allgäuALTERNATIV Herbst/Winter-Ausgabe 2013

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Ausgabe 3/2013

allg채u ALTERNATIV Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz

E-Mobil: Batteriekraft erobert Land und Luft Wasserkraft: Fischfreundlich an der Iller Windr채der: Viel Sand im Getriebe



Auf ein Wort

Wind und Wille ...auf kommunaler Ebene abwickeln ur Weiterentwicklung der Windkraft im Ostallgäu stehen für mich weiterhin Wind und Wille im Vordergrund. Wo es also wirtschaftliche Grundlagen gibt, keine Ausschlussgründe und der kommunale und der Bürgerwille zur Errichtung von Windkraftanlagen vorhanden sind, unterstütze ich solche Projekte, und dies tut auch mein Haus. Im Ostallgäu geschieht dies seit Monaten weitestgehend über die kommunale Bauleitplanung und weniger über die Regionalplanung. In mehreren konzeptionellen Abstimmungsgesprächen mit den betroffenen Kommunen konnten wir einen Weg erreichen, der die oben beschriebene Strategie unterstützt. Diesbezüglich haben wir längst unsere Hausaufgaben gemacht! Mittlerweile sind einige Standorte im Ostallgäu durch neue Erkenntnisse des Artenschutzes entfallen. Auch haben wir als Landratsamt im Rahmen der Beteiligung bei Flächennutzungsplanänderungen und als Träger öffentlicher Belange Argumente des Landschaftsund/oder Denkmalschutzes gegen mögliche Standorte eingebracht (z.B. teilweise in Marktoberdorf). Mittlerweile ist auch die Problematik des Funkfeuers in Kempten hinzugekommen, das ebenfalls eine bestimmte Anzahl an geplanten Windkraftanlagen verhindert. Meine Strategie von »Wind und Wille« wird dadurch gestützt, dass auch die Abstandsflächenproblematik unklar ist und deswegen keine Maßnahmen gegen den örtlichen Willen »durchgesetzt« werden sollen und dürfen. Außerdem kritisiert die Wirtschaft den aus ihrer Sicht nicht vertretbaren Energiepreisanstieg durch unkonzeptionelle Erweiterung der regenerativen Energie. Strompreiserhöhungen betreffen durch Erhöhung des EEG-Anteils auch Privathaushalte. Auch deswegen gibt es keinen Anlass, zum jetzigen Zeitpunkt in Zweifel stehende Windkraftanlagen unbedingt durchzusetzen. Ich habe auch aus den genannten Gründen für die Zurückstellung der Weiterentwicklung des Regionalplans

Archiv: allgäuALTERNATIV, Volker WilleWille

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plädiert. Das Landratsamt Ostallgäu wird jeden Antrag auf Errichtung einer Windkraftanlage im Hinblick auf Artenschutz, Landschafts- und Naturschutz, Abstände, Erholungsnutzungen etc. genauestens prüfen und in Verbindung mit dem Willen vor Ort entscheiden. Für weitere Auskünfte stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Ich glaube, dass wir mit diesem individuellen Vorgehen, das sich auf die regionale Willensbildung stützt, richtig liegen. Ein ursprünglich von Umweltminister Söder verkündetes intensives Umsetzungsvorgehen wird es bei uns nicht geben! Johann Fleschhut, Landrat Ostallgäu

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Impressum

Impressum Verlag und Herstellung: Verlag HEPHAISTOS EDITION ALLGÄU Lachener Weg 2 87509 ImmenstadtWerdenstein Tel. 08379/728616 Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info www.allgaeu-alternativ.de

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Herausgeber:

Redaktion: Viola Elgaß (v.i.S.d.P.), Thomas Niehörster, Annette Müller, Volker Wille

Gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht aber des Verlages dar.

Layout: Bianca Elgaß, Ramona Klein, Dominik Ultes

Anzeigen: Sven Abend (Ltg.) Kathrin Geis Tel. 08379/728616; gültige Anzeigenpreisliste: 1/2010

Bankverbindung Verlag: Raiffeisenbank OberallgäuSüd eG, Konto 7282770, BLZ 73369920

Druck und Bindung: Kastner & Callwey Medien GmbH Jahnstraße 5 85661 Forstinning

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Fotos: Dominik Ultes, Flkykly, mrt-Wind, Moritz Eschenlohr, Judith Schweizer, Philipp Steinbacher, EDITION ALLGÄU; Titelfotos: seagames50/Fotolia.de, Dominik Ultes, Volker Wille, EDITION ALLGÄU

Peter Elgaß

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Inhalt Vorwort

Seite 3

Richtig bauen Alles spricht für Naturholz

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Energieberatung Informieren – sanieren – sparen

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Energiepolitik Der European Energy Award

Seite 12

Windkraft Der Dreh auf dem Dach Das Kunst-Kraftwerk Den wilden Drachen zähmen Gegenwind für Windkraft Kleinwindanlagen im Buch verglichen

Seite 14 Seite 16 Seite 17 Seite 18 Seite 19

E-Mobilität E-Mobil: Geräuscharm und bärenstark E-Bike: Volle Kraft auf zwei Rädern E-Flugzeug: E-Genius auf Wolke sieben E-Solar: »Wir sind Vizeweltmeister« E-Bike: Die Kraft aus dem Hinterrad

Seite 20 Seite 23 Seite 24 Seite 25 Seite 26

Technik-Tradition Das Tal der Tüftler Strom speichern Wasser als Energie-Batterie? Energie und Umwelt Der gläserne Iller-Fisch Ostallgäu/Tirol Fünf Betreiber im Verbund Neue Brennstoffe Kohle aus der Abfallgrube

Meldungen Vortrag zum Thema LED-Lampen Seite 46 »Röntgenblick« für Gebäudewände Seite 46 Starke Impulse für den Klimaschutz Seite 46 Neuer Strom kommt per Hubschrauber Seite 47 Die Oberallgäuer kriegen ihr Fett weg Seite 47 Erster Weißtannenpreis verliehen Seite 47 Ein Roboter fährt Bergbahn Seite 48 Klimawandel: Chancen für das Allgäu Seite 48 Student prüft Biberacher Bauherren Seite 49 Neue Klimaschutzbeauftragte Seite 50 Energiemanagement wird gefördert Seite 50 Neue Steuerung und neue Zertifikate Seite 50 Altmaier auf Augsburger Energietag Seite 51 Zweigleisige Illertalbahn statt A 7-Ausbau Seite 52 Baubeginn: Hauptcampus für Zeppelin Uni Seite 52 Praxishinweise für Bodenschutz beim Bau Seite 52 Neue Energieeinsparverordnung Seite 53 Umwelt-Service Per Roboter unter die Erde

Seite 54

Für Sie vorausgelesen: »Schlaue Netze«

Seite 55

Offensive Meckatzer denkt regional

Seite 56

Energie sparen Beispiel: Gymnasium Buchloe

Seite 57

Lebensraum Zu viel Flächenverbrauch

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Ernte per Internet Einladung zum Pflücken

Seite 60

Moorschutz Verkaufs-Hit torffreie Erde

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Energie sparen Wo die Kühlgeräte heizen

Seite 40

Ökologie Der Rückzug der Schmetterlinge Was flattert in der Region?

Ökologisch bauen Das Nur-Holz-Haus »von hier«

Seite 41

Phänologie Pflanzen kennen das Wetter

Seite 65

Energiesparend bauen Mehrfamilienhaus betankt Auto

Seite 42

Ökologie Sie fliegen auf Blumenwiesen

Seite 66

Solarenergie Feuer am Dach

Seite 43

Aktive Allgäuer Hochprozentig energetisch

Seite 67

Solarthermie Mit Sonne und Wasser rechnen

Seite 44

Landschaftspflege Im Einklang mit der Natur

Seite 68

Seite 45

Hochschul-Projekt Allgäu – maßstäblich versorgt

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Pioniere der Region Der schnelle Leo Müller

Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe ist der 17. Januar 2014

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Richtig bauen

Alles spricht für Naturholz Gute und weniger gute Bodenbeläge Immer mehr Anwender achten beim Dämmen auf die Verwendung von langlebigen Produkten. Oft wird aber bei der energetischen Sanierung ein Part übersehen, der wichtig für eine sinnvolle Renovierung ist: der richtige Fußboden.

Foto: © karam miri/fotolia.com

Teppiche und Teppichböden

Wer einen Teppich oder Teppichboden einsetzen will, sollte Naturfasern bevorzugen

Der Naturholz-Boden gehört zu den Bodenbelägen, die seit Frühzeiten eingesetzt werden und sehr hohe Dämmwirkung und Haltbarkeit haben

Holzfußböden

Foto: © Friedberg/fotolia.com

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Jahrhundertelang gab es bei Fußböden keine Frage: Holz oder Stein waren die einzigen Alternativen. Wobei man schon in der Frühzeit dazu überging, Steinböden mit Stoffen zu belegen, um die natürliche Kälte des Steins zu dämpfen. Zu diesem Zweck sind Teppiche seit Jahrtausenden im Einsatz. Denken wir nur mal an die irrsinnig teuren Orientteppiche. Sie sind zwar fast ausschließlich aus Naturfasern, aber die Besitzer neigen dazu, sie aufgrund des hohen Preises möglichst lange zu nutzen. Es setzen sich schädliche Substanzen fest, die auch durch Reinigen nicht ganz zu vermeiden sind. Besser ist es, Teppiche aus Naturfasern wie Wolle, Kokos und Sisal zu verwenden – und sie nach einigen Jahren der Verwendung zu ersetzen. Kunstfaser-Teppiche können schädliche Stoffe enthalten, die ausdünsten und deshalb die Gesundheit beeinträchtigen können. Naturfasern haben gegenüber synthetischen Teppichen den Vorteil, dass sie gut dämmen, atmungsaktiv sind und, soweit Wolle der Grundstoff ist, auch natürliche Wollfette zur Schmutzabweisung haben.

Seit Urzeiten ist Holz ein bewährter Fußbodenbelag. Es dämmt und erzeugt Wohlbehagen. Früher wurden einfach Bretter der Länge nach hingelegt und gelegentlich mit Naturwachs behandelt oder gescheuert. Heute gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher Holzböden. Zuerst sollte man beim Kauf darauf achten, dass nur Holz aus heimischen Wäldern benutzt wird. Das wohl bekannteste Siegel für nachhaltige Holzprodukte weltweit ist das FSC-Zertifikat (Forest Stewardship Council). Fichte, Tanne, Kiefer, Lärche und Weißtanne sind die europäischen Nadelgehölze, die zu Fußböden

verarbeitet werden. Bei den Laubhölzern ist die Auswahl größer. Buche, Eiche, Esche und Ahorn sind die meist verwendeten Sorten. Massivholzdielen sind elastisch und fußfreundlich. Sie haben allerdings den Nachteil, dass sie bei Temperaturschwankungen in den Fugen arbeiten. Bei modernen Energiespar-Häusern dürfte das aufgrund der Wärmesteuerung aber kaum mehr ein Problem darstellen. Holzfußböden werden mit Wachs oder Öl behandelt. Dabei bleibt das Holz offenporig. Der Vorteil: Der Boden fühlt sich natürlich an. Will man allerdings höchste Strapazierfähigkeit erhalten, ist eine Versiegelung mit Lack sinnvoll. Für die Herstellung von Lacken und Lasuren werden oft gefährliche Stoffe eingesetzt, auf deren Verwendung auch künftig nicht ganz verzichtet werden kann (Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft 2006). Sie können während und nach der Verarbeitung nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit des Menschen beeinträchtigen. Erfreulich ist, dass durch die Verwendung umweltschonender Lacke in den letzten Jahren immer weniger Lösemittel verwendet wird. Für alle Anwendungsbereiche werden inzwischen schadstoffarme Lacke angeboten, die mit dem Blauen Engel (RAL-UZ 12a) gekennzeichnet sind. Alle Dielenfußböden lassen sich mehrmals abschleifen und sind deshalb renovierungsfreundlich. Architekt Michael Felkner teilte uns mit, dass es ein ausgezeichnetes lokales Angebot gibt: »Naturbelassene massive Dielenböden aus Fichte und Weißtanne, geerntet rings um den Niedersonthofener See, gesägt im Sägewerk Henseler (Ein-Mann-Betrieb) in Thalkirchdorf, luftgetrocknet und gehobelt im Hobelwerk Weihele in Görisried – damit haben wir unser eigenes Haus ausgestattet. Auch manche Bauherren lassen sich davon inspirieren, einige Handwerker


Behandelte Holzböden (links) sind robuster und leichter zu reinigen als naturbelassene Bretterböden (auf dieser Seite)

PVC-Bodenbeläge

kaufen bei uns diese besonderen Dielenböden. Natürlich wird die Oberfläche dieses wunderschönen Holzes nicht »versiegelt«, sondern nur mit Seife behandelt – so wie früher. Demnächst werden auch im denkmalgeschützen Dorfgemeinschaftshaus im Westallgäuer Grünenbach solchen Böden eingebaut.« Informationen gibt es unter www.allgauer-mondholz.de. Massivholzparkett lässt man am besten vom Fachmann einbauen. Es wird am Boden verklebt und ist in unterschiedlichen Dicken zu bekommen. Es kann mehrfach abgeschliffen werden – je nach Dicke. Im Gegensatz zu Massivholzparkett besteht Fertigparkett meist aus einer Laufschicht und einer Trägerschicht. Billige Fertigparkette haben oft nur eine dünne Laufschicht und können deshalb nicht öfter abgeschliffen werden.

PVC ist die Abkürzung für Polyvinylchlorid. Dieser Kunststoff ist in seiner Zusammensetzung hart und spröde. Es sind »Weichmacher« erforderlich, um das Material formbar für Fußbodenbeläge zu gestalten. Als Weichmacher kommen Phthalate zum Einsatz. Insbesondere in der ersten Zeit nach dem Verlegen dünsten diese Weichmacher aus und können Atemwege schädigen. Aber auch später noch werden durch Putzen und Abrieb Schadstoffe freigesetzt. In den letzten Jahren wurde versucht, weniger schädliche Weichmacher zu verwenden – sogar nachwachsende Rohstoffe kamen bereits zum Einsatz. Wir können über Jahre beobachten, dass PVC-Fußböden immer mehr verspröden, je mehr Weichmacher sie ausdünsten. Bisher ist es noch nicht gelungen, bei PVC ganz ohne Phthalate auszukommen. Die Phthalate sind in  Kinderspielzeug und Plastikflaschen verboten.

Laminat hat das Image, ein gesunder Bodenbelag zu sein, und wird gerne mit Holzparkettböden verglichen. Diese weitverbreitete Meinung erweist sich in Wirklichkeit oft als Trugschluss. Laminat hat mit Holzboden nichts gemein, höchstens in der Optik, doch auch hierbei kann Laminatboden echtem Holzparkett das Wasser nicht reichen. Viele Laminate sind Kunststoffprodukte und dienen sozusagen als Parkettersatz. Bei der Herstellung von Laminat kommen allerdings viele unterschiedliche, zum Teil stark gesundheitsschädigende und umweltbelastende Chemikalien zum Einsatz. Laminatfußböden, die tatsächlich Holz als Grundstoff verwenden, sollten ebenfalls die Nachhaltigkeitszertifikate von FSC tragen. Laminate und Holzfußböden haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind pflegeleicht und deshalb geeignet für Allergiker und Familien mit Kindern.

Foto: © Les Cunliffe/fotolia.com

Laminat

Echter Holzfußboden wird auch heute noch weitgehend handwerklich verlegt

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Fotos: Bianca Elgaß

Kater »Flauschi« kann sich mit dem Holzfußboden aus Allgäuer Fichte ohne Wachs oder Lackierung am besten anfreunden

Linoleum

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Foto: © electra kay-smith/fotolia.com

Eine unweltfreundlichere Alternative zu PVC ist Linoleum. Es ist kein Kunststoff, sondern wird aus Leinöl, Korkmehl, Harzen und Jute hergestellt und bereits seit über 150 Jahren verwendet. Alle Komponenten sind nachwachsend oder ausreichend verfügbar. Als in den 1960er-Jahren PVC den Markt eroberte, verschwand Linoleum nahezu gänzlich aus den Regalen. Inzwischen ist es wieder in vielen Farben verfügbar.

und Feinsteinzeugfliesen der Abriebgruppen vier oder fünf belegt werden. Hier sollten Sie sich auch überlegen, vielleicht auf glasierte Steinzeugfliesen zurückzugreifen – der Schmutz gelangt nicht durch diese Schutzschicht. Meist reichen bei glasierten Fliesen zur Reinigung Wasser und Schwamm. Unglasierte Fliesen dagegen nehmen schon mal Rotweinflecken oder ölhaltige Verschmutzung auf. Da Fliesenböden gute Wärmeleitfähigkeit haben, werden sie gerne in Räumen mit Fußbodenheizung verlegt. (aa)

Fliesenböden Die Farbauswahl ist schier unendlich und die Art der Oberfläche ebenfalls. Aber nicht jede Fliese eignet sich für jeden Raum. Steingutfliesen der Abriebgruppen eins bis drei sind eher für Räume geeignet, die weniger genutzt werden. Stark frequentierte Räume und Gänge sowie Küchenböden sollten mit Steinzeug8

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Spielende Kinder empfinden einen lackierten Parkettboden (Foto oben) deutlich sympatischer als einen Steinfliesenboden (links bei der Verlegung). Beide Varianten haben eines gemeinsam: Sie sind leicht zu pflegen und hygenisch sauber


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Energieberatung

Informieren–sanieren–sparen Im Allgäu gibt es viele gute Anlaufstellen Wer im nächsten Jahr sein Haus energetisch sanieren möchte, sollte möglichst bald die ersten Schritte einleiten. Das empfiehlt Martin Sambale vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!). »Jetzt ist eine gute Zeit für eine fundierte Energieberatung«, betont der eza!-Geschäftsführer. Ende 2012 hatte die Bundesregierung die Fördermittel für die Gebäudesanierung, die die KfW-Bank verteilt, für 2013 um 300 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro erhöht. uf Grundlage einer solchen Beratung kann dann die konkrete Planung gestartet werden und noch im Winter die Ausschreibung erfolgen. »Später sind erfahrungsgemäß die Auftragsbücher der Firmen schon ziemlich voll und die Preise steigen«, erklärt Sambale. Zudem gelte es, sich die derzeit attraktiven Förder- und Zinskonditionen zu sichern. »Wer weiß, wie sich die Situation jetzt nach der Bundestagswahl weiter entwickelt.« Wer Sanierun-

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gen vorhat, sollte deshalb noch in diesem Jahr mit der Planung anfangen. Und die beginnt in der Regel mit einer guten Beratung.

Es gibt viel Geld vom Staat Der Staat übernimmt bei Einzelmaßnahmen wie dem Austausch der alten Heizung maximal 5000 Euro statt bisher 3750 Euro der Kosten. Größere Sanierungsmaßnahmen werden (je nach erreichtem Ener-


giestandard) mit maximal 18.750 – zuvor 15.000 – Euro subventioniert. Damit soll die Sanierungsquote, die für das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele derzeit noch deutlich zu niedrig ist, erhöht werden. Was viele Bauherren nicht wissen: Für eine qualifizierte Baubegleitung gibt es derzeit einen Zuschuss von bis zu 4000 Euro. Ziel ist es, mit einer neutralen Beratung durch einen Fachmann die Umsetzung von tatsächlich nachhaltigen und zukunftsfähigen Sanierungskonzepten zu garantieren. Martin Sambale betont die Bedeutung einer derartigen Baubegleitung: »Nach unserer Erfahrung lassen sich durch einen unabhängigen und kompetenten Architekten, Ingenieur oder Techniker, der als Baubegleiter eine Sanierung überwacht und die Handwerker koordiniert, Fehler in der Planung und Bauausführung vermeiden«, erklärt er. »Das verhindert unnötige Mehrkosten und hilft dabei, Energiesparpotenziale optimal ausschöpfen zu können.«

Ein Baubegleiter zahlt sich aus Zu den Aufgaben der Sachverständigen, die die fachlichen Anforderungen der KfW erfüllen müssen, zählen unter anderem die Antragstellung für KfWFörderprogramme, die Planung von Baudetails sowie von Lüftungs- und Heizungskonzepten, die Prüfung von Leistungsverzeichnissen und Angeboten bis hin zur Überwachung der Bauausführung und die Qualitätssicherung. »Alles Dinge, mit denen der Bauherr in der Regel überfordert ist«, weiß Sambale. Daher rät er,

nicht nur bei einer Komplettsanierung, sondern schon bei Einzelmaßnahmen einen fachkundigen Baubegleiter hinzuzuziehen. »Wer das nicht tut, spart am falschen Fleck, zumal ein Großteil der Kosten ja übernommen wird«, stellt Sambale fest. »Und häufig kann der Baubegleiter durch sein Know-how bei der Ausschreibung die Kosten für seine Beratung zumindest teilweise schon wieder hereinholen.« Laut Sambale gibt es gerade im Allgäu genügend Experten, die kompetente Hilfe anbieten und damit für das Gelingen einer Sanierungsmaßnahme sorgen.

Der erste Schritt ist wichtig Grundlage jeder Sanierung sollte immer eine detaillierte Energieberatung sein, betont Martin Sambale. »Das ist der erste Schritt für eine Sanierung, die die Wohnqualität erhöht und wirtschaftlich auch sinnvoll ist.« Neben dem Besuch einer der Allgäuer Energieberatungsstellen von eza!, der für die Bürger der beteiligten Gemeinden kostenlos ist, bieten freiberufliche Energieberater auch umfassendere VorOrt-Beratungen an. »Auch hier gibt es Zuschüsse«, erklärt Martin Sambale. So übernimmt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen (BAFA) 50 Prozent (maximal 400 Euro) der Kosten für eine qualifizierte Vor-OrtEnergieberatung. Diese beinhaltet eine detaillierte Analyse des Gebäudes mit einem umfassenden Bericht und einer persönlichen Erläuterung der Ergebnisse durch einen Energieberater.

Fotos: eza!

Einer generellen Beratung (Bild links) folgt eine eingehende Beratung am Objekt (Bild auf der vorhergehenden Seite)

Information gibt es online Weitere Informationen über die Energieberatungsstellen im Allgäu und Listen mit selbstständigen Energieberatern, die sich der Qualitätssicherung von eza! unterziehen, finden sich unter www.eza-energieberatung. Die aktuell

gültigen Förderkonditionen und alle verfügbaren Förderprogramme können leicht in der Förderdatenbank unter www.eza-foerderung.de nachgelesen werden. Unter www.eza-partner.de sind diejenigen Fachleute gelistet, die sich der Qualitätssicherung von eza! unterziehen.

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Energiepolitik

Der European Energy Award Mehr als nur eine Auszeichnung

Fotos: eza!

Sechs Allgäuer Kommunen ist bislang der European Energy Award (eea) für ihre Energie- und Klimaschutzaktivitäten verliehen worden. Dabei steckt mehr als nur eine Auszeichnung dahinter – nämlich eine laufende Betreuung und Systematisierung der Energiepolitik von Landkreisen, Städten und Gemeinden, die Nachhaltigkeit garantiert. Ein Ansatz, der nicht nur für Einsparungen und sinkende CO2-Emissionen, sondern auch für eine hohe Wertschöpfung vor Ort sorgt. Das belegt eine Studie in Nordrhein-Westfalen.

Ein Festtag für die mit dem Energy Award ausgezeichneten Kommunen

s gibt Auszeichnungen, die nimmt man stolz entgegen und erinnert sich beim Anblick der Urkunde an der Wand gerne an den Erfolg von damals. Beim European Energy Award ist das anders. »Den muss man sich ständig neu erarbeiten«, erklärt Sonthofens Bürgermeister Hubert Buhl. Sonthofen ist neben Wildpoldsried, Pfronten, Bad Grönenbach, Kempten und Scheidegg eine von sechs Allgäuer Kommunen, die bislang mit dem European Energy Award für ihre Klimaschutzaktivität ausgezeichnet worden sind und sich regelmäßig neuen Prüfungen unterziehen. Viele geplante Projekte sind auf diese Weise umgesetzt worden, die sonst vielleicht in irgendwelchen Schubladen verschwunden wären, ist sich Buhls Amtskollege Ulrich Pfanner aus Scheidegg sicher. Tatsächlich setzt der European Energy Award nicht auf Aktionismus und einen schnellen, oberflächlichen Erfolg, sondern ist ein langfristiges Qualitätsmanagement und Zertifizierungsverfahren für eine umsetzungsorientierte Energie- und Klimaschutz-

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politik in Städten, Gemeinden und Landkreisen. Er unterstützt Kommunen dabei, Potenziale der nachhaltigen Energiepolitik und des Klimaschutzes zu identifizieren und zu nutzen – nach dem Prinzip: analysieren, planen, durchführen, prüfen und wieder anpassen. Durch die eea-Teilnahme mit den turnusmäßigen Re-Audits sollen auf lange Sicht positive Effekte erzielt werden. Stillstand gibt es nicht. Eine zentrale Rolle spielen dabei die örtlichen Energieteams, die aus engagierten Bürgern und Mitarbeitern der Gemeinde- bzw. Stadtverwaltung gebildet und in ihrer Arbeit von Beratern – im Allgäu von eza! – unterstützt werden. Martin Sambale hofft, dass die Zahl der eea-Teilnehmer in der Region rasch steigen wird. Der Geschäftsführer vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu spricht von »einem sehr wirkungsvollen Instrument für eine nachhaltige Klimaschutzpolitik«. Das lasse sich auch mit Zahlen belegen. Sambale verweist auf eine Evaluierung in Nordrhein-Westfalen, deren Ziel es war, die Effekte der eea-Teilnahme auf die Energie- und Klimapolitik zu untersuchen. »Die Ergebnisse«, stellt Sambale fest, »sind beeindruckend.« So komme die Evaluierungskommission unter anderem zum Schluss, dass in den eea-Kommunen ein doppelt so hoher Zuwachs in puncto Energieeffizienz im Vergleich zum Durchschnitt der nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden zu verzeichnen ist. Insgesamt sind die Energieeinsparungen in den eea-Kommunen enorm, betont Sambale. Bezogen auf alle eea-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen beträgt die jährliche Energieeinsparung im Bereich kommunaler Gebäude und Anlagen 109.050 MWh/a. Gleichzeitig erzielen dieselben Gemeinde und Städte eine um 40 Prozent höhere Reduktion der CO2-Emissionen als der Durchschnitt aller Kommunen in NordrheinWestfalen. Nimmt man eea-Gemeinden als Grundlage, die schon länger am Verfahren teilnehmen, ist die CO2-Reduktionsrate noch viel höher.


Die positiven Effekte für Klimaschutz sind die eine Seite des European Energy Award. »Die NRWStudie belegt gleichzeitig, dass eea-Gemeinden ihre Energiekosten deutlich senken«, erklärt Sambale. Demnach summieren sich die Einsparungen bei den kommunalen Gebäuden und Anlagen in den eea-Gemeinden Nordrhein-Westfalens auf über sechs Millionen Euro pro Jahr. »Ohne dass die Nutzungsqualität darunter leidet und die Mitarbeiter in der Verwaltung etwa im Winter in kalten Büros sitzen müssten«, fügt Sambale hinzu. Und einen weiteren interessanten Aspekt förderte die Evaluierung zutage. In den Jahren 2004 bis 2010 ermöglichte der eea eine kommunale Wertschöpfung von 58,7 Millionen Euro und sicherte rund 92 Arbeitsplätze in den nordrhein-westfälischen eea-Kommunen – allein durch die Neuinstallation von Photovoltaik- und Windenergieanlagen, die durch die eea-Teilnahme über den Landestrend hinaus bewirkt wurde. »Es ist erwiesen, dass Maßnahmen zur Energieeinsparung und CO2-Vermeidung vor Ort eine wirtschaftliche Wertschöpfung auslösen«, sagt Sambale. »Arbeitsplätze werden geschaffen, und ein entsprechendes Steueraufkommen wird generiert.« Diese Erfahrung habe man auch schon im Allgäu gemacht. »Die NRW-Studie belegt«, so der eza!-Geschäftsführer, »dass der European Energy Award nicht nur gut für die Umwelt ist, sondern auch die örtliche Wirtschaft ankurbelt – und das über einen langen Zeitraum. Das Konzept garantiert ein hohes Maß an Nachhaltigkeit.« Im Fazit zur Evaluierung heißt es unter anderem: Kommunen, die den eea bereits über mehrere Jahre anwenden, erzielen in allen Bereichen

Förderung für den European Energy Award Seit Kurzem können Landkreise, Städte und Gemeinden eine Förderung durch den Freistaat Bayern für den European Energy Award beantragen. Über das CO2-Minderungsprogramm des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit wird der eea als Instrument zur Optimierung der kommunalen Energieund Klimaschutzpolitik mit bis zu 40 Prozent der Kosten für Neueinsteiger und mit bis zu 50 Prozent bei den Kommunen, bei denen der eea bereits etabliert ist, gefördert. Interessant ist, dass Kom-

munen, die an dem European Energy Award teilnehmen, auch bei Umsetzungsprojekten wie dem Energiemanagement für kommunale Liegenschaften vom Umweltministerium eine höhere Förderquote erhalten. eza! hilft bei der Beantragung von Fördergeldern für den eea und steht den Kommunen in diesem Prozess auch als Berater zur Seite. Weitere Informationen gibt es unter www.eza-klimaschutz.de oder unter Telefon 0831-9602860.

deutlich höhere Effekte als Kommunen, die gerade erst in den eea-Prozess gestartet sind. Seine volle Wirkung, so die Schlussfolgerung des Evaluationsteams, entfalte der European Energy Award also über längere Zeiträume besonders deutlich. Martin Sambale kann Allgäuer Kommunen nur empfehlen, sich möglichst bald für die eea-Teilnahme zu entscheiden, um schnell und lange von der positiven Wirkung zu profitieren. »Die Erfahrungen in den eea-Gemeinden und -Städten, die von eza! betreut werden, sind überaus vielversprechend. Der European Energy Award optimiert die Findung, Planung und Umsetzung von konkreten energie- und klimapolitischen Aktivitäten. Und davon profitieren letztlich alle.« Roland Wiedemann

Wo Gemeinden ständig Geld verlieren Ob Rathäuser, Schulen, Kindergärten, Veranstaltungssäle oder Schwimmbäder – der Unterhalt der kommunalen Liegenschaften belastet die Gemeindekassen, vor allem in Zeiten steigender Energiepreise. Die Energiekosten machen bis zu 20 Prozent der Gesamtaufwendungen für diese Liegenschaften aus. Die Experten vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu kommen falsch eingestellten Heizungs- oder Lüftungsanlagen auf die Spur, sorgen für einen energetisch optimier ten Betrieb, schulen Hausmeister und bieten auch eine wert volle Hilfestellung bei einer anstehenden Sanierung an. Nach eigenen Angaben hat beispielsweise die Gemeinde Pfronten nach Einführung des kommunalen Energiemanagements rund eine Million Euro in zehn Jahren einsparen können – bei einem Aufwand von gerade mal 47.000 Euro Kosten für die eza!-Dienstleistungen. Letztere werden darüber hinaus auch noch staatlich gefördert. So übernimmt das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz im Rahmen des »CO2-Minderungsprogrammes für kommunale Liegenschaften« 40 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten des kommunalen Energiemanagements.

Kundige Beratung durch Fachleute deckt die Energiefallen in kommunalen Liegenschaften auf

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Windkraft

Der Dreh auf dem Dach Allgäuer Kraftwerk steht in 33 Ländern Windkraft für den Hausgebrauch: Was bisher großen Energieunternehmen vorbehalten war, wird jetzt auch für den Privat- und Gewerbehaushalt möglich. Die in Dösingen bei Kaufbeuren ansässige MRT-Wind GmbH hat weltweit einzigartige Windkraftanlagen für zu Hause entwickelt, die im Betrieb sehr geräuscharm sind und sich, abhängig von der geografischen Lage, bereits innerhalb von fünf Jahren amortisieren können.

ereits ab einer Windgeschwindigkeit von 1,5 Metern pro Sekunde gewinnt unsere Anlage Energie«, sagt Entwickler Neil Cook, Geschäftsführer der MRT (Multi Resource Technologie)-Wind GmbH. Der von ihm mitentwickelte Windgenerator WG 100 mit einer Energiegewinnungsleistung von 1,3 kW (Nennleistung) ist anders aufgebaut als herkömmliche Generatoren: Das 2,50 Meter hohe Windrad dreht sich nicht wie die bekannten Propeller-Systeme um die Horizontalachse, sondern um die Vertikalachse. »Das bringt den entscheidenden Vorteil, dass man völlig unabhängig von der Windrichtung Strom erzeugen kann. Bei Horizontal-Generatoren muss der Propeller stets in Windrichtung stehen, um eine maximale Ausbeute zu erreichen«, so Cook. Der WG 100 von MRT ist auf eine jährliche Stromgewinnung von über 1680 Kilowattstunden ausgelegt, die er bereits bei einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von vier Metern pro Sekunde erreicht. In Bayern beträgt die durchschnittliche

B Info: Die Liste aller Händler und weitere Informationen zu den Windgeneratoren von MRT-Wind gibt es unter www.mrtwind.de. MRT-Wind GmbH, Am Kiesgrund 4, D-87679 Dösingen, Tel. 08344/9929997, Mail: info@mrt-wind.com

Das Windrad WG 100 von MRT-Wind ist auf den Gewinn von 1680 kW pro Jahr ausgerichtet, bei 4 m/s Windgeschwindigkeit

Windrad für die Bayern: das WG 100 von MRT-Wind aus dem Allgäu

Windgeschwindigkeit fünf Meter pro Sekunde, in höher gelegenen Gebieten oder in Küstenregionen liegt sie noch deutlich darüber. Ein Vier-Personen-Haushalt verbraucht zwischen 4000 und 5500 Kilowattstunden pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von vier bis fünf Metern pro Sekunde an vielen Orten im Allgäu lassen sich somit nahezu 50 Prozent der Energiekosten sparen. Mit dem neuen System ermöglicht der gebürtige Waliser Neil Cook Energiesparen in einer ganz neuen Dimension, nicht nur für Privathaushalte oder Unternehmen, sondern auch für Gemeinden. »Kleinere Gemeinden oder auch Gewerbeparks können jetzt lokal eigene Windparks errichten, die mit den herkömmlichen Windparks nichts mehr gemeinsam haben«, sagt Neil Cook. Die vielen Einwendungen, die derzeit gegen die großen Windräder im Allgäu gemacht werden, können bei den geräuscharmen Vertikal-Anlagen aus Dösingen nicht ziehen. Im Gegenteil: Mit ihren unterschiedlichen Designs stellen die Windräder eher eine optische Bereicherung dar.


Fotos: MRT-Wind

Für den Einsatz der WG-100-Generatoren in Unternehmen bieten sich vielfältige Möglichkeiten. »Sie können beispielsweise sehr gut als Speicher und Notfallstromversorgung dienen, für den Fall eines Stromausfalls. So wird die Gefahr des Verlustes von wichtigen Daten ausgeschlossen«, erklärt Cook. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Asien sorgt die Technologie für Furore. Auch Telekommunikationsunternehmen aus Ländern der dritten Welt haben bereits ihr Interesse bekundet, sie wollen mit den Generatoren aus dem Allgäu ihre auf Masten installierten Relais-Stationen autark mit Energie versorgen. Bisher werden dafür noch Diesel-Generatoren eingesetzt. In den Industrienationen ist die Selbstversorgung von Haushalten durch Windkraft auf dem eigenen Hausdach in den Augen von Neil Cook ein weiterer konsequenter Schritt zur Unabhängigkeit von Atomstrom. »Wenn die Haushalte ihren Strom selbst gewinnen, dann brauchen wir wirklich keine Atomkraftwerke mehr«, so der Entwickler aus dem Großraum Kaufbeuren. Größtes Potenzial sieht Cook in der Flexibilität des Systems: »Wir sind überhaupt nicht limitiert, was die Größe und den Output unserer Generatoren anbelangt. Unsere Lösung ist auch für den industriellen Einsatz geeignet.« In der Grundversion, die für Privathaushalte völlig ausreicht, kostet der WG-100 mit 1,3 kW Output etwa 8000 Euro. Eine größere Versionen mit 3,5 kW Leistung befindet sich derzeit in der Entwicklung. Eine kleinere Anlage mit der Leistungsstufe 0,5 kW ist in Planung. Der WG-100 wird als fertiger Bausatz mit Windradsegel, Generator, Inverter sowie Gehäuse geliefert und lässt sich innerhalb eines Tages auf dem Dach eines Hauses installieren. In der Regel erfolgt die Installation des Systems komplett über die Vertriebspartner. Derzeit ist MRT-Wind in mehr als 33 Ländern vertreten, unter anderem in Asien, Australien und auch auf Hawaii. »Auch in Deutschland weiten wir unser Netz aus«, sagt Neil Cook.

Oben: Neil Cook, Geschäftsführer der MRT-Wind GmbH in Dösingen im Allgäu

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Windkraft

Das Kunst-Kraftwerk Gyrowin: Ein Windhauch genügt zur Rotation Der Stein-Fachmann Hubert Rössle in Marktoberdorf brachte die Idee von einem Italien-Besuch mit. Dort sah er einfache Vertikal-Windräder und lies sich faszinieren von der Idee, das Prinzip selbst zu verfeinern. Heraus kam Gyrowin, eine Mischung aus Kraftwerk und Kunst.

rehende Windspiele und vom Wind angetriebenes Spielzeug sind seit 1440 aus England (Whirligig) belegt. Der italienische Schiffbauer Jacopo Mariano zeichnete im Jahre 1438 ein Windrad als Antrieb für einen Ziehbrunnen, und auch Leonardo da Vinci entwickelte 1595 Windräder mit Kippschaufeln. Das Prinzip ist also nicht neu. Hubert Rössle (52), Naturstein- und Baufachmann in Marktoberdorf, hat es jedoch als »Kunst-Kraftwerk« neu kreiert. Die Rössle Bau- und Natursteine AG mit zehn Mitarbeitern importiert die unterschiedlichsten Natursteine aus der gesamten Welt. Hubert Rössle ist viel unterwegs – seit 20 Jahren auch in China und Vietnam – um auf Messen Neuheiten aufzuspüren. Auf einer Fahrt durch Italien entdeckte er einfache Windräder, die um eine vertikale Achse liefen. Seitdem ließ ihn der Gedanke nicht mehr los, mit dieser Art von Windrädern Strom für den privaten Sektor zu produzieren. Allerdings überzeugten ihn die vorgefundenen Windräder nicht. Mit einem chinesischen Hersteller in der Wirtschaftssonderzone Shenzhen entwickelte er ein eigenes Windrad, das einen Darrieusrotor aus drei Flügeln mit zwei Savoniusturbinen verbindet. Solche Windturbinen verfügen über schaufelförmige, einander überlappende Flügel (auf dem Foto rot und blau abgesetzt). Ein Darrieusrotor wird dank seiner Strömungseigenschaften bereits von einem Windhauch in Bewe-

Fotos: Thomas Niehörster/Rössle

D Hubert Rössle aus Marktoberdorf mit einem Modell seines Windrades

Ein Windhauch genügt bereits, um das Windrad anzutreiben

Anwendung des Klein-Windkraftwerkes auf einem Gewerbe-Silo

Die Leistung des Rades wird an diesem Panel abgelesen

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gung gesetzt. Er ist im Querschnitt mit dem eines Flugzeugflügels vergleichbar. Die Savoniusturbine »sitzt« auf einem elektrodynamischen Magnetlager, kann sich also ohne Reibungsverlust durch den Wind in Bewegung setzen. Diese sogenannte Maglev-Technik wird u.a. bei der Magnetschwebebahn eingesetzt. Die besondere Aerodynamik und die Leichtlauflagerung – beide Rotoren bestehen zudem aus Aluminium – sind gemeinsam verantwortlich für eine fast lautlose Bewegung und den Leistungserfolg des Generators. Die vertikale Achse ermöglicht einen kontinuierlichen Lauf sogar bei wechselnden Windrichtungen. Auch, wenn das Windrad nur einen Teil des benötigten Stroms produziert, wird es sich auf Dauer rentieren, denn der Wind bläst (noch) kostenlos. Gyrowin steht in sechs Größen von 123 bis 360 Zentimeter Durchmesser und 109 bis 353 Zentimeter Höhe zur Verfügung. Er kostet je nach Größe zwischen 2000 und 15.000 Euro. Abhängig von der Größe der Rotoren und den vorherrschenden Windgeschwindigkeiten beträgt die jährliche Energieproduktion 600 bis 3800 kWh. Das ist nun nicht unbedingt eine energetische Vollversorgung für Haushalt oder Betrieb. Aber das ansprechende Design und die Faszination der Kreiselbewegung sind zusammen ein »Hingucker«, der sich zum Beispiel auf Firmengebäuden werbewirksam einsetzen lässt. Thomas Niehörster


Den wilden Drachen zähmen Schweizer zapfen Energie in größeren Höhen an Der Strom aus unseren Steckdosen könnte bald von einem fliegenden Hightech-Gerät am Himmel stammen – davon ist man bei Empa, der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, überzeugt. Ein innovatives Forschungsprojekt hat zum Ziel, Windenergie mithilfe eines Kite, eines Fluggerätes ähnlich einem großen Kinderdrachen, zu gewinnen in Kite, eine Spule und ein Kontrollpult sind die Bestandteile einer neuen, bahnbrechenden Methode zur Energiegewinnung. Das gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekt der Empa, der Fachhochschule Nordwestschweiz, der ETH Zürich und der EPFL verbindet das Grundkonzept eines Kite mit innovativer Technologie. Das Ziel: Strom aus Wind. Das ist zwar nichts Neues, heutzutage wird Strom bereits mit Windrädern produziert, allerdings erreichen diese nur eine Nabenhöhe von etwa 150 Metern. Mit dem »Twing« der Empa werden stärkere und regelmäßigere Windströme in bis zu 300 Metern Höhe »angezapft«. Ein wichtiger Bestandteil dazu ist die Tensairity-Struktur, ein tragendes Formelement, das das »Center for Synergetic Structures« der Empa erforscht und entwickelt.

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Doppelter Erfolg

befestigt. Der Kite steigt in luftige Höhe, dadurch entsteht Zug auf die Seile, die Spule setzt sich in Bewegung. Mittels elektromagnetischer Induktion wird aus dieser Bewegung elektrische Energie gewonnen. Hat der Kite seine maximale Höhe erreicht, zieht ihn die Spule wieder nach unten, und er kann von Neuem aufsteigen. Erste Tests im Berner Jura waren erfolgreich. Ziel des Teams ist es nun, den »Twing« noch effizienter zu machen. Die Struktur basiert auf dem ultraleichten Tensairity-Balken, einem Träger aus Stangen, Zugelementen, einer Membran und Luft mit enormer Tragfähigkeit. Dieser Drache soll in Höhen bis zu 300 Metern aufsteigen, den sehr starken Windkräften standhalten und vielleicht bald unsere Haushalte mit sauberem Strom aus luftiger Höhe versorgen. Das Herzstück der Versuchanlage: Die Zugkräfte werden in diesem Fahrzeug-Aufbau in Energie umgesetzt

Dass Kitepower nicht nur eine Idee ist, sondern auch wirtschaftlich bestehen kann, davon ist »venture kick« überzeugt. Das Programm, das Start-Up-Unternehmen unterstützt, investiert 10.000 CHF in das innovative Projekt. Maximal 130.000 CHF kann ein Projekt während des dreistufigen »venture kick«-Prozesses erhalten; die erste Hürde hat das Team nun genommen. In einem weiteren Schritt wird die Idee mit tatkräftiger Unterstützung von erfahrenen Unternehmern weiterentwickelt und anschließend neu ausgewertet. Auch in der Öffentlichkeit stößt der innovative Ansatz auf breites Interesse. So berichteten etwa »ServusTV« und das Schweizer Wissenschaftsmagazin »Einstein« in einem ausführlichen Beitrag über die ersten erfolgreichen Testflüge der Kites.

Fotos: Kitepower

Aus Bewegung entsteht Energie Das Funktionsprinzip ist einfach: Der HightechKite ist mit Schnüren an den Spulen der Bodenstation

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Windenergie

Sand im Getriebe Viel Gegenwind für die Windkraft Nicht nur der neue Film von Leo Hiemer »Heimat unter Strom«, der derzeit in den Allgäuer Kinos läuft, auch die deutsche Luftfahrt und das wetterwendische Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer haben für heftigen Gegenwind im Planungsverband 16 gesorgt. Dort sollten bis Oktober 2013 die Vorrang-Gebiete für Windkraftanlagen im Allgäu festgelegt werden. Planungsverbandsvorsitzender Stefan Bosse hat jetzt entschieden: »Die Planung liegt auf Eis.« it Engelszungen stellte der Oberbürgermeister der Stadt Kaufbeuren in vielen Info-Veranstaltungen die Notwendigkeit dar, Vorranggebiete für Windkraftanlagen im Allgäu zu finden, um Wildwuchs und den großen Energiekonzernen Einhalt zu gebieten. Als Vorsitzender des Planungsverbandes war es seine Aufgabe, den Auftrag der bayerischen Staatsregierung durchzuziehen. Bosse und die Mitglieder des Planungsausschusses stellten sich in diesen Veranstaltungen der Kritik von Windkraftgegnern und Bürgerinitiativen. Bosses großes Talent zu Sachlichkeit verhinderte manche Eskalation. Wenn Bosse jetzt klarstellt: »Unsere Planungen liegen auf Eis«, tut er dies mit der gleichen Sachlichkeit. Eigentlich müsste er bitterböse sein. Die Bayerische Staatsregierung hat ihm vor zwei Jahren diesen mühevollen Auftrag erteilt, und kurz vor der Wahl hat der Ministerpräsident höchstpersönlich die Arbeit aller bayerischen Planungsverbände in die Tonne getreten. Allen Planspielen lag zugrunde, dass zwischen Windkraftanlagen und den nächsten Siedlungen mindestens 600 Meter Distanz liegen müssen. Horst Seehofer machte mit seiner Gesetzesinitiative daraus in einem Handstreich 2000 Meter. Damit waren alle Untersuchungen der Planungsverbände auf einen Schlag Makulatur. Alex Hilbig vom Bundesverband Windenergie sprach aus, was viele denken: »Die Staatsregierung ist bei der Windenergie genauso zurückgerudert wie beim Atomausstieg. Wir haben die ausgereifte Technik, wir haben die Firmen, die die Anlagen bauen, Investoren und ein Emissionsgesetz. Wenn alle dahinter gestanden hätten, wäre die Energiewende zu schaffen

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gewesen.« Sollte Seehofer mit seiner Gesetzesinitiative Erfolg haben, blieben in Bayern nur wenige Standorte für Windräder übrig. Aber nicht nur die Kehrtwende von Horst Seehofer, auch der Einspruch des Luftamtes Süd, das keine weiteren Windräder in einem Radius von 15 Kilometern um das Drehfunkfeuer Kempten herum mehr zulassen will, hat die Suche nach Vorranggebieten für Windkraftanlagen belastet. Leo Hiemer zeigt in seinem Film auf, dass die Energiewende langfristig mit Energiesparen und mit der Speicherung von Energie zu schaffen wäre. Er erhält dafür viel Applaus. Doch leider sind die Erfolge auf beiden Gebieten noch nicht ausreichend. Der scheidende Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser stellt frustriert fest: »Ein Windrad kann man nach 25 oder 30 Jahren wieder abbauen. Bei der Atomkraft ist die Frage der Endlager nach wie vor ungeklärt.« Derzeit werden vor allem in den deutschen Küstengebieten und sogar in der Nordsee Windkraftanlagen gebaut. Dort wird schon ein Vielfaches der benötigten Energie »geerntet«. Allerdings fehlen die großen Überlandleitungen, die Stromautobahnen, die diesen stromo zu uns bringen könnten. Und wenn die kommen, dann werden sie sicher von den globalen Konzernen »durchgesetzt« – zu Lasten der Menschen, die diese Leitungen »aufs Dach« bekommen. Die Energiewende mit regionalen Lösungen ist ins Stocken geraten. Es fehlt an der nötigen koordinierenden Hand und am festen Willen, bürgernahe Lösungen zu finden. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Windräder in der Region als »Übergangstechnologie« zu akzeptieren. red


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Fachliteratur

Kleinwindanlagen in einem Buch miteinander verglichen Der Bundesverband Windenergie hat eine Zusammenstellung von kleinen Windenergie-Anlagen herausgebracht. Der Ratgeber vermittelt umfassendes Wissen und auch für Laien verständliche Informationen zu den wichtigen Aspekten von Kleinwindanlagen. Zu empfehlen ist die Lektüre für alle, die sich mit dem Gedanken tragen, eine Kleinwindanlage zu betreiben oder zu integrieren. Besonders Einsteiger können sich mit diesem Handbuch binnen kürzester Zeit einen neutralen Überblick verschaffen. Der Leser gewinnt einen ehrlichen, realen Einblick in die Thematik. Anschließend gehen die Verfasser auf die Planung ein: worauf bei der Standortauswahl zu achten ist, welche Fehler gerne begangen werden und wie sich diese vermeiden lassen, mit welchen bürokratischen Hürden zu rechnen ist und wie sich die Anlagen mit Hilfe der KfW finanzieren lassen. Die Publikation nimmt den Leser an die Hand und hilft ihm,

sich zu orientieren. In puncto Praxis liegt der Ratgeber ganz weit vorne. Es gibt einen Leitfaden für die erste grobe Planung. Auch zu möglichen Fallstricken und Speicherlösungen gibt es einige Seiten. Wer vor lauter Paragrafen nicht weiß, wo er anfangen soll, wird sich sehr freuen: Wertvolle Hinweise zum Genehmigungsrecht sind ebenfalls enthalten. Der hintere Teil des Buches besteht aus einer qualitativ hochwertigen und objektiven Marktübersicht der gängigen Modelle von Kleinwindenergieanlagen. Die über 130 Datenblätter enthalten Herstellerangaben zu Leistung, Ertrag, Preis und technischen Details wie Anlagentypen, Anzahl der Rotorblätter, Nabenhöhe usw. Enthalten ist eine CDROM mit Programm zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit.

Format: DIN A5, Hardcover, 332 Seiten, Preis: 32 Euro. ISBN: 978-3942579179

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E-Mobil

Geräuscharm und bärenstark allgäuALTERNATIV testet den Renault Zoe Welch eine Entwicklung hat in den letzten 25 Jahren bei E-Mobilen stattgefunden: Aus den futuristischen rollenden Batteriegestellen sind echte Autos geworden, die für viele Nutzer bereits einen vollwertigen Ersatz für Benzinkutschen darstellen. Die allgäuALTERNATIV-Redaktion hat einen Renault Zoe auf Alltagstauglichkeit überprüft. Hier unsere Erfahrungen.

or knapp 23 Jahren an der GroßglocknerHochalpenstraße. Auf 1800 Metern Höhe klatschen schwere Regentropfen auf den Teer. Ein hochroter Kopf mit verzerrtem Gesicht taucht in der Kurve auf. Der Rest des Mannes ist verdeckt von zwei seitlichen Solarpaneelen. Im Vorbeifahren wird deutlich: Der Kopf gehört einem Sitzradler, der ächzend in die Pedale tritt. Hinten am Rad schleppt er ein schweres Paket – unschwer als große Batterie zu erkennen. Der Radler verschwindet im Nebel der Passstraße. Schon huscht ein ulkiges Dreirad vorbei und dann ein Fiat 500 – langsam, als wolle er auf den nächsten Metern jegliche Kraft aushauchen. Fast 80 Fahrzeuge waren damals gemeldet, bei einer der ersten E-Car-Rallyes der Welt. Die meisten waren entweder umgebaute Kleinwagen oder aber Eigenkonstruktionen mit schweren Batterien und aus-

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klappbaren Solarpaneelen. Drei Tage waren die Pionierkisten unterwegs, 300 Kilometer Strecke von Salzburg über den Großglockner an den Wörthersee. Und trotz zweier Ladestationen über Nacht kam mehr als die Hälfte der Fahrzeuge nicht am Ziel an. Selbst Muskelkraft und Sonnensegel konnten nicht helfen, die kurvigen Bergstrecken zu bewältigen. Eindrucksvoll für die Zuschauer war es aber auf jeden Fall. Da gab es futuristische Dreiräder, Autos mit kraftstrotzenden Batteriepaketen beladen, und Fahrräder mit breiten Sonnenkollektoren, denen man problemlos das Fliegen zugetraut hätte.

Elektro-Pkw gleich »lahme Ente«? Wie sich die Zeiten ändern: Er hat moderne, aber keinesfalls auffällige Formen. Und seinem Namen Zoe (altgriechisch: Leben) wird er erst gerecht, wenn man sich ans Steuer setzt und das Gaspedal tritt. Wer allerdings glaubt, dass nun der Motor des schwarzen Kompaktwagens aufheult und das volle Leben herausbrüllt, der sieht sich getäuscht. Unser Renault Zoe setzt sich annähernd lautlos in Bewegung. Aber wie! Man ist geneigt, »Nachbars Katz’« als Beispiel zu zitieren. Damit geht bereits das erste Vorurteil über Bord: Von wegen Elektroauto – lahme Ente. Der Zoe beschleunigt gewaltig. Und dabei nahezu lautlos. Wer schon mal Automatic gefahren ist, wird sich sofort


Fotos: Dominik Ultes, Sven Abend

Digitaler Komfort wird großgeschrieben: Radio und Navigation (Foto links oben), sensorische Einparkhilfe (darunter) und die Anzeige der Rest-Ladung. Das zur Verfügung stehende Tankstellennetz ist über die App auf dem Smartphone abrufbar

wohlfühlen – alle anderen müssen bei der Probefahrt mit zwei Besonderheiten klarkommen: mit dem fehlenden Motorgeräusch und mit dem fehlenden Kupplungspedal. Doch daran gewöhnt man sich schnell. Nach den ersten Kilometern Probefahrt löst sich das zweite Vorurteil in Luft auf: E-Fahrzeuge sind nur etwas für den Stadtverkehr. Auf dem Land wie bei uns im Allgäu, mit weiteren Strecken, Hügeln und Bergstrecke, geht den E-Mobilen doch die Puste aus. Unsere Mitarbeiter haben es ausprobiert: mal schnell zu einem Pressetermin am Berg in Oberstdorf-Reichenbach. 120 auf der Schnellstraße nach Sonthofen, flott die schmale Bergstraße hoch – nach 33 Kilometern zeigt der Bildschirm am Armaturenbrett gerade mal zehn Prozent weniger Energiereserve an.

Faszinierende Datenfülle Eine Anzeige, die man als E-Car-Neuling übrigens öfter beobachtet als den Verkehr in den beiden Außenspiegeln. Neben der Geschwindigkeit fasziniert die halbrunde Anzeige des Energieverbrauches. Geht man aufs Gas, springen schnell alle Leuchtdioden an. Lässt man das Auto rollen, geht die Anzeige »zufrieden« zurück. Daneben wird der Ladezustand der Batterie in Prozent angezeigt. Und die restliche Reichweite in Kilometern. Fahrer, die Benzin- oder Dieselkutschen gewöhnt sind, interessieren sich für diese Anzeige besonders. Denn fährt man am Limit (der Zoe riegelt bei 140 km/h ab), kann man zusehen, wie die Rest-Reichweite Prozent für Prozent abnimmt. Mit Bleifuß kann nach einer Strecke von 100 Kilometern bereits der kritische Bereich erreicht sein – im Winter sogar noch eher: Jetzt heißt es möglichst schnell eine Stromzapfsäule aufsuchen.

Schon nach der zweiten oder dritten Tankfüllung – eh, dem Besuch an einer Stromsäule – entdeckt der Zoe-Fahrer ein neues Hobby: Wie fahre ich, damit ich möglichst viel Reichweite übrig habe? Ein völlig neues Fahrgefühl, das man zwar mit Benzinern auch haben könnte – aber so deutlich wie im E-Mobil wird einem die Sparsamkeit dort nicht angezeigt. Wer lässt bergab schon sein »Normalauto« rollen? Beim Zoe wird »rollen lassen« schnell zum Sport. Denn dann nutzt das Auto die Abwärts-Energie zum Rückladen der Batterie. Bei längeren Abfahrten freut man sich, wenn plötzlich ein Energie-Prozent hinzukommt. Wie bei vielen Benzinautos kann man auch den Zoe im Öko-Modus fahren, den man wie beim Automatik-Fahrzeug über den Schaltknüppel einstellt. Hat man es wirklich mal eilig, gibt es auch eine »sportliche« Einstellung an diesem Hebel. 

Kurzinfo zu Auto und Batterie Der Renault Zoe wird als »eine neue Ära Auto« vorgestellt. Dabei sind seine wichtigsten Kenndaten kaum anders als bei »normalen« Pkw. Die drei angebotenen Varianten »Life«, »Intens« und »Zen« sind Ausstattungsvarianten – alle haben einen 68-kW-Motor (88 PS) und können über einen Wahlhebel in unterschiedlichen Modi von sparsam bis sportlich gefahren werden. Die Preise für diese Varianten liegen zwischen 21.700 und 23.500 Euro. Allerdings kommt dazu jeweils noch die monatliche Miete für die Batterie. Bei der Batterie können Jahres-Laufzeiten zwischen 12.500 und 30.000 Kilometern

gebucht werden. Eine weitere Staffelung erfolgt zwischen 12 und 48 Monaten. Je nach gebuchtem Paket liegen die Monatsmieten zwischen 79 und 162 Euro. Dafür bekommt man aber auch die Leistungsgarantie. Das bedeutet: Fällt die Leistung der Batterie unter 75% der Neu-Leistung, wird sie ausgetauscht. Bei der Z.E.Assistance, die im Mietpreis enthalten ist, handelt es sich um eine kostenfreie Pannenhilfe inkl. Mobilitätslösung. Bei Energieausfall werden Sie bis zu 80 Kilometer weit zum nächsten Ladepunkt abgeschleppt.

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Meist werden die Nutzer des Zoe ihr Auto zu Hause laden. Aber auch die Nutzung der Strom-Tankstellen ist bei weiteren Fahrten per Karte problemlos machbar. Unsere Fotos enstanden an der AllgäuStrom-MobilSäule am lmmenstädter Kirchplatz

Info Den Test-Renault-ZOE hat uns das Allgäuer Autohaus Sirch zur Verfügung gestellt. Wir danken für die Unterstützung. Autohaus SIRCH GmbH Gewerbestr. 1 87439 Kempten Tel. 0831-580010 Autohaus SIRCH GmbH Dr.-Karl-Lenz-Str. 27 87700 Memmingen Tel. 08331-96840 Auto SIRCH GmbH Hauptstr. 73a 86871 Rammingen Telefon: 08245-2504 www.autohaus-sirch.de info@autohaus-sirch.de

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Die Hersteller von Renault geben eine Höchstreichweite von 210 Kilometern zwischen den Ladehalten an. Wir haben es auf unseren Allgäuer Straßen auf knapp 150 Kilometer gebracht – allerdings hatten wir auch immer eine Reserve auf der Batterie-Anzeige, und das ist auch gut so. Denn nicht immer geht an der Stromsäule alles glatt. In Immenstadt schafften wir es nur mit sanfter Gewalt, den Stecker in die Säule zu bekommen – an der freien Steckdose behinderte uns der Mast eines Verkehrsschildes. Und am Forum in Kempten fanden wir zwar einen freien, gut zugänglichen Steckplatz – jedoch der dazugehörige Parkplatz war von einem frechen Spritfresser belegt. Auch wenn das Netz der Tanksäulen im Display an der Mittelkonsole und sogar die freien Ladesäulen (per Handy/App) abgerufen werden können – nicht immer ist störungsfreies Laden möglich. Gut handelt, wer Reserven bis zur nächsten Säule hat. Übrigens: Im Allgäu gibt es schon mehr davon als in anderen Regionen.

Geladen wird überwiegend zu Hause Die meisten Zoe-Interessenten werden sich sowieso eine sogenannte »Wallbox« (3,7 kW/rund sechs Stunden Ladezeit) in der heimischen Garage installieren. »Volltanken« findet dann überwiegend an der eigenen Steckdose statt. Problematisch für den einen oder anderen Mieter oder Tiefgaragen-Nutzer: Ist überhaupt Strom dort vorhanden, und erlaubt der Vermieter die Installation? Wie erfolgt die Abrechnung, die Stromzählung? An der AÜW-Station in Kempten stand unser Zoe bereits nach 45 Minuten wieder auf »startklar«. Renault hat ziemlich raffiniert mit einem weiteren Nachteil aufgeräumt: »Die Batterie lässt doch schon

bald nach. Dann werden die Fahrzyklen immer kleiner.« Doch für den Zoe gibt es nur »Mietbatterien«, die – wenn sie erkennbar schwächer werden (weniger als 75% der ursprünglichen Leistung) – kostenlos ausgetauscht werden. Allerdings sind die Mietbatterien derzeit noch nicht besonders günstig .

Mobile Hilfe und umfangreicher Service Wenn alle Stricke reißen und man bleibt doch mal stehen, bietet Renault einen mobilen Hilfsdienst an. Überall und zu jeder Zeit wird das Auto zur nächsten Ladestation geschleppt. Und selbst, wenn man eine lange Urlaubsreise-Strecke plant, hat der Autohersteller eine pfiffige Idee: Er stellt dem E-Mobil-Nutzer dafür ein Miet-Auto mit Benzin- oder Dieselmotor zu günstigen Konditionen zur Verfügung. Damit nicht genug: Über das mannigfaltige Service-Paket informiert man sich am besten beim Händler vor Ort. Die meisten Hilfs- und Dienstleistungen stellt man sich gemeinsam mit dem örtlichen Anbieter individuell zusammen: Garantien aufs gesamte Fahrzeug je nach Kilometerleistung und Alter. Die Zeiten, als die dreirädrigen Batterie-Kisten mit ihrem futuristischen Outfit sich keuchend durch Regen und Schnee über den Großglockner schleppten, sind endgültig vorbei. Die Energiezukunft hat Einzug gehalten – und sie wird noch manche Überraschung für uns bringen. Eines allerdings haben wir heute schon erreicht: Autos können ohne CO2-Ausstoß betrieben werden. Am umweltfreundlichen Umfeld (Eigenstrom-Erzeugung), an verbesserten internen und externen Stromspeichern und Optimierung der Nutzung (Car-Sharing, Langstrecken, E-Nutzfahrzeuge) wird weiter gearbeitet. red


E-Bike

Volle Kraft auf zwei Rädern Das Rad denkt – der Mensch lenkt as bei Geländewagen und Fahrzeugen der oberen Mittelklasse keine Seltenheit ist, könnte in einigen Jahren auch bei E-Bikes und E-Motorrädern zum Standard werden. Am Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik der Universität Ulm entwickelt Dr. Michael Buchholz ein rein elektrisch betriebenes Kleinkraftrad, das durch einen zusätzlichen Antriebsmotor am Vorderrad agiler und vor allem sicherer werden soll. In etwa drei Jahren soll ein batterieversorgter Prototyp auf Teststrecken erprobt werden – mit einer Geschwindigkeit von bis zu 45 Kilometern pro Stunde und einem zusätzlichen Freiheitsgrad gegenüber herkömmlichen Elektrozweirädern. Die Herausforderungen: Das E-Bike muss weiterhin einfach zu bedienen sein, und der Kaufpreis soll erschwinglich bleiben. »Wie kann ein Zweirad mit reinem Elektroantrieb in allen Fahrsituationen sicher betrieben werden, wenn beide Räder durch je einen Elektromotor mit einer funktionsintegrierten Gesamtsteuerung angetrieben werden?« fasst Michael Buchholz das Forschungsvorhaben der Uni Ulm zusammen. Bis die innovativen Zweiräder auch wirklich verkehrstüchtig sind, liegt noch viel Arbeit vor den Ulmer Ingenieuren. In der Versuchshalle an der Universität steht bereits ein Testfahrzeug für Messungen zur Verfügung. Während die Ingenieure tüfteln, erobern herkömmliche E-Bikes die Metropolen der Welt – beste Startbedingungen also für den Allradler. Und so soll das Elektrorad der Zukunft funktionieren: Am Fahrzeug angebrachte Sensoren erfassen, in welcher fahrdynamischen Situation sich das E-Bike befindet, und leiten diese Informationen an ein Steuergerät weiter. Dann berechnet eine Software wahrscheinliche Aktionen des Fahrers und sendet entsprechende Signale an zwei Elektromotoren, die Vorderund Hinterrad unabhängig voneinander antreiben oder abbremsen, oder an eine zusätzliche Reibbremse. Die beiden Motoren dienen nicht nur dem Antrieb, sondern auch der Energierückgewinnung. Das E-Bike wird über den Lenker gesteuert, der Führer kann jederzeit die Kontrolle übernehmen – mechanische Notbremsungen sind also möglich. Ein solches Elektrokraftrad würde wohl ein besseres Fahrverhalten auf laub- oder schneebedeckten Wegen zeigen. Im Entwicklungsprozess sind die Ulmer Ingenieure für die Informations- und Kommunikationstechnik zuständig: Dabei haben die Wissenschaftler stets die Energieeffizienz im Blick. Bei der konkreten

E-Bikes mit Allradantrieb? Was verrückt klingt, könnte in einigen Jahren zum Standard werden. Gemeinsam mit Industriepartnern tüfteln Ulmer Ingenieure an einem Versuchsmuster, das sicherer und agiler als konventionelle Elektrokrafträder sein soll. Dabei muss das innovative Zweirad natürlich erschwinglich bleiben.

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Foto: Universität Ulm

Umsetzung des allradgetriebenen Demonstrators kommen die Projektpartner ins Spiel: »Gigatronic Technologies« stellt Entwicklungsleistungen und Kompetenz im Bereich der Leistungselektronik und im Batteriemanagement zur Verfügung. Die Firma IPDD fördert das Projekt mit vielfältigen Entwicklungsarbeiten – unter anderem mit einer elektrisch betätigten Fahrbremse. ID-Bike, Hersteller des E-Motorrades Elmoto, baut die Versuchsfahrzeuge auf. Gemeinsam wollen sie nach etwa drei Jahren Projektlaufzeit entscheiden, ob es einen Markt für die hochgerüsteten Zweiräder gibt. Aktuell arbeiten etwa 25 Wissenschaftler in verschiedenen Projekten. Dr. Michael Buchholz leitet in Ulm am Institut den Forschungsschwerpunkt Elektromobilität. idw/red

Die Software eines E-Bikes mit Allradantrieb wird derzeit in der Universität Ulm auf Herz und Nieren getestet

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E-Flugzeug

E-Genius auf Wolke sieben Wie die Batterie das Fliegen lernt E-Mobilität findet nicht nur am Boden statt. Ein Blick in die Forschungsabteilungen der Universitäten in der Allgäuer Nachbarschaft zeigt, dass E-Mobilität auch in die Luft geht. In Stuttgart werden neue Dimensionen in der Luftfahrt erobert: Das batteriegetriebene Forschungsflugzeug e-Genius stellte beeindruckende Rekorde auf.

as Batterie-elektrische Forschungsflugzeug e-Genius des Instituts für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart wurde Anfang September als Einstimmung auf den Wettbewerb Green Speed Cup in Straußberg bei Berlin auf dem Luftweg vom Flugplatz Kornwestheim/Pattonville in das 560 Kilometer entfernte Straußberg überführt. Bereits beim Zwischenstopp zum Nachladen in Dessau hatte der e-Genius den ersten Weltrekord aufgestellt: 393 Kilometer Distanz hatte zuvor noch kein Batterieflugzeug geschafft. Gleich am ersten Wertungstag des Green

Fotos: ifb Stuttgart

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Obwohl das Versuchsflugzeug einem Segelflugzeug ähnelt, bringt es abflugbereit 900 kg auf die Waage. 300 kg wiegen allein die Batterien (auf der Skizze hinter dem Piloten)

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Speed Cups musste sich der e-Genius mit einer Tagesaufgabe von 405 Kilometern nochmals steigern. Doch auch diese Reichweite bewältigten die IFB-Piloten erfolgreich und steigerten am 6. September 2013 den Reichweitenrekord für Batterieflugzeuge ein zweites Mal. Im Verlauf des Wettbewerbes hatten die konventionell motorisierten Konkurrenten keine Chance gegen das Stuttgarter Energiesparwunder: Bei gleicher Reisegeschwindigkeit verbraucht der E-Flieger nur ein Fünftel der Energie im Vergleich zu herkömmlichen Zweisitzern. Noch ist der e-Genius nur ein zweisitziger Prototyp, doch IFB-Professor Rudolf Voit-Nitschmann ist zuversichtlich, dass die Forschungsergebnisse in Zukunft auch für größere Flugzeuge Verwendung finden: »Wir können mit dem e-Genius zeigen, dass der elektrische Antrieb im Flugzeug zuverlässig, lärmarm und mit herausragender Energieeffizienz funktioniert. Dies wird für zukünftige Flugzeuge z.B. im Zubringerverkehr von Bedeutung sein, der heute noch überwiegend durch Turboprop-Flugzeuge bedient wird.« Das Elektroflugzeug e-Genius wurde unter der Leitung von Prof. Rudolf Voit-Nitschmann am Institut für Flugzeugbau entworfen und gebaut. Der erfolgreiche Erstflug wurde im Mai 2001 absolviert. e-Genius ist das zurzeit leistungsfähigste Batterieflugzeug weltweit, hat eine Spannweite von 16,85 Metern, eine Startleistung von 65 Kilowatt bei ca. 900 Kilogramm Abflugmasse. Die Akkupacks können 56 Kilowattstunden elektrische Energie speichern und tragen dabei 300 Kilogramm zur Abflugmasse bei. Die Rekorddistanz absolvierten die Piloten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern und benötigten dabei ein Energieäquivalent von umgerechnet einem Liter auf 100 Kilometer. red/idw


E-Solar

»Wir sind Vizeweltmeister!« 3000 Kilometer durch Australien er PowerCore SunCruiser ist in der in diesem Jahr neu geschaffenen Cruiser-Klasse an den Start gegangen und musste sich gegen sieben andere Solarfahrzeuge durchsetzen. Souverän und nahezu pannenfrei erreichte der deutsche Solarrenner Anfang Oktober nach einer Fahrzeit von 41 Stunden und 38 Minuten als dritter in der CruiserKlasse das Ziel. Doch dieses Ergebnis war noch nicht das Endresultat. Denn mittels einer Formel wurden verschiedene Aspekte in die Klassen-Wertung einbezogen, etwa auch die Personenkilometer, also die Anzahl der Mitfahrer multipliziert mit der gefahrenen Strecke. Während die meisten Teams der »Bridgestone World Solar Challenge«, der diesjährigen Weltmeisterschaft der Solarfahrzeuge in Australien, bereits direkt nach dem Rennen Gewissheit über ihr Abschneiden hatten, musste das Bochumer Team um den PowerCore SunCruiser einen Tag länger warten, bis es wusste: »Wir sind Vizeweltmeister!« Erst bei der offiziellen Abschlussfeier des Events in Adelaide wurde das Urteil der Wettbewerbsjury bekanntgegeben. Und das Ergebnis war denkbar knapp. Das holländische Team aus Eindhoven mit ihrem Viersitzer »Stella« lag klar mit 97,5 Prozent vorne, Bochum folgte mit 93,9 Prozent, auf Platz drei dann das Sunswift-Team aus Sydney mit 92,3 Prozent. Warum mussten die Teams in der Cruiser-Klasse länger auf das Endergebnis warten? Eine Fachjury musste die Eigenschaften gesondert beurteilen, die die neu eingerichtete Cruiser-Klasse besonders auszeichnet: die Alltagstauglichkeit der Solarautos. Und hier konnte das blaue Coupé aus der Bochumer Solarrennwagen-Schmiede eindeutig punkten. Besonders die Antworten auf die »Sonntagsfrage« für die Jury,

Fotos: Hochschule Bochum

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Der »PowerCore SunCruiser«, ein deutsches Solar-Auto, hat bei der World Solar Challenge in Australien Alltagstauglichkeit unter Beweis gestellt. Es belegte den zweiten Platz auf der 3020 Kilometer langen Rallye-Strecke von Darwin nach Adelaide.

nämlich, welches Fahrzeug unter den Konkurrenten aus aller Welt sie am ehesten selbst kaufen würden, fielen zugunsten des SunCruiser aus. Mit unterschiedlichen Strategien waren die drei Hauptkonkurrenten der Cruiser-Klasse angetreten: Hatten die Eindhovener mit ihren vier Sitzen auf ein großes Platzangebot gesetzt, erfuhr sich das australische Team mit seinem schnellen Wagen »eVe« die beste Fahrzeit. Mit dem PowerCore SunCruiser setzte das Team der Hochschule Bochum nicht zuletzt auf die Energieeffizienz ihres Fahrzeugs. Das wichtigste Element dabei: die selbstentwickelten Motoren mit Elektroband von Hauptsponsor ThyssenKrupp. Dieses Material ist ein spezieller weichmagnetischer Stahl, der vor allem in Motoren zur effizienten Energieübertragung eingesetzt wird. »Der zweite Platz ist ein super Ergebnis – nie war ein deutsches Team unter den ersten drei bei der Weltmeisterschaft der Solarmobile!« freut sich Stefan Spychalski, der das SolarCar-Projekt an der Bochumer Hochschule seit gut zehn Jahren und auch vor Ort in Australien begleitet.

Der SunCruiser einsam auf der 3000-Kilometer-Strecke zwischen Darwin und Adelaide (oben) und bei der Siegesfeier in Adelaide (unten)

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E-Bike

Das Smartphone regelt, wie stark die Unterstützung beim Fahren sein soll

Fotos: Flykly

Durch den Wechsel des Hinterrades wird ein Ein-Gang-Rad zum E-Bike

Die Kraft aus dem Hinterrad Normale Fahrräder werden motorisiert Das Hinterrad Flykly macht aus jedem normalen Fahrrad ein Pedelec. Neben dem Motor befindet sich auch der Akku in der Radnabe. Gesteuert wird die Elektronik per Smartphone am Lenker über eine App. Der amerikanische Tüftler Nico Klansek revolutioniert die E-Bike-Szene. it dem Flykly haben New Yorker Erfinder eine Nachrüstmöglichkeit für Fahrräder entwickelt, die dadurch zu Elektrofahrrädern werden sollen. Auf der Radnabe des mit vier Kilogramm vergleichsweise leichten Hinterrades mit einer 26- oder 29-Zoll-Bereifung steckt zwischen den Speichen nicht nur ein besonders flacher 250-Watt-Elektromotor in einem robusten Gehäuse, sondern auch noch ein 36-Volt-Lithium-Ionen-Akku, der für eine Reichweite von ungefähr 50 Kilometern sorgen soll. Die maximale Unterstützung reicht bis zu 25 Stundenkilometern. Der Akku wird direkt am Rad geladen. Durch Rekuperation (Rückladung) lässt sich der Akku, der eine Lebensdauer von 1.000 Ladevorgängen aufweisen soll, auch beim Rollen des Rades füllen. Das Flykly kann allerdings nicht mit einer Ketten- oder Nabenschaltung kombiniert werden, sondern lässt sich nur an Ein-Gang-Fahrrädern nutzen. Das ist ein deutlicher Nachteil gegenüber herkömmlichen Pedelecs. Man stelle sich vor, Opas Wanderrad wird durch einfaches Austauschen des Hinterrades zum E-Bike! Allerdings ist das Bike auch nach der Montage des Hinterrades weiter ein Ein-GangRad. Gangschaltung ist nicht vorgesehen. Der Radfahrer benötigt auch noch ein Smartphone, das mit Hilfe der beigelegten Lenkerhalterung

M Nico Klansek, der Erfinder des Flykly, ermöglicht es, aus einem einfachen Fahrrad ein E-Bike zu machen

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mit eingebautem Akku-Frontlicht befestigt wird. Der Akku kann über den Dynamo geladen werden und versorgt auch das Smartphone mit Strom, das per Bluetooth Kontakt zum Hinterrad hält. Die App soll für iOS, Android und die Pebble-Smartwatch erscheinen. Die App dient dazu, die maximale Unterstützung des Elektromotors zu programmieren. Das ist bei anderen Pedelecs auch möglich, allerdings nicht mit dem Smartphone, sondern mit einer Steuerung, die am Rad dauerhaft befestigt wird. Daten zur Fahrgeschwindigkeit, dem Akkustand und der zurückgelegten Strecke werden von der App ebenfalls visualisiert. Die Streckendaten können auch mit Freunden geteilt werden. Wer will, kann über die App auch eine Wegfahrsperre aktivieren. Und einen ganz besonderen Vorteil hat die Erfindung des Amerikaners noch zusätzlich: Wird das Rad gestohlen, kann man es mit dem Smartphone orten und wiederfinden – am besten gleich in Begleitung der Polizei! Ein Flykly kostet 590 US-Dollar (ca. 440 Euro) im weltweiten Versand. Der Minicomputer, auf dem das Smartphone befestigt wird, kostet noch einmal 59 Dollar (ca. 43 Euro). Beim Import nach Deutschland kommen noch der Zoll und Steuern dazu. Die Auslieferung soll im Mai 2014 beginnen. red



Fotos: Thomas Niehörster

Technik-Tradition

Auf dem Bild sind drei »Kreisteilmaschinen« zu sehen. Sie wurden gebaut, um genaue Kreis- oder Längenteilungen, namentlich zur Herstellung der Grad- und Längenteilungen auf astronomischen und geodätischen Messinstrumenten, Maßstäben, Skalen an Thermometern und Barometern zu übertragen. Die gezeigten Maschinen stammen aus den Jahren 1830, 1860 und 1870

Das »Tal der Tüftler« Allgäuer Mächlerwelten im Pfronten In Pfronten entstand durch Pioniergeist, Erfindungsreichtum und Geschick seiner Einwohner ein industrieller Aufschwung. Bis heute sind die Feinmechanik und der Maschinenbau Säulen des wirtschaftlichen Lebens in der Region. Kein Wunder also, dass ausgerechnet in Pfronten die neue Ausstellung »Allgäuer Mächlerwelten« entstehen soll. Denn das Verständnis der Allgäuer Technik-Vergangenheit ist die Wurzel einer starken Energiezukunft.

m den kulturhistorischen Wert der Technikgeschichte unserer Heimat zu sichern und ihn zugleich für den Tourismus zu erschließen, entwickelten rührige Menschen in Pfronten das Projekt »Allgäuer Mächlerwelten«. Ein Team um Fritz Haff-Winkelmann, Lars Christian Kink und Manfred Wünsch hatte bereits wertvolle Vorarbeit geleistet. Als erster Schritt wurde eine Ausstellung von Mächlerarbeiten im August 2013 in der Mittelschule organisiert, die bis auf wenige hervorragende Mächler-Exponate jedoch eher Hobbyarbeiten zeigte. Um das Projekt »Allgäuer Mächlerwelten« realisieren zu können, wurde ein Antrag auf Förderung durch das LEADER-Programm gestellt. Von LEADER gab es nun grünes Licht für die Förderung der »Allgäuer Mächlerwelten«. Zum Sichern von Exponaten, Erstellen von Fotodokumentationen und Zeitzeugenbefragungen sind Kosten von rund 70.000 Euro notwendig. Dafür wurden 33.000 Euro Fördergelder aus dem LEADER-Programm zur Verfügung gestellt. Die Ton- und Videoaufzeichnungen werden,

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so Ethelbert Babl, der LEADER-Manager, Sendequalität beispielsweise für das Bayerische Fernsehen haben. Wichtig war der Projektgruppe vor allem der »Forschungsansatz von unten«.

Ein Haus voller Technik Ziel ist ein eigenes Haus, in dem die Exponate nach heutigem Standard präsentiert werden können, um damit Pfronten auch touristisch als »Tal der Tüftler« zu vermarkten. Als eine der ersten spendete die Firma Haff historische Werkzeuge im Wert von rund 130.000 Euro. Teilweise stammen die Reißzeuge wie Zirkel und Zeichenfedern, die mathematischen Geräte wie Planimeter, mit denen man Flächeninhalte bestimmen kann, aus der Gründungszeit des Unternehmens. Die Haff GmbH in Pfronten ist ein traditionsreiches Familienunternehmen, das weltweit bekannt ist als Entwickler und Hersteller von feinmechanischen Instrumenten. Als Bayern nach den napoleonischen Kriegen erstmals umfassend kartiert wurde, entwik-


Einer langen Reihe von Tüftlern und Mächlern will das geplante Museum in Pfronten ein ehrendes Denkmal setzen – die Ahnengalerie ist beeindruckend

Von links: Heiko Gansloser (Netzwerk Ländliche Räume), Ethelbert Babl (LEADER-Manger AELF), Michaela Waldmann (Bürgermeisterin Pfronten), Dr. Alois Kling (Leiter AELF), Lars Christian Kink (AVA), Fritz Haff-Winkelmann, Manfred Wünsch (Mächlervereinigung)

kelte der Pfrontener Uhrmacher Thomas Haff (1775–1859) mathematische Werkzeuge wie zum Beispiel Stechzirkel, um die in freier Flur gemessenen Werte auf das Kartenblatt übertragen zu können. Seine Söhne gründeten 1835 die Firma Gebrüder Haff, in der viele Feinmechaniker ausgebildet wurden, die später selbst wieder Unternehmen gründeten und dadurch Pfronten zu einem Zentrum der feinmechanischen Industrie, des Maschinen- und Werkzeugbaues wachsen ließen. Die Ortschronik von Johann Baptist Doser und Ludwig Holzner von 1925 verzeichnete 279 Mitarbeiter in den feinmechanischen Betrieben, zu denen noch Heimarbeiter hinzukamen. Heute sind über 1.700 Mitarbeiter in Pfronten in der Branche tätig. Die bedeutendste Firma ist Deckel-Maho.

Die Tradition der Mächler Thomas Haff war einer der Vorväter jener »Mächler« (andernorts auch Mächlar), ein Begriff, mit dem wir heute eher jene Tüftler und Erfinder bezeichnen, die im stillen Kämmerchen sinnieren und werkeln. Die Tradition der handwerklichen Eigenarbeit als Zuverdienst in früherer Zeit stellt eine kulturgeschichtliche Besonderheit des Ostallgäus dar, da die Pfrontener als sogenannte »freie Gotteshausleute« nicht leibeigen waren und somit nicht dem Landesherrn gehörten. Als Rodungsfreie unterlagen sie zudem nicht dem Zunftzwang. Daher durften sie ein Handwerk ausüben und damit den in dieser Gegend kärglichen bäuerlichen Broterwerb mit Handwerksarbeiten aufbessern. So standen in vielen Wohnstuben kleine Drehbänke, an denen die Handwerker auch eigene Ideen realisieren konnten. Sägen, Feilen, Polieren von Hand gelang seinerzeit bis auf Zehntelmillimeter.

Das alte Wissen ist in Teilen der Bevölkerung zwar noch vorhanden, droht aber verloren zu gehen.

Das Funktionsbodell dieses FendtTraktors gehört zur Grundausstattung der Ausstellung. Fendt ist im Ostallgäu beheimatet.

Ein Neubau ist möglich Für ein Haus zur Gründungs- und Wirtschaftsgeschichte Pfrontens hat die Gemeinde bereits zwei Millionen Euro Eigenmittel eingeplant. Nach Vorstellung der örtlichen CSU sollte hierfür die »Villa Goldonkel«, ein denkmalgeschütztes Bauernhaus in Pfronten, in Frage kommen, das sich seit 2009 im Besitz der Gemeinde befindet. Auch die ehemalige Pfrontener Berufsschule ist im Gespräch. Beide Gebäude erfüllen jedoch nicht die Anforderungen an Raumangebot, Raumauteilung, Lage und Barrierefreiheit, sodass es wohl einen Neubau für die »Allgäuer Mächlerwelten« geben wird. Thomas Niehörster

Begriffserklärung LEADER (frz.: Liaison entre actions de développement de l'économie rurale, dt.: Verbindung von Aktionen zur Ent wicklung der ländlichen Wirtschaft) ist ein Förderprogramm der Europäischen Union, mit dem seit 1991 modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum gefördert

werden. Lokale Aktionsgruppen erarbeiten mit den Akteuren vor Ort maßgeschneiderte Entwicklungskonzepte für ihre Region. Ziel ist es, die ländlichen Regionen Europas auf dem Weg zu einer eigenständigen Entwicklung zu unterstützen. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Kempten ist für die Beratung und Bewilligung von LEADER-Projekten zuständig.

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Strom speichern

Sensible Uferbereiche des Rottachsees (Foto) sind noch nicht ausreichend ökologisch untersucht. Michael Lucke vom AÜW (rechts) erklärt, dass dies nun gemacht wird

Wasser als Energie-Batterie? AÜW untersucht Pumpspeicherkraftwerke Die Pumpspeicherkraftwerke gelten als »ausgereifteste« aller Stromspeicher-Technologien. Kein Wunder also, dass sich die Allgäuer Überlandwerke (AÜW) damit intensiv beschäftigen. Rund 20 Standorte wurden auf »Machbarkeit« untersucht. Am Rottachsee und am Breitenstein/Grünten waren die Voruntersuchungen aus Sicht des Stromversorgers aussichtsreich. m Grunde genommen unterscheidet sich ein Pumpspeicherkraftwerk kaum von einem normalen Wasserkraftwerk. Es gibt nur einen gravierenden Unterschied: Beim Wasserkraftwerk läuft das Wasser nur in einer Richtung durch die Turbine, beim Pumpspeicherkraftwerk kann sie in beide Richtungen laufen. Besteht in Stoßzeiten Strommangel, wird Wasser aus einem Oberbecken durch die Turbine in ein Unterbecken geleitet, die Turbine treibt einen Generator an, und der erzeugt Strom. Ist aufgrund von Sonneneinstrahlung und Wind überschüssiger Strom vorhanden, wird über die Turbine wieder Wasser ins Oberbecken gepumpt. Dass es sich bei Pumpspeicherkraftwerken um eine bewährte Technologie handelt, beweisen die 36 bereits in Betrieb befindlichen Kraftwerke in Deutschland. Die ältesten noch laufenden Anlagen wurden 1926 installiert. Alle Pumpspeicherkraftwerke zusammen erbringen eine installierte Leistung von etwa sieben GW (Gigawatt). Sie sind für eine Nutzungsdauer von täglich vier bis acht Stunden ausgelegt. Daraus ergab sich im Jahr 2010 eine Gesamtspeicherkapazität von etwa 40 GWh (Gigawattstunden). Im Jahr 2006 erzeugten die deutschen Pumpspeicherkraftwerke 4.042 GWh elektrischer Energie. Dem stand eine Pumparbeit von 5.829 GWh gegenüber, so dass der durchschnittliche Wirkungsgrad bei etwa 70 Prozent lag. Die jeweilige Leistungsfähigkeit eines Pumpspeicherkraftwerkes ist abhängig von der Größe der Ober-

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und Unterbecken und von der Fallhöhe des Wassers. Damit ein spürbarer Ausgleich der Energie stattfinden und auch über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten werden kann, müssen die technischen Anlagen und die Becken groß genug sein. »Bereits seit geraumer Zeit sucht das AÜW im gesamten Allgäu nach geeigneten Standorten für ein Pumpspeicherkraftwerk. Insgesamt wurden 20 Standorte näher betrachtet. Von diesen haben sich bis jetzt zwei Standorte – Breitenstein und Rottachsee – als interessant herauskristallisiert«, so Michael Fiedeldey, der technische Leiter beim AÜW, bei einer Vor-OrtInformation vor einigen Wochen. »Dort finden wir die technischen und ökologischen Voraussetzungen.« Für eine wirtschaftliche Anlage müssen die topografischen Verhältnisse passen. Da die gespeicherte Energiemenge direkt proportional zum Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterbecken ist, sollte dieser Höhenunterschied möglichst groß sein. Zudem sollte der Abstand zwischen Ober- und Unterbecken möglichst klein sein, um mit kurzen Rohrleitungen auszukommen. Das Gelände sollte also möglichst steil sein. »Die Ober- und Unterbecken dürfen nicht in ökologisch sensiblen Gebieten liegen, und für die Druckrohrleitung muss eine Trasse gewählt werden, die keine Biotope beeinträchtigt«, schränkt man in der AÜW-Zentrale in Kempten ein. Die Kennzahlen für die beiden untersuchten Standorte beschreiben die AÜW-Fachleute wie folgt: Die geplante Pumpspeicheranlage Breitenstein weist einen Bruttoenergie-Gehalt von ca. 360 MWh (Megawattstunden) auf und kann somit etwa sechs Stunden lang für Strom bei maximaler Leistung (60 MW) sorgen. Der Höhenunterschied beträgt 450 Meter, die Druckleitung wäre drei Kilometer lang und hätte einen Durchmesser von 2,2 bis drei Metern. Für die Breitenstein-Anlage müssten zwei Becken mit jeweils


Fotos: EDITION ALLGÄU und AÜW

Foto ganz oben: Die untersuchten Standorte in der Oberallgäu-Karte. Rechts (v.l.); Michael Fideldey, Eberhard Jehle, Theo Haslach, Thomas Hartmann und Michel Lucke. Darüber: die drei Bürgermeister, die von Vorhaben eventuell betroffen wären

einem Volumen von 400.000 Kubikmetern angelegt werden. Die geplante Pumpspeicheranlage Rottachsee weist einen Bruttoenergie-Gehalt von 240 bis 360 MWh (Megawattstunden) auf und kann ebenfalls sechs Stunden lang für Strom bei maximaler Leistung (30 bis 50 MW) sorgen. Die Fallhöhe dort würde (je nach Standort) zwischen 150 und 250 Meter betragen, und die Leitungstrasse wäre ebenfalls drei Kilometer lang. Da der Rottachsee als Unterbecken genutzt werden kann, ist nur ein Oberbecken mit 600.000 bzw. 900.000 Kubikmetern Speichervolumen erforderlich. Dieses Becken, etwa so groß wie sechs Fussballfelder, könnte bei den Weilern Wachsenegg oder Gereute über dem Rottachsee angelegt werden und sie hätte eine Tiefe von etwa zehn Metern. Die Baukosten für ein Pumpspeicherkraftwerk veranschlagt AÜW mit 60 bis 80 Millionen Euro. Bei der Info-Veranstaltung des AÜW am Rottachspeicher waren auch die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden Sulzberg, Oy-Mittelberg und Wertach, Thomas Hartmann, Theo Haslach und Eberhard Jehle, zugegen. Hartmann machte deutlich: »Pumpspeicher sind ein wertvoller Beitrag zur Energiewende, die wir gerne unterstützen. Was mich bei den Gesprächen mit den Grundeigentümern gefreut hat, war, dass wirklich Wohlwollen vorhanden war und alle gesagt haben, dass dies ein gutes Projekt ist.« Das heißt natürlich nicht, dass in Sachen Pumpspeicher im Allgäu bereits alles in trockenen Tüchern ist. Noch etwa zwei Jahre werden laut AÜW die weiteren Untersuchungen dauern. Beispielsweise müssen die ökologischen Auswirkungen der WasserspiegelSchwankungen auf den Rottachspeicher näher betrachtet werden. Fauna und Flora sind besonders im Uferbereich betroffen. Aus genau diesem Grund sind Pumpspeicherwerke am Großen Alpsee bei Immenstadt derzeit nicht weiter untersucht worden. Dort wä-

ren zwar ideale Standorte für Oberbecken, aber der See könnte die ökologischen Folgen von Wasserspiegelschwankungen bis zu 20 Zentimetern nicht vertragen. Allerdings ergaben die Untersuchungen im Konstanzer Tal westlich des Alpsees noch technisch mögliche Standorte für Pumpspeicherkraftwerke mit künstlichen Ober- und Unterbecken. Wohl, weil die landschaftliche Beeinträchtigung durch die Unterbecken erheblich wäre, konzentriert man sich auf andere Standorte. Auf die Frage, wie lange der Bau der beiden möglichen Pumpspeicher dauern würde, schätzt man beim AÜW: »Vorlaufzeit und Genehmigungsverfahren mit einbezogen, muss mit einer fünfjährigen Planungsphase gerechnet werden. Für die Bauphase sind weitere zwei Jahre anzusetzen. Somit summiert sich die gesamte Bauzeit bis zur Inbetriebnahme auf sieben Jahre.« In den betroffenen Bereichen gibt es natürlich auch kritische Fragen aus der Bevölkerung. So zum Beispiel nach der Lärmentwicklung und dem Landschaftsverbrauch während der Bauzeit und beim Betrieb. Die Vertreter des AÜW versuchten nicht zu beschönigen: »Es wird während der Bauzeit Lärmentwicklung wie auf einer normalen Baustelle geben. Die Trasse wird mit Baustraße rund 50 Meter breit werden. Nach Fertigstellung der Anlagen wird es aber keine Schallemissionen mehr geben.« Der Aushub, der beim Trassenbau anfällt, kann laut Fideldey beim Bau der Beckenränder wiederverwendet werden. Die neu anzulegenden Becken werden nicht für einen Badebetrieb oder andere touristische Zwecke genutzt werden können. Michael Lucke, Geschäftsführer des AÜW, macht deutlich: »Es handelt sich um rein technische Bauwerke. Aufgrund der Wasserspiegelschwankungen ist eine solche Nutzung nicht möglich. Die Becken müssen sogar eingezäunt werden. Die Ränder werden aber so begrünt, dass der technische Charakter der Bauwerke nicht so stark ins Auge sticht.«

Michael Fideldey denkt über die Kraft des Wassers nach

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Energie und Umwelt

Der gläserne Iller-Fisch Natur-Bildungsprojekt mit Aussichtsturm »Wasserkraft und Natur – das muss kein Widerspruch sein«, sagte Ralf Klocke von den Bayerischen Elektrizitätswerken bei der LEADER-Förderbescheid-Übergabe am Illerkraftwerk bei Legau Mitte Oktober. Mit dem EU-Geld, regionalen und bayerischen Mitteln wird dort ein neuer Erlebnissteg mit Umweltstation entstehen.

Die Planskizze des Gesamtprojektes an der Staustufe 6 bei Legau mit Fischtreppe, Bachlandschaft, Fischbeobachtungsstation und Aussichtssteg

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er Startschuss für das EU-Projekt »Flussraum Iller-Wasserkraft und Natur am Allgäuer Illerdurchbruch erleben!« im schwäbischen Legau ist gefallen. Ethelbert Babl, LEADER-Manager am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kempten, überreichte zusammen mit dem schwäbischen Europaabgeordneten Markus Ferber und dem Unterallgäuer Landrat HansJoachim Weirather den LEADER-Förderbescheid in Höhe von 435.000 Euro. Mitten ins Schwarze getroffen haben der Landkreis Unterallgäu und die Bayerische Elektrizitätswerke GmbH (BEW) mit ihrer Idee, den Naturraum

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Iller wieder stärker in den Blickpunkt der Bevölkerung zu rücken und den Zugang zu erleichtern. Zu diesem Zweck wird im Bereich der Illerstaustufe 6 bei Sack in der Unterallgäuer Gemeinde Legau ein Aussichtsturm mit Erlebnissteg über die Iller errichtet.

Wanderhilfe für die Fische Zusätzlich wird der Uferbereich abgeflacht und ein naturnaher Illerstrand geschaffen, der den Besuchern einen Zugang zum Gewässer ermöglicht. Eine Fischbeobachtungsstation mit Zählbecken an der neu errichteten Fischwanderhilfe sowie ein Wassertretbecken bieten Möglichkeiten zur Umweltbildung und


Fotos: EDITION ALLGÄU

Die Computer-Animation mit dem Aussichtssteg am Illerdurchbruch bei Legau

für den Tourismus. Besucher und auch Schulklassen sollen in einem gläsernen Durchlaufbecken die Fischwanderungen beobachten können. Außerdem dient die Station der Forschung. In fünf Jahren sollen dort nach der Fertigstellung Erkenntnisse über die Fischpopulation und die Veränderungen in den Wandergewohnheiten der Fische gewonnen werden. Bei der Übergabe des Bescheides vor lokaler Prominenz konnten die Besucher einen ersten Eindruck von dem Vorhaben gewinnen. Vom Steg war zwar erst ein pixeliges Montage-Bild zu sehen, aber die Fischtreppe konnte im Rohbau schon besichtigt werden. Mächtige Granitblöcke in einem mäandernden Bachbett neben der Iller – derzeit noch ohne Wasserlauf. Klocke meinte nicht ohne Stolz: »Diese Fischtreppe ist 'best practice' in Bayern.«

Lob von Landrat Weirather An drei weiteren Staustufen der Iller sind ebenfalls solche Anlagen im Bau, um den größten Allgäuer Fluss wieder »fischdurchgängig« zu machen. Das lobte besonders der Unterallgäuer Landrat Hans-Joachim Weirather. Er war nicht nur als Politiker eine der Triebfedern, die fünf Jahre lang das Projekt angeschoben haben, sondern begrüßte das Projekt auch als Präsident des Fischereiverbandes Schwaben. Der Landrat freute sich über die Belebung des Wanderund Radtourismus, der durch dieses naturnahe Projekt gestärkt werde. Es sei zusammen mit dem Steg bei Altusried ein Bestandteil des Iller-Radweges. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kempten, allgäuweit für die Beratung

und Bewilligung von LEADER-Projekten zuständig, hat grünes Licht für dieses Projekt an der Iller gegeben. Es erfüllt die strengen Förderkriterien, so Ethelbert Babl, LEADER-Manager am AELF: »Durch die geplanten Maßnahmen wird die Iller als Erholungsund Erlebnisraum wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und die Attraktivität des Illerraumes deutlich gesteigert«, ist er überzeugt.

Ralf Klocke, der Leiter des Wasserbaues bei den Bayerischen Elektrizitätswerken, erklärte in einem engagierten Vortrag die verschiedenen Teile des Projektes

Lechwerke als Projektträger »Wasserkraftwerke sind eine tragende Säule der Energiezukunft, denn sie erzeugen kontinuierlich und planbar Strom. Wir wollen zeigen, dass Ökologie und

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Foto oben: Wo jetzt noch Baustelle ist, wird demnächst viel für interessierte Besucher gezeigt. Die Treppe für Fischwanderung ist gut zu erkennen. Noch fließt kein Wasser, dafür aber Finanzmittel: Das Foto rechts zeigt die Übergabe des LEADER-Förderbescheides im Beisein von viel Prominenz

Ökonomie dabei gut in Einklang zu bringen sind. Deshalb sind wir bereit, unseren Beitrag zu leisten, und beteiligen uns an Infrastruktur- und Umweltprojekten, die der Region zugutekommen«, sagte Norbert Schürmann, Vorstandsmitglied der Lechwerke. »Wir freuen uns sehr, dass die Förderung des Projektes aus dem LEADER-Programm bewilligt wurde.« Die Hängebrücke überspannt die Iller auf einer Länge von insgesamt 81 Metern. Am südlichen Ufer wird auf einer Höhe von rund 23 Metern eine Aus-

Wer ist wer? Die Lechwerke AG (LEW) gehört zur RWE-Gruppe. Die LEW AG ist ein regionaler Energieversorger in Bayern und Teilen Baden-Württembergs. Die Lechwerke bieten sowohl Strom- als auch Gasprodukte sowie alle energienahen Dienstleistungen an. Als Partner der Kommunen ist LEW auch im Bereich der Straßenbeleuchtung sowie der Entwicklung und Umsetzung von Energieeffizienzprojekten und umfassenden Energiekonzepten tätig. Unter dem Dach der Lechwerke AG sind der Vertrieb, die Energiebeschaffung sowie Querschnitts- und Steuerungsfunktionen für die LEW-Gruppe gebündelt. Die LEW Verteilnetz GmbH ist der Netzbetreiber im Netzgebiet der Lechwerke AG. Das Unternehmen verantwortet die Netzbetriebsführung sowie Planung, Ausbau und Instandhaltung von Leitungen und Netzanlagen. Das Netzgebiet der Lechwerke deckt sich weitgehend mit dem Regierungsbezirk BayerischSchwaben, reicht aber auch in Teile Oberbayerns. Über das Stromnetz versorgt LEW mehr als eine Million Menschen mit Energie.

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sichtsplattform errichtet, die einen Blick in die naheliegende Illersteilwand ermöglicht.

Baubeginn im Frühjahr Dr. Frank Pöhler, Leiter Wasserkraft der BEW, erläuterte: »Mit dem Bau des Illerüberganges wollen wir im Frühjahr 2014 beginnen. Parallel dazu werden die Fischbeobachtungsstation und das Wassertretbecken errichtet sowie Uferbereiche an den Staustufen Altusried, Legau und Fluhmühle naturnah gestaltet.«

Bei der Bayerische Elektrizitätswerke GmbH (BEW) sind alle Erzeugungsaktivitäten der LEW-Gruppe zusammengefasst. Die BEW gehört zu den führenden Wasserkraftwerksbetreibern in Bayern. In den 35 eigenen und betriebsgeführten Kraftwerken an Donau, Iller, Günz, Lech und Wertach erzeugt sie jährlich mehr als eine Milliarde Kilowatt Strom aus Wasserkraft. Außerdem bietet BEW Unternehmen und Kommunen vielfältige Dienstleistungen rund um das Thema Energie an. Dazu gehören umfassende Energiekonzepte ebenso wie dezentrale Lösungen für die Strom- und Wärmeerzeugung. Das Angebot der LEW Netzservice GmbH an Unternehmen und Kommunen umfasst Lösungen rund um die elektrische Energie-Infrastruktur wie etwa Planung und Bau von Netzanlagen und weitere technische Dienstleistungen. Die BEW, eine Tochterfirma der Lechwerke AG, betreibt an der Iller zwischen Altusried und Lautrach fünf Wasserkraftwerke, die jährlich rund 120 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen. Als Projektträger setzt die BEW die Maßnahmen um: von der Planung bis zur Errichtung des Erlebnissteges beim Illerkraftwerk 6 bei Legau.


Ostallgäu/Tirol

Fünf Betreiber im Verbund Höchste Stromversorgungssicherheit im Ostallgäu Die Ostallgäuer müssen sich trotz der Energiewende keine Sorgen um ihre Stromversorgung machen. Wie die regionalen Energieversorger des Ostallgäus im Gespräch mit Landrat Johann Fleschhut erläuterten, besteht dank der hervorragenden Anbindung des Landkreises an das Höchstspannungsnetz beste Versorgungssicherheit.

andrat Johann Fleschhut hatte sich bei dem Gespräch im Landratsamt nach den Auswirkungen der Energiewende auf die Versorgungssicherheit und Netzstabilität im Ostallgäu

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erkundigt: »Wir werden von fünf Energieversorgungsunternehmen bedient, und deshalb ist es wichtig, wie die Versorgungssicherheit und Vernetzung ist.« Alle im Ostallgäu tätigen Netzbetreiber sind sehr optimistisch: Durch die hervorragende Anbindung an das Höchstspannungsnetz mittels des Transformators bei Bidingen bestünde jetzt und auch zukünftig optimale Versorgungssicherheit. Für einen weitergehenden Ausbau der erneuerbaren Energien ist das Ostallgäu bestens gerüstet: »Bayerisch-Schwaben und das Allgäu verfügen über ideale Voraussetzungen zum Ausbau der Photovoltaik. Allein im LEW-Netzgebiet sind bereits über 60.000 EEG-Anlagen angeschlossen«, erklärte Josef Wagner, Leiter der Netzplanung bei LEW.

Foto: Archiv

Netzbetreiber investieren massiv

Der Rotlechspeicher Von 1975 bis 1977 wurde der Speicher am Rotlech zusammen mit der Überleitung des Kraftwerks Heiterwang und eines Unterwasserkanals erbaut. Die Elektrizitätswerke Reutte (EWR) berichten auf ihrer Homepage über die Entstehung: »Im Rotlechtal wurde unter Ausnutzung einer Schluchtstrecke bei der Raazwaldalm eine Schwergewichtsbetonmauer mit anschließendem Damm errichtet. Der dadurch entstandene Stausee ist etwa einen Kilometer lang. Er hat einen nutzbaren Inhalt von 1,1 Millionen Kubikmetern. Das Triebwasser wird knapp oberhalb des Sperrenbauwerkes entnommen und über einen 4,6 Kilometer langen Druckstollen unter dem Thanellermassiv nach Heiterwang übergeleitet. Der Stollen mit einem Durchmesser von 3,2 Metern wurde in Frästechnik vorgetrieben. Am Ende des Druckstollens oberhalb von Heiterwang befindet sich das Was-

serschloss. Im Anschluss daran geht das Triebwassersystem in eine einen Kilometer lange unterirdische Druckrohrleitung mit Einbindung in das Krafthaus über. Die beiden vertikalachsigen Francisturbinen mit Drehstrom-Synchron-Generator haben zusammen eine Leistung von 8200 Kilowatt. Die Stromerzeugung im Regeljahr beträgt 15 Millionen Kilowattstunden. Die Stromabgabe erfolgt in das 25.000-Volt-Versorgungsnetz. Durch den vorgelagerten Wochenspeicher wird das Kraftwerk weitgehend zur Mitabdeckung der Leistungsspitzen herangezogen. Das abgearbeitete Wasser wird über einen rund 1,5 Kilometer langen offenen Unterwasserkanal dem Heiterwanger See und somit dem Planseespeicher zugeführt.« Wie Heinrich Schlichtherle, Geschäftsführer des Elektrizitätswerks Reutte, mitteilt, wurde der Rotlechspeicher nun umgenutzt zum Pumpspeichersee.

Alle im Ostallgäu tätigen Netzbetreiber investieren gerade massiv, um das Netz fit zu machen für die zunehmende Einspeisung regenerativer Energien. Michael Lucke, Geschäftsführer des Allgäuer Überlandwerks, sagte: »Seit 2004 haben wir im Ostallgäu schon über 1,3 Millionen Euro investiert. Weitere 4,1 Millionen Euro werden bis 2015 hinzukommen.« Frank Backowies, Geschäftsführer von VWEW, erläuterte: »Unsere Teilnahme am Regelenergiemarkt mit flexiblen Blockheizkraftwerken trägt ein weiteres Stück zur Versorgungssicherheit bei.« Heinrich Schlichtherle, Geschäftsführer des Elektrizitätswerks Reutte, ergänzte: »Durch die vor kurzem abgeschlossene Umrüstung des Rotlechspeichers zum Pumpspeicherkraftwerk können wir schon heute flexibel auf die schwankende Einspeisung aus Wind und Sonne reagieren.« Nach Einschätzung von Norbert Schürmann, Vorstand der Lechwerke, kommt der starke Ausbau der erneuerbaren Energien der Region sehr zugute: »Die zusätzlich in die Region fließenden Mittel wirken wie ein kleines Konjunkturprogramm.« Die fünf Netzbetreiber waren sich einig, dass Investitionen in erneuerbare Energien aufgrund der Rechtslage künftig nicht einfacher werden dürften. Trotzdem hätten bereits einige entsprechende Potenzialanalysen angefertigt.

Kurzinfo Die fünf Stromnetzbetreiber im Ostallgäu sind: AÜW (Allgäuer Überlandwerk), EBT (Energieversorgung Buching-Trauchgau), EWR (Elektrizitätswerk Reutte), LEW (Lechwerke), VWEW (Vereinigte Wer tachElektrizitätswerke)

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Neue Brennstoffe

Kohle aus der Abfallgrube Bio-Forschungsanlage ging in Betrieb Seit Juli läuft in Halle eine Demonstrationsanlage zur Herstellung von hochwertigen Brennstoffen aus Bioabfällen. Erforscht wird die hydrothermale Carbonisierung (HTC). Vereinfacht gesagt: Aus biologischen Abfällen soll Kohle zum Heizen gemacht werden. Wir haben den Geschäftsführer Karl Heinz Lumer vom Zweckverband für Abfallwirtschaft (ZAK) gefragt, ob die Ergebnisse der DemoAnlage auch im Allgäu beobachtet werden.


as Forschungsvorhaben in Sachsen-Anhalt wird von der Halleschen Wasser- und Stadtwirtschaft (HWS) und dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) getragen und im Rahmen des vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) initiierten Förderprogramms »Energetische Biomassenutzung« bearbeitet. Nur wenige Stunden soll es dauern, bis aus Bioabfällen Brennmaterial wird, das Braunkohle ähnelt. Die neue Anlage steht auf dem Gelände der Deponie Halle-Lochau. »Ziel des Projektes ist ein Verwertungskonzept, das auch auf andere kommunale Unternehmen übertragbar und nachnutzungsfähig ist. Ein lagerfähiges Produkt als Energieträger mit einer vorzeigbaren Energiebilanz könnte erhebliche Mengen fossiler Energieträger ersetzen. Die HTC-Kohle von der HWS kann dieses Produkt sein. Mit der nachnutzungsfähigen Herstellung von HTC-Kohle in der Anlage ist ein großer Schritt zur industriellen Produktion eines klimafreundlichen Ersatzes für fossile Kohle getan. Damit leistet die HWS einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz«, sagt Matthias Lux, der Vorsitzende der Stadtwerke Halle GmbH, zu der die HWS gehört. Zweieinhalb Jahre wurde zuvor unter Laborbedingungen geforscht, ob und wie das Verfahren funktionieren kann. Jetzt ist die Zeit der Bewährungsprobe gekommen. Dr. Marco Klemm, Projektleiter beim DBFZ und für die wissenschaftliche Begleitung des Projektes verantwortlich, erklärt: »Vor dem Bau der Demonstrationsanlage führte das DBFZ umfangreiche Laborversuche zur HTC durch. Im Mittelpunkt standen die Fragen: Sind die bei der HWS vorhandenen Substrate für das HTC-Verfahren geeignet? Wie beeinflussen die Prozessparameter die Ausbeute und die Qualität der HTC-Kohlen?« Am DBFZ wurden verschiedene Substrate wie Bioabfall, Landschaftspflegematerial und Gärreste unter Laborbedingungen hydrothermal carbonisiert. Dr. Klemm weiter: »Die Laborversuche haben gezeigt, dass die Substrate der HWS im HTCVerfahren in eine kohlenstoffreiche HTC-Kohle umgewandelt werden. Ihre chemische Zusammensetzung und der Brennwert sind mit fossiler Kohle vergleichbar. Im Labor konnten optimale Prozessparameter identifiziert werden. Diese Erkenntnisse werden nun auf die Demonstrationsanlage übertragen.« Künftig sollen jährlich 2.500 Tonnen des kommunalen Grünschnitts im HTC-Verfahren in einen Biobrennstoff umgewandelt werden.

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Die Bilder zeigen die erste Versuchsanlage für die Herstellung von hochwertigen Brennstoffen aus Bioabfällen in Halle

Begriffserklärungen Hydrothermale Carbonisierung (HTC) ist ein Prozess, bei dem unter hohem Druck und hoher Temperatur, beispielsweise 220 Grad Celsius und 25 bar Druck, Biomasse in wenigen Stunden in Kohle umgewandelt wird. Der Einsatz von HTC-Kohle, deren Brennstoffeigenschaften weitgehend jenen von Braunkohle entsprechen, besitzt ein bedeutendes Potenzial zur Minderung klimaschädlicher Emissionen.

Exothermie Als exotherme Reaktion bezeichnet man einen chemischen Vorgang, bei dem Energie, zum Beispiel in Form von Wärme, an die Umgebung abgegeben wird. Den Gegensatz dazu bildet die endotherme Reaktion. Pyrolyse ist eine thermo-chemische Spaltung organischer Verbindungen. Durch hohe Temperaturen (500–900 Grad Celsius) wird ein Bindungsbruch innerhalb großer Moleküle erzwungen. Sie werden in kleinere Moleküle zerlegt. Im Gegensatz zur Vergasung und zur Verbrennung geschieht dies ausschließlich unter der Einwirkung von Wärme und ohne zusätzlich zugeführten Sauerstoff. Die Pyrolyse wurde und wird bei den Holzvergasern angewendet.

Fotos: DBFZ

Anaerobe Fermentierung Ursprünglich wurde mit Fermentation (lat. fermentum/Gärung) eine biotische Reaktion unter Ausschluss von Luft bezeichnet. Heute umfasst die Fermentation jegliche technische Bioreaktion. Dies geschieht entweder durch Zugabe der benötigten Enzyme oder durch Zugabe von Bakterien-, Pilz-, sonstigen biologischen Zellkulturen, die die Fermentation im Rahmen ihres Stoffwechsels ausführen. Die Gärung ist ein Teilbereich der Fermentation und läuft ausschließlich anaerob ab, also sauerstofffrei.

Die anaerobe Fermentierung ist das Verfahren, das in Biogas-Anlagen zur Anwendung kommt.

DBFZ – Forschung für die Energie der Zukunft Das Deutsche Biomasseforschungszentrum arbeitet als zentraler und unabhängiger Vordenker im Bereich der energetischen Biomassenutzung an der Frage, wie die begrenzt verfügbaren Biomasseressourcen nachhaltig und mit höchster Effizienz zum bestehenden, vor allem aber auch zu einem zukünftigen Energiesystem beitragen können.

Im Rahmen der Forschungstätigkeit identifiziert, entwickelt, begleitet, evaluiert und demonstriert das DBFZ die vielversprechendsten Anwendungsfelder für Bioenergie und die besonders positiv herausragenden Beispiele gemeinsam mit Partnern aus Forschung, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Info: DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH in Leipzig, www.dbfz.de

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»Die Forscher haben noch viel Arbeit vor sich!« Karl Heinz Lumer leitet den Zweckverband Abfallwirtschaft (ZAK) in Kempten. Im ZAK werden Abfälle der Landkreise Lindau und Oberallgäu sowie der Stadt Kempten verwertet und entsorgt. Die Prämisse des ZAK lautet: vermeiden, verwerten und entsorgen. Somit ist der Zweckverband vielfach schon als Anwender moderner Innovationen und Verfahren aufgetreten. allgäuALTERNATIV wollte von Karl Heinz Lumer wissen, was er von der hydrothermalen Carbonisierung hält und ob er darin ein Verfahren sieht, das zukünftig auch bei ZAK eingesetzt werden könnte. Lumer verweist auf eine Dissertation aus dem letzten Jahr von Dipl.-Ing. Axel Funke aus Berlin, der sich mit diesem Verfahren intensiv beschäftigt hat. Er gibt dem Verfahren nach der weiteren Erforschung durchaus Praxis-Chancen.

»In jahrelangen Laborversuchen wurde das Verfahren vorerkundet. In der Anlage in Halle sollen Erkenntnisse gewonnen werden, die es – nach Hoffnung der Wissenschaftler und Techniker – zukünftig erlauben, daraus eine praxistaugliche Technologie zu entwickeln. Bis zur technologischen Anwendung des HTC-Verfahrens bestehen noch viele ‚Baustellen‘, an denen weiter gearbeitet und geforscht werden muss.

Bei der Inbetriebnahme der hallensischen Anlage war viel Prominenz zugegen. allgäuALTERNATIV hat zu den Chancen der neuen Technologie den Fachmann Karl Heinz Lumer (Foto ganz oben) von ZAK befragt

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Beim HTC-Verfahren handelt es sich nicht um eine einfache Technologie im Vergleich zur klassischen Pyrolyse und zur anaeroben Fermentation (wird vom ZAK in den bestehenden Biovergärungsanlagen angewandt). Der Anlagenaufwand ist erheblich. Inwieweit sich dieses Verfahren – soweit es praxistauglich weiterentwickelt werden kann – durchsetzen wird, hängt auch entscheidend von den ökonomischen und energetischen Parametern ab. Diese Punkte kann derzeit niemand abschließend beurteilen. In der Dissertationsarbeit von Axel Funke wird zum Beispiel deutlich darauf hingewiesen, dass die ‚Exothermie‘ des Verfahrens bisher deutlich überschätzt wurde. Es besteht Hoffnung, dass die Demonstrationsanlage in Halle Antworten auf die zahlreichen noch offenen Fragen liefert. Nach meiner Einschätzung ist das Verfahren durchaus interessant. Es werden aber noch viele Weiterentwicklungsjahre vergehen, bis alle technischen Anforderungen für die Praxistauglichkeit gewährleistet werden können. Man wird dann auch sehen, ob dieses Verfahren im Vergleich zu den bisherigen erprobten technischen Verfahren (zum Beispiel die anaerobe Fermentation) tatsächlich energetische und ökonomische Vorteile bietet. Im ZAK-Gebiet fallen jährlich etwa 45.000 bis 50.000 Tonnen an organischen Bioabfällen an, die größtenteils über Biovergärungslagen energetisch (Biogas durch anaerobe Fermentation) und stofflich (Biokompost, etwa als Torfersatz) genutzt werden. Die angewandte Biovergärung bewerten die Umweltinstitute mit der besten Ökoeffizienz. Wir werden als ZAK die weitere HTC-Technologieentwicklung mit Interesse verfolgen. Ein möglicher Einsatz ist allerdings erst nach ausreichender Klärung der zahlreichen offenen Fragen denkbar.«



Energie sparen

Wo die Kühlgeräte heizen Erster Supermarkt mit Passivhaus-Standard Das Tiroler Familienunternehmen MPreis hat im Außerfern in Pinswang bei Füssen den ersten Passivhaus-Supermarkt in Mitteleuropa und einen der ersten weltweit eröffnet. Damit sind in der Region wieder einmal Maßstäbe gesetzt worden. Der Markt erreicht Passivhaus-Standard.

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Preis setzt im gesamten Unternehmen bereits seit vielen Jahren ganz bewusst auf Energieeffizienz. Das Passivhaus Institut Innsbruck hat die Errichtung dieses Gebäudes wissenschaftlich begleitet. In nur sechs Monaten wurden die Planung und Fertigstellung umgesetzt. Nach umfassender Kontrolle der Passivhaus-Richtlinien erhielt dieses Bauwerk die Auszeichnung »Zertifiziertes Passivhaus-Pilotprojekt«. Diese ökologische Investition rechnet sich auch wirtschaftlich. Die Amortisationszeit dieses Passivhaus-Supermarktes liegt bei sechs Jahren. Das Tiroler Unternehmen wird diesen Weg weitergehen und die Passivhaus-Technologie auch bei zukünftigen Bauprojekten einsetzen. Der Standort bietet mit Naturschutzgebiet und Betonwerk besondere Voraussetzungen, die vom Architekten optimal genützt wurden. Architekt Raimund Rainer hat das attraktive Gebäude im PassivhausStatus entworfen. Er hat sich intensiv mit der faszinierenden Landschaft, die vom Fluss Lech geprägt ist, beschäftigt. Fluss-Kieselsteine aus dem Lech werden im Bauwerk verarbeitet, und gut sichtbar sind Blätter aus dem angrenzenden Auwald in der betonierten Decke eingelassen. Das Gebäude besteht zur Gänze aus Stahlbeton. Verarbeitet wurde das Material aus dem benachbarten Betonwerk.

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Fotos: Thomas Niehörster

Von außen gibt es kaum einen Unterschied zu einem »normalen« Supermarkt. Und doch: Er hat Passivhaus-Standard

Einen kontrollierten Luft- und Wärme-Austausch ermöglichen die gute Dämmung mit luftdichter, hochwärmegedämmter Gebäudehülle und ein Windfang. Der hygienische Luftwechsel wird durch eine Lüftungsanlage mit Wärme-Rückgewinnung bewerkstelligt. Zugleich wird die durch das angrenzende Schotterwerk staubbelastete Außenluft gefiltert. Durch die Passivhaus-Bauweise wird im Geschäft ein angenehmes Wohlfühl-Klima mit frischer und temperierter Luft geschaffen. Das Passivhaus-Gebäude ist extrem energiesparend. Durch die Technologie der Wärme-Rückgewinnung liefert die Abwärme der Kühlmöbel im Supermarkt die benötigte Energie zum Heizen. Erstmalig wird ein gesamter Supermarkt mit der Abwärme der Kühlmöbel geheizt. Die Abwärme der Geräte reicht für die Raumheizung aus, auch trotz verringerter Kühlleistung, da der Passivhaus-Supermarkt einen geringeren Bedarf hat. Alle Kühlmöbel im Geschäft haben Türen, dadurch ergibt sich eine Energie-Ersparnis von 50 Prozent. Bei normalen Supermärkten verschlingt vor allem die Lebensmittelkühlung viel Strom. Der Stromverbrauch im Passivhaus-Supermarkt Pinswang wird auf ein Drittel reduziert. Der erste Supermarkt Pinswang spart im Vergleich zu einem herkömmlichen neuen Markt pro Jahr 10.000 Liter Heizöl bzw. 32,5 Tonnen CO2 ein. Die Filiale in Pinswang ist mit einer PhotovoltaikAnlage zur Eigen-Stromerzeugung ausgestattet. Durch diese Investition wird erstmals die Selbstversorgung mit Strom in einem MPreis-Supermarkt realisiert. Auf das Gesamtjahr gerechnet wird dieser Markt dann sogar mehr Strom erzeugen, als er verbraucht.

Die Abwärme der Kühltheken wird im Pinswanger Supermarkt zur Heizung des Gebäudes benutzt


Ökologisch bauen

Das Nur-Holz-Haus »von hier« Metall- und leimfrei aus Maierhöfen »Holz ist unsere Leidenschaft« ist das Motto von Holzbau Zeh in Maierhöfen. Die 1881 gegründete Firma hat sich der nachhaltigen Nutzung des Baustoffes Holz verschrieben. Es ist keineswegs der letzte Schrei, sondern bewährte Qualität. Die Schwarzwälder Holzbaufirma Rombach aus Oberharmersbach hat das Nur-Holz-Verfahren erfunden. Zeh ist im Allgäu dafür zuständig.

eit einem Jahr bietet Holzbau Zeh zusätzlich zu vielen anderen Haus-Varianten auch das Nur-Holz-Haus an. »Die Nachfrage der Kunden war für uns ausschlaggebend, dieses ausschließlich aus Vollholz gefertigte Haus anzubieten«, sagt Geschäftsführerin Sonja Zeh-Rudolph. Die Nur-Holz-Elemente bestehen aus unbehandeltem Nadelschnittholz. Im Nur-Holz-System werden Wand-, Decken- und Dach-Elemente nach den Plänen des Bauherrn gefertigt und auf der Baustelle zum Haus zusammengesetzt. Die einzelnen Lagen für die Elemente werden mit einer speziellen Vollholzschraube aus Buche leim- und metallfrei miteinander verbunden. Das Nur-Holz-Haus ist schadstofffrei und auch vollständig rückbaubar. Damit ist der Idealzustand eines ökologischen Hauses erreicht. Für diese Art zu bauen sprechen nach Ansicht der Firma Zeh auch der schnelle Baufortschritt dank des Systembaues und das gesunde Wohnklima. Im Sommer ist das Holz natürlicher Hitzeschild, im Winter hält es wohlige Wärme im Inneren, und der Schallschutz ist hoch. Die Holzelemente sind innen sichtbar und geben so den Wohnräumen ein warmes und behagliches Ambiente.

Fotos: Zeh

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Dass die Firma Zeh einen besonderen Standard beim Holzbau gewährleistet, zeigte sich jüngst bei der Verleihung des ersten Weißtannenpreises, ein transnationales Leaderprojekt. Bauherr Martin Metzger hat für die von Holzbau Zeh vorwiegend mit Weißtanne gebaute IT-Werkstatt im Maierhöfener Gewerbegebiet den Regionenpreis erhalten.

Attraktive Außenansicht und ein Innenleben aus »Nur-Holz« kombiniert die Firma Zeh aus dem westallgäuer Maierhöfen

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Energiesparend bauen

Mehrfamilienhaus betankt Auto Auch im Berg-Winter noch Energie-Plus Fotos: Unternehmensgruppe Hans Angerer

Ein in enger Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) und der Unternehmensgruppe Hans Angerer entwickeltes »Energieeffizienzhaus Plus« wurde im Juni in Bischofswiesen (Berchtesgadener Land) von Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer eröffnet. Das Energieplus-Haus in den Bergen, Juni 2013

s ist das erste Mehrfamilienhaus (sechs Wohneinheiten) seiner Art. Die Messungen und Ergebnisse der nächsten zwei Jahre werden Aufschluss darüber geben, wie man EnergieplusHäuser auch im Allgäu künftig gestaltet. Das Energieeffizienzhaus Plus erzeugt dank einer sehr guten Dämmung, der Nutzung von Erdwärme und Photovoltaik sowie eines verringerten Energiebedarfs mehr Energie, als es benötigt – und das trotz der verlängerten Heizperiode an seinem geografischen AlpenStandort, der durchaus mit den Regionen Ostallgäu und Oberallgäu vergleichbar ist. Mit der überschüssigen Energie wird in Berchtesgaden ein Elektroauto betankt. Bei all den beschriebenen Neuerungen kommt das Angerer-Haus ohne futuristische Architektur aus – es wurde in der ortstypischen regionalen Architektur gebaut. »Der Bau in regionaler Bauweise war eine zusätzliche Herausforderung«, sagt Professor Ulrich Möller von der Fakultät Bauwesen in Leipzig und erklärt: »Die messtechnischen Ergebnisse aus diesem Modellprojekt sind wegweisend für das zukünftige Bauen nicht nur an den Nordalpen. Wenn es hier funktioniert, dann funktioniert es überall.« Möller hatte seit 2012 in einem gemeinsamen, vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geförderten Forschungsprojekt das Haus mitentwickelt und ener-

E Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer (Mitte) mit den Bauherren des Hauses. Darüber: der Energieausweis des landestypischen Gebäudes

Kurzinfo Mehr zum Programm »Energieeffizienzhaus Plus« des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finden Sie unter www.bmvbs.de/effizienzhausplus. Die Unternehmensgruppe Angerer gibt es

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seit über 50 Jahren. In den letzten 15 Jahren entstanden 150 neue energiesparende Eigenheime. Bauherrenzentrum Angerer Silbergstraße 91, 83483 Bischofswiesen, Tel. 08652/9494-0, info@bauherrenzentrum.de, www.bauherrenzentrum.de

getisch berechnet. Am 1. Juli zogen die ersten Bewohner ein – dann sollen die Verbrauchswerte des Hauses in einem Monitoring-Projekt nachgewiesen werden. Baumeister Angerer: »Grundlage des gesamten Baukonzeptes ist das in den vergangenen Jahren optimierte Konzept der Angerer Niedrigenergiehäuser GmbH. Zentraler Punkt ist die spezielle handwerkliche Vorfertigung für die Hauptbauteile Wand und Dach. Dieses Haus ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen.« Mit den einzelnen Gewerken des Modellhauses wurden wie immer lokale Handwerksunternehmen beauftragt, die schon sehr lange mit der Hans Angerer Niedrigenergiehäuser GmbH in einem definierten Qualitätsprozess zusammenwirken. Weiter gibt es eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Industrie zu den Themen Baustoffe und Anlagentechnik. Das Konzept, mit lokalen oder regionalen Handwerkern zusammenzuarbeiten, ermöglicht schon beim Bau die Einsparung langer Lieferwege und eröffnet innovativen Betrieben zum Beispiel auch aus dem Allgäu, bei »EnergieplusHäusern« als Partner zu fungieren, wie das ja schon bei normalen Niedrigenergiehäusern der Fall ist. Das »Energieplus-Haus in den Bergen« wurde in Holzständerbauweise errichtet und übertrifft den Passivhausstandard. Basis der Anlagentechnik ist eine Sole/Wasser-Wärmepumpe zur Wärmeenergieerzeugung in Kombination mit einer zentralen Lüftungsanlage. Erdsonden steuern den Einsatz der Wärmepumpe. Zur Wohnungsbeleuchtung werden dimmbare LEDs verwendet. Die Steuerung erfolgt über Präsenzmelder. Hintergrund des Forschungsprojektes ist die EUGebäuderichtlinie, laut der ab 2021 alle Neubauten nur noch einen sehr geringen Energiebedarf haben dürfen.


Solarenergie

Feuer am Dach Brandrisiken erkennen und minimieren Versuchsaufbau im Labor des Fraunhofer-Instituts Foto: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme

Bisher haben 120 PhotovoltaikAnlagen in Deutschland einen Brand ausgelöst. Bei derzeit 1,3 Millionen installierten Anlagen ist diese Feuerursache also viel seltener, als in Medienberichten vermittelt wird. Der TÜV Rheinland und das FraunhoferInstitut für Solare Energiesysteme (ISE) untersuchen derzeit, wann eine Solaranlage zum Brandauslöser werden kann.

azu werteten sie unter anderem eine OnlineUmfrage aus. »Die Entstehung von Lichtbögen zu vermeiden, ist ein wesentlicher Bestandteil beim Schutz vor Brand durch PV-Anlagen«, erklärt Projektkoordinator Florian Reil vom TÜV Rheinland. Getrennte Steckverbindungen oder defekte Lötkontakte können Auslöser für einen Kurzschluss sein. Ist die Anlage bereits in Brand, können durch die Feuerhitze Kabelisolierungen schmelzen und mit offenen Metallteilen in Kontakt treten. Es kann zu einem mehrere Tausend Grad Celsius heißen Spannungsüberschlag kommen, dem sogenannten Lichtbogen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE fragte der TÜV Rheinland in einer Online-Umfrage Details zu Schäden und Zwischenfällen im Zusammenhang mit PhotovoltaikAnlagen ab. In den meisten der bisher ausgewerteten Fälle waren mangelhafte Produkte oder eine nicht fachgerechte Installation Brandauslöser. Fehler beim Blitzschutz, bei der Leitungsverlegung oder unzureichende Haftverbindungen von Löt-, Klemm- oder Schraubkontakten erhöhen das Risiko, dass sich Lichtbögen bilden. Gefahren also, die bei jeder elektrischen Anlage auftreten können und nicht nur für Photovoltaik-Anlagen gelten.

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Brandursache Montagefehler Neben kritischen Kontaktstellen innerhalb der Anlage spielen auch die verwendeten Werkstoffe eine entscheidende Rolle. Wichtig bei der Auswahl des Materials für PV-Anschlussdosen ist etwa, in welchem Ausmaß dieses nach einer Lichtbogenbildung selbstständig weiterbrennt, wie die Flammen sich ausbreiten

und wie das Abtropfverhalten ist. Schmelzendes brennendes Material, das auf eine Folie der Unterkonstruktion tropft, kann diese im schlechtesten Fall in Brand setzen. Detektoren reduzieren die Brandgefahr. »Lichtbögen können durch adäquate und fachgerechte Montage mit zuverlässigen Komponenten vermieden werden«, so Reil, Leiter des Geschäftsfeldes SolarInnovation beim TÜV Rheinland. Um eine Erhöhung der Brandsicherheit zu erreichen, kann der Einsatz von Lichtbogendetektoren hilfreich sein. Diese erkennen Lichtbögen frühzeitig und schalten die betroffenen Strings ab. Reil: »Hierbei fehlt es gegenwärtig jedoch an umfassenden Anforderungen und Normregelwerken für diese Geräte, die wir jetzt aber unter anderem innerhalb des Projektes erarbeiten.«

Feuerwehrleute schützen Neben Forschungen zur Brandvermeidung ist die aktive Bekämpfung von Bränden Thema des Forschungsprojektes. Gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr München entwickeln die Wissenschaftler Handlungsempfehlungen für Einsatzkräfte. Ziel ist es, diese vor einem elektrischen Schlag zu schützen. Der kann erfolgen, wenn der Löschstrahl auf die noch Strom führende Anlage trifft und ein zu geringer Sicherheitsabstand besteht. Feuerwehrleute setzen Scheinwerfer ein, wenn die Sichtverhältnisse schlecht sind. Treffen die Strahlen auf die Photovoltaik-Anlage, können sie gefährliche Spannungen und Ströme erzeugen. Für diesen Fall entwickelten die Forscher eine Formel, die definiert, welcher Abstand zwischen Scheinwerfer und Modul eingehalten werden sollte.

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Solarthermie

Mit Sonne und Wasser rechnen Auf die gute Planung kommt es an Die Idee ist bestechend: Die Sonne, die gratis aufs Haus scheint, erzeugt über Solarkollektoren Wärme und lässt sich zur Bereitung von warmem Brauchwasser oder zur Unterstützung der Heizung einsetzen. Doch nicht in allen Fällen funktionieren thermische Solaranlagen so, wie ihre Besitzer es erwartet haben. Mit entscheidend ist die richtige Planung der Anlage, sagt Dipl.-Ing. Axel Horn.

er Fachingenieur für Solarthermie, Axel Horn, erklärt in seinem Interview mit der Verbraucherschutzorganisation BauherrenSchutzbund e.V. (BSB), warum sich gute Planung rechnet. Laut BSB sind gut geplante Anlagen immer rentabel. Wer staatliche Förderungen beansprucht, kann sogar Amortisationszeiten von unter zehn Jahren erreichen. Bei der Auswahl des Anbieters rät Horn, intensiv zu vergleichen. Wer pauschal nur ein System anbiete, dessen Fachkompetenz gehe möglicherweise nicht über die technischen Unterlagen eines einzigen Herstellers hinaus. Horn rät den Interessenten zu herstellerneutraler Beratung. Bei der Dimensionierung der Kollektorflächen gibt es vor allem zwei Optimierungskriterien: die maximale Wirtschaftlichkeit der Investition oder den maximalen energetischen Spareffekt. Als Daumenwert für die Untergrenze in der Größe nennt Horn in beiden Fällen neun Quadratmeter. Denn kleinere Anlagen schaffen selbst im Sommer nur dann eine Deckung des Warmwasserbedarfs, wenn die Nutzer ihren Verbrauch in sonnenärmeren Phasen einschränken. Neben der Fläche spielen auch Qualität und

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Fotos: djd/A. Horn/BSB

Bei Solarthermie-Anlagen kommt es auf die richtige Planung und Dimensionierung an

Leistungsfähigkeit der Kollektoren eine wichtige Rolle. Gute Hinweise gibt die Liste »Förderbare Kollektoren und Solaranlagen« des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die dort aufgeführten Modelle haben das »Solar Keymark«-Zertifikat erfolgreich durchlaufen. Zusätzlich lohnt ein Blick in den Kurzbericht zur Zertifikatsnummer, da sich die Leistungsparameter auch bei den zugelassenen Anlagen zwischen mittelmäßig und hervorragend bewegen können. Wie groß der Warmwasserspeicher für eine Solarthermie-Anlage ausfällt, liegt an der Gesamtauslegung. Kleinere Anlagen für 100 Prozent solare Trinkwassererwärmung im Sommer kommen mit 50 Litern je Quadratmeter Kollektorfläche aus. Wird die Fläche verdoppelt, muss das Speichervolumen überproportional steigen – auf 80 bis 100 Liter je Quadratmeter. Eine Anlage mit zwölf Quadratmetern Fläche und rund 1000 Litern Speicher kann im Einfamilienhaus als wirtschaftliches Optimum gelten. Sie liefert hohen Solarertrag bei gutem Systemwirkungsgrad und überschaubarer Investition. djd/red

Je nach Größe und Leistungsfähigkeit können solarthermische Anlagen Warmwasser bereiten oder zusätzlich die Heizung unterstützen


Pioniere der Region

Der »schnelle« Leo Müller Ein Revolutionär der Drucktechnik

eo Müller wurde am 13. Februar 1799 in Riezlern als zweites von zwölf Kindern eines Gastwirts aus dem Kleinwalsertal geboren. Er absolvierte eine Lehre als Tischler in Hindelang und wanderte dann als Geselle in Bayern. Um 1826 trat er eine Stelle als Modelltischler in der Firma von Friedrich Koenig und Andreas Friedrich Bauer an. Die beiden erzeugten im ehemaligen Kloster Oberzell bei Würzburg Zeitungsdruckmaschinen. Er wird sehr schnell zum Abteilungsleiter befördert und bildet sich in Mathematik und Physik weiter. Sein besonderes Interesse galt schon damals der Entwicklung einer leistungsfähigen Schnellpresse. Nach einem erfolglosen Versuch, als Teilhaber aufgenommen zu werden, trat Müller wieder aus der Firma aus. Er kehrte nach Hause zurück und lieh bei Verwandten Geld zur Gründung einer eigenen Maschinenfabrik. Daraufhin eröffnete er eine Werkstatt in der Gießerei des staatlichen Hüttenwerkes Jenbach in Tirol. Kurz darauf erhielt er von der renommierten Wagner'schen Universitätsdruckerei in Innsbruck den Auftrag zum Bau einer Druckerschnellpresse. 1833 bekam Müller ein Privileg (Patent) auf eine technisch verbesserte Presse. Nun zeichnete sich ein Konkurrenzkampf mit dem Maschinenbauer Friedrich Helbig ab; der war ein Neffe von Friedrich Koenig und betrieb eine Maschinenbau-Werkstatt in Wien. Nach anfänglichen Auseinandersetzungen einigten sich die beiden jedoch darauf, fortan einen gemeinsamen Betrieb zu führen. Dabei stellte Helbig kaufmännisches Wissen und Kapital zur Verfügung, Müller brachte seine patentierte Maschine ein. 1836 erhielt er ein weiteres Patent. Im selben Jahr verkauften die beiden Gesellschafter zwei Druckmaschinen an die Hof- und StaatsEine Erinnerungstafel für druckerei in Wien. Leo Müller in Riezlern Binnen sechs Jahren

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lieferte die Wiener Firma 52 einfache sowie sieben doppelte Schnellpressen in verschiedene größere Städte der Habsburger-Monarchie und nach Deutschland; dabei gelang es den Gesellschaftern auch, Kunden ihrer ehemaligen Lehrmeister Koenig & Bauer zu gewinnen. Sie warben für ihre Produkte in Fachzeitschriften und durch Vorführungen. Kurze Zeit darauf erlebte der Betrieb allerdings einen entscheidenden Rückschlag: 1843 starb Helbig, im Jahr darauf Leo Müller. Da Frauen nach dem Gewerberecht keinen Betrieb führen durften, musste Müllers Witwe Maria einen Geschäftsführer bestellen. Doch gingen die im Betrieb beschäftigten Maschinenbauer vielfach denselben Weg, den Helbig und Müller vor ihnen gewählt hatten: Nach ihrer Lernzeit machten sie sich in diesem vielversprechenden Gewerbe selbstständig. 1860 musste die Firma in Wien daher gelöscht werden. Während der kurzen Zeit ihres Bestehens leistete die Firma Helbig & Müller einen wichtigen Beitrag zum frühen Maschinenbau in der Habsburger-Monarchie. Müller musste sein Glück außerhalb suchen, denn im Milieu seiner engeren Heimat bestand kein Bedarf an verbesserten Druckerpressen, etwa für Zeitungen mit höheren Auflagen. Noch heute erinnert eine Tafel in Riezlern an den Kleinwalsertaler Erfinder, und eine Straße im Ort wurde nach ihm benannt. Info aus »Vorarlberger Chronik«

Fotos: Archiv

Vor fast 200 Jahren zog ein Kleinwalsertaler aus, um die Medienlandschaft zu verändern. Leo Müller stieg vom Tischlergesellen auf zum Hersteller von Schnellpressen für den Zeitungsdruck. Kurze Zeit war seine Schnellpresse führend in Europa.

Leo Müller – ein Kleinwalstertaler, der die Welt der Medien eroberte

Das Prinzip der Schnelldruckpresse in einer zeitgenössischen Skizze

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Meldungen Vortrag zum Thema LED-Lampen Das Licht von LED-Lampen gilt als angenehme und ideale Alternative zur Glühbirne. Was steckt noch hinter der innovativen Beleuchtungstechnologie? Detlef Mikulsky von der Ledon-Lamp GmbH referiert im Rahmen der Vortragsreihe

von AllgäuStrom über das Wohlfühllicht mit Energiespareffekt und erläutert, worauf es bei der richtigen Beleuchtung ankommt, wie Strom eingespart werden kann und was beim Kauf von LED-Lampen beachtet werden muss. Der Vortrag

findet am Mittwoch, 13. November, um 19 Uhr im Kurhaus in Oberstaufen (Argenstraße 3) statt. Der Eintritt ist frei, Anmeldungen sind aber erwünscht unter der Telefonnummer 0831 2521-450 oder per E-Mail an stadtsaege@auew.de red

»Röntgenblick« für Gebäudewände In Zusammenarbeit mit dem französischen Centre Scientifique et Technique du Bâtiment CSTB entwickelten Forscher am FraunhoferInstitut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt eine Smartphone-App, die künftig Käufer von alten Häusern vor bösen

Überraschungen schützen soll. Die App dokumentiert, wo elektrische Leitungen und Wasserrohre verlaufen und wann diese zuletzt modernisiert, gewartet oder repariert wurden. Dazu muss der Käufer nur sein Smartphone zücken, die integrierte Kamera einschalten und auf

Was ist »Augmented Reality«? Augmented Reality (AR), zu deutsch »Erweiterte Wirklichkeit«, ist eine computerunterstützte Darstellung, die real aufgenommene Bilder mit zusätzlichen Informationen versieht. Erstmals eingesetzt wurde die AR-Technik im Fernsehen, wenn zum Beispiel die Laufstrecke eines Sportlers mit einer Linie nachgezeichnet wird. Heute, im mobilen Bereich, sind die Programme so perfektioniert, dass der Benutzer lediglich die Kamera seines Smartphones auf eine Straße oder einen anderen Gegenstand halten muss, und auf dem HandyDisplay erscheinen Informationen. Beispielsweise die Wegstrecke, der Kaufpreis einer Immobilie, Historisches zu einem Gebäude. Die Darstellung stützt sich auf die Bilderkennung, die Ortung, die momentane Position und den Blickwinkel des Betrachters.

die jeweilige Wand richten. Das Smartphone zeigt ihm dann über »Augmented Reality« den Verlauf der Leitungen an – die App blendet die gewünschten Informationen über das aufgenommene Kamerabild ein. Auch bei der Konstruktion neuer Häuser kann die Technologie hilfreich sein. Dokumentieren die Architekten mit ihrer Hilfe die dreidimensionalen CAD-Daten eines neuen Hauses, so können sie später bei ähnlichen Projekten darauf zurückgreifen und sehen, wo nachträglich Änderungen nötig waren. Die Software ist fast fertig, im Augenblick wird sie noch von Kunden getestet. Anschließend soll die NewMedia Yuppies GmbH die App zum Produkt weiterentwickeln. red

Starke Impulse für den Klimaschutz im Ostallgäu

Foto: Landratsamt Ostallgäu

Der Landkreis Ostallgäu hat sein Energieteam erweitert. Die Gruppe besteht nun neben Mitarbeitern des Landratsamtes auch aus Vertretern der Energieversorger, der IHK und der Handwerkskammer sowie den Ostallgäuer Kreisräten Benno Bönisch, Waltraud Joa, Tom Nieberle und Bernd Singer. Aufgabe des Energieteams ist die Begleitung der

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Das neue, verstärkte Energieteam des Landkreises Ostallgäu

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Umsetzung des »Masterplan Energiezukunft 2020« im Landkreis Ostallgäu. Dieser beinhaltet neue Ansätze und Projektideen in den Bereichen »Nachhaltig Bauen und Sanieren«, »Erneuerbare Energien«, »Energieeffizienz« und »Mobilität«. Mit dem Masterplan begegnet der Landkreis den Herausforderungen der Energiewende und des Klimawandels und leistet einen effektiven Beitrag zum schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie. red


Meldungen Der neue Strom kommt per Hubschrauber Seit Anfang August hat nun der Aufbau der neuen Masten begonnen – unter Einsatz eines Hubschraubers. Da ein Arbeiten mit einem Kran in diesem Gelände nicht überall möglich ist, werden insgesamt 30 der neuen Rohrmasten mit einem Hubschrauber an ihren Standort transportiert. Der Neubau ist notwendig, um den künftig zu erwartenden Zubau an Erneuerbaren Energien optimal in das 110-kV-Hochspannungsnetz zu integrieren. Bis zum kommenden Winter soll der erste Teilabschnitt abgeschlossen sein. red Links und rechts: In Zell funktionierte alles reibungslos. Zentimetergenau kommen die Mastteile per Hubschrauber eingeflogen, pendeln sich aus und werden von Monteuren vor Ort zusammengebaut.

Fotos: AÜW/Sienz

Seit über 40 Jahren haben sie Wind und Wetter getrotzt: die gut 100 Strommasten zwischen Rauhenzell bei Immenstadt und Zell bei Oberstaufen. Bis Ende Juli 2013 hat das Allgäuer Überlandwerk für die Erweiterung und Umstrukturierung seines 110-kV-Hochspannungsnetzes 53 Masten rückgebaut.

Die Oberallgäuer kriegen ihr Fett weg Der Zweckverband für Abfallwirtschaft Kempten (ZAK) stellt angemeldeten Haushalten seit Kurzem einen neuen kleinen Haushaltshelfer zur Verfügung und unterstützt damit die Umwelt. In dem 3-Liter-

Mehrwegeimer »Öli« können Altspeisefette und -öle gesammelt und an allen ZAK-Wertstoffhöfen abgegeben und gegen neue Eimer getauscht werden. Aus den gesammelten Ölen wird anschließend in

einer Tiroler Kläranlage Biodiesel erzeugt. Die erste Lieferung von vollen Ölis soll noch im Dezember erfolgen. Aus rund 16 Tonnen Altspeisefett soll im Verhältnis eins zu eins der Diesel entstehen. red

Erster Weißtannenpreis verliehen Anzeige

Maierhöfen ist mit dem Westallgäuer Regionenpreis des ersten Internationalen Weißtannenpreises ausgezeichnet worden. Die Verleihung ist ein Kooperationsprojekt der Leader-Regionen Westallgäu, Nordschwarzwald und Vorarlberg. Ausrichter war die Waldbesitzervereinigung Westallgäu als bayerischer Projektträger und einer der Kooperationspartner des Projektes. Ausgezeichnet wurde – als bislang einziges Allgäuer Bauprojekt – die IT-Werkstatt im Gewerbegebiet von Maierhöfen. Das Gebäude wurde geplant

von Kamm Architekten in Stuttgart und gebaut von der Maierhöfener Firma Ulrich Zeh. Als preiswürdig wurde das Gebäude empfunden, weil hier »der Baustoff Weißtanne von der Konstruktion über den Innenausbau, die Fenster bis zur Fassadenausbildung konsequent und gelungen umgesetzt worden ist«, so das Fazit der Jury. Ziel des Wettbewerbes war es, die Einsatzmöglichkeiten der Tanne als Bauund Werkstoff aufzuzeigen – und das Image der ökologisch wertvollen Weißtanne zu verbessern. red

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Meldungen

Fotos: Fraunhofer IZFP

Ein Roboter fährt Bergbahn

Der Roboter »FluxCrawler« kann Stahlseile mit einem Durchmesser von 4 bis 20 Zentimetern prüfen und erkennt, ob ein Riss rechts, links, oben oder unten entstanden ist. Bilder rechts: CAD-Modell des Prüfroboters auf einem Drahtseil

Die majestätische Allgäuer Bergwelt betrachtet jedermann gerne mal von oben. Der Bergbahntourismus boomt bei uns. Die zuständigen Trag- und Spannseile von Seilbahnen sind enormen Belastungen ausgesetzt. Ihre Funktionstüchtigkeit muss daher regelmäßig überprüft werden. Ein neuartiger Roboter erkennt Risse, bevor sie ein gefährliches Ausmaß annehmen kön-

nen. »FluxCrawler« nennen die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren das System. Es eignet sich für die regelmäßige Qualitätskontrolle von Tragseilen und Spannkabeln aus Stahl, wie sie in Seilbahnen und Skiliften, aber auch in Brücken, Kränen und Aufzügen verbaut sind. Mittels magnetischer Streuflussprüfung spürt der Roboter nicht nur winzige Risse an der Oberfläche auf, sondern auch solche, die tiefer gehen. Bei diesem Verfahren wird das Seil einem Magnetfeld ausgesetzt, das im Fall eines Defektes »gestört« ist – an den Fehlerstellen entsteht ein messbares Streufeld. Im Gegensatz zu den gängigen, umfangbegrenzten Spulen, die bisher für diese Methode verwendet wur-

Weitere Infos Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Postfach 100733 80007 München Tel. 089/1205-1399 Fax 089/1205-7531 www.fraunhofer.de

den, prüft FluxCrawler durchmesserunabhängig: Der rund 70 Zentimeter lange Roboter scannt zylinderförmige Oberflächen, indem er das Seil einmal umläuft, er muss es also nicht umfassen. red

Foto: Markt Wertach

Klimawandel: Chancen für das Allgäu

In Zukunft könnten sich mehr Urlauber für das Allgäu entscheiden. Projekte wie der neue Ruhe- und Naturbadeerlebnisplatz am Grüntensee, aber auch Schlechtwetter-Angebote sind dann sinnvoll

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Kein Urlaub bei 40 Grad Celsius: Mehr als ein Fünftel der deutschen Touristen will zukünftig Reiseziele mit hohen Temperaturen meiden. Das zeigten Kasseler Wirtschaftsforscher in ihrer Studie zum Einfluss der globalen Erwärmung auf die Tourismusbranche. Auf die Auswirkungen dieser Studie kann sich das Allgäu als Alternative schon heute gezielt einrichten. Die Studie ist Teil des Forschungsprojektes, bei dem kürzlich über 6000 repräsentativ ausgewählte deutsche Haushalte befragt wurden. Mehr als 22 Prozent der deutschen Touristen wollen demnach ihre Reisepläne an steigende Temperaturen anpassen und gegebenenfalls auf kühlere Reiseziele ausweichen. »Oberstaufen statt Mallorca«, so könnte zukünftig Werbung ausgerichtet werden. Die statistisch-ökonometrischen Analysen zeigen auch, von welchen Faktoren es abhängt, ob ein Tourist in Zukunft seine Reisegewohnheiten aufgrund höherer Temperatu-

ren ändert. Eine besonders große Rolle spielte für die Studienteilnehmer, ob sie die Folgen des Klimawandels als negativ bewerten, wie anfällig sie für starke Hitze sind und ob sie finanziell flexibel sind, um auf alternative Ferienorte auszuweichen. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass Urlaub im Allgäu sogar günstiger sein kann als am Mittelmeer. Als Konsequenz aus der Kasseler Studie müsste aber auch an den Ausbau der »Schlechtwetterangebote« in unserer Region gedacht werden. Denn leider – und das hat der Sommer dieses Jahr bewiesen – gibt es bei uns Schlechtwetter- und Kälte-Phasen auch in der HauptReisesaison. Hier besteht im Allgäu noch Nachrüstungs-Bedarf. Eine wichtige Rolle scheint laut der Kasseler Studie auch die immer bedeutsamere Gruppe älterer Touristen zu spielen, die aufgrund ihrer Anfälligkeit für hohe Temperaturen ihre Reisegewohnheiten besonders stark den Folgen des Klimawandels anpassen wird. red


Meldungen Student schaut Biberacher Bauherren auf die Finger auch die zukünftige Klimaentwicklung. Nach diesen Daten muss in Zukunft zwar weniger geheizt werden, aber es ist nach wie vor mit Kälteperioden zu rechnen, auch könnte es in der Zukunft häufiger und länger warm sein. Die Gefahr einer Überhitzung von Gebäuden im Sommer und in den Übergangszeiten wird also noch ansteigen, was gerade für ältere Menschen eine Belastung darstellt. In den Simulationsstudien untersuchte Jan Michael Schaub deshalb vor allem, mit welchen Maßnahmen das zu erwartende sommerliche Raumklima im Gebäude positiv beeinflusst werden kann. Die bekannten Maßnahmen – konsequentes Schließen des Sonnenschutzes und nächtliches Lüften – bleiben als Basis weiterhin unabdingbar, müssen laut Schaub aber

um eine Automatisierung des Sonnenschutzes ergänzt werden, damit bei Bedarf unabhängig von den Nutzern eine wirkungsvolle Verschattung sichergestellt ist. Wenn sich das Außenklima in Zukunft weiter erwärmt, kann außerdem eine zusätzliche Kühlung der Zuluft in der Lüftungsanlage erforderlich werden. red

In seinen Simulationen hat Jan Michael Schaub detailliert den Heizenergiebedarf und die Raumtemperaturen in exemplarischen Wohneinheiten in Stundenschritten über das ganze Jahr berechnet

Foto: HBC Hochschule Biberach

In seiner Abschlussarbeit hat Jan Michael Schaub, Student der Gebäudeklimatik an der Hochschule Biberach, das Bauprojekt »Bürgerheim Biberach« unter die Lupe genommen und dessen weitere Entwicklung unter dem Aspekt der Energieversorgung und Energieeffizienz untersucht. Bei dem Bau handelt es sich um ein öffentlich gefördertes Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Sieben Partner arbeiten an diesem Projekt, unter anderem das Institut für Gebäudeund Energiesysteme der Hochschule Biberach. Das derzeit im Umbau befindliche Hochhaus, das künftig dem betreuten Wohnen dient, wurde mithilfe einer Computersimulation auf den Prüfstand gestellt. Dabei berücksichtigte Schaub nicht nur aktuelle Klimadaten, sondern

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Meldungen Klimaschutzbeauftragte für den Landkreis Unterallgäu

Foto: Landratsamt Unterallgäu

Mit Antje Kramer hat der Landkreis Unterallgäu seit dem 1. September eine Klimaschutzbeauftragte. Zukünftig wird sie die Projekte des Landkreises koordinieren, darüber informieren und neue Ideen verwirklichen. Außerdem ist sie erste Ansprechpartnerin in Belangen rund um den Klimaschutz. Besonders wichtig ist der 33-Jährigen,

den Klimaschutz nachhaltig zu gestalten. »Nachhaltiger Klimaschutz umfasst ökologische, ökonomische und soziale Bestandteile«, sagt sie. Ziel sei es, alle Akteure ins Boot zu bekommen. Antje Kramer hat Ethnologie, amerikanische Kulturgeschichte und Rechtswissenschaften studiert. Zunächst hatte sie in einer Kanzlei gearbeitet, ehe sie in die

Branche der erneuerbaren Energien wechselte. Zuletzt war sie bei einem Beratungsunternehmen für erneuerbare Energien in Berlin tätig. red

Info Antje Kramer ist unter der E-Mail-Adresse klimaschutz@lra.unterallgaeu.de zu erreichen

Foto: eza!

Kommunales Energiemanagement wird gefördert

Zum Dienstleistungsangebot der eza!-Ingenieure gehört unter anderem auch eine Hausmeisterschulung

Das kommunale Energiemanagement des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (eza!) hilft Gemeinden, den Energieverbrauch ihrer kommunalen Liegenschaften wie zum Beispiel Rathäuser, Kindergärten, Veranstaltungssäle oder Schwimmbädern deutlich zu senken und Kosten einzusparen. Die eza!-Experten kommen falsch eingestellten Heizungs- oder Lüftungsanlagen auf die Spur, sorgen für einen energetisch optimierten Betrieb und bieten Hilfestellung bei Sanierungen an. Nach eigenen Angaben hat beispielsweise die Gemeinde Pfronten nach Einführung des kommunalen Energiemanagements rund eine Million Euro in

zehn Jahren eingespart – bei einem Aufwand von 47.000 Euro Kosten für die eza!-Dienstleistungen. Letztere werden staatlich gefördert. So übernimmt das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz im Rahmen des »CO2-Minderungsprogrammes für kommunale Liegenschaften« 40 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten des kommunalen Energiemanagements. Unter besonderen Bedingungen, wenn die Kommune am European Energy Award teilnimmt, sind es sogar bis zu 50 Prozent. eza! hilft bei der Antragsstellung und bereitet – falls gewünscht – auch unterschriftsreife Förderanträge vor. red

Foto: Ziegelwerk Klosterbeuren

Neue Steuerung und neue Zertifizierung

Als erster Mauerziegelhersteller weltweit war das Ziegelwerk Klosterbeuren im vergangenen Jahr vom TÜV Süd für sein Energiemanagementsystem nach DIN EN 16001 zertifiziert worden. Mittlerweile erfolgte auch das Audit nach der neuen Norm DIN EN 50001

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Das Ziegelwerk Klosterbeuren optimiert sein Energiemanagementsystem und investiert erneut in die Schonung der Ressourcen. Derzeit in der Umsetzung: Im Werk 1 wird die Steuerung für Öfen und Trockner komplett ausgetauscht. Ziel ist es, den Energieverbrauch um weitere sechs Prozent zu reduzieren. Die Investitionssumme beträgt 500.000 Euro. Das Unternehmen hatte bereits im Jahr 2012 mehr als eine Million Euro in Energiesparmaßnahmen investiert und geht diesen Weg konsequent weiter. Unter anderem

setzt das Ziegelwerk Klosterbeuren zwei neue Gabelstapler ein, die sich mit einem sehr niedrigen Kraftstoffverbrauch auszeichnen. red

Info Ziegelwerk Klosterbeuren Ludwig Leinsing GmbH & Co. KG Ziegeleistraße 12 87727 Babenhausen-Klosterbeuren Tel. 08333/9222-0 Fax 08333/9222-46 E-Mail: info@zwk.de www.zwk.de


Meldungen Umweltminister Altmaier auf dem Augsburger Energietag: »Innovationen sind dringend notwendig!« von der Möglichkeit, regenerative Energiequellen maximal in die Wärme- und Warmwasserversorgung von Gebäuden zu integrieren und bis zu 60 Prozent an fossilen Brennstoffen einzusparen. red

Bundesumweltminister Peter Altmaier (2.v.l), KUMAS-Geschäftsführer Thomas Nieborowsky (l.) und Handwerkskammerpräsident Jürgen Schmid (r.) informieren sich bei Johannes Hintersberger (2.vr..) über intelligente Thermicom Hybridheizungstechnologie

Fotos: Cornelia Heindl

Energiewende, Energie sparen, Energieeffizienz – das waren die Themenschwerpunkte des vierten Augsburger Energietages, zu dem die Handwerkskammer Schwaben in den Botanischen Garten eingeladen hatte. Zum Auftakt der Veranstaltung referierte Bundesumweltminister Peter Altmaier über den aktuellen Stand der Energiewende, die notwendigen Visionen und die Rolle des Handwerks. Insbesondere die Chancen für Deutschland, durch innovative Ideen eine Vorreiterrolle einzunehmen, hob er hervor. Im anschließenden Besuch der Handwerker-Ausstellung informierte sich Altmaier bei der Eisenbeiß Solar AG über die Möglichkeiten intelligenter Thermicom Hybridheiztechnik. Er zeigte sich beeindruckt

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Meldungen Zweigleisige Illertalbahn statt A 7-Ausbau Info Für Rückfragen: Thomas Frey BN-Regionalreferent für Schwaben Tel. 089/548298-63; 0160-95501313 E-Mail: thomas.frey@ bund-naturschutz.de

Den sechsspurigen Ausbau der A7 zwischen dem Autobahndreieck Hittistetten und dem Autobahnkreuz Memmingen halten die Kreisgruppen Neu-Ulm und Memmingen-Unterallgäu im Bund Naturschutz sowie der BUND-Regionalverband Donau-Iller für teuer, umweltschädlich und verkehrspolitisch fragwürdig. Als Alternative schlagen sie der bayerischen und

baden-württembergischen Landesregierung den zweigleisigen Ausbau der parallel verlaufenden Illertalbahn vor. Dies sei umweltschonender und stehe seit langer Zeit auf dem Wunschzettel der regionalen Politik. Der BUND hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, eigene Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur vorzulegen. Im De-

zember 2012 hatte das Bundesverkehrsministerium dazu aufgerufen, Alternativen zu prüfen und diese dann einzureichen. Ein BUND-Hintergrundpapier zur Bundesverkehrswegeplanung, die BUND-Liste der 30 Alternativvorschläge zu bundesweiten Straßenbauvorhaben sowie eine Deutschlandkarte dazu gibt es im Internet unter www.mobil-stattverplant.de/alternativen. red

Foto: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ZU

Baubeginn für neuen Hauptcampus der Zeppelin-Universität

Start für den neuen Hauptcampus der Zeppelin-Universität: Oberbürgermeister Andreas Brand, ZF-Vorstandsvorsitzender Dr. Stefan Sommer, ZU-Präsident Prof. Dr. Stephan A. Jansen und ZU-Geschäftsführerin Katja Völcker (v. l.)

Die Zeppelin-Universität (ZU) in Friedrichshafen am Bodensee hat mit den Um- und Neubauarbeiten für ihren künftigen Hauptcampus begonnen. Die Bauzeit wird rund zwei Jahre betragen. Oberbürgermeister Andreas Brand: »Im Fallenbrunnen 3 entsteht ein lebendiges Areal mit Hochschulen, weiteren Bildungsanbietern, Kulturproduzenten, Unternehmen und Wohnanlagen. Wir sind glücklich, dass die nun zehn Jahre alte ZU hier ihren Hauptcampus haben wird.« Insgesamt werden ungefähr 14.500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche entstehen, davon die Hälfte Altbau, die andere Hälfte Neubau. Gebaut wird der Sieger-Entwurf des Architektur-Wettbewerbes unter Einbindung des Technischen Ausschusses und Stadtplanungsamtes, den die Universität im Jahr 2010 durchgeführt hatte. red

Praxishinweise für Bodenschutz beim Bauen Das Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) gibt in einer neuen Veröffentlichung Hinweise für eine bodenschonende Bautätigkeit. Boden erfüllt als Umweltmedium neben Wasser und Luft wichtige Funktionen. Er ist nicht nur Pflanzenstandort und 52

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Ausgleichskörper im Wasserkreislauf, sondern auch Speicher und Puffer im Ökosystem. Gerade bei Baumaßnahmen werden große Bodenmassen durch Verdichtung und Umlagerung geschädigt. Anhand eines üblichen Bauablaufs zeigt das Heft, wie Belange des Bodenschut-

zes berücksichtigt werden können – von der Ausschreibung und Realisierung bis zur Nachsorge. Mit der Praxishilfe möchte das BBSR Bauherren, Planer und Bauausführende, aber auch Behörden erreichen und den Diskurs um vorsorgenden Bodenschutz fördern. red


Meldungen Neue Energieeinsparverordnung verabschiedet betrifft die Verschärfung nicht. Explizit in den Text aufgenommen wurde (unter Paragraf 1), dass parallel zur EnEV Instrumente wie eine Modernisierungsoffensive für Gebäude, ein Sanierungsfahrplan und Förderprogramme eingesetzt werden sollen. Der Bundesrat fordert hierzu, Förderprogramme zur Gebäudemodernisierung mit zwei Milliarden Euro pro Jahr auszustatten, zu verstetigen und in den Bundeshaushalt zu überführen. Außerdem sollen die Energieausweise wirksamer werden. Darin werden Effizienzklassen, ähnlich wie bei Haushaltsgeräten, eingeführt. Solche energetischen Kennwerte sollen dann auch in Immobi-

lienanzeigen erscheinen. Die Pflicht, Energieausweise auszuhängen, wird ausgedehnt. Am 11. Oktober 2013 hatte der Bundesrat einer Änderung der EnEV durch die Bundesregierung weitgehend zugestimmt. Seine Änderungswünsche hat die Bundesregierung mit Beschluss vom 16. Oktober akzeptiert. Damit wurde das Verordnungsgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen. Als nächstes wird der Text redaktionell aufbereitet und anschließend im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das könnte noch in diesem Jahr geschehen. Sechs Monate danach tritt die novellierte EnEV in Kraft. bine

Unten links: Laut der überarbeiteten EnEV sollen energetische Anforderungen an Neubauten ab 2016 steigen. Zudem müssen in Zukunft Energieausweise (unten rechts) potenziellen Käufern und Mietern zum Zeitpunkt einer Gebäudebesichtigung vorgelegt werden. Bisher hieß es nur, dass sie zugänglich gemacht werden müssen Fotos: V. Wille, BHW Bausparkasse/Deutsche Postbank AG

Die Bundesregierung hat im Oktober die Novelle der Energieeinsparverordung (EnEV) mit den vom Bundesrat geforderten Änderungen verabschiedet. Sie soll im Frühsommer 2014 in Kraft treten. Die Bundesregierung will bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand erreichen. Die Verabschiedung der EnEV-Novelle ist ein Schritt in diese Richtung. Ab dem 1. Januar 2016 werden die energetischen Anforderungen an Neubauten angehoben, und zwar um durchschnittlich 25 Prozent beim JahresPrimärenergiebedarf und durchschnittlich 20 Prozent bei den Wärmedurchgangskoeffizienten der Gebäudehülle. Sanierungsvorhaben

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Umwelt-Service

Per Roboter unter die Erde Leckstellen im Kanal auf der Spur »Was man nicht sieht, stört auch niemanden.« Leider stimmt diese Weisheit nicht immer. Wenn die Toilette nicht mehr abläuft oder das Wasser sich im Waschbecken staut, ist das ein Warnhinweis aus dem Untergrund. Kanal verstopft oder gar defekt – was jetzt? Den Garten aufgraben und selber suchen? Oder eine Fachfirma rufen?

Kurzliner wird eingeharzt, ausgehärteter GFK-Inliner

o schlimm muss es nicht kommen. Schadhafte Hausanschlüsse können repariert werden, ohne dass der Bagger anrücken muss. Fachfirmen wie beispielsweise die Bendl Service GmbH in Günzburg können das Problem »schonend« angehen. Mit einer Kamera-Befahrung lässt sich die Ursache des Problems im Hauskanal feststellen. Und selbst, wenn eine oder mehrere Schadstellen festgestellt werden, muss nicht gleich gegraben oder der Kellerboden aufgerissen werden. Margot Bendl, Marketingleiterin des Günzburger Service-Betriebes, erklärt: »Seit über drei Jahren haben wir unser Sanierungsangebot um das Segment Hausanschlüsse mit Erfolg erweitert. Wir sanieren Hausanschlüsse mit einem Filz-Inliner. Das ist ein Tuchschlauch, der mit Harz getränkt und ausgehärtet wird. Unser Team kommt morgens, und im Normalfall ist am Abend der Hausanschluss wieder in Betrieb – sauber, leise, nachhaltig – Toilette und Waschbecken laufen wieder einwandfrei ab! Und das Schöne daran: Ein dichter Hausanschluss ist aktiver Umweltschutz, denn kein Abwasser wird künftig mehr den Untergrund verunreinigen.« Die Sanierung mit Inlinern ist die nachhaltigste Methode, Kanäle langfristig zu sanieren. Nach der Aushärtung mit UV-Licht und der Fertigstellung der Sanierungsarbeiten bekommt der Kunde ein detail-

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liertes Sanierungsprotokoll. Diese Art der Sanierung ist nicht nur kostengünstiger als die konventionelle, offene Sanierung, sondern speziell bei Kanälen, die unter Gebäuden oder Fabriken verlaufen, nahezu die einzige Möglichkeit, noch dazu mit relativ geringem Aufwand. Aber auch andere »kleine Baustellen« bewältigen die Service-Leute von Bendl professionell. Was nutzt ein sanierter Kanal, wenn der Schacht schadhaft ist? Durch beschädigte Einläufe, Versätze oder Risse gelangt Abwasser ins Grundwasser oder umgekehrt. Bendl verpresst die Schadstellen mit Injektionsharz und verspachtelt bei Bedarf die Schachtwand neu. Was im Kleinen geht, funktioniert auch im Großen. Auch kommunale Kanäle mit größeren Durchmessern hat Bendl bereits mit der Inliner-Methode wieder hergestellt. Die Kamera-Befahrung mit dem Kanal-Roboter deckt nicht nur Fehlstellen auf. Die Methode ermöglicht auch die Rekonstruktion von Verlegeplänen. Es kommt nicht selten vor, dass zum Beispiel bei älteren Firmen keine solchen Kanalpläne mehr aufzufinden sind. Mit einer 3D-TV-Kamera können alle Entwässerungsleitungen und Schächte absolut genau in die Lagepläne eingezeichnet und vermaßt werden. Wie das funktioniert? Ganz einfach – die Kamera ist mit einem GPS-Empfänger ausgestattet und kann so in die im System hinterlegten, aktuellen Pläne der Vermessungsämter die Leitungspläne einarbeiten. Sanierungskonzepte können in die Leitungspläne eingearbeitet werden, ebenso wie Fotos der Schächte oder Google-Earth-Ausschnitte. So bekommt man exakte und aktuelle Revisions- und Zustandspläne. Das Team von Bendl ist seit 2007 Partner von eza!. Damit ist eine hohe Qualität der Leistungen garantiert. red

Fotos: Bendl Service

Förderband zum Einziehen von GFK-Großlinern; rechts: Liner wird inversiert

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Schlaue Netze: Wie die Energie- und Verkehrswende gelingt 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050 sind möglich, sagen Experten und Umweltverbände. Wie lässt sich dieses Ziel erreichen? Jenseits des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wird es Zeit für neue Denkansätze. »Bei der Umstellung auf Erneuerbare müssen Energie- und Verkehrswende Hand in Hand gehen«, meinen Andreas Knie (Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, InnoZ) und Weert Canzler (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB). Um die Debatte voranzubringen, haben die beiden Wissenschaftler ihren Denkansatz zu diesem Thema in dem Buch »Schlaue Netze – wie die Energie- und Verkehrswende gelingt« im oekom verlag veröffentlicht. Kerngedanke ist die Formulierung eines SchlaueNetze-Gesetzes als Hebel für das Gelingen der Wende. Der Vorschlag ist gleichermaßen radikal wie komplex und zielt auf eine starke Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Das Buch aus dem Oekom-Verlag hat 136 Seiten, kostet 9,95 Euro und kann in jeder Buchhandlung mit der ISBN: 978-3-86581-440-1 bestellt werden.

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Offensive

Qualität und Wohlbefinden Meckatzer setzen auf Gediegenheit

Fotos: Elgaß

Dass Meckatzer als erste Brauerei von der Vereinigung »slowBrewing« ausgezeichnet wurde, fällt dem Besucher der Braustätte wohl erst beim ersten Schluck Bier auf. Dass das mittelständische Unternehmen aber auf Ambiente und Qualität aus dem Allgäu setzt, das sieht man sofort. Kunst, Architektur und Kulinarik ergänzen sich dort nicht erst, seit der Biergarten mit Kinderspielplatz, der Markenraum und der neue Pavillon eröffnet wurden.

Der Blick vom Biergarten auf die Brauereigebäude strahlt ein wenig italienisches Flair aus. Ganz oben: Welcher Gast möchte nicht von so sympathischen Bedienungen verwöhnt werden?

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ichael Weiß ist sich der Lage seiner Meckatzer Brauerei sehr bewusst: »Um im Konzert der Großen mitzuspielen, sind wir zu klein, und unter den Kleinen sind wir zu groß!« Eigentlich eine sehr gefährliche Situation, denn hat man keine richtige »Heimat«, verliert man seine geschäftliche Orientierung. Der Chef der Westallgäuer Brauerei hat dies schon lange erkannt und einen eigenen Weg beschritten. Entgegen dem Trend im stagnierenden Biermarkt wächst in Meckatz der Umsatz. 170.000 Hektoliter setzt die Traditionsbrauerei jährlich ab. Das Erfolgsrezept heißt »Qualität in allen Bereichen«. Das beginnt natürlich zuerst beim Bier. Die konsequente Qualitätsphilosophie wurde dadurch belohnt, dass Meckatzer als erste Brauerei überhaupt in die Vereinigung »slowBrewing – Das Brauen mit Zeit und Geschmack e.V.« aufgenommen wurde. Um das damit verbundene Siegel zu erhalten, müssen die Mitglieder bei der Herstellung ihrer Biere hohe ökologische und soziale Standards erfüllen. Michael Weiß sagt, was das bedeutet: »Den Bieren soll durch

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schonende Gärung, Reifung und Lagerung Zeit gegeben werden, Geschmackscharakter aufzubauen und an Bekömmlichkeit zu gewinnen.« So, wie sich die Brauerei der absoluten Produktqualität verschrieben hat, so konsequent vermarktet sie sich auch als echtes Allgäuer Unternehmen mit starken Heimat-Wurzeln. Ein letzter Schritt zu diesem ganzheitlichen Unternehmensbild wurde in den letzten Monaten vor Ort getan. Die Braustätte, mitten im Ort nicht gerade ein »Raumwunder«, wurde in einigen wichtigen Bereichen umgestaltet. Dem Bau des neuen Verwaltungsgebäudes (2011 eröffnet) folgte die innere Erneuerung. Die Dämmung der Altgebäude entspricht neuesten Regeln. Die Räume werden mit Recyclingwärme geheizt, auf den Dächern glänzen Photovoltaik-Anlagen, und ein eigenes Blockheizkraftwerk ging in Betrieb. 50 Prozent des Strombedarfs decken die Meckatzer durch Eigenproduktion ab. Emissionen wurden auf ein Mindestmaß reduziert und sollen weiter sinken. Der Lohn für diese Bemühungen: Meckatzer ist wieder nach den Vorgaben des Öko-Audits EMAS zertifiziert, und zwar seit 2002 ununterbrochen. Abgerundet wird die Qualitätsoffensive durch die Einweihung der neuen Außenanlagen und des neuen Pavillons. Man fühlt sich fast ein wenig nach Italien versetzt, blickt man von den Gaststätten-Terrassen in Richtung Braugebäude. Blumenrabatten, Sitzterrassen rund um eine Freiluftbühne, eine im Mittelpunkt platzierte Fassstemmer-Bronzeskulptur von Max Schmelcher laden die Gäste zum Verweilen ein. Ab 2014 soll es hier ein vielfältiges Kulturprogramm geben. Man darf gespannt sein. Das neu gestaltete Bräustüble mit seinen 100 Plätzen wurde um den Pavillon für 50 Gäste erweitert und bietet gediegene Allgäuer Küche an. Der bis dahin störende Straßenlärm der Ortsdurchfahrt wurde durch einen begrünten Lärmschutzwall fast völlig ausgeblendet, und da sich die Brauerei als Aufenthaltsort für die ganze Familie versteht, gibt es jetzt auch einen Slackline-Parcours, ein Großschach und ein Klangspiel zur Unterhaltung der Kleinen. red


Energie sparen

Beispiel: Gymnasium Buchloe Arno Lederer denkt an Kinder und Geld Professor Arno Lederer, Architekt des neuen Gymnasiums in Buchloe, ist mit dem Deutschen Architekturpreis 2013 ausgezeichnet worden. Der Landkreis Ostallgäu ist stolz, dass ein solch renommierter Experte derzeit ein Projekt in unserer Region verwirklicht und gratuliert ihm ganz herzlich.

andrat Johann Fleschhut: »Arno Lederer ist ein emotionaler und emphatischer Architekt, der Projekte gewissermaßen mit einem humanistischen Ansatz angeht und sie als ganzheitliche Form des Lebens sieht. Er hat bei seiner Planung nicht nur an Kosten gedacht, sondern vor allem an die Kinder. Das war uns ganz wichtig.« Der Planer des neuen Gymnasiums Buchloe, Professor Arno Lederer, Gründer des Architekturbüros LRO in Stuttgart, ist für seine architektonische Umsetzung des Kunstmuseums Ravensburg mit dem Deutschen Architekturpreis 2013 ausgezeichnet worden. Anfang 2012 hatte der Kreistag den Zuschlag für die Planung, den Bau und den Betrieb des Gymnasiums Buchloe an die Baufirma Reisch aus Bad Saulgau erteilt. Dadurch ist die vertragliche Zusammenarbeit zwischen Landkreis Ostallgäu und der privatrechtlich organisierten Firma Reisch zwecks Erfüllung öffentlicher Aufgaben in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) gegründet worden. Das Unternehmen verpflichtete sich damals neben der Herstellung des Bauwerkes auch zum Unterhalt in den ersten 20 Jahren. Im Gegenzug muss der Land-

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kreis nach der Fertigstellung 23,3 Millionen Euro bezahlen. Die Beteiligung der Stadt Buchloe, des Marktes Waal und der Gemeinden Jengen und Lamerdingen beträgt 5,1 Millionen Euro. Vom Freistaat Bayern kommen 9,2 Millionen Euro. Das Gymnasium hat 32 Unterrichtsräume, 18 Fachräume, die Ganztagsbetreuung mit Küche und eine Zweifach-Sporthalle. 700 Schüler besuchen die Schule, und 60 Lehrer unterrichten dort. Das Gebäude wurde nicht nur im Passivhausstandard erbaut, sondern hat auch eine ganz besondere menschliche Note.

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Fotos: Landratsamt Ostallgäu

Am Neubau des Gymnasiums, entworfen vom Architekten Arno Lederer (Bild ganz oben), wird letzte Hand angelegt. Inzwischen ist der Bau seiner Bestimmung übergeben

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Lebensraum

Zu viel Flächenverbrauch Bund Naturschutz fordert Umkehr »Das Allgäu verliert zunehmend sein Gesicht. Bürgermeister und Landräte müssen jetzt eine deutliche Trendwende beim Flächenverbrauch einleiten, ansonsten droht der Charakter des Allgäus weiter verlorenzugehen«, kommentiert Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter, die nach wie vor überdurchschnittlich hohen Zahlen zum Flächenverbrauch im Allgäu.

er Bund Naturschutz hat eine Dokumentation »Flächenfraß und Flächenschutz – Positiv- und Negativbeispiele politischen Handelns« erstellt und will damit aufzeigen, wie flächensparende Gemeindeentwicklung möglich ist und welche politischen Entscheidungen den Flächenverbrauch in die Höhe treiben. »Wenn landwirtschaftliche Flächen bebaut werden, auf denen bisher Nahrungsmittel produziert wurden, dann sind diese unwiederbringlich verloren. Den Flächenverbrauch zu stoppen, ist daher vordringliche Aufgabe von Politik, Naturschützern und Bauern«, sagt Andreas Steidele, Kreisvorsitzender des BDM im

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Oberallgäu. Der Flächenverbrauch geht fast ausschließlich zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen und bedroht oftmals nicht nur die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe, sondern führt auch dazu, dass immer mehr landwirtschaftliche Produkte importiert werden müssen. Die Flächenstatistik weist dem Oberallgäu weiterhin den unrühmlichen Titel »Bayerischer Meister im Flächenverbrauch« zu, wenn man die Zahlen zwischen 2000 und 2012 betrachtet. Aber auch die Landkreise Ostallgäu und Unterallgäu liegen weit über dem bayerischen Durchschnitt. Die vom BN vorgelegte Dokumentation zu »Flächenfraß und Flächenschutz

Bund Naturschutz: Negatives Beispiel

Leerstehende Geschäfte im Zentrum von Dietmannsried und große Einzelhändler im Gewerbegebiet

Fazit: Ein großes Einzelhandels-Neubaugebiet führt zu Leerstand und Geschäftsaufgaben im Ortskern sowie in den umliegenden Gemeinden. Eine Fläche von 65.000 Quadratmetern ging verloren.

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»Dietmannsried ist eine attraktive Gemeinde. Vor den Toren Kemptens und mit eigener Autobahnzufahrt direkt an der A7 gelegen, sind gerade Einzelhandelsgewerbetreibende von der ansonsten eher unauffälligen Gemeinde angetan. Dieses Merkmal weiß Dietmannsried für sich gewinnbringend zu nutzen, und so entstanden in den letzten Jahren rund um den Ortskern verschiedene Gewerbegebiete. Unweit der Autobahn, direkt am Ortsrand gelegen auch das Gewerbegebiet Steinriesel. Von Aldi, Lidl, Penny und Feneberg bis Kik & Co. ist hier alles schön aneinandergereiht: Einkaufsmärkte, Textildiscounter, eine Tankstelle und diverse Kleinbetriebe. Eigentlich alles ganz praktisch, nur ein Auto sollte man schon haben, wenn man im Alter nicht mehr so gut zu Fuß ist. Der Einzelhandel im Ortskern hat dagegen wenig Chancen. Viele ehemalige Läden stehen leer, die Hauptstraße gibt ein eher trostloses Bild ab. Auch in den umliegenden Gemeinden zog sich der private Einzelhandel zurück. Bürgerschaft und Gemeinden organisierten Dorfläden, um noch eine wohnortnahe Grundversorgung sicherzustellen. So in Haldenwang, Heising, Krugzell, Probstried und Börwang. In Dietmannsried hingegen mussten viele Gewerbetreibende aufgeben, weil sie im Preiskampf gegen die Großmärkte das Nachsehen hatten. Hier kann man nun günstig leerstehende Geschäfte kaufen, während sich im Gewerbegebiet ein Auto an das andere reiht.«


Fotos: Bund Naturschutz

Bund Naturschutz: Positives Beispiel »Nicht mehr als 400 Quadratmeter für den Einzelhandel« – dieser Grundsatzbeschluss der Gemeinde Seeg hat die innerörtliche Einzelhandelsstruktur erhalten, da diese Flächengröße für Discounter am Ortsrand unattraktiv ist. Hier kann man ein intaktes Allgäuer Dorf im Original erleben. Die Gemeindepolitik hat mit ihren Entscheidungen maßgeblich dazu beigetragen, einen lebendigen Ortskern mit kurzen Wegen zu erhalten. Hier ist man bisher nicht der Verlockung verfallen, die Gemeindekasse durch den Verkauf großer Gewerbeflächen aufzubessern, was zur Folge hätte, dass Arbeitsplätze im innerörtlichen Einzelhandel vernichtet würden. Denn fast immer gehen mehr Arbeitsplätze in den

alten Betrieben verloren, als durch großflächige Supermärkte am Ortsrand neu geschaffen werden. Dynamik mit Augenmaß – dies ist ein Grundsatz in Seeg, und vielleicht gab es auch deswegen den Dorf Vital Preis 2008 in der Kategorie: »Dörfer mit vielfältigen Ansätzen zur Vitalitätsverbesserung, mit weit fortgeschrittenen Entwicklungsprozessen und bereits umgesetzten Maßnahmen«. Fazit: Ein Grundsatzbeschluss der Gemeinde sichert die innerörtliche Einzelhandelsinfrastruktur und schützt vor Neubauten auf der grünen Wiese. Gerettete Fläche: 25.000 Quadratmeter.

In Seeg freuen sich die Einwohner über einen intakten Ortskern mit Einzelhandelsgeschäften

Flächenverbrauch im Allgäu Veränderung der Siedlungs- und Verkehrsfläche zwischen 2000 und 2012 Bayern Region München Allgäu gesamt Oberallgäu (Lkr) Ostallgäu (Lkr) Unterallgäu (Lkr) Lindau (Bodensee) (Lkr) Kaufbeuren (Krfr. St) Kempten (Allgäu) (Krfr. St) Memmingen (Krfr. St)

Angaben in Prozent

Quelle: Auswertung der Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung

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im Allgäu« zeigt, dass politische Entscheidungen über mehr oder weniger Flächenverbrauch bestimmen. Zentrale Ansatzpunkte zur Verminderung von Flächenverbrauch aus Sicht des Bund Naturschutz sind: • Erhalt statt Neubau im Straßenbau: kein Straßenneubau mehr, außer in ganz wenigen begründeten Ausnahmen. • Innenentwicklung fördern: Umschichtung von Finanzmitteln aus dem Straßenneubau in Städtebauförderung und Dorferneuerung. • Verpflichtendes kommunales Flächenressourcenmanagement: Ein Nachweis, dass alle Innenentwicklungspotenziale genutzt wurden, dient in Verbindung hiermit als zwingende Voraussetzung für die Ausweisung von Neubaugebieten außerhalb des Ortskerns.

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• Verbot der Neuausweisung von Einzelhandelsflächen auf der grünen Wiese, verankert im Landesentwicklungsprogramm. • Striktes Anbindegebot ohne Ausnahmeregelungen, außer für extrem emissionsintensive industrielle Großbetriebe (verankert im Landesentwicklungsprogramm). • Rückverlagerung der Genehmigungspflicht für Flächennutzungspläne – weg von den Landratsämtern und hin zu den Bezirksregierungen – in Verbindung mit klaren Prüfkriterien. • Grundsteuer- und Grunderwerbsteuerreform, deren Bemessungsgrundlage nur an Grund und Boden, nicht aber an die darauf befindlichen Gebäude geknüpft ist, welche finanzielle Anreize zum flächensparenden Bauen gibt.

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Ernte per Internet

Einladung zum Pflücken Fotos: EDITION ALLGÄU

Kostenlos und online zur schmackhaften Ernte

Eine neue Internet-Plattform (www.mundraub.org) zeigt Obst- und Kräuterfans, wo sie in ihrer Region kostenlos ernten dürfen. Auch erste Eintragungen im Allgäu sind zu finden – zum Beispiel Holunderblüten in der Nähe von Kißlegg, Bärlauch bei Blaichach, Zwetschgen in Obergünzburg und Heidelbeeren am Auerberg. Obstbäume im öffentlichen Raum (unten ein Apfelbaum), Beerenstandorte im Wald wie beispielsweise wilde Schlehen (darunter) werden neuen Nutzern »verraten«

pfel, Birne, Pflaume – so mancher Stadt- oder Dorfbewohner hat das letzte Mal in seiner Kindheit die süßen Früchtchen vom Baum gepflückt. Terra Concordia will das ändern und ruft ganz legal zum Mundraub auf: Eine interaktive Karte, ein Online-Portal und ein Reiseführer für Selbstpflücker zeigen »Mundräubern«, bei welchen Obstbäumen, Wildfrüchten und Kräutern sie kostenlos in ihrer Stadt oder Gemeinde zugreifen dürfen. Fünf junge Leute aus Berlin sind auf die Idee gekommen, dass es doch eigentlich schade ist, wenn Obstbäume nicht abgeerntet werden und die Früchte vergammeln. Was liegt da in digitalen Zeiten näher, als eine Webseite ins Leben zu rufen und solche herrenlosen Bäume auf einer interaktiven Landkarte zu markieren? Ziel der Initiative ist es, Menschen auf die Naturschätze ihrer Region aufmerksam zu machen und gemeinsam mit Kommunen nachhaltige Modelle zur Pflege öffentlicher Obstbaumbestände zu entwikkeln. Es sollen in Vergessenheit geratene Früchte und Beeren »wieder entdeckt« werden, um sie als Teil unserer Kulturlandschaft und der Biodiversität dauerhaft zu erhalten. Hinter den Icons auf der MundraubMap stehen echte Bäume, Sträucher und Kräuter.

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Das Mundräuberhandbuch 84 Seiten mit zahlreichen handgemachten Illustrationen und Fotos, gedruckt auf FSC-Papier. In sechs Kapiteln erfährt der Leser alles über Ernten, Verarbeiten, Pflanzen und Pflegen. Natürlich geht das Buch auch auf rechtliche Aspekte und Gemeingüter ein und gibt Ideen und Anregungen zum kreativen Mundräubern. Preis: 12,95 Euro inkl. 7% MwSt. Zu bestellen in jeder guten Buchhandlung unter der ISBN-Nummer 978-3-00-040288-3

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Geordnet nach Sorten, klickt sich der »Mundräuber« von Salzburg bis nach Flensburg, um die besten Plätze für den »Früchteklau« zu entdecken. Mitmachen darf jeder, der Eintrag ist simpel: Obstsorte und möglichst genaue Beschreibung des Baumes reichen. Die Initiative kümmert sich dann um die formelle Freigabe durch den Besitzer, damit niemand aus Versehen zum Dieb von privatem Obst wird. Andere Nutzer haben sie nach bestem Wissen und Gewissen veröffentlicht. Auch öffentliche Verwaltungen stellen inzwischen Daten im Rahmen ihrer Open Data Policy zur Verfügung, oder private Eigentümer und Unternehmen wollen ihre ungenutzten Ressourcen teilen. Es gibt bereits einige Einträge aus allen Allgäuer Landstrichen. Allerdings sind das noch nicht allzu viele bei www.mundraub.org. Auch unsere Leser können dazu beitragen, dass das Allgäu bald »flächendeckend« auf der Internet-Karte erscheint. An Bäumen, Sträuchern und Pflanzen ist unser Allgäu ja reich gesegnet. Wie man selbst Eintragungen vornimmt, ist auf der Homepage erklärt. Die Betreiber von Mundraub haben für ihre Idee einen Preis im Rahmen des Wettbewerbes »Land der Ideen« bekommen. Sie verlangen vom Nutzer aber auch Rücksicht: »Die Website lebt davon, dass ihr respektvoll mit der Natur und den kulturellen und privatrechtlichen Gegebenheiten in eurer Region umgeht. 1. Stellt vor dem Eintragen bzw. Ernten sicher, dass keine Eigentumsrechte verletzt werden. 2. Geht behutsam mit den Bäumen, der umgebenden Natur und den dort lebenden Tieren um. 3. Teilt die Früchte eurer Entdeckungen und gebt etwas zurück. 4. Engagiert euch bei der Pflege und Nachpflanzung von Obstbäumen.« (aa)


Moorschutz

Verkaufs-Hit: Torffreie Erde Anerkennung für ein regionales Produkt Die torffreie Blumen- und Pflanzerde der Allgäuer Moorallianz wurde in kürzester Zeit ein echter Verkaufsschlager. Mehr als 10.000 Säcke à 45 Liter sind seit Mitte März 2013 in den Vertrieb gelangt. Landrat und Zweckverbandsvorsitzender Johann Fleschhut: »Wir hätten diese Resonanz nicht erwartet. Das entspricht der Menge, die die Allgäuer Moorallianz mit dem Produzenten, den Einheitserdewerken Patzer aus Buchenberg, eigentlich für drei Jahre vorgesehen hatte.«

it der Allgäuer torffreien Blumen- und Pflanzerde sowie der begleitenden Kampagne »torffrei gärtnern« macht die Allgäuer Moorallianz deutlich, wie leicht jeder Einzelne durch bewusstes Einkaufsverhalten den Moor- und Klimaschutz persönlich unterstützen kann. Viele Gründe sprechen dafür, torffrei zu gärtnern und den Schutz der Moore damit zu unterstützen: • Moorschutz ist Klimaschutz. Der Torf, der in jeder herkömmlichen Blumenerde enthalten ist, stammt aus dem Moor. Für den Abbau werden die Moore entwässert, und der zersetzte Torf geht als CO2 in die Luft. Das passiert in kürzester Zeit auch mit dem Torf, der als Gartenerde verwendet wird. • Moorschutz bedeutet Schutz der Vielfalt des Lebens. Moore sind wertvolle, unersetzliche Lebensräume für eine ganze Reihe seltener Tierund Pflanzenarten, die als Spezialisten auf diese Umgebung angewiesen sind – etwa der Sonnentau, Schmetterlinge wie der Hochmoor-Gelbling oder seltene Libellen. In Mitteleuropa wurden bereits 95 Prozent der Moore entwässert und damit die Lebensräume dieser Arten zerstört. • Allgäuer torffreie Blumen- und Pflanzerde ist ein regionales Qualitätsprodukt. Die Bestandteile der Allgäuer torffreien Blumen- und Pflanzerde, etwa der Kompost, kommen zu einem großen Teil aus dem Allgäu. Das reduziert Transportwege und unterstützt regionale Unternehmen. Eine sorgfältig ausgewählte Mischung hochwertiger Rohstoffe sichert die hohe Qualität – damit nicht nur die Moore, sondern auch die Gärten erblühen. Die Allgäuer Moorallianz führt die Kampagne »torffrei gärtnern« mit vielen Partnern wie den Kreisfachberatern für Gartenkultur und Landespflege, den Kreisgartenverbänden sowie dem Bund Naturschutz

Fotos: Archiv EDITION ALLGÄU

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und dem Landesbund für Vogelschutz durch. Innerhalb der Kampagne werden Vorträge für Verbraucher gehalten, es finden Gespräche mit dem Handel und Schulungen für Verkaufspersonal sowie zahlreiche weitere Aktionen statt. Die Kampagne wird im Rahmen des Bundesprojekts »chance.natur« mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördert. Das unter dem Motto »global denken – regional handeln« ins Leben gerufene regionale Produkt »Torffreie Pflanzerde« ist mittlerweile bei 90 Verkaufsstellen im Allgäu und darüber hinaus erhältlich, unter anderem nun auch in den V-Markt-Filialen sowie in den Kaufmärkten der Firma Feneberg, in den Wertstoffhöfen des ZAK und in vielen Gärtnereien und Gartencentern. Die ständig aktualisierte Liste der Verkaufsstellen ist im Internet unter www.moorallianz.de zu finden.

Die Erhaltung und Renaturierung der Allgäuer Moore (oben) liegt dem Vorsitzenden der Moorallianz, Landrat Johann Fleschhut (unten), am Herzen

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Ökologie

Rückzug der Schmetterlinge 50 Prozent weniger Arten in 20 Jahren

Fotos: Archiv EDITION ALLGÄU

Die Zahl der Schmetterlinge auf Europas Wiesen hat sich zwischen 1990 und 2011 dramatisch reduziert. Als Ursache werden die Intensivierung der Landwirtschaft und ein Mangel an Grünland-Ökoystemen genannt. Das betrifft auch das Allgäu, das zwar noch die größte Vielfalt in Bayern hat, aber die »Vermaisung« gefährdet diesen Arten-Reichtum. Ein Bericht der Europäischen Umweltagentur (EUA) warnt vor weiteren Verlusten.

Eine der beobachteten Grünland-Schmetterlingsarten ist der Dickkopffalter

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er Rückgang des Grünlandes ist besorgniserregend, so der Bericht der EUA, weil die Wiesenschmetterlinge als repräsentative Indikatoren gelten: Sie zeigen die Trends für die meisten anderen Insektenarten auf, die zusammen zwei Drittel aller Arten auf dem Planeten ausmachen. Das heißt: Schmetterlinge sind nützliche Zeigerarten für den Zustand der Artenvielfalt (Biodiversität) und der generellen Gesundheit der Ökosysteme. 17 Schmetterlingsarten wurden im »European Butterfly Grassland Indicator: 1990-2011« näher untersucht. Acht von ihnen sind in Europa zurückgegangen, lediglich bei zwei Arten sind die Populationen stabil geblieben, und nur eine hat zugenommen. Für sechs Arten war kein eindeutiger Trend zu erkennen. Zu den Arten, die untersucht wurden, gehören der Hauhechel-Bläuling, der deutlich zurückgegangen ist, der Aurorafalter, der seit 1990 stabil zu sein scheint, und der Mattscheckige Braun-Dickkopffalter, dessen Entwicklung über die letzten zwei Jahrzehnte unsicher

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ist. »Dieser dramatische Rückgang an Grünlandschmetterlingen sollte die Alarmglocken läuten lassen. Generell schrumpfen die Wiesenflächen in ganz Europa. Wir müssen uns der Bedeutung von Schmetterlingen und anderer Insekten bewusst werden, denn deren Populationen sind entscheidend für natürliche Ökosysteme und auch für die Landwirtschaft«, sagt Hans Bruyninckx, Direktor der Europäischen Umweltagentur (EUA).

Ursachenforschung Die Intensivierung von Landwirtschaft und die vermehrte Nutzung von Brachflächen sind zwei der Haupttrends, die die Populationen von Grünlandschmetterlingen beeinflussen. Sie führen zu einheitlichen Grünflächen, die nahezu steril für die Artenvielfalt sind. Dazu kommt, dass Schmetterlinge sehr empfindlich auf Pestizide reagieren, die intensiv in solchen Agrarsystemen eingesetzt werden. Landwirtschaftliche Flächen werden oft aus ökonomischen Gründen


stillgelegt. Wenn das Bewirtschaften von Flächen mit niedriger Produktivität nur geringe Einkommen erzielt und es wenig oder keine Unterstützung durch die EU gibt, dann geben Landwirte ihre Unternehmen auf und das Land bleibt unbestellt. Die Wiesen überwuchern schnell und werden durch Büsche und Wälder ersetzt. In einigen Regionen sind Gründlandschmetterlinge bereits jetzt auf Straßenrandstreifen, Eisenbahnbrachen, felsige oder feuchte Orte, Städte und Naturschutzgebiete beschränkt. Regionen mit traditionell extensiver Landwirtschaft, bekannt als Agrarland mit hohem Naturschutzwert, sind ebenfalls wichtige Lebensräume. Jede Monokultur schadet den Wiesenschmetterlingen. Die Blütenvielfalt der Wiesen geht verloren.

Grünes Allgäuer Einerlei Im Allgäu – das sich ja oft selbst als das »grüne Allgäu« bezeichnet – sind es vor allem die Maisfelder, die zur Biogas-Produktion angelegt werden und vom Unterallgäu im Eiltempo nach Süden bis an die Berge vordringen. Nimmt man das soeben erschienene Nachschlagewerk »Tagfalter in Bayern« zur Hand, stellt man schnell fest, dass im Allgäu mehr Schmetterlingsarten vorkommen als in allen anderen bayerischen Regionen. Wie lange noch? Derzeit dürften die bunten Bewohner der Bergregionen noch nicht gefährdet sein – doch die Wiesenschmetterlinge im Allgäu spüren den Umbruch der Wiese zu Ackerland mit Sicherheit. Leider wird diese Tatsache noch nicht einmal erfasst (siehe den Aufrufn im Kasten rechts).

innerhalb von Natura-2000-Schutzgebieten als auch innerhalb von naturschutzwürdigen Agrargebieten, schlussfolgert der Bericht und betont, dass ein neues System an Ausgleichszahlungen unter der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU ein besseres Management dieser Wiesen unterstützen würde. Der Europäische Grünlandschmetterlingsindikator könnte als Maßstab genutzt werden, um den Umwelterfolg oder -misserfolg der Agrarpolitik zu messen. Die nachhaltige Finanzierung von solchen Indikatoren würde helfen, eine Reihe von Politikinstrumenten zu überprüfen, und wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum EU-Ziel, den Rückgang der Biodiversität bis 2020 zu stoppen.

Tagfalter in Bayern Dieser Schmetterlingsatlas ist ein Mammutwerk, nicht nur an Umfang und Gewicht, sondern vor allem an Inhalt. Die wissenschaftliche Aufarbeitung lässt keine Fragen offen. Neben den Abbildungen der Falter, meist in Ober- und Untersicht, finden sich in vielen Fällen Fotos der Raupen an ihrer Futterpflanze. Ausführliche Beschreibungen des Lebensraumes und der Lebensweise geben erste Hinweise zur möglichen Bedrohung der

Bläuling (unten), Scheckenfalter (oben rechts) und Mauerfuchs (links oben) gehören zu den beobachteten Arten – auch im Allgäu

Populationen. Die Beschreibung der typischen Artmerkmale ist in Fachsprache gehalten, die allerdings für den interessierten Laien gut verständlich ist. Neben einer textlichen Beschreibung des gesamten Verbreitungsgebietes, auch über Bayern hinaus, wird die regionale Verbreitung in Bayern mit Hilfe einer Karte dargestellt. Das Buch ist ein ideales Nachschlagwerk für Naturbeobachter. 784 Seiten, reich bebildert, 49,90 Euro; im Buchhandel (ISBN 978-3-8001-7985-5)

Helfer werden gesucht! Tagfalter-Monitoring im Allgäu

Schmetterlinge beobachten Der Bericht über den Rückgang der Arten basiert auf dem Europäischen Grünlandschmetterlingsindikator (European Butterfly Grassland Indicator), dessen Daten von 1990 bis 2011 erhoben wurden. Dieser Indikator ist das Ergebnis von Informationen aus den nationalen Schmetterlingsmonitoring-Netzwerken in 19 Ländern Europas. Tausende ausgebildeter professioneller und freiwilliger Beobachter haben dazu rund 3500 Transekte quer über Europa beobachtet. Diese freiwillige Feldarbeit ist grundlegend notwendig, um den Status und die Trends der europäischen Schmetterlingsarten herausfinden zu können. Auch, wenn der Report auf Daten von 1990 bis 2011 basiert, sollte bedacht werden, dass die aktuellen Landnutzungsänderungen bereits vor 1990 begonnen haben. Der Bericht vermutet daher, dass die aktuelle Halbierung der Schmetterlingszahlen nur die momentane Entwicklung auf einer viel größeren Zeitskala sein könnte.

Maßstab für die Agrarpolitik Die EU-Biodiversitätsstrategie hat den schlechten Erhaltungszustand der Grünflächen erkannt. Grünflächen sollten angemessen betrieben werden – sowohl

Das Projekt Tagfalter-Monitoring Deutschland star tete im Jahr Elisabeth Kühn sucht 2005. Dem Beinoch Zähler im Allgäu spiel aus Großbritannien und Holland folgend, machten sich ehrenamtlich tätige Naturfreunde auf, um entlang festgelegter Strecken (den sogenannten Transekten) regelmäßig Tagfalter zu zählen. Dabei wird nach einer einheitlichen Methode möglichst einmal pro Woche in der Zeit von April bis September eine bestimmte Strecke abgeschritten, und alle dort vorkommenden Tagfalter werden notiert und gezählt. Mitmachen kann im Prinzip jeder, der etwas Zeit hat und die Lust, die heimischen Schmetterlinge kennenzulernen. Da es sich um eine Langzeiterfassung über viele Jahre hinweg handelt, kann auch jederzeit mit der Zählung begonnen werden. Koordiniert wird das Projekt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Halle/Saale. Das UFZ ist eine staatlich finanzierte Forschungseinrichtung, die die erhobenen Daten in einer Datenbank

erfasst und wissenschaftlich auswertet. Das Besondere ist hierbei, dass Ehrenamtliche eine Vielzahl von Daten erfassen, die für die Wissenschaft von großem Interesse sind – eine Arbeit, die, von Profis durchgeführt, nicht bezahlbar und vermutlich auch vom Zeitauf wand nicht durchführbar wäre. Das Projekt wird deutschlandweit durchgeführt und in vielen Regionen von Schmetterlingsexperten vor Ort unterstützt. Für die Region Allgäu ist die Beteiligung am TagfalterMonitoring jedoch noch relativ gering. Auch konnten wir bislang leider noch keine Regionalexperten finden, die die Zähler vor Ort fachlich beraten. Freiwillige Helfer für das TagfalterMonitoring Deutschland im Allgäu werden also dringend gesucht! Wer hat Lust auf einen »Spaziergang im Dienste der Wissenschaft«?

Interessenten melden sich beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ Elisabeth Kühn (Projektkoordination) Tel. 0345/5585263 E-Mail: tagfalter-monitoring@ufz.de www.tagfalter-monitoring.de

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Ökologie

Was flattert in der Region? Beobachtungsgruppe am Lechufer

Dr. Martin Eiblmaier (44) ist Fachlehrer für Biologie an der Pfaffenwinkel-Realschule Schongau. Im Rahmen des seines Unterrichtes betreut er eine Leistungsgruppe zum Thema Tagfalter. Beteiligt sind Schüler der 5. bis 9. Klasse. Die Gruppe liefert Informationen zum bundesweiten Tagfalter-Monitoring an das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

artin Eiblmaier arbeitet seit drei Jahren kontinuierlich mit der Leistungsgruppe, der sich aus Interesse auch Schüler des örtlichen Gymnasiums angeschlossen haben. Die Gruppe beobachtet die Tagfalter auf den Halbtrockenwiesen beim Naturdenkmal »Siechenhalde«, einem Prallhang am Lech. Bedingt durch den Wasser- und Nährstoffmangel des Bodens, gibt es dort Magerrasen mit vielen Futterpflanzen für die Raupen der Tagfalter. Die Gruppe um Martin Eiblmaier ist derzeit die einzige Erfasser-Gruppe in unserem Raum. Die Tagfalter werden auf einer geraden Wegstrecke von 200 Metern in einem Bereich von drei Metern links und rechts beobachtet und erfasst. Mit einer jährlich zu erneuernden Genehmigung der Naturschutzbehörde im Landratsamt Weilheim dürfen im

Fotos: Dr. Martin Eiblmaier

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Die Tagfalter am Lech Kleiner WürfelDickkopffalter

Kleines Wiesenvögelchen

Braun-Dickkopffalter

Kleiner Kohlweißling Kl. Kohl-/ Grünaderweißling

Zitronenfalter Hufeisen-/WeißkleeGelbling

Schwarzkolbiger Braun-Dickkopffalter

Wander-Gelbling/ Postillon

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Himmelblauer Bläuling

Aurorafalter

Schwarzbrauner Würfel-Dickkopffalter

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Kl./Gr. SonnenröschenBläuling

Hauhechel-Bläuling Admiral Distelfalter Tagpfauenauge Kleiner Fuchs Schwalbenschwanz Schornsteinfeger Rotbraunes Wiesenvögelchen

Braunkolbiger Braun-Dickkopffalter Rostfarbiger Dickkopffalter

Zweifelsfall Schmetterlinge zur näheren Bestimmung mit einem Netz eingefangen werden. Das ist sonst streng verboten! Allein im Bereich der »Siechenhalde« existieren fünf verschiedene Arten von Bläulingen, bei denen sich die weiblichen von den männlichen noch einmal durch die Farbgebung unterscheiden. Zur Bestimmung kommen die Schmetterlinge in eine Becherlupe und werden danach umgehend wieder freigelassen. Wichtig ist auch, der korrekten Bezeichnung den lateinischen Namen hinzuzufügen. Allerdings beschränkt sich die Aufgabe der Gruppe nicht allein auf das Erfassen der Tagfalter. Die Schülerinnen und Schüler sind in alle damit verbundenen »bürokratischen« Vorgehensweisen eingebunden. Im Herbst- und Winterhalbjahr werden die Erfassungsbögen im Rahmen des Tagfalter-Monitorings ausgewertet und am PC in Masken, die vom Helmholtz-Zentrum vorgegeben werden, übertragen. Die Werte werden anschließend von Wissenschaftlern ausgewertet. Ist Bayern – bedingt durch viele Schutzmaßnahmen – einer der artenreichsten Schmetterlingsräume, so finden sich auf den oft steilen Trockenwiesen der »Siechenhalde«, die jährlich von den ehrenamtlichen Helfern von Hand gemäht wer-den, sehr seltene Schmetterlingsarten wie der Himmelblaue Bläuling, verschiedene Dickkopffalter oder der auffällige Schachbrettfalter. Thomas Niehörster

Grünaderweißling

Kleiner Feuerfalter Zwergbläuling

Großes Ochsenauge Schachbrettfalter Rundaugen-Mohrenfalter Kontakt: Dr. Martin Eiblmaier Angerkapellenstr. 5 82362 Weilheim Tel. 0881/12231068 Mobil 0176/96213459


Phänologie

Pflanzen kennen das Wetter Rudolf Schnug sammelt Informationen Witterung und Klima sind die wesentlichen Faktoren, die das Wachstum unserer Pflanzen bestimmen. So lässt zum Beispiel ein zeitiges Frühjahr die Pflanzen viel früher ergrünen oder erblühen als ein kalter Frühling, in dem sich der Aufgang der Saaten und die Blüte von Obstbäumen um Wochen verspäten können. Der Deutsche Wetterdienst sammelt auch im Allgäu Informationen zu diesem Thema.

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ligen Entwicklungsstand. Auch detaillierte Hinweise für Pollenallergiker, die in den vergangenen Jahren immer mehr Bedeutung gewonnen haben, wären ohne flächendeckende Beobachtung von Pflanzenphasen nicht möglich. Ein ebenso großes Anwendungsgebiet finden langjährige Beobachtungen. Die gerade in den vergangenen Jahren häufig diskutierten Änderungen des Klimas lassen sich an veränderten Eintrittszeiten von Pflanzenphasen beobachten.

Foto: Stadt Memmingen

ie Wissenschaft, die die Entwicklung von wild wachsenden und landwirtschaftlichen Pflanzenkulturen regelmäßig beobachtet, trägt den Namen Phänologie. Der Begriff ist dem Griechischen entlehnt und bedeutet in wörtlicher Übersetzung Lehre von den Erscheinungen. In Memmingen beschäftigt sich Rudolf Schnug seit vielen Jahren mit der Beobachtung der Pflanzen. Es ist dabei nicht nur interessant, die Eintrittszeiten der verschiedenen Wachstumsphasen in einzelnen Jahren zu kennen, sondern auch ihren gewöhnlichen Verlauf über mehrere Jahrzehnte zu erfassen. Mithilfe solcher mittleren Eintrittszeiten kann man nämlich die Klimagunst eines bestimmten Gebietes beurteilen und zum Beispiel abschätzen, ob in einer definierten Höhenlage noch Mais angebaut werden kann. Weil Pflanzen die billigsten Messinstrumente für die jeweilige Witterung sind, betreut der Deutsche Wetterdienst (DWD) seit einigen Jahrzehnten ein sogenanntes phänologisches Messnetz. Zurzeit stellen etwa 1300 ehrenamtliche Beobachter während der Vegetationszeit etwa ein- bis zweimal pro Woche das Wachstum von mehr als 50 Pflanzenarten und ca. 160 Entwicklungsphasen wie Blattentfaltung, Blüte, Reife usw. fest und geben diese Beobachtungen entweder sofort oder in einem Jahresbogen an die Zentrale des Deutschen Wetterdienstes weiter, wo die Daten in einem Großrechner verarbeitet werden. Die Beobachtungen stellen wertvolle Daten und Informationen für die agrarmeteorologische und pflanzenbauliche Beratung des DWD dar. Sie sind zusammen mit Meldungen zusätzlicher agrarmeteorologischer Wochenmelder Zeitgeber in agrarmeteorologischen und landwirtschaftlichen Modellen für die Berechnung des Gefahrenpotenzials von Pilzkrankheiten und Schädlingen, der Bodenfeuchte, des Bestandsklimas oder des Ertrags. So richten sich beispielsweise der Wasserbedarf der Ackerkulturen und damit auch entsprechende Beregnungshinweise nach dem jewei-

Lothar Bock (links) vom Deutschen Wetterdienst überreicht die Medaille an Rudolf Schnug

25 Jahre im Dienst der Phänologie Der Deutsche Wetterdienst ist allen phänologischen Beobachtern, die für ihre Tätigkeit nur eine geringe jährliche Aufwandsentschädigung erhalten, für ihre Dienste zu großem Dank verpflichtet. Ein besonderer Dank gilt all jenen, die aus Idealismus und Naturverbundenheit über einen längeren Zeitraum diese

Beobachtungen in ihrer näheren Umgebung durchführen und damit eine langjährige Beobachtungsreihe erst möglich machen. Und genau das hat Rudolf Schnug aus Memmingen über 25 Jahre bewiesen. Er hat sich damit um das Gemeinwohl in hervorragender Weise verdient gemacht. Im Auftrag des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wurde ihm deshalb kürzlich im Memminger Rathaus die Wetterdienstplakette verliehen.

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Ökologie

Sie fliegen auf Blumenwiesen Bienenstock vor dem Unterallgäuer Landratsamt Gelb, blau, lila und weiß: Eine bunt blühende Blumenwiese ist nicht nur ein Augenschmaus für den Menschen, sondern auch ein Schlaraffenland für Bienen. Denn im Gegensatz zu vielen herkömmlichen Grünflächen finden die Tierchen hier reichlich Nahrung. Um noch stärker auf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen, haben Landrat Hans-Joachim Weirather und Donat Waltenberger, Kreisvorsitzender der Unterallgäuer Imker, in der Blumenwiese vor dem Landratsamt einen Bienenstock aufgestellt. as mangelnde Nahrungsangebot für Bienen sei neben der Gefahr durch die Varroamilbe eine der größten Sorgen der Imker, so Donat Waltenberger. Durch die Zunahme blütenarmer Kulturen würden die Insekten, die als Hauptbestäuber vieler Pflanzen eine wichtige Rolle im Ökosystem spielen, immer weniger Nahrung finden. Besonders schlimm sei es, wenn es wie in diesem Frühjahr lange kalt bleibt und die Pflanzen erst spät zu blühen beginnen. In diesem Fall müssten die Imker mit Zucker und Honig zufüttern. Im Gegensatz zu einem einfachen Grünstreifen ist eine artenreiche Blumenwiese für Bienen wie ein reich gedeckter Tisch. So wachsen und blühen auf der rund 250 Quadratmeter großen Fläche vor dem Landratsamt mehr als 50 verschiedene Pflanzen, wie Markus Orf, Kreisfachberater für Gartenbau und Landes-

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Foto: Landratsamt Unterallgäu

Donat Waltenberger (links), Kreisvorsitzender der Unterallgäuer Imker, kontrolliert den Bienenstock in der Blumenwiese vor dem Landratsamt. Markus Orf, Kreisfachberater für Gartenbau und Landespflege, schaut ihm dabei über die Schulter

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pflege, sagt – vom Wiesensalbei, der Moschus-Malve und der Königskerze bis hin zur Färberkamille. Die Blumenwiese ist Teil der Aktion »Unser Landkreis blüht auf«, mit der ein Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt geleistet und die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden soll. In dem nun in der Wiese platzierten Bienenstock leben rund 30.000 Bienen. Waltenberger hat eines seiner Völker über die Sommermonate zur Verfügung gestellt. Er kommt regelmäßig zur Kontrolle und wird auch versuchen, etwas Honig aus den Waben zu gewinnen. Angst vor den Tieren braucht man laut Waltenberger in der Regel nicht zu haben. »Es handelt sich um die sehr sanftmütige Rasse Carnica.«

Fakten rund ums Thema • Imker und Bienen: Der Kreisverband der Unterallgäuer Imker besteht aus rund 500 Imkern mit mehr als 4000 Bienenvölkern. • Honig: Ein durchschnittlich großes Bienenvolk benötigt pro Jahr rund 25 Kilogramm Pollen und hat einen Eigenbedarf von etwa 40 Kilogramm Honig. Was darüber hinaus an Honig in den Waben vorhanden ist, kann der Imker entnehmen. In guten Jahren gewinnt ein Imker pro Bienenvolk 20 bis 30 Kilogramm Honig. • Pflege: Für die Imker ist der Honig laut Donat Waltenberger eine Entschädigung für Unkosten, Pflege und Schutz vor der Varroamilbe das ganze Jahr über. »Ohne diese Arbeit des Imkers würde heute kein Bienenvolk überleben.«


Aktive Allgäuer

Hochprozentig energetisch Von Schlempe, Mus und Brennblasen

r sei der »größte Alkoholsteuerzahler im Allgäu«, berichtet Stephan Günther (28), Destillateur-Meister und Mitinhaber einer Brennerei in der vierten Generation. Mit der Kombination von Tradition und modernen Techniken führt er das Unternehmen in eine hochprozentige Zukunft. Erster Schritt dazu war die eigene Produktionsstätte im Gewerbegebiet in Sulzberg an der A 980, die 2012 in Betrieb genommen wurde. Das Unternehmen, das ursprünglich als Apfelweinkelterei gegründet war, entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur Weinkellerei, bevor es sich der Produktion hochwertiger Brände zuwandte. Heute produziert die Günther GmbH fünfzig verschiedene Brände und Liköre in vier Flaschengrößen. Dreimal in Folge wurde ihr Williams-Christ-Brand mit dem DLG-Gold prämiert. In einem eigenen Labor entwickelt Günther neue Produkte wie die Limes-Liköre aus dem Fruchtmark. Auch ein »Allgäuer Whiskey« ist nach drei Jahren und nachfolgender Lagerung im Portwein-Fass gerade ausgereift. Natürlich führt der einheimische Betrieb auch die blaue Qualitätsmarke »Marke Allgäu«.

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Energie selbst erzeugt Die Früchte kommen aus dem Bodenseeraum. Aromaschonend werden sie in den kupfernen Brennblasen mit einem Fassungsvermögen von 500 Litern destilliert. Die Früchte werden zu Obstmus verarbeitet, das kontrolliert zum Gären gebracht wird, wodurch die Maische entsteht, die in der Brennerei erhitzt wird. Durch das Erhitzen bildet sich Alkoholdampf, der aufsteigt und durch Abkühlung wieder flüssig gemacht wird. Dies geschieht im sogenannten Kühler, der mit kaltem Wasser im Gegenstrom den Al-

koholdampf abkühlt. Bei diesem Prozess erhitzt sich jedoch das kalte Wasser durch die Wärme, die der Alkoholdampf abgibt. Um das nun warme Wasser aus dem Kühler effektiv nutzen zu können, wird es durch einen Wärmetauscher geschickt und kann so im gesamten Gebäude für die Fußbodenheizung und das Warmwasser verwendet werden.

Endstation Biogasanlage Das ausgekochte Obstmus, das nach der Destillation übrig bleibt, wird als Schlempe bezeichnet. Landwirte aus der Region holen die Schlempe ab und nutzen sie für die Energiegewinnung in ihren Biogasanlagen. So werden die Überreste aus dem Brennprozess nicht verschwendet, sondern als neuer Rohstoff optimal weiterverwendet. Auf den Dächern der Allgäu-Brennerei sind überall, wo es sinnvoll ist, Photovoltaik-Kollektoren installiert. Ein Teil der gewonnenen Energie wird in das Stromnetz eingespeist. Der andere Teil wird direkt in der Firma verbraucht. Somit laufen alle Elektrogeräte des Unternehmens, zum Beispiel Computer, Licht, Pumpen, Etikettier- und Füllmaschinen, der Elektrogabelstapler und die Elektroameise mit Strom, der von der eigenen Solaranlage erzeugt wird. Die Energie wird somit nachhaltig genutzt. Das Unternehmen beschäftigt derzeit acht Mitarbeiter in Produktion und Verkauf. Vertrieben werden die Brände über Großmärkte wie Feneberg oder die V-Märkte wie auch im eigenen Laden in Sulzberg, Gewerbepark 1. Thomas Niehörster Die drei »Abteilungen« des Brennereibetriebes in Sulzberg: Produktion, Lager und attraktive Verkaufsräume

Fotos: Thomas Niehörster

Traditionelle Brennkunst, modernste Technik und ein ganzheitliches Energiekonzept hat Stephan Günther in der Allgäu-Brennerei in Sulzberg vereinigt. Feinste Destillate, Liköre und Spirituosen mit regionalem Bezug werden dort hergestellt.

Stephan Günther vor der kupfernen Brennblase mit einem Fassungsvermögen von 500 Litern

Führungen mit Verkostung Nach vorheriger Anmeldung kann man an Führungen durch die Produktionsstätte mit Verkostung teilnehmen. Allgäu-Brennerei Günther GmbH, Gewerbepark1, 87477 Sulzberg, Tel.: 08376-929920, www.allgaeu-brennerei.de


Landschaftspflege

Im Einklang mit der Natur Gemeinsame Sache in Bad Hindelang Ohne Landwirte keine Kulturlandschaft, ohne Kulturlandschaft kein Tourismus – auf diesen schlichten Nenner kommt man nicht nur in Bad Hindelang. Die Erhaltung der Kulturlandschaft steht in engem Zusammenhang mit sanftem Tourismus: Wandern, Radeln oder Ski-Langlauf, Schlitten fahren oder einfach nur Spaziergänge in stimmungsvoller Landschaft. Das Ökomodell Bad Hindelang sieht genau das vor.

ie Marktgemeinde Bad Hindelang wird seit 100 Jahren von Touristen besucht. Mittlerweile ist das Einkommen von etwa 80 Prozent der rund 5.000 Einwohner zumindest mittelbar vom Tourismus abhängig. Die Statistik weist jährlich rund eine Million Übernachtungen aus. Wesentlicher Grund für die vielen Besucher ist die reizvolle Landschaft. Das »Ökomodell Hindelang« verfolgt die Bewahrung der traditionellen Berglandwirtschaft und die Erhaltung der Kulturlandschaft, und zusätzlich versuchen einzelne Landwirte die Direktverarbeitung und Direktvermarktung eines Teils ihrer landwirtschaftlichen Produkte vor Ort. Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA und der World Wide Fund for Nature (WWF) beurteilen deshalb die Berge um Bad Hindelang als eine der schützenwertesten Regionen der Alpen. Bergwiesen würden ohne die Pflege durch die Weidewirtschaft schnell verbuschen und dann dem Wald Vorschub leisten. Die bunte Vielfalt der Bergwiesen ginge verloren und damit auch der Reichtum

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Im Hintergrund am Bewuchs noch zu erkennen: Hier verlief früher ein Viehtrieb, der von Wald und Natur »zurückerobert« wurde

der Heilkräuter, der Orchideen, der Enziane sowie die »Weide« für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten.

Einzigartiges Konzept Das seit über zwei Jahrzehnten konsequent verfolgte einmalige Konzept wurde mehrfach national und international ausgezeichnet. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die ortsansässigen Landwirte, die die Ursprünglichkeit der Landschaft mit den typischen Buckelwiesen, farbenprächtigen Pflanzenteppichen und dem klaren Wasser erhalten. Zusammengeschlossen zum Projekt »Natur und Kultur«, bewirtschaften 68 Bergbauern, darunter 22 Biobetriebe, in der Marktgemeinde Bad Hindelang ihre alpinen Wiesen nach strengen ökologischen Richtlinien, in erster Linie durch den völligen Verzicht auf Kunstdünger und den flächigen Einsatz chemischer Spritzmittel. Darüber hinaus werden 90 Prozent des benötigten Futters innerhalb des Gemeindegebietes selbst erzeugt. Auf Gentechnik wird komplett verzichtet. Zudem achten die Landwirte auf eine artgerechte Tierhaltung. Der Verein Natur und Kultur Hindelang e.V. erhält hierfür von der Marktgemeinde eine jährliche Entschädigung in Höhe von 60.000 Euro, die er anteilig an seine Mitglieder für Landschaftspflegemaßnahmen weiterleitet. Eine eher bescheidene Summe, wenn man ihr die Gegenleistung der Bergbauern für den Tourismus – allein die Bereitstellung von Flächen für die Langlaufloipen – entgegenhält.

Der Verein Natur und Kultur Sepp Agerer (56), Biolandwirt und Vorsitzender des Vereins »Natur und Kultur«, zudem Mitglied der Wald- und Weidegenossenschaft (WWG) Hinterstein, deutet auf einen bewaldeten Hang gegenüber seinem Haus: »Dort an der unteren Kante verlief früher ein


Viehtrieb, der es ermöglichte, ohne Kontakt mit dem Straßenverkehr die unterschiedlichen Weiden zu nutzen. Heute hat ihn der Wald geschluckt.« Gerne sähe er den Viehtrieb, der zugleich ein idealer Wanderweg durch das Tal wäre, wieder nutzbar und frei vom Wald. Kaspar Weber von der WWG war vehementer Vorkämpfer des Projektes »Ökomodell Hindelang«. Er kennt sich nicht nur bestens mit der Kraft und der Wirkung von Heilpflanzen aus, sondern ist seit 60 Jahren kenntnisreicher Imker. Für ihn ist der Honig, den seine Bienen auf den artenreichen Bergwiesen sammeln, Medizin für viele Leiden: »Unser Herrgott hat uns diese Natur geschaffen – daher haben wir kein Recht, sie zu zerstören.«

Vierbeinige Rasenmäher Zu den »Rasenmähern« der Bergwiesen gehören nicht nur die Kühe – für Sepp Agerer aus vielerlei Gründen natürlich mit Hörnern –, sondern auch ihre kleineren Verwandten, die Schafe und Ziegen. So wurden im Jahr 2012 im Hintersteiner Tal sechsunddreißig Ziegen als Landschaftspfleger eingesetzt. »Rinder fressen nur Gras, aber die Ziegen haben eine spezielle Technik, auch dorniges Gestrüpp und Büsche kahl zu fressen«, weiß Sepp Agerer. »Das übrig gebliebene Geäst wird dann von Jugendlichen geschwendet, also bis auf den Stock gekürzt. Die jungen Leute arbeiten in einem Projekt, das vom Bayerischen Naturschutz-Programm gefördert wird.« Da die Landwirte der Marktgemeinde keine eigenen Ziegen mehr halten, wurden die Tiere von Biolandwirt Herbert Siegel aus Missen ausgeliehen. Thomas Niehörster

Fotos: Thomas Niehörster

Beginnende Verbuschung auf einer Bergwiese: Die Landwirtschaft ist gefordert, die Flächen offen zu halten

Kaspar Weber kennt die Heilpflanzen seiner Heimat

Sepp Agerer ist Vorsitzender des Vereins »Natur und Kultur«


Hochschul-Projekt

Auf diesem großen Bild sind die drei Versorgungs-Ebenen zusammengeführt: Wald mit Windrädern für die Stadt, Bioenergie für den dörflichen Raum und Selbstversorgung in einzeln stehenden Gebäuden

Groß-, Mittel- und Kleinstrukturen versorgen sich jeweils aus eigenen Energiequellen

Im Oktober vergangenen Jahres starteten Studenten der TU München (Landschaftsarchitektur) und der Hochschule Kempten (Tourismus und Maschinenbau) das Forschungsprojekt »Energielandschaft Allgäu«. Zweck dieser Studienarbeit war die Frage, wie die nötigen Maßnahmen des Energiewandels positiv und gestaltend in die Allgäuer Kulturlandschaft integriert werden können. In den letzten beiden Ausgaben von allgäuALTERNATIV haben wir bereits fünf unterschiedliche Ansätze der Studenten-Teams vorgestellt. Hier folgen nun zwei weitere Vorschläge aus der Studentenschaft. In allen zehn Studien-Objekten ist festzustellen, dass es eine Kluft gibt zwischen der derzeit gepflogenen Planung der Studenten und Professoren auf der einen Seite und der Verwirklichung durch die Praktiker auf der anderen Seite. In fast allen Konzepten stecken Ideen, die weiterverfolgt werden können.

Allgäu – maßstäblich versorgt Strukturen in drei Ebenen Das Konzept »Allgäu - maßstäblich versorgt« setzt sich aus drei Ebenen zusammen, einer übergeordneten Ebene der Großstrukturen, einer Verbindungs- und Vermittlungsebene und der Ebene der Selbstversorgung. Alle drei versorgen die Bevölkerung in verschiedenen Maßstäben und durch eine andere erneuerbare Energieform. Neuer Wind fürs Allgäu

In der ersten Ebene versorgen die Wälder mit Windrädern die Städte. Rechts: Reliefbild von Kempten Richtung Buchenberg

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Die Großstruktur Staatsforsten versorgt die großen Städte mit mehr als 5000 Einwohnern mit Energie durch große Windräder. Diese Zuordnung hat den Vorteil, dass sich viele dieser Wälder in öffentlicher Hand befinden. Spekulationen über mögliche Standorte wird somit Einhalt geboten, die Einnahmen aus der Stromerzeugung kommen zudem den Landkreisen und Kommunen zugute, somit jedem einzelnen Bürger. So besteht eine unabhängige und gesicherte Stromversorgung über Jahrzehnte. Zur Versorgung der Städte werden insgesamt für den heutigen Stromverbrauch 28 Windkraftanlagen benötigt. Diese Zahl kann


Energielandschaft

Um die einzeln stehenden Gehöfte und Gebäude werden sogenannte Blühstreifen angelegt, die auch der energetischen Eigenversorgung dienen können

in den Staatsforsten jedoch noch erweitert werden. Die Anlagen haben eine Laufleistung von sieben Megawatt und sind ca. 200 Meter hoch. Der Wald befindet sich im Allgäu meist auf Anhöhen, so formen die Windenergieanlagen durch ihre Anordnung auf verschiedenen Höhen die Topografie nach. Trotzdem wird dabei auf eine sinnvolle Platzierung in Richtung der Hauptwindrichtung Süd-West geachtet. Zusätzliche Eingriffe in das Ökosystem Wald sollen durch Installation in bestehenden Waldlichtungen und Nähe zu vorhandener Wegeinfrastruktur vermieden werden. Der Wald in seiner Form und Gestalt bleibt erhalten.

Energie pflanzen Die zweite Ebene spielt eine besondere Rolle. Sie fungiert als Vermittlerebene zwischen groß- und kleinmaßstäblicher Ebene. Sie verbindet diese nicht nur räumlich, sondern auch gestalterisch. Diese Ebene versorgt die kleinen Gemeinden unter 5000 Einwohner mit Energie aus Biomasse. Hierzu werden im Allgäu Konzentrationszonen gebildet, die sich aus Ackerflächen mit Mais, einem Energiesaum, der sich an die Waldränder schmiegt, und auch Grünland zusammensetzt. Im Allgäu werden 140 Biogasanlagen angeordnet, die primär mit der Gülle der 80.000 Rinder in der Region betrieben werden. Auf dem Grünland selbst wird durch die anderweitige Verwertung der Gülle weniger Stickstoff ausgebracht, was eine sukzessive Extensivierung nach sich zieht. Das Grünland wird dadurch artenreicher und wieder zu attraktiven Habitaten für Pflanzen und Tiere. Der Mais aus den Konzentrationsbereichen wird anstelle des importierten Sojaschrots an die Rinder verfüttert. Es bildet sich eine Marke regionaler Fleisch- und Milchprodukte aus dem Allgäu, die sowohl für Einheimische als auch für Touristen interessant ist.

Holz auf kurzem Weg Zusätzlich gibt es auf dieser Ebene Holzheizkraftwerke, die Stromspitzen im Winter und am Abend auffangen. Hiervon gibt es im Planungsgebiet vier Stück. Sie werden durch das Material, das in den Ener-

giesäumen wächst, betrieben. Der Energiesaum ist keine typische Kurzumtriebsplantage. Er ist artenreicher, es wachsen dort auch Arten, die weniger wegen ihres schnellen Wachstums gepflanzt werden, sondern wegen ihrer Funktion als Futter und Lebensraum für verschiedene Tiere. Der Saum wird nicht in einem Stück abgeerntet, sondern nur wellenförmig ausgelichtet. Einzelne Reihen werden entnommen, ein leerer Raum vermieden. Pflanzen und Tiere haben so die Möglichkeit, zu reagieren und sich der Situation anzupassen. Am Waldrand innerhalb der Stränge ist der Energiesaum zehnreihig, am Außenrand nur vierreihig. Ab und zu werden bei der Anlage des Energiesaums auch Werthölzer eingepflanzt, die länger stehen bleiben und so das Gerüst des Saumes bilden. Der Energiesaum wird zu einem künstlichen Saum für den Fichtenforst, der aber alle Funktionen eines natürli chen Waldsaumes erfüllt.

Im Allgäu müssen 140 Biogasanlagen die zweite Ebene, die Dörfer versorgen. Dazu werden Kurzumtriebsplantagen (unten) angelegt und abgeerntet


Hochschul-Projekt Wegeränder zu Einödhöfen und Übergange zwischen Acker- und Grünland werden von Blühstreifen begleitet, die überdies Biodiversität fördern. Um die Biogasanlagen und Holzheizkraftwerke zu verwalten, bilden sich im Allgäu Interessenverbände, die die Kommunikation unter den Menschen in einem Ort und unter den Gemeinden fördern. Beide Kraftwerkstypen werden innerhalb der Konzentrationszonen angeordnet und versorgen so ihr Umfeld.

Selbst ist der Allgäuer Vereinzelt in der Landschaft liegende Gebäude versorgen sich selber. Dabei stehen Photovoltaik, Solarthermie und Klein-Windkraft zur Verfügung

Fotos und Grafiken: Höhl, Grömling und Mitterhuber

Die kleinstmaßstäbliche Ebene setzt auf eine typische Eigenschaft der Allgäuer, die Selbstständigkeit. Geschichtlich ist diese aus der Entwicklung hin zu Einödhöfen entstanden. Da die Höfe vereinzelt in der Landschaft lagen, mussten sich deren Bewohner stets selbst helfen und waren immer an Techniken interessiert, die ihr Leben einfacher gestalteten. Das Konzept setzt darauf, dass sich durch gezielte Förderungen und Information die Bewohner im Allgäu, die auf Einödhöfen wohnen, selbst mit Energie versorgen. Dazu sind besonders Photovoltaik und Solarthermie geeignet, aber auch Kleinwindanlagen sind für den privaten Gebrauch möglich. Die Landwirtschaft im Allgäu ist heute von der Milchwirtschaft geprägt. In den letzten Jahren kam es allerdings immer wieder zu Krisen. Obwohl wir durch unser Konzept das typische Allgäu mit seiner Grünlandschaft erhalten wollen, bieten die Entwicklung hin zu partiellem Ackerbau, Biogasanlagen und Holzheizkraftwerken und die Selbstversorgung mit Strom neue Einkommensmöglichkeiten für die angeschlagene Landwirtschaft. Dies wiederum stärkt jeden einzelnen Hof und erhält die typische Siedlungsstruktur der Einödhöfe im Allgäu.

Anja Höhl, Eva Grömling und Lydia Mitterhuber haben das Allgäu in Ebenen unterteilt

Allgäuer Kraftbänder Das Empfinden für Schönheit ist wandelbar Wenn wir es richtig machen, müssen erneuerbare Energien in 20 bis 30 Jahren nicht mehrals hässlich oder störend empfunden werden. Die Generation der Kinder, die jetzt gerade im Kindergarten ist, wächst in einer anderen Welt und in einer neuen Landschaft auf. Was jetzt gestaltet wird, werden sie als normal empfinden. Unser Entwurf zielt darauf ab, Solarenergie eine neue Form zu geben, sodass sie die Faszination hervorrufen kann, die die Betrachtungsweise auf Energieproduktion und Energietransport verändert. 72

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as Solarband ist eine erneuerbare Energie, die die Form des Allgäus und dessen besondere Ästhetik unterstützt, während es gleichzeitig in der großräumigen und gerechten Verteilung alle Allgäuer gleichermaßen mit einbezieht. Die Solarstromerzeugung löst sich von den heutigen punktuellen Ansätzen der Energietechnik. Eine gemeinsame Sprache von Energie und Landschaft entsteht. In seiner Form nimmt das Solarband die Landschaftsqualitäten auf und wird dabei selbst zu einer neuen Landschaftsqualität.

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Energielandschaft

Energieerzeugung: Das Band erstreckt sich über 240 Kilometer und erzeugt mit einer durchschnittlichen Breite von 3,5 Metern 924 Millionen kW/h. Das entspricht der doppelten Menge des Energieverbrauchs aller Privathaushalte im Allgäu. Das Solarband stellt eine neue Ebene in der Landschaft dar, die so großflächig ist, dass überall Nutzungen oder Erweiterungen angeschlossen werden können. Ästhetik: Die Form des Bandes variiert in den verschiedenen landschaftlichen Einflussbereichen des Allgäus und verbindet sich mit der Umgebung. Die Schwünge des Bandes und die Schwünge des Allgäus spielen miteinander, unterstützen und betonen sich und bestärken das Gesamtbild. Gerechte Verteilung: Niemand trägt den Gewinn alleine. Bei herkömmlichen Modellen gab es einen oder mehrere Investoren, die den gesamten Gewinn eines Solarfeldes bekamen, während das Landschaftsbild vor den Augen aller stark verändert wurde. Das Band dagegen verläuft über Tausende von Grundstücken. Jeder kann etwas vom Gewinn abhaben, während die erneuerbare Energieproduktion losgelöst von jeglicher Wertung für alle gleich viel und gleich wenig Teil des Allgäus wird.

So stellen sich die Studenten eine -Landschaft mit Energieband vor

Fotos und Grafiken: Moritz Eschenlohr, Judith Schweizer, Philipp Steinbacher

Energiebänder an sonnigen Hängen durchziehen das Allgäu und gestalten die Landschaft

Moritz Eschenlohr Judith Schweizer und Philipp Steinbacher wollen entlang von Straßen und Wegen, aber auch in der Landschaft des Allgäus sogenannte »Kraftbänder« anlegen. Damit verteilen sie die Akzeptanz der Energieerzeugung auf alle Bürger gleichermaßen

allgäu ALTERNATIV

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Vorschau auf die Themen der Frühjahrsausgabe von

allgäu ALTERNATIV Energie Windkraft Wasserkraft Photovoltaik

Pro und Kontra: Wir fragen Befürworter und Gegner Pumpspeicher als Zwischenlösung Wer bietet Komplettsysteme zur Eigennutzung? Flächenanlagen im Allgäu – Beitrag zur Energiezukunft?

Mobilität E-Mobile E-Bike Boote

Die neuen Modelle: Kauf, Miete und Probefahren Dienstfahrzeug auf zwei Rädern Mit sauberer Batteriekraft über den See

Energiesparen Wirtschaft Dämmen Recycling Kraft-Wärmekopplung Sanierung Holzbau

Allgäuer Unternehmen: Kampf gegen Stromfresser Denkmalschutz und Energiesparen Welche Materialien sind besonders lukrativ? Komplett-Systeme, die bares Geld sparen Alles über Fördermittel, Programme und Hilfsangebote Allgäuer Betriebe setzen neue Maßstäbe

Regionales Pfiffige Vorschläge aus dem Allgäu-Wettbewerb Nachhaltiges Reisen – die Top-Angebote der Region

Reportage Im Portrait Allgäuer Banken Bürgerinitiativen

Gemeindewerke: Die Chancen kleiner Anbieter Wer hat die besten Angebote zum Energiesparen? Die »Sonnenwende e.V.« in Bad Hindelang

Die nächste Ausgabe erscheint am 1. März 2014

Fotos: Volker Wille, RainerSturm_pixelio.de

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Ausgabe 3/2013

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