ISSN 1432-4334 JAHRGANG 23 HEFT 2 Mai 2014
FÜR PHARMAKOLOGIE UND THERAPIE
JOURNAL OF PHARMACOLOGY AND THERAPY
Diabetes mellitus Typ 2: Therapieumstellung von Metformin/Sitagliptin auf Metformin/Vildagliptin führt zu klinischer Verbesserung Pegfilgrastim und Lipegfilgrastim: Ein kurzer pharmakologischer Vergleich Fortschritte für mCRPC-Patienten: Abirateronacetat bewährt sich im klinischen Alltag Tuberöse Sklerose – eine Krankheit mit vielen Gesichtern Hyperhidrose bei Systemerkrankungen: Methantheliniumbromid mindert Leidensdruck Adalimumab plus MTX: Neue Perspektiven in der Kombinationstherapie der rheumatoiden Arthritis Eisenchelation bei MDS- und Thalassämie-Patienten Talimogen Laherparepvec verringert Tumorgröße bei metatstasiertem malignem Malignom Afatinib – eine neue Option für die Therapie des fortgeschrittenen NSCLC mit EGFR-Mutationen Frühdiagnose der rheumatoiden Arthritis mit dem Rheumascan-Verfahren Eziclen® zur Darmreinigung: Mehr Sicht, mehr Sicherheit
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DIE GASTROENTEROLO
EZI05-02/14-DE
DER DARMREINIGUNGSEXPERTE
EDITORIAL
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Anwendungsbeobachtung reloaded „Es ist sicher ein großer Vorwurf an unseren Berufsstand, dass wir bis heute keine kritische Zusammenfassung aller relevanten randomisiert kontrollierten Studien organisiert haben, geordnet nach Fachgebieten und Teilbereichen und periodisch aktualisiert“, formulierte ein britischer Epidemiologe namens Archie Cochrane Ende der 1970er Jahre [1]. Vielleicht war er mit seiner Kritik nicht der einzige, immerhin aber wurde Coch rane zum personalisierten Urvater der sogenannten Evidence Based Medicine (EBM). Anfang der 90er Jahre formierte sich aus der Idee eine Initiative, die sich im Jahr 1993 zur Cochrane Collaboration organisierte. In den seither vergangenen gut 20 Jahren hat die Cochrane Collaboration sich zur weltweit autoritativen Institution entwickelt, wenn es um die Bewertung der „effects of health care“ geht. In der Tat lässt sich Archie Cochranes Kritik zwanglos auf entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen beziehen: Wer Therapien testet und das Ergebnis in kaum zugänglichen Journalen versteckt oder gar in seiner Schublade vergammeln lässt, muss diese Kritik auf sich wirken lassen. Überdenkt man jedoch Archies Kritik etwas grundsätzlicher und projiziert sie auf die damit begründete Entwicklung, drängt sich einem doch irgendwie die klassische Feststellung auf, dass, wenn alle Pferde Säugetiere sind, deshalb aber nicht gleich alle Säugetiere Pferde sein müssen. David Sackett, einer der entscheidenden Protagonisten der EBM, hat in seiner wegweisenden Definition im Jahr 1996 explizit klar gestellt, dass sich EBM eben
„nicht auf Meta-Analysen und RCTs (randomized controlled trials)“ beschränkt [2]. Einige Szenarien werden konkretisiert, andere grundsätzlich kommentiert: „Manche Fragen zur Therapie brauchen kein RCT … oder man kann nicht warten, bis entsprechende Studien durchgeführt worden sind.“ Jetzt feiert die Cochrane Collaboration ihr 20-jähriges Jubiläum, und allenthalben starren „Experten“, wenn sie von EBM reden, auf RCTs und Meta-Analysen wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange. Implizit wird dabei die sorgfältige Beobachtung pauschal als untauglich und irreführend klassifiziert. Da ist sicher etwas dran, wenn es sich um die konkrete Beobachtung eines einzelnen Rat und Hilfe suchenden Patienten handelt – hier sind viele Aspekte zu beobachten (und zu berücksichtigen), die nicht unmittelbar mit der Erkrankung assoziiert sind, sondern mit dem konkreten Individuum, seiner Lebensstrategie und seiner Umwelt. Wieso aber hat man sich in den letzten 25 Jahren kaum noch mit (selbst unter definierten Bedingungen durchgeführten) Beobachtungsstudien beschäftigt? Archie Cochrane als Epidemiologen können naturgemäß Querschnittstudien nicht unbekannt gewesen sein, mit denen bis heute Erkenntnisse z.B. zur Prävalenz und Inzidenz sowie anderen „epidemiologischen“ Kriterien abgeleitet werden. Archie Cochrane lebte zu einer Zeit, in der die Beobachtungsstudie für Längsschnittfragestellungen gängiges methodisches Instrument war. Ältere Publikationen, die sich dieses Instruments bedienten, erkennt man z.B. an Titelformulierungen wie
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Prof. Dr. med. K.-L. Resch, Bad Elster
„Unsere Erfahrungen mit …“ (z.B. [3]). Natürlich ist es problematisch, aus solchen Studien einen (quantitativ) verlässlichen Schluss zu ziehen, welche Wirkung die untersuchte Substanz z.B. konkret auf die behandelten nicht tumorartigen Erkrankungen hatte. Aber, vorausgesetzt, es handelt sich um eine systematisch durchgeführte Beobachtung, lassen sich durchaus verlässliche Schlüsse ziehen. Zum Beispiel für Patienten, die mit der Diagnose Puerperalfieber eingeliefert und nach einem standardisierten Schema mit dem Sulfonamid Prontosil behandelt wurden: Wie lange dauerte es, bis das Fieber „im Griff war“, wie lange, bis die Patientinnen entlassen werden konnten, welche Nebenwirkungen traten wie häufig auf etc. Solche wichtigen Informationen sind aus RCTs nur ausnahmsweise verfügbar, da diese nur selten in einem Setting der allgemeinen Versorgung stattfinden, sondern entsprechende Ein- und Aus© VERLAG PERFUSION GMBH
INHALT
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schlusskriterien für eine „homogenisierende Vorselektion“ der Studienteilnehmer sorgen und die Fallzahlen aus ethischen und finanziellen Gründen möglichst klein gehalten werden müssen. Gerade solche Informationen bekommen in einer Zeit, in der der „zweite Gesundheitsmarkt“ boomt, in dem der Nutzer direkt gesundheitsrelevante Produkte und Dienstleistungen kaufen muss, eine neue, wichtige Bedeutung. Schließlich erhebt sich für jeden von uns, egal ob im Elektrofachhandel oder in der Apotheke die Frage: „Was kann ich für mein Geld erwarten?“ Was wir brauchen, ist keine Diskriminierung von allem, was nicht RCT heißt, sondern das exakte Gegenteil. Auch die Methodik der randomisiert kontrollierten Studie konnte sich nur zum Goldstandard für die „effects of health care“ entwickeln, weil sie von Methodikern ernst genommen, professionell angewendet und auf der Basis konkreter Erfahrungen weiterentwickelt wurde. Eine Renaissance der guten alten Anwendungsbeobachtung ist mehr als überfällig im Zeitalter der Value Based Medicine [4]! Karl-Ludwig Resch, Bad Elster
ORIGINALARBEIT Diabetes mellitus Typ 2: Therapieumstellung von Metformin/Sitagliptin auf Metformin/Vildagliptin führt zu klinischer Verbesserung U. D. Stephan
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ÜBERSICHTSARBEIT Pegfilgrastim und Lipegfilgrastim: Ein kurzer pharmakologischer Vergleich S. Böhm
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS Fortschritte für mCRPC-Patienten: Abirateronacetat bewährt sich im klinischen Alltag
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Tuberöse Sklerose – eine Krankheit mit vielen Gesichtern 48 Hyperhidrose bei Systemerkrankungen: Methantheliniumbromid mindert Leidensdruck
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Adalimumab plus MTX: Neue Perspektiven in der Kombinationstherapie der rheumatoiden Arthritis
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Eisenchelation bei MDS- und Thalassämie-Patienten
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NEUE UND BEWÄHRTE ARZNEIMITTEL Quellen 1 C ochrane AL (1931–1971). A critical review, with particular reference to the medical profession. In: Medicines for the Year 2000. London: Office of Health Economics, 1979: 1-11 2 Sackett DL, Rosenberg WM, Gray JA, Haynes RB, Richardson WS. Evidence based medicine: what it is and what it isn’t. Brit Med J 1996;312:71-72 3 Anselm E. Unsere Erfahrungen mit Prontosil bei Puerperalfieber. Dtsch Med Wochenschr 1935;61:264 4 Brown MM, Brown GC, Sharma S. Evidence-Based to Value-Based Medicine. Chicago: American Medical Association Press, 2005
Talimogen Laherparepvec verringert Tumorgröße bei metatstasiertem malignem Malignom
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Afatinib – eine neue Option für die Therapie des fortgeschrittenen NSCLC mit EGFR-Mutationen
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Frühdiagnose der rheumatoiden Arthritis mit dem Rheumascan-Verfahren
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Eziclen® zur Darmreinigung: Mehr Sicht, mehr Sicherheit
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RUBRIKEN Wissenswertes 44, 52, 70 Kongresse 66
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ORIGINALARBEIT
Diabetes mellitus Typ 2: Therapieumstellung von Metformin/Sitagliptin auf Metformin/Vildagliptin führt zu klinischer Verbesserung Uta Dorothea Stephan Diabetologische Schwerpunktpraxis, Berlin
ZUSAMMENFASSUNG Die nationale Versorgungsleitlinie zur Therapie des Typ-2-Diabetes mellitus sieht eine Therapie intensivierung vor, wenn nach dreimonatiger Therapie mit Antidiabetika der individuell vereinbarte HbA1c-Zielwert nicht erreicht wird. Ein Wechsel innerhalb der Substanzklasse ist bislang nicht vorgesehen. Eine ambulante, monozentrisch durchgeführte Beobachtungsstudie untersuchte 38 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die auf eine Therapie mit Metformin und Sitagliptin nicht ausreichend ansprachen und deren Medikation durch einen Wechsel des DPP-4Inhibitors angepasst wurde. Die Ergebnisse zeigen eine Verbesserung der HbA1c-Werte bei 81,6 % der Patienten nach dreimonatiger Behandlung mit Vildagliptin in Kombination mit Metformin. Schlüsselwörter: Diabetes mellitus Typ 2, DPP-4-Inhibitor, Vildagliptin, Sitagliptin, Non-Responder, Wirksamkeit
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as Stufenschema zur medikamentösen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 der Nationalen Versorgungsleitlinie sieht bei Nichtansprechen auf eine orale Therapie eine Intensivierung der Medikation vor [1]. Folglich werden Patienten, die innerhalb von 3–6 Monaten den individuell angestrebten HbA1c-Zielwert nicht erreichen, auf Insulin oder eine Kombinationstherapie umgestellt, nicht jedoch auf eine Alternativsubstanz der gleichen Substanzklasse. Wie Guerci et al. am Beispiel der DPP-4-Hemmer Sitagliptin und Vildagliptin zeigen konnten, können Unterschiede im Wirkansatz aber durchaus zu unterschiedlichem Ansprechen der Patienten führen [2]. Die zwischen den Substanzen bestehenden molekularen Unterschiede wirken sich demnach nicht nur auf die Senkung des HbA1c und die Höhe der zu erzielenden aktiven GLP1Spiegel aus, sondern auch darauf, ob die Patienten physiologische Glukosetagesprofile erreichen [3, 4, 5]. In einer ambulanten monozentrischen Beobachtungsstudie wurde daher der Frage nachgegangen,
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ob Typ-2-Diabetiker, die unter der Behandlung mit Metformin plus Sitagliptin ihren optimalen HbA1cWert nicht erreicht hatten, von einer Umstellung auf die Therapie mit Metformin/Vildagliptin profitieren. Patienten und Methoden
Unter laufenden Praxisbedingungen wurden 38 Patienten (21 Frauen, 17 Männer), die nach einer mindestens dreimonatigen Behandlung mit Metformin/Sitagliptin den HbA1c-Zielwert von 6,5 % nicht erreicht oder die Substanz nicht vertragen hatten, auf Vilda gliptin umgestellt und über weitere 3 Monate beobachtet. Die Metformin-Therapie wurde unverändert beibehalten. Zum Zeitpunkt der Therapieumstellung (t1) und nach 3 Monaten Vildagliptin-Behandlung (t2) wurden der HbA1c-Wert und der Nüchternblutzucker zur Beurteilung der glykämische Kontrolle gemessen, außerdem Blutdruck, Gesamt-, HDL- und LDL-Cholesterin sowie Triglyzeride. Die erhobenen Werte wurden mittels Wilcoxon-Test für © VERLAG PERFUSION GMBH
ORIGINALARBEIT
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SUMMARY Insufficient achievement of individualized treatment targets with type-2-diabetic treatment for more than 3 month is regarded as therapy failure. In such cases, an intensification of therapy is recommended according to national treatment guidelines, while a switch to another member within the same substance class is not intended. An ambulant observational study investigated 38 patients with type-2-diabetes, who did not adequately respond to a therapy with metformin and sitagliptin. Adaptation of therapy was done by switch to another DPP-4-inhibitor. Results show improvement in HbA1c in 81.6 % of patients with vildagliptin as add-on therapy to metformin.
abhängige Stichproben verglichen. Ab einem p-Wert >0,05 wurde der Unterschied als statistisch signifikant interpretiert. Ergebnisse
Nach der dreimonatigen Behandlung mit Vildagliptin hatte sich bei 31 Patienten (81,6 %) der HbA1c-Wert verbessert, 7 Patienten (18,4 %) hatten einen höheren HbA1c-Wert als vor der Therapieumstellung. Im Gesamtkollektiv sank der HbA1c-Wert von im Mittel 7,31
auf 7,13 % (Unterschied –0,18 %, p<0,01; Abb. 1a). In der Gruppe der Patienten, bei denen sich der HbA1c-Wert verbessert hatte („Responder“), betrug die Senkung im Mittel –0,36 % (7,27 versus 6,91 %; p=0,0001; Abb. 1b), während er in der Gruppe, in der sich der HbA1c-Wert verschlechtert hatte („Non-Responder“), von 7,5 auf 8,1 % angestiegen war. Auch in Bezug auf die Nüchternglukose-Einstellung war eine signifikante Verbesserung unter Vildagliptin zu verzeichnen (p<0,05). Parallel dazu kam es zu einer Verbesserung der gesam-
Gesamtkollektiv (n=38) HbA1c (%)
Keywords: type 2 diabetes mellitus, DPP-4-inhibitor, vildagliptin, sitagliptin, non-responder, efficacy
7,35
7,31
7,3 t1
7,25 7,2
7,13
7,15
t2
7,1 7,05 7
a)
Responder (n=31) HbA1c (%) 7,27 7,3 7,2 t1
7,1 7
6,91
t2
6,9 6,8 b) 6,7 Abbildung 1: Veränderung des HbA1c (Mittelwert) a) im Gesamtkollektiv, b) bei den Patienten, bei denen der HbA1c-Wert gesunken war. t1 = Zeitpunkt der Umstellung von Metformin/Sita gliptin auf Metformin/Vildagliptin, t2 = nach 3-monatiger Vildagliptin-Therapie. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2014 · 23. JAHRGANG
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ORIGINALARBEIT
Parameter HbA1c (%) – t1
Alle Patienten (n=38) 7,31
Patienten mit HbA1c-Abnahme (n=31) 7,27
Patienten mit HbA1c-Anstieg (n=7)
7,5
HbA1c (%) – t2 Differenz t2/t1
7,13 –0,18
6,91 –0,36
BZ nüchtern (mg/dl) – t2
119,4
114,8
139,8
BZ nüchtern (mg/dl) – t1 Differenz t2/t1
122,0 –2,6
121,0 –6,2
8,1 +0,6
131,0 +8,8
Gesamtcholesterin (mg/dl) – t1
190,5
189,7
194,0
Differenz t2/t1
–27,5
–27,1
–28,9
Gesamtcholesterin (mg/dl) – t2 HDL (mg/dl) – t1
163,0
43,3
HDL (mg/dl) – t2 Differenz t2/t1
LDL (mg/dl) – t1
45,7
+2,4
112,0
LDL (mg/dl) – t2
120,9
TG (mg/dl) – t1
175,9
Differenz t2/t1
–6,5
Differenz t2/t1
TG (mg/dl) – t2 RR systolisch mmHg – t1
RR systolisch mmHg – t2 Differenz t2/t1
162,6
42,8
45,1
+2,3
112,0
165,1
45,7
48,6
+2,9
1114
124,7
104,0
172,9
189,1
+8,6
+12,8
169,4
164,4 -8,5
–10,1 191,5
+2,4
136,6
132,4
155,4
–2,8
–1,1
–10,3
133,8
RR diastolisch mmHg – t1
RR diastolisch mmHg – t2 Differenz t2/t1
79,8
79
–0,8
131,3
78,6
77,8
–1,2
145,1
85,1
84,4
+0,7
Tabelle 1: Veränderung der klinisch relevanten Parameter (Mittelwerte) nach Therapieumstellung auf Vildagliptin im Gesamtkollektiv sowie bei den „Respondern“ und „Non-Respondern“. t1 = Zeitpunkt der Umstellung von Metformin/Sitagliptin auf Metformin/Vildagliptin, t2 = nach 3-monatiger Vildagliptin-Therapie.
ten Stoffwechsellage (Tab. 1), die Blutdruckeinstellung hatte sich ebenfalls tendenziell verbessert. Die Therapieumstellung wurde von allen Patienten akzeptiert. Unerwünschte Ereignisse traten nicht auf. Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse belegen, dass unter den Bedingungen der alltäglichen Praxis bei Patienten mit Typ2-Diabetes, die ihren individuellen
HbA1c-Zielwert noch nicht ausreichend erreicht haben, eine Umstellung der bisherigen DPP-4-Hemmer-Therapie mit Sitagliptin auf Vildagliptin zu einer klinisch relevanten Verbesserung des HbA1c führen kann, wobei die Patienten auf unterschiedliche Substanzen derselben Substanzklasse in unterschiedlichem Ausmaß ansprechen. Die Umstellung innerhalb einer Substanzklasse erscheint hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit vorteilhafter zu sein als die sofortige Einleitung einer intensi-
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vierten Diebetestherapie, die nach den Daten der ACCORD-Studie zu einer deutlichen Zunahme der Nebenwirkungsraten führen kann und vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse provoziert [6]. Im Gegensatz dazu kam es nach der DPP4-Hemmer-Umstellung tendenziell zu einer Verbesserung der gesamten Stoffwechsellage und der Blutdruckeinstellung. Da die Beobachtungsdauer von 3 Monaten nach Therapieumstellung relativ kurz war, sollten die erreichten Verbesserungen im weiteren Verlauf regelmäßig kontrolliert werden.
Literatur 1 Fachgesellschaften, Kassenärztliche Bundesvereinigung. Nationale VersorgungsLeitlinie – Therapie des Typ-2-Diabetes, Kurzfassung. Stand: 13 Mar 2013; www. diabetes.versorgungsleitlinien.de 2 Guerci B, Monnier L, Serusclat P et al. Continuous glucose profiles with vildagliptin versus sitagliptin in add-on to metformin: Results from the randomized Optima study. Diabetes Metab 2012;38:359-366 3 Pscherer S, Kostev K, Rockel T et al. HbA1c reduction in type 2 diabetes patients in clinical practice: comparison between vildagliptin and other DPP-4 inhibitors. Perfusion 2011;24:206-211 4 Aroda VR, Henry RR, Han J et al. Efficacy of GLP-1 receptor agonists and DPP-4 inhibitors: meta-analysis and systematic review. Clin Ther 2012;34:1247-1258 5 Marfella R, Barbieri M, Grella R et al. Effects of vildagliptin twice daily vs. sitagliptin once daily on 24-hour acute glucose fluctuations. J Diabetes Complications 2010;24:79-83 6 Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study Group. Effects of intensive glucose lowering in type 2 diabetes. N Engl J Med 2008;358:2545-2559
Anschrift der Verfasserin: Uta Dorothea Stephan Galenstraße 3 13597 Berlin E-Mail: utdost@web.de
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ÜBERSICHTSARBEIT
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Pegfilgrastim und Lipegfilgrastim: Ein kurzer pharmakologischer Vergleich Stefan Böhm Institut für Neurophysiologie und Neuropharmakologie, Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien
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er Granulocyte-Colony Stimulating Factor (G-CSF) ist ein Glykoprotein, das das Überleben und die Proliferation unreifer hämatopoetischer Vorläuferzellen sowie determinierter Progenitorzellen für neutrophile Granulozyten stimuliert. G-CSF wirkt auch auf reife neutrophile Granulozyten, indem Chemotaxis zu Infektionsherden, Phagozytose und oxidativer Metabolismus gesteigert werden. Außerdem bewirkt G-CSF eine Mobilisierung hämatopoetischer Vorläuferzellen aus dem Knochenmark in das periphere Blut [1]. Rekombinantes G-CSF (Filgrastim) wird zur Therapie verschiedener Formen von Neutropenien eingesetzt, insbesondere zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien, sowie zur Verminderung der Häufigkeit neutropenischen Fiebers bei Patienten unter zytotoxischer Chemotherapie infolge maligner Erkrankung (ausgenommen myeloische Leukämie und myelodysplastisches Syndrom). Die aktuellen Leitlinien der EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) empfehlen ab einem Risiko für
neutropenisches Fieber von 20 % die prophylaktische Gabe von GCSF im Anschluss an die Chemotherapie [2]. Pegfilgrastim und Lipegfilgrastim
Die Pegylierung von Peptiden oder Proteinen kann zu zahlreichen Veränderungen in deren Pharmakokinetik führen (z.B. Verzögerung von Resorption und Elimination, Verringerung des Verteilungsvolumens). Damit geht zumeist auch eine Verbesserung der Pharmakodynamik und somit der Wirksamkeit einher [3]. Auch pegylierte Formen von Filgrastim sind zur Therapie von Neutropenien verfügbar: 1. Pegfilgrastim, das durch kovalente Bindung eines PEGMoleküls mit einem Molekulargewicht von 20 kDa an das N-terminale Methionin des humanen Filgrastim synthetisiert wird [4], und 2. Lipegfilgrastim, das ebenfalls durch die kovalente Bindung eines 20 kDa PEG-Moleküls gewonnen wird, allerdings über eine Glykoverbindung mit
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der natürlichen O-Glykosylierungsstelle des Threonin 134 (Thr134) von G-CSF. Die Erteilung der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) erfolgte für Pegfilgrastim am 22. August 2002, für Lipegfilgrastim am 25. Juli 2013. Aus den Zusammenfassungen der Merkmale der Arzneimittel (summaries of product characteristics, SPC; siehe http:// www.ema.europa.eu/docs/de_DE/ document_library/EPAR_-_Product_Information/human/000420/ WC500025945.pdf bzw. http:// www.ema.europa.eu/docs/de_DE/ document_library/EPAR_-_Product_Information/human/002556/ WC500148380.pdf) sind für die beiden Produkte identische Indikationen erkennbar, nämlich: „zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien sowie/und zur Verminderung der Häufigkeit/Inzidenz neutropenischen Fiebers/von febriler Neutropenie bei erwachsenen Patienten, die wegen einer malignen Erkrankung mit zytotoxischer Chemotherapie behandelt werden (mit Ausnahme von chronischmyeloischer Leukämie und myelodysplastischem Syndrom)“. © VERLAG PERFUSION GMBH
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ÜBERSICHTSARBEIT
Bezüglich der Dosierung sind die Angaben auch identisch: „Pro/Je Chemotherapiezyklus wird eine 6 mg Dosis (eine einzelne/einzige Fertigspritze) Pegfilgrastim/Lipegfilgrastim empfohlen, die als subkutane Injektion circa/ungefähr 24 Stunden nach einer/der zytotoxischen Chemotherapie angewendet wird/zu geben ist.“ Der große Unterschied im Datum der Zulassung wird auch durch einen noch größeren Unterschied in der Menge der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur reflektiert. Die Eingabe von „Pegfilgrastim“ in der PubMed-Datenbank (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ pubmed) bringt 456 verfügbare Artikel, wohingegen die Eingabe von entweder „Lipegfilgrastim“ oder „XM22“ (initial verwendete Bezeichnung für Lipegfilgrastim) nur einen Artikel liefert (Zugriff am 13.1.2014). In Bezug auf ausschließlich klinische Studien ist das Verhältnis 129 zu 1 zugunsten von Pegfilgrastim. Die Wirksamkeit von Pegfilgrastim wurde in einer Reihe von Metaanalysen (insbesondere im Vergleich mit nicht pegyliertem Filgrastim) untersucht. Die Daten zu 617 Patienten aus randomisierten kontrollierten Vergleichsstudien [5] fanden ein relatives Risiko für febrile Neutropenien unter Pegfilgrastim im Vergleich zu Filgrastim von 0,64. In einer weiteren vergleichbaren Analyse [6] reduzierte Pegfilgrastim (n=315) im Vergleich zu Filgrastim (n=291) das relative Risiko für febrile Neutropenien auf 0,66. Unter Pegfilgrastim tritt also ein Drittel weniger Fälle von neutropenischem Fieber auf als unter Filgrastim. Für Lipegfilgrastim gibt es lediglich die Daten der einen publizierten Studie, die einen Vergleich mit Pegfilgrastim an Brustkrebspati-
entinnen anstellt (n=101 für beide Studienarme). Bezüglich des primären Endpunkts, der Dauer schwerer Neutropenien im Chemotherapiezyklus 1, ergab sich kein Unterschied zwischen den beiden pegylierten Filgrastimpräparaten. Ebenso fand sich kein signifikanter Unterschied bezüglich der Inzidenz febriler Neutropenien oder therapiebedingter unerwünschter Wirkungen. Allerdings war unter Lipegfilgrastim die Zahl der neutrophilen Granulozyten im Nadir höher und deren Anstieg danach schneller als unter Pegfilgrastim [7]. Es kann also festgehalten werden, dass aufgrund der publizierten Daten Pegfilgrastim und Lipegfilgrastim eine vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit aufweisen, dass aber im Sinne der wesentlich besseren Evidenzlage Pegfilgrastim mit deutlich höherer Zuverlässigkeit beurteilt werden kann. Um den Mangel an verfügbarer wissenschaftlicher Literatur für Lipegfilgrastim auszugleichen, können die Daten der Zulassungsunterlagen, die von der EMA im „Assessment Report“ verfügbar gemacht werden (EMA/371234/2013), einer Evaluierung unterzogen werden. Neben den Daten aus der oben erwähnten Studie [7] finden sich dort Ergebnisse aus 3 Phase-I-Studien zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik sowie einer Dosisfindungsstudie und einer weiteren klinischen Untersuchung an Patienten mit Non-Small Cell Lung Cancer (NSCLC). Die erhobenen pharmakokinetischen Daten zu Lipegfilgrastim waren jenen von Pegfilgrastim (bei jeweils 6 mg s.c.) ähnlich, wobei mit Lipegfilgrastim tendenziell, aber nicht signifikant höhere Plasmaspiegel erreicht wurden. Die Wirkungen von Lipegfilgrastim auf die absolute
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Anzahl neutrophiler Granulozyten (ANC) und CD34-positiver Zellen waren auch tendenziell stärker ausgeprägt als die von Filgrastim, wobei auch hier zumeist keine Signifikanz zu finden war. In der Dosisfindungsstudie an Patientinnen mit Brustkrebs war die Wirksamkeit von 6 mg Lipegfilgrastim (n=50) vergleichbar mit jener von 6 mg Pegfilgrastim (n=54); geringere Dosierungen von Lipegfilgrastim (3 bzw. 4,5 mg) erschienen weniger wirksam. In der Studie bei Patienten mit NSCLC wurde Lipegfilgrastim mit Placebo verglichen. Hinsichtlich des primären Endpunktes, der Inzidenz febriler Neutropenien im ersten Chemotherapiezyklus (Cisplatin/Etoposid), war Lipegfilgrastim (n=248) mit 2,4 % der Placebo-Gabe (n=125) mit 5,6 % statistisch nicht signifikant überlegen, ebenso wenig in den weiteren 3 Zyklen. Bezüglich weiterer Endpunkte, wie z.B. der Dauer oder Inzidenz schwerer Neutropenien, war Lipegfilgrastim allerdings signifikant besser wirksam als Placebo. Somit wird die Indikation „Verminderung der Inzidenz von febriler Neutropenie“ laut SPC (summaries of product characteristics) durch die Zulassungsstudien nicht unterstützt (vergleiche dazu S. 28, vorletzter Absatz, und Tab. 30 auf S. 65 des assessment report: http://www. ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/002556/ WC500148382.pdf). Schlussfolgerung
Die hier angeführten Daten weisen darauf hin, dass Lipegfilgrastim gegenüber Pegfilgrastim bezüglich der Prophylaxe neutropenischer Komplikationen nach Chemothe© VERLAG PERFUSION GMBH
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ÜBERSICHTSARBEIT/WISSENSWERTES
rapien vergleichbare Wirksamkeit aufweist. Allerdings sind nicht alle in der Fachinformation enthaltenen Indikationen für Lipegfilgrastim durch aussagekräftige Ergebnisse klinischer Studien abgesichert. Hinzu kommt, dass Wirksamkeit und Sicherheit von Pegfilgrastim in der wissenschaftlichen Literatur wesentlich besser dokumentiert sind als jene von Lipegfilgrastim. Daher kann aus pharmakologischer Sicht auf Basis der aktuellen Evidenzlage nicht endgültig beurteilt werden, ob Lipegfilgrastim einen zu Pegfilgrastim vergleichbaren therapeutischen Nutzen aufweist.
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Die ROTE LISTE® 2014 ist ab sofort verfügbar. Die aktualisierte Buchausgabe des Arzneimittelver-
Literatur 1 Frampton JE, Lee CR, Faulds D. Filgrastim. A review of its pharmacological properties and therapeutic efficacy in neutropenia. Drugs 1994;48:731-760 2 Aapro MS, Bohlius J, Cameron DA et al.; European Organisation for Research and Treatment of Cancer. 2010 update of EORTC guidelines for the use of granulocyte-colony stimulating factor to reduce the incidence of chemotherapy-induced febrile neutropenia in adult patients with lymphoproliferative disorders and solid tumours. Eur J Cancer 2011;47:8-32 3 Harris JM, Martin NE, Modi M. Pegylation: a novel process for modifying pharmacokinetics. Clin Pharmacokinet 2001; 40:539-551 4 Kinstler OB, Brems DN, Lauren SL et al. Characterization and stability of N-terminally PEGylated rhG-CSF. Pharm Res 1996;13:996-1002 5 Pinto L, Liu Z, Doan Q et al. Comparison of pegfilgrastim with filgrastim on febrile
zeichnisses umfasst rund 23.000 Medikamente. Diese sind in 6.080 Präparateeinträgen mit 7.448 Darreichungsformen und 22.674 Preisangaben von 447 pharmazeutischen Unternehmen sowie von Vertreibern/Herstellern bestimmter Medizinprodukte zusammengefasst. Als Konsequenz aus den Umfragen mit der Ausgabe 2013 wurde das Kapitel „Verschreiben von Betäubungsmitteln“ um die Tabelle der in der ROTE LISTE® aufgeführten Betäubungsmittel mit den Höchstverschreibungsmengen erweitert. Auf aktuellem Stand finden sich u.a. auch die Impfempfehlungen, Empfehlungen zu Reiseimpfungen, die Packungsgrößenverordnung oder das Kapitel zu Doping. Auch den aktuellen Änderungen im Bereich der Pharmakovigilanz u.a. mit den Hinweisen zu Arzneimitteln, die einer besonderen Überwachung unterliegen, ist Rechnung getragen worden.
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neutropenia, grade IV neutropenia and bone pain: a meta-analysis of randomized controlled trials. Curr Med Res Opin 2007;23:2283-2295 6 Cooper KL, Madan J, Whyte S et al. Granulocyte colony-stimulating factors for febrile neutropenia prophylaxis following chemotherapy: systematic review and meta-analysis. BMC Cancer 2011;11:404 7 Bondarenko I, Gladkov OA, Elaesser R et al. Efficacy and safety of lipegfilgrastim versus pegfilgrastim: a randomized, multicenter, active-control phase 3 trial in patients with breast cancer receiving doxorubicin/docetaxel chemotherapy. BMC Cancer 2013;13:386 Anschrift des Verfassers: Univ.-Prof. Dr. Stefan Böhm Institut für Neurophysiologie und Neuropharmakologie Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien Schwarzspanierstraße 17, 1090 Wien E-Mail: stefan.boehm@meduniwien.ac.at
Die ROTE LISTE® bietet: • Prägnante, kurz gefasste Produktinformationen • Orientierung an Indikationen • Zusammenfassende Signaturen für die Übersicht von Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Intoxikationen, Warnhinweisen und Hinweisen von Wirkstoffgruppen • Hintergrundinformationen für die Praxis in den Sonderkapiteln Neben der jährlich aktualisierten Buchausgabe sind verschiedene elektronische Publikationen und eine Online-Version verfügbar, die zweimal jährlich aktualisiert werden. S. M.
Buchausgabe: ISBN-13: 978-3-939192-80-0, Preis: 78,00 € inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten, Internet: www.rote-liste.de
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Fortschritte für mCRPC-Patienten: Abirateronacetat bewährt sich im klinischen Alltag
A
birateronacetat (Zytiga®) war eines der ersten Medikamente, die die Prognose von Männern mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) in letzter Zeit deutlich verbessern konnten. Seine Erstzulassung erfolgte vor rund 2,5 Jahren. Seither ist der AndrogenBiosynthese-Hemmer weltweit bereits bei mehr als 80.000 Patienten zum Einsatz gekommen und seine in den Phase-III-Studien beobachtete Effektivität und Verträglichkeit wurden in einer breiten Patientenpopulation bestätigt. Daher hat sich Zytiga® mittlerweile als bewährtes Präparat in der Praxis etabliert, wobei im Behandlungsalltag allerdings noch längst nicht alle Patienten von diesen Fortschritten profitieren. Rund ein Drittel der chemonaiven mCRPC-Patienten erhält keine Therapie
Das 5-Jahres-Überleben von Prostatakarzinom-Patienten liegt in Deutschland heute zwar bei über 90 %, doch von den insgesamt knapp 720.000 Betroffenen befinden sich rund 52.000 in einer palliativen Situation, weil sich bei ihnen bereits Metastasen entwickelt haben (mPCa). Von ihnen sprechen
schätzungsweise 27.000 Männer auf die beim mPCa übliche, konventionelle Androgendeprivationstherapie nicht mehr an. Bei ihnen ist aufgrund von Resistenzentwicklungen ein metastasiertes, kastrationsresistentes Prostatakarzinom (mCRPC) entstanden [1]. Für diese Gruppe, deren Prognose lange sehr schlecht war, steht seit einiger Zeit eine Reihe von innovativen Medikamenten zur Verfügung – zu ihnen gehört Abirateronacetat. Der Androgen-Biosynthese-Hemmer kann in zwei Situationen zum Einsatz kommen: zum einen bei nicht oder mild symptomatischen mCRPCPatienten direkt nach Versagen der Androgendeprivationstherapie, die rund 64 % der mCRPC-Patienten ausmachen, und zum anderen nach Versagen der Chemotherapie, die vor allem symptomatischen mCRPC-Patienten empfohlen wird [1, 2]. Nach zwei durch Janssen initiierten deutschsprachigen InternetUmfragen aus dem Jahr 2013, an denen 120 bzw. 115 Ärzte aus dem Bereich Uroonkologie teilgenommen haben, erhält allerdings rund ein Drittel (27 bzw. 28 %) der chemonaiven mCRPC-Patienten keine medikamentöse Therapie. Dabei hat eine aktuelle Analyse der Zulassungsstudie COU-AA-302 ge-
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zeigt, dass Abirateronacetat nach Versagen der Androgendeprivationstherapie vermutlich sogar möglichst früh im Rahmen der Indikation zum Einsatz kommen sollte [3, 4]. Besseres Ansprechen auf Abirateron bei frühem Therapiebeginn
In der Phase-III-Studie hatten 1.088 nicht oder mild symptomatische mCRPC-Patienten, bei denen nach Versagen der Androgendeprivationstherapie eine Chemotherapie noch nicht klinisch indiziert war, jeweils in Kombination mit Prednison/Prednisolon entweder Abirateronacetat oder Placebo erhalten. Nach einem Follow-up von im Median 27,1 Monaten lag das mediane Gesamtüberleben bei 35,3 (Abirateron) vs. 30,1 (Placebo) Monaten (Hazard Ratio [HR] 0,79, p=0,0151), sodass sich das relative Risiko zu versterben um 21 % reduzierte. Es zeigte sich ein starker Trend für eine Überlegenheit von Abirateron, doch der Unterschied erreichte nicht das für die Interimsanalyse vorgegebene Signifikanzniveau von p=0,0035 [3]. In der genannten Post-hoc-Analyse der Studie wurde die Signifikanz allerdings in einer Subgrup© VERLAG PERFUSION GMBH
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pe erzielt: 560 Patienten, die zu Beginn einen niedrigen PSA-Wert (≤114 ng/ml) und keine tumorbedingten Schmerzen (Brief Pain Inventory Short Form, Frage 3: Score 0–1) hatten, bildeten die sog. Günstige-Prognose-Gruppe. Die übrigen 528 Patienten gehörten der sog. Ungünstige-Prognose-Gruppe an [4]. In der Günstige-Prognose-Gruppe reduzierte Abirateron gegenüber Placebo die Sterblichkeit signifikant um fast 40 % (HR 0,608), der p-Wert betrug 0,0016 (Abb. 1). Nach 36 Monaten lebten in dieser Gruppe unter Abirateron noch etwa 70 % der Männer [4]. Die signifikante Überlegenheit von Abirateron bestätigte sich sowohl in der Gesamt- als auch in der Günstige-Prognose-Gruppe für den zweiten koprimären Endpunkt, das radiologisch progressionsfreie Überleben (rPFS), sowie alle sekundären Endpunkte, d.h. die mediane Zeit bis zur Progression des ECOG-Performance-Status, bis zur Progression des PSA-Wertes, bis zum Beginn der Opiattherapie und bis zum Beginn der Chemotherapie (je p<0,05). So benötigten in der Günstige-Prognose-Gruppe unter Abirateron nach 36 Monaten etwa 55 % der Männer noch keine Chemo- und etwa 60 % noch keine Opiattherapie [4]. In der Ungünstige-PrognoseGruppe profitierten die Patienten auch hinsichtlich des rPFS und der für ihre Lebensqualität wichtigen Endpunkte Zeit bis zur PSAProgression, bis zum Beginn der Opiattherapie und bis zum Beginn der Chemotherapie signifikant von Abirateron (je p<0,01). Die Mortalität senkte Abirateron in dieser Gruppe allerdings nicht (HR 0,966, p=0,7776). Das spricht dafür, Abirateron beim mCRPC nach Versagen der Androgendeprivationstherapie bereits anzuwenden,
100% 90% % Patienten, die den Endpunkt noch nicht erreicht haben
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80% 70% 60% 50% 40%
Günstige-Prognose-Gruppe: Abirateron* Placebo*
30% 20%
HR 0,608 p=0,0016
Ungünstige-Prognose-Gruppe: Abirateron* Placebo*
10% 0% 03
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HR 0,966 p=0,7776 12
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18 Monate
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27
30
33
36
*plus Prednison/Prednisolon
Abbildung 1: Gesamtüberleben in einer Post-hoc-Analyse der Studie COU-AA-302 unter Abirateronacetat vs. Placebo (jeweils plus Prednison/Prednisolon) bei günstiger bzw. ungünstiger Prognose (modifiziert nach [4]).
Abirateronacetat Abirateronacetat (Zytiga®) ist indiziert mit Prednison oder Prednisolon: • zur Behandlung des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) bei erwachsenen Männern mit asymptomatischem oder mild symptomatischem Verlauf der Erkrankung nach Versagen der Androgenentzugstherapie, bei denen eine Chemotherapie noch nicht klinisch indiziert ist • zur Behandlung des mCRPC bei erwachsenen Männern, deren Erkrankung während oder nach einer Docetaxel-haltigen Chemotherapie progredient ist Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Einsatz von Zytiga® vor Chemotherapie (Indikationserweiterung) „Der G-BA stuft das Ausmaß des Zusatznutzens von Abirateron acetat auf Basis der Kriterien in § 5 Absatz 7 der AM-NutzenV unter Berücksichtigung des Schweregrades der Erkrankung und des therapeutischen Ziels bei der Behandlung der Erkrankung als beträchtlich ein. Gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ‚abwartendes Vorgehen unter Beibehaltung der bestehenden konventionellen Androgendeprivation oder gegebenenfalls die kombinierte, maximale Androgenblockade mit einem nichtsteroidalen Antiandrogen (Flutamid, Bicalutamid)’ handelt es sich gemäß § 5 Abs. 7 i.V.m. § 2 Abs. 3 AM-NutzenV um eine bisher nicht erreichte deutliche Verbesserung des therapierelevanten Nutzens, da eine moderate Verlängerung der Überlebensdauer erreicht wird, unterstützt von einer Verzögerung des Auftretens eines schwerwiegenden Krankheitssymptoms (schwerer Schmerz).“
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wenn der Patient noch keine tumorbedingten Schmerzen und einen niedrigen bis mäßig erhöhten PSA-Wert hat. Früher Einsatz von Abirateron aufgrund von Resistenzentwicklungen?
Auch aktuelle Überlegungen zur Resistenzentwicklung sprechen womöglich dafür, Abirateron beim mCRPC nach Versagen der Androgendeprivationstherapie im Rahmen der Indikation in der Erstlinie einzusetzen, um im Sinne einer Sequenztherapie möglichst viele Wirkstoffe nacheinander einsetzen zu können. So gibt es nach heutigen Modellvorstellungen verschiedene Möglichkeiten, wie sich die Androgenrezeptor-Signalkaskade an die systemische Therapie im metastasierten Stadium anpasst [5, 6]. Auf die konventionelle Androgendeprivationstherapie kann der Tumor beispielsweise mit einer intrakrinen Androgenproduktion reagieren und so sein Wachstum wieder stimulieren. Diese lässt sich mithilfe von Abirateron unterdrücken, das die Androgenproduktion – im Sinne einer Androgeneliminationstherapie – in den Hoden, den Nebennieren und dem Tumorgewebe selbst inhibiert [2, 5, 6]. In einer weiteren Stufe kann der Androgenrezeptor seine Ligandenabhängigkeit verlieren und durch andere Liganden als Androgen aktiviert werden. Hier scheint es vielversprechender zu sein, nachgeschaltete Schritte der Androgenrezeptor-Signalkaskade zu blockieren, etwa die Bindung
des aktivierten Androgenrezeptors an die DNA [6]. Der Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitor Enzalutamid unterdrückt beispielsweise die Signalkaskade, indem er nicht nur die Bindung von Androgen an den Rezeptor, sondern zudem die Translokation aktivierter Rezeptoren in den Zellkern und dessen Bindung an die DNA inhibiert [7]. Die Chemotherapie kann schließlich auch dann noch zum Einsatz kommen, wenn das Prostatakarzinom völlig unabhängig von der Androgenrezeptor-Signalkaskade wächst [5]. Abirateron: Gute Option für die Erst- und Zweitlinie
Die Langzeitverträglichkeit von Abirateron wurde inzwischen ebenfalls anhand der Studie COUAA-302 nachgewiesen [8]. In der Studie nahm die Häufigkeit von Nebenwirkungen unter Abirateron acetat plus Prednison/Prednisolon selbst bei einer Behandlungsdauer von ≥24 Monaten nicht zu. Im Vordergrund stehen mineralkortikoide Nebenwirkungen, wie Hypertonie, Ödeme oder Hypokaliämie, die sich gut behandeln lassen. Abirateron kommt bei mCRPCPatienten immer häufiger in der Erstlinie, d.h. nach Versagen der Androgendeprivationstherapie, zum Einsatz. Aber auch für Patienten, die bei Auftreten des mCRPC zunächst eine Chemotherapie erhalten haben, ist Abirateron eine wichtige Option für eine spätere Therapielinie. Fabian Sandner, Nürnberg
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Literatur 1 Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Janssen-Cilag GmbH, Abirateronacetat (Zytiga®), Modul 3 A. Stand 14.01.2013: www.g-ba.de/informationen/ nutzenbewertung/60/ 2 Fachinformation Zytiga®, Stand September 2013 3 Rathkopf DE et al. Updated interim analysis (IA) of COU-AA-302, a randomized phase III study of abiraterone acetate (AA) in patients (pts) with metastatic castrationresistant prostate cancer (mCRPC) without prior chemotherapy. J Clin Oncol 2013; 31(Suppl 6):Abstract 5 4 Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Janssen-Cilag GmbH, Abirateronacetat (Zytiga®), Modul 4 A. Stand 14.01.2013: www.g-ba.de/informationen/ nutzenbewertung/60/ 5 Logothetis CJL et al. Molecular classification of prostate cancer progression: Foundation for marker-driven treatment of prostate cancer. Cancer Discovery 2013;3:849861 6 Nelson PS et al. Molecular states underlying androgen receptor activation: a framework for therapeutics targeting androgen signaling in prostate cancer. J Clin Oncol 2012;30:644-666 7 Fachinformation Xtandi®, Stand Juni 2013 8 Rathkopf D et al. Long-term safety and efficacy analysis of abiraterone acetate (AA) plus prednisone (P) in metastatic castration-resistant prostate cancer (mCRPC) without prior chemotherapy (COUAA-302). ASCO 2013; abstract 5009 (poster presentation) 9 Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII – Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V – Abirateronacetat (neues Anwendungsgebiet), Stand 4.7.2013: www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/60/#tab/beschluesse
Quelle: Fachpressekonferenz „Therapie des mCRPC: Zytiga® bewährt sich im klinischen Alltag“ anlässlich des DKK 2014, Berlin, 21.2.2014 (Veranstalter: Janssen-Cilag)
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ie tuberöse Sklerose (TSC) ist eine komplexe Systemerkrankung, die zu Fehlbildungen und Entstehung von Tumoren in fast allen Organen führen kann. In Abhängigkeit vom Patientenalter variiert die Ausprägung der unterschiedlichen Symptome in den betroffenen Organen. Aufgrund dieser Variabilität ist die Diagnosestellung von TSC häufig erschwert. Die Inzidenz für TSC beträgt etwa 1:6.000 Geburten [2]. So kommen pro Jahr in Deutschland mehr als 100 Neugeborene mit TSC auf die Welt. Die Prävalenz für diese Erkrankung liegt bei etwa 1:10.000 [3], sodass in Deutschland von etwa 8.000 [4] und weltweit von 1–2 Millionen Betroffenen auszugehen ist [2]. Im September 2011 wurde mit dem spezifischen mTOR-Inhibitor Everolimus (Votubia®) die erste und einzige zielgerichtete medikamentöse Behandlungsoption für Patienten mit TSC-assoziiertem subependymalem Riesenzellastro zytom (SEGA) zugelassen. Seit Oktober 2012 steht Everolimus als erste medikamentöse Therapie auch für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit renalen Angiomyolipomen (AML) assoziiert mit TSC zur Verfügung. Dauerhaft aktivierter mTORSignalweg als Ursache
Da es sich bei der tuberösen Sklerose um einen Komplex verschiede ner Symptome und Krankheitsbil der handelt, wird diese seltene Erkrankung auch als Tuberous Sclerosis Complex (TSC) bezeichnet. Bei TSC spielt der mTOR-Signalweg (mammalian target of rapamycin) eine entscheidende Rolle. mTOR ist eine Serin/Threonin-Kinase und fungiert als zentraler Re-
Tuberöse Sklerose – eine Krankheit mit vielen Gesichtern
gulator von Tumorzellwachstum, -teilung und -stoffwechsel sowie der Angiogenese. Im gesunden Organismus wird mTOR von einem Proteinkomplex aus den beiden Untereinheiten TSC1 und TSC2 inhibitorisch reguliert [1]. Bei TSC-Patienten kann der TSC1TSC2-Komplex aufgrund von Mutationen der Gene TSC1 bzw. TSC2 jedoch nicht mehr regulatorisch auf den mTOR-Signalweg einwirken. In etwa 30 % der Fälle werden diese Mutationen von den Eltern vererbt, während sie bei ca. 70 % der Fälle spontan in der Embryonalentwicklung auftreten. Der Funktionsverlust des TSC1-TSC2Komplexes führt zu einer dauerhaften und übermäßigen Aktivierung dieses Signalwegs. Dies hat ein unkontrolliertes Zellwachstum und die Ausbildung meist benigner Tumoren, sogenannter Hamartome, in verschiedenen Organen zur Folge [2]. Ausbildung von Tumoren in zahlreichen Organen
Abhängig vom Alter der Patienten treten typische mit TSC assoziierte Tumoren und andere Manifestationen auf, welche die Funktion der verschiedenen betroffenen Organe beeinträchtigen (Abb. 1).
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Rhabdomyome Rhabdomyome als kardiale Ausprägung können bei erkrankten Kindern bereits im Mutterleib festgestellt werden (Prävalenz: 50 % [5]). Renale Angiomyolipome Renale AML entwickeln sich bei bis zu 80 % der erwachsenen TSC-Patienten als häufigste Nierenmanifestation im Verlauf ihrer Erkrankung [6]. Sie bestehen aus vaskulärem Gewebe, glatten Muskel- sowie Fettzellen. Komplikationen können sich vor allem durch die Größe der AML, retroperitoneale Hämorrhagien und Aneurysmen ergeben. Akute renale Blutungen sowie terminale Niereninsuffizienz zählen zu den häufigsten Todesursachen bei TSC-Patienten. Etwa 10–20 % aller renalen AML sind TSC-assoziiert [7, 8]. Aus diesem Grund sollte bei Vorliegen von renalen AML stets ein möglicher Zusammenhang mit TSC abgeklärt werden. Eine hohe Wahrscheinlichkeit hierfür besteht z.B. bei Patienten im Alter von 20–40 Jahren mit multiplen und/ oder bilateralen Läsionen. Charakteristisch für TSC-assoziierte AML sind zudem größere Tumoren mit © VERLAG PERFUSION GMBH
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Zeitlicher Verlauf der TSC-Erkrankung Patientenalter bei Diagnose
Pränatal / Kleinkind (< 2 Jahre)
Kind (< 5 Jahre)
Teenager (5–18 Jahre)
Erwachsener (> 18 Jahre)
Kardiale Rhabdomyome SEGA, epileptische Anfälle, Verhaltensauffälligkeiten, geistige Entwicklungsverzögerung Dermatologische Manifestationen (hypomelanotische Flecken, faziale Angiofibrome, Stirn-Plaques oder Bindegewebsnävi) Retinale Hamartome Angiomyolipome (AML) der Niere oder Leber Lymphangioleiomyomatose (LAM)
Abbildung 1: Symptome, die mit TSC assoziiert sind, in Abhängigkeit vom Patientenalter.
deutlicher Wachstumstendenz. Daraus resultierend steigt das Risiko für schwerwiegende Komplikationen, insbesondere akute AMLBlutungen (siehe auch Tab. 1 für weitere Charakteristika zur Abgrenzung TSC-assoziierte AML vs. sporadische AML) [9, 10]. Lymphangioleiomyomatose Eine Lymphangioleiomyomatose (LAM) als pulmonale Erscheinung der TSC wird insbesondere bei erwachsenen Frauen und häufig in Verbindung mit AML diagnostiziert (Prävalenz bei weiblichen Patienten: 40 % [6]). Kortikale Tubera, subependymale Knötchen und Riesenzellastrozytome Kortikale Tubera treten bei 80– 90 % der Patienten auf [12]. Subependymale Knötchen (SEN) im Gehirn sind ebenfalls typische mit TSC assoziierte Tumoren, die bereits bei Neugeborenen vorliegen
können (Prävalenz: 80 % [12]). SEN treten auch oft im Bereich des Foramen Monroi auf und können sich zu subependymalen Riesenzellastrozytomen (subependymal giant-cell astrocytoma, SEGA) entwickeln (Prävalenz: 20 % [13]). Durch den oft schleichenden und schwer vorhersehbaren Verlauf des SEGA-Wachstums kann es zur Ausbildung eines Hydrozephalus kommen, der häufig erst spät erkannt wird. In diesem Fall können permanente Beeinträchtigungen des Sehvermögens oder andere schwere neurologische Ausfallerscheinungen bis hin zum Tod auftreten. Daher sind eine frühe Erkennung neurologischer Störungen und die regelmäßige Überwachung des Hamartom-Wachstums von entscheidender Bedeutung. Bei Kindern mit TSC stellen SEGA und die damit verbundenen Folgen die Haupttodesursache dar [14]. Epileptische Anfälle Epilepsie tritt bei 80–90 % der TSC-Patienten auf. Die mit TSC
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assoziierten Krampfanfälle werden meist bereits im Säuglingsalter als West-Syndrom bzw. Epilepsie mit Blitz-Nick-Salaam-Krämpfen (BNS) diagnostiziert [15]. Bei bis zu 40 % der Patienten wird auch durch eine Behandlung mit Antiepileptika keine Anfallsfreiheit erreicht. Unbehandelte oder therapierefraktäre Epilepsie kann zu schweren kognitiven Beeinträchtigungen, geistiger Behinderung sowie Autismus führen. Diese Auswirkungen sind mit einem hohen Leidensdruck und einer stark eingeschränkten Lebensqualität der Patienten und ihrer Familien verbunden [2, 3, 16]. Dermatologische Symptome und weitere Organmanifestationen Dermatologische Symptome wie Angiofibrome im Nasen- und Wangenbereich treten im Laufe der Pubertät besonders stark hervor (Prävalenz: 80 % [17]). Außerdem sind hypomelanotische Flecken (Prävalenz: 70 % [12]) und KonfettiLäsionen sowie Bindegewebs- und sakrale Nävi (Chagrinhaut) am Körper für TSC-Patienten charakteristisch. Zu weiteren Organmanifestationen zählen beispielsweise multiple Zahnschmelzdefekte, gingivale Fibrome sowie Knochen- und Nie renzysten. Diagnostik anhand der Gomez-Kriterien
Aufgrund der Bandbreite und der unterschiedlich starken Ausprägung der Symptome sowie ihres altersabhängigen Auftretens ist die Diagnosestellung von TSC deutlich erschwert. Im Allgemeinen gilt die Erkrankung auf Basis der © VERLAG PERFUSION GMBH
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Charakteristika
TSC-assoziierte AML
Sporadische AML
Bilaterale Läsionen Multiple Läsionen Mittleres Erkrankungsalter Mittlere Tumorgröße Beteiligung von Lymphknoten Deutliche Wachstumstendenz Schwerwiegende Komplikationen (z.B. akute Blutung)
häufig häufig 30±12 Jahre 8±4 cm gelegentlich häufig häufig
selten selten 53±12 Jahre 4±3 cm selten selten selten
Tabelle 1: Abgrenzungskriterien sporadische versus TSC-assoziierte Angiomyolipome (AML) [7, 9, 10, 11]. Hauptkriterien
Nebenkriterien
Faziale Angiofibrome oder Bindegewebsnävi der Stirn Nicht traumatische (peri-)unguale (Angio-) fibrome 3 oder mehr hypomelanotische Flecken
Multiple Zahnschmelzdefekte
Multiple Hamartome der Retina
Gingivale Fibrome
Sakraler Bindegewebenävus Kortikale Dysplasie
Subependymale Knötchen
Subependymalen Riesenzellastrozytome Kardiale Rhabdomyome
Lymphangioleiomyomatose
Hamartöse rektale Polypen Knochenzysten
Radiäre Streifung der weißen Hirnsubstanz Nicht renale Hamartome
Retinaler achromatischer Fleck
Konfettiartige Depigmentierung Multiple renale Zysten
Angiomyolipome
Tabelle 2: Haupt- und Nebenkriterien zur TSC-Diagnosestellung [18].
modifizierten Gomez-Kriterien als gesichert, sobald 2 definierte Hauptkriterien oder ein Hauptkriterium und 2 Nebenkriterien (Tab. 2) vorliegen [18]. Die molekulargenetische Untersuchung auf Mutationen im Gen TSC1 oder TSC2 ist für die Diagnostik nicht unbedingt erforderlich, kann aber ergänzend wichtige Hinweise liefern. Therapie: mit Everolimus erstmals ursachenorientiert
Die Behandlung von TSC-Patienten erfolgte lange Zeit ausschließlich symptomatisch und richtete sich individuell gegen die spezifischen Ausprägungen der Krankheit. Dabei reichte das therapeutische Spektrum von der
Behandlung mit Antiepileptika bei mit TSC assoziierten Epilepsien, der Embolisation bei AML der Niere über die Verordnung ketogener Diäten bis hin zur chirurgischen Entfernung von Tumoren in Gehirn, Niere oder Lunge. Die bei TSC-Patienten typischerweise beobachtbaren Hautläsionen wurden häufig mittels Lasertherapie behandelt. Was jedoch fehlte, war eine zielgerichtete, in die Ursache der Erkrankung eingreifende, medikamentöse Therapie. Dies änderte sich erstmals mit der Zulassung des mTOR-Inhibitors Everolimus im September 2011 für Patienten mit TSC SEGA. Seit Oktober 2012 steht Everolimus als erste und einzige medikamentöse Therapie auch für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit TSC AML zur Verfügung [19]. Da-
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mit konnte eine therapeutische Lücke für eine weitere Organmanifestation der Systemerkrankung TSC geschlossen werden. Everolimus „ersetzt“ wirkungsvoll die Funktion von TSC1 und TSC2. Dadurch wird das gestörte Gleichgewicht im mTOR-Signalweg wieder hergestellt und Tumorzellwachstum, -stoffwechsel und -angiogenese werden effektiv gehemmt. Grundlage für die Zulassung von Everolimus bei TSC AML sind die Ergebnisse der Phase-III-Studie EXIST-2 (EXaming everolimus In a Study of TSC [20]), die die Daten von TSC SEGA in der zulassungsrelevanten Phase-II-Studie [21] und der Phase-III-Studie EXIST-1 [22] ergänzen. In EXIST-2 wurden 118 erwachsene Patienten mit renalen, TSC-assoziierten AML entweder mit Everolimus 10 mg/d (n=79) oder Placebo (n=39) behandelt (bei Progress war ein Wechsel vom Placebo- in den Verum-Arm möglich). Die Therapie wurde bis zum nachgewiesenen Progress oder Auftreten von inakzeptabler Toxizität fortgeführt. Primärer Studienendpunkt war das AML-Ansprechen, definiert als Volumenreduktion ≥50 % im Vergleich zum Studienbeginn (ermittelt per CT oder MRT nach 12, 24 und 48 Wochen mit anschließend jährlicher Messung), wobei keine neuen AML-Läsionen mit einem Durchmesser ≥1 cm, keine Zunahme des Nierenvolumens >20 % im Vergleich zum Nadir und keine AML-bedingten Blutungen Grad ≥2 aufgetreten sein sollten. Everolimus reduzierte das AMLVolumen um mindestens die Hälfte bei 42 % der Patienten nach 3 und bei 55 % der Patienten nach 6 Monaten. In der Placebo-Gruppe erzielte dagegen kein Patient ein solches AML-Ansprechen, weder nach 3 noch nach 6 Monaten © VERLAG PERFUSION GMBH
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Everolimus Everolimus (Votubia®) ist ein oral verfügbarer, selektiver mTORInhibitor. mTOR besitzt eine Schlüsselfunktion als Serin/ThreoninKinase, deren Aktivität bekannterweise bei etlichen humanen Tumoren hochreguliert ist. Everolimus bindet mit hoher Spezifität an das intrazelluläre Protein FKBP-12. Dabei wird ein Komplex gebildet, der die pathologische Aktivität des mTOR-Komplexes-1 hemmt. Diese zielgerichtete Inhibition wurde bereits für verschiedene Tumoren belegt. Da mTOR auch bei tuberöser Sklerose dereguliert ist, stellt Everolimus eine Erfolg versprechende therapeutische Strategie bei dieser komplexen Systemerkrankung dar dar. Von Vorteil ist sein dualer Wirkmechanismus: Durch die Hemmung von Zellwachstum, -teilung und -stoffwechsel besitzt der mTOR-Inhibitor eine Antitumorwirkung. Da Everolimus darüber hinaus die Ausschüttung von Wachstumsfaktoren, wie z.B. VEGF durch Tumorzellen sowie direkt das Wachstum von Endothelzellen und Perizyten inhibiert, ist auch eine antiangiogene Wirkung charakteristisch. Everolimus bindet an mTOR, sodass die Aktivität des Schlüsselenzyms gehemmt wird [19]. Votubia® ist zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit renalem Angiomyolipom (AML) assoziiert mit einer tuberösen Sklerose (TSC) indiziert, bei denen ein Risiko für Komplikationen vorliegt (aufgrund von Faktoren wie Tumorgröße oder vorhandenem Aneurysma oder multiplen bzw. beidseitigen Tumoren), die jedoch nicht unmittelbar operiert werden müssen. Außerdem wird Votubia® bei Patienten ab 3 Jahren mit subependymalem Riesenzell astrozytom (SEGA) aufgrund einer tuberösen Sklerose angewendet, die eine therapeutische Maßnahme benötigen, für die aber ein chirurgischer Eingriff nicht angemessen ist [19].
Bestätigte Diagnose TSC AML, Alter ≥18 Jahre
Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit, insbes. Urologe, Nephrologe und Radiologe
Keine akute Blutung
Akute Blutung Invasive Maßnahme erwägen: Primär Embolisation, Nephrektomie als Ultima Ratio
Risiko für Komplikationen (Tumorgröße, Aneurysmen, multiple/bilaterale Läsionen)
Nach akuter Blutungsphase, Resttumor
Medikamentöse Therapie mit Everolimus
Nein
Andere TSC-Symptome (v.a. SEGA), AML-Wachstum
Ja
Ja
Medikamentöse Therapie mit Everolimus
Medikamentöse Therapie mit Everolimus
Nein
Keine Therapie (‚watch & wait‘)
Abbildung 2: Empfohlener Therapiealgorithmus bei TSC-assoziierten AML [23].
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(p<0,0001). Auch in den weiteren Endpunkten war Everolimus der Placebobehandlung überlegen: • Unter Everolimus wiesen 76 % der Patienten nach 3 Monaten und 80 % nach 6 Monaten eine mindestens 30%ige Reduktion des AML-Volumens auf. • Im Verum-Arm kam es nur bei 3 Patienten (4 %) zu einer AML-Progression im Vergleich zu 8 Patienten (21 %) unter Placebo. • Die mediane Dauer bis zur Progression betrug in der Placebo-Gruppe 11,4 Monate; unter Everolimus ist der Median derzeit noch nicht erreicht (HR 0,08; 95%-KI: 0,02–0,37; p<0,0001). • Die geschätzte Progressionsfreiheit nach 6 Monaten lag bei 98 % unter Everolimus und bei 83 % unter Placebo. • Im Everolimus-Arm erzielten 26 % der Patienten mit initialen Hautläsionen (20 von 77) eine Verbesserung der Hautläsionen ≥50 % gegenüber 0 % (0 von 37) im Placebo-Arm (p=0,0002). Der oral verfügbare mTOR-Inhibitor war im Allgemeinen gut verträglich. Die meisten Nebenwirkungen waren leichter bis mäßiger Ausprägung (Grad 1–2). Nebenwirkungen Grad 3–4 traten bei 29 % der Patienten in der Everolimus- und bei 8 % in der PlaceboGruppe auf. Die Infektionshäufigkeit war in beiden Studienarmen vergleichbar (65 % unter Everolimus vs. 72 % unter Placebo). Therapiealgorithmus bei TSC AML
Bei der Entscheidung, ob eine medikamentöse Behandlung mit Everolimus bei TSC AML angezeigt ist, hilft ein von deutschen Exper© VERLAG PERFUSION GMBH
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
ten entwickelter Therapiealgorithmus (Abb. 2) [23]. Dieser betont, dass die Therapie bei einer bestätigten Diagnose von TSC AML eine interdisziplinäre Zusammenarbeit insbesondere von Urologen, Nephrologen und Radiologen erfordert. Die Experten empfehlen eine medikamentöse Therapie mit Everolimus bei Patienten mit einem Risiko für Komplikationen (Aneurysmen, multiple/bilaterale Läsionen) sowie bei Patienten mit anderen TSC-Symptomen wie z.B. SEGA bzw. mit AML-Wachstum, wenn keine akute Blutung vorliegt. Bei Patienten mit schwerer akuter Blutung ist eine invasive Maßnahme meist unvermeidlich. Ist ein Eingriff erforderlich, sollte zuerst eine Embolisation erwogen werden. Eine Nephrektomie sollte die Ultima Ratio sein. Sofern nach Versorgung der akuten Blutung ein Resttumor bestehen bleibt bzw. wenn weitere AML Läsionen vorliegen, sollte das Risiko anhand des Algorithmus neu klassifiziert und erneut über die Therapie entschieden werden. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Tee AR et al. Tuberous sclerosis complex-1 and -2 gene products function together to inhibit mammalian target of rapamycin (mTOR)-mediated downstream signaling. Proc Natl Acad Sci 2002;99: 13571-13577 2 Franz DN et al. Tuberous sclerosis complex: neurological, renal and pulmonary manifestations. Neuropediatrics 2010;41: 199-208 3 Krueger DA, Franz DN. Targeting mTOR complex 1 to treat neurological and psychiatric manifestations of tuberous sclerosis complex. Future Neurol 2011;6:261271.
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Osteoporose:
Protelos® bleibt mit weiteren Einschränkungen weiter verfügbar Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat die NutzenRisiko-Bewertung von Protelos® (Strontiumranelat) in der Behandlung der Osteoporose abgeschlossen und empfiehlt, dass die europäische Zulassung des Arzneimittels mit weiteren Einschränkungen der Indikation* sowie Empfehlungen zur Überwachung weiterhin erhalten bleibt. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) betrachtete die aktuellen Kontraindikationen** als ausreichend zur Minimierung des kardiovaskulären Risikos. Zusätzlich bemerkte der CHMP, dass die verfügbaren Daten keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko bei Patienten ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Vorgeschichte zeigen. Die positiven Effekte von Protelos® in der Frakturprävention, einschließlich bei Patienten mit hohem Frakturrisiko, wurden bestätigt. E. W. * Protelos® ist nun zugelassen zur Behandlung der schweren Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und erwachsenen Männern mit hohem Frakturrisiko, für die eine Behandlung mit anderen für die Osteoporose-Therapie zugelassenen Arzneimitteln nicht möglich ist, beispielsweise aufgrund von Kontraindikationen oder Unverträglichkeit. Bei postmenopausalen Frauen reduziert Protelos® das Risiko für Wirbelsäulen- und Hüftfrakturen. ** Protelos® ist kontraindiziert bei Patienten mit klinisch gesicherter, aktuell bestehender oder vorausgegangener venöser Thromboembolie, ischämischer Herzkrankheit, peripherer arterieller Verschlusskrankheit, zerebrovaskulärer Erkrankung und/oder unkontrollierter Hypertonie sowie vorübergehender bzw. dauerhafter Immobilisierung.
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
K
rankhaft übermäßiges Schwitzen kann die Betroffenen schwer belasten, zumal es mit einem starken Schamgefühl verbunden ist. Von der idiopathischen, primären Form ist die sekundäre Hyperhidrose abzugrenzen, die meist als generalisierte Überfunktion ekkriner Schweißdrüsen vorliegt und symptomatisch bei Systemerkrankungen wie Hypertonie, endokrinologischen Erkrankungen (z.B. bei Überfunktion der Hypophyse und der Schilddrüse oder bei Diabetes mellitus und Adipositas), bei neurologischen Störungen (z.B. Morbus Parkinson) oder bei Malignomen (z.B. Lymphome) auftreten kann. Oftmals wissen die Betroffenen nicht, dass das Schwitzen auf eine Erkrankung zurückzuführen ist. Sie wenden sich in der Regel zuerst an ihren Hausarzt, der auf Basis der Anamnese eine individuelle Therapie der Grunderkrankung und der begleitenden Hyperhidrose einleiten kann. Als eine gute Behandlungsoption in der Praxis hat sich die systemische Gabe von Methantheliniumbromid (Vagantin®) erwiesen. Systemische Therapie bevorzugt
Um das Therapieziel bei Hyperhidrose, die Reduktion des Schweißflusses, zu erreichen und damit die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, kann bei einer sekundären Hyperhidrose eine systemische Therapie in Betracht gezogen werden: Das orale Anticholinergikum Methantheliniumbromid wirkt über eine Blockade der Muskarinrezeptoren an den Schweißdrüsen. Wegen seiner Polarität ist der Wirkstoff kaum ZNS-wirksam. Entsprechende Nebenwirkungen wie Schwindel, Übelkeit
Hyperhidrose bei Systemerkrankungen: Methantheliniumbromid mindert Leidensdruck oder Schlafstörungen sind nicht zu erwarten. Am häufigsten werden leichte Nebenwirkungen wie etwa Mundtrockenheit beobachtet, der z.B. mit dem Kauen von Kaugummis oder mundbefeuchtenden Sprays entgegenwirkt werden kann. Methantheliniumbromid wird bereits seit den 50er Jahren bei Hyperhidrose eingesetzt, wobei die jahrelange Erfahrung im Einsatz durch Evidenz aus randomisierten Studien zur Wirkung und Verträglichkeit ergänzt wird. So zeigte eine aktuelle placebokontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studie mit 339 Teilnehmern signifikante Verbesserungen hinsichtlich der Schweißreduktion und der Lebensqualität mit guter Verträglichkeit [1]. Für die Behandlung der generalisierten Hyperhidrose ist Methantheliniumbromid laut Leitlinie Mittel der Wahl, kann aber auch bei schweren fokalen Fällen angewendet werden [1, 2]. Hilfe bei Schweißausbrüchen im Klimakterium
Durch das hormonelle Ungleichgewicht während des Klimakteriums kann durch Hitzewallungen ausgelöstes übermäßiges Schwitzen auftreten. Zur Linderung dieser und anderer Wechseljahresbeschwerden wird die Hormonersatzthe-
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rapie (HET) eingesetzt, ist aber wegen des Risikos für Komplikationen umstritten und wird von manchen Patientinnen abgelehnt. Zudem ist die HET bei Patientinnen mit Mamma- oder Endometriumkarzinom kontraindiziert [3]. Eine Alternative sind Phytopharmaka, die aber auch nicht immer wirken. Hier ist Methantheliniumbromid eine gute hormonfreie Option. Wie Ergebnisse einer aktuellen Anwendungsbeobachtung bei Patientinnen in der Peri- und Postmenopause zeigen, verringerte sich durch die Behandlung mit Methantheliniumbromid über einen Zeitraum von 2 Wochen der Schweregrad der Erkrankung, gemessen an der medianen Hyperhidrosis Disease Severity Scale (HDSS), von 3 auf 2. Die Verträglichkeit der Therapie und die Lebensqualität unter Methantheliniumbromid wurden von über 80 % der Ärzte und über 65 % der Patientinnen als sehr gut oder gut beurteilt [4]. Elisabeth Wilhelmi, München Literatur 1 Müller C et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2013;27:1278-1284 2 Deutsche Dermatologische Gesellschaft. S1-Leitlinie „Definition und Therapie der primären Hyperhidrose“. Stand: 15.01.2012 3 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. S3-Leitlinie „Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause (HT). Stand: 01.09.2009 4 Erste Ergebnisse einer Anwendungsbeobachtung der Riemser Pharma GmbH, 2014, data on file
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
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Adalimumab plus MTX: Neue Perspektiven in der Kombinationstherapie der rheumatoiden Arthritis
B
iologika kommen in der Rheumatologie zum Einsatz, wenn konventionelle Basistherapeutika wie z.B. Methotrexat (MTX) nicht ausreichen. Innerhalb dieser Gruppe bestehen mit den TNF-alpha-Hemmern die längsten Erfahrungen. Adalimumab ist der im RABBIT-Register am häufigsten dokumentierte TNF-alphaHemmer und seit über 10 Jahren für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) zugelassen. Die Ergebnisse der kürzlich publizierten CONCERTO-Studie bestätigen erneut die Vorteile der Kombinationstherapie mit Adalimumab und MTX bei der Behandlung von RA-Patienten [1]. In dieser Studie wurde erstmals untersucht, wie sich verschiedene MTX-Dosierungen auf die Kombinationstherapie mit einem TNF-alpha-Hemmer auswirken.
Patienten (91 %) beendeten die Studie. Die Patienten erhielten zusätzlich zu der für Adalimumab üblichen Dosierung von 40 mg s.c. alle 14 Tage in 4 parallelen Studienarmen MTX-Dosierungen von 2,5 mg, 5 mg, 10 mg oder 20 mg wöchentlich. Die Dosis der Patienten im 20-mg-Arm wurde dabei, ausgehend von 10 mg alle 14 Tage, um 2,5 mg bis auf 20 mg gesteigert. Primärer Endpunkt war das Erreichen einer niedrigen Krankheitsaktivität (DAS28-CRP <3,2) nach Abschluss der 26-wöchigen Studiendauer. Insgesamt wurde ein hohes klinisches Ansprechen unter der Kom-
binationstherapie beobachtet. In Woche 26 hatten bis zu 30 % der Patienten eine Remission erreicht. Dabei wurden, wie erwartet, mit steigender MTX-Dosis bessere Ergebnisse erzielt (Abb. 1). In der 10-mg- und in der 20-mg-Gruppe kam es interessanterweise zu vergleichbar hohen Ansprechraten hinsichtlich Klinik, Hemmung der radiologischen Progression und Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit (Abb. 2). Pharmakologisch wurde dokumentiert, dass MTX die Adalimumab-Spiegel dosisabhängig steigert, wobei unter der 10- und 20-mg-MTX-Dosis vergleichbare
Primärer Endpunkt (in Woche 26): DAS28 (CRP) < 3,2
CONCERTO-Studie: Vergleichbare Ansprechraten unter 10 und 20 mg MTX
Die CONCERTO-Studie analysierte die dosisabhängige Effektivität von MTX in Kombination mit Adalimumab (Humira®) bei Patienten mit früher aggressiver RA [1]. Insgesamt wurden 395 MTXnaive Patienten randomisiert, 358
Abbildung 1: Ergebnisse der CONCERTO-Studie. Der Anteil an Patienten mit einem klinischen Ansprechen zu Woche 26 nahm mit steigender MTX-Dosis signifikant zu [1, 2].
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
CDAI- und SDAI-Remission CDAI-Remission
SDAI-Remission
Abbildung 2: In der 10-mg- und der 20-mg-MTX-Gruppe zeigten sich vergleichbar hohe Ansprechraten hinsichtlich Clinical Disease Activity Index (CDAI) und Simplified Disease Activity Index (SDAI) [1, 2].
Anstieg Adalimumab-Talspiegel mit steigender MTX-Dosis
Abbildung 3: Erwartungsgemäß kam es mit steigender MTX-Dosis zu einem Anstieg der Adalimumab-Talspiegel. Unter 10 und 20 mg MTX waren die Spiegel vergleichbar [1, 2].
Adalimumab in der Rheumatologie Das Biologikum Adalimumab (Humira®) ist ein rekombinanter, vollständig humaner, monoklonaler IgG1-Antikörper mit Zulassungen in 9 Indikationen chronisch-entzündlicher Erkrankungen, davon 5 allein im Bereich des rheumatischen Formenkreises: rheumatoide Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PsA), polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis (pJIA) ab 2 Jahren sowie axiale Spondyloarthritis (AS und nr-axSpA) [7].
Adalimumab-Spiegel gemessen wurden (Abb. 3). Damit zeigen die Ergebnisse aus CONCERTO, dass für viele Patienten, die mit einer anti-TNF-Kombinationstherapie behandelt werden, die 10-mg-
MTX-Dosierung ausreichend sein könnte. MTX-assoziierte Nebenwirkungen traten mit zunehmender MTXDosierung nicht häufiger auf. Ein leichter Trend wurde nur für Infek-
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tionen und übermäßigen Haarausfall mit zunehmenden MTX-Dosen beobachtet. Die Patienten selbst konnten zwischen den einzelnen MTX-Dosierungen bezüglich ihrer Krankheitsaktivität keine Unterschiede feststellen. Geprüft wurde dies anhand des PGA (Patient Global Assessment of Disease Activity). Die Patienten verzeichneten eine vergleichbar gute Besserung in den einzelnen MTX-Gruppen. Statistisch signifikante Unterschiede ließen sich nicht feststellen [3]. EULAR zitiert CONCERTO als Referenzstudie
Die CONCERTO-Studie liefert die wissenschaftliche Grundlage für eine stärker individualisierte Therapie in der täglichen Praxis. Dies spiegelt sich auch in den aktuellen EULAR-Empfehlungen wider, in denen CONCERTO als Referenzstudie zitiert und ≥10 mg MTX pro Woche in der Kombinationstherapie mit einem TNF-alpha-Hemmer als angemessen und effektiv empfohlen wird [4]. Mit Adalimumab + MTX ambitionierte Ziele erreichen
Die Ziele in der RA-Therapie sind heute grundsätzlich anspruchsvoller. Angestrebt wird mittlerweile eine umfassende Krankheitskontrolle, die weit über die klinische Remission allein hinausgeht. Sie ist erreicht, wenn eine klinische Remission (DAS28 <2,6), eine normale körperliche Funktionsfähigkeit (Health Assessment Questionnaire Disability Index [HAQ-DI] <0,5) und keine radiologische Progression vorliegen (Änderung im mTSS um maximal © VERLAG PERFUSION GMBH
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
0,5 Einheiten). Studien mit Adalimumab haben gezeigt, dass es sowohl für langjährig erkrankte Patienten mit etablierter RA als auch für Patienten mit aggressiver früher RA möglich ist, die umfassende Krankheitskontrolle zu erreichen und über 10 Jahre aufrecht zu erhalten [5, 6]. Dabei konnte für Adalimumab nicht nur die umfassende langjährige Wirksamkeit, sondern auch der Nutzen eines möglichst frühen Therapiebeginns gezeigt werden. Elisabeth Wilhelmi, München
Literatur 1 Burmester GR, Kivitz AJ, Kupper H et al. Efficacy and safety of ascending methotrexate dose in combination with adalimumab: the randomised CONCERTO trial. Ann Rheum Dis 2014;Feb 18. doi: 10.1136/annrheumdis-2013-204769. [Epub ahead of print] 2 Tony HP. Präsentation auf der Pressekonferenz „Goldstandard Kombinationstherapie: Mit Humira+MTX ambitionierte Ziele in der RA-Therapie erreichen“, 12. März 2014, Frankfurt/Main, Veranstalter AbbVie 3 Fleischmann RM. No differences in patient-reported outcomes by methotrexate dose among early rheumatoid arthritis patients treated concomitantly with adalimumab: results from the CONCERTO trial. ACR 2013, San Diego, Abstract 1358 4 Smolen JS, Landewé R, Breedveld FC et al. EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2013 update, Ann Rheum Dis 2014;73:492-509 5 Keystone EC, van der Heijde D, Kavanaugh A et al. Clinical, functional, and radiographic benefits of longterm adalimumab plus methotrexate: final 10-year data in longstanding rheumatoid arthritis. J Rheumatol 2013;40;1487-1497 6 Keystone EC, Breedveld FC, van der Heijde D et al. Longterm effect of delaying combination therapy with tumor necrosis factor inhibitor in patients with aggressive early rheumatoid arthritis: 10-year efficacy and safety of adalimumab from the randomized controlled PREMIER trial with open-label extension. J Rheumatol 2014; 41;5-14 7 Fachinformation Humira®, Stand September 2013
Eisenchelation bei MDS- und Thalassämie-Patienten
E
in Großteil der Patienten, die an erworbenen (z.B. myelodysplastischen Syndromen, MDS) oder angeborenen Blutbildungsstörungen (z.B. Thalassämien) leiden, entwickelt im Lauf der Erkrankung eine Anämie und benötigt regelmäßig Bluttransfusionen in Form von Erythrozytenkonzentraten (EK) [1, 2]. Jede EK-Einheit enthält etwa 250 mg im Hämoglobin gebundenes Eisen, die dem Körper mit der Transfusion zugeführt werden, jedoch nicht aktiv eliminiert werden können [3]. Insgesamt befinden sich im menschlichen Körper 2–4 g Eisen, gebunden an Transport- und Speichermoleküle, wie z.B. Hämoglobin, Transferrin und Ferritin. In dieser Form ist das Eisen ungiftig. Wird die Kapazität des Transferrins und die Fähigkeit der Zellen, überschüssiges Eisen in stabiler Form zu speichern, überschritten, liegt das Eisen als Nicht-Transferrin-gebundenes Eisen (NTBI) vor. Dieses freie Eisen ist toxisch, da es zur Bildung von Sauerstoffradikalen und damit zu einer oxidativen Schädigung unter anderem der DNA führt [3]. Überschüssiges Eisen lagert sich in Organen ab, sodass es – nach ungefähr 20 EKEinheiten – zu einer Eisenüberladung kommt [1]. Je nach betroffenem Organ kann sich in der Folge beispielsweise eine Herzinsuffizienz, Leberzirrhose oder auch ein Diabetes mellitus entwickeln.
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Leitlinien empfehlen Eisenchelat-Therapie
Ob eine Eisenüberladung vorliegt, wird in der Regel durch die Messung des Serumferritins ermittelt. In den Leitlinien der MDS-Foun dation werden zur Einschätzung und Überwachung einer Eisenüberladung bei MDS-Patienten folgende Messungen vorgeschlagen [4]: • Serumferritin (als indirektes Maß für die Eisenüberladung im Körper) • Transferrinsättigung • Magnetresonanztomografie der Leber Bei Eisenüberladung empfehlen die Autoren der Leitlinie eine Behandlung mit einem Eisenchelator, wie z.B. Deferasirox (Exjade®). Die Therapie sollte bei polytransfundierten MDSPatienten bei einem Serumferritin >1000 ng/ml und einer Lebenserwartung von mindestens einem Jahr erfolgen. Auch vor oder nach einer allogenen Stammzelltransplantation wird in den Leitlinien bei erhöhtem Serumferritin die Bedeutung einer Eisenchelat-Behandlung dargelegt. Verbesserung der Hämatopoese und Verringerung des Transfusionsbedarfs
MDS-Patienten profitieren in mehrfacher Hinsicht von einer The© VERLAG PERFUSION GMBH
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
Serumferritin
Hämoglobin
16
2500 2000
12 10
Serumferritin µg/l
Hämoglobin (g/dl)
14
1500
8
1000
6 4
500
2
Deferasirox 0 Jul 10
Aug 10
Jun 10
Apr 10
Mai 10
Mär 10
Jan 10
Feb 10
Dez 09
Nov 09
Okt 09
Sep 09
Jul 09
Aug 09
Jun 09
Apr 09
Mai 09
Mär 09
Jan 09
Feb 09
0
Abbildung 1: Ergebnis einer Fallstudie: Die effektive Senkung des Serumferritins mit Deferasirox (Exjade®) ging mit einem Hb-Anstieg in den Normalbereich einher, sodass der Patient keine Transfusion mehr benötigte [7].
Länger leben dank Eisenchelation
1,00
Überleben
roides, thrombozytoides und neutrophiles Ansprechen), sodass der Transfusionsbedarf im Verlauf der Behandlung abnahm. Dies wird durch eine Fallstudie von Guariglia bestätigt [7]: Durch eine effiziente Behandlung mit Deferasirox bei einer hohen Dosis von 30 mg/kg KG/Tag verringerte sich das Serumferritin des MDSPatienten innerhalb eines Jahres von 1990 ng/ml auf 372 ng/ml. Dies ging mit einer Erhöhung des Hb auf Normalwerte einher und führte sogar zur Transfusionsfreiheit (Abb. 1).
0,75
< 300 300–1000
p<0,0001
≥ 1000 0,5
0 6 12 18 Zeit (Monate)
Abbildung 2: Transfusionsabhängige MDS-Patienten leben umso länger, je niedriger ihr Serumferritinspiegel ist [8].
rapie mit Deferasirox. Wie die Ergebnisse der EPIC-Studie bei polytransfundierten Patienten (n=1744, davon 341 MDS-Patienten) zeigen, lässt sich durch die Eisenchelation das mediane Serumferritin signifikant senken, und zwar umso stärker, je länger die Behandlung dauert [5]. Wie wichtig die effek-
tive Reduktion des Serumferritins für das klinische Outcome ist, verdeutlicht eine Post-hoc-Analyse der EPIC-Studie [6]. Sie zeigt, dass es bei den Patienten, bei denen durch die Eisenchelation eine stärkere Serumferritin-Absenkung gelang, auch zu einer Verbesserung der Hämatopoese kam (eryth-
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Mehrere Studien zeigen, dass transfusionsabhängige MDS-Patienten mit Eisenüberladung (Serumferritin >1000 ng/ml), länger leben, wenn sie eine EisenchelatTherapie erhalten. Entscheidend dabei ist die Höhe des Serumferritins: Je niedriger der Serumspiegel ist, desto größer ist der Überlebensvorteil. Eine besonders günstige Prognose hatten Patienten mit einem Serumferritin <300 ng/ ml (Abb. 2) [8]. Der durch die Eisenchelation erzielbare Überlebensvorteil wird auch durch eine retrospektive Matched-Pair-Analyse anhand der Daten des Düsseldorfer MDS-Registers deutlich [9]: 94 Patienten mit Eisenchelat-Therapie (Deferasirox oder Deferoxamin) wurden mit 94 Betroffenen verglichen, die ausschließlich Bluttransfusionen erhielten. Bei den chelierten Patienten handelte es sich hauptsächlich um Niedrigrisiko-MDS-Patienten (83 %). Diese lebten im Median signifikant 26 Monate länger als jene ohne Eisenchelat-Behandlung (75 Monate vs. 49 Monate; p=0,002). © VERLAG PERFUSION GMBH
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AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE FÜR DIE PRAXIS
Deferasirox Deferasirox (Exjade®) bindet mit hoher Affinität an Eisen und bildet einen Chelatkomplex, der überwiegend in den Fäzes ausgeschieden wird. Es wird als einziger Eisenchelator oral verabreicht und ist 24 Stunden wirksam. Exjade® ist zugelassen für Patienten mit β-Thalassaemia major ab 6 Jahren mit chronischer Eisenüberladung aufgrund häufiger Bluttransfusionen. Es kann auch verordnet werden, wenn eine Eisenüberladung bei folgenden Patientengruppen vorliegt: • Patienten zwischen 2 und 5 Jahren mit β-Thalassaemia major, die häufig transfundiert werden • Patienten ab 2 Jahren mit anderen Anämien (z.B. myelodysplastische Syndrome, Myelofibrose und aplastische Anämie) • Patienten mit β-Thalassaemia major ab 2 Jahren, die selten transfundiert werden • Patienten ab 10 Jahren mit nicht transfusionsabhängigen Thalassämien [13]
Besonderheiten bei ThalassämiePatienten
Ursache der Thalassämie-Syndrome sind Gendefekte auf Chromosom 11 (bei β-Thalassämie) oder 16 (bei α-Thalassämie), die zu einer verminderten oder fehlenden Synthese einer oder mehrerer Globinketten führen. Dadurch ist die Hämoglobin-Polypeptidkettenbildung beeinträchtigt und es wird zu wenig normales Hämoglobin gebildet. Bei β-Thalassaemia major ist die daraus resultierende Anämie so schwer, dass die Betroffenen lebenslang auf Transfusionen angewiesen sind. Unbehandelt würde die Anämie bereits im frühen Kindesalter zum Tod führen [2]. Auch hier kommt es aufgrund der chronischen Transfusionsabhängigkeit der Thalassämie-Patienten zur Entwicklung einer Eisenüberladung, die wiederum mithilfe einer Eisenchelat-Therapie mit Deferasirox behandelt werden kann. Dadurch wird die Eisenüberladung in Leber und Herz reduziert [10],
eine Anreicherung von Eisen in den hormonbildenen Organen wird verhindert [11], was sich insgesamt positiv auf das Überleben auswirkt [12]. Die richtige Dosierung ist entscheidend
Die Patienten profitieren jedoch nur dann von der Deferasirox-Therapie, wenn sie effektiv cheliert werden, d.h. eine ausreichende Dosis erhalten. Für polytransfundierte Patienten mit einem Serumferritin >1000 ng/ml und/oder nach Transfusion von 20 EK-Einheiten werden 20 mg Deferasirox/kg KG/ Tag als Initialdosis empfohlen. Dies entspricht bei einem Körpergewicht von 75 kg etwa 3 Tabletten zu je 500 mg, die einmal täglich aufgelöst in einem Glas Wasser, Orangen- oder Apfelsaft eingenommen werden. Liegt das Serumferritin über 2500 ng/ml und zeigt keinen rückläufigen Trend, so kann vorübergehend eine höhere Defer-
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asirox-Dosierung von 40 mg/kg KG/Tag verabreicht werden [5]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Hofmann WK et al. Onkopedia Leitlinien: Myelodysplastische Syndrome (MDS), Stand: März 2011; Online unter: http:// www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/ leitlinien/mds 2 Cario H et al. Thalassämie. AWMF-Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie. Online unter: h t t p : / / w w w. a w m f . o r g / u p l o a d s / t x _ szleitlinien/025-017l_S1_Thalassaemie. pdf 3 Gattermann N, Strupp C. Transfusionsbedingte Eisenüberladung bei Patienten mit myelodysplastischen Syndromen oder aplastischer Anämie. 5. Aufl. November 2009. Online unter: http://www.leukaemiehilfe.de/download-informationen.html?& no_cache=1&tx_drblob_pi1[download Uid]=76 4 Bennett JM et al. Consensus statement on iron overload in myelodysplastic syndromes. Am J Hematol 2008;83:858-861 5 Cappellini MD et al. Tailoring iron chelation by iron intake and serum ferritin: the prospective EPIC study of deferasirox in 1744 patients with transfusion-dependent anemias. Haematologica 2010;95:557-566 6 Gattermann N et al. Hematologic responses with deferasirox therapy in transfusiondependent myelodysplastic syndromes patients. Haematologica 2012;97:1364-1371 7 Guariglia R et al. Positive effects on hematopoiesis in patients with myelodysplastic syndrome receiving deferasirox as oral iron chelation therapy: a brief review. Leuk Res 2011;35:566-570 8 de Swart L et al. Transfusion-dependency is the most important prognostic factor for survival in 1000 newly diagnosed MDS patients with low- and intermediate-1 risk MDS in the European leukemiaNet MDS registry. Blood 2011;118:Abstract 2775 9 Neukirchen J et al. Improved survival in MDS patients receiving iron chelation therapy – a matched pair analysis of 188 patients from the Düsseldorf MDS registry. Leuk Res 2012;36:1067-1070 10 Pennell DJ et al. Deferasirox compared with deferoxamine for the removal of cardiac iron in patients with β-thalassemia major: 2-year data from the cordelia extension. ASH 2013; Abstract 1018 11 Grosse R. Endokrine und kardiale Komplikationen bei sekundärer Eisenüberladung und ihre Behandlung. Kinder- und Jugendmedizin 2013;13:A1-A8 12 Brittenham GM. Iron-chelating therapy for transfusional iron overload. N Engl J Med 2011;364:146-156 13 Fachinformation Exjade®, Stand Oktober 2013
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Talimogen Laherparepvec verringert Tumorgröße bei metastasiertem malignem Melanom
T
alimogen Laherparepvec (T-VEC) ist ein experimentelles onkologisches Immuntherapeutikum, das Herpes-simplex-Viren Typ 1 (HSV-1) enthält, die so modifiziert wurden, dass sie sich selektiv im Tumorgewebe replizieren, die Zellen abtöten und eine systemische, gegen den Tumor gerichtete Immunantwort auslösen. Wie eine retrospektive Analyse bei Patienten mit metastasiertem Melanom zeigt, wurden unter T-VEC sowohl die injizierten Tumoren kleiner als auch die nicht injizierten Tumoren, die bereits in anderen Körperteilen Metastasen gebildet hatten. In der Analyse wurde das Tumoransprechen aus einer Phase-III-Studie erfasst, in der T-VEC bei Patienten mit injizierbaren, nicht exzidierten Melanomen im Stadium IIIb, IIIc und IV im Vergleich zu GranulozytenMakrophagen-koloniestimulierendem Faktor (GM-CSF) untersucht wurde [1]. Die vollständigen Ergebnisse wurden auf dem 67. jährlichen Krebs-Symposium der Society of Surgical Oncology (SSO) in Phönix vorgestellt [2]. Ermutigende Ergebnisse der experimentellen onkolytischen Immuntherapie
Von den 295 mit Talimogen Laherparepvec behandelten Patienten
wurden fast 4000 Tumorläsionen für diese Analyse ausgewertet. In die Hälfte dieser Läsionen wurde mindestens einmal T-VEC injiziert, wohingegen der Rest unbehandelt blieb, darunter auch einige viszerale Tumorläsionen (Tumoren im Bereich solider Organe, z.B. Lunge oder Leber). Die Ergebnisse zeigten bei 64 % der injizierten Tumoren eine Reduktion der Tumorgröße um 50 % oder mehr. Darüber hinaus verkleinerte sich auch ein Drittel der nicht injizierten nicht viszeralen Tumoren sowie 15 % der viszeralen Tumoren um mindestens 50 %. Im Verlauf dieser Studie wurden 35 chirurgische Eingriffe in Zu-
sammenhang mit den Melanomen durchgeführt und in 30 % konnten die Residualtumoren erfolgreich und vollständig entfernt werden. Die in der Phase-III-Studie am häufigsten beobachteten unerwünschten Ereignisse waren Müdigkeit, Schüttelfrost und Fieber. Zu den häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen gehörten unter anderem ein Fortschreiten der Erkrankung in beiden Gruppen sowie Zellulitis und Fieber in der T-VEC-Gruppe. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 26 % der Patienten unter T-VEC und bei 13 % der GM-CSF-Patienten auf. Durch das Immunsystem vermittelte Ereignisse wurden sel-
Talimogen Laherparepvec Das experimentelle onkolytische Immuntherapeutikum, das direkt in den Tumor injiziert wird, besteht aus modifizierten Herpes-simplex-Viren Typ 1, bei denen zum einen die Gene ICP34.5 und ICP47 entfernt wurden, die für eine effektive Virusreplikation im gesunden Gewebe erforderlich sind (dieses enthält im Gegensatz zu vielen Tumorzellen intakte Verteidigungsmechanismen gegen Viren). Zum anderen wurde in die HSV-1-Viren ein Gen für die Produktion von humanem GM-CSF (granulocyte-macrophage colony-stimulating factor) eingeschleust. Durch diesen „Umbau“ replizieren sich die attenuierten Viren selektiv in den Tumorzellen. Dabei kommt es zum lytischen Zelltod sowie zur Freisetzung von aus dem Tumor stammenden Antigenen. Außerdem lockt der lokal exprimierte GM-CSF Antigen-präsentierende Zellen an und aktiviert sie. Ziel dieser Kombination von Wirkungen ist die Auslösung einer systemischen antitumoralen Immunantwort, die sich gegen Tumorzellen im ganzen Körper richtet.
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ten gemeldet. Fazit
Diese Daten untermauern die Lokal- und Fernwirkung von Talimogen Laherparepvec und seine potenzielle Fähigkeit, eine systemische Immunantwort gegen den Tumor zu stimulieren. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Andtbacka RHI, Collichio FA, Amatruda T et al. OPTiM: A randomized phase III trial of talimogene laherparepvec (T-VEC) versus subcutaneous (SC) granulocyte-macrophage colony-stimulating factor (GMCSF) for the treatment (tx) of unresected stage IIIB/C and IV melanoma. J Clin Oncol 2013; 31 (Suppl): Abstract LBA9008 2 Andtbacka RH, Ross MI, Delman K et al. Responses of injected and uninjected lesions to intralesional talimogene laherparepvec (T-VEC) in the OPTiM Study and the contribution of surgery to response. 67th SSO Annual Cancer Symposium, March 12–15, Phoenix, Arizona. Ann Surg Oncol 2014;21(Suppl 1):Abstract #52
Afatinib – eine neue Option für die Therapie des fortgeschrittenen NSCLC mit EGFR-Mutationen
L
ungenkrebs ist in Deutschland sowohl bei Männern als auch bei Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung und steht auf Platz 1 (Männer) bzw. Platz 3 (Frauen) der krebsbedingten Sterbefälle [1]. Für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) steht seit Kurzem mit dem TyrosinkinaseInhibitor Afatinib (Giotrif®) eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung – vorausgesetzt, sie gehören zu den NSCLC-Patienten, bei denen eine Mutation im Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) vorliegt, die zu einer Veränderung der ErbB-Rezeptoren und in der Folge zum Wachstum und zur
Vermehrung der Tumorzellen führt (siehe Insert). Wie die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Studie LUX-Lung 3 zeigen, profitieren speziell diese Patienten von der Behandlung mit dem irreversible ErbB-Family-Blocker Afatinib [2]. Überzeugender Behandlungserfolg in der Erstlinientherapie
In der randomisierten offenen Phase-III-Studie LUX-Lung 3 [2] wurde Afatinib als Erstlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und EGFR-Mutationen mit der als am wirksamsten gegen nicht plattenepitheliale, nicht 13,6
a)
p<0,001
11,1
PFS (Monate)
PFS (Monate)
p<0,001
6,9
Gesamtpopulation
Afatinib
b)
6,9
Subgruppe der Patienten mit häufigen EGFR-Mutationen (89% = del19/L858R) Chemotherapie
Abbildung 1: Die Ergebnisse der LUX-Lung-3-Studie für den primären Endpunkt progres sionsfreies Überleben (PFS) zeigen die Überlegenheit der Erstlinientherapie mit Afatinib gegenüber der Standard-Chemotherapie mit Cisplatin/Pemetrexed für die Gesamtpopulation mit EGFR-M+ (a) und die Subgruppe mit häufigen EGFR-M+ (b) [2]. JOURNAL PHARMAKOL. U. THER. 2/2014 · 23. JAHRGANG
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Afatinib Afatinib (Giotrif®) ist ein einmal täglich oral zu verabreichender Blocker der ErbB-Familie. Diese besteht aus 4 den Rezeptor-Tyrosinkinasen EGFR (ErbB1), HER2 (ErbB2), ErbB3 und ErbB4, die bei vielen Krebsarten häufig überexprimiert oder mutiert sind. Dadurch werden intrazelluläre Signalwege abnorm aktiviert, was zu einer unkontrollierten Zellproliferation führt und das Tumorwachstum fördert. Ein aktiver ErbB-Rezeptor entsteht bei der Dimerisierung (Paarung) zweier Rezeptormoleküle. Dimere können sich aus 2 identischen Rezeptormolekülen bilden (z.B. EGFR+EGFR; dabei entstehen Homodimere) oder aus 2 unterschiedlichen Rezeptormolekülen (z.B. EGFR+HER2; dabei entstehen Heterodimere). Da bei den 4 Rezeptoren verschiedene Paarungen möglich sind, können multiple intrazelluläre Signalwege aktiviert werden.
Der Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Afatinib bindet – im Gegensatz zu den TKI der 1. Generation wie Gefitinib oder Erlotinib, die nur gegen den EGFR gerichtet sind – kovalent an alle von den Mitgliedern der ErbB-Familie gebildeten Homo- und Heterodimere und blockiert irreversibel die Signalgebung über diese Rezeptoren, was wiederum die Tumorzellen am Wachstum hindert und deren Apoptose induziert. NSCLC-Tumoren mit häufigen aktivierenden EGFR-Mutationen (del19, L858R) und mit verschiedenen weniger häufigen EGFRMutationen in Exon 18 (G719X) und Exon 21 (L861Q) sprechen besonders sensitiv auf eine Behandlung mit Afatinib an. Daher empfehlen die führenden nationalen und internationalen Fachgesellschaften, vor der Entscheidung über die Erstlinientherapie einen EGFR-Mutationstest bei Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC durchzuführen. Am 17. Februar 2014 hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Afatinib in der Indikation NSCLC mit aktivierenden EGFR-Mutationen einen Zusatznutzen bestätigt.
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kleinzellige Lungenkarzinome geltenden platinbasierten Chemotherapie-Doublette Cisplatin/ Pemetrexed verglichen. Die 345 chemonaiven NSCLC-Patienten (Stadium IIIB/IV, PerformanceStatus 0–1) erhielten im Verhältnis 2:1 randomisiert entweder Afatinib (oral 40 mg einmal täglich) oder Cisplatin (i.v. 75 mg/m² Tag 1, alle 21 Tage) plus Pemetrexed (i.v. 500 mg/m² Tag 1, alle 21 Tage) bis zu 6 Zyklen. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS, Zeit ab Randomisierung bis zum Progress). Während die Patienten in der Afatinib-Gruppe im Mittel 11,1 Monate progressionsfrei überlebten, lag das PFS in der Chemotherapiegruppe bei nur 6,9 Monaten (HR=0,47; p<0,001). Patienten mit häufigen EGFR-Mutationen (= del19 und L858R, 89 % der Gesamtpopulation) profitierten noch mehr von der Afatinib-Therapie: Bei ihnen betrug das PFS 13,6 Monate vs. 6,9 Monate unter Cisplatin/Pemetrexed (HR 0,47; p<0,001) (Abb. 1). Verbesserung der Symptome und der Lebensqualität
Atemnot, Husten und Schmerzen gehören zu den Leitsymptomen des NSCLC und schränken die Lebensqualität stark ein. In der LUX-Lung-3-Studie wurden die Symptome und die gesundheitsbezogene Lebensqualität mittels standardisierter Fragebögen (EORTC QLQ-C30/QLQ-LC13) erhoben. Die Therapie mit Afatinib verlängerte signifikant die Zeit bis zur Verschlechterung der Leitsymptome Atemnot (p=0,015; Abb. 2) und Husten (p=0,007) und verbesserte die Lebensqualität der Patienten signifikant im Vergleich zu Cisplatin/Pemetrexed. So fiel © VERLAG PERFUSION GMBH
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Zeit bis zur Verschlechterung: Atemnot 1,0 Hazard Ratio 0,68 (95% Kl;0,50–0,93) p=0,015
Wahrscheinlichkeit
0,8
10,3
0,6
Monate (Median)
0,4
2,9
0,2
0,0
Monate (Median)
Afatinib (n=230) Cis/Pem (n=115)
0 3 6 9 12 15 18 21 24 27
Zeitintervall bis zur Verschlechterung (Monate) Abbildung 2: Unter Therapie mit Afatinib war die Zeit bis zur Verschlechterung der Atemnot gegenüber Cisplatin/Pemetrexed signifikant um mehr als 7 Monate verlängert (p=0,015) [3].
es den mit Afatinib behandelten Patienten beispielsweise leichter, ihren täglichen Aktivitäten (z.B. bei der Arbeit oder im Haushalt) nachzugehen, als den Patienten der Chemotherapie-Gruppe [3]. Klassenspezifische TKI-Nebenwirkungen
Unter der Therapie mit Afatinib traten klassenspezifische Nebenwirkungen auf, die reversibel und handhabbar waren. Die häufigsten Nebenwirkungen ≥ Grad 3 waren Diarrhöen (14,4 %) und Hautausschlag/Akne (16,2 %). Therapiebedingte Abbrüche waren selten (8 % vs. 12 % unter Cisplatin/Pemetrexed), lediglich 1,3 % der Patienten brachen die Therapie aufgrund
von Diarrhö und 0 % aufgrund von Hautausschlag/Akne ab [4]. Brigitte Söllner, Erlangen Literatur 1 Robert Koch-Institut, Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg.). Krebs in Deutschland 2007/2008. 8. Ausgabe. Berlin; 2012 2 Sequist L et al. Phase III study of afatinib or cisplatin plus pemetrexed in patients with metastatic lung adenocarcinoma with epidermal growth factor receptor mutations. J Clin Oncol 2013;31:3327-3334 3 Yang J et al. Symptom control and quality of life in LUX-Lung 3: a phase III study of afatinib or cisplatin/pemetrexed in patients with advanced lung adenocarcinoma with epidermal growth factor receptor mutations. J Clin Oncol 2013;31:3342-3350 4 Yang C et al. LUX-Lung 3: A randomized, open-label, phase III study of afatinib versus pemetrexed and cisplatin as first-line treatment for patients with advanced adenocarcinoma of the lung harboring EGFRactivating mutations. J Clin Oncol 2012;30 (Suppl):Abstract LBA7500
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D
ie Ursache für chronisch entzündliche Erkrankungen wie der und rheumatoiden Arthritis ist eine zugrunde liegende Autoimmunreaktion. Diese kann langfristig zu erheblichen Einschränkungen bis hin zumFunktionsverlust der beteiligten Gelenke führen. Je früher die Erkrankung diagnostiziert wird, desto eher kann eine zielgerichtete Therapie eingesetzt werden. Das Rheumascan-Verfahren ist in diesemZusammenhang ein wichtiger Fortschritt, denn es ermöglicht den Nachweis und die Quantifizierung von entzündlichen Erkrankungen in den Händen bereits in einer frühen Phase. Veränderungen der Mikrozirkulation sichtbar machen
Entzündungen sind komplexe Prozesse, die bei vielen Erkrankungen eine zentrale Rolle spielen. Dennoch lassen sich diese Vorgänge nur selten in der Frühphase nachweisen oder genau lokalisieren. Auf Ebene der Blutgefäße liegt bei Entzündungen eine gestörte Mikrozirkulation der feinsten Gefäße mit einem Durchmesser kleiner als 100 μm vor. Sie ist Folge einer kontinuierlichen Gefäßneubildung, eines erhöhten mikrovaskulären Blutflusses und einer gesteigerten Durchlässigkeit des Gefäßendothels. Diese Vorgänge werden durch Entzündungsmediatoren wie TNF-α eingeleitet, die nach Bindung an die Oberfläche von Blutgefäßzellen die Permeabilität der Gefäßwände vergrößern [1]. Das verstärkt den Gewebseintritt von Komponenten des Immunsystems sowie von Antikörpern und ermöglicht das Einwandern von Leukozyten. Das seit 2009 in der EU zugelassene Rheumascan-Verfahren © VERLAG PERFUSION GMBH
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Frühdiagnose der rheumatoiden Arthritis mit dem Rheumascan-Verfahren Indocyaningrün
Abbildung 1: Das Kamerasystem Xiralite® X4 regt die Fluoreszenz des intravenös applizierten Farbstoffs Indocyaningrün mit Leuchtdioden im im dunkelroten Spektrum des Lichts an und stellt die Kontrastmittelkinetik in Echtzeit dar. Die Software XiraView steuert die Untersuchung und assistiert bei der Auswertung. Auf diese Weise kann der Entzündungsstatus gleichzeitig an bis zu 30 Gelenken bestimmt werden. Die Untersuchungszeit beträgt nur 6 Minuten.
Xiralite® X4 nutzt den Farbstoff Indocyaningrün (ICG) und die Veränderung kleinster Blutgefäße, um Entzündungen an den Händen bereits in frühen Phasen zu visualisieren und damit die Voraussetzung für eine entsprechende Behandlung zu schaffen. Einfache Diagnostik
Nach intravenöser Applikation von ICG wird der Farbstoff durch infrarotnahes Licht zur Fluoreszenz angeregt. Das Fluorophor verhält sich im Körper wie ein intravaskulärer Farbstoff, der nur im Falle einer erhöhten Kapillarpermeabilität, wie sie bei Entzündungen auftritt, in geringem Grade in den Interstitialraum übertreten kann [2]. So lässt sich die gestörte Mikrozirkulation bereits bei kleinen Entzündungsherden visualisieren, während bei Gesunden keine Kontrastmittelan-
reicherung nachgewiesen werden kann. Das Kamerasystem Xiralite X4 erfasst die Fluoreszenz an beiden Händen über 6 Minuten in 360 Einzelbildern, sodass der Entzündungsstatus an bis zu 30 Gelenken gleichzeitig bestimmt werden kann. Die Untersuchung ist hoch standardisiert und kann quantitativ ausgewertet werden. Fabian Sandner, Nürnberg Literatur 1 Zgraggen S et al. An important role of blood and lymphatic vessels in inflammation and allergy. J Allergy (Cairo). 2013; doi: 10.1155/2013/672381. Epub 2013 Jan 31 2 Werner SG et al. Fluoreszenzoptische Bildgebung mit dem Xiralite®-System in der Kinderrheumatologie. Arthritis und Rheuma 2012;3:161-166 3 Wipper SH. Validierung der Fluoreszenzangiographie zur intraoperativen Beurteilung und Quantifizierung der Myokardperfusion. Med. Diss. an der LMU München; 2006 4 ICG-Pulsion® Fachinformation, PULSION Medical Systems AG, März 2010
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Erste Tests zur Eignung von Indocyaningrün (ICG) für die medizinische Diagnostik fanden in den 1950er Jahren statt. Die FDA-Zulassung folgte 1959, sodass heute auf langjährige Erfahrungen im Umgang mit dem Farbstoff zurückgegriffen werden kann. Der erste Verwendungszweck war die Diagnose von Lebererkrankungen. In den 1960er Jahren kamen die Untersuchung des renalen Blutflusses und der Durchblutung des Augenhintergrundes hinzu. Mit einem Molekulargewicht von 774,96 Dalton ist ICG ein relativ großer diagnostischer Farbstoff. Er liegt fast vollständig an Plasmaproteine gebunden vor (ca. 80 % an Globuline, 20 % an Albumin), weshalb die Leckage aus den Blutgefäßen nur gering ist [3]. ICG absorbiert Licht von Wellenlängen zwischen 600 und 900 nm und emittiert Fluoreszenz zwischen 750 und 950 nm, wobei das Lösungsmittel die Absorptionsund Fluoreszenzmaxima beeinflusst. So liegt beispielweise das Fluoreszenzmaximum von ICG in Wasser bei 810 nm, in Blut dagegen bei 834 nm [3]. Neben der Mikrovaskularisierung der Hände wird das häufig verwendete ICG-Pulsion® auch zur Herz-, Kreislauf- und Mikrozirkulationsdiagnostik eingesetzt [4]. © VERLAG PERFUSION GMBH
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ür eine erfolgreiche Koloskopie ist eine vorhergehende gründliche Reinigung des Dickdarms mittels einer Darmspüllösung notwendig. Häufig wird die Vorsorgeuntersuchung der Darmschleimhaut jedoch durch eine unzureichende Reinigung erschwert. Dies gilt vor allem für das rechte Kolon, das generell schwieriger zu reinigen ist und bei dem Veränderungen der Darmwand besonders schwer zu identifizieren sind. Zudem beeinflussen Sicherheits- und Verträglichkeitsaspekte sowie eine mangelnde Patientencompliance in Bezug auf die einzunehmende Lösung eine gründliche Koloskopievorbereitung. In über 85 % der Fälle einer ungenügenden Darmvorbereitung führen die Patienten die entsprechende Vorreinigung nicht vollständig durch oder befolgen die schriftlichen Anweisungen nicht [1]. Als Gründe werden zu große Flüssigkeitsvolumina, unangenehmer Geschmack, Anwendungsschwierigkeiten sowie die Angst vor Nebenwirkungen genannt [2]. Daher ist bei mehr als einem Viertel aller Patienten die Darmreinigung unzureichend und die Effizienz des Eingriffs sowie die Genauigkeit der Diagnose sind vermindert [3]. Abhilfe schafft Eziclen®, ein neues osmotisch wirkendes Präparat, das seit Februar in Deutschland auf dem Markt ist. Anwenderfreundliche Darreichungsform
Die geringvolumige osmotische Lösung basiert auf einer Mischung aus Natrium-, Magnesium- und Kaliumsulfat. Durch die neue Formulierung genügt ein geringeres Volumen an Wirkstofflösung als bei herkömmlichen Polyethylenglykol-(PEG)-basierten Lösungen
Eziclen® zur Darmreinigung: Mehr Sicht, mehr Sicherheit
(1 Liter Sulfatsalzlösung versus mindestens 2 Liter PEG-Lösung). Aus dem Konzentrat Eziclen® wird mit Wasser eine Lösung zum Einnehmen hergestellt. Damit dies einfach und korrekt ausgeführt werden kann, steht Eziclen® den Patienten als Komplett-Set für die Darmreinigung inklusive einem 500-ml-Messbecher zur Verfügung. Für eine effektive Reinigung des Darms werden zweimal jeweils 0,5 Liter der Wirkstofflösung getrunken, gefolgt von jeweils einem Liter klarer Flüssigkeit. Die zusätzliche Flüssigkeit kann der Patient aus Wasser, Tee, Kaffee, Limonade, einigen klaren Obstsäften und klarer Brühe frei wählen. Das Präparat selbst schmeckt nach
„Fruchtcocktail“, einer Mischung aus Kirsche, Traube und Fruchtpunsch. Das Medikament kann entweder als geteilte Dosis über 2 Tage (Split-Dosis) oder als 1-Tages-Dosierung oral eingenommen werden. Beim 2-Tages-Schema nimmt der Patient die erste Dosis am Abend vor dem Eingriff und die zweite Dosis etwa 10–12 Stunden später am Morgen des Eingriffs ein. Bei der 1-Tages-Dosierung erfolgt die Einnahme beider Dosen über einen Zeitraum von 4 Stunden am Vorabend des Eingriffs. Unabhängig vom Dosierungsschema sollte die Darmreinigung mindestens eine Stunde vor der Untersuchung abgeschlossen sein [4].
Eziclen® Eziclen® ist eine Sulfat-basierte Formulierung (Natrium-, Magnesium- und Kaliumsulfat), die über eine vermehrte Wasserbindung im Darm die Darmtätigkeit fördert und somit den Darm reinigt. Es ist indiziert zur Darmreinigung bei Erwachsenen zur Vorbereitung auf alle Maßnahmen, die einen gereinigten Darm erfordern (z.B. bei bildgebenden Verfahren wie Endoskopie, Radiologie oder chirurgischen Eingriffen). Die Dosierung von Eziclen® beinhaltet 2 Anwendungen von jeweils nur 0,5 Liter der wirksamen Lösung, gefolgt von jeweils 1 Liter klarer Flüssigkeit. Das Medikament kann entweder als geteilte Dosis über 2 Tage (Split-Dosis) oder als 1-Tages-Dosierung oral eingenommen werden. Wenn es der Zeitplan für den Eingriff erlaubt, ist die Dosisteilung der 1-Tages-Dosierung vorzuziehen [4].
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Ein-Tages-Dosierungsschema
Zwei-Tages-Dosierungsschema
97,2 %
100
82,4 %
95,6 %
80,3 %
Patienten (%)
80 60 40
rung verglichen (n=67) [6]. Auch in dieser Studie zeigte Eziclen® eine bessere Wirksamkeit als die PEG-Lösung (98,4 vs. 89,6 %). Selbst im rechten Kolon wiesen 9 von 10 der mit Eziclen® behandelten Patienten eine effektive Darmreinigung auf. Gute Verträglichkeit und hohe Patientencompliance
20 0 EZICLEN® (n=194)
PEG-E + Vit. C (n=193)
EZICLEN® (n=181)
PEG-E + Vit. C (n=183)
Abbildung 1: Ergebnisse der Studien zur Darmreinigung mit Eziclen® bei Erwachsenen mit geplanter Koloskopie. Studie 1 (n=194) verglich das 1-Tages-Dosierungsschema, Studie 2 (n=181) die 2-Tages-Dosierung von Eziclen® (Split-Dosis) mit der Anwendung einer PEGbasierten Lösung. Die Darmreinigung mit Eziclen® war in beiden Studien mit einer höheren Erfolgsrate verbunden als die Gabe der Vergleichslösung [5].
Erfolgreiche Reinigung aller Kolonabschnitte
In verschiedenen Studien konnte Eziclen® eine hohe Rate an erfolgreichen Darmvorbereitungen und eine gute Wirksamkeit auch im rechten Kolon belegen. Zwei multizentrische, randomisierte, einfach verblindete Nichtunterlegenheits-Phase-III-Studien untersuchten die Wirksamkeit und Sicherheit von Eziclen® sowohl im 1-Tages- als auch im 2-Tages-Dosierungsschema im Vergleich zu einer PEG-basierten Lösung mit Elektrolyten und Vitamin C [5]. In diese Studien eingeschlossen waren auch Risikopatienten wie z.B. ältere Patienten, Patienten mit Nierenversagen, Hypertonie, Diabetes mellitus oder kardialen Vorerkrankungen. In beiden Studien war als primärer Endpunkt der prozentuale Anteil der Patienten mit „erfolgreicher“ Darmreinigung definiert. Dieser wurde anhand einer 4-Punkte-Ska-
la mit 1 = „schlecht“, 2 = „mäßig“, 3 = „gut“ und 4 = „exzellent“ („erfolgreich“ = gute oder exzellente Darmreinigung) bestimmt. Mit Eziclen® waren bis zu 97 % (2-Tages-Dosierung) aller Darmreinigungen erfolgreich (Abb. 1). Das Präparat zeigte in beiden Dosierungsschemata eine mindestens genauso gute Wirksamkeit wie das Vergleichspräparat. Im Split-Dosierungsschema ergaben sich signifikant mehr (>10 %) exzellente Ergebnisse im Eziclen®-Arm als in der PEG-E plus Vitamin C-Gruppe (63,3 % vs. 52,5 %, p=0,05). Die Einstufung „exzellent“ bedeutet, dass der Darm vollkommen frei von Stuhlresten ist. Bei älteren Patienten über 65 Jahren war Eziclen® vergleichbar wirksam wie bei jüngeren Patienten (2-Tages-Dosierung) [5]. In einer weiteren Phase-III-Studie wurde die Wirksamkeit von Eziclen® im 2-Tages-Dosierungsschema (n=63) mit 4 Litern reiner PEG-Lösung als 1-Tages-Dosie-
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In den klinischen Studien bewies Eziclen® sowohl im 1-Tages-Dosierschema als auch bei Split-Dosierung ein gutes Sicherheitsprofil. Am häufigsten wurde über Beschwerden wie Unwohlsein, Blähungen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen berichtet. Die meisten Beschwerden waren nur leicht ausgeprägt [5, 6]. Durch die Teilung der Eziclen®-Dosis sowie eine langsame Einnahme ließ sich die Verträglichkeit noch weiter verbessern. Insgesamt konnte mit Eziclen® eine Compliance von 98–100 % erreicht werden [5, 6]. Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur 1 Romero RV et al. World J Gastrointest Endosc 2013;5:39-46 2 Juluri R et al. BMC Gastroenterol 2011; 11:38-48 3 Cohen LB. Gastroenterol Endosc News 2013; 64:14-15 4 Fachinformation Eziclen®, Stand Oktober 2013 5 Di Palma JA et al. Am J Gastroenterol 2009;104:2275-2284 6 Rex DK et al. Gastrointest Endosc 2010; 72:328-336
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KONGRESSE
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Rheumatoide Arthritis: Neue Behandlungs strategien im Kontext der EULAR-Empfehlungen Oberstes Gebot bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) ist der frühzeitige Beginn der Therapie – möglichst noch vor Eintreten der ersten Gelenkschädigung. Ziel ist die Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität. Dies kann bei einem Großteil der Patienten mit den konventionellen Basistherapeutika (DMARDs) wie Methotrexat (MTX) als First-LineTherapie erreicht werden. Die aktuellen Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) zur RA-Therapie wurden auf einem von der Rheumaeinheit der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der Universität München veranstalteten und von Hexal unterstützten „Med@Media Rheumatologie“ von renommierten Rheuma-Experten erläutert. Sie diskutierten auch über aktuelle Studiendaten zu neuen RA-Medikamenten wie Biosimilars und Janus-Kinase-Hemmern, die auf dem ACR-Kongress 2013 in San Diego vorgestellt worden waren, und zeigten damit neue Perspektiven in der RA-Therapie auf. MTX – unverzichtbarer Anker in der RA-Therapie
In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Behandlungsstrategie bei der RA dramatisch gewandelt. Nach den aktuellen Therapieempfehlungen der EULAR soll die Therapie mit Basistherapeutika beginnen, sobald die Diagnose RA gestellt wurde. Ziel ist bei jedem
Patienten die klinische Remission oder zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität. Laut Professor Hendrik Schulze-Koops, München, kann mit den konventionellen Basistherapeutika das Therapieziel „Remission“ bei einem Großteil der Patienten erreicht werden. Als wichtigstes und wirksamstes Medikament hat sich MTX als „anchor drug“ der RA-Behandlung etabliert und wird daher sowohl von der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) als auch von den EULAREmpfehlungen als Bestandteil der ersten Therapie (als Monotherapie oder in Kombination mit einem Glukokortikoid) genannt. „MTX ist das Medikament mit der umfangreichsten Datenlage und damit steht uns Rheumatologen eine Therapiemöglichkeit zur Verfügung, die größtmögliche Sicherheit, Effektivität und Wirksamkeit aufweist“, lautete das Fazit von Schulze-Koops. Biologika als MTXKombinationspartner
Moderne Biologika können direkt in Entzündungsvorgänge eingreifen und diese komplett unterbinden und so zu einer Remission führen. Die Biologika hätten auch zum Verständnis beigetragen, wie wichtig die frühzeitige Behandlung von RA-Patienten sowie die Kontrolle des Therapieerfolges in kurzen, regelmäßigen Abständen sind, so Schulze-Koops. Es gibt jedoch keine EULAR-Empfehlung zum Einsatz von Biologika als erste Behandlungsoption, da durch eine frühe und konsequente Treat-to-Target-Strategie mit konventionellen DMARDs und MTX als primäre Substanz ein ähnlicher Therapieerfolg wie mit Biologi-
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ka erzielt werden kann. Auf diese Weise kann eine Übertherapie bei 20–50 % der Patienten mit früher RA vermieden werden, erläuterte Schulze-Koops. MTX ist das einzige Medikament, das in den großen Zulassungsstudien der Biologika als Kombinationspartner bei einer ausreichenden Anzahl von Patienten eingesetzt wurde. Daher sprechen sich die EULAR-Empfehlungen für eine konsequente Kombination aller Biologika mit MTX aus, eine Biologika-Monotherapie wird hingegen nicht befürwortet (Abb. 1). Highlights des ACR-Kongresses zur RA-Therapie
Auf dem Kongress des American College of Rheumatology (ACR) Ende Oktober 2013 in San Diego wurden zahlreiche Studienergebnisse zur RA präsentiert. Prof. Klaus Krüger, München, berichtete über die neuesten Erkenntnisse. Mehrere Studien bestätigten, dass die kardiovaskuläre Ko-Morbidität bei RA-Patienten deutlich erhöht ist. Eine Auswertung des deutschen RABBIT-Registers ergab, dass das Schlaganfallrisiko durch die Krankheitsaktivität erhöht wird. Eine andere Untersuchung zeigte eine Steigerung des Mortalitätsrisikos unter Glukokortikoidtherapie. Diese Medikamente sind zu Beginn der RA-Therapie weiterhin unverzichtbar, sollten jedoch bei erreichtem Therapieerfolg so schnell wie möglich ausgeschlichen werden, erläuterte Krüger. Eine französische Untersuchung belegte, dass das Erreichen einer anhaltenden Remission im ersten Jahr einer RA zu einer dramatischen Verbesserung der Langzeitprognose führt. In Bezug auf eine Therapie mit TNF-α-Blockern © VERLAG PERFUSION GMBH
KONGRESSE
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Ländern (nicht in Deutschland) zugelassen. Wie Krüger berichtete, wurden weitere neue Substanzen (z.B. JAK-1-Hemmer GLPG0634, JAK-1/2-Hemmer Baricitinib) mit sehr guten, vielversprechenden Ergebnissen in San Diego vorgestellt. Innovative Ultraschalldiagnostik eröffnet neue Wege
Abbildung 1: EULAR 2013 Empfehlungen zur Behandlung der RA (Smolen JS et al. Ann Rheum Dis 2013). * Vorliegen hoher Krankheitsaktivität, insbesondere mit ungünstigen Prognosefaktoren. ** ADM, CEZ, ETC sind auch für die Monotherapie zugelassen, wenn MTX nicht einsetzbar ist. *** TOC ist auch für die Monotherapie zugelassen, wenn MTX nicht einsetzbar ist und hat sich in Studien als gleich effektiv in der Monotherapie und Kombination mit MTX erwiesen.
zeigten die 10-Jahres-Daten der PREMIER-Studie eine gute klinische Kontrolle ohne relevante Progression. Beachtenswert sei hierbei, dass die besten Resultate bei einem intensiven Behandlungsbeginn mit einer Kombination aus MTX und dem TNF-α-Blocker Adalimumab erzielt werden konnten, betonte Krüger. Bei den weiteren KongressSchwerpunkten konzentrierte sich Krüger auf 2 Aspekte: Biosimilars und Hemmstoffe der intrazellulären Signalübertragung. Mit großem Interesse aufgenommen wurde seine Ankündigung, dass es in absehbarer Zeit aufgrund der neuen Substanzen eine geänderte Nomenklatur für krankheitsmodulierende Wirkstoffgruppen geben könnte: Kortikoide, sDMARDs („Basistherapeutika“), bDMARDs 1 („Biologika“), bDMARDs 2 („Biosimilars“) sowie Inhibitoren der intrazellulären Signaltransduktion. Smolen et al. schlagen eine noch weiter gehende Unterteilung der DMARDs vor: conventional
synthetic DMARDs (csDMARDs), targeted synthetical DMARDs (tsDMARDs), biological original DMARDs (boDMARDs) sowie biosimilar DMARDs (bsDMARDs). Die ersten Biosimilars werden vermutlich Anfang 2015 in Deutschland auf den Markt kommen. Krüger wies hierbei deutlich darauf hin, dass Biosimilars keine generischen Biologika sind, sondern sich in Teilen vom ursprünglichen Molekül unterscheiden und zudem auch aufwendige Produktionsprozesse durchlaufen. „Für uns Rheumatologen stellen die Biosimilars eine Bereicherung der Möglichkeiten in der RA-Therapie dar“, resümierte Krüger. Dies gilt seiner Meinung nach auch für die Hemmstoffe der intrazellulären Janus-Kinase-Signalübertragung (JAK-Hemmer), die ein in der Rheumatologie neues Wirkprinzip vertreten. Anders als Biologika sind sie oral verabreichbar. Der JAKHemmer Tofacitinib, der auch in Kombination mit MTX eingesetzt werden kann, ist bereits in einigen
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Um eine frühzeitige Therapie einleiten zu können, ist eine Diagnosestellung auch bei noch nicht voll ausgeprägtem Krankheitsbild wünschenswert, erklärte Dr. Mathias Grünke, München. Die bildgebende Diagnostik wird hierbei immer wichtiger. Darüber hinaus ist die sensitive Erfassung bestehender entzündlicher Veränderungen notwenig, um das Therapieziel „Remission“ eindeutig feststellen zu können, so Grünke weiter. Zur exakten Diagnosestellung hat sich in den letzten Jahren die Ultrasonografie etabliert, die mittlerweile auch Eingang in die aktualisierten Diagnosekriterien der DGRh gefunden hat. Grünke nannte als Vorteile der Ultraschalldiagnostik unter anderem die fehlende Strahlenbelastung, die gezielte Untersuchung betroffener Strukturen sowie die Möglichkeit, Prognosen zu stellen und den Krankheitsverlauf zu überwachen. Der Rheumatologe stellte ein automatisiertes Ultrasonografieverfahren zur Untersuchung der weiblichen Brust (ABVS) vor, das in der Rheumaeinheit der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der Universität München erstmals zur Darstellung von Händen und Füßen von RA-Patienten eingesetzt wurde. Das ABVS zeichnet kontinuierlich Bilder auf, die mithilfe eines Computerprogramms anschließend in 3 Ebenen dargestellt © VERLAG PERFUSION GMBH
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werden. „In einem Pilotprojekt mit 20 Patienten konnten wir zeigen, dass die Technik des ABVS auch an den Fingergelenken anwendbar ist“, erklärte Grünke. „Die ersten Versuche fielen sehr positiv aus. Und auch die Darstellung der Zehengelenke scheint möglich“, berichtete Grünke. Eine aktuelle Studie soll nun mit einer größeren Patientenzahl die Vergleichbarkeit mit der konventionellen Ultraschalluntersuchung belegen und zeigen, dass auch die Untersuchung der Füße möglich ist. Elisabeth Wilhelmi, München
Enzymersatz: Infusionstherapie zu Hause Bei Patienten mit lysosomalen Speichererkrankungen wie Morbus Fabry und Morbus Gaucher ist eine lebenslange Enzymersatztherapie (EET) per Infusion notwendig. Sie mindert krankheitsbedingte Komplikationen und verbessert die Prognose, ist aber auch mit einem erheblichen Aufwand für die Patienten verbunden. Von einer zu Hause durchgeführten Infusionstherapie profitieren alle Beteiligten, wie die langjährige Erfahrung z.B. aus England und aktuelle deutsche Studiendaten belegen. „In vielen Ländern hat sich die Infusionstherapie zu Hause angesichts ihrer unübersehbaren Vorteile für chronisch Kranke durchgesetzt“, berichtete Professor Michael Beck, Mainz, auf einer Pressekonferenz der Shire Deutschland GmbH. Im Vorreiterland England z.B. sind intravenöse Infusionen in häuslicher Umgebung inzwischen eine Selbstverständlichkeit. In Deutschland erhalten laut Beck bislang etwa 10.000 Patienten die
notwendigen Infusionen zu Hause, vorrangig zur parenteralen Ernährung. Besonders wichtig und nach bisherigen Erfahrungen auch gut durchführbar sind Infusionen zu Hause aber bei chronisch Kranken, deren Lebensqualität und Prognose von einer regelmäßigen Therapie abhängt – darunter auch bei Patienten mit den seltenen lysosomalen Speicherkrankheiten Morbus Fabry und Morbus Gaucher. Infusionstherapie bestimmt das Leben der Patienten
„Morbus Fabry ist eine seltene (Inzidenz ca. 1:40.000) x-chromosomal vererbte multisystemische fortschreitende Erkrankung, die Männer und Frauen betreffen kann und die Lebenserwartung der Patienten unbehandelt um 15–20 Jahre verkürzt“, erklärte Professor Arndt Rolfs, Rostock. Verursacht durch Mutation(en) des GLA-Gens auf dem X-Chromosom kommt es bei den Patienten zum Mangel an alpha-Galaktosidase A, einem für den Abbau von Globotriaosylceramid (Gb3) verantwortlichen Enzym. Je nach Ausprägung des Enzymmangels reichert sich Gb3 als „Abfall“ in den Zellen verschiedener Organe (z.B. Nieren, Herz und Gehirn) an und führt zur Vaskulopathie. Erste Symptome können bereits im 2. Lebensjahr, aber auch erst im Erwachsenenalter auftreten. Typische erste Anzeichen sind starke neuropathische Schmerzen in Händen und Füßen, die nicht auf Analgetika ansprechen. Mit zunehmendem Alter werden die Symptome schwerwiegender und es können (in der Regel erst im Erwachsenenalter) Nieren-, Herzund zerebrovaskuläre Probleme hinzukommen. Therapeutisch kann der Abbau von Gb3 durch
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den Ersatz des fehlenden Enzyms, zum Beispiel mit Agalsidase alfa (Replagal®), unterstützt werden. „Die Infusionsbehandlung bessert zwar die Prognose der Patienten, bestimmt aber auch ihr Leben“, sagte Rolfs. „Noch sind weite Anfahrtswege zur Klinik, Wartezeiten und Ausfallzeiten in Beruf und Schule die Regel und beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten massiv.” In den Leitlinien zur Therapie des Morbus Fabry wird deshalb die Infusionstherapie zu Hause empfohlen. Mehr Lebensqualität durch Therapie zu Hause
Dass sie Vorteile hat, belegen aktuelle Ergebnisse einer durch das Engagement der Shire Deutschland GmbH ermöglichten Studie. Unter Beteiligung spezialisierter Zentren wurden 69 Patienten mit Morbus Fabry über 6 Monate in 14-tägigen Abständen zu Hause mit Agalsidase alfa behandelt. Das Präparat eignet sich laut Rolfs besonders gut für die Heimtherapie, da es im Unterschied zur Agalsidase beta bereits als Infusionskonzentrat zur Verfügung steht und in deutlich kürzerer Zeit (nach Fachinformation 40 Minuten) infundiert werden kann. In der Studie dauerte die Infusion pro Termin 30–134 Minuten (50 % 45–55 Minuten). Mit der Infusionstherapie zu Hause nahm die Patientenzufriedenheit signifikant zu, bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Zudem verbesserten sich durch die Verlagerung von der Klinik in das häusliche Umfeld zahlreiche Dimensionen der Lebensqualität (laut SF-26) deutlich, allen voran das „Gefühl, so gesund zu sein wie andere“. 9 von 10 Patienten gaben an, die Infusion zu Hause weiterzuempfehlen. © VERLAG PERFUSION GMBH
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Auch Patienten mit Morbus Gaucher können von einer Enzymersatztherapie zu Hause profitieren – dafür sprechen erste positive Erfahrungen einer laufenden Studie mit 20 Patienten. „Bei dieser seltenen Erbkrankheit führt ein Mangel des Enzyms Glukozerebrosidase zur Akkumulation von Glukozerebrosid in den Lysosomen der Zellen und damit zunehmend zur Funktionseinschränkung verschiedener Organe“, erläuterte Professor Beck. Zahlreiche Erscheinungsformen und sehr unspezifische Symptome (z.B. Knochenerkrankungen, Schmerzen, Hepatomegalie, Splenomegalie) erschweren die Diagnose, sodass die Krankheit oft erst spät erkannt erkannt wird. Ist Morbus Gaucher mit einem Enzymtest gesichert, kann die Krankheit mittels EET z.B. mit Velaglucerase alfa (VPRIV®) behandelt und die Symptome gelindert werden. Entlastung für die Ärzte
Der betreuende Arzt bleibt bei der Infusionstherapie zu Hause weiterhin für seine Patienten verantwortlich. Er entscheidet über die Eignung der Patienten, legt Dosierung und Applikationsintervalle fest und delegiert die Tätigkeit an ein qualifiziertes Infusionsteam. „Dennoch entlasten die häuslichen Infusionen, da der Arzt hierdurch Zeit spart und die Infusionen in der Klinik und in der Praxis oft nicht entsprechend honoriert werden“, so Beck. Zudem nimmt die Compliance der Patienten zu, unter anderem auch deshalb, weil die Pflegekräfte auf die Einhaltung der Infusionstermine besser achten können. Elisabeth Wilhelmi, München
Halsbeschwerden durch Heuschnupfen
Mit Hyaluronsäure gegen die Pollen-Pharyngitis Nicht nur tränende Augen und Niesanfälle machen Heuschnupfen-Patienten das Leben schwer, sondern auch eine Pollenpharyngitis, die Juckreiz und Kratzen im Hals und Rachen verursacht. „Gegen dieses heimliche Symptom einer allergischen Rhinitis hilft die nachhaltige Befeuchtung der Mund- und Rachenschleimhaut mit einem Hydrogel aus Hyaluronsäure“, resümierte Dr. Wolfgang Grebe, Frankenberg, auf dem Pressegespräch „Neue Trends gegen Rhinitis allergica“ am 21. Februar in Hamburg. Wenn das Immunsystem „aus dem Ruder läuft“
Sobald die Frühblüher Hasel und Erle durchstarten, leiden derzeit rund 15 Millionen Menschen in Deutschland an Heuschnupfen, und jedes Jahr werden es mehr. Ab April kommen die besonders aggressiven Birken- und Pappelpollen hinzu. Generell sind Laubbäume die Hauptverursacher von Pollenallergien, gefolgt von Gräsern, Getreide und Kräutern. Aufatmen können viele Betroffene erst Anfang Oktober, wenn die Zeit der Spätblüher wie Beifuß und Ambrosia zu Ende geht. „Gelangen Pollenkörner oder auch andere im Prinzip harmlose Substanzen wie z.B. Tierhaare oder bestimmte Nahrungsmittel auf die Schleimhaut eines Allergikers, hält dessen fehlgesteuertes Immunsystem die vermeintlichen Angreifer für gefährliche Krankheitserreger und startet bei jedem erneuten Kontakt eine stürmische Abwehr-
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schlacht – die so genannte allergische Reaktion“, erklärte Grebe. „Hierbei setzen Mastzellen als wichtige Mediatoren der Immun antwort unter anderem den „Juckstoff“ Histamin im Körper frei – auch in der Rachenschleimhaut. Die Folge: Der Hals juckt, brennt oder schmerzt, weil die natürlichen Schutz- und Reinigungsmechanismen der Schleimhäute versagen. Hinzu kommen Hustenreiz und Räusperzwang.“ Besserung durch nachhaltige Befeuchtung der Rachenschleimhaut
In dieser Situation kommt es auf eine nachhaltige Befeuchtung der Rachenschleimhaut an. Erst dann kann sie sich erfolgreich gegen die Pollenangriffe zur Wehr setzen. Während herkömmliche muzilaginöse Substanzen wie Soleund Salzlösungen nicht lange der Schleimhaut haften können, entwickeln GeloRevoice® Halstabletten mit Hyaluronsäure ein hochwertiges Hydrogel, das die Schleimhaut eine Stunde und länger pro Tablette befeuchtet. Und davon profitieren Patienten mit Halsbeschwerden. So zeigte eine Beobachtungsstudie in 326 HNO-Praxen an rund 1000 Patienten mit Halsbeschwerden: Die Hyaluronsäure-Therapie lindert Halsschmerzen bzw. Halskratzen nach rund 5 Tagen um etwa 60 %. Ein Erfolg, der Ärzte und Patienten überzeugt: Über 93 % der Patienten beurteilten sich als beschwerdefrei oder gaben an, dass ihre Beschwerden deutlich gebessert seien. Und mehr als 84 % der Ärzte beurteilten den Wirknutzen mit Note 1 oder 2. Fabian Sandner, Nürnberg © VERLAG PERFUSION GMBH
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Rivaroxaban Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern:
Meta-Analyse bestätigt Nutzen der neuen oralen Antikoagulanzien Eine aktuelle Meta-Analyse, publiziert in „The Lancet“, unterstreicht die therapeutische Empfehlung für neue orale Antikoagulanzien (NOAKs) zur Schlaganfallprophylaxe von Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern (VHF). Die Ergebnisse zeigen für NOAKs ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil: Es traten signifikant weniger Schlaganfälle oder systemische Embolien auf als unter Warfarin. Ferner erreichten die NOAKs eine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität sowie der intrakraniellen Blutungen. Die Rate schwerer Blutungen war vergleichbar, wenn die Patienten über 66 % der Zeit im therapeutischen INR-Bereich (TTR >66 %) waren und signifikant niedriger bei Patienten mit TTR <66 %. Die gastrointestinalen Blutungen waren unter den NOAKs erhöht im Vergleich zu Warfarin. Die Meta-Analyse umfasst 71.683 Patienten aus 4 Phase-III-Studien zu Rivaroxaban, Dabigatran, Apixaban und Edoxaban. Darunter die ROCKET AF-Studie, die gezeigt hat, dass die einmal tägliche Gabe von 20 mg Rivaroxaban (Xarelto®) – bzw. 15 mg bei Patienten mit einer Nierenfunktionsstörung und einer Kreatinin Clerance von 30–49 ml/min – einen zuverlässigen Schutz vor Schlaganfällen bietet, ohne die Notwendigkeit eines routinemäßigen Gerinnungsmonitorings. Die Gesamtblutungsraten waren im Rivaroxaban-Arm
Rivaroxaban (Xarelto®) ist unter den neuen oralen Gerinnungshemmern das Medikament mit den meisten zugelassenen Indikationen im Bereich der Prophylaxe und Behandlung von venösen und arteriellen Thromboembolien. Das Präparat ist außerdem der einzige Vertreter dieser Substanzklasse mit einer getesteten Dosierung (15 mg) für Patienten mit leicht bis moderat eingeschränkter Nierenfunktion. Xarelto® bewirkt eine zuverlässige Antikoagulation, bei der keine routinemäßige Gerinnungsüberwachung oder häufige Dosisanpassungen wie bei den VKA erforderlich sind. Es bestehen keine relevanten Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln und nur wenige Wechselwirkungen mit anderen häufig verwendeten Arzneimitteln. Die Einnahme erfolgt einmal täglich als Tablette.
vergleichbar mit Warfarin, jedoch reduzierte sich unter Rivaroxaban die Zahl der gefürchteten intrakraniellen sowie fatalen Blutungen und Blutungen in ein kritisches Organ. Vitamin K Antagonisten (VKA), der bisherige Therapiestandard zur Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit VHF, sind wirksam, weisen aber eine Reihe von Nachteilen auf. Dazu zählen zahlreiche Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln und Arzneimitteln, ein regelmäßiges Gerinnungsmonitoring sowie häufige Dosisanpassungen. Daten aus dem Garfield-Register (Kohorte 1) zeigen, dass nur 40 % der VHF-Patienten mit einer indizierten Antikoagulation diese tatsächlich auch erhalten. Außerdem sind weniger als 50 % der Patienten, die VKA erhalten, gut eingestellt. Die positive Datenlage zu den NOAKs bei der Schlaganfallprophylaxe wächst hingegen kontinuierlich. Aufgrund des günstigeren Nutzen-Risiko-Verhältnisses empfehlen nationale und internationale Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die Europäische Kardiologische Ge-
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sellschaft (ESC) NOAKs inzwischen als Alternative zu VKAs zur Vorbeugung von Schlaganfällen bei der Mehrzahl der Patienten mit Vorhofflimmern. E. W. Quelle: Ruff CT, Giugliano RP, Braunwald E. Comparison of the efficacy and safety of new oral anticoagulants with warfarin in patients with atrial fibrillation a meta-analysis of randomised trials. Lancet 2014;383:955-962
Schlaganfallrisiko: Fünf Tassen Kaffee pro Tag sind kein Problem Die Angst, dass Kaffeegenuss das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen könnte, scheint unbegründet. Im Gegenteil: Forscher haben sogar festgestellt, dass Menschen, die nicht mehr als 5 Tassen Kaffee pro Tag trinken, seltener einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt erleiden als diejenigen, die gar keinen Kaffee trinken. „Nach jahrzehntelanger Diskussion und Verunsicherung ist dies sicher eine gute Nachricht für unsere Patienten“, so Professor Hans-Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie am Uniklinikum Essen © VERLAG PERFUSION GMBH
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und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, und ergänzt: „Kaffee ist – in Maßen genossen – kein Risikofaktor für den Schlaganfall. Wir raten den Menschen, lieber auf den Blutdruck zu achten, sich zu bewegen und nicht zu rauchen.“ Meta-Analyse beleuchtet Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die neueste, größte und wohl auch genaueste Studie über einen möglichen Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und HerzKreislauf-Erkrankungen stammt von Forschern der Universitäten Harvard (USA) und Singapur, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Circulation. Dabei fand man das geringste Risiko bei einem mäßigen Kaffeegenuss von 3–5 Tassen täglich. Aber auch Menschen, die bis zu 7 Tassen Kaffee tranken, erlitten im Durchschnitt weniger Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere Herzleiden als diejenigen, die gar keinen Kaffee tranken. „Diese Studie erbrachte starke Beweise, dass der langfristige Konsum großer Mengen Kaffee nicht mit einem höheren Herz-Kreislauf-Risiko verbunden ist“, schrei ben die Wissenschaftler um den Harvard-Epidemiologen Frank B. Hu. Egal, ob die Studienteilnehmer durchschnittlich nur eine Tasse täglich getrunken hatten oder sieben – das Risiko war eindeutig niedriger gewesen als in der Gruppe ohne Kaffee. Hus Team hatte in seiner MetaAnalyse die Fachliteratur nach hochwertigen Studien anderer Forscher durchforstet. Sie fanden 36 solcher Studien zum Zusam-
menhang zwischen Kaffeekonsum und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Unter den nahezu 1,3 Millionen Studienteilnehmern hatten etwa 48.000 eine Herz-KreislaufKrankheit erlitten oder waren daran gestorben. Verzeichnet wurden dabei auch 12.030 Schlaganfälle. Im Vergleich zu Menschen, die gar keinen Kaffee tranken, war die Schlaganfallrate unter den Vieltrinkern (5 Tassen pro Tag) um 5 % niedriger gewesen. In der Gruppe mit durchschnittlich 1,5 Tassen pro Tag waren 11 % weniger Schlaganfälle aufgetreten. Und in der Gruppe mit moderatem Kaffeekonsum (durchschnittlich 3,5 Tassen) hatten die Forscher das geringste Schlaganfallrisiko errechnet: Es war um 20 % geringer als bei Menschen, die gar keinen Kaffee tranken. Erst ab etwa neun Tassen täglich steigt das Risiko wieder an
„Wenn man das Risiko für einen Schlaganfall oder andere HerzKreislauf-Erkrankungen dem Kaffeekonsum gegenüberstellt, so ergibt sich eine U-förmige Kurve“, erläutert Diener. Menschen, die gar keinen Kaffee trinken, sind stärker gefährdet als diejenigen mit wenigen Tassen am Tag. Bei 3–5 Tassen ist das Risiko am geringsten. Mit zunehmendem Kaffeekonsum steigt das Risiko dann wieder leicht an. Ein höheres Risiko als Nicht-Kaffee-Trinker scheint man jedoch erst ab ungefähr 9–10 Tassen täglich zu haben. „Die meisten Menschen brauchen sich also keine Sorgen zu machen, lediglich etwa in der Schwangerschaft und bei schwer einstellbarem hohem Blutdruck ist Zurückhaltung angebracht“, rät Diener.
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Intensive Kaffee-Forschung schon seit den 1960er-Jahren
Die Frage, ob zu viel Kaffee für das Herz schlecht ist, beschäftigt Wissenschaftler schon seit mindestens einem halben Jahrhundert. Sie zeigten, dass Koffein kurzfristig den Herzrhythmus stören und den Blutdruck erhöhen kann. Viele Vergleichsstudien, bei denen man rückblickend den Kaffeekonsum von Herzkranken mit dem Gesunder verglichen hatte, schienen auf ein erhöhtes Risiko hinzuweisen. Allerdings gilt diese Art der Betrachtung in der Forschung als weniger zuverlässig gegenüber prospektiven Studien, wie sie in der aktuellen Untersuchung zusammengefasst wurden. Das Getränk enthält mehrere Hundert verschiedene Substanzen. Die U-Kurve könnte demnach die Folge einer Kombination von positiven und schädlichen Effekten dieser Substanzen sein. Kompliziert werden Vergleiche auch dadurch, dass sich die Methoden der Kaffeezubereitung im Laufe der Jahrzehnte geändert haben. Früher wurde das Pulver zumeist gekocht, heute wird es eher gefiltert. Weil gekochter Kaffee nachweislich das Blutfett Cholesterin erhöht, Filterkaffee aber nicht, könnten unterschiedliche Studienresultate auch damit zu erklären sein, dass Kaffee heute schlicht „gesünder“ hergestellt wird als früher. Das würde dann aber auch bedeuten, dass die Studienergebnisse nicht auf französischen oder türkischen Kaffee zu übertragen sind, geben die Forscher zu bedenken. DGN Quelle: Ding M, Bhupathiraju SN, Satija A, van Dam RM, Hu FB. Long-term coffee consumption and risk of cardiovascular disease: a systematic review and a dose-response meta-analysis of prospective cohort studies. Circulation. 2014;129:643-659
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Netzhauterkrankungen: Ranibizumab-Fertigspritze sorgt für mehr Sicherheit Netzhautspezialisten steht seit dem 15. März mit der neuen Lucentis®Fertigspritze eine zeitsparende und anwendungsfreundliche Methode zur intravitrealen Verabreichung von Ranibizumab zur Verfügung. Die gebrauchsfertige Lösung ist in der Zusammensetzung mit der in der Durchstechflasche erhältlichen Lösung identisch. Der Wirkstoff Ranibizumab stellt einen wirksamen pharmakologischen Ansatz zur Behandlung von Netzhauterkrankungen dar. Das Antikörperfragment wird direkt ins Auge injiziert, um den dort vorhandenen VEGF zu neutralisieren. Dieser gilt als eine Ursache für eine erhöhte Gefäßpermeabilität und kann dazu führen, dass vermehrt Flüssigkeit aus den Kapillaren austritt und so ein Makulaödem entsteht. Ranibizumab ist zugelassen zur Behandlung der feuchten altersbedingten Makuladegeneration sowie zur Behandlung von Patienten mit einer Visusbeeinträchtigung infolge eines diabetischen Makulaödems, eines Makulaödems aufgrund eines retinalen Venenverschlusses oder infolge einer choroidalen Neovaskularisation aufgrund einer pathologischen Myopie. Erhöhte Sicherheit und erhebliche Zeitersparnis
Durch den Spritzenzylinder mit einem geringen Durchmesser
ist eine hohe Dosiergenauigkeit möglich. Sie verleiht dem behandelnden Arzt Sicherheit hinsichtlich der verabreichten Dosis (eine Fertigspritze enthält 1,65 mg Ranibizumab). Außerdem sorgt der nicht zurückziehbare Kolbenstopfen dafür, dass keine unsterile Luft eingesogen wird, sodass sich das Risiko unerwünschter Ereignisse infolge einer Kontamination verringert. Im Vergleich zur Durchstechflasche entfallen bei Verwendung der Fertigspritze mehrere Vorbereitungsschritte, wie das Aufsetzen der Filternadel, das Aufziehen des Wirkstoffs und das Austauschen der Filternadel mit der Injektionsnadel. Dies spart Zeit und führt zu einem verbesserten Ablauf in der klinischen Praxis. E. W.
7-Tage-Schmerzpflaster jetzt zum Festbetrag Zum 1. Februar 2014 wurde der Preis für das 7-Tage-Schmerzpflaster Norspan® auf Festbetragsniveau gesenkt. Damit reagiert der Schmerzexperte Grünenthal auf die Entscheidung des GKVSpitzenverbands und bietet jedem behandelnden Arzt eine wirtschaftliche Alternative in der Schmerztherapie betagter und hochbetagter Patienten. Eines der elementaren Therapieziele bei chronischen Schmerzpatienten ist der Erhalt der Selbstständigkeit und Lebensqualität. Nicht selten lösen jedoch Multimorbidität, Polymedikation und Wechselwirkungen bei dieser Patientengruppe Medikationsprobleme aus. Eine Problematik, die ein besonderes therapeutisches Vorgehen und eine Therapieanpas-
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sung erfordert. So kommt es nicht nur auf die Wahl eines geeigneten Wirkstoffs, sondern auch auf einen erfolgversprechenden Applikationsweg und gegebenenfalls einen niedrig dosierten Therapiestart an. Das Buprenorphin-haltige 7-TageSchmerzpflaster ist bei betagten und hochbetagten Patienten breit einsetzbar. Selbst Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz können Buprenorphin ohne Dosisanpassung anwenden, da die Substanz überwiegend hepatisch metabolisiert und zu einem großen Teil über die Fäzes eliminiert wird. Die ZNS-Verträglichkeit ist aufgrund des ĸ-Antagonismus vergleichsweise gut. Auch wegen seines geringen Interaktionspotenzials und der geringen Toleranzentwicklung ist Buprenorphin das Analgetikum der Wahl bei geriatrischen Schmerzpatienten. Der transdermale Applikationsweg führt zu einem gleichmäßigen Wirkstoffspiegel über 7 Tage und erlaubt so eine dauerhafte Schmerzkontrolle über eine gesamte Woche. Dadurch kann eine effektive Schmerzlinderung erzielt werden, die mit einer umfassenden Verbesserung der Alltagskompetenz korreliert. F. S.
Antibiotika nur noch einmalig vor Operationen verabreichen Patienten, die auf chirurgischen Stationen liegen, erleiden doppelt so oft Infektionen wie Patienten anderer Fachdisziplinen – am häufigsten Wundinfektionen. Um solchen Ansteckungen vorzubeugen, verabreichen die Ärzte Antibiotika. Wie die Zahl der Wundinfektionen gesenkt, aber gleichzeitig © VERLAG PERFUSION GMBH
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unnötiger Antibiotikagebrauch verhindert werden kann, zeigt ein 5-Punkte-Plan zum Umgang mit Antibiotika vor und nach operativen Eingriffen, den die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) auf dem 131. Chirurgenkongress in Berlin vorgestellt hat. 5-Punkte-Plan gegen Wundinfektionen und Antibiotika-Resistenzen
An erster Stelle dieses Leitfadens steht die Auswahl eines geeigneten Antibiotikums in korrekter Dosierung. Eine interdisziplinäre Gruppe erstellt dazu eine Liste mit Empfehlungen. Diese berück-
sichtigt, welche Erreger bereits Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt haben, soll aber auch aufzählen, welche Eingriffe – wie etwa Schilddrüsen-Operationen – ohne Antibiotika erfolgen können. Wer soll das Medikament geben? Punkt 2 des Prophylaxe-Plans legt fest: Es ist Aufgabe der Anästhesie, das Antibiotikum zu verabreichen. Diese Regelung soll damit drittens sicherstellen, dass die Prophylaxe zuverlässig 60–30 Minuten vor dem Eingriff erfolgt – das ist der optimale Zeitpunkt. Dauert die Operation voraussichtlich nicht länger als 3 Stunden, ist diese einmalige Gabe ausreichend. Nur bei längerer Operation oder einem starken Blutverlust sollte das Antibiotikum während des
Eingriffs erneut gegeben werden. Auf diese Regel Nummer 4 folgt der letzte Punkt des Leitfadens, wonach eine Gabe von Antiinfektiva über die Operation hinaus unbedingt unterbleiben sollte. Denn durch diesen unnötigen Gebrauch werden die Entstehung und Verbreitung lebensgefährlicher Krankenhausinfektionen gefördert – es entwickeln sich multiresistente Krankenhauskeime, die auf gängige antibakterielle Wirkstoffe nicht mehr ansprechen. So kann eine unnötig lange Antibiotikatherapie das Gleichgewicht der Darmflora stören – mit der Folge, dass sich Erreger ausbreiten und Giftstoffe bilden, die lebensbedrohliche Darminfektionen auslösen. DGCH
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Herausgeber: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Univ.-Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Leiter Bereich Kardiologie RZP Potsdam und Geschäftsführer BBGK e.V. Berlin Konstanzer Straße 61 10707 Berlin Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. M. Alexander, Infektiologie, Berlin Prof. Dr. L. Beck, Gynäkologie, Düsseldorf Prof. Dr. Berndt, Innere Medizin, Berlin Prof. Dr. H.-K. Breddin, Innere Medizin, Frankfurt/Main Prof. Dr. K. M. Einhäupl, Neurologie, Berlin Prof. Dr. E. Erdmann, Kardiologie, Köln Prof. Dr. Dr. med. E. Ernst, University of Exeter, UK Prof. Dr. K. Falke, Anästhesiologie, Berlin Prof. Dr. K. Federlin, Innere Medizin, Gießen Prof. Dr. E. Gerlach, Physiologie, München Prof. Dr. H. Helge, Kinderheilkunde, Berlin Prof. Dr. R. Herrmann, Onkologie, Basel Prof. Dr. W. Jonat, Gynäkologie, Hamburg Prof. Dr. H. Kewitz, Klin. Pharmakol. Berlin Prof. Dr. B. Lemmer, Pharmakologie, Mannheim/Heidelberg
Prof. Dr. med. R. Lorenz, Neurochirurgie, Frankfurt Prof Dr. J. Mann, Nephrologie, München Dr. med. Veselin Mitrovic, Kardiologie, Klinische Pharmakologie, Bad Nauheim Prof. Dr. R. Nagel, Urologie, Berlin Prof. Dr. E.-A. Noack, Pharmakologie, Düsseldorf Prof. Dr. P. Ostendorf, Hämatologie, Hamburg Prof. Dr. Th. Philipp, Innere Medizin, Essen Priv.-Doz. Dr. med. B. Richter, Ernährung – Stoffwechsel, Düsseldorf Prof. Dr. H. Rieger, Angiologie, Aachen Prof. Dr. H. Roskamm, Kardiologie, Bad Krozingen Prof. Dr. E. Rüther, Psychiatrie, Göttingen Prof. Dr. med. A. Schrey, Pharmakologie, Düsseldorf Dr. Dr. med. C. Sieger, Gesundheitspolitik u. Gesundheitsökonomie, München Prof. Dr. E. Standl, Innere Medizin, München Prof. Dr. W. T. Ulmer, Pulmologie, Bochum Schriftleitung: Prof. Dr. med. Karl-Ludwig Resch, FBK Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH, Kirchstraße 8, 08645 Bad Elster Telefon: 037437 557-0 Bibliothek: 037437 2214 [Library] E-Mail DIG: info@d-i-g.org E-Mail persönlich: k.l.resch@d-i-g.org
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Günstige Prognosegruppe* profitiert besonders von ZYTIGA® *Post-hoc-Analyse chemonaiver mCRPC-Patienten
mit tumorbedingtem Schmerz laut BPI-SF 0–1 und PSA-Wert ≤ 114 ng/ml zu Studienbeginn Nach M 36 onaten mehr als 70 %1 Überleben
100
Patienten, die den Endpunkt noch nicht erreicht haben [%]
90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0
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Monate Günstige-Prognose-Gruppe (n = 560; 51 %) ZYTIGA® + Pred. Placebo + Pred. HR 0,608 (p = 0,0016)
Ungünstige-Prognose-Gruppe (n = 528; 49 %) ZYTIGA® + Pred. Placebo + Pred. HR 0,966 (p = 0,7776)
Pred. = Prednison/Prednisolon
mod. nach (1)
Die Günstige-Prognose-Gruppe zeigt hohen Therapienutzen gegenüber Placebo + Prednison/Prednisolon: Das mediane Gesamtüberleben verlängerte sich } 39 % Reduktion des Sterblichkeitsrisikos Nach 36 Monaten benötigten mehr als 60 % der Patienten noch keine Opiate Nach 36 Monaten benötigten mehr als 55 % der Patienten noch keine Chemotherapie 1. Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V: Janssen-Cilag GmbH, Abirateronacetat (ZYTIGA®), Modul 4 A. Stand 14.01.2013: www.gba.de/informationen/nutzenbewertung/60/. Letzter Abruf: 24.7.2013 q Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Daher ist es wichtig, jeden Verdacht auf Nebenwirkungen in Verbindung mit diesem Arzneimittel zu melden. ZYTIGA® 250 mg Tabletten. Wirkstoff: Abirateronacetat. Zusammensetz.: Jede Tabl. enth. 250 mg Abirateronacetat. Sonst. Bestandt.: Mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Povidon (K29/K32), hochdisperses Siliciumdioxid, Natriumdodecylsulfat. Anw.geb.: Zusammen m. Prednison od. Prednisolon; z. Bhdlg. d. metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms b. erwachs. Männern m. asympt. od. mild sympt. Verlauf d. Erkr. nach Versagen d. Androgenentzugsther., b. denen e. Chemother. noch nicht klin. indiz. ist sowie z. Bhdlg. d. metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms b. erwachs. Männern, deren Erkr. währ. od. nach e. Docetaxel-halt. Chemother. progredient ist. Gegenanz.: Überempfindl. gg. Abirateronacetat od. einen d. sonst. Bestandt.; Leberschäden, schwere Leberfunkt.störg. (Child-Pugh-Klasse C); nicht z. Anw. b. Frauen sowie b. Kindern u. Jugendl.. Nebenwirk.: Sehr häufig: Harnwegsinfekt., Hypokaliämie, Hypertonie, Diarrhö, periph. Ödeme; häufig: Sepsis, Hypertriglyceridämie, Herzinsuff. (auch kongest. Herzinsuff., linksventrik. Dysfunkt. u. vermind. Ejektionsfraktion), Angina pect., Arrhythmie, Vorhofflimmern, Tachykardie, Dyspepsie, erhöhte Alaninaminotransferase, erhöhte Aspartataminotransferase, Hautausschlag, Hämaturie, Frakturen (alle m. Ausn. d. patholog. Frakturen); gelegentlich: Nebenniereninsuff., Myopathie, Rhabdomyolyse. selten: allerg. Alveolitis. Warnhinw.: Frauen, die schwanger sind od. sein könnten, sollen ZYTIGA® nicht ohne Handschuhe handhaben; b. Geschlechtsverkehr m. einer Schwangeren ist ein Kondom erforderl.; b. Geschlechtsverkehr m. einer Frau im gebärfähigen Alter ist ein Kondom u. gleichz. eine and. zuverlässige Verhütungsmethode erforderl.; bes. Vors. b. Pat. m. hohem Blutdruck, Herzschwäche, niedrigem Blutkaliumspiegel, and. Herzprobl. od. Probl. m. Blutgefäßen i. d. Anamnese, b. Pat. m. hohem Blutzucker, b. Pat. m. mäßiger Leberfunkt.störg., b. Pat. m. schwerer Nierenfunkt.störg., beim Absetzen v. Prednison od. Prednisolon; ZYTIGA® darf nicht zusammen m. Nahrungsmitteln eingenommen werden (mind. 2 Std. vor Einn. d. Tabl. u. mind. 1 Std. nach Einn. d. Tabl. soll keine Nahrungsaufnahme erfolgen); ZYTIGA® in Kombin. m. Prednison od. Prednisolon kann d. Vermind. d. Knochendichte verstärken; b. Pat., d. zuvor wg. e. Prostatakarzinoms m. Ketoconazol bhdlt. wurde, könnten gering. Response-Raten auftreten. ZYTIGA® kann zu e. Abnahme d. roten Blutzellen u. einer Vermind. d. Geschlechtstriebs führen. Vors. b. Pat., d. gleichz. m. Arzneim. bhdlt. werden, die m. d. Entstehung v. Myopathie/Rhabdomyolyse assoziiert sind. Vors. b. gleichz. Anw. v. Arzneim., d. durch CYP2D6 aktiviert od. metabolisiert werden; starke CYP3A4-Induktoren sollen währ. d. Bhdlg. m. ZYTIGA® vermieden werden, es sei denn, es gibt keine therapeut. Alternative; siehe im Übrigen ausführl. Warn- u. Wechselwirkungshinw. gem. Fachinfo. Verschreibungspflichtig. Pharmazeut. Unternehmer: Janssen-Cilag International NV, B-2340 Beerse, Belgien. Stand d. Inform.: 01/2014.
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