Garnisonstadt Höxter

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Plakat von Käthe Kollwitz (1867–1945)1 für den Mitteldeutschen Jugendtag in Leipzig 1924.

Für Monika und Gisela


Ernst Würzburger

Garnisonstadt Höxter Vom preußischen Infanteriebataillon bis zum ABC-Abwehrbataillon

Verlag Jörg Mitzkat Holzminden 2018


Impressum Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von

Landschaftsverband Westfalen-Lippe

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Parade auf dem Marktplatz 1881, Ölgemälde von Franz Tonnellier Herausgeber: Heimat- und Verkehrsverein Höxter e.V. © Ernst Würzburger Gestaltung: Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden ISBN 978-3-95954-055-1 Holzminden, 2018

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.


Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

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Vorbemerkungen

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Einleitung

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Königreich Preußen und Kaiserreich 1860 bis 1914

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Die Garnison von 1860 bis 1877 Garnison „ohne Zuthun der städtischen Behörden“ Die Einquartierung in Bürgerhäusern Das „Ausquartierungsgeschäft“ „Zweischläfrige Bettstellen“ Von „kasernenähnlichen Anlagen Abstand genommen“ Kasernements in Privathäusern Die „Garnison-Anstalten“ Die Lieferung von Brot- und Fourage „Untaugliche Quartiere“ Das Einquartierungs-Regulativ von 1869 „Gesundheitsgefährliche Übelstände“ in den Kasernements Mobilmachung und Kriegseinsatz Erneute Diskussion um Kasernenbau Höxter verliert sein Bataillon Militär und Öffentlichkeit

19 19 29 35 37 43 46 58 81 84 88 89 95 105 107 110

Die Garnison von 1881 bis 1918 Bemühungen um „Wiedererlangung einer Garnison“ Verlegung eines Bataillons nach Höxter angeordnet Neue Kasernenhäuser zweckmäßig „Kasernen-Häuser im Bau begriffen“ Sicherstellung der Garnisoneinrichtungen Provisorische Unterbringung der Mannschaften Ein Füsilierbataillon rückt ein Die Versorgung des Bataillons Übergabe der drei städtischen Quartierhäuser Der Bau eines vierten Quartierhauses

113 113 116 117 119 122 143 145 149 152 154

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Inhaltsverzeichnis

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Garnisonsverwaltung an das Militär übergeben Verlegung der Küche in die Kasernengebäude Die 55er kommen zurück Einquartierungen und Kaisermanöver Neues Einquartierungshaus im Schuldienergebäude „Der Unterhaltung der Baulichkeiten nachgekommen“ Neubau einer Bataillonskaserne geplant Der Bau des fünften Quartierhauses Der Garnisonsalltag in Höxter „Unser Bataillon“ in der Presse Der Kriegerverein Höxter Reserve hat Ruh‘! Das Bataillon erhält ein Stabsgebäude Die 55er feiern 50jähriges Bestehen Die Erweiterung der Kasernen I, II und IV Mobilmachung 1914 und 1. Weltkrieg Der Kriegsalltag in den Lokalzeitungen

156 158 162 165 171 172 176 179 180 186 189 194 198 201 202 208 213

Weimarer Republik 1918 bis 1933 „Willkommen, Deutschlands Heldensöhne, in der Heimat!“ Freigabe der Kasernen Drei Kasernen für Finanzamt und Schutzpolizei Zivile Nutzung der Garnisonsbauten Weiterhin Einquartierungen Kriegerehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs

217 217 222 225 231 235 236

Drittes Reich 1934 bis 1945 Höxter wird wieder Garnsionstadt Die neue Pionierkaserne im Wiehenbrink Der Aufbau eines zweiten Pionierbataillons Wehrmacht und Nationalsozialismus Militärmusik im Dienste der NS-Propaganda Die Garnison Höxter im Zweiten Weltkrieg

239 239 244 251 257 259 261


Inhaltsverzeichnis Nachkriegsdeutschland 1945 bis 1949 Besetzung und Demilitarisierung Die General-Weber-Kaserne als DP-Camp Norwegisches Infanteriebataillon in der „Bergenhus-Kaserne“ Gewerbeansiedlung und Volksschulen in der General-Weber-Kaserne Zivile Nutzung der alten Kasernenbauten

265 265 266 267 269 271

Bundesrepublik Deutschland Die „Wohnstätte für Ausländer in Höxter“ Textilwerk in der „ehemaligen General-Weber-Kaserne“ Der Bundesgrenzschutz kommt Der Übergang zur Bundeswehr Höxter wird Bundeswehrstandort Höxter wird wieder Pionierstandort Das ABC-Abwehrbataillon 7 Höxter

277 278 280 282 290 291 301 310

Schlussbemerkungen

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Anhang Zeittafel Abbildungsnachweis Quellenverzeichnis Literaturverzeichnis Personenregister Anmerkungen

321 321 322 322 325 328 332

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Vorbemerkungen

Abb. 1: Postkarte mit dem Aufdruck: „Höxter a. d. Weser lebhafte Garnison­stadt, reger Touristenverkehr“. Rechts die Gaststätte Felsenkeller. Der „Bazar“ Gustav Freytag befand sich in der Marktstraße 7.

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Vorbemerkungen

Vorbemerkungen

W

ährend für einige westfälische Garnisonstädte2 mehr oder weniger ausführliche Veröffentlichungen über die zivil-militärischen Beziehungen vorliegen, blieb dieser Teilaspekt städtischer Historiografie für die Kreisstadt Höxter trotz umfangreicher Quellen bisher weitestgehend unbearbeitet. Neben einigen Aufsätzen in lokalen Publikationen oder Chroniken zu Bataillonsjubiläen wurde die mehr als 150-jährige Garnisonsgeschichte Höxters erstmals 2009 in Henner Schmudes „Militärgeschichte des Paderborner Landes“3 etwas ausführlicher dargestellt. Allerdings liefert der zwölfseitige Text über den Militärstandort Höxter nur einen sehr oberflächlichen Überblick. Diese Lücke soll nun mit dieser Arbeit geschlossen werden, die sich vor allem an geschichtsinteressierte Bürger der Stadt Höxter richtet, aber auch einen Beitrag für regionale und überregionale Fragestellungen liefern kann. „Garnison Höxter“ – diese Wortkombination findet sich in gedruckter Form wahrscheinlich erstmals in Werken, die sich mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) beschäftigen. So ist beispielsweise in einem Buch nach „Originalquellen des Königlichen Archivs zu Hannover“ von 1833 zu lesen: „Er [General Pappenheim] überfiel darauf die Hessische Garnison in Höxter, welche niedergemacht wurde.“4 Als Stadt mit einer festen Brücke über die Weser war Höxter während des Dreißigjährigen Krieges immer wieder Schauplatz von Besetzungen und Eroberungen (1634 Blutbad von Höxter). Die Definition des Begriffs Garnison in einem Lexikon von 1796 – „der zur Vertheidigung und Bewachung einer Stadt in derselben befindlichen Haufe Soldaten“5 – entspricht noch ganz den Verhältnissen der frühen Neuzeit. Der Eintrag in Herders Conversations-Lexikon von 1855 – „Garnison, das zur Friedenszeit in einem Orte liegende Militär“6 – entspricht schon eher unseren Vorstellungen des heute nicht mehr gebräuchlichen Wortes, das von dem allgemeineren Begriff (Bundeswehr-)Standort abgelöst worden ist. Der Auffassung Wiesemeyers, das Jahr 1675 – als eine münsterische Kompanie von 70 Soldaten nach Höxter verlegt wurde – „als das eigentliche Geburtsjahr der Höxterschen Garnison anzusehen“7, kann nicht gefolgt werden. Sinnvoller

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Vorbemerkungen erscheint es, diesen Zeitpunkt in das beginnende 19. Jahrhundert zu legen, in dem neben einer grundlegenden Modernisierung der preußischen Armee und der territorialen Neuordnung Europas (Wiener Kongress 1814/15) das Corveyer Land dem Königreich Preußen zugesprochen wurde. Dementsprechend bietet sich das Jahr 1860 – übereinstimmend mit Bingmann8 (1893-1973) – als „Geburtsjahr“ der Höxterschen Garnison an. Eng verknüpft mit Garnison ist auch der Begriff Kaserne, bei dem es sich um Gebäude zur dauernden Unterbringung von Truppen handelt. Mehrere ostwestfälische Garnisonstädte verfügten lange vor Höxter über entsprechende Gebäude: Bielefeld erhielt bereits 1775 eine auf Staatskosten erbaute Kaserne; mit Beginn der Zugehörigkeit zu Preußen wurden in Paderborn das ehemalige Abdinghofkloster und im fünf Kilometer davon entfernten Neuhaus Teile des Schlosses als Kaserne genutzt; Minden hatte bereits 1850 drei Kasernen und eine militärische Festung; das Fürstentum Lippe, das 1867 mit der Integration seiner Soldaten in das 55. preußische Infanterieregiment seine militärische Selbständigkeit aufgegeben hat, verfügte in der Residenzstadt Detmold bereits seit 1831 über zwei Kasernen. Obwohl die Kasernierung der preußischen Armee bereits 1820 zum Staatsziel erklärt worden war, verfügte Höxter erst sehr spät über die ersten Kasernenbauten. Als Höxter 1860 Garnisonstadt wurde, mussten die Soldaten in Bürgerquartieren und einigen Massenunterkünften untergebracht werden. Die damit verbundenen Probleme führten 1877 zum Verlust der Garnison. Um wieder Garnisonstadt zu werden, ließ der Magistrat9 ab 1881 auf Kosten der Stadt mehrere „Einquartierungshäuser“ errichten, die dann an das Militär vermietet wurden. Mit dieser Konstruktion konnte der Reichstag umgangen werden, der den Bau von Staatskasernen hätte bewilligen müssen. Nach dem ersten Weltkrieg verfügte Höxter über keine Garnison mehr. Im Zuge der massiven Aufrüstung nach Hitlers Machtantritt wurde Höxter Standort eines Pionierbataillons, das 1936 in eine neu errichtete Kaserne an der Brenkhäuser Straße einziehen konnte. Nach der Demilitarisierung Deutschlands nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs wurde die nach General Weber benannte Kaserne mit der Gründung der Bundeswehr 1956 wieder Standort von Grenadieren und Pionieren. Seit 1993 ist Höxter Standort eines ABC-Abwehr-Bataillons.

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Vorbemerkungen Wie der Titel bereits erkennen lässt, geht es hier nicht um die Militärgeschichte der in Höxter untergebrachten Truppen, sondern um die zivil-militärischen Beziehungen in einer ehemals preußischen Kreisstadt. Diese fanden zum einen auf der administrativen Ebene zwischen städtischen Gremien und Militär und zum anderen zwischen Bürgern und Soldaten statt. Das Beziehungsgeflecht zwischen Bürgern und Soldaten war insbesondere bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durch ein langfristiges Zusammenleben auf engem Raum geprägt, das durch den Quellenbegriff „Einquartierungslast“ bereits gut skizziert wird. Die Komplexität und Vielfältigkeit der Beziehungen dieser Zeitspanne spiegelt sich auch im Umfang der Darstellung wider und bildet einen Schwerpunkt. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine chronologische Ereignisgeschichte, aus der sich auch die Abfolge der einzelnen Kapitel – vom Königreich Preußen bis zur Bundesrepublik Deutschland – ergab. Für die Recherche stand im Stadtarchiv Höxter ein erfreulich umfangreicher Quellenbestand zur Verfügung. Zitate ohne Quellenangabe stammen aus den Beständen „Städtische Bauten“ und „Militärische Angelegenheiten“, die im Anhang aufgelistet sind. Wo es vertretbar erschien, wurden geringfügige sprachliche Korrekturen vorgenommen oder Zitate der heutigen Schreibweise angepasst. Da viele – insbesondere militärische – Begriffe heute meist unbekannt sind und zahlreiche Sachverhalte, Hinweise zu Personen oder Gebäuden insbesondere für heimatkundlich interessierte Leser erläuterungsbedürftig erscheinen, ergab sich ein umfangreicher Anmerkungsapparat, der jedoch aus gestalterischen Gründen an das Textende verlegt wurde. Hilfreich bei der Zuordnung der Bürgerquartiere war die von Heinrich Meyer 1975 dem Stadtarchiv Höxter übergebene „Geschichte des Hausbesitzes in Höxter“10 , die bei verschiedenen Häusern aber „oft unvollständig oder ungenau“ ist, wie er selbst einschränkte. Trotz Heranziehung zusätzlicher Quellen und akribischer Recherchen konnten manche Widersprüche nicht aufgehoben und einige Zweifel nicht völlig ausgeräumt werden. Es freut mich besonders, dass der Heimat- und Verkehrsverein Höxter das Ergebnis meiner Recherchen als Höxtersches Jahrbuch Band VIII herausgibt.

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Vorbemerkungen Mein besonderer Dank gilt Stadtarchivar Michael Koch für seine engagierte Hilfe bei der Quellensuche, seine sachkundigen Anregungen und die kritische Durchsicht des Manuskripts. Schließlich danke ich noch dem Verleger Jörg Mitzkat, der es ermöglichte, nach drei Veröffentlichungen zur lokalen und regionalen NS-Geschichte und deren Nachwirkungen mit diesem Buch nun eine weitere Lücke der Stadtgeschichtsschreibung zu schließen

Abb 2: „Einquartierung in der Küche.“ Die „Originalzeichnung unseres Specialartisten Otto Günther“ war 1864 in dem illustrierten Familienblatt Die Gartenlaube abgedruckt, einem Vorläufer von modernen Illustrierten.

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Einquartierungen vor 1860

Einleitung Einquartierungen vor 186011

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ie Stadt Höxter kann auf eine lange und zumeist leidvolle Einquartierungsgeschichte zurückblicken. Schon Jahre bevor Höxter – seit 1815 Kreisstadt in der Provinz Westfalen im Königreich Preußen – mit der dauerhaften Einquartierung eines Infanteriebataillons Garnisonstadt wurde, diente sie durchs Land marschierenden Truppen regelmäßig als Etappenquartier. Dazu einige Beispiele. In einem Schreiben des Magistrats an das Infanterieregiment 25 in Köln geht es um die Abrechnung eines zweispännigen Wagens, der nach einer Einquartierung im Oktober 1846 zum Transport von Kranken beim Marsch nach Eschershausen benötigt worden war. Einem Brief des Kurfürstlichen Kriegsministeriums in Kassel an Bürgermeister Karl Georg Bartels12 (1799–1853) ist zu entnehmen, dass die Kriegskasse angewiesen worden sei, die Kosten für die „Verpflegung für vom 25. auf 26. des Monats [Juli 1847] dortselbst übernachtet habenden Kurfürstliche Gardegendarmerie“ zu begleichen. Im November 1847 bat die Kurfürstliche Kriegskasse Cassel um eine Quittung über die bereits „eingesandten Kosten der Bequartierung und Mundverpflegung der aus 13 Mann und ebensoviel Pferden“ bestehenden Truppe, in denen auch die Kosten für eine zweitägige Fuhre enthalten waren. Abrechnungen verraten, dass am 28. Mai 1848 zwei Unteroffiziere, ein Spielmann und 27 Gemeine13 des 1. Bataillons des in Minden stationierten 13. Infanterieregiments in Höxter übernachtet haben und verpflegt wurden, oder dass Hafer, Heu und Stroh an durchziehende „vaterländische Truppen“ verabreicht wurde. Dass häufig hessische Truppen in Höxter einquartiert wurden, belegt eine Bekanntmachung des Magistrats im Mai 1849, wonach die Zahlung für deren Verpflegung erst in einiger Zeit erfolgen könne, ohne dass die Gründe genannt werden. Zur Sicherstellung der Forderungen der Quartiergeber sollten „die ausgegebenen [Einquartierungs-]Billetts umgeschrieben und in eine Liste eingetragen werden, weshalb sämtliche Einwohner hiermit aufgefordert sind, ihre Billetts heute und Morgen Nachmittag von 2 bis 6 Uhr auf hiesigem Rathhause vorzuzeigen“.

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Einleitung Im selben Jahr erfolgten unter anderem Einquartierungen des Stabes der Reservedivision der deutschen Reichstruppen in Schleswig-Holstein und von durchmarschierenden Bundestruppen. Der Landrat wies den Magistrat an, dass die Vergütung für die verabreichte Marschverpflegung sofort an die Quartiergeber und Lieferanten ausbezahlt werden müsse. Im Mai 1850 informierte der Etappen-Inspektor14 den Magistrat über die im Juni in Höxter eintreffenden Remonte-Kommandos15 mit dem Ersuchen, „für die Unterbringung der Mannschaften und Pferde in hiesiger Stadt Sorge tragen zu wollen“. Auf dem „Marsch-Tableau“ waren zu den vier Terminen die Stärke des Kommandos (jeweils ein Offizier, drei Unteroffiziere und bis zu 27 Mann), die Anzahl der Pferde (zwischen 27 und 30) und die sechs Übernachtungsorte auf der Strecke von Driburg nach Hildesheim eingetragen. Eine Abschrift des Marschtableaus erhielt Witwe Bolte, die schon seit Jahren die Fourage16 für durch Höxter ziehende Truppen lieferte. Es gab einen weiteren Fouragelieferanten mit dem Namen Bolte, wie einer Anweisung des Kreises Höxter vom 5. April 1851 zu entnehmen ist. Danach hat der Bierbrauer Wilhelm Bolte17 der Stadt Höxter Fourage im Wert von 1.053 Talern und 26 Silbergroschen geliefert. Zu dieser Zeit entsprach ein Taler 30 Silbergroschen und ein Silbergroschen 12 Pfennigen. Im Mai 1858 fand in Höxter ein Remontemarkt statt, zu dem der Etappeninspektor die Ankunft von zwei Husaren mit ihren Pferden aus Paderborn ankündigte, für deren Unterbringung und Verpflegung der Magistrat zu sorgen habe. Remontekommandos, die in Höxter übernachteten, sind bis 1898 aktenkundig. Ende 1850 wandten sich 32 Bürger mit der Feststellung an den Magistrat, dass die Stadt durch starke Militäreinquartierungen belastet würde. Bei den meisten Bürgern sei die Überzeugung entstanden, „daß mancher zu stark, dagegen wieder viele zu schwach bequartiert sind“. Unter den gegebenen Umständen erschien es dringend erforderlich, „daß auf das Allerschleunigste eine neue geregelte Ordnung hinsichtlich der Bequartierungslast eingeführt werde, welche den Localitäten und Vermögensverhältnissen der Bürger überall angemessen ist“. Um dies zu gewährleisten, schlugen sie vor, aus jedem Stadtviertel vier Deputierte durch die Stadteinwohner erwählen zu lassen und diese mit der Anfertigung einer neuen Bequartierungsliste zu beauftragen, woraufhin „sofort die Umquartierung der hier jetzt liegenden Truppen bewirkt werden muß“. Um wel-

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Einquartierungen vor 1860 che einquartierten Truppen und vor allem um welche Größenordnung es sich bei der beklagten Einquartierungslast gehandelt hat, war nicht herauszufinden. Der Magistrat hat daraufhin die Einwohnerquartierlisten geprüft, die Eingabe aber mit der Begründung zu den Akten gelegt, dass „der Magistrat allein befugt ist, unter Berücksichtigung seines Diensteides die Einquartierungen vorschriftsmäßig zu verteilen“.18 Dennoch trafen sich die Stadtverordneten19 umgehend, um über die Grundsätze der Verteilung der Quartierlast zu beraten. Sie verständigten sich darauf, dass die Wohnhäuser abwesender Eigentümer nicht von Einquartierungen verschont werden durften. Dies betraf beispielsweise die Gebäude der Erben von Ziehlberg, Westerbachstraße 31-35, und die Schleifmühle, Bachstraße 8. Da Hauptmann Ferdinand Thüre, heute Corbiestraße 14, von der Einquartierungslast befreit worden war, so hätte auch das Haus des Landwehrmanns Eduard Freise nicht mit fünf Mann belegt werden dürfen. Man wolle dem Magistrat zwar keine Vorwürfe machen, hielt es aber – um die „allseitige Zufriedenheit nach Möglichkeit zu vergrößern“ – für zweckmäßig, bei einer Überprüfung der Einquartierungslisten nach obigen Grundsätzen aus jedem Viertel einen Vertrauensmann hinzuzuziehen. Die Stadtverordneten erkannten auch an, dass „die ärmsten Besitzer von Häusern mit Einquartierung belastet werden, während die wohlhabenderen Bewohner der Stadt ganz frei bleiben“. Abschließend wiesen sie noch auf die Gesetzeslage hin, wonach die Geistlichkeit von Einquartierungen freigestellt war und in Berlin, Paderborn und Warburg bereits danach verfahren wurde. Als im Sommer 1855 bei Dechant Dr. Tewes trotzdem fünf Pferde einquartiert wurden, beschwerte er sich beim Landrat. Unter Hinweis auf ein Gesetz von 1839, wonach Dechaneien von Einquartierungen befreit waren, verlangte er vom Magistrat, die Pferde sofort anderweitig unterzubringen. Als sich 1851 die Geschwister Oppermann geweigert hatten, Pferde einzuquartieren, schaltete Bürgermeister Bartels die Bezirksregierung Minden ein, die in ihrer Antwort zunächst feststellte, dass Stallbesitzern für die Einquartierung von Cavallerie-Pferden nach dem Allgemeinen Servis-Reglement vom 17. März 1810 eine bestimmte Vergütung – als Servis bezeichnet – zu gewähren sei. Der entscheidende Satz aber lautete, dass im Weigerungsfalle „die Einquartierung von Pferden zwangsweise zu bewirken“ sei.

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Einleitung Das „Einquartirungs-Regulativ“ von 185920 Nach dem Servis-Reglement von 1810 war jeder Hausbesitzer verpflichtet, nicht nur Militärpferden, sondern auch Soldaten gegen eine gewisse Entschädigung Unterkunft und Verpflegung zu gewähren.21 Da in Städten der Magistrat für deren Verteilung auf der Grundlage von Ortsstatuten zuständig war, legte er den Stadtverordneten ein „Einquartirungs-Regulativ für Höxter für die Zeit des mobilen Zustandes der Armee“ vor, dem diese am 2. Juli 1859 zustimmten. Bereits der erste Paragraf verdeutlicht, dass es sich bei der Einquartierung von Mannschaften und Pferden um „eine Last der Hausbesitzer“ handelte. Diese „Einquartierungslast“ – ein häufig verwendeter Quellenbegriff – sollte nach der Leistungs­ fähigkeit der Hausbesitzer erfolgen, wobei diese an der Höhe der zu entrichtenden Kommunalsteuer gemessen wurde.22 Dazu wurde die zu entrichtende Kommunalsteuer in sechs Klassen eingeteilt, wobei die Ziffer der Klasse jeweils der Anzahl der einzuquartierenden Soldaten entsprach (niedrigste Klasse I: bis zu 1,5 Taler gleich ein Mann; höchste Klasse VI: über 13 Taler gleich sechs Mann). Spezielle Regelungen gab es für Häuser, die von ihren Besitzern nicht bewohnt, sondern vermietet wurden. Zur Unterbringung von Militärpferden waren nur die Klassen III bis VI verpflichtet (ein bis vier Pferde). Konnten Hausbesitzer mangels Stall keine Pferde unterbringen, standen ihnen gegen eine Vergütung von einem Silbergroschen „disponible Ställe“ zur Verfügung. Befreit von der Einquartierungslast waren diejenigen, die zum aktiven Militärdienst einberufen waren, deren Frauen sich im Kindbett (Mutterschutz) befanden oder krank waren, in deren Familien es ansteckende Krankheiten gab oder die wegen erwiesener Mittellosigkeit Soldaten nicht ausquartieren konnten. Das Einquartierungs-Regulativ (Abb. 3) wurde umgehend gedruckt und an die Hausbesitzer verteilt. Eine weitere Bekanntmachung über die den Soldaten bei der Einquartierung zu verabreichenden Speisen und Getränken wurde von den Stadtverordneten abgelehnt, da dies als hinreichend bekannt angenommen werden könne. Beschlossen wurde zudem, nicht leserliche oder fehlende Schilder der Hausnummern auf Kosten der Stadt neu anfertigen zu lassen, „damit die einquartierten Truppen wegen mangelhafter Bezeichnung nicht in Verlegenheit kommen können“. Alle Häuser wurden daraufhin überprüft und das Ergebnis in Listen festgehalten.

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Das „Einquartirungs-Regulativ“ von 1859 Seit dem 16. Jahrhundert war Höxter in vier Viertel eingeteilt 23 , wobei die Häuser jeweils fortlaufend durchnummeriert waren. Es gab zwar teilweise schon Straßennamen, die Umstellung auf die straßenweise Nummerierung der Häuser erfolgte aber erst ab 1897. So hatte beispielsweise das im Grubeviertel gelegene Haus von Bürgermeister Eckardt 24 (1820–1880) die Bezeichnung IV. Viertel Nr. 60 (heute Corbiestraße 30). Sein Haus – das ehemalige Scharfrichterhaus – zählte übrigens zu denjenigen, bei denen das Schild mit der Hausnummer fehlte.

Abb. 3: Das „Einquartirungs-Regulativ für Höxter“ von 1859.

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Einleitung

Abb. 4: Höxter war bis Ende des 19. Jahrhunderts in vier Viertel eingeteilt. Beim Nikolaitor und Petritor sind die nach Abriss der Stadttore im 18. Jahrhundert errichteten Pfeilertore (zwei Säulen) erhalten. Die beiden Säulen am Corveyer Tor stammen allerdings von der ehemaligen Neuen Corveyer Kanzlei am Marktplatz.

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