Elisabeth - Die Reformatorin

Page 1



Eleonore Dehnerdt

Elisabeth Die Reformatorin


Frühere Auflagen dieses Buches erschienen unter dem Titel „Die Reformatorin“. Der Text dieser Auflage wurde von der Autorin überarbeitet und ergänzt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-95954-035-3 © Eleonore Dehnerdt Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Verlag Jörg Mitzkat Holzminden 2017 www.mitzkat.de


Eleonore Dehnerdt

Elisabeth Die Reformatorin Das Leben der Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg, Gräfin von Henneberg 1510-1558

Verlag Jörg Mitzkat Holzminden 2017



Vorwort „Zuvörderst ist mir Jesus Christ| Allzeit gewest das höchste Gut.| Durch seinen Geist gab mir der Mut,| Dass ich mich christlich hab‘ ermannt| Und pflanzt‘ sein Wort in dieses Land.“ Es hätte etwas gefehlt, wenn im Jahr des 500-jährigen Reformationsjubiläums nicht dieser Roman über die Reformationsfürstin Herzogin Elisabeth von Calenberg-Göttingen vorgelegt worden wäre. Neben Elisabeth von Rochlitz, Maria von Jever, Sybille von Jülich-Kleve-Berg u.a. gehört sie zu den Fürstinnen, die die Reformation auf ihrem Herrschaftsgebiet vorangetrieben haben. Eleonore Dehnerdt lässt ein Stück Zeitgeschichte aus der Perspektive einer Frau des 16. Jahrhunderts vor unseren Augen lebendig werden und schließt damit eine der vielen Lücken, die auch 2017 leider noch bei der Darstellung der reformatorischen Frauengeschichte klaffen. Sehr sympathisch ist dabei, dass die Autorin die Biographie der Herzogin Elisabeth nicht als weibliche Heroengeschichte entfaltet, sondern das Bild einer facettenreichen Persönlichkeit zeichnet: • Einer jungen Frau, die mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet wurde. • Elisabeth als eine mutige Frau, die weiß, wie sie ihre religiösen und politischen Ideen umsetzen und verwirklichen kann. • Einer Frau, der wir im Süden Niedersachsens die Einführung der Reformation zu verdanken haben. • Einer klugen Netzwerkerin, die einen Kreis von Gelehrten und Beratern um sich scharte. • Einer hochgebildeten Frau, die zu den produktivsten Schriftstellerinnen und Lieddichterinnen ihrer Zeit zählte. • Aber auch einer sorgenden Mutter und einer betrogenen Ehefrau, die zur Rache fähig ist.

5|


Elisabeth von Calenberg-GÜttingen hat im Land Niedersachsen an vielen Orten Spuren hinterlassen – gut, dass diese noch einmal in schriftlicher Form festgehalten wurden! Eleonore Dehnerdt hat gut recherchiertes Material zusammengetragen und so ist ein spannender historischer Roman entstanden! Auf so unterhaltsame Weise Frauengeschichte vermittelt zu bekommen, ist eine Freude! Hannover, den 4.9.2017

|6

Dr. Heike KĂśhler


Inhalt Vorwort 5 Zum Verständnis

9

Meiner Herrin Elisabeth, Prinzessin von Brandenburg, will ich treu und ergebenst dienen bis zum eigenen Tode (Berlin, 1525) 11 Beilager in Berlin, Hochzeit, Residenz in Münden (1525)

13

Nachwuchs stellt sich ein, Bauernkrieg und Hexenbulle verbreiten Schrecken (1525-1526)

45

Elisabeth bekommt ihr erstes Kind und verrät ihre lutherische Mutter (1526)

95

Herzog Erich I. hat zum Unglück Elisabeths eine Mätresse (1527)

115

Erich II. wird geboren und die zauberischen Hexen verfolgt (1528-1534)

133

Elisabeth wird evangelisch und beginnt das Land zu reformieren (1534)

157

Landgraf Philipp geht eine Doppelehe ein und Herzog Erich I. stirbt in Hagenau/Elsass (1538-1540)

175

Elisabeth kämpft um die Vormundschaft und regiert entschlossen (1540-1542)

201

Elisa heiratet und Elisabeth und Erich II. verlieben sich (1542-1544) 225

7|


Erich II. heiratet Sidonie von Sachsen und Herzog Heinrich verliert die Höckelheimer Schlacht (1545-1546) 253 Erich II. verweigert die Regierung und Elisabeth heiratet Graf Poppo von Henneberg (1546-1548) 283 Erich II. rekatholisiert das Land und nimmt Corvinus gefangen (1548-1549) 303 Elisabeth gibt ihrer Tochter Ratschläge und verzeiht ihrem Sohn (1550-1553)

335

Die blutige Schlacht bei Sievershausen und Elisabeths bitteres Ende (1553-1558)

361

Ausklang (Ilmenau 1558)

383

Zeittafel 385 Stammbäume 389 Literaturhinweise 391

|8


Zum Verständnis Als ich das Material zur vorliegenden Biographie sammelte, war ich erstaunt, dass ein realer Lebenslauf alle für einen Roman so wichtigen Elemente enthält. Da ist eine echte Prinzessin, erste Heirat mit vierzehn Jahren (und dann gleich mit einem 55-jährigen gestandenen Herzog, Kämpfer und Lebemann), da sind politische und religiöse Wirrungen, Hexenverfolgungen, Kriegshandlungen, Geschichten von Adel, Reformation, Bauernkriegen, Familienleben und nicht zu vergessen eine zweite Liebe zu einem jüngeren Mann. Ich war begeistert, welch guter Romanstoff mir mit dieser Frau zuteilgeworden war. Eine Frau, die sich aufs Herrschen und Verhandeln verstand, die sich einmischte und kämpfte, Teilsiege errang und scheiterte. Meine anfängliche Begeisterung, eine ideale Romanfigur gefunden zu haben, wich jedoch mit zunehmender Recherche dem Wissen, dass die Umstände ihres Lebens und der Zeit ausgesprochen vielschichtig, global und wechselhaft verlaufen sind. Dazu kam, dass bei mancher Lektüre, z. B. über die Hexenverfolgung und den Aberglauben der damaligen Zeit, keine märchenhaften Gedanken aufkeimen konnten. Die Unterlagen, die ich las, zeigten die raue Wirklichkeit des Mittelalters auf, ebenso handelte Herzogin Elisabeth oft so, dass mir, mit meinem heutigen Verständnis, auch manche Sympathie abhanden ging. Die größte Herausforderung war es deshalb, die Personen und die Zeit zu verstehen und zu achten. Mir ist bewusst, dass auch wir in 500 Jahren ebenso Geschichte sein werden. Dann werden die Lebenden auf uns zurückblicken, wie wir heute auf das Mittelalter. Alles hat seinen Platz, seine Zeit, seine Erkenntnis und wirkt doch in der Geschichte fort. Um der Erzählung nicht den komplizierten weltpolitischen Rahmen aufzudrücken und Verständnis für Herzogin Elisabeth entwi9|


ckeln zu können, beschränkte ich mich auf wesentliche Daten und wählte als Erzählstimme die Erinnerungen einer Magd. Mein besonderer Dank gilt Renate Tackmann (Hann. Münden) sowie Ernst August Nebig (Hannover). Sie nahmen mich freundschaftlich an ihre Seite und reisten mit mir an Elisabeth-Orte und gaben mir zur Recherche die aktuellsten Daten an die Hand. Beide sind inzwischen leider verstorben. Ihnen widme ich jedoch diese Neuausgabe.

Ich freue mich, dass nun der Mitzkat Verlag die vergriffene Biografie zum Ausklang des Reformationsjahres neu verlegt. In dieser Erzählung finden sich viele regionale Details und originale Texte, wie ich sie zur Recherche erarbeitet hatte. Eleonore Dehnerdt

| 10


Meiner Herrin Elisabeth, Prinzessin von Brandenburg, will ich treu und ergebenst dienen bis zum eigenen Tode (Berlin, 1525)

M

ir wurde gesagt, dass meine Herrin zwei Jahre jünger sei als ich. Ich sollte bei ihrer Vermählung mit Herzog Erich I., Herzog von Braunschweig-Lüneburg und Göttingen- Calenberg, zugegen sein und ihr dann als Kammermeisterin dienen. „Wer, wer ist die gnädige Frau, der ich dienen soll?“, hätte ich am liebsten gleich gefragt. Aber eine solch törichte Frage käme nie über meine Lippen; wurde ich doch seit meinem sechsten Lebensjahr in Adelskreisen erzogen, um meinen zukünftigen Aufgaben in Demut und Verschwiegenheit gerecht zu werden. Ich war im vergangenen Herbst sechzehn Jahre alt geworden. Mein Kopf zählte wie im Fieber alle jungen Prinzessinnen auf. Aber solange mir niemand sagte, zu wem ich geschickt werden würde, war eine solche Mühe vergeblich. Meine Lehrmeisterin hatte jedoch das Feuer in meinen Augen bemerkt. Sie sah mich freundlich an und meinte endlich: „Agnes, du wirst Prinzessin Elisabeth, der Tochter des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg und seiner Frau Elisabeth, Tochter des dänischen Königs Johann I., dienen.“ Sie beobachtete mich genau und wartete darauf, dass ich begriff, was sie sagte. Vielleicht hätte mir zuerst einfallen müssen, dass dies für mich bedeutete, nun mein Leben lang in der Fremde zu wohnen. Aber das begriff ich erst später, als meine Herrin und ich viele Tage unterwegs waren, um in der neuen Heimat Einzug zu halten. Mir fiel jedoch ein, was über meine Kindertage gesagt wurde: Meine Mutter war Amme am Hof der Prinzessin Elisabeth gewesen. So erzählte es mir meine Mutter und später das Gesinde und die Adeli11 |


gen. Also hatten wir beide an der Brust meiner Mutter getrunken, ehe ich mit sechs Jahren in die Erziehung Adeliger gegeben wurde. In den nächsten Tagen wurde ich auf dem Schloss des Kurfürsten erwartet, um dann für immer meiner Herrin zu dienen. Ich musste also vom Gesinde und dem Adelshof, auf dem ich erzogen worden war, Abschied nehmen. Danach würde ich mit meiner Herrin das Bett teilen und ihr Gesellschaft leisten. Mir würde sie Ihre Wünsche anvertrauen, damit ich dafür Sorge tragen und angemessene Anweisungen erteilen könnte. Am liebsten wäre ich gleich aufgesprungen und hätte allen die Neuigkeit erzählt. Aber meine Meisterin hielt mich an, zuerst in die Kapelle zu gehen und um Segen zu bitten. Ich war noch nie alleine in der Kapelle gewesen. Sonst gingen die Bediensteten immer in kleinen Gruppen zu den Messen. Ich sah mir die Wände an und das Kruzifix. Dann kniete ich nieder. Ich fragte mich, wen ich um Segen bitten könne, wo doch kein Priester zugegen war. Ich sah mir alles genau an und dachte, dass Gott in der Kapelle sei, auch wenn niemand außer mir da ist. Das war mir zuvor nie in den Sinn gekommen. Als ich später über den Hof schritt, um zu den andern zu gehen, fühlte ich mich stärker als eine Löwin.

| 12


Beilager in Berlin, Hochzeit, Residenz in Münden (1525)

M

eine Herrin kam durch die linke Türe geschritten. Ihr neues Kleid saß tadellos und die geputzten Ketten glänzten im Fackellicht wie Sonnenstrahlen. Ich sah an ihrer Haltung, dass es ihr gut ging. In der Mitte des Zimmers blieb sie stehen und sah zur anderen Türe. Durch diese kam Herzog Erich I. Er stand meiner Herrin im Putz nicht nach. Hemden, Röcke und Wämser saßen über der engen Hose. Um seine Schultern lag eine Stola aus Hermelin, an den Lenden hing sein siegreicher Degen und auf der Brust prangten die Auszeichnungen des Königs. Die Ketten und das Rubinkreuz klirrten leise, wenn er sich bewegte. Sie standen sich gegenüber und lächelten sich freundlich an. Danach wurden von außen beide Türen geschlossen und es kam mir so vor, als ob es noch nie so still in dem Raum gewesen wäre. Es war meine Herrin, die freundlich aber bestimmt das Wort ergriff: „Meine liebe Frau Mutter“, sagte sie, „gab mir den Rat, dass es das Beste sei, mit dem Küssen zu beginnen.“ Und sie hob ihre Hand in die Höhe, damit der Herzog diese küssen könne. Der Herzog tat dies, wie es sich bei einer zukünftigen Herzogin gehörte. Und dann verhielt sich meine Herrin so, dass es mir bis heute den Atem verschlägt, wenn ich daran denke. Dabei begann sie, einfach nur ihren Aufgaben gerecht zu werden. Ehe der Herzog etwas erwidern konnte, sprach meine Herrin: „Die Zeugen sollen nicht umsonst gekommen sein. Ich bin bereit, meine Aufgabe zu aller Zufriedenheit zu erfüllen.“ Und dann gab sie mir ein Zeichen, damit ich kommen und sie entkleiden solle. Ich tat es wie immer. Jeder Handgriff saß, und ich bereitete meiner Herrin kein Ungemach. Es war eine Gewohnheit, nach dem Nachtkleid zu greifen, wenn meine Herrin nackt war. Aber mit einer kleinen Handbewegung zeigte sie mir an, dass sie es nicht wünschte. Ich trat zurück in die Dunkelheit und sah auf. Da stand meine Herrin. Aufrecht stand sie, wie ein 13 |


Ritter vor dem Kaiser. Aber ich sah ihren Körper und es schnitt mir ins Fleisch. Sie war doch noch ein Kind! Mir schossen die Tränen in die Augen und ich wünschte mir, ich hätte ihr meinen üppigen Körper leihen können. In meinem Innern schrie ich zu meiner Meisterin und bat darum, die Kraft zu haben, meine Aufgabe zu erfüllen. Nun war ich nicht mehr als ein Schrank oder Stuhl. Ich hatte weder Ohren noch Augen. Diese mussten jetzt die Zeugen gebrauchen. Ich muss an etwas denken, ich muss an etwas denken, damit ich mich nun ablenke, denn in diesem Augenblick tut sie mir nur leid. Diesen Augenblick will ich mir merken und werde nie wieder wünschen, dass ich gerne eine Prinzessin wäre. Sonst müsste ich wohl auch einen Mann heiraten, den ich erst am Tage zuvor gesehen hatte und der zudem noch älter war als mein eigener Vater. Aber so wie ich denken eben einfache Leute. Elisabeth war zufrieden, denn sie war immer bemüht, alles richtig zu machen. Sie war stolz darauf, zu dieser Heirat ausgewählt worden zu sein. Woran kann ich denken? Soll ich eine Geschichte erfinden oder in meinem Innern ein Lied summen? Nein, ich muss jetzt einen klaren Kopf behalten. Aus den viel gepriesenen Brautwochen vor der Hochzeit waren nur zwei Tage und eine einzige Brautnacht geblieben. Der Herzog konnte nicht früher aus Spanien zurückkehren. Die Trauung sollte erst später in Stettin stattfinden. Die Brautnacht war wichtig, denn Herzog Erich I. brauchte dringend Nachkommen. Im Grunde hatte er Glück gehabt, dass seine Frau gestorben war, denn sie hatte ihm keine Kinder geboren. Meine Herrin war jung und Herzog Erich I. konnte hoffen, einen Sohn zu zeugen, um somit sein Land weiter vererben zu können. Während des Beilagers sollten im Gemach die beiden Zeugen zugegen sein und auch ich sollte in der Abseite stehen, damit ich meiner Herrin dienen könnte, falls sie mich riefe. Ein Priester und der oberste Amtsdiener waren als Zeugen berufen, und sie hatten sich mit mir im Schlafgemach eingefunden. Wir sprachen nicht miteinander, sondern | 14


jeder versuchte, sich so unsichtbar wie möglich hinter einem der vielen dicken Vorhänge zu verbergen. Die Brautgabe war reich ausgefallen. Der Herzog bekam mit Elisabeth eine vermögende junge Gemahlin aus angesehenem Adelsgeschlecht zur Frau. Die Diener hatten schon den Hausrat, die silbernen Bestecke und Schalen in stabile Kisten verstaut. Der Schmuck war in Samttücher eingeschlagen und wartete darauf, in die mit Edelsteinen verzierten Kästchen gepackt zu werden. Das Gepäck sollte nach unserer Abreise zur Trauung in Stettin sicher nach Münden gefahren und dort in der Silberkammer eingelagert werden, damit beim Einzug der Herrin alles wohl geordnet sei. Meiner Herrin Mutter hatte außer mir noch vier weitere Dienstboten angewiesen, Elisabeth zu begleiten. Eine Schneiderin, eine Meisterköchin, ein Pferdemeister und der kundigste Schmied sollten auch auf das Schloss nach Münden gehen und dort dem Hofgesinde zugestellt werden. Die Meisterköchin und die Schneiderin dienten meiner Herrin Mutter schon lange. Ich hatte sie inzwischen kennen gelernt und war mit der Wahl sehr zufrieden. Mehr als drei Wochen hatte ich Nacht für Nacht bei meiner Herrin gelegen und tags planten wir die Reisen, als endlich die Nachricht kam, dass Herzog Erich I. sich dem Schloss näherte... Als Herzog Erich I. mit seinen Leuten nach Berlin geritten kam, eilte ihm eine große Schar entgegen. Sobald sie auf dem Fürstenhof einzogen, stand Elisabeth hinter ihrem Fenster und wir sahen, dass er der stattlichste aller Kämpfer war und ihm die Ritter emsig dienten. Sie sollte ihrem zukünftigen Gemahl erst später begegnen. Dann würden öffentlich die abgeschlossenen Verhandlungen bekannt gegeben werden und danach würde Elisabeth Herzog Erich I. das Schloss und die Ländereien ihrer Eltern zeigen. Am Abend sollten sie dann zusammenliegen.

15 |


Ich wunderte mich über die Ruhe meiner Herrin. Sie beobachtete alles genau und wenn sie zufrieden war, trug sie den Kopf so erhoben und aufrecht, wie mir noch nie zuvor eine Frau begegnet war. Und da rief mich meine Herrin. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrichen war. Die Zeugen waren bereits gegangen. Selbst Herzog Erich I. war nicht mehr zugegen. Elisabeth hatte sich die Decke bis über die Schultern gezogen. Ihre Wangen waren gerötet und ich befürchtete, dass sie Fieber hätte. Ich eilte zu ihr und fragte sie nach ihren Wünschen. Meine Herrin schickte mich jedoch ihre Mutter holen, denn diese hatte darum gebeten, nach ihr schauen zu dürfen, wenn die Brautnacht zu Ende war. Die Kurfürstin kam mit einem heißen Trunk aus Eigelb und Zucker, dazu drei Feigen. Sie wies Elisabeth an, die Feigen gut zu kauen und dabei auf das Knirschen der kleinen Samenkörner zu hören. Dann reichte die Mutter ihr immer wieder den Becher mit dem süßen, warmen Eitrunk. Als Elisabeth zu ihrer Zufriedenheit die Feigen gegessen und den Becher geleert hatte, streichelte die Kurfürstin ihre Tochter, nahm sie in die Arme und sagte ihr, dass sie voller Liebe und Stolz zu ihr sei. „Soll ich diese Nacht an Eurem Bette bleiben?“, fragte die Mutter sogar. Aber da lachte meine Herrin. „Es wird Zeit, dass wir alle schlafen, denn morgen ist ein großer Tag und meine liebe Dienerin soll auch nicht länger stehen müssen.“ Wie immer war meine Herrin vernünftig. Sie hatte sogar an mich gedacht. Ich wusch meine Herrin mit einer feinen Seife und legte ihr das Nachtkleid um. Ihre Mutter hatte eigenhändig das Laken abgezogen und untersuchte es genau. „Gut, gut“, murmelte sie. Sie war zufrieden. Wenig später kam die Hebamme, um sich das Bettlaken zu holen. Sie streute über die feuchten Stellen Asche, um aus den Zeichen zu lesen, ob meine Herrin viele Kinder bekommen würde. Danach gab | 16


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.