NAGELFLUH Winterausgabe 2014/2015

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NAGELFLUH W i n t e r 2014

D as N at ur p ar k-M ag a zin

SONDERTEIL: DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM. Neue Besucherlenkungskampagne im Oberallgäu

SPUREN IM SCHNEE

EINE FAST GEZÄHMTE WILDE

Wer schlich dort auf leisen Pfoten, Tatzen oder Hufen durch den Wald?

Die Iller: Zerstörer oder Lebensspender? Das fünfte Naturparkjuwel stellt sich vor

LEBEN IN DER BIOSPHÄRE

KLASSENZIMMER ALPEN

Warum der Naturpark Nagelfluhkette in Vorarlberg jetzt auch Biosphärenpark heißt

Grundschüler aus Fischen untersuchen Wiesen im Wandel der Jahreszeiten



Liebe Leserinnen, liebe Leser, W

ieder ist ein spannendes NaturparkJahr vergangen, ein Neues beginnt. Wir haben 2014 viel Faszinierendes über unsere Heimat gelernt und erkennen mehr und mehr, welch wertvolle Natur- und Kulturlandscha direkt vor unserer Haustüre entstanden ist. Erneut duren wir auch dabei sein, wenn sich Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen dafür einsetzten, dass dies so bleibt. Sie sind bereit, mit viel persönlichem Engagement die Weichen für eine enkeltaugliche Entwicklung – auch Nachhaltigkeit genannt – zu stellen. In unserem noch jungen Naturpark haben wir 2014 drei wichtige Meilensteine erreicht. Wir sind nun offiziell im Land Vorarlberg verordnet, wir konnten gemeinsam mit vielen Partnern unsere Initiative zur Besucherlenkung starten und wir haben alle Vorbereitungen getroffen, damit 2015 die erste Naturparkschule in der Nagelfluhkette starten kann. Die Verordnung in Vorarlberg sorgt dafür, dass wir nun auch im österreichischen Teil rechtlich als Großschutzgebiet im Naturschutzgesetz verankert sind. Was sich zunächst eher langweilig anhört, hat in der Praxis große Vorteile, weil wir nun für unsere Ideen und Vorhaben bessere Fördermöglichkeiten haben und

auch im Vorderwälder Teil die Naturparkentwicklung besser anschieben können. Mit dem Start der Besucherlenkungs- und Sensibilisierungskampagne »Dein Freiraum – Mein Lebensraum. Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs« versuchen wir mit der Tatsache umzugehen, dass immer mehr Menschen ihre Freizeit in der Natur verbringen. Was ohne Wenn und Aber eine sehr schöne Entwicklung ist, führt an einigen Stellen dazu, dass seltene, störempfindliche Tiere gestört und sogar in ihrer Existenz gefährdet werden. Wir schlagen mit unserer Kampagne einen Weg ein, der auf Information und freiwillige Selbstbeschränkung setzt und sind mit unseren vielen Partnern überzeugt, dass dies der richtige Weg ist. Machen Sie mit, auf dass wir alle damit Erfolg haben. Besonders freut uns, dass wir mit der Königseggschule in Immenstadt einen Partner gefunden haben, der mit uns ein Konzept ausgearbeitet hat um sich künig als Naturparkschule auszurichten. Für die Klassen 1 bis 4 wurden die Lehrpläne mit emen aus dem Naturpark ergänzt, Exkursionsorte ausgearbeitet und Lehrerfortbildungen vorbereitet. Auch bei diesem Projekt spielen unsere vielen Part-

ner aus Land- und Forstwirtscha, Naturschutz oder Regionalentwicklung eine wichtige Rolle. Gemeinsam sind wir viel stärker und es macht auch viel mehr Spaß! Die Planungen, das Konzept auf weitere interessierte Schulen beiderseits der Grenze auszuweiten, laufen übrigens bereits. Ich wünsche Ihnen eine gute Winterzeit mit vielen tollen Erlebnissen in unserem Naturpark Nagelfluhkette.

Rolf Eberhardt

Mit einer Größe von 405 km² ist die Nagelfluhkette im alpenweiten Vergleich ein Schutzgebiet mittlerer Größe. Während im Bregenzerwald jeweils die gesamten Flächen der beteiligten acht Gemeinden im Naturpark liegen, gehören von den sieben Allgäuer Gemeinden in der Regel die dünn besiedelten Berggebiete dazu. Innerhalb der Naturparkgrenzen leben etwa 13.000 Menschen, was zu einer, im dicht besiedelten Europa, sehr geringen Siedlungsdichte von 33 Einwohnern je km² führt. Ein besonderes Merkmal ist der sorgsame Umgang der Bewohner mit ihrer Heimat.

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Foto: verein gwt tourismus_biosphaerenpark

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WILLKOMMEN IM BIOSPHÄRENPARK NAGELFLUHKETTE Das Land Vorarlberg setzt den Naturpark rechtlich fest

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LEBEN IM NATURPARK Interview mit Biologin und Zoologin Mag. Ruth Swoboda

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DIE ALPEN ALS KLASSENZIMMER Junge Naturforscher erkunden den Lebensraum Wiese

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ROTHIRSCH IN BEDRÄNGNIS Wildbiologischer Vortrag über den König des Waldes

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EINE (UN)GEZÄHMTE WILDE - DIE ILLER Die neun Juwelen des Naturparks stellen sich vor – Teil 5

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EIN KLEINER ENGLÄNDER IN VORARLBERG Hobby-Forscher entdeckt neue Schmetterlingsart bei Rankweil

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NEUES AUS DEM NATURPARK Termine und Berichtenswertes aus der Nagelfluhkette

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AUF LEISEN PFOTEN IM WILDEN TAL Panorama: Biosphärenpark Großes Walsertal

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SPUREN IM SCHNEE Schneehase Bert hoppelt durch den Schnee, als plötzlich ...

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Kurzmeldungen Kinderseite

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SONDERTEIL: DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM. Neue Besucherlenkungskampagne im Oberallgäu

Impressum Herausgeber: Naturpark Nagelfluhkette e.V. Seestraße 10, D-87509 Immenstadt, Tel. +49(0)8323/9988750 info@naturpark-nagelfluhkette.eu www.naturpark-nagelfluh.eu Verlag und Herstellung: Verlag HEPHAISTOS, EDITION ALLGÄU Lachener Weg 2, D-87509 Immenstadt-Werdenstein Tel. +49(0)8379/728016, Fax +49(0)8379/728018 4

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nagelfluh@heimat-allgaeu.info, www.nagelfluh-magazin.de Redaktion: Viola Elgaß (v.i.S.d.P.), Tel. +49(0)8379/728016, viola.elgass@heimat-allgaeu.info

Layout: Bianca Elgaß, Ramona Klein, Dominik Ultes

Gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht aber des Verlages dar.

Bankverbindung Verlag: Deutschland: Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu eG, IBAN: DE97733699200007126999, BIC: GENODEF1SFO

Anzeigen: Sven Abend, Tel. +49(0)8379/728616, sven.abend@heimat-allgaeu.info gültige Anzeigenpreisliste: 1/2014

Österreich: Raiffeisenzentralkasse Innsbruck, IBAN: AT223600000000643361, BIC: RZTIAT22

Fotos: Volker Wille; Titelfotos: Hans Besler, Volker Wille

Themen dieser Ausgabe:


Willkommen Foto: Landespressestelle Vorarlberg, Viola Elgaß

im Biosphärenpark Nagelfluhkette

Seit Herbst trägt der Naturpark Nagelfluhkette einen neuen Titel. Mit der Veröffentlichung im Landesgesetzblatt hat das Bundesland Vorarlberg den Biosphärenpark »Naturpark Nagelfluhkette« rechtlich festgesetzt. Biosphäre, das heißt so viel wie »Lebensraum«. Welche Chancen tun sich mit der Verordnung für unseren Naturpark auf?

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ür die Region liegen in diesem Gütesiegel einzigartige Perspektiven«, ist Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner überzeugt. Seit der Gründung des Naturparks im Jahr 2008 seien Schritt für Schritt die erforderlichen strukturellen Rahmenbedingungen für die Verordnung geschaffen worden. Doch weshalb ist so eine Verordnung überhaupt notwendig? Die Vorarlberger Gemeinden sind doch von Anfang an Mitglieder im Naturpark Nagelfluhkette. »Die Schutzgebietskategorie ‚Naturpark‘ existiert in Vorarlberg eigentlich nicht. Vielmehr hat Vorarlberg als einziges österreichisches Bundesland die Schutzgebietskategorie des Biosphärenparks in seinem Naturschutzgesetz verankert«, begründet Rolf Eberhardt, Geschäsführer des gesamten Naturparks. Bei der bisherigen Mitgliedscha und den umgesetzten Projekten handelte es sich um eine Art freiwillige Selbstverpflichtung durch die österreichischen Gemeinden. Der Geschäsführer freut sich über die positive Entwicklung: »Jetzt kann es weitergehen.« Um die folgende Entwicklungsphase einleiten zu können, wurde von den beteiligten Vor-

arlberger Gemeinden in der Verordnung ausgearbeitet, welche wesentlichen Erhaltungsund Entwicklungsziele angestrebt werden und wie sie umgesetzt werden sollen. Diese hat die Landesregierung geprü und beschlossen. »Der Naturpark Nagelfluhkette mit den zugehörigen Gemeinden Lingenau, Krumbach, Sulzberg, Langenegg, Riefensberg, Hittisau, Sibratsgfäll und Doren steht ab sofort auf einer rechtlich soliden Basis«, freut sich Landeshauptmann Markus Wallner. Umweltlandesrat Erich Schwärzler bekräftigt: »Dieses zukunsorientierte Nachbarschasprojekt ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Menschen in die Natur einbezogen und nicht ausgesperrt werden und wie es sich vereinbaren lässt, die Natur zu nützen und sie zugleich zu schützen.« Mit der neuen Vorordnung ist der Naturpark Nagelfluhkette auf dem Vorarlberger Gebiet offiziell geworden, wenngleich wegen der Vorarlberger Besonderheiten der Name des Schutzgebiets nicht Naturpark, sondern eben Biosphärenpark lautet. Die Verordnung ist, wie in Vorarlberg für Schutzgebiete üblich, zeitlich

Landeshauptmann Markus Wallner (links) und Umweltlandesrat Erich Schwärzler sehen im Biosphärenpark Chancen für die Natur Vorarlbergs

begrenzt, nämlich bis zum 31. Dezember 2024. Zu diesem Zeitpunkt wird geprü, wie sich der Park weiterentwickelt hat und welche Ziele als nächstes umzusetzen sind. Info: Der genaue Inhalt der Verordnung 56/2014 vom 2. September 2014 kann auf der Homepage der Vorarlberger Landesregierung unter www.vorarlberg.at/pdf/lgbl56.pdf sowie auf der Homepage des Naturparks Nagelfluhkette www.nagelfluhkette.info nachgelesen werden.

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Leben im

Naturpark

Welche Bedeutung hat der neue »Vorname« Biosphärenpark? Die Biologin und Zoologin Mag. Ruth Swoboda ist naturwissenschaliche Direktorin der Naturerlebnisschau inatura in Dornbirn. Als Geschäsführerin des Vorarlberger Naturschutzrates vermittelt sie regelmäßig zwischen Gemeinden, Naturschützern und der Landesregierung. Zur weiteren Entwicklung des Naturparks Nagelfluhkette in Vorarlberg duren wir ihr ein paar Fragen stellen

Seit September ist der Naturpark Nagelfluhkette ein »Biosphärenpark«. Damit steht der Naturpark in Vorarlberg rechtlich auf sicherem Fuß. Was passiert als nächstes? Nun muss die Region beziehungsweise das Projekt Biosphärenpark Nagelfluhkette mit Leben gefüllt werden. Denn ohne Projekte ist und bleibt es nur ein Name. Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als naturwissenschaliche Direktorin der inatura auch Geschäsführerin des Naturschutzrates Vorarlberg, welcher die Vorarlberger Landesregierung in Angelegenheiten und Entwicklungen des Naturschutzes berät. Hat der Rat das Projekt Biosphärenpark Nagelfluhkette mitverfolgt oder gar mitbetreut? Der Rat beziehungsweise die inatura in meiner Person wurden vor allem auf Vermittlungsebene mit eingebunden. Wir vom Naturschutzrat sind leidenschaliche Vermittler und als solche freuen wir uns natürlich sehr über die

Aufwertung einer Region in naturschutzfachlicher Hinsicht. Überall, wo man Naturwerte hervorhebt oder wie in diesem Fall sogar in einem rechtlichen Rahmen verankert, entstehen Möglichkeiten für Projekte. Es liegt nun an uns, Naturwissen als Bereicherung zu vermitteln. Denn nur wenn ich etwas über eine Region weiß, kann ich etwas darüber erzählen und in weiterer Folge auch schützen. Der Vorarlberger Naturschutzrat steht für Schützen durch Überzeugung. Welche Bedeutung hat das »Leben im Naturpark« beziehungsweise »Biosphärenpark« für die Vorarlberger? Was ändert sich? Auf den ersten Blick wird sich nicht viel ändern. Wie gesagt: Es wird darauf ankommen, welche Projekte ins Leben gerufen werden und wie diese in der Region verankert werden können. Hier wird es eine entscheidende Rolle spielen, wie viele Ressourcen man wirklich in die Hand nimmt. Ich denke hier vor allem an

Nach einer erfolgreichen Karriere als Sportlerin – sie war viele Jahre Mitglied der österreichischen Nationalmannschaft im Damenhandball – ist die gebürtige Niederösterreicherin seit 2008 in der inatura tätig

personelle Ressourcen. Gerade am Anfang geht einfach nichts über persönliche Vermittlung. Aber ich bin hier wirklich guter Dinge. Die Gemeinden des Vorderen Bregenzerwaldes setzen bereits jetzt einige wertvolle Akzente. Was erhoffen Sie sich persönlich von dieser Entwicklung? Möglichst viele Menschen zu erreichen und »anzustecken«. Es ist immer unser großer Wunsch Naturwissen als Mehrwert zu vermitteln. Hier kommt kein erhobener Zeigefinger, sondern die Möglichkeit etwas über seine Heimat zu erzählen, Naturwerte zu erkennen und ansprechen zu können. Es wäre großartig, wenn diese Gedanken von einer Region getragen würden. In Regionen, wo das funktioniert kann richtig viel entstehen. Die Krumbacher Moore sind so ein Beispiel: Gastronomie, Tourismus, Naturvermittler und natürlich auch der Naturschutz profitieren hier sehr. Einer der thematischen Schwerpunkte des Naturparks Nagelfluhkette im Oberallgäu liegt in der Erstellung von Besucherlenkungsprojekten und der Sensibilisierung der Menschen für die Natur. Welchen Zweck sollte der Naturpark in Vorarlberg aus Ihrer Sicht verfolgen? Hoffentlich die gleichen Schwerpunkte wie im Allgäu! Hier sollten die Grenzen ja nicht vorhanden sein. Was sind die Gemeinsamkeiten eines Biosphärenparks und eines Naturparks? Es geht bei beiden nicht nur um Naturschutz, wie man vielleicht denken könnte.

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Mit ihrer vierbeinigen Begleitung Gina ist Ruth Swoboda viel draußen unterwegs

Fotos: Ruth Swoboda

Was ist…

Beide stehen für Regionalentwicklung, eine naturverträgliche, nachhaltige Entwicklung in vielen Bereichen. Ist eine künige Zusammenarbeit zwischen dem Naturpark Nagelfluhkette und der inatura geplant? Gibt es vielleicht schon konkrete Ideen? Unbedingt! Diese gibt es ja jetzt schon. Die inatura versucht in ihrem Exkursionsprogramm immer wieder mit unseren lieben Kollegen vom Naturpark Nagelfluhkette zusammen zu arbeiten. Das liegt auf der Hand, denn

wir wollen alle möglichst viele Menschen sensibilisieren und ihnen die Augen für ein »großes Bild« öffnen. Wir wollen von Kreisläufen, Kulturlandscha und Besonderheiten erzählen. Und schon sind wir wieder bei Naturwissen als Mehrwert und Bereicherung. Folgen sollen noch das eine oder andere Weiterbildungs- und Schulungsprogramm, in denen der Naturpark Nagelfluhkette nie fehlen wird.

… Der Naturschutzrat Vorarlberg? Der Naturschutzrat berät die Vorarlberger Landesregierung in wichtigen Angelegenheiten des Naturschutzes und der Lebensraumentwicklung. Er empfiehlt neue Strategien für einen nachhaltigen Umgang mit dem Lebensraum Vorarlberg, macht auf negative Entwicklungen aufmerksam und entwickelt in der Praxis umsetzbare Lösungsansätze. In der Entwicklung Biosphärenpark Nagelfluhkette war der Rat als Vermittler beteiligt. … Die Erlebnis Naturschau inatura? Die inatura ist ein naturgeschichtliches Museum in Dornbirn. Es ist eines der drei Landesmuseen Vorarlbergs und gilt als das größte und modernste Naturmuseum im Bodenseeraum. Das Museum beinhaltet ein Dokumentationszentrum über die Natur Vorarlbergs sowie eine interaktive Erlebnisausstellung.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit, Frau Swoboda. Anzeige

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Nicht nur am Alpsee, auch am Ofterschwanger Horn wurde eifrig geforscht: Welche Pflanze wachsen im Tal, welche am Berg? Und wie wirkt sich die Bewirtschaftung durch den Menschen auf Flora und Fauna aus?

Die Alpen

als Klassenzimmer

Sich für die Natur einzusetzen, kann man nicht früh genug beginnen: Seit vergangenem Schuljahr sind in den Alpen junge Forscher unterwegs. Die 3a der Grundschule Fischen dokumentierte über das gesamte Schuljahr hinweg die Artenvielfalt auf Berg- und Talwiesen im Wandel der Jahreszeiten. Auf ihre letzte Expedition dure das Naturparkmagazin die Schüler begleiten

S

chon auf dem Weg zum Forschungsgebiet erfolgt die erste Entdeckung am Wegesrand: »Ist die riesig!« Eine ziemlich große Weinbergschnecke bahnt sich gemütlich ihren Weg durch das hohe Gras. Tanja König ist gleich zur Stelle. Dass sich Schnecken auf einem muskulösen Kriechfuß fortbewegen, erklärt sie den Schülern. Und dass Weinbergschnecken unter Naturschutz stehen: »Wenn ihr also in Zukun eine Schnecke auf dem Gehweg seht – tut ihr einen Gefallen und setzt sie an den Wegesrand. Auf Wegen werden Schnecken nämlich o unabsichtlich zertrampelt.« Die Naturkundlerin ist eine von mehreren Betreuerinnen, die mit Allgäuer Schülern das Projekt »Klassenzimmer Alpen« durchführt. Es ist eines von zehn laufenden schwäbischen Biodiversitätsprojekten, die vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit gefördert und von der Regierung von Schwaben finanziell unterstützt und fachlich begleitet wird. Projektträger ist der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV), dem auch Tanja König angehört. 8

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Neben der Grundschule Fischen untersuchen seit vergangenem Schuljahr Drittklässler aus Rettenberg und Bad Hindelang regelmäßig die Artenvielfalt unserer heimischen Wiesen im Jahresverlauf. »Mit acht ganztätigen Terminen ist das Projekt recht zeitintensiv. Da es sich dabei jedoch durchweg um aktive Lernzeit in der Natur handelt, wurde der Vorschlag, beim Klassenzimmer Alpen mitzumachen, von den Eltern von Anfang an positiv aufgenommen«, erklärt Anna-Lena Grob. Als Heimat- und Sachkundelehrerin begleitet sie die Klasse 3a auf die Termine.

Wissensdurst und ökologische Nieten Mittlerweile haben die Schüler ihr Projektgebiet unweit des Immenstädter Alpsees erreicht. Die jungen Forscher machen sich sogleich daran, ihre quadratische Probefläche abzustecken. »Bei den vergangenen Terminen hatten wir mehrere Flächen, die je von einer Vierergruppe untersucht wurden«, erklärt König. Innerhalb dieser Bereiche fingen die


Weichkäfer, Kurzfühlerschrecken, Zikaden – Tanja König vom LBV erkennt jedes noch so kleine Fundtier und gibt ihr Wissen geduldig an die jungen Forscher weiter

Fotos: Viola Elgaß, Katharina Beck

Was ist das für ein Grashüpfer? Mit Lupe untersucht Zoe das eingefangene Insekt. Anschließend wird der grüne Winzling wieder freigelassen

Links: Ein kleiner »Sensationsfund« am Ofterschwanger Horn: Den Bergmolch durften sich die Kinder genauer ansehen. Das Amphib blieb angesichts seiner vielen Fans relativ gelassen

Kinder Insekten und andere Kleintiere ein, zeichneten und bestimmten die dort wachsenden Pflanzen und verglichen ihre Ergebnisse in Forscherprotokollen. Dabei stellten sie erhebliche Unterschiede zwischen den Talwiesen bei Immenstadt und den Bergwiesen am Oerschwanger Horn fest, an dem ebenfalls geforscht wurde. Heute, beim Schlusstermin, arbeiten alle zusammen an einer großen Probefläche. Die junge Zoe führt Protokoll. Gemeinsam zählen Tanja König und die Kinder die blühenden Blumen und bestimmen, wie sie heißen und ob sie für den Menschen nützlich sind. Rot- und Weißklee, Hahnenfuß und Augentrost erkennen die Schüler innerhalb von Sekunden. Auch die »ökologische Niete«, den schmarotzenden Klappertopf, erkennen die Schüler aus früheren Terminen wieder. Dieser bildet kleine Saugnäpfe an fremden Wurzeln und »klaut den Nachbarn das Wasser«. Hin und wieder bringen die Antworten die begleitenden Erwachsenen zum Staunen. »Wer hätte gedacht, dass es in der 3a so viele junge Naturkundler gibt?« Anna-Lena Grob ist beeindruckt vom bereits vorhandenen Wissen ihrer Schüler. »Interessanterweise kennen die meisten Erwachsenen heutzutage auch nicht viel mehr Pflanzen oder Tiere und ökologische Zusammenhänge als die Kinder«, meint Tanja König. Die Diplom-Biologin führt auch regelmäßig Führungen für Erwachsene durch. »Dabei laufe ich zwar größere Strecken, spiele weniger Spiele und erkläre manches etwas vielschichtiger, Kernaussagen sind meist aber dieselben. Meine Idealvorstellung wäre es, die Kinder zu naturkundlich gebildeten Erwachsenen auszubilden.«

Grashüpferjagd am Alpsee Nach dem Auswerten der Pflanzen ist der tierische Bestand an der Reihe. Die ganze Wiese darf heute nach sechs- oder achtbeinigen Bewohnern abgesucht werden. Vorher darf Mehmet nochmal zeigen, wie man mit der Becherlupe Insekten aufnimmt, ohne sie zu verletzen. Schmetterlingsraupen und Ameisen werden grundsätzlich nicht einge-

fangen. Sie orientieren sich an einer Duspur und sind überfordert, wenn sie dieser nicht mehr folgen können. Auch Schnecken und Regenwürmer werden nicht gezählt. Das hat praktischere Gründe: »Damit die Becherlupen nicht eingesaut werden«, erklärt einer der Buben. Nach der Einweisung schwärmen die Schüler aus – nur um Minuten später in regelmäßigen Abständen zu Tanja König zurück zu flitzen und ihren Fang bestimmen zu lassen. Zoes Bleisti fliegt geradezu über das Forscherprotokoll: Sechs Weichkäfer, acht Kurzfühlerschrecken, zwei Schwebfliegen und Zikaden, eine Bremse, sechs männliche und sieben weibliche Langfühlerschrecken, eine Fleischfliege – das ist nur ein Teil der »Beute«, die heute gemacht wird. Mit Engelsgeduld weist König auf außergewöhnlich lange Fühler hin und lobt besonders seltene Funde. Sie erkennt jeden noch so kleinen Käfer. Zwischen bunten Anoraks und Becherlupen ist die LBV-Betreuerin fast nicht mehr zu sehen. Die Begeisterung, mit denen die Schüler auf Insektensuche gehen, ist richtig ansteckend. Und kein bisschen außergewöhnlich, wie König betont. »Naturkundliches Interesse steckt grundsätzlich in jedem Kind. Es wird heutzutage nur durch viel Ablenkung, zum Beispiel durch Fernsehen und Spielekonsolen, aber auch durch Lerndruck in den Schulen überdeckt.« Naturbildung gehöre ihrer Meinung nach zur gesunden Kindheitsentwicklung dazu, denn Natur sei überall und man brauche nur offene Augen und Sinne, um sie wahrzunehmen: »Diese besondere Wahrnehmung macht die Umwelt selbst spannender. Ein ‚langweiliger‘ Familienspaziergang wird so zur Expedition.« Naturbildungsprojekte sollten daher fest in den Schulunterricht integriert und wieder Teil der Allgemeinbildung werden, findet König: »Wir brauchen noch mehr Projekte dieser Art, um jedem Schüler die Chance zu geben, eine naturkundliche Ausbildung zu bekommen.« Dem kann Anna-Lena Grob nur zustimmen. Zwischen dem Pauken im Klassenzimmer und dem Forschen draußen sieht die Lehrerin wesentliche Unterschiede: »Hier draußen lernen die Kinder vor allem durch eigenes Tun. Die Natur muss nicht ins Klassenzimmer geholt werden, sondern die Kinder haben die Möglichkeit am Original zu lernen.« Das

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Welche Antwort ist richtig? Bei »1, 2 oder 3« schnitten die jungen Fischinger richtig gut ab. Im Kasten unten können Sie nachprüfen, wie oft Sie richtig gelegen hätten

Die Untersuchungsergebnisse werden ins Forscherprotokoll eingetragen und später gemeinsam ausgewertet

Beim Staffelspiel »Störche und Graureiher« mussten die Schüler mit »Schnäbeln« an den Händen Beute für ihre Gruppe machen – kein leichtes Unterfangen im Winter

Experimentieren in der freien Natur könne mit allen Sinnen wesentlich umfangreicher stattfinden. »Ich denke, Interesse und Lernmotivation seitens der Kinder zu wecken ist beim Forschen draußen einfacher und viele Lerninhalte stehen schlussendlich auch nachhaltiger zur Verfügung«, fährt sie fort. Ob man als Lehrerin selbst wohl noch das ein oder andere dazulernt? Frau Grob grinst. »Der Entwicklung des ymian-Ameisenbläulings habe ich genauso gespannt gelauscht wie die Kinder.«

Viel mehr als reines Wissen Die Schüler selbst sehen den unschlagbaren Vorteil des Projekts dagegen in den kleinen Abenteuern, die man ganz nebenbei erlebt: »Auf dem Oerschwanger Horn haben wir einen Wanderfalken gesehen. Zweimal! Beim Abstieg ist er direkt über unsere Köpfe geflogen.« Für den neunjährigen Marian aus Fischen war das ohne Frage der ungeschlagene Höhepunkt der Ausflüge. Hugo aus Bolsterlang entdeckte im Herbst einen Blutegel. »Sie sehen zwar eklig aus, aber es sind ziemlich nützliche Tiere«, weiß der Neunjährige. Da hat der Forscherdrang den Ekel überwunden. Für die junge Zahide waren es die vielen Spiele, die am meisten Spaß gemacht haben: »Das ‚Eulen und Mäuse‘ Spiel hat mir am besten gefallen.« Dabei werden die Schüler in Eulen und Mäuse eingeteilt und anschließend »Fakten« vorgelesen. Stimmt die Aussage, wie zum Beispiel »Im Naturpark Nagelfluhkette gibt es Steinadler«, fangen die Eulen die

Folgende Fragen mussten die Schüler auf ihrem Ausflug spielerisch beantworten. Die Klasse 3a lag mit ihren Antworten zu neunzig Prozent richtig. Hätten Sie mit den Schülern mithalten können? 1. Welche dieser Pflanzen ist geschützt? a) Arnika b) Augentrost c) Klappertopf 2. Welche dieser Pflanzen ist giig? a) Fieberklee b) Sumpfgreiskraut c) Teufelsabbiss

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3. Was ist ein Schusternägle? a) Ein Nagel, den der Schuster verwendet b) Eine Schrittfolge beim Schuhplatteln c) Ein Enzian

6. Wo sitzt bei Insekten die Nase? a) Im Gesicht b) In den Antennen c) In den Mundwerkzeugen

4. Welche Zapfen findet man niemals auf dem Boden, weil sie vorher auseinander fallen? a) Tannenzapfen b) Fichtenzapfen c) Kiefernzapfen

7. Was macht eine Ringelnatter, wenn sie sich bedroht fühlt? a) Sie beißt zu b) Sie wir den Schwanz ab c) Sie fängt an zu stinken

5. Warum wird die Raupe des ymianAmeisenbläulings nicht von den Ameisen getötet, wenn sie in deren Bau überwintert? a) Weil sie ein süßes Sekret absondert b) Weil sie nicht bemerkt wird c) Weil sie sich mit kräigen Zangen zur Wehr setzen kann

8. Welches ist das größte Lebewesen der Erde? a) Ein Pilz b) Ein Mammutbaum c) Ein Blauwal (Lösungen: 1a, 2b, 3c, 4a, 5a, 6b, 7c, 8a)

Hätten Sie’s gewusst?

Mäuse. Ist die Behauptung falsch wie »Der Spitzwegerich ist eine sehr giige Pflanze«, dürfen die Mäuse die Eulen jagen. Durch Spiele wie dieses werden im »Klassenzimmer Alpen« angenehme Aspekte wie Spaß und Bewegung in der freien Natur ganz zwanglos mit dem Lerneffekt verknüp. Noch auf dem Heimweg finden angeregte »fachkundige« Diskussionen statt: »Spitzwegerich schreibt man doch nicht mit zwei R! Also, ich hab bis jetzt immer… Tanjaaa?« So geht es – nach dem Freilassen der gefunden Insekten und einem weiteren Ratespiel zum Schluss – auf dem Wanderweg lustig und lautstark zurück zum Bus, der die Schüler vorerst zum letzten Mal wieder nach Fischen und Bolsterlang bringen wird. Lehrerin Anna-Lena Grob zieht nach dem heutigen Termin ein Fazit: »Das Projekt war für die Kinder und mich eine spannende Zeit, bei der wir alle viel mehr gelernt haben als Pflanzen- oder Tierarten zu bestimmen.« »Vieeeeel mehr als in Mathe!«, flüstert darauin leise eine Schülerin, der lieber anonym bleiben möchte. So bleibt zum Schluss nur noch zu behaupten, dass die Fischinger Schüler aus dem Unterricht in der freien Natur wesentlich mehr mitgenommen haben als Fakten über unsere heimische Flora und Fauna. Mehmet fühlt sich nach dem »Klassenzimmer Alpen« schon ganz gut gerüstet für seinen Traumberuf. »Ich möchte Tierforscher werden!«, erklärt er. Dann bückt er sich ganz nebenbei, hebt vorsichtig eine Weinbergschnecke vom Wanderweg auf und setzt sie auf die Wiese. Viola Elgaß


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Das Rotwild ist immer wieder Streitthema zwischen Jägern, Naturschützern und Waldbesitzern. Prof. Wolf Schröder schaffte in seinem Vortrag einen Überblick über die unterschiedlichen Standpunkte

Rothirsch in Bedrängnis Der König der Wälder ist in den Allgäuer Bergen in einem Teufelskreis gefangen. Zuerst verwehrt man ihm in seine natürlichen Winterquartiere zu ziehen, an den Bodensee oder die Iller flussaufwärts. In den verbliebenen Sommerquartieren wird er in relativ hohem Bestand durch den Winter gefüttert. Auf Kosten der Jungbäume? Die Population des Rotwilds ist zu einem erbittert umkämpen Zankapfel zwischen Waldbesitzern, Naturschützern und Jägern geworden

I

n der Vortragreihe 2014 des Naturparks Nagelfluhkette referierte Prof. Wolf Schröder, Wildbiologe an der Technischen Universität München, unter dem Titel »Rothirsch in Bedrängnis« in Bolsterlang über die Biologie des Rotwildes.

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Referent und Wildbiologe Prof. Wolf Schröder und Rolf Eberhardt, Geschäftsführer des Naturparks Nagelfluhkette und Moderator der Veranstaltung


Fotos: Thomas Niehörster, Gaby Stein/pixelio.de

Schröder machte deutlich, dass das Rotwild nicht erst seit kurzem auf der nördlichen Erd-Halbkugel lebt, sondern bereits zur Eiszeit vor rund 10.000 Jahren eine Rotwildpopulation in unserer Region existiert habe. Die Eiszeitjäger, die im Kleinwalsertal im Bereich der heutigen Alpe Schneiderküren lebten, haben bereits Rothirsche gejagt – 4000 Jahre, bevor Ötzi im Südtiroler Schnalstal unterwegs war. Rothirsche sind von Natur aus Wanderer. Die uralten Hirschpfade in die Iller- und Lechauen sind jedoch heute durch Bebauung, Straßen oder Eisenbahnlinien für sie nicht mehr erreichbar, sodass sie auch im Winter mehr oder weniger dazu gezwungen sind, in den bestehenden Wäldern zu bleiben. Historisch gesehen regulierte sich der Bestand des Rotwilds durch die »kleine Eiszeit« im 17. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert wurde das Rotwild fast ausgerottet: Durch die Auebung des »Jagdregals« im Jahr 1848, das den Jagdvorbehalt der Landesherren und des Adels zugunsten der Bauern auob. Prinzregent Luitpold musste sein Jagdrevier im Hinterstein Tal mit Rotwild aus anderen Revieren wieder »auffüllen«. Der noch 1965 schlechte Bestand hat sich im Laufe der Jahre durch Winterfütterungen prächtig erholt. Wurde das Rotwild früher durch Wetter und Krankheiten dezimiert, so wird unser größtes freilebendes Wildtier heute gepflegt und durchgefüttert. Mittlerweile kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es bei der Bestandspflege des Wilds um eine ausgegliederte »Haustierhaltung« geht. Um einen Prachthirsch schießen zu können, müssen entsprechende Junghirsche nachgezogen werden. Um einen gesunden Bestand zu erreichen, müsste der Bestand durch Jagddruck um etwa 25 Prozent reduziert werden. Andererseits wird das Rotwild durch die enorm zugenommen Freizeitaktivitäten im Sommer wie im Winter aus seinen Freiräumen gedrängt. Als möglichen Lösungsansatz verwies der Wildbiologe in die Schweiz:

Oberallgäu Freifütterung Wintergatter Wintergatter sind abgeschlossene Flächen, in denen Rotwild aus freier Wildbahn zur Überwinterung in einer Art »Ersatzlebensraum« gehalten wird. Durch die Fütterungen sollen die Waldvegetation und vor allem empfindliche Jungbäume vor Verbiss durch die hungrigen Tiere geschützt werden

Dass das Ziel, eine ausgewogene Hirschpopulation zu erreichen, anders angegangen werden kann, zeigt das Beispiel Graubünden, in dem keine Jagdreviere existieren. Die traditionsreiche Jagd dort erfolgt heute nach wildbiologischen Grundsätzen. Personen, die in Graubünden eine Jagdprüfung abgelegt haben, können ein Patent lösen und die Jagd im ganzen Kanton ausüben. Da das Wild im Winter in die Täler ziehen kann, entstehen weniger Waldschäden. In den vergangenen Jahren sind auch Großraubtiere wie der Wolf und der Luchs oder zeitweise auch der Bär wieder dort eingewandert. omas Niehörster

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JUWELEN DES NATURPARKS

Eine (un)gezähmte Wilde Die Iller Waschtag beim Gänsesäger: Die großen Entenvögel fühlen sich in Fließgewässern pudelwohl

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ls Haupteisstrom der Illergletscher setzte sich die Iller in den verschiedenen Eiszeiten aus Eisströmen zusammen, die sich im Oberstdorfer Becken vereinigten. Der Fluss durchschneidet verschiedene geologische Einheiten: durch die Nördlichen Kalkalpen, Flysch und Helvetikum, fließt sie anschließend durch das Moränengebiet der Vorlandgletscher durch breite, schottergefüllte Schmelzwassertäler und mündet nach 147 Kilometern und 355 Höhenmetern bei Ulm in die Donau. Das Illertal wurde bereits früh besiedelt. Um den Boden landwirtschalich nutzen zu können, wurde der natürliche Flusslauf mit dem Bau des Illerkanals 1917 in engere Becken zurückgedrängt. Zuvor hatte der unberechenbare Gebirgsfluss immer wieder Teile des oberen Tals überschwemmt und Brücken mit sich gerissen. Ohne die frühe Zähmung der Iller sähe der Talraum heute wohl ähnlich aus wie das österreichische Lechtal: mit weiten Wasserflächen und sandig-kiesigen Uferstreifen. Gut zu beobachten ist das an den Abschnitten der Iller, die durch verschiedene Maßnahmen – auch wegen des Hochwasserschutzes – renaturiert und mit neuen Retentionsräumen in einen naturnahen Zustand zurückversetzt wurden. Zahlreiche Gebirgsbäche und Flüsse fließen der Iller zu, darunter die Weiler- und die Gun14

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Sie übertritt gerne mal ihre Grenzen und schenkt zahlreichen seltenen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum: Die Iller entspringt als Zusammenfluss der drei Quellbäche Stillach, Breitach und Trettach nördlich von Oberstdorf und fließt an der östlichen Grenze des Naturparks Nagelfluhkette entlang. Ihr »Gegenstück«, die Bregenzer Ach, zieht einen Teil der westlichen Naturparkgrenze. Die zwei Flüsse könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch gerade diese Vielschichtigkeit macht sie beide zu Juwelen unseres Naturparks zesrieder Ach, der Grundbach, die Rottach und die Konstanzer Ach. Bei Fischen begleitet ein breiter Auwaldgürtel, in dem auch der Auwaldsee liegt, die Iller. Durch den Wechsel von Überflutung und Trockenfallen sind Auwälder sehr dynamische Lebensräume und natürliche Überschwemmungs- und Rückhaltegebiete. Sie nehmen Wasser auf wie ein Schwamm, bremsen die Fließgeschwindigkeit und geben das aufgenommene Wasser erst verzögert wieder ab. Mit ihren Auwäldern und Seen bietet die Iller wertvollen Lebensraum für viele selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Sumpfdotterblumen und Huflattich ziehen im Frühjahr gelbe Linien entlang der Ufer. Das schnell fließende Wasser ist eine ideale Heimat für den Gänsesäger, einen der größten Entenvögel Europas. Die Bachforelle, typische Leitfischart der Iller, ist mit ihrem stromlinienförmigen Körper perfekt an die starke Strömung der Gebirgsbäche des Naturparks angepasst. Die Fische ernähren sich dort von Bachflohkrebsen und kleineren Artgenossen. Info: Eine Ausstellung zu den Juwelen des Naturparks Nagelfluhkette ist in diesem Winter im AlpSeeHaus zu sehen. Ab Frühjahr geht sie wieder auf Wanderscha. Infos zur Ausstellung und den Naturjuwelen gibt es beim Naturparkzentrum AlpSeeHaus unter Tel. +49 8323 9988717


Der Huflattich wächst gerne in kleinen Kolonien entlang der Flußufer. Links: Ihrem Titel als Naturjuwel macht die funkelnde Wasseroberfläche der Iller alle Ehre

Fotos: Archiv, Volker Wille, Helmut J. Saler/pixelio.de

»Iller, Lech, Isar und Inn fließen rechts zur Donau hin. Altmühl, Naab und Regen fließen ihr von links entgegen.«

Viele Oberallgäuer werden sich an den Sommer 2005 erinnern: Damals trat die Iller an etlichen Stellen über die Ufer und richtete viel Schaden an. Links die erholte Uferlandschaft im Frühjahr 2007, im Hintergrund der Grünten

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KURZMELDUNGEN Kutsche oder Pistenbully? den, Sonnenterassen laden zum Verweilen ein. Bei einer Pferdekutschenfahrt lässt sich die Landscha am Imberg auf die gemütliche Art entdecken. Ein außergewöhnliches Erlebnis ist eine Fahrt als Copilot in einem der modernsten

Foto: J. Waffenschmidt/Imbergbahn & Ski-Arena Steibis

Oberstaufen: Die zwei Wintersportgebiete rund um die Imberg- und die Hündlebahn lassen auch in diesem Winter keine Wünsche offen. Winterwanderer können auf gut präparierten Wegen die verschneite Bergwelt erkun-

Pistenbullies am Imberg, hierzu ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Das Skigebiet Hündle-alkirchdorf startet am 13. Dezember (je nach Schneelage) mit kostenlosen Schnupperkursen in die Saison. Jeden Samstag ab 27. Dezember lädt die Imbergbahn zum Abendrodeln ein. Zusätzliche Termine bei geeigneter Witterung sind der 29. Dezember und im Jahr 2015 am 2. Januar, 16. und 18. Februar.

Info: Hündlebahn: Tel. +49 8386 2720, E-Mail: info@huendle.de, www.huendle.de Imbergbahn: Tel. +49 8386 8112, E-Mail: info@imbergbahn.de, www.imbergbahn.de

Ohne viel Anstrengung lässt sich die Winterlandschaft am Imberg per Kutschfahrt erkunden. Wer es rasanter mag, kann sich zu einer Fahrt mit dem modernen Pistenbully anmelden

Das Ländle in zwölf Bildern

Unsere Gewinner

Vorarlberg: Ein Land der Vielfalt und der Gegensätze, gleichzeitig seit Jahrhunderten ein einzigartiger Kulturraum im Westen Österreichs. Das Ländle hat viele Gesichter. Zwölf davon zeigt der neue Wandkalender aus dem Tyrolia-Verlag mit Fotografien von Toni Anzenberger. Seine abwechslungsreichen und einfühlsamen Bilder spüren der fast mediterranen Atmosphäre eines Sommerabends am Bodensee ebenso nach wie der stillen winterlichen Einsamkeit in Vorarlbergs Berglandscha. Szenen eines unverfälschten Brauchtums finden ebenso Platz wie Zeugnisse der Moderne. Ein spannendes Porträt und eine Gelegenheit, Vorarlberg Monat für Monat neu zu entdecken.

Anzenberger, Wandkalender mit Spirale, 14 Blätter, 13 Fotos, Preis: 12,95 Euro, ISBN 978-3-7022-3342-6, Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2014, erhältlich im Buchhandel und unter www.tyrolia.at

1. Preis Carola Hofmeister aus Immenstadt gewann den Hauptpreis und damit ein abenteuerliches Familienraing auf der Iller mit Naturparkpartner »Spirits of Nature«. 16

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Carola Hofmeister aus Immenstadt zog den Hauptgewinn: Mit ihrer Familie und „Spirits of Nature“ kann sie die Wildheit der Iller aus nächster Nähe erleben

2. Preis Wolfgang Sauter aus Immenstadt gewann eine Wunschtour für fünf Personen mit dem Naturparkbus. 3. Preis Monika Pratzner aus Doren gewann mit ihrer Familie einen Erlebnistag im AlpSeeHaus. Herzlichen Glückwunsch!

Foto: Spirits of Nature

Info: Vorarlberg 2015, Fotos von Toni

Auf unser Gewinnspiel in der vergangenen Ausgabe des Naturparkmagazins gingen zahlreiche Einsendungen in unserer Redaktion ein. Das richtige Lösungswort NATURERLEBNIS hatten die meisten Leser entschlüsselt. An dieser Stelle geben wir die glücklichen Kandidaten bekannt, deren Namen aus dem Lostopf gezogen wurden:


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Kleine Welten im Heimathaus Sonthofen: Was Kinderherzen höher schlagen ließ und Mädchen und Buben sich unter dem Weihnachtsbaum wünschten, zeigt die Sonderausstellung »Puppenwelt und Spielzeugzauber« im Heimathaus Sonthofen bis zum 8. März 2015. Puppenstube, Teddybär, Eisenbahn, Baukasten und vieles mehr – eine breit gefächerte Palette unterschiedlicher Spielzeuge nimmt den Besucher mit auf eine Reise in die Spielwelt der Vergangenheit.

Info: Heimathaus Sonthofen, Sonnenstr. 1, D-87527 Sonthofen,

Foto: Stadt Sonthofen

Tel. +49 8321 3300, Öffnungszeiten Di bis Do, Sa, So 15 bis 18 Uhr

Die ausgestellten Spielzeuge sind historische Originale und teilweise begehrte und teure Sammlerstücke

Gestickte Moral und fadenscheinige Sprüche in Hittisau Hittisau: Gestickte Wünsche, Lebensweisheiten, Handlungsmaximen und Sinnsprüche sind bis zum 8. Februar 2015 im Frauenmuseum zu sehen. Für seine neueste Ausstellung hat das Museum hunderte Spruchtücher gesammelt. Die (doppel-)moralischen Appelle und Ermahnungen zu Fleiß, Frömmigkeit und Sparsamkeit sind aufschlussreiche kultur- und frauenhistorische Dokumente und erzählen von Rollenfestschreibungen, Wertvorstellungen, Disziplinierungsstrategien und menschlichen Beziehungen als Wunschbild, Realität oder Bürde. Im Rahmen der Schau bietet das Frauenmuseum zudem Workshops für Schulklassen an, bei denen die Kinder selbst »Sprüche klopfen« dürfen.

Info: Frauenmuseum Hittisau, Platz 501, A-6952 Hittisau, Tel. +43 5513 6209-30, kontakt@frauenmuseum.at, www.frauenmuseum.at

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KURZMELDUNGEN Umwelt-fair-trägliches Kinderprogramm Oberallgäu: Das Naturerlebniszentrum Allgäu hat ein Erlebnisprogramm speziell für Kindergärten und Schulklassen entwickelt. Dabei können Kindergartenkinder draußen ihre eigenen Schneeskulpturen bauen und lernen dabei spielerisch etwas über die Überlebensstrategien der Wildtiere in der kalten Jahreszeit. Beim »G‘scheit essen« erfahren Dritt- und Viertklässler beim gemeinsam vorbereiteten

Mit Spaß und Spiel etwas über Natur und Nachhaltigkeit lernen können Kinder bei verschiedenen, altersgerecht aufbereiteten Umweltbildungsangeboten des Naturerlebniszentrums Allgäu

Rodelspaß für die ganze Familie Immenstadt: Deutschlands längste GanzjahresRodelbahn »Alpsee Coaster« bietet mit seiner rund drei Kilometer langen Bahn sechs bis zehn Minuten Fahrspaß. Weder Regen noch Schnee können dank Wetterschutzhaube vom Rodeln abhalten. Auch die Naturrodelbahnen mit drei- und viereinhalb Kilometern Länge sind eine Abfahrt wert. Alle drei Rodelbahnen sind per Sesselbahn erreichbar. Höhepunkt der Wintersaison ist das Nachtrodeln. Es findet während der Wintersaison in den Weihnachtsund Faschingsferien jeden Samstag und Mittwoch statt.

D-87509 Immenstadt, Tel. +49 8325 252, Fax +49 8325 927693, E-Mail: info@ alpsee-bergwelt.de, www.alpsee-bergwelt.de

Fotos: Alpsee Bergwelt

Mit Schlitten durch den Schnee flitzen kann man auf den Rodelbahnen der Alpsee Bergwelt – und wenn Frau Holle ihre Arbeit nicht macht, steigt man auf den schneeunabhängigen Alpsee Coaster um

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Info: Anmeldeformulare und Informationen gibt es beim Bund Naturschutz – Naturerlebniszentrum Allgäu im AlpSeeHaus, Seestraße 10, D-87509 Immenstadt, Tel. +49 8323 9988760, info@nez-allgaeu.de

Neuer Bildband über Naturparke Naturpark Nagelfluhkette: Mehr als 150.000 Kilometer Rad- und Wanderwege, seltene Tiere und Pflanzen, kulturelle Höhepunkte und regionale Köstlichkeiten – all dies und noch viel mehr bieten über 100 Naturparke in Deutschland. Diese »Paradiese vor der Haustür« werden in einem neu erschienenen Bildband ausführlich vorgestellt – darunter natürlich auch der Naturpark Nagelfluhkette als einziger grenzüberschreitender Naturpark zwischen Österreich und Deutschland. Rund 300 Farbbilder, eine große Übersichtskarte, Hinweise zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Hintergrundtexte zu verschiedenen emen wie kindlichen Naturerfahrungen oder tierischen Einwanderern runden das 256 Seiten starke Buch ab.

Info: Alpsee Bergwelt, Ratholz 24,

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Frühstück etwas über sinnvolle und nachhaltige Ernährung. Schüler der fortführenden Schulen führen Untersuchungen unter dem Mikroskop im AlpSeeHaus durch oder tauchen tief in ihren Kleiderschrank ein: Ist hier wirklich alles »umwelt-fair-träglich« hergestellt? Interessierte Lehrer können ihre Klassen ab sofort bis Ende April anmelden.

Info: Paradiese vor der Haustür – Deutschlands Naturparke, von Bernd Pieper, Hardcover, 256 Seiten, 300 farbige Abbildungen, Preis: 29,99 Euro (D) / 30,90 Euro (A), ISBN: 978-3-7701-8941-0, DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2014, im Buchhandel erhältlich und unter shop.dumontreise.de


DAS MAGAZIN

Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs


Für ein besseres Miteinander von Mensch und Natur

Anton Klotz, Landrat des Landkreises Oberallgäu

Das Oberallgäu ist eine Landschaft mit hohem Erholungs- und Freizeitwert. Viele Menschen genießen es, draußen in der freien Natur unterwegs zu sein und dort ihren Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Leider ist dies nicht immer ganz frei von Konflikten. Das in der bayerischen Verfassung garantierte freie Betretungsrecht der Natur kollidiert mancherorts mit den Lebensraumansprüchen seltener und störempfindlicher Tiere und mit den Notwendigkeiten, die sich aus der Bewirtschaftung unserer Kulturlandschaft ergeben. Jeder Einzelne sollte sich deshalb die Frage stellen: Muss ich wirklich zu jeder Zeit überall sein? Oder ist es möglich, dass ich mich freiwillig ein wenig einschränke, um das Überleben dieser seltenen Tierarten zu sichern? Ganz nach dem alten Motto »Leben und leben lassen« könnte so eine Allianz entstehen, von der beide Seiten profitieren! Draußen unterwegs zu sein macht in einer intakten Natur- und Kulturlandschaft mehr Spaß, als in einer artenarmen, übernutzten Landschaft. Und um wie viel höher ist doch das Erlebnis auf einer Bergtour, wenn man am Himmel einen Steinadler kreisen sieht und die Gämsen aus sicherer Entfernung beim Äsen am Gegenhang beobachten kann. Damit solche Erlebnisse auch in Zukunft möglich sind, haben wir mit der Initiative »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« nun einen Weg eingeschlagen, der zu einem besseren Miteinander von Mensch und Natur führen kann und soll. Erstmals haben sich alle draußen aktiven Gruppen an einen Tisch gesetzt und sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. In Zukunft sollen Freizeitnutzern alle nötigen Informationen an die Hand gegeben werden, damit sie sich in den sensiblen Lebensräumen unserer Landschaft naturverträglich bewegen können. Dem Prinzip der Freiwilligkeit folgend, wird dabei an die Verantwortung jedes Einzelnen appelliert. Wenn es uns mit dieser Kampagne gelingt, die Menschen für die Schönheiten unserer Allgäuer Landschaft zu sensibilisieren und sie für die hier lebenden, seltenen Tiere und Pflanzen zu begeistern, wäre bereits viel gewonnen. Verständnis ist aus unserer Sicht der erste Schritt, der Freizeitnutzern dabei hilft, verantwortungsvoll in der Natur unterwegs zu sein.

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DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

Fotos: H. Besler, M. Senske, S. Bruckmeier, Lehne/Gretler; Karte: M. Gloggnitzer, Allgäu GmbH

GRUSSWORT LANDRAT

DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM. Eine Kampagne für verantwortungsvolles Verhalten in der Natur

Wintersport draußen in der Natur liegt voll im Trend. Vor allem Individualsportarten, die nicht auf Skipisten und Langlaufloipen beschränkt sind, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit: Skibergsteiger, Winterwanderer, Schneeschuhgeher und Freerider zieht es in der kalten Jahreszeit hinaus in die Allgäuer Landschaft. Dort finden sie ihren persönlichen Freiraum. »Der Mensch wird immer mehr zu einem flächendeckenden Teil unserer Natur- und Kulturlandschaft«, sagt dazu Rolf Eberhardt, Geschäftsführer des Naturparks Nagelfluhkette: »Konflikte zwischen Freizeitnutzern und sensiblen Elementen unserer Kulturlandschaft sind somit vorprogrammiert, insbesondere in einem biotop- und artenreichen Naturraum wie dem Allgäu.« Weite Teile des Allgäus gelten als Schwerpunktgebiete der Artenvielfalt in Deutschland. Hier haben seltene und störempfindliche Arten, wie Birk-, Auer- oder Alpenschneehühner, ihren Lebensraum.


Den Menschen zieht es hinaus in die Natur. Doch nur, wer über den wertvollen Lebensraum Bescheid weiß, in dem er sich bewegt, kann Rücksicht nehmen

Die breit angelegte Aufklärungskampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM. Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs.« soll deshalb die Menschen im Oberallgäu über die Schönheit und Einzigartigkeit der Naturund Kulturlandschaft informieren und für die Bedürfnisse der schützenswerten Tiere und Pflanzen sensibilisieren. Konkrete Verhaltenstipps und Empfehlungen für naturverträgliche Ski- und Schneeschuhtouren vor Ort helfen dabei, die Konflikte zwischen Freizeitnutzern und störanfälligen Arten auf ein Minimum zu reduzieren. »Der Wunsch nach persönlichem Freiraum in einem sensiblen Lebensraum ist möglich, wenn wir verantwortungsvoll mit dem Naturraum, in dem wir uns bewegen, umgehen«, erklärt Rolf Eberhardt die Kernbotschaft der Kampagne.

Viele Beteiligte In der Steuerungsgruppe des Projektes sitzen rund 20 Vertreter aus folgenden Institutionen und Bereichen: Landratsamt Oberallgäu, Gemeinden, Wildbiologie, Forstwirtschaft, Grundbesitzer, Land- und Alpwirtschaft, Jagd, amtlicher Naturschutz, Verbandsnaturschutz, Deutscher Alpenverein, Verband der Allgäuer Outdooranbieter, Bergschulen, Regionalentwicklung (LEADER), Tourismus, Bergsport / IG Klettern, Naturpark Nagelfluhkette.

Rolf Eberhardt, Geschäftsführer des Naturparks Nagelfluhkette: »Wir wollen den Menschen nicht ausschließen, sondern sehen ihn als Teil der Landschaft. Unser Ziel ist ein gutes Miteinander von Mensch und Natur«

Die Kampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« ruht dabei auf breiten Schultern. Getragen wird sie vom Naturpark Nagelfluhkette, dem Landkreis Oberallgäu, den Bayerischen Staatsforsten, dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Rahmen der Bergwaldoffensive und der Gemeinde Burgberg. Die Initiative wird durch das Förderprogramm LEADER in Form eines Gemeinschaftsprojektes der lokalen Aktionsgruppen Oberallgäu und Westallgäu-Bayerischer Bodensee gefördert und soll der Auftakt zu einer langfristig angelegten und auf weitere Landkreise übertragbare Kampagne sein. Was die Kampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« von vielen anderen Initiativen unterscheidet, ist die Einbeziehung aller relevanten Interessensgruppen – und zwar von Anfang an. Einer der ersten Schritte war es, eine Projektsteuerungsgruppe mit Vertretern aller

DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

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In den drei Pilotgebieten Grünten, Immenstädter Horn und Balderschwang/ Gunzesried wird die Kampagne erstmals umgesetzt

Interessensgruppen zu bilden (siehe Kasten auf Seite 3). Sie trifft sich regelmäßig und stellt so sicher, dass die Initiative von allen gemeinsam getragen und ein partnerschaftliches Netzwerk aufgebaut wird. Hauptziel der Kampagne ist es, den Menschen die nötigen Informationen an die Hand zu geben, ihre OutdoorAktivitäten in Einklang mit der Natur auszuüben: »Nur wer über die Zusammenhänge in der Natur- und Kulturlandschaft Bescheid weiß, kann sich draußen so verhalten, dass die hohe Wertigkeit der Allgäuer Landschaft als Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten bewahrt bleibt«, erklärt Rolf Eberhardt. Und dadurch auch für die Menschen attraktiv bleibt, die in einer intakten Natur- und Kulturlandschaft abschalten, durchatmen und sportlich aktiv sein wollen. »Wir wollen den Menschen nicht ausschließen, sondern sehen ihn als

Teil der Landschaft«, so der Geschäftsführer des Naturparks Nagelfluhkette, »unser Ziel ist ein gutes Miteinander von Mensch und Natur«. Zunächst wird die Kampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« im Landkreis Oberallgäu in drei Pilotgebieten umgesetzt. In Balderschwang/Gunzesried, Immenstadt (Steigbachtal – Immenstädter Horn) und Burgberg (Grünten) werden die notwendigen Schritte für eine erfolgreiche Besucherlenkung und -sensibilisierung ausprobiert und erarbeitet. Später soll die Kampagne, die sowohl den Winter als auch den Sommer abdeckt, auf den gesamten Landkreis Oberallgäu ausgeweitet werden. Auch eine Ausdehnung auf weitere Landkreise entlang der Bayerischen Alpen ist theoretisch möglich und wird von den Projektträgern gewünscht. Die Kampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« setzt wie das Vorarlberger Projekt »Respektiere Deine Grenzen« im Wesentlichen auf drei Elemente: Erstens auf die Aufklärung und Markierung mit Informationstafeln direkt vor Ort. Im Mittelpunkt stehen dabei Verhaltenstipps, naturverträgliche Tourenvorschläge und Informationen über schützenswerte Tiere und Pflanzen im jeweiligen Gebiet. Zweitens auf die allgemeine Aufklärung über die Zusammenhänge in der Natur- und Kulturlandschaft sowie über die Störwirkung verschiedener Aktivitäten. Drittens auf eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit, die möglichst alle Bürger in der Region über verschiedene Medien erreichen soll. Kommunikation steht bei der Kampagne also im Vordergrund – wobei die Internetplattform »www.freiraum-lebensraum.info« als zentrales Medium zur Information dienen soll. Der Mensch ist zunehmend in bislang ungestörten Bereichen unterwegs. Spuren vom Schneehasen rechts unten zeigen, dass hier Lebensraum und Freiraum aufeinander treffen

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DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.


DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM. Das Logo der Kampagne Der Slogan »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« soll zum Ausdruck bringen, dass beides nebeneinander und gleichberechtigt funktionieren kann: Der Wunsch nach FREIRAUM und der Schutz eines sensiblen LEBENSRAUMS. Dabei zeigen die Begriffe DEIN und MEIN auf, dass die Ansprüche von Mensch und Tier in diesen sensiblen Zonen aufeinander treffen und dass der Mensch die Lebensraumansprüche der Tiere zu respektieren hat. Das wird auch in der Unterzeile »Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs.« noch einmal aufgegriffen. Sie appelliert an die Verantwortung jedes Einzelnen. Daneben definiert die Unterzeile den »Raum«, in dem sich die Freizeitnutzer bewegen, etwa wenn es auf einer Informationstafel vor Ort heißt: »Verantwortungsvoll am Immenstädter Horn unterwegs«. Die Tiersilhouetten wechseln je nach dargestelltem Lebensraum und stellen eine der dort vorhandenen, schützenswerten Arten vor. Zum Beispiel eine Wasseramsel am Bach, ein Auerhuhn im Wald, ein Birkhuhn in der Krummholzzone oder einen Steinadler im Hoch-

gebirge. Auch die Ansprache DEIN/MEIN beziehungsweise MEIN/DEIN wechselt je nach Bildmotiv: Ist auf einer Tafel oder einem Plakat ein Tier abgebildet, lautet der Slogan »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.«. Steht hingegen der Freizeitnutzer im Vordergrund, heißt es »MEIN FREIRAUM. DEIN LEBENSRAUM.« Dahinter steckt die Idee, als Mensch zwischendurch spielerisch die Perspektive zu wechseln und in die Rolle des Tieres zu schlüpfen. Wer sich in die Bedürfnisse der bedrohten Tiere hineinversetzen kann, dem wird es leichter fallen, verantwortungsvoll in der Natur unterwegs zu sein. Letztlich steht die Wort-Bild-Marke der Kampagne für folgende Kernbotschaft: Der Wunsch nach persönlichem Freiraum in einem sensiblen Lebensraum ist möglich, wenn wir verantwortungsvoll mit dem Naturraum umgehen, in dem wir uns bewegen, und dabei Rücksicht auf die dort lebenden Tiere und Pflanzen nehmen.

DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

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TANZENDE ANGEBER IM FRACK – DAS BIRKHUHN Kullern, Zischen und eindrucksvolle Schaukämpfe: Die Birkhuhnbalz im Frühjahr und im Herbst ist ein spannendes Schauspiel unserer Natur. Doch die lebhaften »Tanzveranstaltungen« der Raufußhühner sind immer seltener zu hören.

Henning Werth, LBV-Gebietsbetreuer Allgäuer Hochalpen

Wo wird noch gekullert? Bei einer Untersuchung der Birkhuhn-Population im Jahr 2010 ergab sich ein Schätzwert von rund 2000 Tieren – in ganz Deutschland. 90 Prozent davon leben im Alpenraum. Der Naturpark Nagelfluhkette ist eines der wenigen Gebiete, in denen das Birkhuhn noch größere zusammenhängende Lebensräume findet. Uns obliegt damit eine besondere Verantwortung für die seltene Art. Huhn in Höhle Birk- wie auch Schneehühner überwintern gerne auf von Osten nach Westen verlaufenden Graten. Auf den locker beschneiten Nordseiten graben sie sich in Schneehöhlen ein, in denen sie perfekt gegen die Kälte isoliert sind. Bis zu 22 Stunden täglich verbringen sie in diesen Höhlen, um möglichst viel Energie zu sparen. Ihre Hauptaktivität liegt in den Morgen- und späten Nachmittagsstunden, denn zu diesen Zeiten ist ihr größter Fressfeind, der Steinadler, nicht mehr unterwegs. Dieser braucht Tageslicht für seine Jagd. Ihre Nahrung suchen die Hüh-

ner auf den freigewehten Südseiten, wo Zwergsträucher durch die Schneedecke ragen. Im Gegensatz zu anderen Tieren können sich Vögel keine Speckschicht anfressen, denn so wären sie flugunfähig und im Notfall hilflos. Für Birkhühner ist es deswegen katastrophal, wenn sie zum Beispiel durch Schneeschuhgeher oder plötzlich vorbeibrausende Freerider aus ihren Höhlen aufgescheucht werden. Denn so verlieren sie Wärme, Schutz und überlebensnotwendige Energie. Die zusammengestürzte Schneehöhle ist danach unbrauchbar. Gerade im Winter sollten Menschen deswegen den Bereich der Baumgrenze meiden.

LEBENSRAUM RANDFLÄCHEN Das Birkhuhn bewohnt Übergangsbereiche vom Wald in offenes Gelände, die sogenannten »Krummholzzonen« oder »Kampfzonen des Waldes«. An dieses Gebiet stellt das Birkhuhn vielfältige Anforderungen, denn im Laufe des Jahres benötigt es verschiedenste Kleinlebensräume. So muss das Balzgelände zur besseren Übersicht möglichst offen und strauchfrei sein. Zum Nisten wiederum bevorzugen die Hennen Bereiche, wo sie gut getarnt und mit ihrem Gelege besser geschützt sind: Zwergstrauchheiden mit Heidelbeerbüschen und Alpenrosen sind jetzt ideal.

Fotos: S. Bruckmeier

»Ich sehe große Chancen in der Besucherlenkung. Hier geht es darum, große zusammenhängende Lebensräume für das Birkhuhn und andere schützenswerte Tiere zu erhalten und über den Schutzbedarf dieser Arten zu informieren. So kann ich als Freizeitsportler meine Grenzen besser definieren und gezielter Rücksicht auf die Tiere nehmen.«

Das liegt nicht etwa daran, dass die Birkhähne balzfaul werden. Das Birkwild zählt zu den störempfindlichen Raufußhühnern (so genannt wegen der dichten Befiederung an ihren Beinen), deren Lebensraum mehr und mehr durch den Menschen bedroht ist. Gerade im entbehrungsreichen Winter können Störungen für die Vögel gefährlich werden.

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DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.


Fotos: S. Bruckmeier, A. Klumpp

LEBENSRAUM BERGWALD Das Auerhuhn bewohnt strukturreiche und ungestörte Bergwälder. Es teilt sich seinen Lebensraum unter anderem mit dem artverwandten Haselhuhn, dem Reh- und dem Rotwild, wobei letzteres eigentlich keine Waldart ist – es wurde erst nach und nach vom Menschen in den Wald zurückgedrängt. Gut erkennbar ist das am Geweih des Rothirsches: Im dichten Gebüsch ist es eigentlich hinderlich. Der Lebensraum Wald war lange Zeit uninteressant für Wintersportler, wird nun jedoch zunehmend von Schneeschuh- und Winterwanderern durchquert.

DER GRÖSSTE GOCKEL IM WALD – DAS AUERHUHN Das Auerhuhn zählt wie das Birk-, das Schnee- und das Haselhuhn zu den Raufußhühnern und ist ein echtes Schwergewicht: Die Hähne bringen bis zu vier Kilogramm auf die Waage und sind damit die größten Hühnervögel Europas. Im Oberallgäu findet man den krächzenden Gockel nur noch sehr selten. Er bewohnt hauptsächlich alpine Bergwälder, wenige Brutpaare gibt es außerdem im Eschacher und Kürnacher Wald. Im Kempter Wald ist er vor 30 Jahren ausgestorben. Die enorme Scheu vor dem Menschen, der es früher intensiv bejagt hat, wird vor allem in der kalten Jahreszeit zum Problem für das Auerhuhn. Seine Bergwälder wurden bislang von Wintersportlern wie den Skifahrern gemieden. Den Schneeschuhgeher stören die Bäume nicht, und so ist er auch oft in Gegenden unterwegs, wo Tiere bisher ungestört leben konnten. Ruhe statt Speckmantel Raufußhühner wie das Auerhuhn können sich keinen schützenden Winterspeck anfressen wie zum Beispiel das Murmeltier. Stattdessen reduzieren sie ihre Aktivitäten auf ein Minimum. Kurz vor dem Schlafengehen fressen sie so viele Fichten-, Tannen- und Kiefernnadeln wie möglich, um genug Energie für die kalte Nacht zu haben. Ihre Aktivitätsphasen überschneiden sich in etwa mit denen des Birkhuhns. Werden sie dabei gestört und

müssen fliehen, haben sie kaum noch Kalorien für den restlichen Tag übrig. Die Initiative »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« soll dazu beitragen, dass solche Konflikte gar nicht erst entstehen. Viele naturliebende Menschen wissen schlichtweg nicht, wann sie sich im Wohnzimmer sensibler Arten aufhalten und würden solche Bereiche freiwillig meiden.

DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

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ARTIST IM WILDEN KLETTERGARTEN – DIE GÄMSE

Konrad Kienle Bürgermeister von Balderschwang »Die Besucherlenkung sorgt zukünftig für ein harmonisches Miteinander von Mensch und Natur. Es bringt auf lange Sicht mehr Lebensqualität für uns und unsere Gäste.«

Scheinbar unbekümmert und leichtfüßig bewegen sich die kleinen Huftiere im schwierigsten Gelände. Dabei helfen ihnen ihre weit spreizbaren Hufe, mit denen sie sich gut an Kanten festkeilen können. Der typische Gamsbart, der viele Trachtenhüte schmückt, wird aus dem Widerristhaar vom Gamsbock gewonnen. In Sagen und Liedern über die Bergwelt spielen die eleganten Vierbeiner oft eine Rolle. Die Gämse ist aus unserem Alpenraum gar nicht wegzudenken. Bergsteiger mit Frühwarnsystem Gämsen sind neugierige, aber auch scheue Herdentiere. Im Sommer hält in der Regel ein »Wächter« Ausschau nach möglichen Gefahren. Nähert sich ein Wanderer (der die Tiere womöglich noch nicht einmal bemerkt hat), beobachtet die Gämse ihn eine ganze Weile lang sehr genau, ehe sie einen pfeifenden Warnlaut abgibt, woraufhin sich die ganze Herde nach oben in die Felsen verzieht. Diese Fluchtreaktion verstärkt sich, wenn der Mensch ein vermeintliches »Raubtier« mit sich führt: Hunde sind bei Gämsen unbeliebt, denn auch der freundlichste Bello könnte schließlich eine Gefahr für die Kitze darstellen. Winterzeit ist Energiesparzeit Ziehen die Herden im Sommer noch von Weideplatz zu Weideplatz, bewegen sie sich im Winter möglichst wenig. Sie steigen entweder hinab in den Bergwald oder halten sich auf besonnten Hängen auf, wo hier und da noch

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DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

Fotos: Andreas Keller [arakel]/pixelio.de, Rausch

Schluchtenspringen, Felsenklettern und Eisrutschen: Wer das für eine Sammlung alpiner Extremsportarten hält, wird erstaunt sein, wenn er das erste Mal eine Alpengämse beobachtet.

Gras durchschimmert. Das Motto des Tages heißt Fressen, Fressen, Fressen, um die Körpertemperatur aufrecht und die Organe am Laufen zu halten. Werden die Tiere jetzt aufgeschreckt, ist das besonders fatal, denn eine Flucht durch den tiefen Schnee verbraucht besonders viele, jetzt lebensnotwendige Kalorien. Jungtiere können dabei leicht von der Mutter getrennt werden und müssen in der eisigen Kälte nach ihr suchen.

LEBENSRAUM FELSENBEREICHE Alpine Rasen und Felshänge: Hier fühlt sich nicht nur die Gämse, sondern auch das Alpenschneehuhn und der Schneehase wohl, wobei die Huftiere wohl die geschicktesten Bergsteiger sind.


DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM. Eine Dachkampagne, die bestehende Initiativen integriert

Die Initiative »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« versteht sich im Oberallgäu als Dachkampagne, welche die bereits existierenden Kampagnen »Skibergsteigen umweltfreundlich / Natürlich auf Tour« des Deutschen Alpenvereins und »Respektiere Deine Grenzen« des Landes Vorarlberg integriert. Mit dem Deutschen Alpenverein (DAV) hat die Kampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« einen starken Partner gewonnen. Der DAV setzt sich seit Jahren im Rahmen des Projekts »Skibergsteigen umweltfreundlich« für eine Entschärfung der Konflikte zwischen Skitourengehern und störungsempfindlichen Wildtieren ein. Vor allem Raufußhühner wie Birk-, Auer- und Schneehuhn sowie einige Huftierarten (Rothirsch, Reh, Gämse) werden im Winter – bedingt durch die stark ansteigende Zahl der Tourengeher – zunehmend in ihren jeweiligen Lebensräumen gestört. Durch die Ausweisung freiwilliger Wald-Wild-Schongebiete, die Ausarbeitung naturverträg-

Herbert Erhart, Abteilung Umweltund Klimaschutz der Vorarlberger Landesregierung »Um die Natur und ihre Bewohner zu schützen, braucht es wenig Verbote – dafür aber die Mithilfe von jedem Einzelnen, guten Willen und Respekt.«

licher Routenempfehlungen und deren deutlicher Markierung vor Ort wirkt der Deutsche Alpenverein dieser Entwicklung entgegen. Ganz bewusst setzt der DAV dabei auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Mit der neu angelegten Kampagne »NATÜRLICH AUF TOUR« will der Deutsche Alpenverein ab diesem Winter die Ergebnisse des Projekts »Skibergsteigen umweltfreundlich« noch besser als bisher bekannt machen und um Akzeptanz werben. Im Oberallgäu ist »Natürlich auf Tour« ein integraler Bestandteil der Dachkampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.«. Besonders hervorzuheben ist, dass hier neben naturverträglichen Skitouren auch entsprechende Schneeschuhrouten ausgewiesen und markiert werden. Auf der österreichischen Seite des Naturparks Nagelfluhkette spielt die Kampagne »Respektiere deine Grenzen« der Vorarlberger Landesregierung eine wichtige Rolle. Sie wird jetzt ebenfalls in die Dachkampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« integriert. Dabei wird »RESPEKTIERE DEINE GRENZEN« im Oberallgäu überall dort in Erscheinung treten, wo es um konkrete Verhaltenseinschränkungen für die Freizeitnutzer geht, etwa am Rand eines Wald-Wild-Schongebietes, das nicht betreten werden soll. Neu ist, dass dem Freizeitnutzer vor Ort die Information an die Hand gegeben wird, warum er ein bestimmtes Gebiet meiden soll: So wird beispielsweise kurz erklärt, welche schützenswerte Tierart in einem Wald-Wild-Schongebiet ihren Lebensraum hat.

Manfred Scheuermann, Deutscher Alpenverein Ressort Natur- und Umweltschutz »Es geht darum, weit reichende Möglichkeiten für Ski- und Schneeschuhtouren zu erhalten und gleichzeitig die Natur zu schützen. Wer mehr über die Natur weiß, erlebt noch intensiver.«

Infotafeln vor Ort (Entwurf) geben Tipps, wie man sich verantwortungsvoll in der Natur bewegt. Darüber hinaus stellen sie schützenswerte Tiere und Pflanzen und naturverträgliche Routen vor.

DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

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DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM. Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs – Naturverträgliche Ski- und Schneeschuhtouren Abschalten, durchatmen, sportlich aktiv sein. Gerade im Winter bieten die Berge des Naturparks Skibergsteigern und Schneeschuhgehern tolle Möglichkeiten, ihren Sport in einer traumhaften Landschaft auszuüben und zu genießen. Die kalte Winterluft macht den Kopf frei. Die frisch verschneiten Hänge und Gebirgswälder wirken auf den ersten Blick unberührt – und sind doch voller Leben: Spuren von Birkhühnern, Schneehasen und Gämsen sind ein klares Zeichen dafür, dass verschiedene Tierarten auch während der harten Winterzeit hier ihren Lebensraum haben. Also zum Teil genau dort, wo Wintersportler ihren persönlichen Freiraum suchen. Die Kampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« trägt viele Mosaiksteinchen zusammen, um den Konflikt zwischen Mensch und Natur im Oberallgäu zu entschärfen. Ein besonders wichtiges Steinchen ist die Ausweisung naturverträglicher Routen. Unter der Federführung des Deutschen Alpenvereins wurden deshalb die Skitouren im Projektgebiet überprüft. Bei den Besprechungen saßen Biologen, Förster, Grundbesitzer, Naturschützer, Outdooranbieter und weitere Experten am runden Tisch. Freiwillige Wald-Wild-Schongebiete wurden ausgewiesen, Standorte für Hinweistafeln festgelegt und Routen um Ruhe- und Nahrungsplätze herum geführt, die für die Wildtiere im Winter überlebensnotwendig sind. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im Naturpark erfüllen rund 50 Skitouren die Kriterien von »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.«. Die naturverträglichen Routen, die auf Informationstafeln vor Ort und auf der Internetseite www.freiraum-lebensraum.info kommuniziert werden, sollen es Skitourengehern in Zukunft leichter machen, verantwortungsvoll in der Natur unterwegs zu sein. Ganz neu sind die rund 30 naturverträglichen Schneeschuhrouten, die in den vergangenen Monaten von zahlreichen Fachleuten unter Federführung des Naturparks Nagelfluhkette und des Deutschen Alpenvereins ausgearbeitet wurden. Sie geben den Schneeschuhgängern im Projektgebiet ein Streckennetz an die Hand, das sowohl auf die Wünsche der Erholungssuchenden als auch auf die Bedürfnisse der Wildtiere abgestimmt ist. Die freiwilligen Wald-Wild-Schongebiete und die auf ihre Naturverträglichkeit geprüften Ski- und Schneeschuhtouren finden sich nicht nur auf Informationstafeln vor Ort und auf der Internetseite der Kampagne, sondern

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DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

werden auch in der Anfang 2015 anstehenden Neuauflage der Alpenvereinskarte »Allgäuer Voralpen West« eingearbeitet. Wintersportler sollten sich dabei auf jeder Tour bewusst sein, dass sie sich im ungesicherten alpinen Gelände auf eigenes Risiko bewegen. Sie sollten deshalb alpine Gefahren, etwa die Lawinengefahr vor Ort, immer im Auge behalten. Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs zu sein, heißt auch, auf die eigene Gesundheit zu achten.

WER SICH IM WINTER AN DIE FOLGENDEN DREI VERHALTENSREGELN HÄLT, TRÄGT BEREITS VIEL DAZU BEI, DASS EINEM MITEINANDER VON MENSCH UND TIER NICHTS IM WEGE STEHT: • Regel 1: Bleib auf den Wegen und folge den markierten Routen! Wer auf den ausgewiesenen Wegen bleibt, ist für die Wildtiere berechenbar und wird deshalb in der Regel nicht als Gefahr empfunden. • Regel 2: Respektiere die Schutzgebiete! Schutzgebiete sind in unserer Landschaft wichtige Rückzugsräume für störanfällige Tierarten. Gerade im Winter, wenn unsere Wildtiere bei Kälte und Nahrungsmangel ein Leben am Limit führen, helfen ihnen diese Ruheräume, Energie zu sparen und diese Zeit des Mangels zu überleben. • Regel 3: Bitte meide möglichst die Dämmerungsstunden! Viele Tiere nutzen im Winter die Morgen- und Abenddämmerung zur überlebenswichtigen Nahrungsaufnahme und reagieren dann besonders sensibel auf Störungen.

Im Sommer wird die Kampagne fortgeführt Die Ausarbeitung von Verhaltensempfehlungen und naturverträglichen Routen im Rahmen des Konzepts »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« beschränkt sich nicht nur auf die Wintersportarten Skibergsteigen und Schneeschuhgehen. Ähnliches ist auch für die Sommersportarten Mountainbiken, Canyoning, Rafting und Klettern geplant. Allen Freizeitnutzern, die draußen aktiv sind, sollen Tipps an die Hand gegeben werden, die es ihnen ermöglichen, verantwortungsvoll in der Natur unterwegs zu sein. Das gilt beispielsweise auch für Pilz- und Beerensammler, Hundebesitzer oder Wanderer.


Thomas Dempfle, Geschäftsführer OASE AlpinCenter »Die Gäste des OASE AlpinCenters in Oberstdorf lieben auf Tour den Einblick in die unberührte und naturbelassene Landschaft der Nagelfluhkette und schätzen dabei den Ausblick auf nachhaltigen, umweltfreundlichen Bergsport. Wir haben die Bedeutung der Kampagne »DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.« mit der Ausbildung all unserer 60 Bergund Wanderführer zu Naturparkführern unterstrichen.«

DEIN FREIRAUM. MEIN LEBENSRAUM.

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Verantwortungsvoll in der Natur unterwegs

www.freiraum-lebensraum.info


KURZMELDUNGEN

Info: inatura Erlebnis Naturschau, Jahngasse 9, A-6850 Dornbirn, Tel. +43 5572 23235, naturschau@inatura.at, www.inatura.at

Wer kennt den Dino des Jahres? Die Geschichte vom Ökosaulus Der Dino des Jahres ist ein Preis, den der deutsche Naturschutzbund (Nabu) zu Jahresende an Menschen des öffentlichen Lebens verleiht, die sich – sowohl anhand einzelner Leistungen oder eines ganzen Lebenswerks – in Sachen Umweltschutz als herausragend rückständig erwiesen haben. Die 2,6 Kilogramm schwere Riesenechse aus Zinn ist ein Negativpreis, quasi ein »Öko-Saulus«, den niemand gerne im Regal stehen haben möchte. Der Naturschutzbund will auf diese Weise die Öffentlichkeit für Umweltfragen sensibilisieren und auf umwelt-

Foto: NABU/Klemens Karkow

Der Dino des Jahres ist ein Negativpreis für umweltschädliches Handeln

schädliches Handeln hinweisen. Prominente Dino-Preisträger sind unter anderem die ehemalige Bundeslandwirtschasministerin Ilse Aigner und die Präsidenten der Tui- und AIDA-Kreuzfahrtschiffe: Richard Vogel und Michael amm.

Info: Alle bisher ausgezeichneten Persönlichkeiten und Hintergründe zum Dino des Jahres können auf der Homepage des Bund Naturschutzes unter www.nabu.de/aktionenundprojekte/dinodesjahres nachgelesen werden

Die einen fressen sich einen dicken Speckmantel an, die anderen legen sich monatelang schlafen, manche verstecken Nüsse wie verrückt: Die neue Sonderschau in der inatura zeigt 31 winterliche Überlebensstrategien unserer Flora und Fauna

Gejagter Jäger Naturpark Nagelfluhkette: Der Landesbund für Vogelschutz (LBV), Birdlife Österreich und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) haben den Habicht zum »Vogel des Jahres 2015« gewählt. Wie viele andere seiner Verwandten ist der Habicht immer noch der illegalen Verfolgung ausgesetzt. Als Signal gegen die Bejagung wurde gemeinsam mit dem Komitee gegen Vogelmord eine Meldeaktion gestartet. Aktuell aufgestellte Fallen, vergiete oder angeschossene Greifvögel können ab sofort unter der Telefonhotline +49 30 284984 1555 gemeldet werden. Unter dieser Nummer bieten Experten Hilfe beim Erkennen, Dokumentieren und Anzeigen illegaler Aktivitäten. Darüber hinaus werden auch zurückliegende Fälle illegaler Greifvogelverfolgung erfasst, zu melden unter www.lbv.de/verfolgung.

Foto: Wolfgang Lorenz/LBV

Dornbirn: »Überwintern – 31 großartige Strategien« lautet der Titel der neuen Sonderausstellung des Naturmuseums inatura. Die Schau läu bis zum 19. April 2015 und ist als schneeweiße Winterlandscha konzipiert, die 31 unterschiedliche Wintergeschichten erzählt. Sie zeigt nicht nur, was oberhalb der Schneedecke geschieht, sondern wir auch einen Blick unter das winterliche Weiß. Unzählige Lebewesen warten nur drauf, von den Besuchern aufgespürt zu werden. Nahrungsmangel, Kälte, Schnee und kurze Tage stellen Fauna und Flora auf eine harte Probe. Daher haben unsere heimischen Wildtiere und Pflanzen im Laufe der Evolution eine Vielzahl an schlauen und faszinierenden Strategien und Anpassungen entwickelt. Diese helfen ihnen dabei, die Zeit der Entbehrung erfolgreich zu überstehen und bilden die Grundlage für die sehenswerte Ausstellung in Dornbirn. Die inatura ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Foto: anschi/pixelio.de

Von Sammlern, Höhlengräbern und Schnarchnasen

Der 50 bis 60 Zentimeter große Habicht sieht sich ständig der illegalen Verfolgung ausgesetzt. Als Warnsignal wurde der kräftige Greifvogel zum Vogel des Jahres 2015 ernannt

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Ein winziger Engländer in Vorarlberg Österreichs Schmetterlingsfauna ist um eine bemerkenswerte Art reicher: Heckfords Zwergminierfalter hat eine Flügelspannweite von lediglich fünf Millimetern und wurde erst im Jahr 2010 im südenglischen Devon entdeckt. Offensichtlich fühlt sich der Winzling jedoch auch in Vorarlberg wohl. Ob wir ihn wohl bald auch im Naturpark Nagelfluhkette begrüßen dürfen?

Heckfords Zwergminierfalter – stark vergrößert. Im Original ist der winzige Flattermann gerade mal fünf Millimeter groß. Kein Wunder, dass er so lange unentdeckt blieb

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und erzeugt typische Fraßgänge. Die Verpuppung erfolgt außerhalb der Blattmine in einem Kokon am Boden. Die Entdeckung des Zwergminierfalters in Vorarlberg wurde über ein vom Naturmuseum inatura (siehe auch Seite 6) gefördertes Forschungsprojekt zur internationalen Artenbestimmung ermöglicht. Im Rahmen der Initiative »iBOL« (International Barcode of Life) sollen alle Arten von Tieren, Pflanzen und Pilzen in einer genetischen Datenbank erfasst werden.

Bestimmung per »Fingerabdruck« Umfassende genetische Erhebungen von bisher 1500 Schmetterlingsarten im Ländle sind für die Museumsleiterin Ruth Swoboda daher

ein wichtiger Beitrag zur globalen Biodiversitätserforschung. Der Nutzen länderübergreifender Datenbanken ist für Projektleiter Peter Huemer von den Tiroler Landesmuseen offensichtlich. So konnte erst anhand bereits vorhandener genetischer Fingerabdrücke aus England eine sichere Artbestimmung durchgeführt werden. Dank internationaler Vernetzung wird somit auch die Zuordnung bisher unbekannter Tiere und Pflanzen in kürzester Zeit möglich. Möglicherweise entdeckt der kleine Flattermann schon bald den Naturpark Nagelfluhkette für sich, wie schon sein ebenfalls sehr seltener Verwandter, der Apollofalter. Rankweil liegt immerhin nur eine knappe Autostunde von der Naturparkgemeinde Hittisau entfernt. Wobei man mit einer Flügelspannweite von fünf Millimetern wohl etwas länger braucht.

Foto: Ales Lastuvka, inatura – Erlebnis Naturschau Dornbirn

oni Mayr traute seinen Augen kaum, als er den Minifalter in der Üblen Schlucht bei Rankweil in Vorarlberg entdeckte. Mittlerweile wurde der Neufund des Hobby-Insektenforschers genetisch bewiesen. Er gilt als ausgemachte Sensation, wurde die Art doch als englischer Einzelfall gehandelt, dem selbst BBC und die Times Beiträge widmeten. Die Entdeckung des Zwergminierfalters in der Region lässt eine viel weitere Verbreitung erwarten. Der Falter mit dem wissenschalichen Namen Ectoedemia heckfordi ist eine von 138 Arten Österreichs aus der Familie der Zwergminierfalter. Alle Arten sind winzig und im Extremfall nur drei Millimeter groß. Sie besitzen als ein charakteristisches Merkmal Augendeckel und einen mit haarförmigen Schuppen bedeckten Kopf. Die Raupen der meisten Arten leben »minierend« in Blättern, das bedeutet sie fressen im Blattinneren und erzeugen dort typische Spuren wie Gänge oder platzartige Flecken. Die Spezialisierung der Raupen auf eine oder wenige Pflanzen ist sehr groß, so lebt die Neuentdeckung ausschließlich an zwei Eichenarten. Zwergminierfalter finden sich aber an fast allen Laubhölzern, viel seltener an krautigen Pflanzen. Wohl wegen ihrer Größe werden Zwergminierfalter nur selten beobachtet.

Forschungsprojekt von inatura gefördert Heckfords Zwergminierfalter wurde in Vorarlberg an einer Kunstlichtquelle zur Erfassung von Nachtfaltern registriert. Über die Lebensweise kann aber nur auf Grund der Daten aus England spekuliert werden. Dort fliegt der Falter im Mai und die Raupe entwickelt sich im August und September. Sie ist leuchtend grün 20

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Das Forschungprojekt, in dessen Rahmen der kleine Falter entdeckt wurde, wird seit Langem vom Naturkundemuseum inatura in Dornbirn unterstützt und gefördert


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NEUES AUS DEM NATURPARK

Neue Wege im Naturpark Tafeln, die sich Sehbehinderten selbst erklären, Sitzbänke, die Auskun über ihre Umgebung geben und Radfahrer, die auf Bahntrassen fahren. Es war ein gutes Jahr für Wanderer, Radler und junge Entdecker im Naturpark Nagelfluhkette: Gleich drei neue Wege führen seit diesem Sommer durch unsere vielfältige Landscha. Über einen Mangel an Kreativität kann man sich dabei nicht beklagen

Fotos: Sonja Hölzler, Tourismus Hörnerdörfer

»Alpvielfalt« im Gunzesrieder Tal »Zur Ruhe kommen, betrachten, verstehen« ist das Motto des emenwegs zur Alpvielfalt im Gunzesrieder Tal. Gemütlichere Auskun hat es selten gegeben: Die Infotafeln wurden in Sitzbänke am Wegesrand integriert. Über neun Kilometer und 650 Höhenmeter hinweg informiert der Rundweg zu den steinigen Schätzen im Haldertobel, warum die Arbeit auf der Alpe mal intensiv, mal extensiv ist und welche Vögel am Berghimmel kreisen. Endpunkt ist die Sennerei Gunzesried.

Info: Tourist-Info Blaichach, Immenstädter Str. 7, D-87544 Blaichach, Tel. +49 8321 6076950, tourist-info@ blaichach.info, www.blaichach.de

Ein Wanderweg wird für Blinde hörbar: Waldemar Ruf vom BBSB, Karola Sieger von der Firma Gastfreund und Bürgermeister Edgar Rölz (v.l.n.r.) zeigen, wie die Infotafeln am Fischinger Weg sich via Smartphone selbst erklären

Ungewöhnliche »Infotafeln« sind für den Themenweg über Gunzesried erdacht worden: Sitzbänke machen die Alpvielfalt begreiflich

Achtalweg zwischen Egg und Doren Weniger anspruchsvoll und radtauglich ist der Achtalweg: Auf der Trasse des ehemaligen »Wälderbähnle« führt der zehn Kilometer lange Rad- und Gehweg mit geringem Gefälle durch Natur und Landscha und vorbei an den renovierten Bauten der ehemaligen Bregenzerwälderbahn. Die Nutzung ist laut Regio Bregenzerwald grundsätzlich das ganze Jahr über möglich. Aus Naturschutzgründen erfolgt allerdings kein Winterdienst und forstbedingte Teilsperren sind möglich.

Info: Regionalentwicklung Bregenzerwald, Impulszentrum 1135, A-6863 Egg, Tel. +43 5512 26000, regio@bregenzerwald.at, www.regiobregenzerwald.at 22

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»Die 12 Fischinger Tore« bei Fischen Ein neuer Walderlebnisweg widmet sich der jüngsten Naturparkgemeinde und den Besonderheiten des Auwaldes an der Iller. Auf vier Kilometern führt der Weg vom Kurpark bis zum Illerursprung und vermittelt dabei auf zeitgemäße Weise, wie sich Menschen, Tiere und Pflanzen den vielfältigen Lebensraum gemeinsam teilen. Sehbehinderte können sich mithilfe eines Smartphones die Infotexte vorlesen lassen. Laut dem Bayerischen Blindenund Sehbehindertenbund (BBSB) ist das Angebot auf Wanderwegen im Allgäu bisher einzigartig.

Info: Gästeinformation Fischen im Kurhaus Fiskina, Am Anger 15, D-87538 Fischen im Allgäu, Tel. +49 8326 36460, info@hoernerdoerfer.de, www.hoernerdoerfer.de


Entdecken und Erleben im AlpSeePark Immenstadt: Einigen ist sie vielleicht schon aufgefallen, mancher hat sie womöglich schon zuhause liegen: Die handliche Karte »AlpSeePark« informiert über die Freizeitmöglichkeiten rund um den Alpsee. Spielerisch und übersichtlich auereitet führt er Gäste wie Einheimische zu den bekannten und unbekannten Highlights im Park, zum Beispiel zu den Flüsterblumen, dem Piratenfloß und natürlich ins AlpSeeHaus. Auf der Rückseite finden sich die näheren Beschreibungen der einzelnen Aktivitäten. Die Karte liegt im AlpSeeHaus aus und kann kostenlos mitgenommen werden.

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Neue Langlaufschule in Sulzberg eröffnet

Foto: Tourismusbüro Sulzberg

Sulzberg: Als Langlaufzentrum und Austragungsort von Langlauf-Bewerben hat Sulzberg eine lange Tradition. Der vor drei Jahren ins Leben gerufene Nordic Sport Park entwickelte sich binnen kürzester Zeit zum Lang-

lauf-Mekka im Bregenzerwald. Nun hat die Gemeinde ihr Angebot weiter verbessert und Vorarlbergs erste Langlaufschule ins Leben gerufen. Seit Dezember gibt es die richtigen Techniktipps für Groß und Klein sowie für Einsteiger und Profis. Ebenfalls betreut wird der Bereich Biathlon. »So kann Langlauf/Biathlon zur Faszination werden – im Einklang mit Natur, Körper und Geist«, lautet das Motto von Trainerin Ingrid Fink-Nöckler.

Info: Ingrid Fink-Nöckler, Fischbach 416, A-6934 Sulzberg, Tel. +43 664 5323102, innovationnordic@gmx.net Langlauftechniken für Groß und Klein unterrichtet Ingrid Fink-Nöckler

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NEUES AUS DEM NATURPARK TIERKINDER AUF ENTDECKUNGSTOUR Im Sommer besuchten die Kindergartenkinder aus Bolsterlang das Naturparkzentrum im AlpSeeHaus in Immenstadt. Als Tierkinder gingen sie auf Expedition, um den Naturpark Nagelfluhkette zu erforschen

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Foto: Naturpark Nagelfluhkette

ie stellten fest, dass ihr Naturpark die Heimat von vielen Tieren ist, die zum Beispiel im Wald oder auf (Berg)wiesen leben. Außerdem gibt es in ihrer Heimat ein ganz besonderes Gestein: Beim Nagelfluh handelt es sich um ein Konglomerat, das aus vielen einzelnen Steinen aufgebaut ist. Um dieses kennenzulernen, dure jeder sich sein eigenes Nagelfluh-Amulett schleifen. Dabei wurde den

Erlebnisführungen im AlpSeeHaus »Natur und Mensch – Ein geheimnisvolles Zusammenspiel« Was bedeutet eigentlich (Kultur-)Landscha? Im Forschungslabor führen wir unsere Untersuchungen durch und versuchen das Geheimnis unserer Landscha zu lüen!

Kindern schnell klar, dass jeder ihrer Steine einzigartig ist. Nach vielen kräigen Schleifbewegungen war es endlich gescha und die geschliffenen und polierten Steine glänzten in den schönsten Farben. Mit einem echten Schmuckstück um den Hals duren die Kinder dann alle Stationen der Erlebnisausstellung »Expedition Nagelfluh – Natur mit anderen Augen sehen« entdecken!

»Nagelfluh, der Schatz des Naturparks!« Erfahren Sie mehr über das namensgebende Gestein des Naturparks. Unter fachkundiger Anleitung erarbeiten wir echte Nagelfluhamulette! (Materialkosten: 6 Euro pro Person) »Grenzenlose Vielfalt: Tiere, Pflanzen und Lebensräume im Naturpark« Welche Tiere leben hier und wo genau? Mit Entdeckerweste, Lupe und Notizzettel machen wir uns auf Spurensuche…

Auf Hasenpfoten den Wald entdecken, die Bergwiese durch die Augen eines Schmetterlings betrachten: Die Bolsterlanger Kindergartenkinder erkundeten die Erlebnisausstellung im AlpSeeHaus auf besondere Weise

Regelmäßige offene Führungen Termine unter www.nagelfluhkette.info

NATURLUST STATT SCHULFRUST Warum sollte Schule nur im Klassenzimmer stattfinden, wenn es draußen so viel Spannendes zu entdecken gibt? Die Kinder der Königsegg Grundschule in Immenstadt dürfen echte Naturparkforscher und Experten werden. Im Lehrplan für den Heimat und Sachunterricht der Klassen 1 bis 4 wird im kommenden Jahr die Naturparkschule verankert sein ie Lehrinhalte erarbeitete der Naturpark Nagelfluhkette gemeinsam mit der Grundschule Königsegg in Immenstadt: In vielfältigen Lern- und Erfahrungsorten soll den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geboten werden, den Besonderheiten im Naturpark zu begegnen und die heimische Natur vor der Klassentür zu entdecken. Exkursionen in verschiedene Lebensräume sollen Interesse für die Vorgänge in der Natur wecken. Die Erst- und Zweitklässler werden zum Beispiel die heimischen Tal- und Bergwiesen kennenlernen. Sie werden Pflanzen bestimmen, Tiere beobachten und zusammen mit Partnerlandwirten ihre eigene Schulwiese bewirtschaen. Besonders spannend: Das gewonnene Heu darf bei einem Bauernhoesuch an die Kühe verfüttert werden. 24

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Foto: Viola Elgaß

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Die Natur vor der Haustüre kennen lernen und ein Gespür für die Umwelt entwickeln: Das sind die Ziele der ersten Oberallgäuer Naturparkschule. Denn im Idealfall wird aus einem naturbegeisterten Schüler ein umweltbewusster Erwachsener

ematische Ausflüge und Projektarbeiten werden auch kulturelle emen aufgreifen. Kunst und Handwerk, Geschichtliches, Sagen, Bräuche oder die Bedeutung der Land- und Forstwirtscha sollen Verständnis für Aktuel-

les und Vergangenes wecken und zu einer nachhaltigen Lebensweise anregen. Das schon in einigen österreichischen und deutschen Naturparken angewendete Konzept wird im Frühjahr 2015 erstmals im Naturpark Nagelfluhkette gestartet. Pilotschule ist die Königsegg Grundschule. Danach soll das Konzept auf weitere interessierte Schulen übertragen werden, um mittelfristig ein Netz von Naturparkschulen in der gesamten Nagelfluhkette zu gewinnen. Projektpartner sind Institutionen und Vereine, die sich mit den emen des Naturparks beschäigen, wie unter anderem das staatliche Schulamt, das Amt für Ernährung, Landwirtscha und Forsten, der Bayerische Bauernverband, der Alpwirtschaliche Verein und verschiedene Umweltverbände.


RANGER-TREFFPUNKT IM NATURPARK Seit Oktober dieses Jahres existiert ein Umweltbildungsstützpunkt im Oberallgäu. Die Grafenälpe im Ostertal bei Gunzesried, in der bereits zahlreiche Junior Ranger Ausbildungen stattgefunden hatten, wurde frisch renoviert von den Bayerischen Staatsforsten an den Naturpark Nagelfluhkette übergeben u meiner Kindheit war es normal, dass der Vater mit seinen Kindern raus in die Natur ging und sie ihnen erklärte. Das ist heute nicht mehr üblich«, bedauerte Walter Grath bei der Übergabe. Im Konzept der Junior Ranger Ausbildung sieht der Vorsitzende des Naturparks Chancen, das zu ändern: »In Zukun nehmen die Junior Ranger ihre Eltern mit nach draußen.« Mit der Grafenälpe hätten die Junior Ranger eine Anlaufstelle mitten im Naturpark, stimmte die Umweltbildungsbeauragte Sonja Hölzler zu: »Die Hütte liegt direkt im sensiblen Lebensraum von Birk- und Auerhühnern.« Vor der feierlichen Schlüsselübergabe war die Grafenälpe in monatelanger Sanierungsarbeit auf Vordermann gebracht worden. Neben den Bayerischen Staatsforsten packten auch Meister der Autofirma Daimler an. Die Firma Faszinatour hatte die Renovierung mit dem Autohersteller als Personaltraining durchgeführt. Eine beispielhae Zusammenarbeit, wie nicht nur Karl Kleiter von den Staatsforsten betonte. Die Mühe hat sich offensichtlich gelohnt: Bei den vielen »Ohs« und »Cools« mit denen die Junior Ranger bei der anschließenden Besichtigung durch ihren neuen Umweltbil-

dungsstützpunkt zogen, konnten sich einige der direkt Beteiligten ein stolzes Grinsen nicht verkneifen. Im Anschluss bezogen ein paar Dutzend fröhlich lärmende Ranger ihr neues Quartier. Bereits am folgenden Tag schwärmten die jungen Naturschützer wieder aus, um das nahe gelegene Birkachmoor zu entbuschen. Mit Handschuh und Heckenschere bewaffnet wurde den wild wachsenden Fichten dort zu Leibe gerückt. »Die wachsenden Bäume entziehen dem Moor zu viel Wasser«, weiß die elährige Sofie. Julia Wehnert vom Bund Naturschutz hatte den Kindern im Vorhinein ganz genau erklärt, weshalb die Moore freigehalten werden müssen. »Viele Tiere, die im Moor wohnen, würden wegziehen, wenn hier ein Wald wächst«, fasste der kleine Linus die Sache unkompliziert zusammen. Nur ein paar Stunden dauerte die Entbuschungsaktion an – das Moor wird noch eine ganze Weile länger davon profitieren. Junior Ranger vor der Kamera: Die elfjährige Sofie erklärte für das Bayerische Fernsehen, weshalb Moore für uns so wichtig sind

Ganz oben: Gar nicht so leicht, die hartnäckigen Fichten aus dem Erdreich zu ziehen! Dafür macht man tierische Entdeckungen: Der Admiral (oben) wollte die Junior Ranger gar nicht mehr verlassen

Fotos: Viola Elgaß

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NEUES AUS DEM NATURPARK Winterprogramm im Naturpark Die Badesachen sind schon lange weggepackt, dafür werden die Schneeschuhe herausgeholt: Die Naturparkgemeinden haben sich für ihr Winterprogramm wieder einiges einfallen lassen. Ob Winterwandern in Bolsterlang oder Märchenstunden im AlpSeeHaus – auch Schneemuffel kommen hier auf ihre Kosten

Schneeschuh-Schnuppertour über Bolsterlang Mit Naturparkführer Gerhard Speiser über das schneebedeckte Sonnenplateau rund um Bolsterlang Termine: Jeden Mittwoch vom 17.12.14 bis 18.3.15, je von 14 bis 16 Uhr (24.12. von 10 bis 12 Uhr). Kosten: Erwachsene 12 Euro, Kinder 6 Euro Wichtig: Anmeldung bis Dienstag, 16 Uhr in der Gästeinformation Bolsterlang unter Tel. +49 8326 8314

Bolsterlanger Schneeschuhtour mit Fackeln Unterwegs mit Naturparkführer Gerhard Speiser, Schneeschuhen und Fackel Termine: Jeden Samstag vom 20.12.14 bis 7.3.15, je 17 bis 19 Uhr (Dezember bis Januar) oder 18 bis 20 Uhr (Februar bis März) Kosten: Erwachsene 12 Euro, Kinder 6 Euro Wichtig: Anmeldung bis Freitag, 16 Uhr in der Gästeinformation Bolsterlang unter Tel. +49 8326 8314

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Lustige Rodelpartie überm Alpsee Nicht nur ein Spaß für die Kinder: Vier Stunden Rodeln auf der Natureisbahn Termine: Montag, 22.12., 29.12., 5.1. und 16.2.15, 14 Uhr am Parkplatz Alpsee-Bergwelt Kosten: 3 Euro pro Rodel Wichtig: Anmeldung am Vortag bis 17 Uhr bei der Tourist-Info Immenstadt unter Tel. +49 8323 9988717 Schneeschuhtour über Obermaiselstein Mit Naturparkführer Wolfgang Zeller Termine: jeden Donnerstag vom 25.12. bis 23.4., 9.30 bis 16 Uhr, Treffpunkt Gästeinformation Obermaiselstein Kosten: 15 Euro Wichtiges: Anmeldung am Vortag bis 16 Uhr in der Gästeinformation Obermaiselstein unter Tel. +49 8326 277

Märchenzeit für Kinder Das AlpSeeHaus wird zum Märchenhaus Termine: 27.12.14 Märchenhaes zur Weihnachtszeit, 3.1.15 Sagenhaes zur Rauhnacht, 18.2.15 Beruhigendes zur Fastenzeit, immer ab 15 Uhr, Eintritt frei

Schneewanderung zur Alpe Gschwenderberg Durch die verschneite Landscha geht es bergauf zur Alpe Gschwenderberg, wo wir uns mit Kässpatzen oder einer zünigen Brotzeit stärken, bevor wir zurück ins Tal wandern

Termine: Samstags am 27.12.14, 3.1. und 21.2.15, 11 Uhr am AlpSeeHaus Wichtig: Anmeldung am Vortag bis 17 Uhr bei der Tourist-Info Immenstadt unter Tel. +49 8323 9988717, Teilnahme ab 12 Jahren

Schneeschuhwanderung über Immenstadt Ganztagestour mit Einlernphase und Routenfestlegung nach Wetter- und Schneeverhältnissen Termine: Jeden Mittwoch ab 7.1.15, Treffpunkt 9 Uhr am AlpSeeHaus Kosten: 29 Euro Wichtig: Anmeldung am Vortag bis 17 Uhr bei der Tourist-Info Immenstadt unter Tel. +49 8323 9988717

Schneeschuhtour um Obermaiselstein/Grasgehren Termine: jeden Mittwoch vom 14.1. bis 25.3.15, von 13.30 bis 16 Uhr, Treffpunkt Skischulbüro Obermaiselstein (neben dem Bauernmarkt) Kosten: 15 Euro Wichtiges: Anmeldung am Vortag bis 16 Uhr in der Gästeinformation Obermaiselstein unter Tel. +49 8326 277 oder in der Skischule unter Tel. +49 8326 1795

Foto: Volker Wille

Natureisbahn im Immenstädter Schlosshof Bei frostiger Witterung können Kinder und Erwachsene bis Ende Februar einen besonderen Winterspaß im Schlosshof erleben. Die 10 mal 20 Meter große Natureisbahn ist täglich ab 14 Uhr geöffnet


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PANORAMA

Auf leisen Pfoten

im wilden Tal

Biosphärenpark Großes Walsertal Wo Naturjuwele bewahrt und Kulturlandschaen gepflegt werden: Unsere Serie »Panorama« führt in Schutzgebiete fern der Nagelfluhkette. In dieser Ausgabe besuchen wir den Unesco-Biosphärenpark Großes Walsertal, in dem Bewohner und Naturschutzakteure für ihr Zuhause an einem Strang ziehen. Die Mühe lohnt sich: Kürzlich hat sich ein besonderer Bewohner auf Samtpfoten eingeschlichen

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er sich dem Großen Walsertal mit ein wenig Gespür für die Besonderheiten des Tals nähert, wird mit der Vielfalt der Natur belohnt: Fauna und Flora fühlen sich in dieser naturbelassenen Atmosphäre wohl. Genau genommen ist der Biosphärenpark ein einziges großes Biotop. Im Gadental beispielsweise, dem größten Naturschutzgebiet Vorarlbergs, begegnet man auf einer Wegstrecke von nur vier Kilometern acht völlig verschiedenen Waldtypen. Die vielfältige Tierwelt ist vor kurzem noch wertvoller geworden: Der Luchs ist wieder heimisch geworden. Wo, wird aus gutem Grund nicht preisgegeben. Ähnlich wie Braunbär und Wolf war auch der Luchs über viele Jahrzehnte starker Verfolgung ausgesetzt und nahezu ausgerottet.

schen auf einer Fläche von 19,3 Hektar. Die Bewohner sind stolz auf ihr wildromantisches Tal und die jahrhundertealten Bräuche. Die Biosphärenbeauragten, an deren Spitze Ruth Moser (seit November 2014: Christine Klenovec) als Biosphärenparkmanagerin, sowie die Bewohner sind sich einig in dem Ziel, die Region für zukünige Generationen zu erhalten, weiterzuentwickeln und eine sane touristische Zukun zu betreiben. »Der Biosphärenpark hat bei der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz.« Darauf und dass sich auch die Jugend einbringt, ist die Managerin besonders stolz. Die Walser sind sich der Schätze der Natur bewusst und pflegen und bewerben dieses »natürliche Kapital« in zahlreichen Veranstaltungen.

An einem Strang

Im Spielgarten der Natur

Im Biosphärenpark Großes Walsertal leben rund 3400 Einwohner. Das sind, überwiegend auf Streusiedlungen verteilt, relativ wenige Men-

In einer Studie, gefördert von der Österreichischen Akademie der Wissenschaen, wird der Biosphärenpark in mehrjährigen Zeitabstän-

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den untersucht. Dabei werden die nachhaltigen Entwicklungen der Region in Bezug auf die Alpwirtscha, der zumeist holzverarbeitenden Betriebe, den Tourismus sowie die Akzeptanz der Bevölkerung untersucht. Anhand dieser Daten werden Perspektiven für die Zukun ermittelt. Dafür, dass es nicht bei der eorie bleibt, sorgen zahlreiche Veranstaltungen, die vom Biosphärenpark-Management gemeinsam mit engagierten Bürgern organisiert werden. Die Vielfalt und der Umfang des Sommer- und Winterprogramms brauchen sich in keinster Weise hinter weitaus größeren Einrichtungen zu verstecken. Im Vordergrund der Veranstaltungen steht das Zusammenleben mit der umgebenden Natur. Angefangen bei der Ökologie der Wiesen und der seltenen Frauenschuhblüte, führen Wasser-, Blumenund Kräuterwanderungen durch das Tal. Das »Alchemilla«-Kursprogramm der Kräuterfrauen vermittelt altes Kräuterwissen. Workshops im Rahmen des Kulturfestivals Walserherbst haben emen wie »Vom Leinsamen zum Leinenkleid« oder »Das Korbbinden aus Gräsern und Kräutern.« Im Winter führen Schneeschuhwanderungen durch die verschneite Bergwelt.

Die winterliche Bergwelt des Biosphärenparks Großes Walsertal bietet mit 53 Kilometern Winterwanderwegen, vier Schneeschuhrouten, Langlaufloipen und Rodelbahn Abwechslung im Winter

Ökoholz mit Herkunftsgarantie

Die buntesten Wiesen Die Weidewirtscha im Großen Walsertal hat eine fast 700 Jahre alte Tradition, seit die ersten rätoromanischen Bauern ihr Vieh auf die Weiden oberhalb der Waldgrenze getrieben haben. Die Beweidung ist die Grundlage für die regional typische Milchwirtscha. Ohne offen gehaltene Wiesen und die Weidewirtscha würde der Wald das Gebiet zurück erobern. Durch die traditionelle Heuernte sind die Blumenwiesen im Großen Walsertal die buntesten und artenreichsten des Landes. Dort sind rund 60 Arten verschiedener Gräser und Blumen nachgewiesen, die wiederum einer Vielzahl von Insekten Lebensraum bieten. Von der Magerwiese, der Heu-, der nassen Streuwiese bis zur Streuobstwiese sind fast alle Wiesentypen vertreten. Mit seiner Vielfalt und der Wechselbeziehung von Mensch und Natur erfüllt der Biosphärenpark Großes Walsertal das ehrgeizige Ziel, schützenswerte Lebensräume für zukünige Generationen zu erhalten, hervorragend. omas Niehörster

Info: Biosphärenparkbüro Großes Walsertal, Jagdbergstr. 272, A-6721 üringerberg, Tel. +43 5550 20360, info@grosseswalsertal.at, www.grosseswalsertal.at, Biosphärenpark-Ausstellung im Haus Walserstolz: Boden 34, A-6731 Sonntag, Tel. +43 5554 20010, office@hauswalserstolz.at, www.hauswalserstolz.at

Der kinderfreundliche Walderlebnispfad in Marul stellt auf zwei unterschiedlich langen Rundwegen unter anderem eine 300 Jahre alte Ulme, einen Wasserfall, ein Baumhaus oder eine Biosennerei vor Fotos: Biosphärenpark Großes Walsertal, Harald Schottner/pixelio.de

Die nachhaltige Bewirtschaung der Wälder auf den steilen Berghängen trägt wesentlich zum Erhalt der naturräumlichen Vielfalt der Region bei. Dem Ziel, dies auch in Zukun so beizubehalten, hat sich die »Bergholz-Initiative« verschrieben, ein Zusammenschluss von Forst- und Handwerksbetrieben sowie Gemeinden aus dem Tal. Nachdem es zunehmend schwieriger wurde, das Holz aus dem steilen Bergtal zu fairen Preisen zu verkaufen, sahen die Initiatoren ihre einzige Chance in der Vermarktung eines hochwertigen »Öko-Holzes« mit Herkunsgarantie aus dem Walsertal. Dabei verstehen die Walser unter ökologischer Waldbewirtschaung die Entnahme von einzelnen oder nur wenigen Starkholzstämmen. Die Auswahl der zu schlagenden Stämme erfolgt so, dass sich der Wald an der Stelle bestmöglich verjüngen kann. Anschließend wird das Holz verarbeitet und von qualifizierten Handwerkern im Tal veredelt. Der Rohstoreislauf bleibt in der Region, lange Transportwege zwischen Erzeuger und Verbraucher werden so vermieden.

Ein besonderer Wanderweg im Großen Walsertal ist der »KlangraumStein«, der sich mit der Natur und ihrer Klanglandschaft auseinandersetzt

Was ist ein Biosphärenpark? Bei den Biosphärenparks handelt es sich um eine weltweite Verknüpfung von international so bezeichneten Biosphärenreservaten. Die Reservate sind Modellregionen für nachhaltiges Leben. In Regionen mit einer außergewöhnlichen Natur- und Kulturlandscha spielen die Menschen eine zentrale Rolle beim Schutz und der Entwicklung ihres Lebensraums. Seit kurzem trägt der Naturpark Nagelfluhkette in Vorarlberg ebenfalls das Prädikat Biosphärenpark (siehe Seite 5), allerdings ohne Anerkennung durch die Unesco.

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Spuren im Schnee

Fotos: Siegfried Bruckmeier; Horst, Uschi Dreiucker, Dieter Haugk, je /pixelio.de; Nostromo; Volker Wille

Wer hätte ihn gefunden? Durch ihre Fellfarbe sind Schneehasen im Winter nahezu unsichtbar

Schneehase Bert hoppelt nichts Böses ahnend zu seinem Bau, als ihn unvermittelt ein Steinadler überrascht. Der Vogel stürzt herab, drückt Bert mit seinen scharfen Krallen in den Schnee und schleppt den armen Kerl von dannen. Reineke Fuchs – selbst auf der Suche nach einer guten Mahlzeit – hat Berts Spur bis hier hin verfolgt und beobachtet das Geschehen fassungslos aus dem Gebüsch heraus, in dem er kauert

S

puren im frisch gefallenen Neuschnee erzählen uns eine Menge. Wer Fährten beziehungsweise Trittsiegel lesen kann, erfährt von wilden Verfolgungsjagden, tierischen Begegnungen und emsiger Futtersuche. Sehr erfahrene Spurenleser erkennen nicht nur, welche Tierart da entlang gelaufen ist, sondern auch, wie alt es war und ob Männlein oder Weiblein den Weg kreuzte. Für Wildbiologen ist besonders interessant, ob das Tier gemächlich dahin spaziert ist oder ob zum Beispiel ein Wanderer es aufgeschreckt hat und es die Flucht ergreifen musste. Das kann im Winter sehr gefährlich für die Tiere sein, da es beim Fliehen lebensnotwendige Energiereserven verbraucht. Spuren können also auch verraten, wo besonderer Handlungsbedarf für Naturschützer besteht. 30

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So hat zum Beispiel der Naturpark Nagelfluhkette für sein Besucherlenkungsprojekt (siehe Sonderteil in der Hemitte) Informationen gesammelt, um herauszufinden, wo Winterwanderer und Skisportler am besten die Natur genießen können und gleichzeitig möglichst wenige Tiere stören.

Fährten, Spuren und Geläufe Trittsiegel ist nicht gleich Spur. Hat beispielsweise ein Birkhuhn, eine Alpendohle oder ein anderer gefiederter Zeitgenosse den Weg gekreuzt, spricht der Experte vom Geläufe. Stammen die Spuren dagegen vom Schalenwild, zu denen Rothirsch, Reh, Gams und Steinbock zählen,


Wilde Trittbilder Fährten des Schalenwilds

6 cm

8 cm

5 cm

Die ziehende Fährte von Rothirsch, Reh und Gams und rechts eine Fluchtspur. Bei dieser sind die sogenannten Aerklauen zu sehen und die Schalen spreizen sich. Dadurch versinken die Tiere nicht so tief im Schnee und kommen besser vorwärts.

Rotwild

Spuren des Raubwilds

Rehwild

Gams

5 cm

5 cm

6 cm

Wie eine Perlenschnur zieht sich die Spur des Fuchses durch die Landscha (schnüren). Ganz anders als die genagelte Spur vom Dachs oder der Paarsprung beim flüchtenden Marder.

Fuchs Schnur

Fluchtfährte

Fuchs Flucht

Dachs

Marder

Hase und Eichhörnchen Ob ein Hase hoppelt oder flüchtet, sieht man seiner Trittspur nur schwer an. Daher nennt man seine Spur immer Hasensprung. Wie das Eichhörnchen setzt er dabei die Hinter- vor die Vorderpfoten.

9 cm

4 cm

Schneehase

Eichhörnchen

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Verspielt jagen sich die Amseln durch den Schnee. Die hinterlassenen Spuren können später Fährtenlesern eine Geschichte erzählen

heißt es Fährte. Dasselbe gilt für das Schwarzwild, das Wildschwein. Alle anderen Tiere, wie Fuchs, Eichhörnchen, Dachs, Feldhase – sowie unsere Gefährten Hauskatze und Hund – hinterlassen Spuren. Auch die Art, wie ein Tier sich fortbewegt, kann unterschiedlich heißen. Trabt ein Fuchs gemächlich auf Nahrungssuche durch den Wald, »schnürt« er. Die einzelnen Tritte verlaufen dabei genau hintereinander und sehen aus wie an einer Perlenschnur.

Der Rothirsch trollt sich Wesentlich mehr Fachbegriffe gibt es beim Schalenwild: Wenn der Rothirsch anmutig über die Wiese schreitet um die Damenwelt zu beeindrucken, so nennt man das »ziehen«. Nun entdeckt der Knabe eine besonders schöne Hirschkuh am Waldrand und verfällt in einen leichten Trab, um der Herzensdame schnell näher zu kommen. Er »trollt«. Die beiden beschnuppern sich gerade neugierig, als unvermutet ein Schneeschuhgeher zwischen den Bäumen auaucht und der Szene ein jähes Ende setzt. Der unerwünschte Eindringling schreckt die Tiere auf und die ganze Herde sucht im Galopp das Weite. Die Fährte, die sie hinterlassen haben, nennt man, und das ist keine große Überraschung,

»Fluchtfährte.« Dabei gilt: Je weiter die einzelnen Hufabdrücke auseinander liegen, desto schneller flüchtete der Hirsch. Den mittigen Abstand zwischen den Beinen des Wildes nennt man übrigens »Schrank«: Je nach Gangart »schränkt« das Tier mehr oder weniger. Daher spricht man beim Menschen auch vom »Arme verschränken«.

Der Dachs nagelt Anders verhält es sich bei Meister Lampe. Dieser hat nur zwei »Gänge« – hoppelnd und flüchtend – die einander als Spur sehr ähnlich sehen. Beide bezeichnet man als Hasensprung. Dabei »überholen« seine langen Hinterfüße die Vorderpfoten. Das Eichhörnchen macht es genauso, wobei seine Spur natürlich nicht Hasensprung genannt wird. Wenn dagegen Marder es eilig haben, wie das winterlich weiße Hermelin, verfallen sie in den Paarsprung. Dabei setzen sie die Hinterpfoten in die Tritte der Vorderpfoten, wodurch jeweils ein Spurenpaar entsteht. Nicht zuletzt hinterlässt der Dachs ein ganz spezielles Trittbild. Die kräigen Grabekrallen seiner Vorderpranken (sozusagen seine »Fingernägel«) graben sich tief in den Boden und machen die »genagelte« Spur unverwechselbar.

Tierische Spurensicherung Spuren sichern in der freien Natur, das ist gar nicht so einfach. Mit dieser Anleitung können sich Naturdetektive ihr eigenes wildes Trittsiegel an die Wand hängen. Dafür braucht ihr: Modelliergips (Alabaster aus dem Baumarkt), eine kleine Schüssel Wasser, dicken Karton in Streifen geschnitten und eine alte Zahnbürste. Zunächst befreit ihr den gefundenen Fußabdruck vorsichtig von Dreck oder Tannennadeln. Die ringförmig zusammen getackerten Kartonstreifen drückt ihr vorsichtig rund um den Abdruck fest in den Schnee. In der Schüssel rührt ihr nun den Gips an. Anschließend gießt ihr die dünnflüssige Masse sehr vorsichtig auf das Trittsiegel, bis es etwa zwei Zentimeter bedeckt ist. Am besten gießt man an einem Stöckchen entlang, so bilden sich keine Lublasen. Jetzt heißt es geduldig sein. Mindestens zwanzig Minuten sollte der Gips antrocknen, dann könnt ihr den Karton ausgraben und euer Werk mit nach Hause nehmen. Dort könnt ihr den Karton entfernen, mit der Zahnbürste vorsichtig den Abdruck säubern und die Konturen schärfen. Dazu das Siegel am besten nochmals ganz leicht mit Wasser besprühen (zum Beispiel mit einer Sprühflasche für Zimmerpflanzen). Dann lasst ihr den Gips noch einmal ein paar Stunden trocknen. Fertig ist das Trittsiegel!

Lena (11) und ihr kleiner Bruder Linus (5) zeigten beim Abschlussfest der Junior Ranger im AlpSeeHaus, wie so ein tierisches Trittsiegel Schritt für Schritt entsteht: Beim Gipsgießen muss man vorsichtig sein, und viel Geduld beim Trocknen und Konturenschärfen haben. Lena hat sich für die Fährte eines Wolfs entschieden

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Geläufe des Federwilds 5 cm

Fotos: Dieter Schütz, Thorben Wengert/alle pixelio.de

Obwohl das Birkhuhn ein Vogel ist, wird sein Trittsiegel wie beim Schalenwild manchmal Fährte genannt. Wasservögel (Stockente) hinterlassen durch ihre Schwimmhäute zwischen den Zehen eine ganz andere Spur als ihre fliegenden Artgenossen.

5 cm

5 cm

Birkhuhn

Stockente

Krähe

Hund oder Fuchs? Die Spuren von Hund und Fuchs sehen sich zum Verwechseln ähnlich, aber wenn man genau hinschaut, ergeben sich Unterschiede. Die Pfote des Fuchses (rechts) ist deutlich langezogener. Die vorderen Ballen überschneiden sich nicht mit den hinteren Ballen, was die gestrichelte Linie deutlich macht. Ein Hund (links) »schnürt« nicht.

Die winterliche Futtersuche ist hart für das Reh, und die Nase wird auch ziemlich kalt, wenn man ständig im Pulverschnee nach genießbarem Gras stöbert. Daher gilt: Bambi bitte nicht erschrecken. Die bei der Flucht aufgebrauchten Energiereserven muss es sich nämlich später mühsam wieder anfuttern

Schneehühner zählen zu den sogenannten Raufußhühnern und haben sogar an den Füßen Federn. Das ist warm und verhindert das Einsinken im Schnee, macht es aber schwer, ihr Geläufe zu identifizieren. Raufußhühner, zu denen auch das Birk- und das Auerhuhn zählen, sind sehr selten und besonders schützenswert

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KURZMELDUNGEN SPIEL & SPASS

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r!

Zwei Jäger treffen sich. Erzählt der eine dem anderen: »Du, ich habe einen : r zum Kind e tt u merkwürd m igen Hund. Immer, wenn ich daneben rm u in Holzw sch, husch u schieße, h wirft , er sich auf den Boden, streckt die Füße n u n d »Un hen!« in die Höhe und lacht.« »Und was macht er, wenn dein Brettc du triffst?« »Das weiß ich nicht, ich habe ihn erst seit drei Jahren...« Zwei Murmeltiere sit ze n in ei schauen gespan ner Höhle und nt zu, wie im He rbst das Laub vo men fällt. »Eines n den Bäukann ich dir sage n«, so das eine anderen. »Irgend Murmeli zum wann lasse ich den Winterschlaf sehe mir den Ke ausfallen und rl an, der die Bl ätter im Frühling Jahr wieder an di jedes e Bäume klebt.« ins ußenei Herr Müller wurde mit einer Pilzvergiftung einem Stra it m ja n ah H der rechbar ist, sagt en, ich will Kommt ein Krankenhaus gebracht. Als er wieder ansp »Meine Dam was die f: o rh essen e Pilze n nur h Sie , dass haut mal, auf den Hü Arzt zu ihm: »Herr Müller, Sie wissen doch rn, aber sc ortet: »Das ist ja nicht mecke acht!« m dürfen, die Sie auch kennen!« Dieser antw Konkurrenz !« das Problem, ich kenne nur den Fliegenpilz

Lach mal wie

Ach herrje! Der Winter steht vor der Tür und Eichhörnchendame Trixi hat schon wieder vergessen, wo sie ihre Eichel versteckt hat. Kannst du Trixi den richtigen Weg durch den Wald zeigen?

? Wusstest du… … dass Eichhörnchen keinen Winterschlaf halten und deshalb im Herbst viele kleine Verstecke mit Nüssen und Samen anlegen, um in der kalten Jahreszeit nicht zu verhungern? Viele Tiere vergraben deshalb gleich so viele Nüsse an unterschiedlichen Stellen, dass sie den Großteil einfach wieder vergessen. Eichhörnchen sind also indirekt für einen gesunden Wald mitverantwortlich, da im Frühling viele Jungbäume und Pflanzen aus diesen Samen wachsen.

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