Die Fabrik im Wald

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Die Fabrik im Wald. Glas und Spiegel aus Amelith und Polier


Beiträge zur Geschichte des Sollings und des Wesertals – eine Schriftenreihe des Sollingvereins Uslar Band 2

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar ISBN 978-3-940751-46-1 Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Verlag Jörg Mitzkat Holzminden, 2015 www.mitzkat.de Gestaltung: Verlag Jörg Mitzkat, Nicole Seifert


Die Fabrik im Wald Glas und Spiegel aus Amelith und Polier Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen vorgelegt von Daniel Althaus aus Uslar-Ahlbershausen Göttingen 2015


Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Der Solling im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Die Tradition der Wanderglashütten im Solling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4. Amelith als (spät-) merkantilistische Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 5. Die Anlage der ersten Hütte durch Thomas Ziesich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 6. Die Expansion der Spiegelfabrik unter dem Kaufmann Eckhardt . . . . . . . . . . . . . . . 31 7. Die Spiegelfabrik unter der Leitung der Familie Bippart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 8. Die Endphase der Glasindustrie in Amelith-Polier unter der Familie Löwenherz . . . . 96 9. Die Zahl der Tafelglasfabriken in Deutschland und ihre Produktionsmethoden . . . . 121 10. Von „Eckhardts Hoff“ zur Gutsverwaltung Amelith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 11. Die Rohstoffe der Glas- und Spiegelglasherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 12. Das Holz als wichtigster Faktor der Glasproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 13. Pottasche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 14. Vom Sand zum Spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 15. Blasen und Strecken – Der Produktionsprozess des Spiegelglases . . . . . . . . . . . . . 162 16. Polieren und Belegen – Die Weiterverarbeitung des Spiegelglases . . . . . . . . . . . . . 180 17. Von Amelith über Bremen in die ganze Welt – Der Versand des Spiegelglases . . . . . 186 18. Die Arbeiterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 19. Exkurs: Die Anfänge des Schulwesens in den Hüttensiedlungen . . . . . . . . . . . . . . 201 20. Löhne und Verdienstmöglichkeiten in der Glasfabrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 21. Der Arbeitsalltag der Hüttenleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 22. Die Berufsrisiken und -krankheiten der Hüttenarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 23. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 24. Quellen und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Anhang: Dokumente aus der Geschichte der Spiegelglashütte Amelith . . . . . . . . . . 263


Dank Dank schulde ich in erster Linie meinen Eltern, Heike und Eckhard Althaus, die durch ihre Unterstützung das Entstehen dieser Dissertation erst ermöglicht haben. Gleich an zweiter Stelle habe ich Dr. Wolfgang Schäfer zu danken, der den Anstoß zu dieser Arbeit gab und mich bei ihrer Entstehung durch unermüdlichen Einsatz unterstützt hat. Natürlich danke ich auch Prof. Dr. Peter Aufgebauer, dass er die Arbeit betreut hat. Für die Bereitstellung und Hilfe bei der Aufarbeitung des Quellenmaterials danke ich dem Team des Hauptstaatsarchivs in Hannover. Ganz herzlich möchte ich mich auch bei Barbara Schmidt-Brandes, Waltraud Detering, Ludolf Freiherr von Eckardstein, Wolfgang Krippendorff und Sabine Steinhoff bedanken, die mir ihre privaten Familienpapiere für meine Recherchen zur Verfügung gestellt haben. Ferner danke ich auch Kerstin Ahlborn, Erik Almqvist, Gerd Gail, Joachim Grebe, Hermann Grote, Dr. Karin Hahn, Helga Heise, Hubertus Koch, Carsten Schiller, Helmut Schreckenbach (†), Peter Siebert und Horst Weinreis, die mir Material und Fotos zur Verfügung gestellt haben. Dafür, dass sich Dr. Friederike Kaiser und Camillo Schrimpf sofort bereit erklärt haben, das Korrekturlesen zu übernehmen sowie für ihre wertvollen Hinweise bin ich ihnen sehr dankbar. Schließlich habe ich auch meinen Freunden zu danken, die geduldig zugehört, mir Tipps oder Denkanstöße gegeben und mich auch zuweilen auf andere Gedanken gebracht haben. In herausragender Weise taten dies Stefanie Heidrich und Dr. Sigmund Oehrl mit Sofiya, Gerda und Hedda. Mein letzter Dank geht an den Verleger Jörg Mitzkat und sein gesamtes Verlagsteam, der den Druck dieses Buches ermöglichte. Daniel Althaus



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1. Einleitung Die vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, die Geschichte der Spiegelglasfabrik AmelithPolier möglichst umfassend zu beschreiben und damit eine wichtige Lücke in der bereits bestehenden Forschungsliteratur über die Glashütten des niedersächsischen Raums zu schließen. Während die vergleichbare Spiegelhütte im braunschweigischen Grünenplan bereits in mehreren Publikationen recht umfangreich behandelt wurde, fehlt eine solche groß angelegte Gesamtdarstellung für ihr hannoversches Pendant bisher. Das ist umso erstaunlicher, als die Anlagen in Amelith-Polier mindestens die gleiche Bedeutung auf dem europäischen sowie internationalen Markt hatten wie Grünenplan. Als eine mögliche Begründung für diesen Zustand kann die zum Teil sehr prekäre Quellenlage angeführt werden. Deshalb ist man gezwungen, auch ungewöhnliche Wege bei der Materialbeschaffung zu gehen und auf entfernt liegende Quellen zurückzugreifen. Der Historiker kennt das Phänomen, dass die Quellen in älteren Zeiten oft recht rar sind und ihre Zahl im Lauf des Untersuchungszeitraums zunimmt. Im vorliegenden Fall stellt sich die Situation umgekehrt dar. Während aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Dokumenten vorliegt, lassen sich die letzten Dekaden der Hüttengeschichte nur mühsam rekonstruieren. Der breite multiperspektivische Ansatz der Untersuchung ist teilweise durch diese besondere Quellenlage begründet. Er scheint aber auch der richtige Schlüssel zu sein, um sich ein möglichst facettenreiches Bild von der Fabrik, den beiden Orten die durch sie entstanden und ihrer Verzahnung mit dem Umland zu schaffen. Die vorliegende Dissertation versammelt das weit verstreute Quellenmaterial in einer Gesamtdarstellung. Dem Autor ist dabei völlig bewusst, dass er zwar den allergrößten Teil der erhaltenen Materialien erfasst haben dürfte, dass sich aber in Privatbesitz oder auch in den Archiven noch das eine oder andere interessante Dokument befinden dürfte. Da eine solche Dissertation jedoch irgendwann zum Abschluss gebracht werden muss und besonders die Recherche in privaten Beständen sehr zeitaufwendig ist, ergibt sich vielleicht die Möglichkeit, das vorliegende Werk noch durch kleinere Veröffentlichungen zu ergänzen. Die besondere Geschichte der Glasindustrie am Standort Amelith-Polier im Solling macht es möglich, Aspekte der Wirtschafts-, Umwelt-, Sozial- und Personengeschichte in einem Brennpunkt zu vereinigen und zu verdichten. Es soll untersucht werden, wie sich die indivi-


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duelle Persönlichkeit des Fabrikherrn auf die Entwicklung des Unternehmens auswirkte und welche Rückkopplungen es von Seiten der Arbeiter gab. Hier gilt es die Besonderheiten gegenüber anderen Glashütten herauszuarbeiten. Sinnvollerweise folgt dieser erste Abschnitt der Arbeit der Dissertation weitgehend der Chronologie der Ereignisse und gliedert sich in die Wirkungszeit der vier Unternehmerfamilien auf, die der Hütte während ihres Bestehens vorstanden. Damit ist dem Leser der Überblick über die allgemeine Geschichte der Hütte an die Hand gegeben, der ihm ermöglicht die folgenden Kapitel in diese einzuordnen. Diese Kapitel widmen sich der Frage nach den Rohstoffen und der Betriebstechnologie. Sie müssen in einer Arbeit über eine Glashütte behandelt werden, sollen aber nicht zu einem dominanten Element werden. Hier gilt es nicht in technische und chemische Detailfragen einzusteigen, sondern wiederum sind die besonderen Gegebenheiten am Standort Amelith-Polier zu skizzieren. Schließlich soll auch die Lebenswelt der Arbeiter rekonstruiert werden. Ein Blick auf ihre sozialen Verhältnisse, ihr Umfeld und ihre Krankheiten runden das Bild des Alltags auf der Glashütte ab. Im Gegensatz zu anderen Glashütten, von denen noch größere Reste des Gebäudestands erhalten sind, ist von der Spiegelhütte in Amelith, wie auch von den Produktionsstätten in Polier, nicht mehr viel zu sehen. Genauso wie die Gebäude sind auch die schriftlichen Quellen, bis auf einige wenige Stücke in Privatbesitz, aus dem Ort verschwunden. Einige zeitgenössische Autoren haben sich mit der Spiegelglashütte beschäftigt. Hier sind vor allem Patje1 und Thiele2 zu nennen, die Beschreibungen des Hüttenbetriebs aus ihrer Zeit liefern. Die größten Aktenkonvolute befinden sich im Hauptstaatsarchiv in Hannover. Allerdings weisen die Bestände zum Teil große Lücken auf. Durch Kriegseinwirkung wurden sämtliche Aktenbestände des Kommerzkollegiums vernichtet, die sich auf die Spiegelhütte bezogen. Aus den erhaltenen Findbüchern und Zitaten älterer Autoren ist zu schließen, dass es eine große Zahl aussagekräftiger Akten zu diesem Themenkreis gegeben hat. Ebenso verloren sind auch die Aufzeichnungen aus der westfälischen Zeit. Am schwerwiegendsten wirkt sich aus, dass die Akten des ehemaligen Kreises Uslar, zu dessen Kreisgebiet die Hüttensiedlungen während seines Bestehens von 1885 bis 1931 gehörten, auf bis heute ungeklärte Weise 1 Patje, Christian Ludwig Albrecht: Kurzer Abriss des Fabriken-, Gewerbe- und Handlungs- Zustandes in den Chur Braunschweig-Lüneburgischen Landen, Göttingen 1796. 2 Thiele: Beschreibung der Spiegelfabrik im Königl. Großbritannisch – Hannoverischem Amte Nienover. Vom Churhessischen Ober-Salz-Inspector Thiele zu Rodenberg, in: Hannoversches Magazin, Jg. 1815, S. 919 – 934.


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verschwunden sind. Dadurch ergibt sich eine Lücke in der Überlieferung, die sich auf diese Jahre erstreckt. Der Versuch, diesen Zeitraum durch die Auswertung der lokalen Presse zu überbrücken, bleibt lückenhaft. Insbesondere die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ist nur mühsam rekonstruierbar. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts liefern die Zeitungen, die rund um den Hüttenstandort erschienen, wichtige Hinweise auf die Geschehnisse in Amelith-Polier. Hier sind besonders die Sollinger Nachrichten, die ab 1863 erschienen, von Bedeutung, aber auch das Göttinger Tageblatt und andere. Spektakuläre Ereignisse, wie der Großbrand von 1929, fanden ihren Niederschlag auch in den Zeitungen entfernt liegender Gegenden. Die Ortsansässigen Kuno Reinhard und Heinz Niebuhr haben sich intensiv mit der Geschichte der Hüttensiedlungen Amelith und Polier beschäftigt und private Materialsammlungen aufgebaut. Für die vorliegende Arbeit hat besonders ein Interview mit Kuno Reinhard viele Erkenntnisse beigesteuert, das Dr. Wolfgang Schäfer am 12. April 1999 mit ihm führte. Es liegt heute als Tonbandaufnahme im Stadtarchiv Uslar. Herr Reinhard war einer der letzten Zeitzeugen, der die Hütte als Kind noch in Betrieb gesehen hat. Für den gesamten Untersuchungszeitraum sind die Kirchenbücher in Schönhagen von Interesse. Zwar wurde auf genealogische Forschungen weitgehend verzichtet, aber bei der Ermittlung der Lebenserwartung der Hüttenarbeiter und ihrer Krankheiten, waren sie eine große Hilfe. Eine wesentliche Säule für die Rekonstruktion der Frühphase der Hütte ist die Sammlung der Freifrau Osterhold von Eckardstein die sich heute im Besitz ihres Sohnes Ludolf von Eckardstein befindet. Die von ihr zusammen getragenen Daten und Fakten über die Hütte, insbesondere aber auch über den Hüttenpächter Ernst Jacob Freiherr von Eckardstein, erschließen ein neues Verständnis dieser ersten Periode der Spiegelherstellung. Am längsten wurde die Glashütte von der Familie Bippart geführt. Leider ist der Nachlass der Amelither Linie der Bipparts durch Kriegseinwirkung fast völlig vernichtet worden. Die wenigen Reste befinden sich im Besitz von Barbara Schmidt-Brandes als einer Nachfahrin der Familie. Weitere Nachfahren sind die Geschwister Waltraud Detering und Wolfgang Krippendorff, die ihr historisches Material wie Frau Schmidt-Brandes für die vorliegende Dissertation zur Verfügung stellten. Eine weitere wichtige private Quelle sind Akten, Bilder und Aufzeichnungen der Familie Steinhoff aus Winnefeld. Sie befinden sich als Dauerleihgabe von Sabine Steinhoff im Stadtarchiv Uslar.

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Der erste Autor, der sich umfassend mit der Geschichte der Spiegelhütte in Amelith – Polier befasste, war Professor Wilhelm Feise aus Einbeck. Im Januar 1925 hielt er einen Vortrag im Verein für Geschichte und Altertümer zu Einbeck, über die Glashütten im Solling.3 In diesem Vortrag schlug er einen weiten Bogen von den Anfängen der Glasproduktion im Solling, die er im 14. Jahrhundert verortete, bis in seine eigene Zeit. Der Spiegelglashütte, die er für die bedeutendste des Sollings hielt, widmete er dabei einen breiten Raum.4 Ein weiteres Produkt seiner Arbeit war ein auf seinem Vortrag basierender Beitrag in der „Spinnstube“, einer Beilage der Göttinger Zeitung, der den Titel „Die Glasindustrie im Solling“ trug.5 In der folgenden Zeit finden sich an verschiedenen Stellen in der Forschungsliteratur kleine Hinweise auf die Spiegelglashütte. Von größerer Bedeutung sind hier vor allem die Beiträge von Walter Junge, die auf seinen Nachforschungen für die Ortschronik von Bodenfelde fußen.6 Er lehnt sich darin stark an die Erkenntnisse Feises an und übernimmt leider auch dessen Irrtümer. Auf eigene eingehende genealogische Forschungen wurde verzichtet, da der Aufwand den sie erfordern, in keinem Verhältnis zu den in dieser Dissertation verwertbaren Ergebnissen stehen dürften. Durch die Arbeit von Klaus Kunze steht dem Interessierten hier bereits ein umfangreiches Nachschlagewerk zur Verfügung.7 Fasst man das eben gesagte zusammen, so ergibt sich, dass die Überlieferung brüchig ist und die Geschichte der Spiegelhütte bereits an verschiedenen Stellen, mehr oder weniger umfangreich, thematisiert wurde. Obwohl sich die Autoren einig sind, dass es sich bei der Spiegelhütte Amelith – Polier um die bedeutendste Glashütte des Kurfürstentums und späteren Königreichs Hannover handelte, die einst Weltruhm genoss, fehlt bisher eine umfassende Gesamtdarstellung ihrer Geschichte. Um diese Lücke zu schließen, wurde versucht möglichst quellennah zu arbeiten, sofern die erhaltenen Schriftstücke diese Vorgehensweise zulassen. Dazu gehören auch zum Teil recht umfangreich zitierte Passagen, die einen unverfälschten Blick auf die Motive des zeitgenössischen Autors zulassen und die Quellen einem größeren Leserkreis zugänglich 3 Sollinger Nachrichten, 31.01.1925. 4 Sollinger Nachrichten, 31.01.1925. 5 Feise, Wilhelm: Die Glasindustrie im Solling, in: Die Spinnstube 39/1925, S. 616 ff.; vgl. auch: Ders.: Zur Geschichte der Glashütten im Solling, in: Sprechsaal für Keramik, Glas, Email, 21 & 22/1925, S. 324 – 328 & 339 – 342. 6 Junge, Walter: Chronik des Fleckens Bodenfelde. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Mit Beiträgen zur Geschichte der Ortsteile Wahmbeck, Nienover, Amelith und Polier, Göttingen 1983. 7 Kunze, Klaus: Glasmacher Sippenbuch. Werra-Weser-Bergland und Ortssippenbuch Bursfelde-Glashütte bis 1820, Uslar 2000.


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machen. Die unvollständige Überlieferung zwingt allerdings dazu, den Blick zu gegebener Zeit auch auf andere Glashütten zu richten und durch Analogieschlüsse das Bild der Hütte in Amelith – Polier zu ergänzen. Hier liegt natürlich der Vergleich zur Spiegelglashütte im braunschweigischen Grünenplan am nächsten. Drei Gründe sprechen für diese Vorgehensweise: Sie galt als Vorbild der Unternehmung im hannoverschen Solling, produzierte zur gleichen Zeit das gleiche Produkt und war zeitweise durch den gleichen Pächter mit der Hütte in Amelith – Polier verbunden. Die Spiegelmanufaktur Grünenplan ist durch mehrere Publikationen wissenschaftlich bearbeitet worden, von denen besonders die Dissertation von Gabriele Wohlauf8 für die vorliegende Studie viele Erkenntnisse beisteuern konnte. Analogien in Bezug auf die eigentliche Glasherstellung lassen sich auch zur Geschichte der Glashütte Gernheim bei Minden schließen, die heute Teil des Westfälischen Industriemuseums ist. Besonders die Arbeiten von Gerhard Henke-Bockschatz zu den Lebensbedingungen der Glashüttenarbeiter in der Zeit der Frühindustrialisierung9 ergänzen einen Themenbereich, zu dem die Quellen für Amelith – Polier nur spärliche Angaben liefern.

Übersichtskarte des Sollings mit den Ortschaften Amelith und Polier im Südwesten 8 Wohlauf, Gabriele: Die Spiegelglasmanufaktur Grünenplan im 18. Jahrhundert. Eine Studie zu ihrer Betriebstechnologie und Arbeiterschaft, Hamburg 1981. 9 Henke-Bockschatz Gerhard: Nur mutig hin zur Feuerstelle. Studien zum Arbeiterleben im Glasmacherort Gernheim an der Weser, 1812 – 1893, Hagen 1988; Ders.: Glashüttenarbeiter in der Zeit der Frühindustrialisierung, Hannover 1993.

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2. Der Solling im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts An dieser Stelle soll zunächst einmal das Bild rekonstruiert werden, das die Sollingregion im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, also der Zeit in der die Glashütte entstand, insgesamt bot. Eine Beschreibung aus dem Jahr 1789, die sich zwar hauptsächlich auf die einige Kilometer entfernt liegende Stadt Uslar bezieht, die Spiegelglashütte aber auch erwähnt und die Landschaft sehr bildlich beschreibt, vermittelt einen zeitgenössischen Blick auf die Region in dieser Zeit10: „Die hiesige Gegend ist, ungeachtet der Gebirge, ziemlich bebauet; davon die große Zahl von Dörfern Beweis gibt, welche zum Theil alle sehr verborgen liegen. Die Einwohner manches Dorfes wohnen daher von Gebirgen eingeschlossen; weite Aussichten hat hier das Auge deswegen nicht, und dem, der an Ebene gewöhnt ist, gefällt es hier deswegen anfänglich nicht, um so viel weniger noch des Winters, da alsdenn die Wege durch die Gebirge oft gar nicht zu passieren sind, wodurch auch zuweilen die reitende Post aufgehalten wird. Aber desto angenehmer ist die Gegend dem Auge, das öftere Abwechslung von Gegenständen liebt; ganz unerwartet wird man von größern und kleinern Dörfern überrascht, so wie auch des Sommers angenehme grüne Thäler mit klaren geschlängelten Flüssen, größere und kleinere Hügel, dem Auge sich schnell darbieten; beschattende Gehölze gewähren des Sommers hie und da sehr angenehme Spaziergänge.“ 11 Bei dieser Darstellung fehlt eines der wichtigsten Landschaftselemente, das den Solling am meisten prägte und bis heute prägt – der Wald. Den Kern stellte ein von der Buche dominiertes Waldgebiet dar, das noch weitgehend unerschlossen und demzufolge über ausgebaute Wege kaum zu erreichen war. Die Gegend war in erster Linie landwirtschaftlich geprägt. Vollerwerbs- und Nebenerwerbslandwirte beackerten die Flächen der Region. Über die Bedingungen die sich den Sollingbauern boten hieß es 1789: „Das hiesige Erdreich ist leimigt und bergigt, und taugt, im Ganzen genommen, nicht viel; vieles belohnt kaum die Einsaat, wenn es nicht recht gut gedüngt wird, worauf hier alles ankommt. Obgleich nun die Menge des Landes, denn die hiesige Gegend ist reichlich damit versehen, das wieder etwas ersetzt, was dem Lande an Güte abgeht, so bringt doch die hiesige 10 Löhrmann: Etwas über die Stadt Uslar am Solling und die umliegende Gegend, in Hannoverisches Magazin, Jg. 1789, S. 1153 – 1176. 11 Löhrmann(1789), S. 1155 f.


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