbesserung unter der Kombinationstherapie. Adhärenz verbessern
Abschließend betonte Professor Witte, dass ein erfolgreiches Therapiemanagement eine gute Adhärenz voraussetzt. „Das Ausmaß der Therapietreue korreliert nicht mit der Schwere der Erkrankung. Auch Patienten mit rheumatoider Arthritis nehmen ihre Medikamente häufig nicht gemäß der Verordnung ein und laufen so Gefahr, dass die Erkrankung nicht ausreichend kontrolliert wird und die Gelenkdestruktion fortschreitet.“ Einen hohen Stellenwert haben daher Adhärenz-Services wie das TOGETHER-Programm, das sich an Enbrel®-Patienten mit Rheuma und Psoriasis richtet. Unter www. pfizermed.de sind Informationsmaterial und Anmeldeformulare für die Patienten verfügbar. Fabian Sandner, Nürnberg
Quelle: Presse-Intensivkurs „Eine Klasse für sich“, Klasse 4: Rheumatoide Arthritis – Flexibles Therapiemanagement, Berlin, 12. November 2013. Veranstalter Pfizer Deutschland GmbH
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Besser systemisch als lokal:
Mit Phenylephrin die Eskalation einer Rhinitis zur Rhinosinusitis verhindern Bei der Behandlung eines Schnupfens sollte nicht nur die Verbesserung der Nasenatmung erreicht werden. Entscheidend ist es vielmehr, die Nasenschleimhaut im Bereich der Ostien abschwellen zu lasen, damit sich ein banaler Schnupfen nicht zu einer akuten Rhinosinusitis weiterentwickelt, unter der in Deutschland 10–15 % der Bevölkerung leiden. Dieses Ziel lässt sich mit abschwellenden Nasensprays nicht erreichen. Zielführend ist hier die Dekongestion mit systemischem Phenylephrin. Dieses Fazit zog PD Dr. Thorsten Zehlicke, Hamburg, auf dem Expertengespräch „Anforderungen an die symptomatische Therapie eines Atemwegsinfektes“ in Hamburg. Phenylephrin ist Pseudoephedrin deutlich überlegen
„Man muss alles dafür tun, um eine akute Sinusitis und deren Komplikationen, wie z.B. Periostitis, Orbitalphlegmone und Meningoenzephalitiden, sowie eine Thrombose des Sinus sagittalis zu verhindern“, sagte Zehlicke. Voraussetzung dafür ist, dass der abschwellende Wirkstoff den relevanten Bereich der Nasenschleimhaut, die mittlere Nasenmuschel, erreicht, um eine Verlegung der Ostien zu verhindern. Ein α-Sympathomimetikum per Nasentropfen oder -spray gelangt falsch appliziert oft nur bis zum Nasendach oder Nasenboden. Aber auch bei korrekter Applikation setzt sich der Wirkstoff vor allem am Eingang der Nase bis hin zur unteren Nasenmuschel ab, © VERLAG PERFUSION GMBH
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wie Zehlicke in eigenen Untersuchungen beobachtete. Das Risiko einer akuten Sinusitis besteht dann weiterhin. Zudem können lokale Nebenwirkungen, wie z.B. eine trockene Nasenschleimhaut, Nasenbluten und Privinismus, auftreten. In der Lösung enthaltene Konservierungsmittel können den Zilienschlag beeinträchtigen und so kontraproduktiv wirken. Zehlicke plädierte daher für ein systemisches Dekongestivum. Es bewirkt nicht nur die Abschwellung topisch unzugänglicher Schleimhäute, etwa in den Nasennebenhöhlen. Es ist auch keine Rhinitis medicamentosa oder ein Rebound-Effekt nach Absetzen zu befürchten. Als Wirkstoffe stehen Pseudo ephedrin und Phenylephrin zur Verfügung, wobei Phenylephrin den Vorteil hat, nicht aufputschend
zu wirken. Es lässt die Nasenschleimhaut schnell und zuverlässig abschwellen. Von der FDA (Food and Drug Administration) wird der Wirkstoff in den zugelassenen Indikationen als sicher und effektiv eingestuft. „Seine klinische Wirksamkeit als Dekongestivum bestätigte sich in einer Metaanalyse*, die 7 wissenschaftliche Studien mit 113 ErkältungsPatienten umfasste“, so Zehlicke.
Volkskrankheit Diabetes: Nachhaltige Aufklärung motiviert zu mehr Selbstverantwortung Die bundesweite Aufklärungsaktion „Wissen was bei Diabetes zählt: Gesünder unter 7“ setzt im Jahr 2014 weiter auf nachhaltige und unermüdliche Aufklärung über die Volkskrankheit Diabetes. Diabetes geht uns alle an – das zeigen aktuelle Erkrankungszahlen: Mit mehr als 270.000 Neuerkrankungen im Jahr liegt Deutschland im europaweiten Vergleich mit an vorderster Stelle.* Diese Entwicklung bestätigen die Besucherzahlen und er* Rathmann, Tamayo, Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2014, 11
Erste mobile Erkältungstherapie mit Phenylephrin und Paracetamol
Das Dekongestivum Phenylephrin steht neuerdings in Kombination mit Paracetamol in dem Direkt* Kollar C et al., Clin Ther 2007;29:10571070
„Wissen was bei Diabetes zählt: Gesünder unter 7“: Zusammen erreichen wir mehr Die ersten Aktionen 2014 finden in Potsdam am 6. und 7. März 2014 sowie in Viernheim am 15. und 16. Mai 2014 statt. Weitere Informationen unter www.gesuender-unter-7.de.
fassten Daten der von Sanofi im Jahr 2005 initiierten Aktion „Wissen was bei Diabetes zählt: Gesünder unter 7“. Bis heute haben mehr als eine halbe Million Menschen die Aktion besucht, 30.000 Risikocheckbogen wurden analysiert. Immer mehr Menschen mit Diabetes besuchen die Aktionstage in deutschen Städten, das Diabetesrisiko ist unverändert hoch. „Das große Interesse in der Bevölkerung
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Pulver GeloProsed® in praktischen Aufreißbeuteln für die orale Therapie zur Verfügung. Das Präparat ist indiziert zur Behandlung der Symptome bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten (Kopf-, Glieder-, Halsschmerzen oder Fieber), wenn diese mit einer Anschwellung der Nasenschleimhaut korrelieren. Das Pulver wird im Mund direkt auf die Zunge gegeben. Dort löst es sich auf und kann ohne Wasser geschluckt werden. So kann GeloProsed® auch unterwegs bequem eingenommen werden. Ein weiteres Plus: Für die Wirkstoffkombination aus Phenylephrin und Paracetamol sind keine Auswirkungen auf die Reaktionsfähigkeit und Verkehrstüchtigkeit bekannt. Fabian Sandner, Nürnberg
motiviert uns zum Weitermachen“, so Botschafter der Aktion Daniel Schnelting, dreifacher Deutscher Meister im 200-m-Sprint und selbst Diabetiker. „Nur wer sein Diabetesrisiko kennt, kann mit einem aktiven Lebenstil gegensteuern“, so Schnelting weiter. Werte im Blick: für Menschen mit Diabetes entscheidend
Diabetes macht keinen Urlaub, regelmäßiges Blutzuckermessen gehört zum Alltag eines jeden Diabetikers. Nur wer seine Werte im Blick hat, kann auf Blutzu ckerschwankungen reagieren, seine Lebensgewohnheiten ändern oder die Therapie anpassen. Dieses Jahr können die Besucher am Aktionsstand von „Wissen was bei Diabetes zählt: Gesünder unter 7“ das © VERLAG PERFUSION GMBH
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neue Blutzuckermessgerät MyStar Extra® von Sanofi kennenlernen. Mit neuartigen Funktionen und einer intuitiven 1-2-3-Klick-Bedienung unterstützt das Gerät im täglichen Diabetesmanagement. Neben der regelmäßigen Blutzuckermessung ist der HbA1c-Wert (sog. Langzeitblutzuckerwert) ein wichtiger Marker. Gemäß dem Motto von „Wissen was bei Diabe-
tes zählt: Gesünder unter 7“ sollte er bei Menschen mit Diabetes unter 7 % liegen, um das Risiko für Folgeerkrankungen zu reduzieren. Der HbA1c-Wert sollte einmal im Quartal beim Arzt kontrolliert werden. Zwischen den Arztbesuchen kann das neue Blutzu ckermessgerät MyStar Extra® eine Orientierungs hilfe sein: Das Gerät berechnet
einen HbA1c-Schätzwert und zeigt mit einem Trendpfeil die Entwicklung des Wertes an. So wird der Zusammenhang zwischen Ernährung, Bewegung, Therapie, den Blutzuckerwerten und dem Einfluss auf den Langzeitblutzu ckerwert für Menschen mit Diabetes besser nachvollziehbar. F. S.
Titelbild: Herz und Lunge bei pulmonaler Hypertonie. Die PH ist eine lebensbedrohliche, fortschreitende Erkrankung, bei der der Druck in den Lungenarterien durch die Verengung des Lumens deutlich ansteigt, was zur Überbelastung des rechten Herzens und letztendlich zum Tod führen kann (Quelle: Bayer Vital GmbH).
Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg
Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org
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• 70 % der Patienten über 7 Jahre ohne Behinderungsprogression 1 • Aktiver und anhaltender Schutz des Gehirns 2 • Einmal täglich, gut verträglich 3
1. Antel J et al. - Poster 01.129, AAN 2012, New Orleans; Khatri B et al. - Lancet Neurol. 2011 Jun;10(6):520-9; Kappos L - Oral Presentation, AAN 2012, San Diego; 2. Cohen JA et al. - N Engl J Med. 2010 Feb 4;362(5):402-15; Kappos L et al. - N Engl J Med. 2010 Feb 4;362(5):387-401; Calabresi P et al. - Poster 01.015, AAN 2012, New Orleans; Radue EW et al. - Arch Neurol. 2012 Oct;69(10):1259-69; Radue EW - Oral Presentation, ENS 2012, Prag; 3. Ziemssen et al. - Poster 04.131, AAN 2012, New Orleans; Ziemssen et al. - Poster 03.220, AAN 2013, San Diego
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