Ausgabe 2/2015
allgäu ALTERNATIV Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz
Schwerpunkt-Thema: E-Mobil – Chancen und Probleme im ländlichen Raum
Auf ein Wort
Mut und Standfestigkeit! nsere Gesellschaft steht vor großen Veränderungen, sei es der demografische Wandel, seien es die technischen Entwiklungen, der Klimawandel oder das sich ändernde Demokratieverständnis einer selbstbewussten Bürgerschaft. Diese Veränderungen werden auch einen Energieversorger nicht unverändert lassen. Die Menschen werden andere Bedürfnisse haben, und hierfür müssen wir Antworten, also Angebote entwickeln. Sonst werden dies die neuen Wettbewerber wie Google, Amazon oder Tesla tun. Eine Vereinigung von Erdgas Schwaben mit denStadtwerken Augsburg ermöglicht eine starke Zukunftsfähigkeit des Unternehmens für die Region. Eine sogenannte Machbarkeitsstudie wurde Anfang des Jahres abgeschlossen – sie zeigt, dass eine Fusion von Erdgas Schwaben und den Stadtwerken sinnvoll ist. Die Studie hat das mit harten, belastbaren Fakten untermauert. Die Anteilseigner können nun nach Faktenlage entscheiden. Auch die Kommunen in der Region profitieren von einem Zusammenschluss. Zur bestehenden vertrauensvollen Zusammenarbeit kommt eine stabile Stärkung der Region durch Investitionen und damit eine höhere Attraktivität für Fachkräfte. Die Arbeitsplätze werden zukunftsfähig. Insgesamt wird die Region im Wettbewerb der Regionen gestärkt. Bestes Beispiel: der Breitband-Glasfaserausbau für Kommunen. Die zukünftigen Ziele sind neben der Arbeitsplatzsicherung in den sieben Betriebsstellen in Schwaben und im Allgäu ganz sicher der Ausbau des Erdgasnetzes, die Erweiterung des Angebotes durch ein schnelles Breitband-Glasfasernetz und die Sicherung von langfristig stabilen Energiepreisen. Auch, wenn wir derzeit einen Schwerpunkt unserer Arbeit in Augsburg sehen: Das Allgäu war, ist und wird immer eine Kernregion für Erdgas Schwaben bleiben. Wir engagieren uns in der Netzerweiterung, investieren ganz wesentlich in KWK-Technik und vieles mehr. Das zurzeit herausragende Engagement finden Sie in Kaufbeuren – hier sanieren wir den Standort des historischen Gaswerkes in Millionenhöhe für einen attraktiven Neubau.
Foto: Erdgas Schwaben
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Derzeit ein schwer beschäftigter Mann: Doppel-Geschäftsführer Klaus Peter Dietmayer
Wir wollen Schwaben zu einer Leitregion in Sachen Energiewende und Energiezukunft machen: Der erste Schritt wurde mit dem höchst erfolgreichen Energiekongress im März getan. Durch die offene Beteiligungsplattform im Internet wurden so viele Beiträge eingebracht, dass wir heute noch an der Bewertung arbeiten. Ich hoffe, noch vor der Sommerpause erste Ergebnisse präsentieren zu können. Energiepolitik ist ein inzwischen leider hochemotionales Thema geworden. Fakt ist, dass wir schon 1972 vom Club of Rome den Auftrag erhielten, uns um die Energieversorgung der Zukunft zu kümmern. Inzwischen ist zwar allen Beteiligten klar, wie zwingend der Auftrag ist, um unsere Gesellschaft enkeltauglich zu machen. Doch sachlicher ist die Suche nach Lösungen nicht geworden. Hier wünsche ich mir mehr Kompetenz in der Sache, Demut vor der Schöpfung und den kommenden Generationen und Mut, auch unbequeme Entscheidungen mit Standfestigkeit durch die Debatte zu tragen. Klaus Peter Dietmayer, Geschäftsführer Erdgas Schwaben
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Inhalt Auf ein Wort
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Impressum Verlag und Herstellung:
Altbau Kostenfalle bei der Sanierung
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Verlag HEPHAISTOS EDITION ALLGÄU Lachener Weg 2 87509 Immenstadt-
Bauen Individuelle Fertighäuser Barrierefrei in Biberach
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E-Mobil Volle Elektrokraft voraus Länger mobil mit dem E-Rad E-Power auch auf dem Land Leitmarkt oder Schlusslicht
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E-Mobil: Umfage Es wird noch etwas dauern!
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E-Mobil Post kommt per E-Mobil
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Verkehrsbund Das Allgäu rückt zusammen
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Werdenstein Tel. 08379/728616 Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info www.allgaeu-alternativ.de
Herausgeber: Peter Elgaß
Redaktion: Viola Elgaß (v.i.S.d.P.), Thomas Niehörster, Annette Müller Gekennzeichnete Beiträge
Verlages dar.
Layout: Bianca Elgaß,
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Meldungen Memminger Sonnenforscher Seite 34 Neues AÜW-Kundencenter in Kempten Seite 34 Ein Buch, das »elektrisiert« Seite 35 Erstes nachhaltiges Kinderhotel Seite 35 Dickes Lob für den Landkreis Oberallgäu Seite 35 Klimafreundlicher Bergsport mit dem DAV Seite 36 Kempten und Oberallgäu: Öko-Modellregion Seite 36 Schmökern im Denkraum Seite 36 Förderprogramm für Hausbesitzer Seite 37 Besucher »stromern« nach München Seite 37 Allgäuer Energieberatung Seite 38 Ausstellung: Schule und Energie Seite 38 Staatspreis für Herz & Lang Seite 38 Spannender Energietag zur Festwoche Seite 39 Preis für EnergiePLUS-Masterarbeit Seite 39 Pflanzaktionen im Allgäu Seite 40 Wohnpark mit moderner Lüftung Seite 41 Holzige Termine Seite 41
Energieeffizienz Netzwerke vor Ort gewinnen
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Wasserstoff Die Produktion verbessern Die Natur macht es vor
Energie Energieaudit wird Pflicht
Seite 28
Energie Die Renexpo in Augsburg
Seite 44
Photovoltaik Eine Frau greift an
Seite 30
Energiesparen Green Factory Allgäu
Seite 46
stellen die Meinung des Verfassers, nicht aber des
Energiesparen Neuschwanstein
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Ramona Klein, Dominik Ultes
Anzeigen: Sven Abend (Ltg.), E-Mail: sven.abend@heimat-allgaeu.info Gültige Anzeigenpreisliste: 1/2015
Bankverbindung Verlag: Raiffeisenbank KemptenOberallgäu, IBAN: DE97733699200007126999 BIC: GENODEF1SFO
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Unsere Partnerzeitschrift im Bayerischen Oberland:
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48 Wasserkraft Grünes Licht vom Landrat
Seite 48
Digitalisierung Bad Hindelang ist dabei
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Erdwärme Der Staat heizt mit
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Industrie 4.0 Aus Gliedern wird eine Kette
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Windkraft Grünes Licht für Windräder Bergfest auf hoher See
Seite 56 Seite 58
Mächler und Pioniere Im elektrischen Loch
Seite 60
Natur-Klima Hundert Prozent bis 2050
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Landschaftserhalt Ziegen für die Adelegg
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Genetik Gute und böse Manipulation
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Natur Artenvielfalt per Display Eine kalte Kinderstube
Seite 74 Seite 76
Umwelt Die unwillkommenen Gäste
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Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe ist der 2. Oktober 2015
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Altbau
Kostenfalle bei der Sanierung Praktische Hilfe für den Altbau-Hausbesitzer
Foto: Kara/fotolia
Fassadendämmung, neue Heizung, bessere Fenster: Nicht jede empfohlene und geförderte Maßnahme zur energetischen Sanierung ist für jedes Gebäude sinnvoll. Ein interdisziplinäres Team der TU Darmstadt stellt die Energiepolitik auf den Prüfstand und arbeitet im Rahmen einer Studie an Empfehlungen, an denen sich Besitzer kleiner wie großer Immobilien orientieren können. Das Ziel: mit möglichst geringen Kosten einen möglichst großen Beitrag zum Klimaschutz zu erzielen.
Sanierungen müssen sinnvoll und bezahlbar sein. Bei der Dacherneuerung kann man viele Fehler machen
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uf Gebäude entfallen rund 40 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der hierzulande verursachten CO2-Emissionen. Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes ist somit der wichtigste Schritt auf dem Weg zum erfolgreichen Klimaschutz. Dennoch werden nur etwa 0,8 Prozent der Gebäude jährlich energetisch saniert und damit deutlich weniger als die 2,2 Prozent, die nötig wären, um die CO2-Emissionen im Gebäudesektor schnell und bedeutend zu reduzie-
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ren. Die Ursache liegt im gegenwärtig verfolgten Ansatz der Politik. Er ist darauf ausgerichtet, bei jeder Gebäudesanierung das Maximum an Energieeinsparung zu erzielen. Damit allerdings sind sowohl Eigentümer als auch Nutzer häufig finanziell überfordert, sodass viele prinzipiell mögliche Sanierungen aus wirtschaftlichen Gründen ganz unterbleiben. Darüber hinaus stellen Eigentümer und Nutzer diejenigen Maßnahmen in Frage, die die Wohnqualität beeinträchtigen oder gar zu beträchtlichen Proble-
men der Behaglichkeit oder des Raumklimas und zu Bauschäden wie zum Beispiel Schimmel führen können. Hier beschreitet die Studie der TU Darmstadt andere Wege: Sie lotet aus, wie mit dem zur Verfügung stehenden Budget ein bestmöglicher Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann. Die Studie zielt konkret darauf ab, unter den für die Gebäudesanierung zur Verfügung stehenden Maßnahmen diejenigen auszuwählen, die besonders kosteneffizient und sinnvoll sind.
Ganzheitliche Betrachtung Damit widmet sich das Team der Fachbereiche Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre, sowie Bau- und Umwelt-Ingenieurwissenschaften, Institut für Massivbau, der Aufgabe, Instrumente zu entwickeln, um die energetische Sanierung in puncto Nachhaltigkeit neu zu bewerten. Erstmals betrachten die Wissenschaftler dafür die Gebäude, die möglichen Sanierungsmaßnahmen und deren Effekte in ihren Zusammenhängen und Wechselwirkungen, also als Ganzes. Bisher wurden in der Regel nur Endenergieverbrauch und Investitionskosten verglichen. In der Studie kamen nun auch Aspekte wie etwa Behaglichkeit im Wohnbereich, Energieverbrauch und Baumaterialien in Betracht. Den Wissenschaftlern ist vor allem an Transparenz gelegen. »Viele Eigentümer sanieren nicht, weil sie nicht wissen, welche Maßnahme in ihrem Fall am besten geeignet ist. Wir möchten ihnen aus diesem Dikkicht heraushelfen«, sagt Nikolas Müller, der für den Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften am Projekt mitarbeitete. »Was lässt sich im Gebäude an Energie einsparen, habe ich dann ein behagliches Wohnklima und was kostet das – das sind die Faktoren, die Eigentümer interessieren«, resümiert er.
Echte Gebäude im Fokus So entwickelten die Forscher konkrete Empfehlungen für verschiedene Beispielimmobilien mit unterschiedlicher baulicher Ausstattung. In diesen »Roadmaps« lässt sich auf einen Blick ablesen, welche Maßnahmen in welcher Reihenfolge ausgeführt werden müssen und bei der Sanierung den Geldbeutel und die Umwelt gleichermaßen schonen. »Nicht jeder hat auf einen Schlag eine große Geldsumme zur Verfügung«, erklärt Müller. Die Studie ist umfassend, berücksichtigt Aspekte der Bausubstanz und Technik ebenso wie Betriebskosten, Investitionen und Wohnkomfort und ist daher als interdisziplinäres Projekt angelegt. »Einen Bauphysiker interessieren andere Dinge als einen Immobilienwirtschaftler«, sagt Müller.
Die Politik ist gefordert Die Wissenschaftler stellten im Rahmen des Projektes auch politische Strategieansätze auf den Prüf-
stand. »Die besten Optionen, die wir in den Berechnungen herausgefiltert haben, entsprechen nicht unbedingt dem, was die Politik zurzeit fördert. In der Praxis treten die erwarteten Effekte bei der Energieeinsparung oft nicht ein oder reichen nicht, um die Sanierungsinvestitionen zu refinanzieren«, erklärt Müller. Auch seien die Normen, die für Förderungen herangezogen würden, nicht immer realitätsnah, oder sie legten verzerrende Werte zugrunde. Ferner stellen die Forscher einen weiteren Aspekt heraus: Die staatliche Förderung begünstigt oft ineffiziente Maßnahmen. Gibt es zum Beispiel schon eine dünne Fassadendämmung, müsste in die – vom Staat geforderte oder auch geförderte – verbesserte Dämmung deutlich mehr Geld investiert werden, um spürbar Energie einzusparen, als in einem noch gar nicht gedämmten Haus, bei dem dieselbe Investition dann deutlich stärkere Effekte brächte. Ineffizient ist das in diesem Fall sowohl für den Eigentümer der Immobilie als auch im Hinblick auf die staatliche Mittelvergabe.
Neu: individuelle Konzepte Die Analysen zeigen auch, dass die Mindestanforderungen zur bauphysikalischen Behaglichkeit im Verhältnis zu den bislang geforderten und geförderten Lösungen bereits mit geringen Aufwendungen sowohl beim Material als auch bei den Kosten erreicht werden können. Nach Abschluss des Projektes empfehlen die Forscher, in Gesetzesverordnungen nicht mehr einzelne Maßnahmen nur unter dem Aspekt der Energieeinsparung singulär zu betrachten und zu fördern nach der pauschalen Devise: »Insbesondere Fassadendämmung ist das A und O«, sondern individuelle Sanierungskonzepte einzelner Gebäude unter Berücksichtigung der Endenergie- und CO2-Vermeidungskosten auf ihre Förderwürdigkeit hin zu bewerten. Darüber hinaus zeichnet sich weiterer Forschungsbedarf ab: Wie wirtschaftlich ist die energetische Gebäudesanierung in der Fläche? Und können künftig öffentliche Fördermittel zweckmäßiger verteilt werden? Wenn viele Menschen sich Sanierungen leisten können, wird auch ein großer Effekt fürs Klima erzielt, so die Überlegung.
Ein Handbuch für die Praxis Die Wissenschaftler arbeiten derzeit an einem Handbuch zur energetischen Gebäudesanierung. In dem Buch werden die Effekte energieeffizienter Maßnahmen in ihren Zusammenhängen nachvollziehbar hergeleitet und verständlich dargestellt. Mit dem Handbuch wollen die Wissenschaftler einerseits dazu beitragen, die Diskussion um das Für und Wider energetischer Sanierungen zu versachlichen sowie andererseits Gebäude-
eigentümern mit Handlungsleitfäden unterstützen, die darstellen, wann und unter welchen Umständen welche Maßnahmen besonders sinnvoll sind. Das Buch zielt mit dieser Doppelstrategie mittelfristig darauf ab, Grundlagen zu schaffen, auf deren Basis sowohl die Sanierungsquote als auch die Sanierungseffizienz gesteigert werden kann. Das Buch wird Ende 2015 erscheinen. allgäuALTERNATIV wird dieses Handbuch vorstellen, sobald es verfügbar ist.
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Bauen
Individuelle Fertighäuser Regionale Unternehmen wissen, wie Häuser aus dem Katalog sucht sich kein Mensch mehr aus, Fassaden mit fingerbreiten Fugen ernten bestenfalls ein mildes Lächeln. Nach Angaben des Deutschen Holzfertigbau-Verbandes e.V. (DHV) sind die Ansprüche ans Bauen und Wohnen mit der Zeit enorm gestiegen. Lediglich ein Dach über dem Kopf ist längst nicht mehr alleiniges Ziel der Bauherren und ihrer Familien.
it Herz, Hand und Sachverstand: Fertighausanbieter im Allgäu sind erfolgreiche Holzbaubetriebe, die über traditionelles handwerkliches Können ebenso verfügen wie über modernste Technik. Hier bleibt nichts dem Zufall überlassen – beispielsweise wird die Holzfeuchte mehrmals gemessen. »Kreativität, Flexibilität, Schnelligkeit und Energieeffizienz sind Parameter, an denen sich moderne Hausbauunternehmen
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messen lassen müssen. Ebenso spielen die Qualität der Bauausführung und die gesundheitliche Unbedenklichkeit der verwendeten Materialien eine Schlüsselrolle«, betont Erwin Taglieber, Präsident des Deutschen Holzfertigbau-Verbandes e.V. (DHV). Er ist selbst Holzbauunternehmer und weiß, wovon er spricht. »Zur Individualität des Hausentwurfs«, sagt er, »gibt es bei Neubauvorhaben praktisch keine Alternative.«
Fotos: Holzhaus Buhmann und DHV
Foto vorhergehende Seite: Moderne Gestaltung – ein Kindergarten im Passivhausstandard mit architektonischem Anspruch. Foto links: Interessant gestalteter Materialmix im Fassadenbereich gibt dem Anbau eine filigrane Note Großer Vorteil eines Holzhauses ist die Vorfertigung. Auf dem Foto ganz links ist ein Haus zu sehen, das von Holzbau Buhmann in einen fertigen Garten gesetzt würde, ohne dass die bestehende Bepflanzung Schaden nahm. Foto links: Die farbige Holzfassade schmiegt sich perfekt in die natürliche Umgebung (gebaut von Holzbau Buhmann, geplant von VitalArchitektur Martin Maurer)
Andere Zeiten, andere Häuser Früher war das alles völlig anders: Im eigenen Haus zu wohnen, galt als Lebenstraum, für dessen Verwirklichung man lange eisern sparte. Oft dauerte es Monate, bis das Haus – meist Stein auf Stein in Handarbeit – errichtet war, zuweilen sogar länger.
Nach dem Richtfest musste der Baukörper erst einmal austrocknen, bevor er verputzt, innen fertiggestellt und dann endlich bezogen werden konnte. Viel Zeit musste man als Bauherr also haben, einen guten Architekten und natürlich auch das Geld, um all die vielen Bauhandwerker zu bezahlen. Von den Nerven, die manchen Bauherrn das Projekt kostete, ganz zu
In der Fertigung: eine moderne Abbinde-Anlage
Bauen
Auf dem Montagetisch ist bereits die Form der Hausfassade erkennbar
schweigen – die vielen Gewerke und Handwerker »im Zaum« zu halten, war eine Kunst, die nur wenige beherrschten – denn auf Erfahrungswerte konnte ja kaum ein Bauherr zurückblicken.
Wachsende Nachfrage
Kurzinfo Weitere Informationen über modernes Bauen und gesundes Wohnen in einem Fertighaus aus Holz gibt es beim DHV, Deutscher Holzfertigbau-Verband e.V., Hellmuth-Hirth-Str. 7, 73760 Ostfildern, www.d-h-v.de
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Doch schon damals war Zeit Geld – weshalb die Idee, ein standardisiertes Haus zu kaufen, rasch Anhänger fand. Einfach das passende Modell in einer der vielen Musterhaus-Siedlungen aussuchen und beim Versandhandel bestellen – mit Eingang links oder rechts, das Dach mit Fenster oder ohne, Garagenanbau oder Erker auf der Giebelseite – an Wahlmöglichkeiten gab es nicht allzu viele. Denn die Grundrisse waren samt und sonders vorgezeichnet. Das hat freilich kaum jemanden gestört, wenn es galt, der Familie zu einem bezahlbaren Dach über dem Kopf zu verhelfen. Genau diesen Zweck haben Fertighäuser aus dem Katalog erfüllt – damals, in den 1960er- und 1970erund auch noch in den frühen 1980er-Jahren. Heute dürften solche »Häuser von der Stange« kaum noch Käufer finden.
Vorfertigung macht Vielfalt Beim Holzrahmen- und Holztafelbau bringt der Einsatz von Maschinentechnik große Vorteile mit sich: vom Präzisions- und Zeitgewinn im Zuschnitt und bei der Montage über die realisierbare Vielfalt der Entwürfe bis zur Beschleunigung des Durchlaufs großer Elemente. Alle Decken- und Wandanschlüsse sitzen
so, dass sie beim Richten des Gebäudes exakt verbunden werden können. Der Aufbau des Hauses ist nur noch eine Sache weniger Tage. Nimmt man den kompletten Innenausbau mit hinzu – dauert es vom ersten Hammerschlag bis zum Einzug allenfalls ein Vierteljahr. Stetige Weiterentwicklung der Produktionstechnologie hat im Holzfertigbau einen Quantensprung bewirkt, der von der Einführung von Schmetterlingstischen zum Wenden großer Wände über CNC-gesteuerte Abbinde-Anlagen bis zum Einsatz vollautomatischer Industrieroboter reicht. Dämmstoffbahnen werden millimetergenau in die Gefache eingelegt, schwere Holzwerkstoffplatten keineswegs von Hand getragen, sondern von Greifarmen angesaugt, bevor sie von der einen Bearbeitungsstation zur nächsten durch die Halle schweben. Das alles ähnelt sehr der Herstellung moderner Autos: Kaum ein Anbieter käme mehr auf die Idee, Karosserieteile in Handarbeit mit Schrauben zu verbinden. Im Holzfertigbau ist das kaum anders; hier helfen zum Beispiel Druckluftnagler, Dämmplatten mit Edelstahlklammern im Holzrahmen zu verankern.
Ansprüche sind gestiegen Das Ziel, nur ein Dach über dem Kopf zu haben, ist längst dem Wunsch nach gesundem Wohnen, Behaglichkeit und Energieeffizienz gewichen. Hübsch anzusehen soll das Haus natürlich sein, hochwertig, werthaltig und gut gedämmt auf alle Fälle. Genau wie
Ein Mitarbeiter der Holzbaufirma bei der Feuchtemessung
die vielen wunderschönen Häuser, die die rund 160 Mitgliedsunternehmen im Deutschen HolzfertigbauVerband ganz nach Bauherrenwunsch entwerfen, wettergeschützt vorfertigen, exakt zum Bedarfszeitpunkt auf den jeweiligen Bauplatz liefern, dort fachgerecht montieren und mit viel Liebe zum Detail von innen und außen komplettieren. Handwerkliches Können und maschinelle Unterstützung gehen dabei Hand in Hand. Im Verbund ergeben sie ein Haus aus Holz von meisterlicher Qualität, das werthaltig und zukunftsfähig ist. Eben ein Holzfertighaus, wie es sich in Deutschland immer mehr Bauherren wünschen: individuell geplant, meisterlich gebaut und doch erschwinglich. Im Allgäu hilft noch ein weiterer Aspekt dem Bauwilligen, sich für ein Holz-Fertighaus zu entscheiden: In kaum einer anderen Gegend in Deutschland gibt es so viele organisierte Fachbetriebe wie in unserer Region. allgäuALTERNATIV hat sie in einer Adressliste zusammengestellt (siehe Kasten). Weitere Kriterien kommen hinzu: Ökologisch sinnvoll ist es, dass die Werkstoffe möglichst kurze Lieferwege haben und auch die fertigen Bauelemente nicht über Hunderte von Kilometern per Tieflader angeliefert werden müssen. Ein weiterer Vorteil: Regionale Firmen sind bei Nachbesserungen und Sonderwünschen sofort greifbar. Die räumliche Nähe spart Wegekosten und bringt zusätzliche Sicherheit – denn lokaler Service ist in jedem Fall günstiger.
Holzbau-Unternehmen im DHV in der Region Holzbau Buhmann GmbH & Co. KG Eisenbolz 15 87480 Weitnau Tel.: 08375 92080 info@holzbaubuhmann.de http://www.holzbaubuhmann.de M & M HolzHaus GmbH Füssener Straße 57 87484 Nesselwang Tel.: 08361 92100 info@mm-holzhaus.de http://www.mm-holzhaus.de Anton Ambros GmbH Hauptstraße 5 87659 Hopferau Tel.: 08364 983430 info@ambros-haus.de http://www.ambros-haus.de Bau-Fritz GmbH & Co. KG, seit 1896 Alpenstraße 25 87746 Erkheim Tel.: 08336 900-0 Fax: 08336 900-222 dfv@baufritz.net http://www.baufritz.de Weizenegger Objektbau GmbH Ziegelwiesenweg 1
88410 Bad Wurzach Tel.: 07564 93470 info@weizenegger.de http://www.weizenegger.de Holzbau Leiter-Witzemann GbR Liebenau Mühlenweg 4 88074 Meckenbeuren Tel.: 07542 3810 bernhard.leiter@t-online.de http://www.leiter-witzemann.de BUNZ bauart GmbH Biberacher Straße 37 88477 Schwendi Tel.: 07353 980440 info@bunz-bauart.de http://www.bunz-bauart.de Architekturpartner ist die Planungsgruppe PGR Blumenstraße 11 86956 Schongau Tel.: 08861 8003 orader@proligna.de http://www.proligna.de Fördermitglied ist die Fermacell GmbH Am alten Sportplatz 1 87749 Hawangen jens.morscheid@xella.com
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Bauen
Barrierefrei in Biberach Ein Lehrgang für Fachplaner
Fotos: privat
Barrierefreies Bauen ist eine zentrale Gestaltungsherausforderung für unsere Gesellschaft ebenso wie für Planungs- und Architekturbüros: Die gebaute Umwelt muss und kann die Anforderungen erfüllen, die – nicht nur durch den demografischen Wandel – in unserer Gesellschaft entstehen. Die Akademie der Hochschule Biberach bietet diesen Berufsgruppen erneut den Lehrgang »FachplanerIn Barrierefreies Bauen« an.
Architektin Dr.-Ing. Sigrid Loch (oben) und Referentin Nadine Metlitzky (darunter) leiten den Lehrgang in Biberach
Weitere Informationen http://www.akademiebiberach.de/barrierefrei http://www.hochschulebiberach.de
ie Zusammenarbeit der Hochschule Biberach mit dem Institut Fortbildung Bau der Architektenkammer Baden-Württemberg zeigt, dass Barrierefreiheit den Berufsalltag von Planern erreicht hat«, so Pascal Steinert, Mitglied der Geschäftsführung der Akademie der Hochschule Biberach. Denn die Anforderungen in der Praxis sind komplex: Was bedeutet barrierefreies Bauen tatsächlich? Was ist in der konkreten Planung zu berücksichtigen? Welche funktionalen und kreativen Spielräume kann der Planer nutzen? Wie funktionieren barrierefreie Baudetails? Und schließlich: Was kostet barrierefreies Bauen und wem nutzt es? Diese und weitere Fragen sollen im Lehrgang »Barrierefreies Bauen« beantwortet werden. Der Lehrgang, der nach dem erfolgreichen Start in diesem Jahr erneut vom 1. Oktober 2015 bis 28. Januar 2016 angeboten wird, bietet Planern und Architekten fundierte Grundlagen sowie spezifisches Fachwissen zum barrierefreien Bauen und eröffnet damit neue Handlungspotenziale für die Praxis. Der nächste Lehrgang greift auch aktuelle Diskussionen auf – etwa mit einem Expertenbeitrag zum
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Thema AAL-unterstützende Technik. Im Fokus stehen technische Assistenzsysteme, innovative Produkte und Dienstleistungen, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter oder bei Behinderung unterstützen können. Die Akademie der Hochschule Biberach hat das Angebot zusammen mit zwei Expertinnen für barrierefreies Bauen entwickelt: Dr.-Ing. Sigrid Loch, Architektin, hat sich in Forschung und Lehre an der Universität Stuttgart sowie als Referentin im Bereich Fortund Weiterbildung auf anpassungsfähige Wohnkonzepte, barrierefreies und generationengerechtes Planen und Bauen spezialisiert. Lehraufträge und die Leitung zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen u.a. für die Architektenkammer ergänzen ihre Arbeit. Ihre Kollegin, Dipl.-Ing. (FH) Nadine Metlitzky, hat das »Factus 2 Institut« mit Sitz in Nordhausen und Erfurt gegründet und bietet in freier Tätigkeit die Planung, Beratung und Begutachtung von Bauprojekten unter dem Aspekt der Barrierefreiheit an. Auch ein Fortbildungsprogramm für Planer und Architekten gehört zum Angebot des Instituts. Nadine Metlitzky gilt als Koryphäe auf diesem Gebiet, insbesondere im Bereich der Wissens-vermittlung.
Verpassen Sie nicht die nächste Ausgabe! Die Herbst-/Winterausgabe von allgäuALTERNATIV erscheint am 6. November 2015 bei unseren Leserinnen und Lesern. Bestellen Sie jetzt kostenlos und unverbindlich Ihr Exemplar.
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Fotos: RainerSturm/pixelio.de, Andreas Hermsdorf/pixelio.de
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E-Mobil
Volle Elektrokraft voraus Welches Pedelec passt zu welchem Radler-Typ? Pedelecs sind voll im Trend. Die Umsätze der Hersteller haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Die Technik der Räder ist perfektioniert worden. Beim Kauf von E-Bikes sollte man nicht nur auf den Preis, sondern auch auf seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse achten. Eco-top-ten, die Plattform für ökologische Spitzenprodukte, hat Daten und Merkmale von Pedelecs in einer Kaufberatung zusammengestellt.
Hersteller
M1 Sporttechnik GmbH & Co. Secede
Kalkhoff
Kalkhoff
Kalkhoff
Kalkhoff
Kalkhoff
Prophete
Sahel Compact Impulse 8R/8
Tasman Impulse 8R /8
Pro Connect B10 Disc
Agattu Impulse 7R HS / 7 HS
Agattu B8 HS
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Modell
FE05 Stepless
Kaufpreis (€)
2.199 €
4.824 €
2.499 €
2.199 €
2.399 €
1.999 €
2.199 €
1.700 €
City-Pedelec
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Modell
TOURING HYBRID
FE06 Big Pack
Riese & Müller blueLABEL SWING city rücktritt
Riese & Müller Avenue city rücktritt
Riese & Müller Culture city rücktritt
Riese & Müller Homage dualdrive
Riese & Müller blueLABEL WAVE city rücktritt
Kaufpreis (€)
2.399 €
2.399 €
2.799 €
3.999 €
4.199 €
4.599 €
2.799 €
2.299 €
TourenPedelec 6
TourenPedelec 6
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City-Pedelec
City-Pedelec
City-Pedelec
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Anzahl Ladezyklen
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Rekuperation
nein
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Anzahl Gänge
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Typ Stromkosten (€/Jahr) Gesamtkosten (€/Jahr) CO2-Emissionen (kg/CO2e/Jahr) Stromverbrauch (kWh/Jahr)
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Typ Stromkosten (€/Jahr) Gesamtkosten (€/Jahr) CO2-Emissionen (kg/CO2e/Jahr) Stromverbrauch (kWh/Jahr)
Position Motor Kosten Ersatzakku (€)
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ROSE XTRA WATT-2
edelecs – umgangssprachlich fälschlicherweise häufig als E-Bikes bezeichnet – mit einer Tretunterstützung bis zu 25 Stundenkilometern und Motoren mit max. 250 Watt gelten rechtlich als Fahrräder. Das ist auch dann der Fall, wenn sie eine Anfahr- oder Schiebehilfe bis sechs Stundenkilometer haben. Daher gibt es kein Mindestalter für FahrerInne und es besteht keine Versicherungs- oder Führerscheinpflicht. Pedelecs brauchen seit August 2013 keinen Dynamo mehr und
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dürfen ihre Beleuchtung entweder per Dynamo oder mit Batterie/Akku betreiben (Nennleistung mindestens 3 Watt und Nennspannung 6 Volt). Eine besondere Klasse stellen die S-Pedelecs und E-Bikes dar. Sie gelten als Kleinkrafträder und brauchen ein Versicherungskennzeichen, so wie Mofas und Mopeds. Das Mindestalter der Fahrer liegt bei 15 Jahren, alleine schon deswegen, weil mindestens eine Mofa-Prüfbescheinigung vorgeschrieben w ist.
Raleigh
Raleigh
Raleigh
Raleigh
SFM
CUBE Bikes
CUBE Bikes
CUBE Bikes
Dover Impulse 7 HS / 7R HS
Stoker Impulse 9
Cardiff B8 HS
Leeds Impulse Compact 8 / 8R
Saxonette Deluxe 250
TRAVEL HYBRID
ELLY CRUISE HYBRID
DELHI HYBRID PRO
1.999 €
1.999 €
2.199 €
2.499 €
1.799 €
2.199 €
2.399 €
2.799 €
City-Pedelec
City-Pedelec
City-Pedelec
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TourenPedelec 6
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Sahel Impulse 8R / 8
Leeds Impulse 8R Lite HS
FE02 Big Trip
2.699 €
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2.699 €
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TourenPedelec 6
TourenPedelec 6
TourenPedelec 6
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City-Pedelec
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Stand Tabelle: April 2015 Kaufpreis = Preisempfehlung des Herstellers. Die Preise können für jedes Modell schwanken, je nach Ausstattungsgrad des Rades und Leistung des Akkus. Die jährlichen Gesamtkosten setzen sich aus den Anschaffungskosten und den Kosten für einen Ersatzakku (anteilig entschprechend der Gesamtlebensdauer),den jährlichen Stromkosten sowie den Kosten für War tung und Reparatur zusammen. Grundlage für die Berechnung der jährlichen Stromkosten ist der Stromverbrauch, der für 50 Akkuladungen benötigt wird und dessen Höhe von der AkkuKapazität des jeweiligen Elektrofahrrads abhängt. Für eine Kilowattstunde werden 0,296 Euro angenommen (Arbeitspreis inkl. Grundpreis, eigene Erhebung März 2015). Die Wartungskosten werden mit durchschnittlich 75 Euro pro Jahr angenommen. Dies beinhaltet die jährliche War tung bei einem Fachhändler und kleinere Reparaturen wie z.B. das Auswechseln der Kette oder Bremsbeläge (anteilig entsprechend der Gesamtlebensdauer). Jährliche Emissionen an CO2Äquivalenten: Hier wurden die CO2-Emissionen anhand des anfallenden Stromverbrauchs für 50 Akkuladungen im Jahr berechnet. Für eine Kilowattstunde Strom werden in Deutschland klimarelevante Emissionen in Höhe von durchschnittlich 666g CO2Äquivalenten frei (Quelle: EcoInvent 3.01).
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E-Mobil
Foto: Volker Wille
Unser Vergleich legt den Fokus auf die Kategorie der Pedelecs, da sie verkehrsrechtlich als Fahrräder gelten und daher weder ein Mindestalter erfordern noch einer Versicherungs- oder Führerscheinpflicht unterliegen. Ein technischer Zusatz, der im Alltag sehr hilfreich sein kann, ist die Schiebe- oder Anfahrhilfe. Dabei handelt es sich um eine Motorunterstützung ohne Pedalbewegung bis sechs Stundenkilometer. Besonders gut beim Bergaufschieben, Anfahren an der Ampel oder, um das Rad aus dem Fahrradkeller zu holen. Normalerweise wird sie über einen Hebel in der Nähe des Schalthebels betätigt. Der Motor an einem Pedelec kann an drei verschiedenen Stellen platziert sein. Als Nabenmotor im Vorderrad (Frontantrieb) oder im Hinterrad (Heckantrieb) sowie als Mittelmotor im Bereich des Tretlagers. Je tiefer der Motor angebracht ist, desto besser ist das Fahrverhalten. Der Vorderradantrieb kann sich bei kräftigem Einsatz an den Pedalen und rutschiger Fahrbahn negativ auswirken. Das Vorderrad kann bei heftigen Lenkbewegungen ausbrechen. Grundsätzlich sollte man vor dem Kauf zumindest eine Probefahrt machen. Noch besser ist es, sich bei den vielen inzwischen etablierten Pedelec-Verleih-Stationen unterschiedliche Räder auszuleihen und ein eigenes Profil für das zukünftige Kaufobjekt zu erstellen. Kriterien könnten sein: hohe Leistungskraft auf Kurzstrecke, möglichst lange Schubhilfe im Eco-Modus auf der Langstrecke für ausgedehnte Rad-Touren oder Abstimmung der Bedürfnisse mit einem Partner, der mit einem Normal-Fahrrad unterwegs ist. In der Regel liegt die Reichweite bei 30 bis 100 Kilometern. Die
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allgäu ALTERNATIV
Reichweite ein und derselben Batterie kann stark variieren und hängt von mehreren Faktoren (Fahrweise, Topografie, Alter der Batterie, gewählte Unterstützungsart und sogar vom Reifenluftdruck) ab. Unterschiede gibt es auch bei der Kapazität der Akkus. Ein Ersatz-Akku für ein Pedelec kostet zwischen 450 und 950 Euro. Die zu erwartende Lebensdauer moderner Akkus beträgt ca. 500-1000 Vollladezyklen. Bei einer durchschnittlichen Distanz von 50 Kilometern pro Akkuladung entsprechen 500 Zyklen ca. 25.000 Kilometern. Falscher Umgang mit den Akkus kann jedoch zu einem schnelleren Verschleiß führen und die Lebensdauer deutlich verkürzen. EcoTopTen empfiehlt ausschließlich Lithium-Ionen-Akkus, da sie am effektivsten Energie speichern und dadurch leichter sind als z.B. NiMhd-Akkus. Batterien jeglicher Art verlieren über die Zeit hinweg jedoch auch einen Teil ihrer ursprünglichen Speicherkapazität. Hersteller geben für die Akkus daher oft nur eine Garantie von zwei Jahren. Bei sachgerechter Lagerung und Anwendung sind aber auch Lebenszeiten von mehr als fünf Jahren gut möglich. Der Akku sollte, wenn möglich, nach jeder Fahrt bei Zimmertemperatur wieder aufgeladen und gelagert werden. Besonders im Winter tun Sie Ihrem Akku einen Gefallen, wenn Sie ihn nicht bei Minustemperaturen draußen lagern. Das Fahren bei Temperaturen unter null hat keinen großen Einfluss auf die Leistung Ihres Elektrofahrrads. Akkus mit größerer Kapazität ermöglichen eine größere Reichweite, bedeuten allerdings auch etwas mehr Gewicht am E-Bike. Im Kennzeichen ist die Haftpflichtversicherung inklusive. Pedelecs, also E-Bikes bis 25 Stundenkilometer Motorunterstützung, sind in den meisten Fällen über die private Haftpflichtversicherung gedeckt. Eine Bestätigung durch Ihre Versicherung sollten Sie aber einholen, falls Elektrofahrräder in Ihrer Police nicht ausdrücklich erwähnt sind. Für Pedelecs mit Anfahrhilfe ist dies ganz besonders notwendig. Viele Versicherer nehmen Pedelecs mit Anfahrhilfe aber mit in die Privathaftpflicht auf, wenn sich die Anfahrhilfe bei spätestens 6 Stundenkilometern abschaltet. Als Zugfahrzeuge für Kinderfahrradanhänger sind nur normale Fahrräder und Pedelecs zugelassen. Helm auf. Eine Helmpflicht besteht bei Elektrofahrrädern nicht, Fachleute raten jedoch, bei jeder Fahrradfahrt einen Helm zu benutzen – zu Ihrer eigenen Sicherheit. Pedelecs werden rechtlich wie Fahrräder behandelt und müssen, wenn ein Fahrradweg vorhanden ist, diesen auch benutzen. Außerdem dürfen sie auf Einbahnstraßen in die Gegenrichtung bewegt werden, wenn dies für Fahrräder gestattet ist. Ebenso dürfen Fußgängerzonen mit Freigabe für Räder sowie Waldwege mit Pedelecs befahren werden.
E-Mobil
Länger mobil mit dem E-Rad Spezial-Fahrzeug fürs Seniorenheim
Probefahrt: Bürgermeister Sebastian Seemüller, und Heimleiterin Diana Birghan-Wagner
om Kinderfahrrad bis zum BehindertenFahrrad reicht das Angebot der Schwarzwälder Spezialisten. Viele der angebotenen Räder sind Einzelstücke. Erfahrung aus vielen Jahren mit Seniorenheimen und Behinderten-Betreuern stecken in den Fahrzeugen. Oft werden spezielle Anforderungen gestellt und erfüllt. So gibt es Tandems, bei denen der hintere Mitfahrer samt Rollstuhl auf die Konstruktion fährt und sicher befestigt wird. Für Mütter mit kleinen Kindern gibt es Fahrräder mit Kindersitz vor dem Lenker. Besonders beliebt ist das Rad, auf dem zwei Personen nebeneinander sitzen können. Die Schwarzwälder gehen bewusst auf den Kunden ein: »Die unterschiedlichen Komponenten und Anbauteile werden individuell mit unseren Kunden abgestimmt und in liebevoller Handarbeit verbaut. Hier setzen wir auf Marken-Qualität, die eine lange Lebensdauer verspricht. Ob Shimano-Schalttechnik oder Bremssysteme von Magura, ein Fahrrad von Draisin ist nur mit hochwertigen Ausstattungsmerkmalen ausgerüstet«, sagt Geschäftsführer Werner Müller. Draisin-Produkte werden europaweit von einem Fachhändler-Netz und Vermietstationen angeboten. Diese Draisin-Partner beraten die Kunden natürlich bei speziellen Anforderungen. So wie der Allgäuer Gebietsverkaufsleiter Lothar Hörmann, der dem KreisSeniorenheim in Mindelheim einen E-Zweisitzer übergeben hat. Dabei handelt es sich um ein motorisiertes Rad mit eingebautem Rollstuhl. Chauffiert von
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Fotos: Edition ALLGÄU
Seit 1992 entwickelt, konstruiert und baut die Firma Draisin in ihrer Werkstatt in Achern im Schwarzwald Spezial-Fahrräder und Sonderlösungen für Behinderte und gebrechliche Personen. Dabei kommt auch moderne E-Technologie zum Einsatz. Mit den Fahrzeugen von Draisin können auch Menschen an Ausflügen teilnehmen, die sonst nicht mehr mobil sind.
einem Mitarbeiter des Kreis-Seniorenwohnheims oder einem Angehörigen, können damit künftig auch Senioren, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, einen Ausflug in die Umgebung machen. Türkheims Bürgermeister Sebastian Seemüller, Heimleiterin Diana BirghanWagner, Pflegedienstleiterin Stefanie Santa und Heimbeiratsmitglied Edeltraud Rehle freuten sich, dass Kommunen, Privatpersonen und Firmen den Kauf des Fahrzeuges mit ihren Spenden ermöglicht haben.
Hier finden Sie Fachberater In unserem Verbreitungsgebiet beraten folgende Fachgeschäfte Kunden, die sich für Draisin-Produkte interessieren:
www.fahrradcenter.zegfach haendler.de Fahrrad-Hauf Sonthofenerstrasse 53 87509 Immenstadt www.hauf-immenstadt.de
Fahrrad Trübenbacher Türkheimerstraße 1a 86825 Bad Wörishofen www.fahrradtruebenbacher.de
E-Bike Allgäu Handelspartner + Mietstation Bahnhofsplatz 1a 87561 Oberstdorf www.e-bike-allgaeu.de
Fahrrad Center Kempten Immenstädter Straße 62 87435 Kempten
Rad & Roller Center Heiss Werner-von-Braun-Straße 18 87700 Memmingen
Der Fahrer bestimmt Power und Geschwindigkeit. Die Begleitperson hat sicheren Halt in den Pedalen
www.rad-heiss.de S`Radlgschäft Babenhausen Fürst-Fugger-Straße 1 87727 Babenhausen www.sradlgschaeft.de Zweirad-Center-Durach GmbH Achenerweg 11 Fahrradhändler 88316 Isny im Allgäu www.fahrrad-durach.de Rolf Gölz Fahrräder Claude-Dornier-Straße 1 88339 Bad Waldsee www.goelz-raeder.de
allgäu ALTERNATIV
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E-Mobil
Das Team der Hochschule (v.l.): Prof. Dr. Verena Rath und die Studierenden Vera Gruber und Laura in het Panhuis
E-Power auch auf dem Land Studienergebnisse der Hochschule Biberach Welche Rolle spielt Elektromobilität im Raum Oberschwaben – und welche Rolle könnte E-Mobility hier in der Zukunft spielen? Dieser Frage gingen die Studentinnen Laura in het Panhuis (Allensbach) und Vera Gruber (Bad Buchau) am Ende ihres Studiums der Energiewirtschaft an der Hochschule Biberach HBC nach. Die beiden gehören zum ersten Absolventenjahrgang des im Herbst 2011 gestarteten betriebswirtschaftlichen Bachelorstudienganges mit Spezialisierung auf die Energiebranche.
Der Studiengang Energiewirtschaft (Bachelorstudium) • 48 Studierende/Jahr • Regelstudienzeit: 7 Semester • Abschluss: Bachelor of Arts • Studienbeginn: Wintersemester • Bewerbungsfrist: 15. Juli Hochschule Biberach Hochschule für angewandte Wissenschaften Karlstraße 11 88400 Biberach http://www.hochschulebiberach.de
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allgäu ALTERNATIV
ie 23-jährige Laura in het Panhuis wollte herausfinden, wie ihre Kommilitonen zur Elektromobilität stehen: Rund 500 Studierende aus unterschiedlichen Studiengängen und Semestern der HBC befragte sie dafür (Mobilität der Generation Y – eine empirische Befragung unter Studierenden der Hochschule Biberach mit dem Schwerpunkt Elektromobilität). Die gleichaltrige Vera Gruber widmete sich der Unternehmensseite und wollte von 20 Firmen in der Region wissen, wie aufgeschlossen Flottenmanager und Flottennutzer der Elektromobilität gegenüberstehen (Nutzung von alternativen Antrieben in betrieblichen Flotten – eine empirische Studie mit dem Schwerpunkt Elektromobilität im ländlichen Raum Oberschwaben). Oftmals wird das Thema Elektromobilität ausschließlich als Mobilität für die Großstadt untersucht, so die betreuende Professorin Dr. Verena Rath. Mit ihren Bachelor-Thesen leisten die Studentin-
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nen einen Beitrag dazu, die Aufgeschlossenheit der Bürger und Unternehmen in der ländlich geprägten Region Oberschwaben zu untersuchen.
Studenten wissen mehr Kürzlich haben die beiden Studentinnen ihre Abschlussarbeit verfasst, die Bachelor-Thesis, betreut von Professorin Dr. Verena Rath, selbst eine Expertin auf diesem Gebiet. Das Ergebnis der Arbeiten war – grundsätzlich betrachtet – gleichlautend: Interesse ja – hohe Kosten und mangelnde Reichweite stehen jedoch noch meist dagegen. Im Detail freilich bringen die Befragungen durchaus unterschiedliche Ergebnisse an den Tag: zum Beispiel, dass Studierende aufgrund ihres Studiums im Bereich der Erneuerbaren Energien mehr über das Potenzial der E-Mobility wissen als andere. Wobei das schmale Studenten-Budget in der Regel gegen die umweltfreundliche Anschaffung spricht. Auf
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der anderen Seite sind sehr viele Studierende auf ein eigenes Auto angewiesen; in der Regel kommen sie aus dem Umland von Biberach und fahren u.a. aufgrund der schlechten ÖPNV-Anbindungen mit dem Auto in die Stadt. Auch Bequemlichkeit mag hierfür im einen oder anderen Fall ein Grund sein, vermutet Verena Rath. Oder, dass Unternehmen, die einen ausreichend großen Fuhrpark haben, durchaus bereits Dienstwagen angeschafft haben, die E-betrieben funktionieren. Firmen in der Region, darauf weist Vera Gruber hin, sind sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst, die sie einnehmen können, um den Blick der Menschen in der Region auf das Thema Elektro-Mobilität zu lenken. Denn auch das haben die Befragungen deutlich gemacht: Das Wissen über E-Mobility ist nicht ausreichend. Die Sichtbarkeit muss verbessert werden, sagt Laura in het Panhuis. Unternehmen könnten dies sogar imagefördernd einsetzen, ergänzt Vera Gruber.
Eignung für Kurzstrecke Neue Geschäftsmodelle könnten hierfür die Lösung sein, schlagen die beiden Studentinnen vor. Denn auch eine ländliche Region halten sie für E-betriebene Fahrzeuge gut geeignet: Im Alltag werden oft Kurzstrecken gefahren, Elektrofahrzeuge können bequem in der Garage oder über die hauseigene PV-Anlage geladen werden, und in Haushalten mit mehreren Autos kann das E-Fahrzeug für kurze Fahrten genutzt werden – die geringere Reichweite spielt dann keine Rolle. Das Fahrverhalten auf dem Land passt zur Elektromobilität, fasst Vera Gruber zusammen. Welche Ideen wären denkbar? Autohäuser könnten E-Fahrzeuge als Ersatzwagen bereitstellen, Unternehmen könnten einen solchen Kleinwagen für Kurzstrecken anbieten und Familien könnten beim Zweitwagen auf Elektrofahrzeuge setzen oder entsprechende Angebote des ÖPNV nutzen, wenn dieser künftig auf gemischte Flotten setzt, etwa bei Anrufsammeltaxis, die spät abends Fahrgäste aus der Stadt zurück nach Hause bringen – skizzieren die angehenden Energiewirtinnen ihre Ideen.
Hybrid vor E-Mobil? Dennoch gehen Laura in het Panhuis und Vera Gruber davon aus, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis sich E-Mobility durchsetzt. Sie vermuten, dass zunächst Hybrid-Fahrzeuge verstärkt auf den Markt kommen. Am Potenzial der Technik E-Mobility aber haben sie keinen Zweifel. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema Elektromobilität hat sie zu Expertinnen gemacht. Vera Gruber will nach ihrem Studium, das sie Ende März abgeschlossen hat, den Einstieg in diesem Berufsfeld suchen. Laura in het Panhuis hat sich auf weiterführende Master-Studiengänge beworben. Ob auch in diesem Studium die Elektromobilität eine Rolle spielt, wird sich zeigen.
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E-Mobil
Leitmarkt oder Schlusslicht Läuft uns die Konkurrenz davon? Bis 2020 sollen nach dem Plan der Bundesregierung eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen sein. Kurz vor Halbzeit sind wir weit davon entfernt. Verliert Deutschland den Anschluss an die Elektromobilität? Eine Betrachtung von Michael Valentine-Urbschat.
Im Auftrag der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) wurde eine Hochlaufkurve zur Erreichung des Eine-MillionElektroauto-Ziels der Bundesregierung erarbeitet. Im Jahr 2011 befanden sich Plan und Ist-Absatzzahl noch in perfekter Harmonie. Doch seitdem entwickeln sich beide Werte dramatisch auseinander
nappe fünf Jahre nach Verkündung des ehrgeizigen 2020-Ziels zeigt es sich, dass Deutschland bereits hinterherläuft. Nicht nur hinter dem eigenen Eine-Million-Ziel, das von der Bundesregierung 2010 ausgegeben wurde, sondern auch im Vergleich zu anderen Ländern. In den Jahren 2011 bis 2014 wurden in Deutschland statt der geplanten 100.000 nur circa 28.000 reine Electric Vehicles (EVs) und Plug-in-Hybride(PHEV) verkauft.
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In diesem Jahr müssten nach Plan fast 100.000 weitere Elektrofahrzeuge hinzukommen – aktuell sind kaum mehr als 20.000 Fahrzeuge zu erwarten. Das Ziel von einer Million EVs und PHEVs bis 2020 ist eigentlich nicht mehr zu erreichen. Dabei machen es uns Trendsetter wie Kalifornien und Norwegen vor, wie es gehen könnte. Dort liegen die Entwicklungen weit über den angestrebten Zielwerten der Bundesregierung.
Das Fahrzeugangebot wird größer Am mangelnden Angebot und der Reichweite der Elektroautos, wie es immer von vielen Beteiligten und Journalisten in Deutschland vorgebracht wird, kann es eigentlich nicht liegen – denn die meisten Elektrofahrzeuge werden von den Herstellern weltweit angeboten, stehen also in Deutschland genauso zur Verfügung wie in Kalifornien oder Norwegen. Außerdem müsste die begrenzte Reichweite der Fahrzeuge den EV-Käufern in diesen beiden Ländern eigentlich viel größere Probleme bereiten. Den Amerikanern, weil sie täglich deutlich längere durchschnittliche Fahrstrecken zurücklegen, und den Norwegern, weil sie aufgrund der kalten Winter besonders unter den Reichweitenverlusten der EVs bei niedrigen Temperaturen leiden. Aber das scheint den dortigen Markterfolgen keinen Abbruch zu tun.
Deutschland hinkt hinterher Bei genauerem Hinsehen kann man nur einen wirklichen Unterschied zu erfolgreichen Märkten wie Kalifornien und Norwegen ausmachen: die fehlende öffentliche Förderung, sowohl bei der Anschaffung als auch beim Infrastrukturaufbau. In Deutschland beschränkt sich die Förderung bisher ausschließlich auf Pilotprojekte, begleitende Forschung und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Doch das reicht ganz offensichtlich nicht. Die Hoffnung der Bundesregierung, dass die Breite der Autokäufer von alleine auf die neue Antriebstechnologie schwenkt, hat sich zerschlagen. Dafür sind die München ist das rote Schlusslicht. Die auf massiven Förderprogrammen beruhenden Erfolge in ElektroHochburgen wie Oslo und LA zeigen, was in den letzten Jahren in München schon möglich gewesen wäre
konventionellen Fahrzeuge einfach zu gut, die Aufpreise der ersten EVs zu gravierend, die öffentliche Infrastruktur zu mangelhaft, der »innere Schweinehund« der potenziellen Käufer zu groß und die Bereitschaft der etablierten Auto-Hersteller, die neue Technologie mit massiven Mitteln in den Markt zu drücken, aus verständlichen Gründen zu wenig ausgeprägt. Wer kannibalisiert schon gerne eine erfolgreiche Produktpalette konventioneller Fahrzeuge früher, als es unbedingt sein muss? Wer schlachtet ohne Not eine Cash Cow?
Vom Winde verweht Es ist müßig, im Nachhinein über den Erfolg oder Misserfolg der deutschen Förderprogramme zu philosophieren. Dennoch stimmt es traurig, wenn man sich überlegt, was man mit den öffentlichen und privaten Mitteln von fast 800 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II und den seit 2011 installierten Schaufensterprojekten hätte machen können, um den Markt in Deutschland in Schwung zu bringen. Nur eine einfache Beispielrechnung: Wir hätten alternativ jedem der bis heute eingeplanten 100.000 EV-Käufer eine Kaufförderung von 5000 Euro in die Hand drücken, die Innenstädte unserer zehn größten Metropolregionen mit jeweils mindestens 1000 Ladesäulen – zu einem Preis von 10.000 Euro pro Ladesäule inklusive Installationskosten – bestücken und immer noch 200 Miollionen Euro in eine zielgerichtete Begleitforschung stecken können. Und hätten heute mit großer Wahrscheinlichkeit eine Dynamik und Aufbruchstimmung im Markt, die »elektrisierend« wäre. Eine Dynamik, die private Unternehmen ganz sicher motivieren würde, freiwillig weitere, eigene Mittel in den Hochlauf des Marktes zu investieren, um an diesem Markterfolg zu partizipieren. Stattdessen sind die öffentlichen Mittel in viele sicherlich gut gemeinte Pilotprojekte zu den verschiedensten Forschungsthemen geflossen, ohne dass die Öffentlichkeit wirklich viel davon mitbekommen hat. Es macht sich eine spürbare Enttäuschung breit, und Autohändler berichten von einer eher sinkenden Nachfrage nach E-Fahrzeugen. Verlieren wir damit endgültig den Anschluss an die führenden Leitmärkte dieser Welt?
Bringt das EmoG die Wende? Wird das gerade verabschiedete Elektromobilitätsgesetz (EmoG) der Bundesregierung und dem deutschen »Leitmarkt« endlich zum Durchbruch verhelfen? Nein, ganz sicher nicht. Dafür ist es zu kurz gesprungen, weil es eine Kaufförderung außer Acht lässt und nur den rechtlichen Rahmen für mögliche Fördermaßnahmen setzt, die dann noch auf kommunaler Ebene umgesetzt werden müssen. Aber es ist ein Startsignal, um Regionen auf die Sprünge zu helfen, statt immer nur nach Berlin zu schielen. Denn das Konzept der Metropolregionen ist
möglicherweise der Schlüssel zur Trendwende im Straßenverkehr. Fürsprecher wie Prof. Benjamin Barber aus den USA sehen Lokalregierungen sogar in der Führungsrolle zur Lösung vieler anstehender Menschheitsprobleme – nicht nur beim Klimaschutz. Man traut ihnen mehr Marktnähe und Umsetzungskraft zu, denn sie kennen ihre Einwohner, Rahmenbedingungen und Zielgruppen ganz genau.
Es bedarf mehr Förderung Die Stadtverwaltung der Weltstadt mit Herz hat erkannt, dass die Elektromobilität enorme Chancen für ihre Metropolregion bietet. Denn der konventionelle, straßengebundene Verkehr stellt auch hier eines der Kernprobleme dar – sowohl bei der Feinstaubbelastung der Bürger als auch beim Erreichen der selbst gesteckten Klimaschutzziele. Noch immer liegen die Feinstaubbelastungen an besonders verkehrsreichen Straßen über den in der EU zulässigen Höchstwerten. Und eine CO2-Halbierung bis 2030, die sich der Münchner Stadtrat als Ziel gesetzt hat, ist ohne einen signifikanten Beitrag des Straßenverkehrs nicht zu erreichen. Auch, wenn die Umstellung auf rein elektrische Antriebe das permanente Stau- und Parkplatzproblem im Innenstadtbereich nicht verschwinden lässt, wäre doch die Schadstoff- und Lärmbelastung der Anwohner erheblich reduziert – und die Lebensqualität in München noch mal deutlich gesteigert. Aber der bis heute erzielte Absatz von weniger als 1500 EVs und PHEVs in der bayerischen Metropolregion ist bis dato kaum besser als der bundesdeutsche Durchschnitt. Um das Eine-Million-Ziel der Bundesregierung zu unterstützen, müssten 2020 alleine in München 50.000 Elektroautos fahren. Und um einen signifikanten Beitrag zur Feinstaubreduzierung und zur CO2-Halbierung in der Stadt zu leisten, sollten bis 2030 mindestens 25 Prozent des Münchner Fahrzeugbestandes und damit circa 300.000 Fahrzeuge auf elektrischen Antrieb umgestellt sein. Bei aktuell weniger als 1000 verkauften Elektroautos pro Jahr in der Region sind diese Ziele völlig utopisch. Das könnte sich nur ändern, wenn die Metropolregion München ein eigenes, auf ihre Kernzielgruppen abgestimmtes, massives Förderprogramm auf den Weg bringt, das den lokalen Elektroauto-Markt richtig ins Rollen bringt. Und zwar schnell. Ein erstes Förderprogramm befindet sich aktuell in den Endzügen seiner Entstehung. Doch hat es das Kaliber, um die Trendwende im Münchner Straßenverkehr einzuläuten? Nein, in der aktuellen Fassung ganz sicherlich nicht. Dafür springt es zu kurz und nicht zielgerichtet genug. Im Fokus stehen aktuell Kaufanreize in Höhe von 2500 bis 4000 Euro für gewerbliche Fahrzeughalter, ein erstes Beschaffungsprogramm für die kommunale Flotte und die Installation von bis zu 200 Ladesäulen ohne eine exklusive Reservierung der dazugehörigen Parkflächen. Damit sind wichtige Themen wie EV-
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E-Mobil Sonderparkplätze in attraktiven Innenstadtlagen, der kostenfreie Strombezug an den öffentlichen Ladesäulen oder eine generelle Parkgebührenbefreiung – Kernerfolgsfaktoren zum Beispiel für den EV-Markthochlauf in Oslo – nicht Bestandteil des ersten Förderprogramms.
Es fehlt an der Basisarbeit
Der mit Abstand größte Verursacher von CO2-Emissionen im Münchner Straßenverkehr sind die Mehr-Auto-Haushalte. Gepaart mit einer oft geeigneten Wohn- und Parkplatzsituation, müssen sie zur Kernzielgruppe jedes EV-Förderprogramms werden
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Die Krux beginnt schon in der Analysephase. Wie verteilen sich heute die Kraftstoffverbräuche bzw. Schadstoffemissionen auf die einzelnen Fahrzeug- und Nutzergruppen innerhalb der Metropolregion München? Und welche dieser Gruppen sollte sich aufgrund ihrer Mobilitätsanforderungen und betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer Umstellung auf EVs am leichtesten tun? Nur auf Basis dieser Erkenntnisse lässt sich eigentlich ein fokussiertes und damit erfolgversprechendes Förderprogramm erstellen. Doch diese Basisarbeit scheint bisher zu fehlen – oder ist aufgrund fehlenden statistischen Materials schlicht nicht darstellbar. Im Zuge unserer umfangreichen Recherchen für einen Roman waren wir zumindest in der Lage, ein erstes, klares Bild zur Aufteilung des jährlichen Kraftstoffverbrauchs im Münchner Straßenverkehr zu ermitteln.
Mit sehr interessanten Erkenntnissen. Die Privathaushalte mit mehr als einem Pkw vor der Tür stehen für nahezu 40 Prozent aller Münchner CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr. Die größte Einzelgruppe und eine sehr interessante Zielgruppe alleine deswegen, weil sie mit ihren Zweitwagen natürlich grundsätzlich am wenigsten Probleme mit der Umstellung auf ein EV haben sollte – und in den meisten Fällen auch noch über einen eigenen Parkplatz oder eine Garage für das sichere und bequeme Zuhauseladen verfügt. Dagegen werden sich Ein-Auto-Haushalte, die größtenteils in Apartmentanlagen ohne eigenen Parkplatz wohnen, anfangs deutlich schwerer mit der Umstellung tun. Da helfen auch keine 200 oder 2000 Laternenladesäulen. Der Pkw-basierte Wirtschaftsverkehr ist im Vergleich dazu eine deutlich kleinere Zielgruppe, die zudem noch harten betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen beim Betrieb ihres Fuhrparks unterworfen ist. Hier stehen Preis und permanente Verfügbarkeit im Vordergrund, was einen schnellen und breiten Umstieg auf EVs sehr schwierig macht. Ausgenommen sind eigentlich nur gewerbliche Flotten mit täglich wiederkehrenden, klar definierten Routen, die heute bereits problemlos mit den realen EV-Reichweiten von kaum über 100 Kilometer zurechtkommen, und die höheren Anschaffungskosten durch hohe jährliche Ki-
lometerleistung kompensieren können. Somit fällt das Augenmerk auf die Linienbusse, die immerhin für fast 5% der straßenbasierten CO2-Emissionen in München stehen. Das Angebot an rein elektrisch betriebenen Bussen hat im Gegensatz zu Lkw in den letzten beiden Jahren stark zugenommen.
Linienbusse und Zweitwagen Damit ergeben sich zwei ganz klare Zielgruppen, auf die sich ein Förderprogramm in der Münchner Region in den nächsten Jahren fokussieren sollte: die privaten Zweitwagenbesitzer und die Linienbusse. Die Umstellung der MVG-Busflotte mit mehr als 500 Fahrzeugen hat die Stadt komplett in der eigenen Hand. Bei der Gruppe der Zweitwagenbesitzer muss die Stadtverwaltung dagegen alle Register eines Anreizsystems ziehen, um diese Leute kurzfristig zur massiven Umstellung auf EVs zu bewegen. Im Vordergrund sollten dabei Privilegien stehen, die täglich zu spüren sind: exklusive Parkplätze an attraktiven Orten, kombiniert mit kostenloser Aufladung, eine generelle Befreiung von Parkgebühren und, wenn möglich, die Freigabe von Sonderwegen. Kombiniert mit einer einmaligen Förderung beim Kauf des EVs und einer Heimladestation sollte dies, ähnlich wie in Oslo, zu einer massiven Trendwende beim Kaufverhalten führen. Und sobald ein Großteil der Münchner Autofahrer die vielen Vorteile des EV-Fahrens am eigenen Leib erlebt hat, ist dieser Trend auch kaum mehr umzudrehen. Unabhängig davon, ob die Förderung dann noch Bestand hat. Es geht vielmehr um eine massive Initialzündung. Die Wirksamkeit eines solchen Förderprogramms kann dabei sehr leicht gemessen werden: Schafft die Region München ihre Hochlaufkurve auf 50.000 EVs bis 2020 oder nicht?
Leitmarkt Metropolregion München Kernelemente, die zwingender Bestandteil eines massiven lokalen Förderprogramms zur Elektromobilität sein müssen: 1. Umstellung aller Linienbusse auf rein elektrischen Betrieb: Ab sofort werden nur noch E-Busse beschafft, bis die komplette Flotte von ca. 1500 Linienbussen in der Region zu 100 Prozent emissionsfrei fahren 2. Umwidmung von mindestens 1000 hochattraktiven Parkplätzen innerhalb des mittleren Rings (davon mindestens 30 Prozent innerhalb des Altstadtrings) zu exklusiven EV-Parkplätzen mit Ladesäulen zum barrierefreien und kostenlosen Strombezug (bis mindestens 31.12.2017) 3. Grundsätzliche Befreiung aller Elektrofahrzeuge von Parkgebühren in der gesamten Region (bis mindestens 31.12.2017)
Wer soll das bezahlen? Damit steht nur noch die Frage nach der Finanzierbarkeit eines solchen Programms im Raum. Eine Stadt wie München, die in den letzten Jahren konstant Überschüsse erwirtschaftet hat, sollte sich ein derartig zukunftsorientiertes Programm leisten können. Besonders, seitdem die EU beim Thema Feinstaub mit Strafzahlungen droht und die Elektromobilität die einzig verbliebene Maßnahme zu sein scheint. Alternativ gibt es aber auch mehrere Gegenfinanzierungsmodelle, von denen eines unbedingt auf den Tisch gebracht werden sollte: Nämlich eine innerstädtische Einfahr-Maut für verbrennungsmotorbasierte Fahrzeuge – so, wie sie seit Jahren zum Beispiel in London existiert. Die tägliche Einfahrgebühr von zehn Pfund führt heute in der englischen Hauptstadt nicht nur zu Einnahmen von täglich mehr als einer Million Pfund, die in ein massives Förderprogramm für EVs investiert werden, sondern auch zu einer nennenswerten Reduzierung des Innenstadtverkehrs. Dabei macht modernste Technik heute die Umsetzung deutlich leichter und effizienter. Auch, wenn eine solche Maut natürlich immer ein sehr emotionales Thema ist.
Warten auf den großen Wurf Viel Zeit bleibt nicht mehr. Der große Wurf muss jetzt gelingen, wenn Deutschland den Anschluss nicht verlieren will. Führende Unternehmen beginnen bereits, sich woandershin zu orientieren. Es gibt genügend Länder und Metropolen, die die Leitmarkt-Rolle sofort mit Handkuss übernehmen würden – heute ja eigentlich schon übernommen haben. Dazu darf es auf Dauer nicht kommen. Sonst werden wir in Deutschland die Rolle als »Leit-Anbieter-Markt« verlieren.
4. Kaufförderung in Höhe von 5000 Euro für private und gewerbliche Käufer von Elektrofahrzeugen (für bis zu 10.000 Fahrzeuge oder mindestens bis Ende 2017) 5. Kaufförderung für Heimladesysteme in Höhe von 50 Prozent der Anschaffungs- und Installationskosten (bis max. 1000 Euro) für bis zu 10.000 Systeme (oder mindestens bis Ende 2017) 6. Verbot aller benzinbetriebenen Zweiräder innerhalb der Stadtgrenzen ab 1.1.2018 7. Prüfung einer Einfahr-Maut für Nicht-E-Fahrzeuge: Vergabe eines fundierten Prüfungsauftrages zur Technik und Umsetzung eines modernen Einfahr-Maut-Systems (für eine mögliche Einführung ab 1.1.2018) als Basis für eine Entscheidung im Jahr 2016 8. Absatz-Monitoring: Etablierung eines detaillierten, öffentlich zugänglichen Monitoring-Systems für den EV-Absatzerfolg innerhalb der Metropolregion (auf Monatsbasis) mit Start spätestens im September 2015
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Umfrage
Es wird noch etwas dauern! So schätzen Allgäuer Händler E-Mobilität ein allgäuALTERNATIV hat sich bei regionalen Händlern umgehört, wie die Akzeptanz für E-Mobile ist und welche Argumente dafür und dagegen sprechen. Außerdem wollten wir wissen, wie die Händler die Situation in Deutschland sehen – im Vergleich zu anderen Ländern Tobias Sirch,
Peter Schneider, Renault-Händler, Sonthofen
Renault-Händler im Allgäu
Warum Deutschland eventuell den Anschluss verpasst: Ich denke das Hauptproblem liegt derzeit noch bei den relativ hohen Anschaffungskosten und der noch zu geringen Reichweite. Meiner Meinung nach hätte es für Deutschland schon längst eine attraktive »Kaufprämie« geben müssen, um die Interessenten zu bestärken – sowohl von »Wollen« als auch vom finanziellen Aspekt her. Leider gibt es in ländlichen Regionen noch kein flächendeckendes Netz von Ladesäulen. Hauptthema bei unseren Kunden ist aber immer noch die Reichweite. Wenn wir uns E-Fahrzeuge bis jetzt ansehen, haben wir im Sommer (moderate Temperaturen) eine Reichweite von 150 bis 200 Kilometern, im Winter bei Minustemperaturen sinkt die Reichweite um etwa die Hälfte. Da fragt uns der Kunde: »Was soll ich mit 70 Kilometern Reichweite anfangen?« In Städten wie beispielsweise Kempten mag das besser funktionieren. Meine persönliche Meinung ist, dass die E-Mobilität mit Sicherheit sehr stark kommen wird, aber es wird noch ein paar Jahre dauern. Rein vom Fahrgefühl fehlt es schon heute an nichts! Eher im Gegenteil.
Fotos: Redaktion, Sirch
Dass die Deutschen im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern nachhängen, liegt zum großen Teil an den deutschen Autoherstellern, die andere Interessen haben. Auch die Presse rückt oftmals die EMobilität nicht in das richtige Licht. Sicherlich würde ein finanzieller Anreiz der Regierung den Absatz von Elektroautos deutlich puschen. Wir bei Sirch bieten fünf verschiedene rein elektrisch betriebene Modelle an und haben daher die Möglichkeit, für unsere Kunden das Passende zu finden. Durch die Reichweiten von mittlerweile bis zu 240 Kilometern und Ladezeiten von unter einer Stunde an einer öffentlichen Ladesäule werden alle Strecken im Kurzstreckenverkehr abgedeckt. Mit einem Anschaffungspreis von aktuell nur 16.500 Euro für einen Renault Zoe mit einer hohen Serienausstattung kann der E-Flitzer auch preislich leicht mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor in der Klasse mithalten. Wenn Interessenten zu uns kommen, fahren sie meistens mit einem E-Fahrzeug nach Hause. Wir vermarkten bereits im fünften Jahr erfolgreich E-Mobile und waren das erste Autohaus weit über das Allgäu hinaus, das für die Reparatur von Elektrofahrzeugen zertifiziert war. Das umfangreiche Fachwissen und die jahrelange Erfahrung sind bei der Beratung ausschlaggebend. Es ist natürlich noch ein gewisser Aufklärungsbedarf bei den herkömmlichen Autofahrern da. Wir haben bereits eine Vielzahl von Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen auf die neue Art der Fortbewegung umgestellt, wenn es so weiterläuft, sehen wir das Ziel bis 2020 als erreichbar.
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E-Mobil
Post kommt per E-Mobil Sechs neue Mobilitätspartner im Allgäu Seit rund einem Jahr läuft die heiße Testphase im Projekt Schaufenster Elektromobilität E-Lieferungen im Allgäu. Das Forscherteam der Hochschule Kempten freut sich nun über sechs weitere regionale Mobilitätspartner aus dem Wirtschafts- und Lieferverkehr, die seit Kurzem acht Elektrofahrzeuge der Hochschule in ihren Einsatzbereichen testen. ie Rückmeldungen unserer Mitarbeiter sind durchaus positiv. Sie waren begeistert, dass wir uns dem Projekt angeschlossen haben«, berichtet Michael Lulei, Leiter der allgäumail GmbH, bei einem internen Austausch an der Hochschule Kempten von seinen ersten Erfahrungen im praktischen Gebrauch. Neben diesem Dienstleister konnte die Hochschule mittlerweile auch den ASB Regionalverband Allgäu e.V., die Bäckerei Reitberger GmbH, die Diakonie Kempten, stadtflitzer Carsharing sowie den Taxidienst Schaber für das Projekt E-Lieferungen im Allgäu gewinnen. Die Elektrofahrzeuge aus dem Bestand der Hochschule Kempten ergänzen oder ersetzen einen Teil der bestehenden Fahrzeugflotten in den Allgäuer Unternehmen und Organisationen. Der Wirtschafts- und Lieferverkehr stellt einen vielversprechenden Einsatzbereich für die Elektromobilität dar. Die Fahrzeuge sind für feste Strecken innerhalb ihrer Reichweite eingeplant und den ganzen Tag über im Einsatz, wodurch die gefahrene Kilometerleistung wesentlich höher ist als im privaten Bereich. Die
Nutzung stellt damit nicht nur einen nachhaltigen Ansatz von Mobilität dar, der von Mitarbeitern und Kunden der Unternehmen geschätzt wird, sie kann für die Firmen auch wirtschaftlich interessant sein.
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Fotos: Hochschule Kempten, Deutsche Post DHL
E-Fahrzeuge vor der Tür der Hochschule in Kempten
Oben: Zusteller mit einem Streetscooter der Deutschen Post DHL und Briefzustellerin mit einem E-Bike.
Verkehrsverbund
Das Allgäu rückt zusammen Einheitliche Tarife im Nahverkehr Zehn regionale Verkehrsunternehmen machen auf Initiative des Oberallgäuer Landrats Anton Klotz und Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle einen wichtigen Schritt zu einem attraktiven öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für das Allgäu. Im Vordergrund stehen dabei einheitliche Tarife, bessere Information und ein flächendeckendes Angebot. m öffentlichen Nahverkehr im Allgäu wurden punktuell in den letzten Jahren recht gute Angebote geschaffen. Derzeit werden pro Jahr rund 21 Millionen Fahrgäste im Oberallgäu, Ostallgäu und den beiden kreisfreien Städten Kaufbeuren und Kempten befördert. Was bisher nicht gelungen ist: Es gibt keine ausreichende Verbindung des öffentlichen Nahverkehrs über die Landkreisgrenzen hinaus. Es fehlen auch eine zentrale Anlaufstelle für den öffentlichen Personennahverkehr und umfassende Fahrgastinformation. Eine einheitliche Tarifstruktur sucht man vergeblich. Es gibt nach wie vor große Potenziale für die Verbesserung im Allgäu und darüber hinaus. Der Bedarf ist da, die »Zielgruppen« warten darauf: Allgäuer Pendler, die über die Landkreisgrenzen hinaus den ÖPNV für den täglichen Arbeitsweg nutzen. Touristen, die mit dem ÖPNV unkompliziert zu attraktiven Zielen im ganzen Allgäu kommen oder ihn für grenzüberschreitende Aktivitäten nutzen. »Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und des regionsübergreifenden ÖPNV-Angebotes ist von zentraler Bedeutung für die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Allgäus«, sagt Allgäu-GmbH-Geschäftsführer Klaus Fischer. Wer in Oberstaufen mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen Besuch der Königsschlösser bei Füssen plant, muss etwa den gleichen Aufwand betreiben wie jemand, der von Paris nach Moskau reisen will. Landrat Klotz aus dem Oberallgäu ist sich sicher: »Die Gründung der Gesellschaft MONA ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem attraktiven Nahverkehrsangebot auf Schiene und Straße. Eine Aufgabe von MONA muss sein, in enger Zusammenarbeit aller Verkehrsunternehmen auf Straße und Schiene eine einheitliche Tarifstruktur zu schaffen. Diese neue Struktur ist die Grundlage für die weitere Harmonisierung bestehender und für die Entwicklung
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Foto: Archiv
Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle und Landrat Toni Klotz enthüllen in Gegenwart von Vertretern der ÖPNV-Unternehmen das neue MONA-Logo
neuer Tarifangebote. Darüber hinaus gilt es, unter Nutzung der modernen Techniken die Fahrgastinformation zu vereinheitlichen und auszubauen.« Seit 2009 beschäftigen sich Experten und Arbeitsgruppen unter Federführung der Allgäu GmbH mit dem Thema »Verkehrskonzept Allgäu«. Ende 2014 war es dann soweit: Auf Initiative des Landkreises Oberallgäu und der Stadt Kempten gründeten die Mitglieder der Verkehrsgemeinschaft Kempten eine neue Organisationsform, die Mobilitätsgesellschaft für den Nahverkehr im Allgäu, kurz MONA GmbH. Gesellschafter sind bisher die Busunternehmen Berchtold, Gromer, Haslach, KVB Kempten (Stadtbus), Morent, Pfahler, RBA, RVA, Schattmeier und Schweighart. Weitere sollen schon bald folgen. Die genannten Unternehmen sind übrigens alle gleichberechtigt in der neuen GmbH, obwohl sie von recht unterschiedlicher Größe und Gesellschaftsform sind. Mit der MONA GmbH ist nun die Basis geschaffen worden, aus der ein Verkehrsverbund im Allgäu entstehen soll. Aufgaben der MONA sind Kooperationen mit allen Verkehrsbetrieben, Landkreisen und Städten im Allgäu, die Bereitstellung einer ganzheitlichen Informationsplattform und Tarifstruktur. Das klar formulierte Ziel: Verbesserung der Mobilität in der Region Allgäu durch Stärkung des regionalen ÖPNV. Beispielgebend könnte die Region Bregenz sein, die schon seit rund 20 Jahren Verbindungen in Vorarlberg vernetzt hat. Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle: »MONA schafft die strukturellen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des ÖPNV in Kempten und im Landkreis Oberallgäu.« Das versteht Kiechle als Nahziel. Mit dem Slogan »MONA – bringt mich weiter« startete die Führung von MONA. Ziel: Sichtbare Ergebnisse und Angebote für die Fahrgäste sowie eine erste Informationskampagne im Allgäu noch in diesem Jahr. Die Geschäftsleitung in der Aufbauphase wird von Martin Haslach (Haslach Bus), Herbert Beck (KVB) und Peter Gerke (Schweighart) übernommen. Als Kontrollinstanz wurde ein Aufsichtsrat eingerichtet, bestehend aus Oberbürgermeister Thomas Kiechle (Vorsitz), Landrat Anton Klotz, Helmut Berchtold (stellv. Vorsitz), Hans Haslach und Klaus Wittmann.
Energieeffizienz
Netzwerke vor Ort gewinnen Kommunen im Alpenraum auf die Auswirkungen vorzubereiten und zugleich die Effekte mit einer nachhaltigen Energieplanung abzuschwächen, so lautete das Ziel des europäischen Projektes »SEAP_Alps« (Substainable Energy Action Plans). Mit einer Abschlusskonferenz im bayerischen Umweltministerium endete jetzt die dreijährige Projektphase. Dabei wurden auch 15 der insgesamt 60 Pilotkommunen – darunter Kempten, Sonthofen, Wertach und Wiggensbach – für ihr Engagement ausgezeichnet.
Foto: Bayerisches Umweltministerium
Allgäuer Kommunen wurden ausgezeichnet
Im Rahmen der SEAP_Alps-Abschlusskonferenz unterzeichnete Kemptens Klimaschutzmanager Thomas Weiß unter den Augen von Ministerialdirigentin Dr. Monika Kratzer (rechts) und Chrysoula Argyriou von der Generaldirektion Energie der Europäischen Union den »Konvent der Bürgermeister für lokale und nachhaltige Energie«
uch im Allgäu macht sich der Klimawandel immer stärker bemerkbar. Wertach und Kempten nahmen zudem die Konferenz zum Anlass, dem »Konvent der Bürgermeister für lokale und nachhaltige Energie« beizutreten und verpflichten sich damit freiwillig zur Steigerung der Energieeffizienz und Nutzung nachhaltiger Energiequellen. Selbst auferlegtes Ziel der Unterzeichner des Konvents ist es, die energiepolitischen Vorgaben der Europäischen Union – Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 – noch zu übertreffen. Helfen sollen dabei Energiekonzepte und Aktionspläne, die mithilfe örtlicher Energieteams erarbeitet und umgesetzt werden. Ein gelungenes Beispiel dafür sei Wertach, so Dr. Hans-Jörg Barth vom Energieund Umweltzentrum Allgäu (eza!), der Wertach im SEAP_Alps-Projekt begleitete. Unter anderem versorgen zwei neue Heiznetze, die mit Pellets betrieben werden, rund 80 Häuser, darunter alle kommunalen Gebäude, CO2-neutral mit Wärme. Im Rahmen des kommunalen Energiemanagements wurde die Anlagetechnik in den gemeindeeigenen Liegenschaften op-
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timiert. »Uns ist es gelungen, den CO2-Ausstoß um 1200 Tonnen zu senken«, stellt Bürgermeister Eberhard Jehle fest. Ob Vertreter aus der Verwaltung, von Unternehmen, der Land- und Forstwirtschaft und den Vereinen oder lokale Experten – es ist enorm wichtig, die Akteure vor Ort in die Klimaschutzaktivitäten einzubeziehen, lautete eine der Erkenntnisse, die Barth aus dem SEAP_Alps-Projekt gezogen hat. Und: Beim Thema Anpassung an den Klimawandel bestünden große Informationsdefizite. Barth nennt das Beispiel Hochwasserschutz: »Oft fehlt das Verständnis dafür, dass nicht im Überflutungsbereich eines 100-jährigen Hochwassers gebaut werden soll. Das Problem ist abstrakt, da das mögliche Schadensereignis in der Zukunft liegt.« Länderübergreifende Erfahrungen zu sammeln und weiterzugeben, war eines der Ziele des SEAP_ Alps-Projektes, das vom European Regional Development Fund im Rahmen des Alpine-Space-Programms der EU gefördert wurde. Tatsächlich lasse sich vieles übertragen, hat Barth festgestellt. »Es muss ja nicht jeder das Rad neu erfinden.«
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Energie
Energieaudit wird Pflicht Aufgabe für größere Unternehmen Foto oben: In vielen Betrieben schlummern große Einsparpotenziale, die beim Energieaudit offengelegt werden – auch im Bereich Heizungstechnik
m März hatte der Bundesrat den Gesetzentwurf zur Einführung der Energieaudit-Pflicht für größere Unternehmen gebilligt. Ziel ist es, Einsparpotenziale in den Unternehmen festzustellen und zu nutzen. Mit den neuen Vorgaben setzt Deutschland einen Teil der EU-Energieeffizienzrichtlinien um. Die Unternehmen
sollen auf diese Weise einen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen und damit zur Erfüllung der europäischen Klimaschutzziele leisten. Bis 2020 soll nämlich die Energieeffizienz um 20 Prozent gesteigert werden. Obwohl also das Gesetz schon vor ein paar Monaten verabschiedet worden ist, hat so mancher Un-
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Fotos: eza!
Die Erfassung der Energieverbräuche ist der erste Schritt bei der Durchführung des Energieaudits, das ab jetzt für größere Unternehmen Pflicht ist
Größere Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern und mitunter auch Kommunalunternehmen müssen bis 5. Dezember 2015 ein Energieaudit durchgeführt haben. Viele der von der Neuerung betroffenen Firmen wissen von der Verpflichtung noch gar nichts, so die Einschätzung des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (eza!). Neben der Aufklärungsarbeit leistet eza! Hilfe bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben.
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ternehmer noch gar nicht mitbekommen, dass ihn die Energieaudit-Pflicht betrifft. Unter die Pflicht fallen alle Unternehmen – egal, ob aus dem produzierenden Gewerbe, dem Handel oder Dienstleistungssektor – mit mehr als 250 Mitarbeitern, einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von über 43 Millionen Euro. Auch Kommunalunternehmen mit einer Beteiligung von Körperschaften des öffentlichen Rechts von mehr als 25 Prozent müssen künftig alle vier Jahr ein Energieaudit durchführen. Weil die Firmenkonstrukte und Verflechtungen mit Tochterunternehmen und Beteiligungen bisweilen kompliziert sind, empfiehlt Felix Geyer von eza!, als erstes mithilfe des Steuerberaters abzuklären, ob die Energieaudit-Pflicht überhaupt besteht. »Falls ja, ist das alles halb so wild«, beschwichtigt der Leiter des Bereiches Energiemanagement bei eza! Zuerst werde eine Energiedatenanalyse erstellt. Wie groß ist der Energieverbrauch, welche Energieträger werden eingesetzt, gibt es Bedarfsspitzen? So lauten dabei die Fragen. Im nächsten Schritt gilt es dann, Verbesserungsmöglichkeiten herauszuarbeiten und diese auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu bewerten. Das Energie- und Umweltzentrum Allgäu führt auf Wunsch das Energieaudit durch und verfügt über reichlich Erfahrung auf diesem Gebiet. Denn schon vor der Einführung des neuen Gesetzes hatten sich zahlreiche Firmen für ein Energieaudit entschieden – aus Eigeninteresse. Weil das Energieaudit Voraussetzung für die Befreiung von der EEG-Umlage für Betriebe aus energieintensiven Branchen war oder Steuerrückerstattungen – Stichwort »Spitzenausgleich« – versprach. Aber auch, fügt Geyer hinzu, weil die Firmen erkannt haben, dass das Auditverfahren interessante Einsparungsmöglichkeiten zutage fördert. »Besonders in den Bereichen Beleuchtung, Druckluft, Lüftung, Klimatisierung und Motoren schlummern häufig große Effizienzpotenziale«, haben Geyer und seine Kollegen bei ihrer täglichen Arbeit festgestellt. Alternativ zur Auditierung leistet eza! Hilfe zur Selbsthilfe. Um die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, können Firmen nämlich auch mit Unterstützung von eza!-Experten den kostenlosen und bewährten Online-Leitfaden »mod.EEM« nutzen. Die Abkürzung »mod.EEM« steht für »modulares Energie-Effizienz-Modell« und führt die Unternehmen mit Checklisten, Tabellenvorlagen und umfassenden Informationen zum Thema Energieeffizienz durch das Audit oder sogar zum Energiemanagementsystem. Egal, für welchen Weg sich ein Unternehmen entscheide, Energiesparen lohne sich auf jeden Fall, betont Geyer. »Mit einem Energieaudit oder Energiemanagementsystem«, so der eza!-Fachmann, »haben Unternehmen den Energieverbrauch und damit auch die Energiekosten dauerhaft im Griff und können sich damit sorgenfreier um ihr Kerngeschäft kümmern.«
Kurzinfo Weitere Infos bietet eza! unter Telefon 0831/960286-50 oder www.eza.eu
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Photovoltaik
Eine Frau greift an Geballte Kompetenz in Sachen PV Sylvia Höhentinger führt im oberbayerischen Raubling eine vom Beratungsunternehmen Optimale Qualitätsmanagement Systeme (OQS), Frankfurt/Main, geprüfte und von der Deutschen LandwirtschaftsGesellschaft (DLG), Frankfurt/Main, zertifizierte Reinigungsfirma für Photovoltaik-(PV)-Anlagen. Die gelernte Thermografin ist darüber hinaus vom TÜV zertifizierte PV-Gutachterin und lässt Installationsfehlern, Hot-Spots, Moosen und Flechten keine Chance.
eit vier Jahren ist Sylvia Höhentinger (Foto links) in der Solarbranche tätig. Sie blickt zurück auf 30.000 kW gereinigte PV-Fläche, mehr als 700 thermografierte Anlagen und eine Weiterbildung zur Gutachterin, die sie im November 2014 beim TÜV Rheinland erfolgreich abgeschlossen hat. Dabei hat sie die Weiterbildung eigentlich nur gemacht, um ihr Profil abzurunden. Als Schwerpunkte ihrer Arbeit nennt sie nach wie vor die Reinigung von PV-Anlagen sowie – zunehmend – die professionelle Thermografie solcher Anlagen zur Fehleranalyse. Nicht selten wird nämlich der Anruf eines Anlagenbetreibers beim Reinigungsbetrieb durch einen Leistungsabfall des PV-Generators ausgelöst. »In diesen Fällen hilft mir der Gutachter sehr«, erzählt sie. »Meistens ist es gar nicht der Schmutz auf der Anlage, der den Leistungsabfall verursacht, sondern ein Fehler in der Anlage.« Die Herausforderung besteht in solchen Fällen darin, das gesamte PV-System zu erfassen und beim Besuchstermin zu beurteilen: Welche Leistungseinbußen kommen von der Verschmutzung, welche sind auf Komponenten oder Installationsfehler zurückzuführen? »Maximal 15 Prozent Leistungsverlust können normalerweise einer Verschmutzung zugeschrieben werden«, so die Erfahrung von Sylvia Höhentinger. »Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, aber bei einer Minderleistung von über 20 Prozent kann man davon ausgehen, dass der Fehler in der Anlage selbst zu finden ist.« In solchen Fällen steht die Reinigung der Anlage an erster Stelle. »Es macht keinen Sinn, eine Anlage zu thermografieren, deren Leistung durch starke Verschmutzung reduziert wird«, erklärt sie. »Der Dreck muss als erstes runter und der Generator wieder die Möglichkeit haben, das volle Sonnenlicht aufzunehmen und in Strom umzuwandeln.« Erst dann folgen die Thermografie und die weitere Prüfung der gesamten Anlage.
Fotos: Solarreinigung Höhentinger
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Professionell: Ein festes Team aus freien Mitarbeitern übernimmt das Reinigen der PV-Anlagen. Der Unterschied ist deutlich sichtbar
Know-how aus Erfahrung Nach über 700 Thermografien kann sich die Expertin anhand der Thermografie-Aufnahmen schnell einen Überblick über die Leistung der Module und Strings verschaffen. Ist das geklärt, überprüft sie Kabel und Wechselrichter. Bringt die Anlage nach Reinigung und Prüfung der Komponenten nicht die zu erwartende Leistung, holt Sylvia Höhentinger, wenn möglich, den Installateur der Anlage dazu. Allein auf eine Kennlinienmessung will sie sich nicht verlassen, denn »damit bleiben die Module als Einzelkomponenten außen vor, und ich habe nur ein Ergebnis für die Strings«. Um eine ordentliche Aussage über die Leistung der Module treffen zu können, braucht sie eine Thermografie. Immer wieder trifft die Gutachterin auf Anlagenbetreiber, die überzeugt sind, PV-Anlagen seien völlig ohne Wartung und Pflege zu betreiben. Das bringt die bodenständige Oberbayerin dann regelmäßig zum verständnislosen Kopfschütteln: »Bei PV handelt es sich um elektrische Anlagen, die meist auf dem Dach installiert sind; unten im Gebäude werden elektrische Geräte mindestens einmal im Jahr geprüft, gereinigt und gewartet – auf dem Dach soll dann alles anders sein und die elektrische Anlage 20 Jahre wartungsfrei laufen?« Aber Sylvia Höhentinger ist hartnäckig und erklärt ihr Business überzeugend. In den vier Jahren, in denen sie ihr PV-Reinigungsgeschäft betreibt, hat sie bereits viele Stammkunden gewonnen.
spiel, dass eine Garantielaufzeit auch ausgesetzt werden kann.« Bei der PV-Reinigung arbeitet Sylvia Höhentinger mit einem festen Team aus freien Mitarbeitern. Die Beratung der Kunden übernimmt sie aber ausschließlich allein. »Die kann ich nicht delegieren, die Kunden wollen mich als Ansprechpartner und ihre Probleme mit mir besprechen. Auch bei der Reinigung bin ich meist wenigstens kurz dabei, weil das meine Kunden so wollen.« Ihre Kunden sind vor allem Gewerbebetriebe und landwirtschaftliche Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihr Geschäft hat sich gut entwickelt in den vergangenen Jahren.
Vermitteln statt streiten
Im Dreiklang gefragt
Als Reinigungsunternehmerin gerufen, entdeckt Sylvia Höhentinger bei Anlagen gelegentlich recht offensichtliche Installationsmängel. Die Anlagenbetreiber wollen sie dann gerne in ihrer Eigenschaft als Gutachterin zu einer Stellungnahme bewegen. Damit ist sie sehr zurückhaltend, denn die gutachterliche Arbeit ist nicht ihr Schwerpunkt, sondern Ergänzung. Sie setzt ganz auf Kommunikation und Vermittlung statt auf Konfrontation. »Rechtsstreitigkeiten sind langwierig, teuer und nervenaufreibend«, weiß sie und bietet sich im Falle von Installationsmängeln als Mediator zwischen Installateur und Anlagenbetreiber an mit dem Ziel, die Parteien zum Gespräch zusammenzuführen und eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Auf die Frage, wie sie ihre Arbeit als Vermittler zwischen Installateur und Anlagenbetreiber angeht, erklärt sie: »Mein Auftraggeber ist immer der Anlagenbetreiber, seine Rechte und Interessen vertrete ich.« Manchmal existiert der Installationsbetrieb ja auch gar nicht mehr. Die Expertin sieht ihre Aufgabe in erster Linie darin, ihre Auftraggeber in allen Bereichen und Möglichkeiten der Instandsetzung bis zu Details bei Komponenten und Leistungsgarantien für Module zu beraten. »Die wenigsten Betreiber wissen zum Bei-
Bei immer mehr Anlagen aus der Boomzeit der Photovoltaik zeigen sich mittlerweile Installationsfehler in Form von Leistungsverlusten. Da ist Sylvia Höhentinger im Dreiklang als Gutachterin, Reinigungsexpertin und Thermografin gefragt. »Dass Photovoltaikanlagen nicht gereinigt und gewartet werden müssen, hat sich inzwischen zunehmend als Fehleinschätzung herausgestellt«, so die Erfahrung der Expertin. Insbesondere hält sie es für »kompletten Blödsinn, dass Schmutz von Modulen durch Schnee, Regen und einen hohen Selbstreinigungseffekt einfach abrutscht«, denn: »Bei einem Auto ist auch jedem klar, dass es gewaschen werden muss, wenn der Schmutz runter soll.« Nach ihrer Erfahrung verschmutzen alle Oberflächen irgendwann in irgendeiner Form. Manche weniger, andere mehr – »aber in jedem Fall hilft nur noch reinigen«. Sylvia Höhentinger weiß, wovon sie spricht: Vor ihrem Sprung in die Selbstständigkeit mit der Reinigung und Wartung von Photovoltaikanlagen war sie im professionellen Reinigungsgeschäft tätig. »Wer fünf Jahre seine Anlage nicht reinigt und Bewuchs auf den Modulen hat, der hat zu lange gewartet«, sagt sie und empfiehlt: »Solche Anlagen sollten mindestens alle zwei Jahre gereinigt werden.« mgo
Gibt Sicherheit: das Prüfsiegel von OQS
Nähere Info und Kontakt Solarreinigung Höhentinger GbR Grünthalstraße 21 83064 Raubling Tel. +49 (0)8035 9684290 Fax +49 (0)8035 9684292 anfrage@solar-reinigung.info www.solar-reinigung.info
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Energiesparen Advertorial
Neuschwanstein setzt auf innovative solare Straßenbeleuchtung Vierzig solare Designleuchten des Herstellers Photinus beleuchten seit Jahresbeginn die von Besuchern stark frequentierte Schlossauffahrt. Neuschwanstein gehört zu den meistbesuchten Schlössern und Burgen Europas. Jährlich besuchen rund 1,5 Millionen Menschen »die Burg vomMärchenkönig Ludwig II«. Im Sommer werden im Durchschnitt täglich mehr als 6000 Besucher durch die Räume des Schlosses geführt. Zur Beleuchtung und Wegesicherung der Schlossauffahrt bei Nacht wurden im Winter 2014/2015 insgesamt vierzig Solarleuchten aufgestellt.
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usführendes Unternehmen war die in Buchenberg bei Kempten ansässige Olaf Hoyer GmbH. Der im Allgäu und über dessen Grenzen hinaus bekannte Regionalpartner für Schraubfundamente sowie Dienstleister für Spreng-, Betonbohrund -sägearbeiten ist seit 2011 Kompetenzpartner für die Solarlampen des österreichischen Herstellers Photinus. Die Olaf Hoyer GmbH setzte sich in einer Ausschreibung des Staatlichen Bauamtes Kempten mit der Solarleuchte Photinus merkur300 gegen den Wettbewerb anderer Anbieter solarer Straßen- und Wegebeleuchtung durch. Innovation, gepaart mit zurückhaltendem, aber dennoch sehr ansprechendem Design und bester Lichtqualität: Das gewonnene Projekt bestätigt, dass moderne Technik und Denkmalschutz zusammenpassen. Insgesamt wurden vierzig netzunabhängige Solarlampen zwischen Ticket-Center Hohenschwangau und Schloss Neuschwanstein entlang der 1,5 km langen Schlossauffahrt aufgestellt.
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Fotos: Franca Hoyer, Olaf Hoyer
Die Mitarbeiter der Buchenberger Firma Hoyer bei der Montage der Solarleuchten
Linke Seite: Moderne Lichtgestaltung direkt vor dem Schloss Neuschwanstein und an der Auffahrt zum Schloss: die Solarleuchte Photinus merkur300
Die Solarleuchte merkur300 überzeugte den Auftraggeber durch das für eine Straßenlampe auf Solarbasis außergewöhnliche und moderne Design. Durch den kubischen Aluminium-Aufbau mit 16 PhotinusHigh-Performance-Photovoltaik-Modulen wird gezielt, besonders in Schlechtwetterregionen mit Schnee und Nebel, auch über den diffusen Lichtanteil ausreichend Energie erzeugt. Die senkrecht angeordneten Module verhindern zudem Schneeablagerungen im Winter, was gerade bei der im alpinen Bereich gelegenen Neuschwansteinstraße von größter Bedeutung ist. Das intelligente Lichtmanagement der Solarleuchte gewährleistet auch bei Schlechtwetter-Perioden eine sichere Beleuchtung über mehrere Nächte hinweg. Die im Mastfuß frostsicher integrierte Batterie wird am Tag über die Photovoltaikmodule geladen. Mit Beginn der Dämmerung wird diese Sonnenenergie dann zum effizienten Betrieb des LED-Lichtkopfes genutzt. Die Fundamentierung der Solarleuchten erfolgte mit den umweltfreundlichen KRINNER-Schraubfun-
damenten, die von der Olaf Hoyer GmbH als KRINNER-Regionalpartner ebenfalls seit 2007 vertrieben und montiert werden. Diese umweltfreundliche, minimalinvasive Fundamentierung wurde vom Bauherrn ausdrücklich gewünscht, damit die Leuchten entlang der Schlossauffahrt zum Beispiel bei Baumfällarbeiten einfach demontiert beziehungsweise bei Bedarf auch problemlos versetzt werden können. Mit den Leuchten hat sich die Bayerische Schlösserverwaltung für ein mehrfach erprobtes und kostensparendes System zur Beleuchtung von Wegen, Parkplätzen und öffentlichen Anlagen entschieden. Das autarke solare LED-Licht ist eine Antwort im Zeitalter der Energiewende und vereint eine große Anzahl von Vorteilen wie beispielsweise freie und kostenlose Energie, flexible Verfügbarkeit ohne Stromnetzanschluss, ökonomischer Betrieb, insektenneutrales Licht, intelligente Lichtsteuerung sowie null CO2-Ausstoß. Moderne Technik und Denkmalschutz: Das Projekt wird über die Grenzen hinweg Zeichen setzen. Sylvia Novak
Die mit Solarleuchten belichtete Schlossauffahrt bei Nacht
Kontakt OLAF HOYER GmbH Ludwig-Geiger-Straße 24 D-87474 Buchenberg Tel. 08378 9402-11 E-Mail: info@olafhoyer.de www.olafhoyer.de
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Meldungen Memminger Sonnenforscher sind ausgerüstet Wie kann die Sonne einen Propeller antreiben? Dieser und anderen Fragen rund um das Zukunftsthema Energie können die Kinder der
Kindertagesstätte Westermannstraße nun selbst nachgehen. Josef Nersinger, Kommunalbetreuer der Stadt Memmingen von der Lech-
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Foto: Birk/Pressestelle Stadt Memmingen
Mehr Infos zur LEWBildungsinitiative »3malE – Bildung mit Energie« gibt es unter www.lew-3malE.de
Dilara, Jennifer und Melissa öffnen ein Entdecker-Paket und machen sich mit dem Inhalt vertraut
werke AG (LEW), übergab fünf Solar-Experimentiersets an die Kindergartenleiterin Andrea Walzer. Die Pakete enthalten unter anderem Lampen- und Solar-Module sowie Holzstäbe mit integrierten Solarmotoren. So können die jungen Forscher sicher experimentieren und spielerisch die Zusammenhänge zwischen Sonne und Strom verstehen. Das Entdecker-Programm ist ein Angebot der LEW-Bildungsinitiative »3malE – Bildung mit Energie« und gilt für alle Vorschuleinrichtungen im Netzgebiet der LEW. Es soll die Jüngsten auf unterhaltsame Weise für das Zukunftsthema Energie begeistern. Gleichzeitig wendet sich das Programm an Erzieher: Die enthaltenen Fortbildungspakete bieten Anregungen zur kindgerechten Vermittlung von Energiethemen. ve
Neues AÜW-Kundencenter in Kempten Das Allgäuer Überlandwerk hat einen neuen Draht zu seinen Kunden: Im Frühjahr eröffnete ein Kundencenter am Kemptener Rathausplatz.
Durch den Standort mitten in der Stadt ist es für Interessierte gut zu erreichen. Alle Dienstleistungen aus der Palette des AÜW werden hier
angeboten, ob es nun um Fragen zur aktuellen Stromrechnung geht, um neue Stromprodukte oder um eine kostenfreie Energieberatung. ve
Neues AÜW-Kundencenter am Rathausplatz in Kempten
Das neue AÜW-Kundencenter am Rathausplatz Nr. 14 in Kempten ist montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr geöffnet: www.auew.de
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Foto: AÜW
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Meldungen Ein Buch, das »elektrisiert« Der Kampf um die letzten noch unerschlossenen Ölreserven hat begonnen. In aller Härte. Ohne Rücksicht auf Mensch und Natur. Eric Brinneau, Experte der International Energy Agency für die Reduzierung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr, erhält einen heiklen Auftrag von seinem Chef: Er soll ein Geheimtreffen mit der deutschen Kanzlerin vorbereiten. Unwetter in Deutschland und eine schleppende Energiewende zwingen sie zum Handeln. Der Klimawandel muss aufgehalten werden. Eric und sein Team sollen eine Lösung entwickeln. Eine Aufgabe, die nicht nur sein Leben verändern wird. Da kristallisiert sich überraschend ein
Ausweg heraus. Doch mächtige Gegner aus Industrie und Politik schrecken vor nichts zurück. Zu hoch sind die Einsätze. Vier Haupthandlungsstränge führen durch diesen Roman – bis zum ersten Höhepunkt: dem Geheimtreffen mit der deutschen Kanzlerin in Paris. Über 600 Seiten umfasst die packende Geschichte. Dieses Buch wurde von den Autoren Michael und Nancy Valentine-Urbschat frei erfunden. Allerdings vor einem sehr realen Hintergrund. Denn der Klimawandel, die Energiezukunft und die Mobilität sind für sie keine Fremdworte. Über das Buch schreiben sie selbst: »Mit unserem DebutRoman ‚Elektrisiert‘ hoffen wir, zur
Diskussion und Lösung dieses Themas beitragen zu können, indem wir einer breiteren Leserschaft die prekäre Ausgangssituation, die sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Zwänge der beteiligten Spieler, aber auch mögliche Lösungsansätze vor Augen führen. Das alles haben wir versucht, in eine möglichst spannende Geschichte zu packen – wir wollen Sie als interessierten Leser ja auf keinen Fall verlieren auf diesem etwas umfangreicheren Exkurs.« Michael Valentine-Urbschat, MitAutor dieses Buches, hat den Fachbeitrag »Leitmarkt oder Schlusslicht« über die Entwicklung des deutschen E-Mobil-Marktes auf Seite 20 geschrieben.
Info geb. Ausgabe, 608 Seiten, Euro 28,95 (Teil 1 als ebook zu Euro 1,99), über: www.valentine-urbschat.com
Die Zertifizierungsstelle des Deutschen Instituts für Nachhaltigkeit und Ökonomie vergab an das Kinderhotel Oberjoch bei Bad Hindelang – und somit erstmals an ein Kinderhotel in Europa – das internationale Prüfsiegel für »gesicherte Nachhaltigkeit«. Damit bescheinigte das Institut dem Hotel eine umfassende Nachhaltigkeitsprüfung in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Sozialkompetenz. Ein Expertenteam nahm die Bereiche Produkt-, Service- und Bera-
tungsqualität unter die Lupe. Ferner bewertete das Institut positiv die wirtschaftliche Zukunftsausrichtung, das Hotel-Management sowie die ökologische und soziale Verantwortung. Dass das Kinderhotel Oberjoch für seine Nachhaltigkeit ausgezeichnet wurde, sei ein großartiger Erfolg, gratuliert Bad Hindelangs Bürgermeister Adalbert Martin: So gingen das Ökomodell Hindelang und das Konzept des dort größten Hotels Hand in Hand. ve
Foto: Kinderhotel Oberjoch
Erstes nachhaltiges Kinderhotel
Erfolgreicher Saisonstart für das Kinderhotel Oberjoch: Neben dem Nachhaltigkeits-Siegel verzeichneten die Betreiber noch einen neuen Übernachtungsrekord von 51.000 Besuchern zwischen Weihnachten und Ostern
Dickes Lob für den Landkreis Oberallgäu Rainer Feldmann verfügt über reichlich Erfahrung – als Referent, aber auch als Sachverständiger für Gebäudeeffizienz im Auftrag der KfW-Bankengruppe. Umso mehr war der deutschlandweit bekannte Experte überrascht von den sehr guten Vorkenntnissen der Teilnehmer am eza!-Fachseminar »Expertenwissen für KfW-Sachverständi-
ge«. Man habe sofort gemerkt, »dass die Teilnehmer voll im Geschäft stecken«. Am 30. September wird das Seminar mit Rainer Feldmann nochmals angeboten. Es sind noch Plätze frei. Ein dickes Lob gab es von Feldmann auch für den Landkreis Oberallgäu, der Hausbesitzer bei der energetischen Gebäudesanierung mit bis zu
4000 Euro für die Baubegleitung unterstützt – zusätzlich zur KfW-Förderung. »Ich bin schwer beeindruckt«, so Feldmann. »Ein besseres Angebot kann man einem Bauherrn nicht machen.« Was für potenzielle Kunden von Planern, Architekten und Handwerksfirmen interessant sein dürfte: Es ist noch Geld im Landkreis-Fördertopf für 2015.
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Meldungen Klimafreundlicher Bergsport mit dem DAV Info www.alpenverein.de/NaturUmwelt/Mobilitaet
Ein neues Projekt möchte Bergsportlerinnen und Bergsportlern helfen, ihre Touren klimafreundlich zu gestalten. Der Alpenverein bietet dafür im Internet einen neuen Bereich »Klimafreundlicher Bergsport« an, in dem Tipps und Infos zu klimaneutralen Aktivitäten in den Bergen zusammengestellt sind. Dort finden sich bereits zahlreiche Touren, die gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind.
Dieses Angebot wird stetig erweitert, um der gestiegenen Nachfrage Rechnung zu tragen. Im Rahmen des Projektes möchte der DAV einen Denkanstoß für alternative Anreisemöglichkeiten geben. Außerdem wird in Kürze eine interaktive Karte lokale, regionale und internationale Bus- und Bahnfahrpläne im Alpenraum zusammenfassen. Dieser Service soll die Aktiven bei der Suche nach günstigen Angeboten
für die öffentlichen Verkehrsmittel unterstützen. Das Projekt, das diese und viele weitere Maßnahmen auf den Weg bringt, wurde Ende 2013 ins Leben gerufen. Das dreijährige Projekt zielt darauf ab, Sensibilität für das Thema zu schaffen und den CO2Fußabdruck der Bergsportlerinnen und Bergsportler und des DAV durch wirkungsvolle Maßnahmen zu verkleinern.
Foto: Stadt Kempten
Kempten und Oberallgäu: Öko-Modellregion Die Stadt Kempten und der Landkreis Oberallgäu sind »Staatlich anerkannte Öko-Modellregion«. Im Vorjahr hatte die Region sich beim gleichnamigen Wettbewerb des bayerischen Landwirtschaftsministeriums beworben. Nun erhielten Oberbürgermeister Thomas Kiechle und Landrat Anton Klotz aus den Händen des bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner die Auszeichnungsurkunde. Die Stadt Kempten
und der Landkreis Oberallgäu sind somit die erste »Öko-Modellregion«. Als solche haben sich beide dazu verpflichtet, den Ökolandbau in der Region zu fördern. Für Stadt und Landkreis stehen dabei vor allem der Ausbau der lokalen Logistikketten, die Erschließung weiterer Absatzmärkte für regional erzeugte Biolebensmittel sowie die damit verbundene Bewusstseinsbildung im Vordergrund. Um diese Ziele zu erreichen, fördert das bayerische Landwirtschaftsministerium die Stelle eines Projektmanagers für die »Öko-Modellregion« Kempten-Oberallgäu. ve
Die Offiziellen bei der Auszeichnung zur Okö-Modellregion
Info Das Wissensmagazin wird an Haushalte in Liechtenstein, Buchs und Vorarlberg verteilt. Eine elektronische Version steht unter www.uni.li/publikationen als PDF und im ISSUU Blättermodus zum Download zur Verfügung.
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Seit Mai ist die zweite Ausgabe des Wissensmagazins »Denkraum« für die Region Alpenrheintal-Bodensee erhältlich. Die Zeitschrift informiert verständlich über Forschung und Innovationsimpulse der Universität Liechtenstein für Wirtschaft und Gesellschaft. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Thema »Wert schaffen«: Welchen Beitrag können Unternehmer zur gemeinsamen Wertschöpfung in Ge-
sellschaft und Wirtschaft leisten? Wie wirken sich Unternehmenswerte auf die Wertschöpfung aus? Welche Chancen hat die Region im Wettbewerb um Nachwuchstalente gegenüber Metropolen? Diesen und weiteren Fragen widmet sich das Wissenschaftsmagazin, das auch als Inspiration für andere Regionen dienen kann. ve Das Cover der neuen Ausgabe von »Denkraum«
Foto: Universität Liechtenstein
Schmökern im Denkraum
Meldungen Förderprogramm für Hausbesitzer Jetzt heißt es schnell sein: Bayern unterstützt seine Bürger bei energetischen Maßnahmen im Gebäude mit dem 10.000-Häuser-Programm. Ab dem 15. September gibt es zusätzliche Förderung von insgesamt 90 Millionen Euro für private Hausbesitzer, die entweder Sanierungen ihrer Immobilie vornehmen oder in die Jahre gekommene Heizungen austauschen.
Zielgruppe sind Eigentümer und Bauherren selbstgenutzter Ein- und Zweifamilienhäuser. Die Förderung beträgt 1000 bis 18.000 Euro. Der sogenante »EnergieBonusBayern« ist kombinierbar mit den Programmen des Bundes (KfW/BAFA). Die Laufzeit des Programmes ist bis 2018 geplant. Allerdings heißt es für Eigenheimbesitzer trotzdem schnell handeln.
Denn die Zuschüsse des Freistaates werden nach dem Windhund-Prinzip vergeben. Das heißt, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Berichten verschiedener Fachleute zufolge ist die Beantragung der Zuschüsse leichter, wenn ein Energieberater hinzugezogen wird. Vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!) wird diese Beratung bereits angeboten.
Info www.energiebonus.bayern www.energieatlas.bayern.de/ buerger/10000_haeuser_pro gramm.html
Besucher »stromern« nach München auf der Messe einem internationalen Fachpublikum präsentieren. ve Die eCarTec Munich ist die weltweit größte Geschäftsmesse im Bereich Elektro- und Hybrid-Mobilität
Info eCarTec Munich, Termin: 20. bis 22. Oktober; Bewerbungsschluss eCarTec Award 2015: 31. Juli Die Anmeldeunterlagen stehen unter www.ecartec.com zum Download bereit.
Foto: eCarTec Munich 2015
Das Thema Elektromobilität gewinnt in Tourismus-Regionen an Bedeutung. Auf der Sonderschau »Elektromobilität in der Hotel- und Touristikbranche« zeigt die eCarTec Munich 2015 deshalb innovative Mobilitätskonzepte speziell für das Gästegewerbe. Auch wird der eCarTec Award 2015 verliehen: Entwicklungen und nachhaltige Konzepte im Bereich Elektro- und Hybrid-Mobilität können bis Juli eingereicht werden. Der »eCarTec Award Winner« wird sein Produkt
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Meldungen Allgäuer Energieberatung über erste Grenze hinweg
Efficiency Consulting GmbH, Albertgasse 35, A-1080 Vienna, Tel. +43 (0)660/6582649, E-Mail: prem@efficiencyconsulting.at Energy Consulting Allgäu GmbH, Heisinger Straße 12, 87437 Kempten/Allgäu, Tel. +49 (0)831/5758-121, Fax: +49 (0)831/5758-124, www.energy-consultingallgaeu.de
Seit einigen Monaten wird die innovative Energieeffizienzberatung Marke »Energy Consulting Allgäu«auch in Österreich angeboten. In Wien gründeten Richard Prem und Matthias Voigtmann, Geschäftsführer der Energy Consulting Allgäu GmbH, die Efficiency Consulting GmbH. Deren Schwerpunkte sind wie im Allgäu die Unterneh-
mensberatung und Unterstützung bei der Einführung von Energie- und Materialeffizienzsystemen für Firmen. Auch Energieaudits und Schulungen werden angeboten. Die Partnerfirmen Energy Consulting Allgäu mit Sitz in Kempten und Efficiency Consulting in Wien arbeiten eng zusammen und unterstützen sich gegenseitig mit ihren Experten. ve
Fotos: privat
Info
Richard Prem und Matthias Voigtmann sind Geschäftsführer der Efficiency Consulting GmbH in Wien
Ausstellung: Schule und Energie Foto: allgäuALTERNATIV
Die Wanderausstellung fasziniert Alt und Jung
Eine Wanderausstellung von Erdgas Schwaben tourt derzeit durch verschiedene Schulen im Allgäu und in Schwaben. In Marktoberdorf, Immenstadt und Füssen war die interaktive Ausstellung bereits. In der Mittelschule in Krumbach wird sie demnächst aufgebaut. Den Ausstellungsgestaltern des heimi-
schen Energieversorgers geht es bei dieser kompakten Präsentation in erster Linie nicht um Eigenwerbung, sondern um Aufklärung über Energie und das Wecken von Schüler-Interessen für Energieproduktion, Energieverwendung und Energiesparen. Die Ausstellung von Erdgas Schwaben zeigt, wie sich die Energieversorgung in Bayerisch Schwaben entwickelt hat: von den Anfängen vor über 100 Jahren bis zu den modernen Technologien der heutigen Zeit. In der Ausstellung erfahren Kinder und Jugendliche, was man mit Erdgas alles machen kann: z.B. heizen, kochen, grillen, Wäsche trocknen und sogar Auto
fahren. Bestandteil der Wanderausstellung »Energie: gestern – heute – morgen« ist ein Quiz. Auf Bildschirmen werden Fragen eingeblendet, die Antworten können per Touchscreen gegeben werden. An jeder Station erfahren die Schülerinnen und Schüler etwas über Energie: Wie haben die Urgroßeltern geheizt? Woher kommt heute unser Erdgas? Woraus werden wir in Zukunft Strom erzeugen? Die nächste Station der Ausstellung ist vom 6. bis 17. Juli die Mittelschule Krumbach, Talstraße 70, 86381 Krumbach. Eröffnungsabend am 7. Juli um 18 Uhr. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 8 bis 13 Uhr.
Staatspreis für Herz & Lang Der Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit wird im Rahmen von klimaaktiv, der Initiative für aktiven Klimaschutz, vom Bundesministerium für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) ausgeschrieben. Bauherren: BIG Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Bundesministerium für Justiz Architektur: ARGE Dieter Mathoi Architekten & DIN A4 Architektur Fachplanung: Energieeffizientes Bauen Herz & Lang GmbH
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Auszeichnung für die Allgäuer Bauplaner der Herz & Lang GmbH: Sie zählen zu den fünf Preisträgern, die Anfang des Jahres in Wien vom Ministerium für ein lebenswertes Österreich den Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit erhalten haben. Das Justizzentrum Korneuburg ist weltweit das erste Gerichtsgebäude mit Vollzugsanstalt, das als Passivhaus geplant und umgesetzt wurde. Es setzt in dieser Größenordnung und Nutzungsart, in Baugestaltung und energetischer Performance nachhaltige Maßstäbe.
Österreichische Gebäude für nachhaltige und qualitätsvolle Bauweise bringen anspruchsvolle Architektur und Umwelt in Einklang. »Das Zusammenspiel von innovativen und energieeffizienten Lösungen sowie höchster architektonischer Qualität leistet einen wichtigen Beitrag für ein lebenswertes Österreich«, sagte Bundesminister Andrä Rupprechter anlässlich der Verleihung. Fünf besonders engagierte Projekte wurden am 13. Januar im ORF RadioKulturhaus ausgezeichnet. »Alle Prämierten stellten unter Be-
weis, dass anspruchsvolle Architektur, ressourcenschonende Bauweise, Energieeffizienz und ein Baustil im Einklang mit Umwelt und Natur keine Widersprüche sind«, unterstrich der Minister. www.klimaaktiv.at/staatspreis.html Dieter Herz freut sich über einen Staatspreis im Nachbarland Österreich
Foto: privat
Info
Meldungen Spannender Energietag zur Festwoche Der Allgäuer Energietag im Rahmen der Allgäuer Festwoche ist inzwischen zu einer festen Einrichtung geworden. Dieses Jahr findet er am Donnerstag, 13. August, im Kornhaus in Kempten statt (ab 10 Uhr). »Pflicht zum Energieaudit – sinnloser Zwang oder nützliche Hilfe?«lautet ein Schwerpunktthema, das von Volkmar Schäfer bestritten wird. Er berichtet aus der Arbeit seines Ingenieurunternehmens mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Energieaudit. In seinem Vortrag bringt er praktische Erfahrungen aus Unternehmen unterschiedlicher Größe ein, vom kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zum namhaften Großunterneh-
men. Ein Erlebnis der besonderen Art verspricht der Auftritt von Martin Buchholz – seines Zeichens deutscher Meister im Science Slam im Jahr 2010. Auch über den Slam hinaus ist er als Redner mit populärwissenschaftlichen Vorträgen aus dem Bereich Energiewandlung und deren Grenzen im gesamten deutschsprachigen Raum tätig. Buchholz vermittelt Wissen(schaft) mitreißend und witzig wie kein Zweiter in Deutschland und regt zum Nachdenken an – allein schon mit der Eingangsfrage seines Beitrags beim Allgäuer Energietag: »Energie – wie verschwendet man etwas, das nicht weniger werden kann?«.
Der gebürtige Bochumer begann 2002 seine Arbeit am Institut für Thermodynamik der TU Braunschweig, an dem er heute noch Vorlesungen in den Fächern Thermodynamik sowie Wärme- und Stoffübertragung hält. 2010 holte sich Buchholz den Deutschen Meistertitel im Science Slam. Die FAZ hat einmal geschrieben: »...in zehn Minuten Entropie erklären, das muss Buchholz erst mal einer nachmachen.« Die Teilnahme am Allgäuer Energietag ist kostenlos. Anmeldungen beim Veranstalter eza! sind erwünscht. Telefon 0831 960286-0, Fax 0831 960286-90, E-Mail: info@eza-allgaeu.de
Für seine Master-Thesis hat der Biberacher Student Christian Kley den ersten Preis der Bälz-Stiftung Berlin erhalten. Kley studierte an der Hochschule Biberach Energieund Gebäudesysteme. In seiner abschließenden Masterarbeit be-
schäftigte er sich mit dem Thema Aktivhäuser: Basis der Masterthesis war ein bereits realisiertes, bewohntes und einem wissenschaftlichen Monitoring unterzogenes Einfamilienhaus, das mithilfe einer Photovoltaikanlage mehr Energie
erzeugt, als es verbraucht. Für das Netto-Energie-Plus-Gebäude testete Kley mit Hilfe eines Gebäudeund Anlagenmodells zwei EnergiePLUS-Konzepte. Ziel ist es, eine hohe Eigenstromnutzung zu erreichen. ve
Foto: HBC
Preis für EnergiePLUS-Masterarbeit
Christian Kley (Mitte) mit dem betreuenden Professor Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff sowie Dr.-Ing. Martin Becker, Mitglied der Jury
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Meldungen Pflanzaktionen im Allgäu
Kempten: Weg der Bäume Mit Begeisterung pflanzten die Schüler der Klasse 3A der KonradAdenauer-Grundschule in Kempten-Lenzfried zusammen mit Bürgermeister Josef Mayr am Weg der Bäume auf der Ludwigshöhe in Kempten einen Feldahorn. Seit 2004 wird am Weg der Bäume auf Initiative der Kemptener Agenda der jeweilige »Baum des Jahres«gepflanzt. Meist wird versucht, den Pflanztag auf den »Tag des Baumes«zu legen, der am 25. April gefeiert wird.
ten und kommunalen Bereich entstehen und so dem Artenschwund und mangelnden Nahrungsangebot für Insekten entgegenwirken. Denn in Wildblumenwiesen herrscht eine große Vielfalt an Pflanzen, Insekten und anderen Tieren. 18 Landkreisgemeinden beteiligen sich heuer an der Aktion sowie 22 Seniorenheime und Kindergärten.
Kempten: Versuchsreihe mit torffreier Blumenerde Die auszubildenden Gärtner an den Beruflichen Schulen Kempten III in Kempten führen einen Pflanzversuch mit der torffreien Blumenund Pflanzerde der Allgäuer Moorallianz durch. Dazu setzten sie die Hälfte der Jungpflanzen in die torffreie Erde, die andere Hälfte in herkömmliche Substrate. Über die Saison hinweg beobachten die Auszubildenden ihre Versuchspflanzen und sammeln Ergebnisse. Diese werden sie im September präsentieren. Unter dem Motto »global denken – regional handeln«hat die Allgäuer Moorallianz die Allgäuer torffreie Blumen- und Pflanzerde gemeinsam mit unterschiedlichen Partnern entwickelt.
Bunte Wildblumen für Memmingen Lindau: »Unser Landkreis blüht auf« In den letzten Jahren sind viele Rasenflächen im Landkreis Lindau zu blühenden Wiesen geworden. Mehr blühende Flächen sollen im priva40
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»Unsere Stadt blüht auf«heißt die Gemeinschaftsaktion der Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim und der Stadt Memmingen, bei der dieses Jahr bereits zum dritten Mal kostenlos Tütchen mit Wildblumensamen verteilt werden: Ob Mohn, Schlüsselblumen, Margeri-
ten oder Schafgarben, es ist immer mit einer kleinen Überraschung verbunden, welche Blumen später im Beet wachsen. Die Sommerblumen-Mischung ist kostenlos in allen Memminger Sparkassen-Filialen erhältlich.
Bad Wörishofen: Tulpenpfad und Blumenweg Lockte im Frühjahr in Bad Wörishofen noch der »Tulpenpfad«alle Duftund Blumenfreunde in die Innenstadt, so sind es nun die Sommerblumen, die Bad Wörishofen verschönern. Der in diesem Jahr eröffnete Blumenweg führt vom LuitpoldLeusser-Platz über die Kathreinerstraße beim Wasserrad in die Kneippstraße, vorbei am Kurhaus und Denkmalplatz sowie der Ludwig-Geromiller-Straße bis zum Ende der Kneippstraße. Er ist einen Kilometer lang und hat 40 Info-Stationen mit entsprechenden Tafeln. In den Sommermonaten bis in den Herbst wachsen in den Beeten Begonien, Fuchsien und Dahlien, daneben Kartoffelblumen und Salbei oder auch exotische Pflanzen wie Palmen, Blumenrohr und Bananenpflanzen. Insgesamt wurden 32.500 Blumen in 130 Arten und Sorten von der Stadtgärtnerei Bad Wörishofen für den neuen Blumenweg gepflanzt. Der Blumenweg Bad Wörishofen blüht bis Mitte Oktober. Dann werden die Blumenzwiebeln gelegt und Herbstpflanzung aufgebracht.
Fotos: Stadt Kempten, Landratsamt Lindau, Julia Mayer/Pressestelle Stadt Memmingen, Kur- und Tourismusbetrieb Bad Wörishofen
Immer mehr Städte und Gemeinden bemühen sich um eine »Verblümung«von freien Rasenflächen. Vom Tulpenweg bis zum Verteilen von Samentütchen – die Bewohner werden bei den Projekten eigebunden und gestalten mit. Die bepflanzten Flächen sind nicht nur schön anzusehen: Hier wächst der Lebensraum für Biene und Co. – und das menschliche Bewusstsein für die Schönheit der Natur.
Meldungen Anzeigen
Foto: LTM
Wohnpark mit moderner Lüftung
An der Fassade des Gebäudes sind die Außenhauben der Thermo-Lüfter zu erkennen. Jede Wohnung wird durch mehrere Geräte rund um die Uhr mit wohltemperierter Frischluft versorgt.
Auf dem Gelände nahe dem Wasserkraftwerk Keselstraße in Kempten wurden in der alten Baumwollfabrik 23 moderne Neubau-Wohnungen mit Blick auf die nahe gelegene Iller bezugsfertig. Bei allen Wohnungen mit an Bord ist eine kontrollierte Wohnungslüftung. In den fünf Geschossen entstanden 2- bis 4-Zimmer-Wohnungen mit Wohnflächen von knapp 60 bis gut 120 Quadratmetern. Die Ausstattung der Wohnungen ist – wie bei solchen Mehrgeschosswohnbauten üblich – von gutem Standard. Das Gebäude wurde als KfW-Effizienzhaus 70 ausgeführt, also in einem etwas besseren Energiestandard, als es der Gesetzgeber verlangt. Auffallend ist jedoch ein anderer Aspekt, der in der Bau-
beschreibung nur am Rande Erwähnung findet: »Die Be- und Entlüftung der Wohnräume erfolgt über ein dezentrales Frischluftsystem mit hoher Wärmerückgewinnung«. Bei dem Projekt sind die dezentralen Lüftungsgeräte »Thermo-Lüfter« des deutschen Herstellers LTM im Einsatz. Insgesamt 80 wurden Thermo-Lüfter 1230 eingebaut. Jede Wohnung ist autark: Über eine Zentralsteuerung je Wohneinheit können die Lüftungsgeräte eigenständig und unabhängig von den anderen Bewohnern geregelt werden. Die Entscheidung für LTM fiel erst im Planungsprozess. Zunächst war eine zentrale Lüftungsanlage in Erwägung gezogen worden; die Erfahrungen des Planungsbüros Claudia Echtler aus Kaufbeuren und des Bauunternehmens Paul Bau und Putz aus Mauerstetten sprachen aber dagegen. Die LTMLüfter werden direkt in der Außenwand platziert und erfordern keinerlei Luftkanäle. Die Erfahrungen der Bewohner sind gut: Neben der ständig guten Raumluft fällt der Thermo-Lüfter vor allem dadurch auf, dass er nicht auffällt; das Gerät arbeitet nämlich besonders leise.
allgäu ALTERNATIV Reservieren Sie jetzt Ihren Werbeauftritt für die Herbst/Winterausgabe 2015! Redaktions- und Anzeigenschluss ist der 02.10.2015 Anzeigen-Kontakt: Sven Abend, Tel. +49 (0)8379 728616
Holzige Festwochen-Termine
Foto: allgäuALTERNATIV
Am 24. Juli eröffnet die Ausstellung »Bauen mit Holz in BayerischSchwaben«in der Kunsthalle in Kempten. Zur Eröffnung wird sich der Verein »Holzforum Allgäu«in seiner ganzen Bandbreite vorstellen. Im Anschluss referiert Prof.
Referent Prof. Dr. Stefan Winter
Stefan Winter zum Thema »Zukunft Holzbau«. Bis zum 16. August ist die Ausstellung anschließend zu besichtigen. Am Mittwoch, den 12. August, findet eine Fachtagung des Holzforums im Kemptener Kornhaus statt. Zwischen 10 und 12 Uhr referieren Prof. Hermann Kaufmann vom Lehrstuhl Holzbau der TU München und DI Rüdiger Lex, Geschäftsführer von proHolz Tirol, zum Thema »Leben und Arbeiten mit Holz im Allgäu«. Im Anschluss bekommen alle Teilnehmer der Tagung eine Eintrittskarte zum Besuch der Allgäuer Festwoche. ve
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Wasserstoff
Die Produktion verbessern Effekte zur Effizienzsteigerung entdeckt Wasserstoff gilt als wichtiger Energieträger der Zukunft. Ein Ansatz für seine Gewinnung ist die Photokatalytische Wasserspaltung. Dabei wird mithilfe von Licht Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Seit Jahren arbeitet Peter Schmeller aus Bad Hindelang an diesem Thema. allgäuALTERNATIV hat ihn mit dem folgenden wissenschaftlichen Bericht des Leibniz-Instituts konfrontiert. issenschaftler des Leibniz-Institutes für Photonische Technologien (IPHT) haben entdeckt, dass bei einer Anregung mit grünem Licht Elektronen direkt vom lichtabsorbierenden Zentrum zum Ort der Spaltung transferiert werden. Je schneller die Elektronen übertragen werden, desto effizienter kann Licht für die Wasserspaltung genutzt werden. Welche Schritte bei der Wasserspaltung nach Absorption des Lichts stattfinden, wird in molekularen Photokatalysatoren beobachtet. Das Verständnis der einzelnen Schritte zur Wasserspaltung ist wichtig, um die Wasserspaltung für die industrielle Verwertung nutzbar zu machen. Besonderes Augenmerk der IPHT-Wissenschaftler liegt auf dem Transfer der Elektronen vom lichtabsorbierenden Zentrum zum Ort der Spaltung. Der Elektronentransfer läuft in einem Zeitfenster von einem
Fotos: Susanne Elgaß
W Demonstration: Mit einer Schau-Anlage zeigt Peter Schmeller, wie Wasserstoff erzeugt wird. Die Gasflamme beweist, dass es gut funktioniert
millionsten Teil einer millionsten Sekunde ab. Die Prozesse auf dieser Zeitskala konnten mit bisherigen Methoden nicht genau untersucht werden. In Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität Mailand haben IPHT-Wissenschaftler dieses Zeitfenster mit 20 Femtosekunden Zeitauflösung beobachtet. Sie stellten fest, dass bei Anregung mit grünem Licht die Elektronen vom lichtabsorbierenden Zentrum direkt zum Ort der Spaltung transferiert werden. Bei Anregung mit Licht anderer Wellenlängen dagegen dauert es 1000-mal länger. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von effizienzmindernden Nebenprozessen. Die Beobachtung kohärenter Schwingungsdynamik, die exklusiv unter Anregung mit grünem Licht auftritt, illustriert die Effizienz des Prozesses. Ermöglicht wurden die Messungen durch die Unterstützung des LaserLab Europe.
Die Natur macht es vor Peter Schmeller: Verfahren gibt es genug Verfahren, die mittels Photokatalytischer Wasserspaltung Wasserstoff erzeugen, sind schon lange bekannt und werden auch von Organismen genutzt (z.B. einem bestimmten Schmetterling). Es gibt etwa 36 bekannte Verfahren, Wasserstoff zu erzeugen. Es gibt aber sicher noch 100 Verfahren, die noch nicht bekannt sind. n Neuseeland läuft ein Pilotprojekt, bei dem Bakterien mit Sonnenlicht Wasserstoff erzeugen. Dieser Wasserstoff wird in Brennstoffzellen in Strom umgewandelt. In Saudi Arabien wird in einem Klärwerk mit Sonne und Bakterien Wasserstoff erzeugt. Mit dem daraus erzeugten Strom wird die gesamte Anlage betrieben und dazu noch ein großer Schulkomplex mit Energie versorgt. Die Effizienz ist bei der Wasserstoff-Erzeugung ein relativer Begriff, der nur dann eine Rolle spielt, wenn ich z.B. aus Strom Wasserstoff und aus Wasserstoff wieder Strom herstellen möchte (Verluste). Bei einem Fahrzeug ist so etwas wichtig, damit der »Tank« klein und die Reichweite groß wird. Wasserstoff ist ja nur Energieträger oder ein wichtiges Element für Prozesse wie z.B. die Reinigung von
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Peter Schmeller: »Keine grundlegend neuen Erkenntnisse«
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Erdöl. Der größte Anteil des weltweit benötigten Wasserstoffs wird mit Erdgas als Primärenergie hergestellt. Wasserstoff ist keine Primärenergiequelle, sondern ein umweltfreundlicher Energieträger (-speicher). Trotzdem könnte Wasserstoff (wenn er beispielweise aus Biomasse erzeugt wird) den Gesamtenergiebedarf der Welt abdecken, ohne dass dadurch irgendjemand hungern müsste. Viele Antworten findet man unter http://www.bio-wasserstoff.de/ Das darf keinesfalls mit dem Irrsinn der heutigen Biogasanlagen verwechselt werden. Ich könnte im Allgäu problemlos ein Haus mit Biowasserstoff und einer kleinen Photovoltaik-Anlage autonom betreiben, wenn man mir die Chance geben würde. Es ist keine Frage der verfügbaren Techniken – die sind vorhanden. Peter Schmeller
Fotos: Renexpo/Messe Augsburg
Energie
Die Renexpo in Augsburg Gebäudehülle steht im Mittelpunkt Die Energiefachmesse Renexpo vom 1. bis 4. Oktober, ist die wichtigste Messe für den Energiemarkt und im Bereich energieeffizientes Bauen im süddeutschen Raum. Hochkarätige Fachtagungen, innovative Produkte und Vorträge ausstellender Firmen zeigen die aktuelle und zukünftige Entwicklung der Energieversorgung und wesentliche Einsparpotenziale auf. ie Renexpo ist als Bayerns Energiefachmesse die Plattform der Energiewende für Politik, Industrie, Handel und Handwerk, aber auch für interessierte zukünftige Anwender. Die Schwer-
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Wer steht dahinter? Messe Augsburg ASMV GmbH: Die Messe Augsburg als drittgrößter Messeplatz in Bayern ist ein Wirtschaftsmotor mit Ausstrahlung weit über die Grenzen BayerischSchwabens hinaus. Augsburg punktet mit einem gut erreichbaren Messegelände, persönlichem Service und dem Charme der zweitältesten Stadt Deutschlands. Die Messe ist Full-Service-Partner für Messen und Events: Zwölf Hallen mit 48.000 Quadratmetern Bruttofläche, 10.000 Quadratmeter Freigelände, ein Tagungscenter, vier Eingangsbereiche, beste Verkehrsanbindung sowie 2.400 Parkplätze in der Nähe bieten eine Vielzahl an individuell planbaren Veranstaltungsmöglichkeiten. Info unter: www.messeaugsburg.de
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Die Akademie für nachhaltige Gebäudetechnologie Karlsruhe-Mosbach e.V. beschäftigt sich mit der Ressourceneffizienz von Gebäudetechnologien, insbesondere mit Glas-, Fenster-, Türen-, Sonnenschutz- und Fassadentechnologien. Akademievorsitzender Prof. Dr. h.c. Klaus Layer ist gelernter Tischler- und Glasermeister, zertifizierter Thermograf, und zusätzlich öffentlich bestellter und ver-eidigter Sachverständiger der Handwerkskammer Mannheim sowie Bauphysiker, Energieberater und Dozent für Konstruktionslehre und angewandte Bauphysik an der dualen Hochschule Baden-Württemberg, Campus Mosbach. Weitere Informationen unter www.akademie-ngt.de
punkte liegen dabei auf rationeller Energiegewinnung, intelligenter Energieverteilung, effizienter Energieverwendung sowie der optimalen Energiespeicherung bei Strom und Wärme. Erstmals wird in diesem Jahr ein eigener Bereich speziell für Fachaussteller und Sponsoren in Halle 7 direkt angrenzend an das Tagungscenter vorgesehen. Auf interessiertes Publikum treffen die Aussteller in Halle 5 und im Freigelände. Sowohl Privat- wie auch Fachbesucher erwarten praktikable Lösungen zum Anschauen und Anfassen. Ob E-Mobil und Energiespeicher mit Lademöglichkeiten im und ums Gebäude, von Solarthermie über Photovoltaik bis zur Wärmeversorgung durch Scheitholz, Hackschnitzel oder Pellets mit Wärmespeicher reicht das umfassende Angebot. Die Gebäudehülle ist weitaus mehr als eine bloße Außenwand, sie ist die Membran des Hauses: Energieverluste soll sie möglichst gering halten, gleichzeitig aber das Gebäude mit Licht, Wärme, Frischluft oder sogar mit Strom versorgen. Neu ist die 1. Fachtagung »GHI – Gebäudehülle innovativ«. Sie macht Ressourceneffizienz erlebbar. Ausführlich widmet sich die Fachtagung mit Ausstel-
Energie in allen Varianten: Das Angebot an den Ständen ist breit gestreut
lerangebot und Kongresskomponenten allen Facetten der energieeffizienten Gebäudehülle. Dahinter stehen als Kooperationspartner als Messe Augsburg, die Hinte Expo & Conference und die Akademie für nachhaltige Gebäudetechnologie Karlsruhe-Mosbach e.V. »Das Forum passt perfekt zur Renexpo. Speziell die Bereiche Wärmedämmung, Lüftung, Fenster und Fassade ergänzen die Renexpo-Kernthemen Energiegewinnung, intelligente Energieverteilung, effiziente Energieverwendung und Energiespeicherung, da sie sich mit der Energieeffizienz der Gebäude – im Spe-
Der drittgrößte Messeplatz in Bayern: die Messe in Augsburg
ziellen der Gebäudehülle – auseinandersetzen. Und diese ist ein wichtiger Faktor für alle Zielgruppen der Renexpo und ein weiterer Schritt zur Positionierung des Messeplatzes Augsburg«, sagt Gerhard Reiter, Geschäftsführer der Messe Augsburg. Fachbetrieben, Herstellern, Architekten und Bauherren bietet die 1. Fachtagung »GHI – Gebäudehülle innovativ« die einmalige Möglichkeit, sich über neueste Entwicklungen und Techniken im Bereich der Glas-, Fenster-, Fassaden- und Sonnenschutzsysteme, über Bauanschlüsse, Anlagetechnik oder Architektur der Gebäudehülle zu informieren. Anzeige
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Auszubildende in der Green Factory Allgäu
Fotos: Jensen media/Alois Müller, AT-Fachverlag
Energie sparen
Vorfertigung in der Green Factory Allgäu.
Green Factory Allgäu Ein gutes Beispiel für ganz Europa Eine große Auszeichnung gab es kürzlich für die Green Factory Allgäu in Ungerhausen im Unterallgäu: Für das bahnbrechende Projekt der weltweit ersten nahezu energieautarken Produktions- und Ausbildungshalle erhielt die Alois Müller GmbH (Memmingen) auf der Fachmesse ISH in Frankfurt/Main den begehrten Marketingpreis des Sanitär-, Heizung- und Klimahandwerks (SHK). ie Alois Müller GmbH ist ein Spezialist für Heizung, Lüftung, Sanitär und Klimatechnik. Mit innovativen Ideen wie der Green Factory Allgäu sorgt das Unternehmen immer wieder für Aufsehen. Die Auszubildenden der Alois-Müller-Gruppe erlernen hier ihre Berufe in einer der modernsten und gleichzeitig energiesparendsten Ausbildungshallen des SHK-Handwerks überhaupt. Die 2800 Quadratmeter große und 2,5 Millionen Euro teure Halle ist die weltweit erste ihrer Art, die mit ihrer ebenfalls 2800 Quadratmeter großen Photovoltaikanlage nicht nur ganzjährig Heizung und Kühlung selbstständig betreiben kann, sondern die dank einer Leistung von 350 MWh auch zusätzlich fast den gesamten Strombedarf für den Betrieb der Produktionsmaschinen deckt. Energiekosten und der CO2-Ausstoß sinken damit auf Null. Außerhalb der Betriebszeiten speichert ein großer Pufferspeicher im Betonkern der Halle die gewonnene Energie, oder sie wird ins allgemeine Stromnetz eingespeist und vergütet.
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»Wir mussten wirklich viel Durchsetzungsvermögen beweisen, zum Beispiel, als es um die Kühlung unseres Laserroboters ging. Der Hersteller wollte partout eine zusätzliche Kühlmaschine installieren, aber wir haben darauf bestanden, die dafür nötige Energie aus unserem Heiz- und Kühlkreislauf der Halle zu verwenden, also unser Wasser aus dem Tiefenbrunnen. Allein durch diese Maßnahme sparen wir beim Betrieb des Roboters auf einen Schlag 80 Prozent der üblichen Energiekosten ein«, sagte Andreas Müller, Geschäftsführer der Alois Müller GmbH, als er den Marketingpreis in Frankfurt entgegennahm. Seit beinahe zwei Jahrzehnten wird der Marketingpreis für das deutsche SHK-Handwerk von einem Fellbacher Fachverlag und der »Initiative Marketingpreis« vergeben. Diese wird unterstützt von der Fachmesse ISH Frankfurt, der Deutschen Handwerks Zeitung sowie Bosch Thermotechnik Junkers Deutschland. Im Rahmen eines Galaabends ehrt die Fachjury jedes Jahr mittelständische Betriebe für außergewöhnliche Konzepte und innovative Ideen. Nicht nur die Fachjury, sondern auch namhafte Wissenschaftler sehen in der Green Factory Allgäu ein leuchtendes Beispiel für die gelebte Energiewende und ein einzigartiges Modellprojekt mit Vorbildcharakter für ganz Europa. »Mit Ihrer Halle verwirklichen Sie bereits Forderungen, die wir unter dem Gesichtspunkt der Energieflexibilität stellen. Sie können sich damit schnell und flexibel an kurzfristige Änderungen des Energiemarktes anpassen«, sagte beispielsweise der
Diplom-Wirtschaftsingenieur Emin Genc, Gruppenleiter Adaptive Produktionsorganisation beim Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) mit Sitz in Augsburg, bei einem Expertentreffen von Planern für die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) in Ungerhausen. Die Green Factory Allgäu dient der Alois-Müller-Gruppe als Produktionshalle für die Vorfertigung von technischen Komponenten und Bauteilen bis hin zu schlüsselfertigen Container-Lösungen, die dann vor Ort auf der Baustelle nur noch im Plug-and-PlayModus angeschlossen und in Betrieb genommen werden müssen. »Wenn wir in unserer Hightech-Halle in Ungerhausen Leitungen schweißen können, hat dies eine ganz andere Qualität, als wenn jemand die Leitungen vor Ort bei wechselnden Witterungs- und Temperaturbedingungen schweißen müsste«, erklärt Andreas Müller. Das Konzept der hohen Vorfertigungsleistung mit gut ausgebildeten Handwerkern kommt an, denn neben der Qualitätssteigerung profitieren die Auftraggeber auch von der höheren Projektsicherheit. In Ungerhausen produziert die zur Alois-MüllerGruppe gehörende Müller Produktions GmbH in erster Linie versorgungstechnische Anlagen, unter ande-
rem PE-Bauteile für Geothermie wie Erdsonden-Anlagen oder Erdkollektoren, Rohrleitungssysteme aus Stahl und Edelstahl oder Gehäusekomponenten für Windkraftanlagen und Wärmepumpen. Im Bereich der Lüftungstechnik stellt Alois Müller unter anderem Lüftungskanäle, Luftauslasssysteme und Sonderkomponenten für Lüftungsanlagen her. Auch für die Kühlung von Werkzeugmaschinen bietet das Unternehmen aus Memmingen innovative Systeme an. Außerdem dient die Green Factory in Ungerhausen als Ausbildungshalle für den Nachwuchs in den Unternehmen der Müller-Gruppe.
Bei der Preisverleihung, von links: Laudator Thorsten Schröder, Moderatorin Angelika Demmerschmidt, Andreas Müller und Stargast Markus Rehm
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Wasserkraft
Grünes Licht vom Landrat Kraftwerk Älpele weiterhin umstritten Das Wasserkraftwerk Älpele im Hintersteiner Tal darf gebaut werden. Landrat Toni Klotz hat den Bauantrag der Planungsgesellschaft Kraftwerk Älpele mbH unterschrieben, nachdem auch der Kreistag Oberallgäu sich mehrheitlich dafür ausgesprochen hatte. Allerdings meldete auch das Umweltministerium in München Bedenken an. Das Kraftwerk ist weiterhin umstritten – es wurden bereits Klagen dagegen eingereicht.
ir legen mit unserem neuen Wasserkraftwerk nachhaltig das Fundament zu einer ökologischen Stromversorgung für die nächsten Generationen«, sagt Engelbert Wille, Geschäftsführer der Planungsgesellschaft Kraftwerk Älpele mbH. Die Internationale Alpenschutzkommission Cipra hält dagegen: »Das Umweltministerium in München sieht die Pläne mit großer Skepsis, Naturschutzverbände und der Deutsche Alpenverein (DAV) sowieso.« Konkret geht es um ein Kraftwerk in einem bisher unberührten, urtümlichen Tal im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen. Die Ostrach fließt durch eine Klamm, die gleich fünffach geschützt ist: nationales und europäisches Schutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, Naturdenkmal und Vogelschutzgebiet.«
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Die sogenannte »Eisenbreche« ist vom Bau des Kraftwerks nicht direkt betroffen
Zwist im eigenen Haus Landrat Toni Klotz hatte wegen des Bauantrages in seinem eigenen Hause Probleme. Seine Juristen und Berater im Landratsamt wollten den Antrag nicht unterschreiben. Sie hatten rechtliche Bedenken. Klotz nahm deshalb selbst den Füller in die Hand und segnete das Vorhaben persönlich ab. Er vertritt die Ansicht, dass die Energiewende nur geschafft wird, wenn alle Möglichkeiten vor Ort ergriffen werden. Damit tat der Oberallgäuer Landrat einen mutigen Schritt. Er erinnerte zuvor bei diversen Gelegenheitedaran, dass er nicht mit der zögerlichen Handlungweise der Politik in München und Berlin einverstanden ist. Er bekräftigte, dass er das selbstgesteckte Ziel des Kreistages, 70
Fakten zum geplanten Bürgerkraftwerk Leistung: ca. 4,4 MW Durchschnittliche Jahreserzeugung: ca. 9 Mio. kWh Nettofallhöhe: ca. 95 m Restwassermenge: 0,75-1,5 m3/s Jährliche Betriebstage: ca. 215 Tage Investitionssumme: ca. 10 – 11 Mio. € netto
Landrat Toni Kotz Der Oberallgäuer Landrat Toni Klotz setzte sich über Bedenken seiner Juristen und Naturschutzbeauftragten hinweg: »Alle regionalen Anstrengungen für die Energiewende müssen unternommen werden.«
Prozent der Energie bis 2022 durch erneuerbare Quellen zu erzeugen, noch nicht ganz aus den Augen verloren habe. Da inzwischen die regionale Windkraft durch die 10-H-Regelung von Ministerpräsident Horst Seehofer lahme Flügel bekommen hat, haben die ehrgeizigen Ziele im Oberallgäu einen herben Rückschlag erlitten.
meinsam und erfolgreich umgesetzt werden. So kann mit der geplanten jährlichen Stromerzeugung des Bürgerkraftwerkes von ca. neun Millionen Kilowattstunden ein erheblicher CO2-Ausstoß in die Umwelt von ca. 4500 Tonnen vermieden werden, Jahr für Jahr. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es in unmittelbarer Nähe zu dem geplanten Bürgerkraftwerk bereits zwei Wasserkraftwerke gibt (eines aus dem Jahr 1923), die eindrucksvoll diesen Einklang belegen.«
»Wir zerstören nichts«
Kein Konflikt vorhanden Weiter teilen die Planer mit: »Die Ergebnisse der Planung und der umfangreichen Bewertungen des neuen Wasserkraftwerkes in Bad Hindelang zeigen deutlich, dass es keinen Widerspruch zwischen der sauberen, CO2-freien Stromerzeugung im Hintersteiner Tal und dem vorhandenen Naturschutzgebiet geben muss. Ganz im Gegenteil, beide wichtigen Ziele – Erhalt der Natur und regenerative Stromversorgung – können ge-
Andere Ziele wichtiger Gegen den Bau des Kraftwerkes im Hintersteiner Tal haben Umweltorganisationen, Verbände und auch Privatpersonen an verschiedenen Stellen Klage eingereicht, um dieses Naturjuwel zu schützen und zu verhindern, dass ein Präzedenz-Fall geschaffen wird. »Unsere erste Priorität muss es sein, den Energieverbrauch in unserer Gesellschaft zu verringern, Modelle umzusetzen wie die 2000-Watt-Gesellschaft in der Schweiz«, so Katharina Conradin, Präsidentin der CIPRA. Dazu gehören auch ein Baustopp für neue Wasserkraftwerke und die Optimierung bestehender Anlagen. »Die Alpenflüsse sind nicht erneuerbar«, so Conradin. Bild oben: Im Bereich der Alpwiesen soll eine verbesserte Bachlandschaft geschaffen werden. Links: Die Ostrach windet sich im Hintersteiner Tal durch eine enge Klamm
Fotos: Wolfgang B. Kleiner, Gästeinfo xxxx, Edition ALLGÄU
Den Vorwurf, Naturzerstörer zu sein, wollen die vier Gesellschafter Elektrizitätswerk Hindelang eG, Wald- und Weidegenossenschaft Bad Oberdorf, Marktgemeinde Bad Hindelang und Galtalpe Erzberg nicht auf sich sitzen lassen. Sie kontern: »Bei der Konzeption für das Bürgerkraftwerk Älpele stand im Fokus, dass sich das Wasserkraftwerk gut in die Landschaft integriert und die Planungen unter Naturschutzgesichtspunkten bestmöglich optimiert werden. So wird folgendes berücksichtigt: eine sehr hohe Restwassermenge, die immer in der Ostrach verbleibt; erdverlegte Rohrleitungen und Stromkabel ein nicht einsehbares Krafthaus und eine ebensolche Wasserfassung. Umfangreiche Gutachten belegen, dass die Eingriffe in das Naturschutzgebiet und somit die Lebensraumverluste für Flora und Fauna bei gesamtheitlicher Betrachtung gering sind. Teilweise erfolgen die Eingriffe auch nur temporär in der Bauphase. Nach Abschluss der Bauarbeiten werden diese Flächen wieder naturnah gestaltet. Zur Kompensation des geringen Lebensraumverlustes sind Ausgleichsmaßnahmen geplant, die um den Faktor 3 höher sind als die Anforderungen gemäß Natura 2000. Nachhaltige Auswirkungen auf das Schutzgut Landschaft und Erholung ergeben sich nicht, somit ist der Tourismus nicht beeinträchtigt.«
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Digitalisierung
Bad Hindelang ist dabei Wettbewerb Zukunftsstadt – Vision 2030+ Die Marktgemeinde Bad Hindelang hat beim bundesweiten Wettbewerb »Zukunftsstadt« mitgemacht. Der Wettbewerb soll zeigen, wie Bürger und Forschung schon heute dazu beitragen können, Orte nachhaltig und lebenswert zu gestalten. Obwohl Bad Hindelang keine Stadt ist, war die Bewerbung erfolgreich. Die Marktgemeinde ist eine von 52 geförderten Kommunen in Deutschland, davon sind nur fünf in Bayern. ürger, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung entwickeln gemeinsam Visionen für die Zukunft ihrer Kommunen und erproben diese vor Ort: Es geht um sichere Energie, klimaangepasstes Bauen, bezahlbares Wohnen, um Arbeiten, Freizeit, Kultur, Bildung, Mobilität und vieles mehr. Unterstützt wird die Gemeinde durch die an den Universitäten Augsburg und Bayreuth ansässige Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT. Die Digitalisierung verändert spätestens seit Zeiten des Internets die Gesellschaft. Trends rund um Smartphones, Tablets und Apps begeistern längst nicht mehr nur junge Zielgruppen. Aufgrund vorangegangener Initiativen gibt es in Bad Hindelang bereits erfolgreiche Digitalisierungsprojekte wie beispielsweise eine »virtuelle Pistenabfahrt« oder die Gästekarte Bad Hindelang Plus, die unterschiedliche Freizeitangebote
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Bürgermeister Adalbert Martin: »Die Chance schnell nutzen!«
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und den öffentlichen Nahverkehr miteinander vernetzt. »Im Zuge der erfolgreichen Projektbewerbung wollen wir nun die Chancen der Digitalisierung für unsere Marktgemeinde weiter nutzen und ausbauen«, so Bürgermeister Adalbert Martin. »Durch die Vernetzung unterschiedlicher Lebensbereiche können digitale Lösungen uns dabei unterstützen, die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Beispielsweise kann ich mir gut vorstellen, dass wir durch innovative digitale Angebote ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Gemeinde schaffen und spannende Gesundheitsund Freizeitangebote für unsere Bürger und Besucher anbieten können. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT, die uns schon während der Bewerbung kreativ unterstützt und nun zu diesem Erfolg verholfen hat.«
Fotos: Wolfgang B. Kleiner, Dominik Ultes
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Bad Hindelang wurde im Wettbewerb »Zukunftsstadt« ausgewählt. In der Allgäuer Marktgemeinde gibt es bereits erfolgreiche Digitalisierungsprojekte. Unser Bild zeigt auf der linken Seite Benjamin Bichler und Andrea Kircher von Bad Hindelang Tourismus
Neben Bad Hindelang entwickeln 51 weitere ausgewählte Städte, Gemeinden und Landkreise gemeinsam mit Bürgern, Wissenschaft, lokaler Politik, Wirtschaft und Verwaltung eine ganzheitliche und nachhaltige Vision 2030+ für ihre Kommune. In Bad Hindelang haben sich bereits Partner gemeldet: das Elektrizitätswerk Hindelang eG, der Tourismusbeirat Bad Hindelang und das Hotel Prinz-Luitpold-Bad. Weitere Projektpartner werden noch hinzugezogen. »Die Entwicklung einer digitalen Zukunftsvision für Bad Hindelang wird sich strikt an den Bedürfnissen und Wünschen der Bevölkerung orientieren«, so Prof. Dr. Gilbert Fridgen von der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik an der Universität Bayreuth. »Im Rahmen des Projektes werden wir daher viel Wert auf einen interaktiven Austausch mit den Bürgern legen. Dazu wird es neben einer Projektwebsite, mehreren Workshops und einer Bürgerbefragung auch einen Ideenwettbewerb geben, mit dem wir auf viele kreative Ideen aus der Bevölkerung hoffen. Wir freuen uns, Bad Hindelang bei der Durchführung des Projektes zu unterstützen.«
Zukunftsstadt in drei Stufen Bundesweit konnten sich bis zum 27. März 2015 Städte, Gemeinden und Landkreise mit einem Konzept für die Ent wicklung einer nachhaltigen Vision 2030+ bewerben. 52 Kommunen wurden jetzt von einer unabhängigen Expertenjury aus 168 Bewerbungen ausgewählt Aus dem Allgäu ist nur Bad Hindelang dabei, sonst aus Bayern Grafing, Rottal/Inn, Erlangen und Freyung. In der ersten Phase des Wettbewerbes während des Wissenschaftsjahres 2015 – Zukunftsstadt werden die Kommunen im Bürgerbeteiligungsprozess eine Vision mit dem Zeithorizont 2030+ für ihre Kommune entwickeln und Handlungs- beziehungsweise Umsetzungsvorschläge erarbeiten. 1,75 Millionen Euro stellt das BMBF dafür insgesamt bereit. In der zweiten Phase ab 2016 prüfen bis zu 20 ausgewählte Kommunen diese Vorstellungen wissenschaftlich und erarbeiten ein umsetzungsreifes Konzept. In der dritten Phase ab 2018 werden bis zu acht ausgewählte Kommunen erste innovative Ideen in sogenannten »Reallaboren« in die Praxis umsetzen. Der Wettbewerb »Zukunftsstadt« startet im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2015 – Zukunftsstadt, einer gemeinsamen Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit Wissenschaft im Dialog (WiD).
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Fotos und Grafik: Bundesverband Wärmepumpe
Erdwärme
Der Staat heizt mit Investitionszuschüsse für Erdwärmepumpe Die populäre Idee eines Steuerbonus für Dämmer und Heizungssanierer ist gescheitert, gleichwohl muss die Energiewende endlich auch im Wärmemarkt ankommen. Von vielen unbemerkt hat die Bundesregierung im Schatten der Steuerdebatte mit der Novellierung des Marktanreizprogramms (MAP) ein großzügiges Förderprogramm für regenerative Heizungen aufgelegt.
Generationenübergreifende Energiequelle: Eine Erdsonde hat eine Lebensdauer von über Qualität ist oberstes Gebot: Um Fördergelder zu erhalten, benötigen die Bohrunternehmen eine spezielle Qualifikation. Unten: Die schematische Darstellung des Erdwärmekreislaufs
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er seine Heizung auf regenerative Energien umstellt, erhält seit dem 1. April deutlich höhere Investitionszuschüsse vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Erneuerbare Heizungsanlagen wie Pellets, Solarthermie und Wärmepumpen sollen in den Fokus der Sanierer rücken. Eine effiziente Erdwärmepumpe, die vom ausgewiesenen Fachmann installiert wurde, wird mit 4500 Euro Investitionszuschuss gefördert, Luftwärmepumpen erhalten bis zu 1500 Euro. Diese Basisförderung kann zusätzlich mit diversen Varianten kombiniert werden, beispielsweise mit dem Kombinationsbonus bei gleichzeitiger Errichtung einer weiteren regenerativen Heizung (+500 Euro) oder dem Lastmanagement-Bonus mit SG Ready Label (+500 Euro). Für Optimierungsmaßnahmen wie einem
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Heizkörpertausch bekommen Sanierer nochmals 2250 Euro extra. Schlussendlich kann der tatkräftige Sanierer bis zu 9500 Euro erhalten.
Auch für den Neubau Sogar im Neubau können Wärmepumpen, Solarthermie und Pellets gefördert werden mit dem sogenannten Innovationsbonus. Denn auch hier dominieren nach wie vor die fossilen Heizungen. Das Förderprogramm verfolgt dabei die Maxime »Qualität vor Schnellschuss«. So müssen Bohrunternehmen über eine spezielle Zertifizierung verfügen und eine verschuldensunabhängige Versicherung für eventuelle Schäden abschließen. Auch der von Energieexperten empfohlene Heizungscheck nach dem ersten Betriebsjahr wird gefördert.
Industrie 4.0
Aus Gliedern wird eine Kette Chancen und Risiken digitaler Vernetzung Was heißt Industrie 4.0? Wie unterscheidet sich diese Weiterentwicklung vorheriger Entwicklungsschritte in der industriellen Produktion? Vereinfacht gesagt: Maschinen und Produktionsanlagen werden durch moderne Informationstechnik (IT) verbunden. Die Verknüpfung bietet ein erhebliches Potenzial, um Arbeitsabläufe zu verschlanken und flexible Strukturen zu schaffen. Auch bei Bosch in Immenstadt und Blaichach und in größeren Allgäuer Maschinenbau-Unternehmen hat Industrie 4.0 längst Einzug gehalten. m Bereich der Montage werden die Arbeitstätigkeiten je nach Montagefortschritt visualisiert – große Kontroll-Einrichtungen (Andon-Boards) zeigen schematisch den Grad des Fortschritts. Dies hilft den Mitarbeitern, mehr Disziplin bis hin zu selbststeuernden Regelkreisen zu entwickeln. Die Digitalisierung und Integration von Checklisten in den Montageprozess bringt einen Anstieg an Qualität und das Ausweiten von Standards mit sich. Nicht mehr der einzelne Mitarbeiter und »seine« Maschine, seine Drehbank oder sein Produktionsautomat stellen eine Einheit dar, sondern ganze Fertigungs-Stränge. Es ergibt sich eine komplette Produktionsüberwachung über die gesamte Wertschöpfungskette.
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Zurück zur Werkbank Die Schlagwörter heißen: Digitale Visualisierung und »Shopfloor-Management«. Sie sollen nachhaltigen Erfolg schaffen. In den letzten Jahren haben sich die Führungskräfte nicht selten zu weit von der Werkbank in Richtung Schreibtisch bewegt. Statt um Verwaltung und Bürokratie sollen sich die Facharbeiter und ihre Meister und Ingenieure wieder verstärkt um die Produktion kümmern.
Am Info-Punkt (BDE-Terminal) werden verschiedene Prozesse bereits vom Mitarbeiter aktiv eingegeben. Er erhält an diesem Info-Punkt sofort Rückmeldungen: System läuft, die Produkte sind qualitativ perfekt, Stückzahlen werden eingehalten, die Vorgänge greifen ineinander. Es ist noch gar nicht so lange her, dass zwischen den Maschinen Auffangbehälter standen, weil ein Teil der Fertigungskette zu schnell lief – Überproduktion musste gepuffert werden. An anderer Stelle ging ein Werkzeug kaputt. Die Maschine fiel aus, die nächsten Fertigungsschritte mussten gestoppt werden.
Foto oben: Industrie 4.0 ist ein Schwerpunkt der Deutschen Messe in Hanover
Der Monitor zeigt alles Bei Industrie 4.0 sorgt die Vernetzung für den synchronen Lauf der Produktion. Auf den Monitoren werden in Echtzeit Daten übertragen, somit findet auch eine aktuelle Störungsmeldung statt. Die Daten erscheinen und werden verständlich visualisiert. Es entsteht ein realistisches Abbild der Produktionssysteme auf dem Monitor. Mithilfe der Ausweitung auf weitere Bereiche des Betriebes sollen Kapazitätsengpässe direkt den folgenden Abteilungen gemeldet werden. Ziel ist es, von der Zulieferung bis zum fertigen Produkt, ja sogar bis zum
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Industrie 4.0
Die »Helfer« im Produktionsablauf werden immer präziser
neuartiges Montageassistenzsystem mit Visualisierungsfunktion entwickelt. Ein Pick-by-light-System zeigt dem Werker mit grünem Licht an, welches Bauteil als nächstes montiert werden muss. Die Kisten, in die er nicht greifen darf, werden rot angeleuchtet. Das Put-to-lightSystem zeigt dem Monteur die Verbauposition an. Eine räumliche Bauteilerkennung überprüft, ob das Werkstück richtig verbaut wurde. Parallel zum Montageprozess werden In-situ-Projektionen auf der Arbeitsfläche abgebildet, die mit Videos eine weitere Hilfestellung zur richtigen Montage bieten. Die Produktion verläuft effizienter und ist weniger fehleranfällig. Besonders geeignet ist dieses System zum Beispiel für Behindertenwerkstätten, die mit der Anwendung verschiedene Produkte gleichzeitig herstellen können.
Verkauf und zum Marketing für das Produkt eine geschlossene IT-Kette zu bilden. Sprach man bisher von Just-in-time-Logistik, um die manuelle Lagerhaltung möglichst gering zu halten, geht man bei Industrie 4.0 davon aus, dass von der Zulieferung über die internen Produktionsstränge bis zur Auslieferung keine Reibungspunkte mehr zu verzeichnen sind. Eine flexible und echtzeitnahe Produktionsplanung wird zunehmend auf die Marktnachfrage automatisch reagieren, Simulationen über die gesamte Wertschöpfungskette bilden und daraus die Ableitung von Kapazitäten darstellen. Dies fordert eine zunehmend strengere Kommunikation und bringt zahlreiche Berücksichtigungen von Abhängigkeiten und Wechselwirkungen im System mit sich. Die Leitmesse für Automation, Produktionsprozesse und Industrie 4.0 ist die Deutsche Messe in Hannover. Dort werden die neuesten Entwicklungen gezeigt und verkauft.
Industrie 4.0 ersetzt Menschen? Industrie 4.0 wird sehr schnell vor allem die Arbeitsplätze in den größeren technischen Betrieben verändern. Autohersteller, Maschinenbauer, Montagewerke und IT-Betriebe werden die ersten sein, die von Industrie 4.0 erfasst werden. Die Anfänge laufen schon erfolgreich. Wie bei vielen anderen »Vorgänger-Ent-
Die grünen Teile passen Industrie 4.0 geht aber auch an einem einzelnen Arbeitsplatz, wenn es keine Produktionsketten gibt, sondern nur einen Montage-Mitarbeiter und ein Produkt, das er vollständig alleine herstellt bzw. aus technischen Gründen bewusst nicht in den Produktionskreislauf einbezogen ist. Jeder, der in einer Fabrikhalle arbeitet, kennt das Problem: Ein Werker hat verschiedene in Kisten gelagerte Werkstücke vor sich und setzt diese von Hand zusammen. Dabei kann es schnell passieren, dass er den Überblick verliert und das Produkt fehlerhaft montiert. Um hier entgegenzuwirken, hat die Firma Schnaithmann aus dem schwäbischen Remshalden ein
Das Bosch-Werk in Immenstadt/Blaichach ist mit über 3000 Mitarbeitern der größte industrielle Arbeitgeber im Allgäu und fertigt elektronische Bremssysteme (ABS und ESP®), Einspritzkomponenten, Turbolader und Sensoren für die Antriebstechnik. Die Allgäuer Boschler sind mit allen anderen acht Schwesterwerken (bald sollen es elf sein) weltweit vernetzt. 75 Produktionsmaschinen sind bereits miteinander vernetzt. Die Kontrolle übernehmen Mitarbeiter mit TabletRechnern, oder sie informieren sich über die großen Bildschirme, die in der Halle installiert sind. Innerhalb des Konzerns sind die beiden Standorte Blaichach und Immenstadt in Sachen Industrie 4.0 die Leitbetriebe. Die Werkleitung will mit Excellence und Innovation in die Zukunft gehen. Im Bereich Excellence will Bosch Geschichte schreiben und wesentlich daran beteiligt sein, ein Produktionswerk der Zukunft zu entwickeln. Voraussetzungen für ein zukunftsfähiges Werk sind schlanke Prozesse in allen Bereichen. Innovationen entstehen in einem Umfeld der Offenheit und der Bereitschaft, Neues auszuprobieren. In der Bosch-Ideenschmiede haben Ideenträger die Möglichkeit, mit breitem Technologieportfolio völlig neue Ansätze zu entwickeln. Wenn Rahmenbedingungen stimmen und internationales Know-how an einem Ort gebündelt wird, will Bosch mit der ISEC-Organisation (International Simultaneous Engineering Organization) den Grundstein für den Markterfolg neuer Produkte legen. Zukunft schafft das Management bei Bosch, indem möglichst alle Mitarbeiter am gleichen Strang ziehen. Wichtig dabei: Mut, Offenheit, Verlässlichkeit und Wertschätzung. Die Boschwerke in Immenstadt und Blaichach wurden damit Sieger beim Wettbewerb »Deutschland Land der Ideen«
Fotos: Steve Juvertson, Deutsche Messe
Excellence + Innovation = Zukunft Bosch gewinnt Wettbewerb »Land der Ideen«
wicklungen« ist diese Evolution nicht aufzuhalten. Und wie bei vielen Modernisierungsschritten davor gibt es Zweifel an der Weiterentwicklung der Produktion. Kritiker sprechen davon, dass der Trend zur Digitalisierung der Arbeitsplätze die Mitarbeiter wieder zu »Leibeigenen« der Maschinenbesitzer macht. Unbestritten ist, dass in geschlossenen digitalisierten Kreisläufen bei Weitem nicht mehr so viele Werker gebraucht werden wie in den Prozessen vor Industrie 4.0. Der Havard-Ökonom Richard Freeman aus New York glaubt, die Lösung gefunden zu haben, wie Mitarbeiter und die Firmen »zusammenkommen« können. Damit auch die Arbeitnehmer von den neuesten Technologien in den Betrieben profitieren können, müssten sie deren Miteigentümer werden. Ansonsten drohen diese Technologien nicht nur einfache Arbeitsplätze durch Roboter zu ersetzen, sondern auch hochqualifizierte Mitarbeiter. Bei einer Beteiligung der Mitarbeiter wächst die Akzeptanz für den Einsatz der Roboter und die geschlossenen IT-Produktionsketten. Mensch und Maschine würden sich ergänzen. Davon würden auch die Unternehmen profitieren, davon ist Freeman überzeugt.
Schon die nahe Zukunft wird zeigen, ob er damit recht hat oder ob Industrie 4.0 umgetauft werden muss in die 4. Industrierevolution.
Wieso Industrie 4.0? Die erste industrielle Revolution brachte die Nutzung der Wasserkraft und danach die Dampfmaschine. Die zweite industrielle Revolution leitete Henry Ford ein. Die Massenfertigung am Fließband wurde eingeführt, und die elektrische Energie hielt Einzug.
Blick in die Messehalle der Deutschen Messe in Hannover
Die dritte industrielle Revolution wurde durch den Einsatz der digitalen Medien eingeleitet. Die Elektronik brachte weitere Automatisierung in der Produktion. In der vierten industriellen Revolution entsteht die »intelligente Fabrik«. Ihr Ziel: Vernetzung der Medien, Integration der Kundenbedürfnisse in die Vorstufe und die Produktionsprozesse.
Wenige Menschen und viele Roboter in der Automation: Industrie 4.0 im Einsatz bei Tesla in den USA
Windkraft
Grünes Licht für Windräder Bund Naturschutz: 122 Anlagen möglich So konsequent wie der Bund Naturschutz in Schwaben neue Wasserkraftwerke ablehnt, so vehement fordert er den Ausbau der Windenergie. In der Planungsregion Donau Iller, zu der neben den Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg auch das Unterallgäu gehört, wurden 23 VorrangGebiete untersucht. Der Bund Naturschutz hat davon 16 positiv bewertet. Zwischen 78 und 122 neue Windräder könnten darauf gebaut werden.
homas Frey, der Regionalreferent des Bund Naturschutz in Schwaben, fordert: »Die fundierte Arbeit des Regionalverbandes würde eine für Mensch und Natur verträgliche Nutzung der Windenergie in der Region Donau-Iller ermöglichen. Die Bundesregierung und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sollen die politischen Rahmenbedingungen so setzen, dass diese gute Planung umgesetzt werden kann. Die 10H-Regelung von Seehofer hebelt die Planung derzeit komplett aus.« In seiner Stellungnahme an den regionalen Planungsverband Donau-Iller ließ der Bund Naturschutz die sogenannte »10H-Regel« außer Acht, die bedeutet, dass die nächste Siedlung von einem 150 Meter hohen Windrad mindestens 1500 Meter entfernt sein muss. Nur drei Vorranggebiete wurden vom Bund Naturschutz abgelehnt. Die Bewertung wurde nach vier Hauptfaktoren durchgeführt: 1. ökologische Energieerzeugung und Klimaschutz, 2. Natur- und Artenschutz, 3. Schutz des Landschaftsbildes und 4. Immissionsschutz. Der Schutz des Rotmilans und des Schwarzstorches steht beim Bund Naturschutz im Vordergrund. Aber nur bei drei vorgesehenen Standorten war dieser Schutzfaktor so gravierend, dass eine Ablehnung ausgesprochen wurde. Bei vier weiteren Standorten sind noch weitere Nachforschungen erforderlich. 16 Vorranggebiete fanden die Zustimmung des Bundes. Allerdings sind an der einen oder anderen Stelle Ausgleichsmaßnahmen nötig. Beispielsweise Wiederherstellung von Grünlandflächen und Kleegrasflächen weit ab von Windrädern, die als Lebensraum vom Rotmilan bevorzugt werden. So würde der Greifvogel von den gefährlichen Windrad-Flügeln ferngehalten.
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Die Bewertung der Vorranggebiete im Einzelnen Kirchhaslach-Waltenhausen: Windräder möglich. Die schnelle Aufforstung der Rodungsflächen minimiert die Konflikte mit dem Rotmilan. Breitenbrunn: Windräder möglich. Aufgrund der Rotmilan-Vorkommen sollte der Waldrand nicht mit Windrädern bestückt werden. Das Gebiet könnte deshalb nach Osten hin erweitert werden.
Fotos: Archiv allgäuALTERNATIV
Arlesried: Windräder uneingeschränkt möglich.
Im Unterallgäu könnten sich deutlich mehr Windkraftanlagen drehen, ginge es nach dem Bund Naturschutz
Neun der 23 Prüfflächen in der Planungsregion Donau-Iller liegen im Landkreis Unterallgäu. Fünf Flächen sind nach Meinung des Bund Naturschutz ohne Einschränkung für 18 bis 30 Windkraftwerke nutzbar. Drei sollten noch eingehender untersucht werden, eine Fläche wurde negativ bewertet.
Tussenhausen-Mattsies: Windräder möglich. Die Rodungsflächen sollten schnell wieder aufgeforstet werden. Stadtwald Mindelheim: Windräder möglich. Auch hier wird schnelle Aufforstung erwartet. Holzerwald Markt Rettenbach: Windräder möglich – Abstand zum FFH-Gebiet ist nach Meinung der Fachleute ausreichend. Dirlewang Rosskopf: Keine Windräder möglich. Landschaftsbild würde leiden, es sind biotopkartierte Waldbereiche vorhanden. Im Suchraum findet man reich strukturierte,
teilweise sehr alte Laubgehölze, die landschaftsprägend sind. Amberg/Wertach: Weitere Prüfung er forderlich. Hohe Rotmilan-Dichte und Jagdgebiet des schützenswerten Vogels. Babenhausen-Allmannshorn: Reduzierung des Vorranggebietes. Waldrand sollte frei bleiben. Beengende Wirkung auf den Ort Unterschönegg. Der Bund Naturschutz empfiehlt dem Planungsverband Donau-Iller, das bestehende Vorranggebiet Ollazried in den neuen Regionalplan zu übernehmen. In der zweiten Allgäuer Planungsregion 17, die die Landkreise Oberallgäu, Westallgäu und Ostallgäu umfasst, besteht seit Seehofers 10H-Regelung in der Untersuchung der Vorranggebiete Stillstand, so der Planungsverbands-Vorsitzende Stefan Bosse. Lediglich im Bereich des Lechs sind derzeit Windräder denkbar. Das Flugfunkfeuer Kempten – das angeblich im Umkreis von 15 Kilometern keine Windräder verträgt – hat sämtliche Untersuchungen der Vorranggebiete auf Eis gelegt. Allerdings wurde die Bannmeile rund um die Flugfunkfeuer in anderen Bundesländern bereits gekippt. Beim Planungsverband wartet man ab, wie die Klagen einiger Anlieger ausgehen.
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Windkraft
40 Windkraftanlagen im Windpark Borkum sind bereits gebaut
Bergfest auf hoher See Windpark Borkum mit AÜW-Beteiligung »Mit der Beteiligung am Trianel Windpark Borkum setzen die Allgäuer Überlandwerke (AÜW) einmal mehr auf erneuerbare Energien und investieren in eine ökologisch verträgliche Energiezukunft« heißt es in einer Pressemitteilung derAÜW. Über die Hälfte der Anlagen des Trianel Windparks Borkum rund 45 Kilometer vor der gleichnamigen Nordseeinsel sind am Netz. Er gilt als erster rein kommunaler Windpark in Europa. und 45 Kilometer von der Küste der Insel Borkum entfernt wird der Windpark derzeit auf einer Fläche von 56 Quadratkilometern errichtet. 80 Windkraftanlagen – Windräder Areva Wind M5000 – werden dafür in zwei Bauabschnitten von je 40 Anlagen im Meeresboden verankert. Der erste Bauabschnitt ist abgeschlossen. Die Wassertiefe
Diese Karte zeigt die Lage des Windparks in der Nordsee und seine Anbindung an die Umspannwerke an der Küste
Fotos: AÜW und Trianel
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in diesem Areal beträgt zwischen 28 und 33 Meter. Der Windenergieanlagen-Hersteller bietet mit dem M5000 das weltweit erste Windrad der Fünf-Megawatt-Klasse, das ausschließlich für den Offshore-Einsatz entwickelt wurde. Ein kurzer Blick in die Beteiligungen: Trianel wurde 1999 als Gemeinschaftsunternehmen von Stadtwerken, kommunalen und regionalen Versorgungsunternehmen gegründet, um eine gemeinsame Beschaffung auf den liberalisierten deutschen und europäischen Energiemärkten zu organisieren und Synergien zu erschließen. Der Sitz von Trianel ist in Aachen. Die fünf größten Eigentümer der Gesellschaft sind die Ewmr – Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet GmbH (24,69 Prozent Beteiligung), die Stadtwerke Aachen AG (11,97), RhönEnergie Fulda GmbH (7,50), Stadtwerke Bonn GmbH (5,85), Stadtwerke Lübeck Holding GmbH (5,16). Insgesamt sind 54 Unternehmen an der Trianel GmbH beteiligt. Die Allgäuer Überlandwerke sind mit 1,74 Prozent Beteiligung der zwölftgrößte unter den 54 Partnern. Auch die Stadtwerke Lindau (0,97 Prozent) befinden sich in der Liste der Teilhaber (Stand Februar 2014). Ein Part der Gesellschaft ist die Trianel Windkraftwerk Borkum GmbH & Co. KG, die federführend den Windpark vor Borkum verwirklicht. An ihr sind wiederum insgesamt 33 Stadtwerke und regionale
Energieversorger als Gesellschafter an dem bislang größten Windpark in der deutschen Nordsee beteiligt. Der Anteil des AÜW an dieser Gesellschaft beträgt 2,2 Prozent. Damit ist der Trianel Windpark Borkum auch der erste kommunale Offshore-Windpark Europas und unabhängig von den großen Energiekonzernen. »Die Netzanbindung läuft stabil, und auch der Frühjahrssturm Niklas hat keine Schäden verursacht«, berichtet Klaus Horstick, Geschäftsführer des Trianel Windkraftwerks. Seit Februar 2015 liefert der Windpark Strom. Bei der Inbetriebnahme der einzelnen Anlagen ist das Wetter ein wichtiger Faktor und entscheidet darüber, ob die Techniker auf See arbeiten können. »Bei relativ ruhigem Seewetter mit Wellenhöhen von unter 1,50 Metern können die Techniker gut arbeiten. Bei niedrigem Wellengang werden laufend neue Anlagen ans Netz genommen«, erklärt Horstick. Da bei den ersten Anlagen bereits die vorgeschriebene »500-Stunden-Wartung« im Gang ist, sind nicht alle Anlagen am Netz. Bei der »500-StundenWartung« wird die Anlage stillgelegt und vollständig überprüft. Die Prüfungen umfassen beispielsweise die Rotorarretierung, die Rotorbremsbeläge, das Getriebe, die Hydraulik des Gondelkranes und alle weiteren An-
lagenteile. Jede Schraube wird hierbei angefasst und nachgezogen. Insgesamt befinden sich über 110 Wartungspositionen im Wartungshandbuch. Im Internetauftritt wirbt die Windkraft Borkum: »Gemeinsam wollen wir umweltfreundlichen Strom aus Windkraft erzeugen. Dadurch leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Energie-Erzeugung aus erneuerbaren Energien und fördern den Wettbewerb. Mit Ökostrom aus dem eigenen Kraftwerk werden wir unabhängiger von den vier großen Energiekonzernen und können unseren Kunden klimafreundlichen Strom zu fairen Preisen anbieten.« Das ist auch das Ziel der AÜW.
Eine von 40 Anlagen in der Nordsee trägt das Logo der Allgäuer Überlandwerke
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Mächler und Pioniere
Im elektrischen Loch Wie das Licht nach Scheidegg kam In Scheidegg stand eines der ersten Elektrizitätswerke in Bayern. Das ist ein sehr frühes Beispiel für die beginnende Energieversorgung in Bayern durch Wasserkraft, vorangetrieben von der Idee eines einzigen Mannes. Wie alle Pioniere wurde Lorenz Rädler mit seiner Kraftwerks-Idee aber erst einmal skeptisch bis ablehnend behandelt.
enn man am Rickenbach und am Hammerbach entlanggeht, findet man immer wieder Mauerreste von ehemaligen Mühlen und Sägewerken. Die Wasserkraft wurde hier jahrhundertelang genutzt. Bis vor über 100 Jahren reihten sich zahlreiche Mühlen und Sägen entlang des Ufers. Zu einer Zeit, als man die Wasserkraft nur direkt durch Wasserräder vor Ort nutzen konnte, waren
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Foto unten: die Scheidegger Wasserfälle, heute ein Naturdenkmal und zu Zeiten von Lorenz Rädler eine Energiequelle (Foto daneben)
hier viele Handwerker angesiedelt. Oberhalb liegt die Gretenmühle; der Mahlstein, der bei den Scheidegger Wasserfällen zu sehen ist, stammt von der Fürstenmühle; es gab eine Seilerei, eine Schmiede, eine Knochenstampfmühle, eine Säge am Rickenbach und eine in Bieslings. Als es möglich wurde, die Energie des Wassers in Elektrizität umzuwandeln und über weite Strecken zu transportieren, wanderten die Gewerbe in
Foto:: Archiv allgäuALTERNATIV und Gemeindearchiv Scheidegg
die nahegelegenen Ortschaften ab. Auch die Industrie konnte sich rascher weiterentwickeln. Die Mühlen wurden verlassen, verfielen, brannten ab oder wurden vom Hochwasser mitgerissen. Lorenz Rädler (1833-1904) war ein Pionier für die Umsetzung der Wasserkraft in elektrischen Strom. Auf der Weltausstellung in Frankfurt, die er 1891 besuchte, hatte er die Möglichkeiten des elektrischen Stromes kennengelernt. Dort holte er sich die Idee, am Rickenbach nahe seinem Heimatort Lindenberg ein Elektrizitätswerk zu errichten. Lorenz Rädler erwarb das Anwesen Fürstenmühle bei den Scheidegger Wasserfällen, wo bis dahin eine Seilerei, eine Knochenstampfmühle und eine Schleifmühle von einem Wasserrad angetrieben wurden. Gegen große Ängste und Widerstände seiner Zeitgenossen nutzte er schon seit 1893 den Strom, den er hier gewann, für die elektrische Straßenbeleuchtung von Scheidegg und Lindenberg. Am 25. August 1893 wurde das Wasserkraftwerk in Betrieb genommen. Elektrisches Licht erleuchtete erstmals im Hause des Lorenz Rädler in Lindenberg in der Hauptstraße 72 und in den Gasthäusern Zum Hirschen und Zum Löwen. Ab September 1893 wurden die Straßen Scheideggs mit sieben Lampen beleuchtet. Teile der Bevölkerung hatten Angst vor dem Strom und seinen Leitungen. Es gab strenge Auflagen für die Überlandleitungen, zum Beispiel beim Überführen über Straßen. Jeder Standort der Strommasten musste von einem Vertreter des königlichen Bauamtes überprüft und bewilligt werden. Diese Pioniertat von Lorenz Rädler im Allgäu ist nicht zu unterschätzen, besonders, weil der Strom einschneidende Änderungen der handwerklichen und industriellen Struktur mit sich brachte. Die ersten stromerzeugenden Wasserkraftwerke waren meist Selbstversorgeranlagen. Es waren Fabriken oder Gewerbeunternehmen, die ihre bestehenden mechanischen Anlagen nun mit indirektem Antrieb versahen. Aber die Folge war, dass die produzierenden Unternehmen seit jener Zeit nicht mehr ortsgebunden an den Wasserläufen angesiedelt werden mussten, sondern in die Städte abwandern konnten, da der Strom
ja dorthin transportiert werden konnte. Die Elektrizität machte auch unabhängig vom Wechsel der Jahreszeiten und vom Lauf der Sonne. Was hatte Lorenz Rädler in Frankfurt gesehen? Was hatte ihn so fasziniert? Ein zeitgenössischer Bericht macht es deutlich: »Die elektrische Fernleitung und Verteilung des elektrischen Stroms wurde auf dieser Ausstellung (Frankfurter Elektrizitätsausstellung von 1891) in einer Vollkommenheit vorgeführt, wie sie früher nur in das Reich der frommen Wünsche gehörte, und neue Systeme des elektrischen Stromes, wie sie früher nicht geahnt werden konnten, zeigten sich in ihrer nützlichen Verwendung. Ferner wurden die Elektrizität erzeugenden Maschinen in einer Größe vorgeführt, wie sie auf früheren Ausstellungen noch nicht gesehen worden waren und durch welche ermöglicht wird, große Städte und weit umgrenzte Bezirke von einer Zentralstation aus zu beleuchten und durch den elektrischen Strom mit Betriebskraft zu versehen.«
Eines der ältesten Wasserkraft werke in Österrreich: Das E-Werk von Friedrich Wilhelm Schindler in Andelsbuch produziert noch heute Strom
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Mächler und Pioniere
Der Wasserspeicher des Kraftwerks Andelsbuch
Lorenz Rädler
Friedrich Wilhelm Schindler
Kaum aus Frankfurt zurückgekehrt, machte sich Rädler ans Werk. Am Rickenbach entstand sein Wasserkraftwerk. In Scheidegg und Lindenberg gab es Stromabnehmer, besonders in der Lindenberger Industrie. Die anfangs eingebaute Gleichstrom-Dynamomaschine musste bald gegen einen Wechselstromgenerator ausgetauscht werden. Für diesen lieferte der Rickenbach aber zu wenig Wasser. Deshalb wurde 1898 eine Lokomobile (Dampfmaschine, die zusätzlich Strom erzeugt) zugeschaltet. Auf alten Bildern sieht man daher immer einen hohen Kamin im Hintergrund des Kraftwerkes. Diese 300 Zentner schwere Dampfmaschine wurde schon vier Jahre später (1902) in das neu errichtete Elektrizitätsgebäude in der PrinzLudwig-Straße in Lindenberg gebracht (dieses Gebäude wurde 1985 abgerissen). Kurz nach der Jahrhundertwende wurde in Andelsbuch in Vorarlberg ein großes Wasserkraftwerk geplant. Die Firma Jenny und Schindler, die Vorgängerfirma der Vorarlberger Kraftwerke (VKW), kaufte auf der Suche nach Kunden kleinere Kraftwerke auf. So auch nach längeren Verhandlungen in Scheidegg das Wasserkraftwerk Rädler. Lorenz Rädler war 1904 gestorben, und sein Nachfolger Hugo Rädler freute sich über die Kooperationsmöglichkeit. 1909 wurde der gesamte Besitz an Jenny und Schindler verkauft. Die waren aber nicht am Werk, sondern an der Vergrößerung ihres Netzes interessiert.
Strom heute: VKW und Illwerke Die VKW ist ein Unternehmen von illwerke vkw. Die Unternehmen Vorarlberger Illwerke AG und Vorarlberger Kraftwerke AG sind seit Anfang 2001 gesellschaftsrechtlich verbunden. Durch Einbringung der ursprünglich vom Land Vorarlberg gehaltenen Aktienanteile an der VKW in die Illwerke sind die Illwerke nunmehr zu rund 98,05 Prozent am Grundkapital der VKW beteiligt, die restlichen rund zwei Prozent befinden sich im Streubesitz. Die Zentrale Bregenz befindet sich in der Weidachstraße in Bregenz. Wichtige Organisationseinheiten sowie die Vorarlberger Ener-
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gienetze GmbH – ein weiteres Unternehmen von illwerke vkw – sind dort untergebracht. Zudem befinden sich dort die Kraft werke »Rieden-Alt« (1914 – 2004), »Rieden-Neu« (ab 2005) und die Umspannanlage Rieden. Das Arbeitsgebiet von illwerke vkw bietet zahlreiche attraktive Ausflugsziele. Auch Besichtigungen von Kraftwerksanlagen sind möglich. Schulen, Universitäten, Unternehmen und Vereine nützen dieses Angebot, das ab einer Gruppengröße von zehn Personen bei Voranmeldung an Werktagen ganzjährig gebucht werden kann. Die Führungen sind kostenlos. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten, Energie zu erleben: www.illwerkevkw-welten.at
In Vorarlberg gab es mit Friedrich Wilhelm Schindler ebenfalls einen Pionier. Der hatte bei der Elektrizitätsausstellung 1881 in Paris schon die elektrische Energie mit den vor allem Anwendungsformen kennengelernt. Ihn faszinierte besonders die Kohlefadenglühbirne von Thomas Edison. Am 26. Januar 1908 wurde das damals größte Wasserkraftwerk der k.k-Monarchie in Andelsbuch in Betrieb genommen. Was danach kam, ist schnell erzählt: Gegen die produzierten Strommengen aus Andelsbuch kam die kleine Turbine am Rickenbach nicht an. 1927 wurden die Anlagen ausgebaut und das Werk eingestellt. Vier Jahre später (1931) wurde das Grundstück dann von der Scheidegger Gemeinde gekauft. Heute sind die Scheidegger Wasserfälle ein beliebtes Ausflugsziel. 2004 wurden sie von der bayerischen Landesregierung in die Liste »Bayerns schönster Geotop« aufgenommen. Zur Demonstration der mechanischen Kraft des Wassers wurde 2007 eine mechanische Widderanlage errichtet. 2009 wurden eine Schauturbine aufgestellt, diverse Wasserspiele und ein Kinderkarussell eröffnet. All das wird durch Wasserkraft angetrieben. Während die Natur bei den Scheidegger Wasserfällen wieder Einzug hielt und ein touristischer »Hotspot« entstand, blieb das Wasserkraftwerk in Andelsbuch am Netz. Eingebettet in die umliegenden Wälder und Wiesen, versteckt sich das Wasserkraftjuwel noch heute im Ortsteil Bersbuch. Das Kraftwerk Andelsbuch gehört mittlerweile zu den ältesten Kraftwerken Österreichs, die noch in Betrieb sind. Die Anlage, etwas abseits der Bregenzerach gelegen, bezieht das Wasser zur Energieerzeugung aus einem Staubecken. Von dort aus fließen die Wassermassen auf die Francis-Turbinen des Krafthauses und treiben die fünf Maschinensätze an. Jedes Jahr liefert das Kraftwerk heute noch rund 50,5 Millionen Kilowattstunden Strom – damit lässt sich der jährliche Strombedarf von 10.000 Haushalten decken. Das im Jugendstil errichtete Gebäude zieht nach wie vor Gäste wie Einheimische an. Nie wieder wurden in der folgenden Technik-Geschichte solch architektonisch faszinierende Industriegebäude errichtet. Früher spielte eben über die Funktion hinaus auch die Ästhetik noch eine tragende Rolle.
Natur-Klima
Hundert Prozent bis 2050 »Klima schützen – Kempten handelt« Mit dem »Masterplan 100 Prozent Klimaschutz bis 2050 hat der Stadtrat der Allgäu-Metropole das lokale Masterplankonzept und die langfristige Klimaschutz-Strategie der Stadt Kempten bis zum Jahr 2050 beschlossen. Die Handlungsschwerpunkte des KlimaschutzMasterplankonzeptes liegen in den Bereichen Stadtplanung, Mobilität, Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung.
as wissenschaftliche Konzept entstand in einem etwa anderthalbjährigen Prozess unter der Federführung des Klimaschutzmanagers der Stadt Kempten, Thomas Weiß, gemeinsam mit dem Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!). Die quantitative Grundlage bildet eine aktualisierte Bilanz der Energie- und Treibhausgas-Emission. Darauf aufbauend wurden Zukunftsszenarien für den Zeitraum bis zum Jahr 2050 erarbeitet, die aufzeigen, wie die Ziele des Masterplanprojektes in Kempten erreicht werden
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Die Stadt Kempten (Foto oben) im Allgäu will Vorbild im Klimaschutz sein. Car-Sharing mit den Stadtflitzern (Foto linke Seite) ist schon heute im Angebot
können. Die übergreifenden Ziele sind die Halbierung des derzeitigen Energieverbrauchs sowie eine drastische Absenkung klimaschädigender Treibhausgas- und CO2Emissionen um bis zu 95 Prozent. Bemerkenswert ist, dass bereits das Konzeptpapier kein solches mehr ist. Denn es wurde nicht gedruckt, sondern einfach ins Internet gestellt. Hätte Thomas Weiß den Plan 20.000-mal drucken lassen, wären bei 64 Seiten 15.003 Kilogramm CO2 angefallen. Das Klimaschutzmanagement Kempten, das derzeit mit einer Vollzeitstelle (Thomas Weiß) besetzt ist, hat in einem eigenen »Visionskapitel« am Anfang des Planes beschrieben, wie die zu einer Klimaschutzstadt umgebaute Allgäu-Metropole im Jahr 2050 aussehen wird und wie sich das Leben im Jahr 2050 in Kempten gestalten könnte.
Das Herzstück des Plans Herzstück des Masterplankonzeptes ist das Kapitel »Leit- und Schlüsselprojekte«. Darin findet sich eine umfangreiche Klimaschutz-Projektliste, die unter Beteiligung des Energieteams der Stadt Kempten, der im Stadtrat vertretenen Fraktionen sowie der Teilnehmer am ersten Kemptener »Klimaschutz-Bürgerforum« entwickelt wurde. Die dort gesammelten Klimaschutz-Ideen wurden in Leitprojekten zusammengefasst, von denen der Umweltausschuss insgesamt zehn als sogenannte Schlüsselprojekte ausgewählt hat, deren Umsetzung erforderlich ist, um die hochgesteckten Ziele des Masterplans in Kempten umzusetzen. Ein weitgehendes Überwachen der Fortschritte soll die mit der Umsetzung der verschiedenen Klimaschutzprojekte erreichten Energie- und Emissionseinsparungen zählbar und sichtbar machen und gleichzeitig der Qualitätssicherung dienen. Die ersten vier konkreten Projekte aus dem Konzept sind bereits in Arbeit: • Pilotprojekt Energieeffizienz im Einzelhandel und Auswahl eines Stadtquartiers, in dem eine umfassende energetische Sanierung durchgeführt wird • Planung und Errichtung eines Fahrrad-Parkhauses 64
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• Umgestaltung des Masterplankonzeptes zu einer Bürgerbroschüre, die jetzt bereits vorliegt • Projekt zur Steigerung der Energieeffizienz in privaten Haushalten Das Pilotprojekt im Einzelhandel läuft derzeit in der Bahnhofsstraße zwischen Forum und Freudenberg. Alle Geschäfte in diesen Bereich wurden besucht, die Analyse ist gemacht, die Ergebnisse werden demnächst vorgestellt. Ob und wie die Einzelhändler sich an die Umsetzung machen, kann vom Klimaschutz-Manager nur beobachtet werden. Eine Vorschrift dazu gibt es nicht. Allerdings hofft Thomas Weiß, dass dieses Pilotprojekt so große Öffentlichkeitswirkung entfaltet, dass das Konzept sich über das ganze Stadtgebiet ausweitet – es gibt schließlich den Anreiz der Einsparpotenziale. »Zukünftig weniger Geld auszugeben – das muss doch interessant sein«, so der Klimamanager. Das Fahrrad-Parkhaus ist weiterhin im Plan für die Stiftstadt Ost, wurde aber zugunsten anderer Projekte zunächst zurückgestellt. In Sachen Energie-Effizienz in privaten Haushalten dagegen ist man in Kempten schon einen Schritt weiter. Der StromsparCheck der Diakonie ist laut Weiß ein voller Erfolg. Zusammen mit dem Landkreis Oberallgäu wird kontinuierlich an diesem Thema weitergearbeitet. Der Masterplan stellt in vier Kapiteln vor, was jeder einzelne Kemptener tun kann, um das Ziel 2050 zu erreichen. Konsum, Mobilität, Wohnen und Energieversorgung sind die Bereiche, die näher beschrieben werden. In allen vier Bereichen wird der Bürger aufgeklärt, wie der Stand der Dinge ganz allgemein in Deutschland, Europa und der Welt ist. Aber immer wieder wird auf die spezielle Situation in der Stadt eingegangen.
Einkauf und Konsum Es wird allgemein darauf hingewiesen, dass in Zukunft bei Einkauf und Konsum mehr als bisher persönliche Dinge getauscht, geteilt oder ausgeliehen werden sollen. Speziell für Kempten informiert der Plan, dass überflüssig gewordene Elektrogeräte in Kempten in Second-Hand-Läden verkauft werden können. Gleiches gilt für Möbel, die im Kaufhaus Allerhand zu günstigen Konditionen neue Besitzer suchen. Im Repair-Cafe im Kempodium stehen Experten in den verschiedensten Fachrichtungen bereit, Dinge zu retten, die zum Wegwerfen viel zu schade sind. Zum Konsum gehört die Ernährung. Der Leitfaden der Stadt Kempten empfiehlt: »Am besten regional, saisonal, bio und fair.« Logisch, dass an dieser Stelle der Hinweis auf den Kemptener Wochenmarkt steht. Aber auch der Tipp, sich über die Interessengemeinschaft »Essbare Stadt Kempten« oder die Aktion »Foodsharing« über weitere nachhaltige Möglichkeiten zu informieren.
Mobilität und Verkehr 35.090 Pkw gibt es augenblicklich in Kempten. Das bedeutet, dass pro Einwohner 0,53 Autos zugelas-
sen sind. Derzeit verbrauchen die Fahrzeuge im Stadtgebiet 288.165 Quadratmeter Stellfläche – also etwa so viel wie 40 Fußballfelder. Das Ziel 2050: 0,31 Pkw/Einwohner. Kempten will dabei eine deutliche Umgestaltung des Verkehrs in Richtung E-Mobil, Carsharing und Klimafreundlichkeit in den Unternehmen. Der Masterplan weist an dieser Stelle auf die Möglichkeit hin, in der Stadt schon heute über www.stadtflitzercarsharing.de E-Autos zu mieten.
Abschreiben oder neu erfinden? Oberbürgermeister Thomas Kiechle sagt in seinem Vorwort zum Klimaschutz-Masterplan: »Diese Bürgerbroschüre möchte Sie motivieren, sich mit den aufgezeigten Themen auseinanderzusetzen, für den Klimaschutz und für mehr Lebensqualität aktiv zu werden.« Damit spricht er vor allem seine Kemptener Bürger an. Dass die vorbildliche Klimaschutz-Arbeit der Stadt Kempten aber im Internet mit dem Copyright-Schutz versehen ist, finden wir bedauerlich. Eigentlich sollte die Vorarbeit vom Klimaschutz-Team
Bereits heute haben Bürgerinnen und Bürger in Kempten die Möglichkeit, sich »Stadtflitzer« im Carsharing auszuleihen
um Thomas Weiß zumindest für alle Allgäuer Kommunen Vorbild sein und zur Nachahmung empfohlen werden – insbesondere, weil das Projekt vom Bundesministerium für Umwelt gefördert wurde. Wir von allgäuALTERNATIV gehen aber davon aus, dass der Rechtsschutz nicht zu eng gemeint ist. Wir verstoßen mit diesem Bericht gerne etwas dagegen. Denn der Klimawandel macht weder vor den Toren Kemptens noch vor den Allgäu-Por talen halt. So großartige Ziele, wie Kempten sie sich vorgenommen hat, erreichen wir nur gemeinsam. Und manchmal ist »abschreiben« besser als »neu erfinden«.
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Natur-Klima
Schwimmbäder tragen beim Energiesparen intensiv zu einem guten Gesamtergebnis bei. Das Cambomare, Kemptens attraktives Bad, ist vorbildlich in den Klimaschutz eingebunden
Den Umbau des Stadtverkehrs geht Kempten mit einer groß angelegten Bürgerbeteiligung an. Etwa 80 interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie zahlreiche Verantwortliche aus Verwaltung und Politik kamen am 19. Mai in den Saal des Kornhauses zur Auftaktveranstaltung für die Erarbeitung des Mobilitätskonzeptes 2030. Das Verkehrsplanungsbüro ModusConsult und das Büro »Urbanes Wohnen« begleiten dieses Beteiligungsverfahren. Bis Januar 2016 sollen die Bürger viermal zusammenkommen. An diesem ersten Abend markierten die Teilnehmer auf einem großen Luftbild der Stadt ihren Wohnort. Die beiden Büros und die Stadtverwaltung setzen beim Umbau des Stadtverkehrs auf das Detailwissen der Bürgerinnen und Bürger. Keiner kennt die Situation in seinem Viertel besser als der Mensch, der dort wohnt. An fünf regionalen Tischen brachten die Teilnehmer ihre Alltagsexpertise in die Bestandsaufnahme ein. Auf insgesamt ca. 250 Kärtchen wurden die Probleme und Notwendigkeiten notiert und jeweils mit einem Fähnchen im Stadtplan verortet.
Wohnen, Strom & Wärme
Bereits im Kindergarten werden die Jüngsten mit einfachen Versuchen und Spielen auf den Klimaschutz vorbereitet (Foto oben). Klimaschutz-Manager Thomas Weiß (Foto unten, stehend) bespricht mit Oberbürgermeister Thomas Kiechle den Internet-Auftritt des Masterplanes
Mehr noch als der Verkehr belasten Wärme und Stromverbrauch die deutsche Umweltbilanz. In Kempten werden heute pro Einwohner 1152 kWh Strom und 5983 kWh für Wärmeerzeugung verbraucht. 2050 sollen diese Werte auf 740 kWh Strom und 1700 kWh für Heizung sinken. Nicht unerwähnt bleibt im Masterplan, dass Kempten bereits heute 23 Prozent der Wärme aus Holz, Altholz und energetischer Abfallverwertung bezieht. Ziel des Masterplans ist es, die Fernwärmenetze weiter auszubauen, die kostenfreie Energieberatung durch eza!, die Diakonie und weitere Partner für einkommensschwache Haushalte durch geschulte Stromsparhelfer zu unterstützen. Die Energiewerkstatt Kindergarten, die Energiewerkstatt Schule, das Programm Fifty-Fifty und die Azubi-Klimaschutzgruppe führen den Nachwuchs gezielt an die Aufgaben des Energiesparens und des Klimaschutzes heran. Bereits voll im Gang ist die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf stromsparende LEDs. Von 2009 bis heute konnte der Verbrauch um 38 Prozent gesenkt werden – mehr als eine Million Kilowattstunden wurden eingespart. Die Stadt geht bei ihren eigenen Gebäuden mit einem ausgeklügelten Management voran. Von 2000 bis 2013 wurden die kommunalen Emissionen bereits um 60 Prozent reduziert. Beratung von Unternehmen und Handel sollen auch in diesem Bereich erhebliche Einsparungen möglich machen. Ein ganz großes Feld, um messbare Erfolge zu generieren, ist der Wohnungsbau. Altbausanierung und energieeffiziente Neubauten tragen dazu bei, die gesteckten 2050er-Ziele zu erreichen. Die Altbautage, die jährlich in der Hochschule Kempten stattfinden, werden im Masterplan als Info-Plattform genannt: »Etwa 10.000 Besucher nutzen das Angebot, sich bei 80 Aus-
Fotos: Peter Elgaß, Cambomare, Dr. Hans Jörg Barth (eza!), Stadt Kempten
Oben: sympathische Werbung für ein vorbildliches Klimaschutz-Langzeitprojekt. Die beiden Fotos rechts wurden bei der ersten Veranstaltung zum Mobilitätskonzept aufgenommen. 80 Bürger kamen und beteiligten sich intensiv
stellern über Bau- und Sanierungsthemen praktisch und theoretisch zu informieren.«
Erneuerbare Energien Bundesweit, so die Information des Kemptener Konzeptes, ist es das Ziel, von Kohle, Erdöl und Erdgas wegzukommen und die klimafreundlichen Energiequellen Wind, Wasser, Sonne und Biomasse möglichst sinnvoll zu fördern. Kempten will bis 2050 seinen Strom-Mix zu 95 Prozent aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Wichtig zum Erreichen dieses Ziels ist es, den Jahresverbrauch der Stadt von derzeit über 1.800.000 MWh auf 700.000 MWh mehr als zu halbieren. Mit den Allgäuer Überlandwerken (AÜW), die zu 82 Prozent der Stadt gehören, hat Kempten in Sachen Wasserkraft gegenüber vielen anderen Kommunen, die auf die »großen Vier« im Strommarkt angewiesen sind, heute schon die Nase vorne. Technische Ausbauten und Verbesserungen bestehender Anlagen sind aber noch möglich. Die Solarenergie ist laut Masterplan auf einem guten Weg. Der Bürger-Solarpark Ursulasried ist ein Vorzeigeprojekt und das Solarkataster-Allgäu die Voraussetzung für weiteren gezielten Zubau an Solaranlagen. Weniger bedeutsam für die lokale Versorgung sind in der Allgäu-Metropole Wind und Biogas. Von regionaler Bedeutung aber ist der in der Stadt angesiedelte Zweckverband Abfallwirtschaft Kempten, der
immerhin 1400 Haushalte über seine Biomüll- und Grüngut-Vergärungsanlage in Kempten mit Strom versorgt. Alle Biogasanlagen der Stadt sorgen aber nur für zwei Prozent des notwendigen Stroms. Als Stadt verfügt Kempten nicht über große landwirtschaftliche Flächen. Biogas wird also nur die Nummer vier bei den Alternativen bleiben. Ähnlich verhält es sich in Sachen Windenergie. Hier führt der Masterplan aus: »Windkraft gehört im Allgäu zu einem ausgewogenen Strom-Mix. Der Wind bläst vor unserer Haustür. Laut der vom AÜW in Auftrag gegebenen Studie (PEESA) sogar mit einem Potenzial von 140 Windkraftanlagen. Wegen der festgelegten Ausschlussgebiete kann derzeit nur ein kleiner Teil der Anlagen realisiert werden.«
Info: Klimaschutzmanager Thomas Weiß ist Ansprechpar tner bei der Stadt Kempten für alle Fragen rund ums Thema Klimaschutz. Telefon: 0831 2525-8123; E-Mail: klimaschutz@kempten.de Im Internet ist das Konzept zu finden unter: www.kempten.de/de/media/masterplankonzeptklimaschutz2050-kempten1213.pdf
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Landschaftserhalt
Weidende Ziegen sollen dafür sorgen, dass die Adelegg als Kulturlandschaft erhalten bleibt
Ziegen für die Adelegg Natur- und Kulturlandschaft erhalten Die Adelegg ist ein ganz besonderer Lebensraum – für Mensch, Fauna und Flora. Das Tal ist aber einem grundlegenden Wandel unterworfen, weil die Landwirtschaft sich stark verändert, sich in der kleinräumigen Voralpenlandschaft nicht mehr lohnt. Eine Stiftung und die Öffentlichkeit setzen sich dafür ein, dass die Kulturlandschaft erhalten bleibt – die Ziegenhaltung spielt dabei eine große Rolle.
ie Adelegg im Dreieck zwischen Isny, Leutkirch und Buchenberg ist eine weitgehend bewaldete Mittelgebirgslandschaft im westlichen Landkreis Oberallgäu (und im östlichen Landkreis Ravensburg, (Baden-Württemberg). Die Adelegg mit dem Glasmacherdorf Kreuzthal im Zentrum ist knapp 150 Quadratkilometer groß. Ein besonderes Kennzeichen sind blütenreiche Magerrasen, Extensivwiesen und -weiden in noch vergleichsweise hoher Dichte als Zeugen einer jahrhundertealten Kulturlandschaft. Es handelt sich meist um sehr steile und klimatisch ungünstige Höhenlagen, die kaum mit Maschinen bearbeitet werden können. Die unrentablen Bewirtschaftungsbedingungen und der Strukturwandel in der Landwirtschaft haben
Umweltministerin Ulrike Scharf stand Schülerinnen und Schülern bei der Feierstunde als Interviewpartnerin zur Verfügung
Fotos: Sepp Bauer, ,Leona Post, Redaktion
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dazu geführt, dass die landwirtschaftliche Nutzung in den letzten Jahrzehnten auf immer mehr Flächen aufgegeben und die Bergwiesen aufgeforstet wurden. Bei den verbliebenen Flächen ist teilweise eine stark fortschreitende Verkrautung und Verbuschung festzustellen. Auch hier würde über kurz oder lang wieder Wald entstehen. Die Folge wäre der Verlust einer bedeutenden Kulturlandschaft, zahlreiche gefährdete Offenlandarten würden verschwinden, und die Attraktivität der abwechslungsreichen Landschaft für Bewohner und Erholungsuchende würde verloren gehen. Um die vielfältige, aber wirtschaftlich eher unrentable Kulturlandschaft der Adelegg langfristig zu erhalten, hat sich die Adelegg-Stiftung gegründet und sich zum Ziel gesetzt, den Biotopverbund für Magerund Trockenstandorte langfristig zu sichern und zu entwickeln, die Flächennutzung nach naturschutzfachlichen Kriterien zu optimieren und begleitend Maßnahmen zur Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit umzusetzen. Die Adelegg-Stiftung als Projektträger hat dazu einen Landschaftspflegehof mit einer Heubergehalle errichtet, der an einen Milchziegenhalter verpachtet wird. Der Ziegenhalter verpflichtet sich, aus der Bewirtschaftung fallende Wiesen und Weiden zu pachten und deren extensive Beweidung mit Rindern und Ziegen zu übernehmen. Die Intensität wird über ein naturschutzfachlich ausgerichtetes Beweidungskonzept gesteuert. Künftig soll die Ziegenmilch in der am Landschaftspflegehof geplanten Käserei zu hochwertigen regionalen Produkten verarbeitet und vermarktet werden. Im Projektgebiet kommt eine Vielzahl wertvoller Lebensräume vor. Dazu zählen farbenprächtige Berg-
Ende Juni wurde der Landschaftspflegehof mit Heubergehalle eingeweiht
Mähwiesen, Silikat-Magerrasen (sogenannte Borstgrasrasen), extensive Bergweiden und sehr kleinflächig auch Kalk-Magerrasen. Oftmals sind sie mit Quellaustritten, Tümpeln und kleinen Vermoorungen durchsetzt und an den Rändern mit naturnahen Laubwäldern und Gehölzen verzahnt. Das vielfältige Lebensraummosaik bietet zahlreichen Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum – über 110 typische und bedrohte Arten kommen hier vor. Zu den floristischen Kostbarkeiten zählen Kleines Knabenkraut, Arnika, Silberdistel und Schwalbenwurz-Enzian. Die blütenreichen Bestände sind für Insekten ein wahrer Genuss. Schmetterlinge wie Brauner Feuerfalter, Silberfleck-Perlmuttfalter und HauhechelBläuling finden hier Nektar und Eiablagepflanzen. Bundesweit nur in der Adelegg nachgewiesen wurde der Nachtfalter mit dem sonderbaren Namen »Gebirgs-Zwerg-Sackträger«. Typisch für die mageren und trockenen Standorte sind Heidegrashüpfer, Warzenbeißer und Feldgrille. Eine Württemberger Rarität ist das Vorkommen der Alpinen Gebirgsschrecke. An Quellen findet man die Gestreifte Quelljungfer, kleine Vernässungen und Tümpel auf den Weiden werden von der europaweit bedrohten Gelbbauchunke zum Laichen genutzt. In einem ersten Projektschritt wurde Ende Juni der Landschaftspflegehof eingeweiht. Dazu kam Umweltministerin Ulrike Scharf höchstpersönlich, um dem Projekt Adelegg Gewicht zu verleihen. Sie überbrachte dem neuen Projektleiter Oliver Post einen Scheck über 130.000 Euro, eine Förderung aus dem Bayerischen Naturschutzfond und der Glücksspirale. Da die Adelegg in Bayern und Baden-Württemberg grenzübergreifend liegt, kamen auch aus Stuttgart 36.000 Euro aus der Stiftung Naturschutz BadenWürttemberg. Die Umsetzung des BayernNetzNaturProjektes wird weiterhin ermöglicht durch eine Förderung des Stallgebäudes (35 Prozent) und der geplanten Ziegenmilch-Käserei (25 Prozent) durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Weitere Förderung der extensiven Flächenbewirtschaftung und der Landschaftspflegemaßnahmen wird durch Mittel der Landschaftspflegerichtlinie in Baden-Württemberg und der Agrarumweltmaßnahmen und Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinie in Bayern ermöglicht.
Extensive Landwirtschaft prägt heute das Bild der Allgäuer Vorgebirgs-Landschaft
Informationen zu BayernNetzNatur Am Anfang stand 1986 das Bayerische Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP). Nachdem der bayerische Landtag 1998 die »Schaffung eines landesweiten Biotopverbundes« im Bayerischen Naturschutzgesetz verankert hatte, wurde aus den ABSP-Projekten das BayernNetzNatur. Die Staatsregierung beschloss, die Anzahl der BayernNetzNatur-Projekte von damals 150 auf 300 zu verdoppeln. Aktuell existieren 392 BayernNetzNatur-Projekte, die zur Erhaltung der bayerischen Naturvielfalt beitragen. Die Grundprinzipien von BayernNetzNatur sind Freiwilligkeit und Kooperation. »Freiwilligkeit« bedeutet, dass auf hoheitliche Maßnahmen (z.B. die Ausweisung von Schutzgebieten) verzichtet wird. Der Freistaat Bayern unterstützt BayernNetzNatur vielmehr im Rahmen verschiedener Förderprogramme, z.B. des Vertragsnaturschutzprogramms oder der Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinien. Auch Gelder des Bayerischen Naturschutzfonds stehen für die Umsetzung von BayernNetzNatur zur Verfügung. »Kooperation« steht für die Zusammenarbeit
Kreuzthaler Bürgerstiftung KulturLandschaft Adelegg Die Kreuzthaler Bürgerstiftung KulturLandschaft Adelegg will als Träger, Initiator und Förderer von Projekten und Initiativen auftreten, die zum Erhalt der Schönheit dieser historischen Kulturlandschaft beitragen. Neben der Bedeutung der Adelegg als Erholungsraum und dem Schutz seltener Pflanzen und Tiere, die hier ihre Rückzugsgebiete haben, geht es den Stiftern vor allem um die Bewahrung eines landschaftlichen Juwels – um den Erhalt ihrer wunderschönen Heimat. Die Stiftung will ihre Ziele nach Möglichkeit durch Hilfe zur Selbsthilfe verwirklichen. Sie will regionale Kreisläufe anstoßen, nachbarschaftliche, regionale und kulturelle Bezie-
aller relevanten Akteure vor Ort. Dazu gehöre z.B. Landnutzer, Grundeigentümer, Kommunen, Verbände und Behörden, aber auch interessierte Bürgerinnen und Bürger. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich Naturschutzprojekte nur dann erfolgreich umsetzen lassen, wenn alle relevanten Institutionen »an einem Strang ziehen«. Für BayernNetzNatur-Projekte gelten folgende formalen Kriterien: • Eine wenigstens überregionale Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz, zumindest auf Teilflächen. • Eine Projektgebietsgröße von mindestens einem Quadratkilometer. • Mindestens ein Projektträger muss die Verantwortung für das Projekt übernehmen. Er kümmert sich um die Abwicklung des Projekts und übernimmt in der Regel den Eigenanteil bei der Finanzierung. • Untere und höhere Naturschutzbehörde bescheinigen dem Projekt formlos, dass es sich um ein Projekt im Sinne des Naturschutzes handelt. www.naturvielfalt.bayern.de/strategie www.bayernnetznatur.de
hungsnetze knüpfen und soziales und gesellschaftliches Engagement fördern. Sie lädt alle Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen der Region ein, sich entsprechend ihren Möglichkeiten, Fähigkeiten und Interessen materiell und ideell für die Ziele der Kreuzthaler Bürgerstiftung KulturLandschaft Adelegg zu engagieren. Die Stiftung wurde im Frühjahr 2011 von 46 Kreuzthaler Gründungsstiftern mit dem notwendigen Grundstockvermögen von 50.000 Euro ins Leben gerufen. Der Stiftung gehören derzeit über 50 Einzelpersonen vor allem aus der Adelegg an. Der Landkreis Oberallgäu und die Kommunen Isny, Leutkirch, Kempten und Buchenberg sind dabei. Firmen, Verbände und Einzelpersonen sind bereits als Spender aufgetreten. Die Laufzeit des Adelegg-Projektes ist bis Ende 2017 vorgesehen.
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Genetik
Gute und böse Manipulation Zwischen Sojabohne und Vaterschaftstest Solange es um den medizinischen Fortschritt geht, hat kaum jemand etwas gegen Gentechnik. Was auf unseren Tellern landet, soll dagegen frei sein von verändertem Erbgut. Der Fachjournalist Roland Knauer gibt Einblicke in die Debatte zwischen Wissenschaftlern und ihren Kritikern ie Schlagzeilen waren eindeutig: »Ja, gentechnisch veränderte Organismen sind giftig« titelte die französische Zeitung Nouvel Observateur am 20. September 2012. In der ZDF-
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Nachrichtensendung »Heute« hieß es am gleichen Tag zum selben Thema »Höheres Krebsrisiko durch GenMais«, etliche Medien in Europa brachten ähnliche Berichte. Ein Wissenschaftler der Universität Caen hatte eine Studie veröffentlicht, nach der gentechnisch veränderter Mais in Ratten Krebs verursache. Zwar warfen die allermeisten Fachkollegen dem Forscher rasch schwerwiegende wissenschaftliche Fehler vor. Das aber machte weit weniger Schlagzeilen. Vielleicht, weil die Gentechnik in der Öffentlichkeit und in den Medien selbst unter Generalverdacht steht?
Nicht auf dem Bauernhof Immerhin sorgen sich nach einer im Januar 2015 von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und dem Institut für Demoskopie Allensbach veröffentlichten Umfrage 82 Prozent der über 16Jährigen in Deutschland über den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Nur zehn Prozent verbinden damit Hoffnungen. In der gleichen Umfrage behaupten allerdings gerade einmal sieben Prozent, sich ganz gut mit der Gentechnik in der Landwirtschaft auszukennen, während 56 Prozent unumwunden zugeben, darüber kaum etwas zu wissen. Was ist das also überhaupt, Gentechnik? Weshalb lehnen in Deutschland viele Menschen diese Methode ab, wenn sie auf Mais, Soja und andere Nutzpflanzen angewendet wird? Zugleich ist die Gentechnik aus vielen anderen Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken – vom Vaterschaftstest bis zu gentechnisch erzeugten Impfstoffen. Kriminalbeamte halten den genetischen Fingerabdruck längst für genauso unverzichtbar wie Ärzte genetische Diagnosen. Die Gentechnik arbeitet mit dem Erbgut, also mit der Grundlage allen Lebens: Mit gerade einmal vier Bausteinen liefert das Erbgut die Konstruktionspläne für alle Organismen auf der Erde. Die Reihenfolge dieser in langen Strängen angeordneten Bausteine wird nach einem festen Code in die Moleküle des Lebens übersetzt – und dieser Code ist in jedem bisher untersuchten Organismus der gleiche. Seit der Entstehung des Lebens, also seit dreieinhalb Milliarden Jahren, hat sich auf dieser relativ einfachen Grundlage eine riesige Vielfalt entwi-
ckelt, von winzigen Bakterien und anderen Einzellern über Moose, Algen, Gräser und Bäume bis zu Insekten, Würmern, Vögeln und Säugetieren.
Insulin abweicht, beim Rinderinsulin unterscheiden sich sogar drei Bausteine. Diese Unterschiede führten dazu, dass etliche Patienten – allein in Deutschland leiden mehr als eine halbe Million Menschen an Diabetes vom Typ I – dieses Insulin aus dem Schlachthof nicht vertrugen. Dabei waren sie darauf angewiesen, weil ihr Körper das Hormon nicht mehr produzierte. Gentechniker haben bereits 1979 die Erbinformation für das menschliche Insulin auf Bakterien und Hefezellen übertragen, die das Hormon dann auch produzierten. 1987 erhielt dieses Humaninsulin erstmals die Zulassung als Medikament. Weitere Erfolgsgeschichten folgten bald: 1991 kam das menschliche Wachstumshormon Somatotro-
Gentechniker können daher aus dem Vollen schöpfen und zum Beispiel Erbeigenschaften zwischen Organismen verschiedener Arten übertragen. Da der Code in allen Lebewesen gleich ist, sollte die Information intakt bleiben. Damit können die Forscher zum Beispiel Bakterien mit der Erbeigenschaft für menschliches Insulin ausrüsten. Die Mikroorganismen stellen dann dieses Hormon her, das anschließend als Medikament für Diabetes-Patienten eingesetzt werden kann. Genau das Gleiche macht die Natur: Sie tauscht Erbeigenschaften zwischen verschiedenen Bakterien, aber auch zwischen Bakterien und Pflanzen, Viren und Säugetieren sowie vielen anderen Organismen aus. 1978 holte der Gentechnologe Paul Berg von der Stanford Universität in Kalifornien diesen Vorgang ins Labor, als er ein Stück Erbgut von einem Kaninchen auf die Zellen eines Affen übertrug. Die Information funktionierte dort genau wie vorher: Die Affenzellen produzierten ein Eiweiß, das vorher nur die Kaninchenzellen bilden konnten. Eine neue Wissenschaft war entstanden, die Gentechnologie.
Insulin dank Gentechnik Nicht einmal ein Jahrzehnt später begann diese Technik, im großen Maßstab Menschenleben zu retten. Bis dahin wurde Insulin für Diabetes-Patienten aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern und Schweinen gewonnen. Immer wieder gab es Probleme, weil ein Baustein des Schweineinsulins vom menschlichen
Fotos: Dominik Ultes, phokrates/fotolia, Syda Productions/fotolia
Die Auswahl ist groß
Foto linke Seite und oben: Mais und SonnenblumenMonokulturen stehen in der Kritik der Verbraucher und Verbände – Genmanipulation wird hier nicht gewünscht
Gentechnik in der modernen Medizin hingegen wird kaum beachtet und kritisiert
Genetik Medizinische Lebensretter Rund 8000 Blutern in Deutschland steht seit 1993 ein gentechnisch hergestellter Blutgerinnungsfaktor zur Verfügung. Die seit 1994 zugelassene humane DNAse lässt 6000 bis 8000 Kinder leichter atmen, die an Mukoviszidose leiden. Erythropoetin hilft rund 60.000 Patienten mit Nierenversagen – die Liste der gentechnisch erzeugten Substanzen wird nicht nur in der Medizin jedes Jahr länger. Diese Erfolge zählen so selbstverständlich zum Alltag, dass die Medien kaum noch darüber berichten.
Regeln sind noch unklar
Ein großer Teppich von Begriffen dokumentiert: Die Gentechnik ist bereits vielfach verbreitet
pin auf den Markt, durch das 100.000 Deutsche mit einer Unterproduktion dieser Substanz eine normale Körpergröße erreichen konnten. Vorher wurde der Wirkstoff aus den Körpern Verstorbener gewonnen; in wenigen Fällen ist dabei die Creutzfeldt-JakobKrankheit übertragen worden, die das Gehirn der Betroffenen zerstört.
Der Autor
Ständige Neugier beschreibt das Leben von Roland Knauer wohl seit seiner Geburt 1957. Ein Studium der Chemie weckte seine erste
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Neugier nach dem Abitur, die 1987 abgeschlossene Promotion führte ihn in die damals noch jungen Disziplinen der Molekularbiologie, Virologie und Immunbiologie, die er ausgiebig mit Biologie-Vorlesungen ergänzte. Danach blieb ihm eigentlich nur noch der Journalismus, um seine Neugier auch beruflich auf weitere Felder der Naturwissenschaften auszudehnen und seine neuen Informationen auch postwendend an andere Neugierige weiterzugeben. Mehr über ihn und seine Arbeit lesen Sie unter www.naturejournalism.info
Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn die Gentechnik auf den Acker soll. Wenn das Erbgut von Mais oder Baumwolle verändert wird, damit die Pflanzen schädliche Insekten abwehren oder besser mit Unkrautvernichtungsmitteln klarkommen, laufen Umweltverbände wie Greenpeace und BUND dagegen Sturm. Sie befürchten unkalkulierbare Risiken. Die EU erlaubt den Anbau einiger gentechnisch veränderter Pflanzenarten. Allerdings sollen die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit bekommen, per Ausstiegsklausel den Anbau zu verbieten. Ob es dafür in Deutschland eine bundesweite Regelung geben oder der Bund die Entscheidung den Ländern überlassen wird, ist noch nicht klar. Eine der zugelassenen Genpflanzen ist der Mais: So haben Gentechniker eine Erbinformation aus einem Bakterium in Maispflanzen eingebaut. Dadurch produziert der Mais einen Wirkstoff, der den Darm von Insekten zerstört, aber Säugetiere und Vögel nicht schädigt. Das hilft im Kampf gegen einen Schädling namens Maiszünsler, der zu den Insekten gehört. Allerdings steckt im Mais jetzt die Erbinformation eines Bakteriums, die dort nicht hingehört. »Die Versprechen, mit gentechnisch veränderten Pflanzen höhere Erträge und weniger Chemie auf dem Acker zu haben, haben sich nicht erfüllt«, sagt Martha Mertens, Sprecherin des Arbeitskreises Gentechnik im BUND. Es würden erheblich mehr Herbizide eingesetzt, die Artenvielfalt im Agrarraum werde weiter reduziert. Mertens: »Schließlich gefährden sie auch die Gesundheit, denn neben den geplanten neuen Eigenschaften können unerwartete Effekte auftreten, die die Sicherheit der daraus hergestellten Produkte beeinträchtigen.«
Vorteile durch Gentechnik? Reinhard Pröls kennt diese Argumente. Er forscht an der Technischen Universität München zu Pflanzenkrankheiten. Ein ähnliches Misstrauen, sagt er, habe es anfangs auch gegen Gentechnik in der Medizin gegeben: »Schon aus ethischen Gründen aber setzten sich die neuen Produkte mit der Zeit durch, weil die Patienten eindeutige Vorteile hatten.« Solche Vorteile gebe es auch bei gentechnisch veränderten Pflanzen. »Wenden Züchter biotechnolo-
gische Verfahren an, können sie zum Beispiel erheblich schneller und zielgerichteter als mit herkömmlichen Methoden neue Sorten entwickeln«, sagt Pröls. Auch sparen die Bauern Arbeit, wenn sie zum Beispiel keine Insektenvernichtungsmittel ausbringen müssen, weil eine gentechnisch veränderte Sorte sich selbst gegen solche Schädlinge wehrt. Der Käufer im Supermarkt aber sieht von diesen Vorteilen wenig. Umweltschutzorganisationen wenden ein, dass die gentechnisch veränderten Sorten durchaus Risiken bergen können. Sie übersehen dabei jedoch, dass genau diese Artgrenzen auch in der Natur offensichtlich gar nicht so selten überschritten werden. So stammen rund acht Prozent des Erbguts eines Menschen ursprünglich aus einer Virus-Gruppe, zu der zum Beispiel der AIDSErreger HIV gehört.
Ein falsches Weltbild? An Pflanzen mit gentechnisch eingebauter Schädlingsabwehr tauchen nach einiger Zeit oft Schädlinge auf, denen der Wirkstoff nichts mehr ausmacht. »Das passiert aber nicht nur bei gentechnisch veränderten Pflanzen, sondern auch beim Einsatz in der konventionellen Landwirtschaft«, sagt Reinhard Pröls. Weshalb aber wird dann die grüne Gentechnik so heftig abgelehnt? Im Rahmen eines größeren Projektes zu diesem Thema kam dem Forscher der Verdacht, dass unterschiedliche Weltbilder ein Grund dafür sein könnten: »Viele Menschen stellen sich eine intakte Natur vor, die sie bewahren wollen«, fasst Pröls das Weltbild vieler Kritiker zusammen. Naturwissenschaftler aber wissen, dass ein Bauer, der mit dem Pferdegespann seinen Acker bestellt, keineswegs natürlich arbeitet: Dort sollte eigentlich ein Urwald wachsen, den die ersten Bauern bereits vor etlichen Jahrtausenden gerodet haben. Und auch das Erbgut
der Gerste, die Reinhard Pröls erforscht, hat sich in diesen Jahrtausenden erheblich verändert, in denen Bauern aus Wildgräsern der Natur das heutige Getreide gezüchtet haben. »Seit er die Landwirtschaft erfunden hat, greift der Mensch massiv in die Natur ein«, sagt Reinhard Pröls. Die Gentechnik bringt also nichts grundlegend Neues.
Ein gelbes Meer, soweit das Auge reicht. Rapspflanzen sind auf Ölhaltigkeit gezüchtet – daraus wird meist Bio-Kraftstoff hergestellt
Farbenlehre der Gene Gentechnik wird heute in verschiedenen Bereichen kommerziell angewendet, die sich oft überschneiden. Zur Unterscheidung dienen Farben, mit denen die Bereiche begrifflich voneinander abgegrenzt werden: Rote Gentechnik umfasst den gesamten medizinischen und pharmazeutischen Bereich, die Farbe bezieht sich auf das Blut des Menschen. Angewendet wird die Gentechnik praktisch im gesamten Spektrum der Medizin bis hin zu Heilmethoden. Vor allem werden viele Medikamente und Impfstoffe mit den Methoden der Gentechnik hergestellt, auch basieren immer mehr Diagnose-Instrumente auf dieser Technik. Weil die Patienten sehr deutlich profitieren, hat die rote Gentechnologie meist ein positives Image. Grüne Gentechnik bezieht sich auf die grüne Farbe der Pflanzen, die verändert und gezüchtet werden. Meist handelt es sich um Nutzpflanzen, oft ist der Vorteil zumindest in hochentwickelten Gesellschaften für den Verbraucher nicht oder kaum sichtbar. Wohl deshalb wird dieser Bereich besonders heftig diskutiert, bei großen Teilen der Bevölkerung hat
die grüne Gentechnik ein schlechtes Image. Weiße Gentechnik ist der Begriff für Industrieprozesse, die gentechnisch veränderte Enzyme, Zellen oder Mikroorganismen bei der Produktion von Industriechemikalien oder Medikamenten wie etwa Insulin einsetzen. Dieser Bereich wird in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Blaue Gentechnik nutzt die Erbeigenschaften von Mikroorganismen, die unter extremen Bedingungen wie hohem Druck und hohen Temperaturen leben, zum Beispiel am Meeresgrund an Unterwasser-Vulkanen. Die besonders widerstandsfähigen Proteine sollen Industrieprozesse verbessern, die oft unter ähnlich harten Bedingungen ablaufen. Graue Gentechnik hat mit der Reinigung von Wasser, Böden und Luft zu tun. So gibt es zum Beispiel eine gentechnisch veränderte Pappel, die Schwermetalle und Pestizide aufnehmen kann und so zur Sanierung von Altlasten in Böden beitragen kann. Genau wie die blaue Gentechnik wird auch die graue in der öffentlichen Meinung eher positiv eingeschätzt.
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Natur
Artenvielfalt per Display Smartphone-App zum Download Wissenschaftler am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt haben gemeinsam mit Kollegen von der Yale-Universität und weiteren Institutionen die Smartphone-App »Map of Life« entwickelt. Die Anwendung erlaubt es, mit dem Mobiltelefon Arten zu erkennen, die Umgebung auf Tier- oder Pflanzenarten zu überprüfen sowie eigene Beobachtungen zu dokumentieren und zu teilen. Die App kann kostenlos heruntergeladen werden. enau 112 Schmetterlinge, 173 Vögel und 60 Säugetiere – das sind unter anderem die »Arten in meiner Umgebung«, wenn man in Frankfurt die Smartphone-App »Map of Life« befragt. Zu jeder der Tier- und Pflanzenarten gibt es einen Steckbrief mit Informationen zur Verbreitung, zum Aussehen sowie Fotos. »Mit der heute neu erschienenen App kann man sich die Tiere in seiner unmittelbaren Umgebung anzeigen und erläutern lassen – und das weltweit«, erklärt Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt, und ergänzt: »Ein Eichhörnchen erkennt wahrscheinlich jeder, die Unterscheidung einer Wald- von einer Feldspitzmaus ist schon schwieriger.« Die von der Universität Yale in Zusammenarbeit mit Senckenberg und weiteren Institutionen entwickelte App ist nicht nur ein digitales Nachschlagewerk. Böhning-Gaese hierzu: »Jeder Nutzer kann seine Tierbeobachtungen direkt dokumentieren und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Erfassung der Artenvielfalt.« Aktuell sind bereits über 31.000 Arten in der App dokumentiert. In der hinter der Anwendung stehenden Datenbank des »Map of Life«-Projektes sind es knapp eine Millionen erfasste Arten. »Es gibt aber nach wie vor große ‚weiße Flecken‘ auf der Weltkarte. Langfristig wollen wir Informationen über die Verbreitung aller bekannten Tier- und Pflanzenarten bün-
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Die Senckenberg Gesellschaft Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative »Geobiodiversitätsforschung« sowie die Vermittlung von Forschung und Wissen-
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schaft sind ihre Aufgaben. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Ent wicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de
deln und visualisieren. Das wird uns zeigen, wie viel oder wie wenig wir über ihr Vorkommen überhaupt schon wissen«, so Böhning-Gaese. Darüber hinaus lassen sich anhand der »Map of Life« Hotspots der biologischen Vielfalt und der Bedrohung von Arten besser identifizieren. Damit können zum Beispiel im Naturschutz und Naturmanagement leichter Prioritäten gesetzt werden. »Die Welt verändert sich schnell, und Arten verschwinden, bevor wir überhaupt wussten, wo es sie gab, welche Rolle sie spielten und wie wir sie hätten schützen können. Unser Wissen ist auf zu wenige Gebiete und Arten beschränkt. Weltweit Arten zu erkennen und zu dokumentieren birgt ein großes Potenzial für eine geografisch und taxonomisch vollständige Erfassung der Artenvielfalt«, fasst Dr. Walter Jetz, Professor an der Universität Yale und Leiter des »Map of Life«-Teams, zusammen. Die kostenlose App ist in sechs Sprachen für Apple- und Android-Smartphones verfügbar unter https://mol.org/mobile
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Die nächste Ausgabe erscheint am 6. November 2015. Redaktions- und Anzeigenschluss ist am 2. Oktober. Wir freuen uns auf Ihre unverbindliche Anfrage und beraten Sie gerne: Sven Christian Abend, Tel. 08379/728616 E-Mail: sven.abend@heimat-allgaeu.info
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Natur
Eine kalte Kinderstube Allgäutypische Stauden aus Kimratshofen Das raue Klima des Allgäus ist die Kinderstube der Pflanzen von Ulrike Bosch und Peter Koch. Ihre Stauden-Gärtnerei liegt auf knapp 800 Metern Höhe in Kimratshofen. Anders als die Gärtnereien, die es in beinahe jedem Ort gibt, sind StaudenGärtnereien rar gesät. So kommen die Käufer sogar aus München ins Allgäu.
Bioland-Richtlinien eingehalten
Vorwitzig strecken die AllgäuStauden-Gewächse ihre Blütenköpfe aus den Anzuchtkisten
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as Sortiment umfasst rund 1300 Arten und Sorten. Außer Stauden sind Gräser, Farne und eine Vielzahl Kräuter dabei. Zudem eine Auswahl robuster Rosen. In der großen »Säuglingsstation« im Gewächshaus wachsen die über Aussaat, Teilung, Stecklinge oder durch Wurzelschnitt gewonnenen Pflänzchen heran. Die Gewächshäuser sind nicht beheizt. Im Winter herrschen hier zeitweise bis zu zweistellige Minusgrade. Daher sind die »Allgäu«-Stauden alles andere als verhätschelt und an raue Bedingungen gewöhnt. Nach den ersten Wochen im Gewächshaus müssen pro Jahr rund 80.000 Zöglinge zur Abhärtung ins Freiland umziehen. Die Betreiber der Stauden-Gärtnerei, Ulrike Bosch (44) und Peter Koch (51), legen größten Wert darauf, dass ihre Pflanzen überwiegend aus eigener Anzucht stammen. Denn nur so können sie die Qualität ihres Sortiments im Griff behalten.
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Auch, wenn anders als bei den Kräutern die Stauden nicht auf dem Teller landen, wird konsequent nach Bioland-Richtlinien produziert. Gedüngt wird ausschließlich mit organischen Substanzen. (Wühl-) Mäusen rücken die Gärtner mit Lebend-Fallen und Katzen (Pech gehabt!) auf den Leib. Die große Vielfalt des Sortiments kommt der ökologischen Produktion zugute, da die unterschiedlichsten Pflanzen Seite an Seite stehen und somit wesentlich weniger anfällig für Schädlinge sind als in Monokulturen. Die Produktion nach Bioland-Richtlinien hat zudem der Vielfalt der Insekten- und Schmetterlingswelt gut getan, da diese oft auf spezielle Pflanzen geprägt sind, die sie in einer Agrarlandschaft nicht mehr finden.
Handschäufelchen als Werkzeug Peter Koch ist Gärtner von der Pike auf: »Ich wurde mit einem Schäufelchen in der Hand geboren«, meint er mit einem Grinsen. Als gelernter Gärtner und Gartenbautechniker stehen »seine« Pflanzen immer im Mittelpunkt seines Schaffens. Dabei sieht man ihm nicht an, dass er ausgerechnet die zarten Pflanzen liebt und ihm besonders Veilchen ans Herz gewachsen sind.
Viola – Lieblingstochter Das Veilchen ist Peter Koch ans Herz gewachsen. Seine fantastische Farbenvielfalt während der kalten Jahreszeit macht es zu einer der beliebtesten Rabattenstauden. Die bescheidenen Stauden blühen und duften mit vornehmer Zurückhaltung im Frühjahr, sobald die Sonne die ersten kleinen Böschungen und Gehölzränder erwärmt hat. Bis zum Ersten Weltkrieg waren Veilchen als Schnittblumen weitverbreitet. Großkulturen gab es vor allem England, aber auch in Deutschland wurden sie als Treibveilchen unter Glas kultiviert. Für Parfümeriezwecke und für die Konditorei (kandierte Veilchen) wurden Veilchen ebenfalls verwendet, nach Einführung synthetischer Veilchenduftstoffe ist diese Nutzung praktisch bedeutungslos geworden. Heute wird der kommerzielle Anbau nur noch in ge-
ringem Umfang in der Umgebung von Toulouse betrieben. Darüber hinaus sind sie in den beiden Städten Parma und Toulouse von hoher folkloristisch-touristischer Bedeutung.
Ulrike Bosch und Peter Koch (Foto unten) bei der Arbeit in ihrer Gärtnerei in Kimratshofen
Wer auf Kunden wartet, wartet oft lange Kunden, die speziell an Stauden oder einem Staudengarten interessiert sind, machen sich zwar gerne auf den Weg nach Kimratshofen, das in einer wunderschönen Wandergegend liegt, aber allein davon lässt sich weder wirtschaften noch leben. So packen Ulrike Bosch und Peter Koch von April bis Oktober ein gerade jahreszeitlich aktuelles Sortiment ihrer »Zöglinge« zusammen, um sie auf Gartenmärkten zu verkaufen. Auf rund 20 Märkten und Gartentagen sind sie bei jedem »Wind und Wetter« von Isny bis Lindau und von Bregenz bis Maikammer in der Pfalz präsent. Mit einem viermal pro Jahr erscheinenden »Staudenblitz« machen die Gärtner ihre Kunden auf Trendthemen und Pflanztermine aufmerksam. Beliebt sind bei den Kunden »Komplettlösungen«. Im Frühjahr beginnt es mit einem Veilchenset oder »Sonnenhungrigen Stauden-Zwergen«, gefolgt vielleicht von einem farbenfrohen Primelsortiment. Über den Sommer erfreuen dann Wiesenstauden – entweder als »genügsame« oder »anspruchsvolle Gesellen«. Ulrike Koch stellt auf Wunsch spezielle Sortimente für die unterschiedlichsten Ansprüche zusammen. Rund 100 Postsendungen an online-Kunden verlassen täglich die Gärtnerei. Liebevoll verpackt in Papier und Bio-Stroh. Thomas Niehörster
Fotos: Thomas Niehörster
Über das Veilchen und dessen Geschichte kann Koch begeisternde Vorträge halten. Ulrike Bosch, eine studierte Landschaftsplanerin, ist mehr für die »Stimmigkeit« eines Staudengartens verantwortlich. Sie berät Kunden, wie Pflanzen miteinander harmonieren und sich gegenseitig zur Geltung bringen können. Da nicht jeder ihrer Kunden einen »grünen Daumen« hat oder einen stimmungsvollen Garten kreieren kann, oder keinen hohen Aufwand dafür betreiben möchte, stellt sie zueinander passende Sortimente von Stauden wie den »romantischen Blütentraum« zusammen. Andere Sortiments-Zusammenstellungen eignen sich besonders gut für alte Gemäuer oder stehen wirkungsvoll im Kontrast zu moderner Architektur.
AllgäuStauden Mittelberg 3 87452 Altusried-Kimratshofen mobil 01578/7830559 Büro/Postadresse: AllgäuStauden Schmidsfelden 6 88299 Leutkirch Telefon 07567/9887404 info@allgaeustauden.de www.allgaeustauden.de
Was ist was? Blume, Staude, Strauch. Der Unterschied ist nicht immer leicht zu erklären, da wie die Tulpe auch Staude und Strauch Blüten haben (können), die überwiegend der Fortpflanzung dienen. Bei der »Blume« geht man zumeist von einer einjährigen Pflanze wie z.B. einer Tulpe aus, die allein dazu dient, abgeschnitten und zu einem Strauß gebunden zu werden. Die Stauden hingegen sind mehrjährige ausdauernde Pflanzen, deren oberirdische Pflanzenteile im Gegensatz zu Bäumen und Sträuchern nicht verholzen. Stauden (Pfingstrose) überdauern mehrere Jahre und blühen und fruchten in jedem Jahr erneut. Sträucher (Forsythie) sind Pflanzen, die bodendeckend oder aufrecht wachsen und verholzen.
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Umwelt
Die unwillkommenen Gäste Fremde Einwanderer in unserem Ökosystem
Die Schnappschildkröte ist in den Gewässern Nordamerikas zuhause. Als »Lotti aus dem Allgäu« geisterte eine solche Alligatorschildkröte in den letzten Jahren durch die internationale Medien
Seit 1. Januar 2015 gilt in allen EU-Staaten eine neue Verordnung über invasive gebietsfremde Arten (Neophyten). Damit will die Europäische Union gegen einen der Faktoren aktiv vorgehen, die die Artenvielfalt und damit Ökosystemleistungen bedrohen. Die auf Verordnung hat weitreichende Auswirkungen auf die Arbeit der Behörden sowie auf den Handel mit Tieren und Pflanzen.
ie können sich noch erinnern: Im August 2013 wurde ein achtjähriger Bub beim Baden im Oggenrieder Weiher im Ostallgäu angeblich von einer Schnappschildkröte gebissen. Seine Achillessehne wurde dabei zweifach durchtrennt. Die Boulevardpresse stürzte sich damals auf das Thema. Das Phantom-Tier bekam den Namen Lotti. Das Ostallgäu war in aller Munde. Es wurde vergeblich mit Ködern und Lebendfallen nach dem Tier gesucht. Im Juni 2014 will dann eine Frau das Tier im benachbarten Klosterteich von Irsee gesehen haben. Wir können darauf warten, ob auch dieses Jahr wieder mysteriöse Berichte über Lotti auftauchen.
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Fakt ist, dass auch bei uns im Allgäu immer wieder Tiere und Pflanzen gefunden werden, die hier eigentlich nicht heimisch sind. Lotti ist eine Alligatorschildkröte, die in den Sümpfen Nordamerikas zu Hause ist. Bei uns wird sie von Tierliebhabern privat eingeführt, gezüchtet und gehalten. Es gibt immer wieder Berichte, dass solche bis zu einem halben Meter großen Schildkröten von ihren Haltern ausgesetzt werden, weil sie nicht mehr in das heimische Aquarium passen.
Die EU wird handeln In der Europäischen Union (EU) und den angrenzenden europäischen Ländern kommen über 12.000 ge-
Ein erstaunliches Wachstum legt der Riesen-Bärenklau an den Tag. Er hat sich im Allgäu festgesetzt
bietsfremde Arten vor, von denen geschätzte 10 bis 15 Prozent als invasiv gelten. Das heißt, diese invasiven Arten verdrängen einheimische Arten, beeinträchtigen funktionierende Ökosysteme oder verursachen ökonomische Schäden. Das Allgäu stellt in dieser Hinsicht keine Insel der Glückseligen dar. Wie viele dieser 12.000 Arten auch hier zu finden sind, ist nicht erforscht. Da es inzwischen sehr viele invasive gebietsfremde Arten gibt, muss die Politik Prioritäten setzen. Bis zum 2. Januar 2016 soll dazu die sogenannte »Unionsliste« erstellt werden für Arten, von denen länderübergreifende Gefahren ausgehen. Voraussetzung für die Aufnahme in diese Liste ist, dass die entsprechende Art in mindestens drei EU-Staaten als »invasiv gebietsfremd« eingestuft wird.
Zwischen 2005 und 2008 haben Forscher eine Datenbank erstellt, die inzwischen detaillierte Informationen zu 12.122 Arten sowie 2440 Experten zu biologischen Invasionen in Europa enthält. Außerdem wurde auch eine Liste der 100 problematischsten Arten erstellt – inklusive Vorkommen und Risikobewertung. Die EU und ihre Mitgliedsländer stehen jetzt vor der Herausforderung, zu entscheiden, welche davon in die Unionsliste übernommen werden sollen. Dabei dürfen sie aber nicht bei einer reinen Risikobetrachtung stehenbleiben, sondern müssen auch den Nutzen von Arten und regionale Aspekte einbeziehen. Eine Art, die zum Beispiel in Norwegen ein Problem sein kann, muss dies im Süden Italiens nicht sein. »Es wird nicht leicht, sich auf einen europaweiten Nenner zu einigen und trotzdem die regionalen Bedingungen bei der Abschätzung der gesundheitlichen, ökonomischen und ökologischen Gefahren zu berücksichtigen«, schätzt der Biologe Dr. Stefan Klotz vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die Lage ein. In der europäischen Regelung sieht er trotzdem einen großen Schritt in die richtige Richtung, da
Invasion im Allgäu Die biologische Invasion betrifft auch das Allgäu – und es sind überwiegend nicht Tierarten, die sich hier breitmachen, sondern Pflanzen wie der RiesenBärenklau, der aus dem Kaukasus eingewandert ist und sich auch bei uns recht wohlfühlt. Er wird hier
Zunehmend große Sorgen machen sich Allgäuer Landwirte wegen der Ausbreitung von Jakobskreuzkraut, das für Vieh gefährlich werden kann. Auf der Wiese meiden die Tiere die giftige Pflanze, im Heu können sie das Kraut nicht mehr identifizieren
Fotos: Klaus-Dieter Sonntag,fotoplusdesign.de/UFZ, André Künzelmann/UFZ, Archiv EDITION ALLGÄU, Udo Rose
Keine »Gleichbehandlung«
europäische Länder vergleichsweise klein sind. Rein nationale Konzepte können deshalb nicht effektiv sein, da die Arten bekanntermaßen nicht an den Grenzen haltmachen.
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Umwelt Publikationen und Links Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R1143&from... http://ec.europa.eu/environment/nature/in vasivealien/index_en.htm
Link im Internet: Datenbank des EUForschungsprojektes DAISIE (Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe): http://www.europe-aliens.org/ und http:// easin.jrc.ec.europa.eu/ (Info in englischer Sprache). Informationen in deutscher Sprache zu den Forschungen des HelmholtzZentrums für Umweltforschung (UFZ) gibt es im Internet unter http:/www.ufz.de/index.php?de=16302
Wasserkreuzkrautes, identifiziert und die Problemlagen eingegrenzt werden. Regulierungsansätze zur Verdrängung von Wasserkreuzkraut am Öschlesee gab es im Jahr 2013. Am Standort »Oberdorfer Moos« bei Martinszell werden mechanische Maßnahmen (Ausstechen und Mähregime) getestet. Weitere Informationen über das Kreuzkraut im Allgäu findet man im Internet unter http://www.lfu.bayern.de/natur/streuwiesen/kreuzkraeuter/index.htm
Vorschriften einhalten
Die Beifuß-Ambrosie stammt ursprünglich aus Nordamerika und hat sich bereits in weiten Teilen Europas ausgebreitet. Ihre Pollen sind aggressive Allergie-Auslöser
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Fotos: Dakota L./Wikipedia, An0002/Wikipedia, Sage Ross/Wikipedia
wohl nicht mehr ausgerottet werden. Er ist in Gärten, Parks, an Straßenrändern, in Bach- und Flusstälern sowie auf Brachen anzutreffen und kann dort die heimische Vegetation verdrängen. Aufgrund seiner guten Aussamung wurde er schnell zu einer Plage und bildet in kürzester Zeit große Bestände, die sich nur sehr schwer entfernen lassen. In feuchten Allgäuer Wirtschaftswiesen, aber auch gelegentlich in Streuwiesen tritt in den letzten Jahren vermehrt das Wasserkreuzkraut auf. Neben dem Wasserkreuzkraut (auch Greiskraut genannt) wird die Zunahme von anderen Kreuzkräutern (Senecio-Arten), beispielsweise von Jakobskreuzkraut in etwas trockeneren Wiesen – auch in Viehweiden – festgestellt. In den Bergregionen des Allgäus wandert das Alpenkreuzkraut derzeit in etwas tiefere Lagen ein, und entlang von größeren Straßen breitet sich schrittweise auch das Schmalblättrige Kreuzkraut aus, ein aus Afrika eingewanderter Neophyt. Von Seiten der Landwirtschaft und des Naturschutzes wird dies mit gewisser Sorge beobachtet, da diese Pflanzen Giftstoffe enthalten, die sich auf die Nutztiere (Rinder, Pferde, Schafe) negativ auswirken können. Seit 2010 werden bei uns mit einem Fragebogen mit Bestimmungshilfe Grunddaten über das Vorkommen zu Kreuzkräutern erhoben. Damit können Verbreitungs-Schwerpunkte, insbesondere des
Solche regionalen Initiativen machen aber nur Sinn, wenn sie im größeren Rahmen betrachtet werden. Im Gegensatz zu einer Richtlinie, die nur den Rahmen vorgibt und erst in nationales Recht umgesetzt werden muss, gilt die neue EU-Verordnung direkt seit Jahresbeginn in allen Mitgliedstaaten. Unmittelbare Rechtsfolgen ergeben sich aber erst, wenn die Unionsliste erarbeitet ist. »Die Unionsliste ist das Schlüsselelement der Verordnung. Sobald die Liste vorliegt, gelten für die dort gelisteten Arten umfassende Besitz- und Vermarktungsverbote. Außerdem ergeben sich für die Mitgliedsstaaten Verpflichtungen, nicht nur diese Verbote durchzusetzen, sondern auch weitergehende Management- und Beseitigungsmaßnahmen zu treffen, sofern dies mit angemessenem Aufwand möglich ist«, unterstreicht der Umweltjurist Prof. Wolfgang Köck vom UFZ Konsequenzen, die vor allem den kommerziellen Handel treffen werden. Für Privatpersonen mit Haustieren gilt eine Übergangsregelung. Sie dürfen ihr »fremdes« Haustier, auch wenn es auf der Unionsliste geführt wird, bis zum Tode behalten, sofern alles getan wird, um eine Fortpflanzung oder ein Entkommen auszuschließen.
Wissenschaft im Boot Bereits jetzt hat sich die Beratung durch die Wissenschaft gelohnt: »Es war ursprünglich einmal ge-
plant, die Liste der Arten, die aktiv bekämpft werden sollen, durch politischen Willen auf 50 Arten zu beschränken«, berichtet Biologe Prof. Ingolf Kühn vom UFZ. »Nach Protesten aus der Wissenschaft sind diese Pläne dann aber wieder fallengelassen worden. Es ergibt einfach keinen Sinn, willkürlich eine Zahl festzulegen, bevor die Mitgliedsstaaten nicht ihre Informationen abgeliefert haben. Außerdem können sich Ökosysteme sehr dynamisch entwickeln. Wir müssen daher auch in Zukunft flexibel auf die aktuellen Entwicklungen reagieren können.«
Vorsorge ist billiger Die neue Verordnung ist keine reine Bekämpfungsverordnung, sondern hat einen stark präventiven Charakter, da Arten, wenn sie sich erst einmal etabliert haben, kaum oder nur mit hohen Kosten noch zu bekämpfen sind. Daher sollen vorrangig Arten in die Liste aufgenommen werden, die noch nicht in der EU vorkommen oder erst am Anfang stehen, aber ein großes Gefahrenpotenzial besitzen. Beim berüchtigten Riesen-Bärenklau oder der allergieauslösenden Beifuß-Ambrosie rechnen Experten deshalb nicht damit, dass sie auf der Unionsliste landen, da sie bereits sehr verbreitet sind und die Kosten einfach zu hoch wären. »Aussichtsreiche Kandidaten« sind bisher mehrere Arten, die bereits in einer früheren Naturschutzverord-
nung enthalten waren und daher in der neuen Verordnung explizit genannt werden. Dazu zählen Schönhörnchen aus Asien sowie Grauhörnchen und Fuchshörnchen aus Amerika. Sie haben in England die heimischen Eichhörnchen schon fast verdrängt und sind auch bei uns auf dem Vormarsch. Die ursprünglich in Nordamerika beheimateten Schwarzkopfruderenten zählen in Europa zu den Gefangenschaftsflüchtlingen,
Die Helmholtz-Forschung Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weitreichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg mehr als 1100 Mitarbeiter. Es
Die Grauhörnchen verdrängen die einheimischen Eichhörnchen aus ihren angestammten Revieren
wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. http:/www.ufz.de/ Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die HelmholtzGemeinschaft ist mit 35.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894). http:/www.helmholtz.de/
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Der Große Höckerflohkrebs frisst eine Wasserassel
die sich mittlerweile in Europa fest etabliert haben. Da sie sich stark mit den sehr seltenen einheimischen Weißkopfruderenten vermischen und diese langfristig zu verdrängen drohen, sind umfangreiche Maßnahmen eingeleitet worden, diese Art innerhalb Europas einzudämmen.
Klein, aber oho!
Die Mahonie stammt aus dem Nordwesten der USA und kam als Zierstrauch nach Europa. Seitdem breitet sie sich invasionsartig aus
Nicht alle Eindringlinge in unsere heimische Natur sind gleich sichtbar. Der Große Höckerflohkrebs ist ein bis zu zwei Zentimeter großer Süßwasserkrebs, im englischsprachigen Raum auch als Killershrimp bezeichnet, der in den 1990er-Jahren über den MainDonau-Kanal in den Rhein eingewandert ist und sich von dort aus schnell über ganz Europa verbreitet hat.
Er stammt ursprünglich aus den Zuflüssen des Schwarzen Meeres. Über Donau und Bodensee kam er auch in unsere Region. Der Große Höckerflohkrebs ist ein Allesfresser und kann sich sowohl räuberisch ernähren als auch Algen oder vom Ufer eingetragenes Laub fressen. In Laborversuchen wurde von anderen Arbeitsgruppen beobachtet, dass er sich unter Laborbedingungen deutlich räuberischer verhält als Bachflohkrebse, seine einheimischen Verwandten. Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau untersuchen derzeit, wie sich das Eindringen des Großen Höckerflohkrebses auf das Okösystem unserer Fließgewässer und Seen auswirkt.
Große Naturschutz-Aufgaben Auf die Naturschutzbehörden kommt also in den nächsten Jahren einiges an Arbeit zu: Sie müssen innerhalb von eineinhalb Jahren die Wege ermitteln, auf denen die geächteten Arten in die EU eingeschleppt werden, Aktionspläne aufstellen und ein Überwachungssystem etablieren. Gleichzeitig soll so der Informationsaustausch verbessert werden und eine Art »Frühwarnsystem« entstehen, damit noch nicht betroffene Regionen rechtzeitig reagieren können. Mit der neuen EU-Verordnung wird ein zentrales Element der 2011 verabschiedeten EU-Strategie zum Schutz der Biodiversität umgesetzt. Die Verordnung wird in den kommenden Jahren weitreichende Konsequenzen haben für Behörden und Händler bis hin zum Endverbraucher, denn sie setzt ehrgeizige Ziele zur Lösung von Problemen, die die zunehmende Globalisierung für die Natur mit sich bringt.