Die NS-Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg 1933-1937

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Martin-Schmidt-Stiftung, Bad Münder Steuerbüro Sticher, Hameln

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-95954-059-9 © Bernhard Gelderblom Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.


Bernhard Gelderblom

Die NS-Reichserntedankfeste auf dem BĂźckeberg 1933 - 1937 Aufmarsch der Volksgemeinschaft und Massenpropaganda unter Mitarbeit von Mario Keller-Holte

Verlag JĂśrg Mitzkat Holzminden 2018


Inhalt

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Inhalt

Inhalt Vorwort Einführung

9 13

Das Reichserntedankfest – Produkt und Instrument der NS-Propaganda

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Das Erntedankfest als Feiertag der Nation

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Der Initiator: Propagandaminister Joseph Goebbels

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Warum der Bückeberg?

25

Die erste Veranstaltung 1933

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Die Weiterentwicklung der Veranstaltung

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Das Programm der Reichserntedankfeste

29

Die „Vervielfältigung“ der Veranstaltung durch die Propaganda

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Quellen

36

Führer-Kult am Bückeberg

46

Hitler auf dem Weg durch das Volk

47

Hitler auf der Rednertribüne

51

Der Führer-Mythos

52

Die Sicherung der An- und Abreise Hitlers

53

Quellen

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Die Teilnehmer

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Hunderttausende am Bückeberg

61

Woher kamen die Besucher?

63

Wer waren die Besucher?

64

Die Mobilisierung der Teilnehmer

67

Die Einübung der Volksgemeinschaft im Fest

69

Ausgeschlossene

72

Quellen

74

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Das Reichserntedankfest

Aufmarsch und Schlacht der Zukunft – Die Zurschaustellung von Krieg und Gewalt

88

Der Aufmarsch am Bückeberg

89

Marschkolonnen auf dem Mittelweg

91

Die Zurschaustellung von Krieg in der Schauübung der Wehrmacht

93

Vom Reiterspiel zu Panzerschlacht und Bombenkrieg

94

Die Absage des Reichserntedankfestes 1938 – Der Ernstfall steht vor der Tür

98

Quellen

99

Erntedank und Blut und Boden

102

Das Reichserntedankfest als „Fest des deutschen Landvolkes“

103

Die Erntesymbolik im Rahmen der Fest-Zeremonie

106

Reichserntedank und christlicher Erntedank

108

Die Ideologie von Blut und Boden

110

Die Umsetzung der Ideologie von Blut und Boden in praktische Politik

112

Quellen

113

Der Bau des Bückebergs

6

120

„Aufmarschfelder“ für Millionen

121

Ein „bäuerliches Volksfest“ als Großkundgebung

124

Die Grundelemente der Platzgestaltung

126

Die Ehrentribüne

128

Die Rednertribüne

129

Der Mittelweg

130

Der Fahnenring

131

Der Arbeitsdienst am Bückeberg

132

Die Baumaßnahmen

133

Quellen

139


Inhalt

Infrastruktur und Versorgung

144

Die Organisationsleitung der Massenkundgebung

145

An- und Abreise

146

Unterbringung, Verpflegung und sanitäre Versorgung

148

Die „Schmückung“ der Häuser und Straßen

149

Der Ausbau der Verkehrswege rund um den Bückeberg

152

Zukunftsplanungen

156

Quellen

157

Die Stadt Hameln und das Reichserntedankfest

160

Die Vorbereitungen

161

Hitlers Fahrten durch Hameln

164

Das „Kraft durch Freude“-Volksfest 1937

167

Weitergehende Planungen im Kontext des Reichserntedankfestes

170

Erntedank im Krieg

172

Quellen

173

Der Umgang mit dem historischen Ort von 1945 bis 2018

176

Verklären und Verdrängen

177

Die ungewollte Erhaltung des historischen Ortes

177

Bebauen – Bepflanzen – Vergessen machen

181

Der langwierige Weg zum Denkmalschutz

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Der umstrittene Weg zum aktiven Erinnern

184

Quellen

186

Quellen- und Literaturverzeichnis

193

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Das Reichserntedankfest

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Vorwort

Vorwort Die neun Kapitel des vorliegenden Buches bilden eine kompakte Einführung in das Thema Reichserntedankfeste. Inhalt und Aufbau sind an den acht Info-Inseln orientiert, wie sie im Rahmen des geplanten Dokumentations- und Lernortes auf dem Bückeberg entstehen sollen. Ein Kapitel zur Rolle der Stadt Hameln ist neu hinzugekommen. Die Darstellung enthält etwa 200 Abbildungen, viele bislang unveröffentlicht. Eine nicht geringe Zahl der Fotos und Plakate entstand zu Propagandazwecken. Das Medienereignis Bückeberg war mehr noch als „für die Ohren“ (Hitlers Rede) „aufs Auge hin“ konzipiert: Das Gewaltsame des Festes, die fatale Ästhetik der Menschenmassen, Fahnenwälder und marschierenden Kolonnen, erschließt sich am Deutlichsten im Bild. Das Verführungspotential mancher Abbildungen ist bis heute wirksam und wird in der Publizistik nicht selten unreflektiert reproduziert. Ausführliche Bildunterschriften sollen zu einem kritischen Blick beitragen. Ebenso wenig wie Fotos und Plakate darf die NS-Terminologie unreflektiert wiedergegeben werden. Spezifische NS-Begriffe wie Reichserntedankfest, Rednerkanzel, Führer, Fest etc. sind deswegen kursiv gesetzt. Jedem Kapitel ist ein Anhang mit zeitgenössischen Quellen beigefügt. Diese zu kommentieren und zu analysieren, wird dem aufmerksamen Leser überlassen. Ein besonderer „Schatz“ sind in den Augen des Verfassers die im Anhang zu Kapitel 3 zitierten Erlebnisberichte von Teilnehmern der Massenveranstaltung, mehrere waren damals Kinder oder Jugendliche, andere waren der Veranstaltung bewusst ferngeblieben oder von der Teilnahme ausgeschlossen worden. Ein Teil dieser Berichte stammt aus Interviews, die der Verfasser geführt hat, oder geht auf seine Anregung zurück, persönliche Erfahrungen auf dem Bückeberg schriftlich festzuhalten. Die vorliegende Dokumentation will kein Ersatz für eine wissenschaftliche Monographie sein; diese steht weiterhin aus. Sie will andererseits

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Das Reichserntedankfest

nicht verleugnen, dass sie mit der reichlichen Zugabe von Bild- und Textquellen auch didaktischen Zwecken dienen will. Für die jüngere Generation, die zunehmend schwerer einen Zugang zu den Verbrechen des NS-Regimes findet, ist es einfacher, über den „schönen Schein“ des Reichserntedankfestes ein Verständnis für die Jahre 1933 bis 1945 zu finden. Denn es führt ein Weg vom Bückeberg nach Bergen-Belsen. Im Schlusskapitel wird die schwierige Nachgeschichte des Bückebergs seit 1945 behandelt. Bis heute (Stand 2018) gibt es am Bückeberg keine Hinweistafel, die auf die Geschichte des Berges verweist, bis heute ist es bedauerlicherweise auch nicht gelungen, in der Bevölkerung um den Bückeberg einen Konsens über einen wissenschaftlich verantwortbaren Umgang mit dem Gelände herzustellen. Eine erste auf einem recht schmalen Quellenbestand fußende Broschüre zum Thema hat der Verfasser im Jahre 1998 veröffentlicht. Dem nun vorliegenden Buch liegt eine zwanzigjährige kontinuierliche wissenschaftliche Auseinandersetzung zugrunde. Eingeflossen sind auch die Erfahrungen, die der Verfasser auf einer großen Zahl von Geländebegehungen mit unterschiedlichsten Gruppen machen konnte. Die Veröffentlichung kann auf eine nahezu vollständige Erschließung der zum Bückeberg vorhandenen Bild- und Textquellen zurückgreifen. Ermöglich hat dies das zweijährige Konzeptionsprojekt „Aufbau eines Dokumentations- und Lernortes. Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg“. Vom April 2016 bis März 2018 standen mit Anett Schweitzer als Projektkoordinatorin und Dr. Mario Keller-Holte als wissenschaftlichem Mitarbeiter zwei Kräfte zur Verfügung. Die Sammlung und Erfassung der archivalischen Überlieferung (Bild und Text) gehörte zum Aufgabenbereich von Mario Keller-Holte. Anett Schweitzer hat bei der Bild- und Literaturbeschaffung durch ihre hervorragende Kenntnis der hannoverschen Bibliotheken und Archive wichtige Zuarbeit geleistet. Beide haben wertvolle Anregungen auch für die inhaltliche Arbeit gegeben. Ihnen sei herzlicher Dank gesagt. Das genannte Konzeptionsprojekt ist von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten angeregt und zur Hälfte finanziert worden. Weitere

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Vorwort

finanzielle Unterstützer waren der Landkreis Hameln-Pyrmont, die Sparkasse Weserbergland, die Deister- und Weserzeitung Hameln, die VGH-Stiftung Hannover, die Martin-Schmidt-Stiftung Bad Münder, das Steuerbüro Sticher, Hameln, sowie der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln e.V. Alle Unterstützer haben mit der Förderung des Konzeptionsprojektes auch zum Entstehen und zum Druck des Buches beigetragen. Dafür sei ihnen Dank gesagt. Ein besonderer Dank gilt Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, und Dr. Rolf Keller, Leiter der Gedenkstättenförderung Niedersachsen, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sowie Tjark Bartels, Landrat des Landkreises HamelnPyrmont. Die drei namentlich Genannten haben sich ungewöhnlich engagiert für das Projekt eingesetzt. Ein herzlicher Dank geht auch an Jörg Mitzkat, den Gestalter und Verleger des Buches. Die Arbeit an der Endfassung des Buches fiel in die Zeit, als das Projekt des Dokumentations- und Lernortes Bückeberg starken Angriffen ausgesetzt war. Ich danke allen, die mich in dieser schwierigen Zeit unterstützt haben, besonders meiner Frau. Bernhard Gelderblom Im September 2018

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Das Reichserntedankfest

Begeisterte Menschenmenge begrĂźĂ&#x;t Hitler, 1935 U.S. National Archives-College-Park, Washington, Heinrich Hoffmann photo collection. RG 242-HLB, Foto-Nr. B 988

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Einführung

Einführung Das Reichserntedankfest: Propaganda des NS-Regimes und Inszenierung der Volksgemeinschaft Begeisterte Menschenmengen waren eines der häufigsten Motive auf Propagandafotos der NS-Zeit. So inszeniert und manipuliert die Aufnahmen oft waren, sie hatten durchaus einen realen Kern. Das NSRegime stieß in der Bevölkerung bis zum Kriegsbeginn und darüber hinaus auf wachsende Zustimmung – und dies keineswegs nur als Folge von Einschüchterung und Terror. Nicht geringe Teile waren der Bevölkerung waren dem Nationalsozialismus sehnsüchtig entgegen gestrebt, ohne dass es überhaupt einer propagandistischen Anstrengung bedurft hätte. Mit zwei gänzlich neuen Massenkundgebungen präsentierte sich das NSRegime 1933 dem Volk, dem 1. Mai und dem Reichserntedankfest. Beide Feste sollten die neue Volksgemeinschaft versinnbildlichen, wobei der 1. Mai den Arbeitern und das Reichserntedankfest den Bauern gewidmet war. Beide – Arbeiter und Bauern – sollten damit zu Gliedern der Volksgemeinschaft reklamiert und zugleich geformt werden. Wie der 1. Mai war auch die Veranstaltung am Bückeberg für die Anfangszeit des Regimes konzipiert, als dieses seine Herrschaft noch nicht gefestigt hatte und um Konsolidierung bemüht war. Die strahlenden Bilder dieser beiden Massenkundgebungen waren allerdings erst durch die seit Februar 1933 in Deutschland herrschende Friedhofsruhe möglich geworden. Seit Liquidierung der linken und liberalen Gegenöffentlichkeit gab es keine Zwischenrufer mehr. Wo Kritik verstummt war, konnte sich das Monopol der NS-Propaganda ungehindert entfalten. Der 1. Mai – der traditionelle Kampftag der Arbeiterbewegung – wurde 1933 mit wahrscheinlich mehr als einer Million Menschen als Tag der nationalen Arbeit in Berlin pompös begangen. SA hatte die Belegschaften der Betriebe auf das Tempelhofer Feld „geleitet“. Am darauffolgenden 2. Mai 1933 zerschlug das Regime – nach dem Muster von Zuckerbrot und Peitsche – im ganzen Reich die Gewerkschaften.

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Das Reichserntedankfest

Bei dem am 1. Oktober 1933 zum ersten Male veranstalteten Reichserntedankfest musste das Regime keinen Zwang üben. Landvolk und Städter strömten in Massen zum Bückeberg. Nach anfänglichen erheblichen logistischen Pannen erwies sich die Massenkundgebung als großer Erfolg. Der Bückeberg wurde fünf Jahre lang – von 1933 bis 1937 – Schauplatz des Festes. Die Veranstaltung zum 1. Mai wandelte sich in der Folge zu einem beinahe unpolitischen Maien- und Frühlingsfest. Seit 1935 fand sie im Berliner Lustgarten statt, der viel weniger Menschen fasste als das Tempelhofer Feld. Der Bückeberg hingegen entwickelte sich mit den Jahren zum Ort der größten NS-Massenveranstaltung überhaupt. Auf dem Gelände versammelten sich – mit jährlich ansteigender Zahl – Hunderttausende. Die offiziellen Zahlen – für das letzte Fest 1937 1,2 Millionen – sind allerdings zu hoch gegriffen. Titelseite der Illustrierten Der Welt-Spiegel, 1933 Beilage zum Berliner Tageblatt vom 8. Oktober 1933, Bertold-Brecht-Archiv, Akademie der Künste Berlin, Nr. BBA 302-117

Um die steigenden Besucherzahlen aufnehmen zu können, wurde der Platz seit 1935 massiv ausgebaut. Tiefgreifende Infrastrukturmaßnahmen wie der Bau einer Autobahn waren für die Zukunft geplant. Das Fest war auf Dauer angelegt und sollte jährlich begangen werden. Propagandaminister Goebbels erklärte den Platz zum Kultort und verankerte ihn im Kanon des NS-Feierjahres. Und nur für die Zeit des Krieges sollte die Durchführung ausgesetzt sein. Als das exemplarische NS-Massenfest gelten in der Öffentlichkeit die Nürnberger Reichsparteitage. Der 1935 von Leni Riefenstahl gedrehte Film „Triumpf des Willens“ und die gigantischen baulichen Hinterlassenschaften dürften dazu wesentlich beigetragen haben. Vergleicht man die Besucherzahlen beider Propaganda-Feste – in beiden Fällen liegen nur die Zahlen der Veranstalter vor - , so versammelten sich am Bückeberg doppelt so viele Menschen wie in Nürnberg. Nach Nürnberg kamen – über vier Tage verteilt (1938: acht Tage) – etwa 500.000 Teilnehmer und Zuschauer. Das seit 1934/35 monumental ausgebaute Zeppelinfeld konnte angeblich bis zu 250.000 Teilnehmer und auf den Rängen 70.000 Zuschauer aufnehmen.

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