Die Texte und Bilder dieses Buches erschienen im Rahmen einer losen Serie in der Tageszeitung Deister- und Weserzeitung. Für die Buchpublikation wurden die Beiträge überarbeitet und ergänzt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-95954-039-1 © Bernhard Gelderblom Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Verlag Jörg Mitzkat Holzminden 2017 www.mitzkat.de
Bernhard Gelderblom
Hameln – damals & heute 109 Beiträge zur Stadtgeschichte
Verlag Jörg Mitzkat Holzminden 2017
INHALT Vorwort 7 Teil I Mittelalter und Frühe Neuzeit 9 Die Geschichte des alten Rathauses von 1282 bis zu seiner Zerstörung 1945 10 Die Schule des Stifts St. Bonifatius aus dem 13. Jahrhundert 12 Das Gebäude der heutigen Löwenapotheke aus der Zeit um 1300 14 Vom Nutzen der um 1300 gebauten Weserwehre für die Stadt 16 Der Beginenhof von 1343 18 Das Haus Münsterkirchhof 11 im Wandel von acht Jahrhunderten 20 Die 1469 errichtete St. Annen-Kapelle in Wangelist 22 Das um 1500 gebaute Eckhaus Pferdemarkt-Emmernstraße 24 Das Lemkesche Haus in der Neuen Marktstraße 26 Die Kurie Jerusalem aus dem späten 16. Jahrhundert 28 Das Hochzeitshaus von 1617 30 Die um 1641 errichtete Werdermühle 32 Der Kiepehof von 1646 34 Die alte Pfortmühle 36 Die Baracke am Langen Wall 38 Die Geschichte der Fachwerkvilla Invalidenstraße 5 40 Der alte Stockhof von 1698 42 Leben und Sterben im alten Stockhof 44 Kirche und Pfarrhaus der französischen reformierten Gemeinde von 1699 46 Das Kreishaus am Pferdemarkt und seine Geschichte 48 Die Garnisonkirche von 1713 50 Das Heiliggeist-Hospital von 1723 52 Die älteste Schleuse von 1734 54 Der Bäckerscharren von 1788 56 Das „Salzfass“ am westlichen Weserufer 58 Der Wallbaumsche Kalkofen an der Landstraße nach Springe 60 Teil II Das 19. Jahrhundert 63 Das Amtsgericht Hameln von 1822 64 Der Neubau des Stockhofes 1827 66 Das Hamelner Münster und der Münsterkirchhof im Jahre 1830 68 Der Pferdemarkt um 1830 70 Die Münsterbrücke von 1839 72 Die Erweiterung des Stockhofes um die Anstaltskirche 1841 74 Die Schule am Münsterkirchhof von 1850 76 Die Werdermühle von 1864 und 1886 78 Das Invalidenhaus von 1863 80 Die katholische St. Augustinus-Kirche von 1866 am Ostertorwall 82 Das Direktorenhaus der Strafanstalt am Münsterwall von 1867 84 Die Errichtung des Zellenbaus der Strafanstalt 1867 86 Die Bäckerstraße um 1870 88 Die zweite Schleuse von 1871 90 Der Bahnhof von 1872 92 Die Kriegerdenkmäler im Invalidengarten 94
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INHALT Die Garnisonkirche seit 1874 Die Restaurierung des Münsters durch Conrad Wilhelm Hase im Jahre 1875 Die Synagoge von 1879 Die Thiemühle von 1880 Der Hunold- und Gertrud-Brunnen von 1884 am Thiewall Die Villa Spangenberg (um 1885) und ihr Gartenhaus an der Pyrmonter Straße Das Goldsteinsche Haus von 1889 am Ostertorwall Das Haus am Markt 1 von 1894 Die neue Pfortmühle von 1894 Klütbahnhof und Klüttunnel von 1897 – Hamelns Verbindung ins Lipper Land Pläne für den Exerzierplatz Die drei Gebäude des Viktoria-Luise-Gymnasiums Teil III Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Das Wohnhaus des Bankiers Hermann Silberschmidt in der Klütstraße Die Stuhl- und Rohrmöbel-Fabrik Cramer & Mönnig auf dem Gelände der Walkemühle Das Kaufhaus Karl Friedheim in der Bäckerstraße Heute vom Wald geschluckt – Der Bismarckturm von 1910 Das Kaufhaus Bernstein am Münsterkirchhof 13 Das Goltz-Haus in der Bennigsenstraße – Sitz des Jungdeutschlandbundes Der Friedhof des Kriegsgefangenenlagers Am Wehl von 1917 Die Landwirtschaftliche Lehranstalt in der Sedanstraße Das Wohnhaus des Teppichfabrikanten Albert Blank in der Kaiserstraße Das Denkmal für die Toten des Ersten Weltkrieges am 164er Ring Die Hamelner Klinkerwerke von 1927 in der Ohsener Straße Die Gebäude der Hamelner Konsum- und Spargenossenschaft in der Deisterstraße Die Kreissparkasse am Pferdemarkt Die Fenster mit den Wappen der Gemeinden im Sitzungssaal des Kreishauses Das Hamelner Gewerbehaus Grüner Reiter von 1929 Der Neubau der Allgemeinen Ortskrankenkasse am Wilhelmsplatz Die Geschichte des Hochzeitshauses bis zur Neugestaltung des Inneren im Jahre 1932 Die Schleppzugschleuse von 1933 Die Pflanzung der „Hitlereiche“ am Münster Die Geschichte des Hauses Neue Marktstraße 13 in der NS-Zeit Die Vertreibung des Kaufhausbesitzers Karl Friedheim und seiner Familie in der NS-Zeit Die Rattenfängerkunstuhr von 1934 am alten Rathaus Die kurze Geschichte des Bahnhofs Afferde Die Anlage des Waldfriedhofs Am Wehl in den Jahren 1934-1938 Das Kreiskrankenhaus von 1934 in der Wilhelmstraße – Hamelns erstes Hochhaus Das Verwaltungsgebäude der Reese-Gesellschaft im Kreuzfeld von 1935 Treppenanlage und Inschrift am Fuße des Ohrbergs von 1938 Die Freilichtbühne im Klüt von 1939 Das „Ehrenmal“ für Horst Wessel auf dem Süntel von 1939 Der Friedhof Am Wehl als Kriegsgräberstätte für die Toten des Zweiten Weltkrieges Der Bombentod der Familie Klecha im Erdstollen der Kiesgrube Kilian am 14. März 1945 Die Zerstörung der Werdermühle im April 1945
96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 121 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184
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VORWORT
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Teil IV Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Das Stadtkrankenhaus: Vom Ankauf im Jahre 1890 bis zum Verkauf 2009 Der Bahnhof nach seiner Zerstörung 1945 Wohnungsbau am Mertensplatz Von der wunderbaren Leichtigkeit des Café am Ring zum Wienerwald-Design Der Engpass Bäckerstraße Der Wiederaufbau der kriegszerstörten Häuserzeile Osterstraße 41 bis 44 Das Scala-Lichtspieltheater in der Deisterstraße von 1952 Das Hallenbad an der Hafenstraße von 1953 Die Errichtung der Weserbergland-Festhalle 1953 Der Bahnhofsvorplatz in der Nachkriegszeit Heftiger Streit um den Ausbau des Ostertorwalls Das Verwaltungsgebäude des BHW von 1955 Die Wiedererrichtung des Turms der Marktkirche im Jahre 1959 Die Wiederherstellung des Inneren der Marktkirche Das Rattenfängerrelief von Hans Walther Der Gedenkstein Deutsche Teilung am Berliner Platz Das Mahnmal für die Toten der beiden Weltkriege an der Südseite des Münsters Bürgergarten mit Praline – Hamelns neue Schauseite in den frühen 1960er Jahren Der lange Weg zur Erinnerung – Das Mahnmal für die zerstörte Synagoge Die Waldgaststätte auf dem Klüt von 1964 Wie Hameln 1972 zu seinem dritten Gymnasium kam Die Neugestaltung des Inneren des Hamelner Münsters im Jahre 1976 Die Zerstörung des Inneren des Hochzeitshauses durch die „Erlebniswelt Renaissance”
187 188 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216 218 220 222 224 226 228 230 232
Ausgewählte Literatur Register der Namen und Sachen
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VORWORT
Vorwort
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as Buch versammelt Beiträge, die im Zeitraum von viereinhalb Jahren in der Deister- und Weserzeitung erschienen, der erste am 5. September 2011 über das heutige Hamelner Rathaus, der letzte vom 29. Februar 2016 über das „Ehrenmal“ für Horst Wessel auf dem Süntel. Es sind insgesamt 109 Skizzen, die sich vor allem an Gebäuden, aber auch an Straßen, Denkmälern, menschlichen Schicksalen und in einem Fall sogar an einem Baum festmachen. Alle Beiträge sind getragen von großer Wertschätzung dafür, was ältere und jüngere Generationen für diese Stadt geleistet haben. Sie wollen dazu auffordern, mit unserem Stadtbild sorgsam umzugehen, genauer hinzuschauen. Die Stadt gehört den Bürgerinnen und Bürgern. Sie ist öffentlicher Raum. Dabei gilt, dass eine Stadt sich entwickelt. Sie hat das Recht, ja die Pflicht sich zu verändern. Aber dies muss in Respekt vor dem lebendigen Organismus geschehen, den eine Stadt wie Hameln mit ihrem über Jahrhunderte gewachsenen Netz an Straßen und Gassen und ihrem Reichtum an Bauwerken aus unterschiedlichen Epochen darstellt. Die Beiträge möchten nur sehr begrenzt Bedürfnisse nach Nostalgie befriedigen. Die „gute, alte“ Zeit hat es nie gegeben. Nichts liegt dem Autor ferner, als etwa das Gestern zu verklären. In jüngerer und jüngster Zeit sind manche Fehler im Umgang mit der Substanz unserer Stadt gemacht worden, die nicht so leicht wieder gutzumachen sind. Dazu zählt etwa der vorschnelle Abriss des alten Rathauses 1945/46, das im Zentrum der Stadt eine unübersehbare Lücke gelassen hat. Ob es gelingen wird, die Zerstörung des Inneren des Hochzeitshauses durch die „Erlebniswelt Renaissance“ zu heilen, wird die Zukunft erweisen. Der Bau der „Stadtgalerie“ stellt einen massiven Eingriff in die kleinräumige Stadtstruktur dar. Berichtet wird aber auch über Veränderungen zum Positiven wie etwa die großartige Neugestaltung des Inneren des Münsters 1976 und die Wiederherrichtung der Empfangshalle des Hamelner Bahnhofs 2006. Über den Schatz, den Hameln an Bauten aus der Zeit der Mittelalters und der Renaissance hat, herrscht Einvernehmen. Wie qualitätsbewusst in den wenigen Jahren der Weimarer Republik in Hameln gebaut worden, ist wenigen bewusst. Welche Leichtigkeit haben die Bauten der 1950er Jahre! Den segensreichen Einfluss des langjährigen Stadtbaurats Albert Schäfer auf das Bauen in der Weimarer Republik über die NS-Zeit bis hin in die Nachkriegszeit spüren wir an
vielen Orten. Er hatte bei allem, was er tat, immer das Bild der Stadt als Ganzer vor Augen. Immer wieder werden Denkmäler zum Thema. In ihnen verkörpert sich das aktive Erinnern der Stadt, die kollektive Wahrnehmung historischer Ereignisse. Nicht selten ist ihre Errichtung Ergebnis gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Wessen Deutungen setzten sich durch? Was fällt dem Vergessen anheim? Wie vor allem geht die Stadtgesellschaft mit der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus um? Hinter den Bauwerken sollen auch die Menschen sichtbar werden, die sie bewohnten. Hier fällt der Blick auf die Randgruppen, die Strafgefangenen, die Armen, Alten und Kranken, die in der NS-Zeit Vertriebenen und die Flüchtlinge aus der Nachkriegszeit. Bei der Auswahl der Themen ist der Autor keinem Plan gefolgt, sondern ganz subjektiv und willkürlich vorgegangen. Die Idee, daraus ein Buch zu machen, kam erst geraume Zeit nach Abschluss der Serie und nach der Beobachtung, dass sich in der Summe der Beiträge doch so etwas wie eine kleine hoffentlich kurzweilig zu lesende Stadtgeschichte einstellt. Um historische Zusammenhänge und Querverbindungen zu verdeutlichen, wurden die Beiträge für die Buchausgabe in der zeitlichen Reihenfolge des Entstehens eines Bauwerkes geordnet und in vier Kapitel eingeteilt. Jedem Kapitel ist eine Karte vorangestellt, die das Auffinden der Schauplätze erleichtern soll. Ein Register verschafft Übersicht. Die Beiträge wurden aus Archivgut, der vorliegenden Literatur und Zeitungsberichten erarbeitet. Während bei Abbildungen die Quellen angegeben sind, fehlen ansonsten Belege. Ein Ersatz mag das umfangreiche Literaturverzeichnis sein. Neben der unschätzbaren „Geschichte der Stadt Hameln“, herausgegeben von Heinrich Spanuth, sind aus jüngster Zeit besonders die Bücher von Horst Knoke über „Hamelner Wasserbauwerke an der Weser“ und Christian Meyer-Hermann über „Die Geschichte der Hamelner Mühlen“ hervorzuheben. Die Beiträge wurden für die Buchausgabe wo nötig aktualisiert. Einzelne Texte wurden neu aufgenommen. Ein Dank geht an den Verleger Jörg Mitzkat, der dem Buch seine Gestalt gegeben hat.
Hameln, im November 2017 Bernhard Gelderblom
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Teil I
Mittelalter und Frühe Neuzeit
Mittelalter und Frühe Neuzeit 1 Die Geschichte des alten Rathauses von 1282 bis zu seiner Zerstörung 1945 2 Die Schule des Stifts St. Bonifatius aus dem 13. Jahrhundert 3 Das Gebäude der heutigen Löwenapotheke aus der Zeit um 1300 4 Vom Nutzen der um 1300 gebauten Weserwehre für die Stadt 5 Der Beginenhof von 1343 6 Das Haus Münsterkirchhof 11 im Wandel von acht Jahrhunderten 7 Die 1469 errichtete St. Annen-Kapelle in Wangelist 8 Das um 1500 gebaute Eckhaus Pferdemarkt-Emmernstraße 9 Das Lemkesche Haus in der Neuen Marktstraße 10 Die Kurie Jerusalem aus dem späten 16. Jahrhundert 11 Das Hochzeitshaus von 1617 12 Die um 1641 errichtete Werdermühle 13 Der Kiepehof von 1646 14 Die alte Pfortmühle 15 Die Baracke am Langen Wall 16 Die Geschichte der Fachwerkvilla Invalidenstraße 5 17 Der alte Stockhof von 1698 18 Leben und Sterben im alten Stockhof 19 Kirche und Pfarrhaus der französischen reformierten Gemeinde von 1699 20 Das Kreishaus am Pferdemarkt und seine Geschichte 21 Die Garnisonkirche von 1713 22 Das Heiliggeist-Hospital von 1723 23 Die älteste Schleuse von 1734 24 Der Bäckerscharren von 1788 25 Das „Salzfass“ am westlichen Weserufer 26 Der Wallbaumsche Kalkofen an der Landstraße nach Springe
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Dieser Ausschnitt der Stadtansicht aus Werdenhagens „Hanseatischer Chronik“ (1641) zeigt das Nebeneinander von Rathaus (mit Renaissancegiebel), Marktkirche und dem 1617 fertiggestellten Hochzeitshaus. Das Rathaus ist allerdings zu klein dargestellt; die südlichen Fronten von Rathaus und Hochzeitshaus verliefen auf einer Linie. (Quelle: Stadtarchiv Hameln)
Die Geschichte des alten Rathauses von 1282 bis zu seiner Zerstörung 1945
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ei der Welle mittelalterlicher Stadtgründungen im ausgehenden 12. und 13. Jahrhundert spielten zwei sehr unterschiedliche Kräfte zusammen, die adlige Herrschaft auf der einen Seite und Fernkaufleute auf der anderen. Die Kaufleute erhielten Schutz für ihre Geschäfte, der Landesherr Einnahmen aus Steuern und Zöllen. Die Kaufleute achteten strikt darauf, dass der adelige Herr ihnen Eigenständigkeit zusicherte. Die Bürger der Kaufmannsstadt regierten sich selbst. Symbol und Zentrum der städtischen Freiheit war das Rathaus. Hier trat der aus den Kaufleuten gebildete Rat zusammen, hier fand vor allem der Markt statt. Es war nicht zufällig, dass die Städte das Rathaus im Zentrum und in unmittelbarer Nähe des Marktes errichteten. In der ältesten Quelle, die wir vom Hamelner Rathaus besitzen (1282), wird es als „Theatrum“ (Schauhaus) eingeführt, in einer Akte von 1336 als „Kophus“. Hier boten die wohlhabenden Kaufleute ihre Waren
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wie z. B. Tuche an. Ausdrücklich erwähnt Samuel Erich in seiner Stadtchronik (1654), dass im Erdgeschoss des Hamelner Rathauses „ein schöner, großer Platz vor das Kauff-Ampt, der gantzen Bürgerschaft zu nutz, täglich offen gehalten wird“. Das Erdgeschoss nahmen also offene Lauben ein. Dieses Aussehen haben beispielsweise die auf dem Krakauer Marktplatz liegenden „Tuchhallen“ bis heute bewahrt. Die einfachen „Buden“ und Stände der Krämer, Handwerker und Bauern standen hingegen im Umfeld des Rathauses. Wann das Hamelner Rathaus gebaut wurde, ist nicht bekannt. Die Bürger errichteten es zusammen mit der Marktkirche bald nach der Entstehung der Stadt. Samuel Erich nennt es „ein alt, aber wohl verwahrtes und steinernes Gebaw“. Sicher ist, dass der Bau gotische Formen trug. Davon zeugen der prächtige Gewölbekeller mit kurzen Pfeilersockeln und fächerartigen Gewölberippen und der getreppte Giebel nach Norden und nach
ALTES RATHAUS
Das nach 1934 entstandene Foto zeigt die wahre Größe des Rathauses. Es entspricht von den Maßen her dem Hochzeitshaus. (Quelle: Stadtarchiv Hameln)
Süden. Auf alten Stadtansichten ist er noch zu sehen. Wie sich der Hamelner Historiker Spanuth erinnert, konnten beim Abbruch des Rathauses 1946 am Südportal „noch die wohlerhaltenen Ansätze eines gotischen Spitzbogens festgestellt werden“. Das Gebäude wurde später nach Norden zum Pferdemarkt (und ebenso nach Süden) mit einem Vorbau von Lauben versehen. Mehrere Meter weit vorspringend, boten diese dem Stadtgericht Platz. Die dem Rat zustehende niedere Gerichtsbarkeit war ein wichtiges Merkmal der städtischen Selbstständigkeit. Das Rathaus war nicht nur „Kophus“, Sitz des Rates und Stätte des Gerichtes. Im Keller befand sich neben der Weinstube das Gefängnis. Die Waffen, welche die Bürger zur Verteidigung der Stadt besaßen, lagerten im Rathaus. Der Dachboden wurde zu Festlichkeiten benutzt. Hier konnten sich über 400 Menschen – ein erklecklicher Teil der damaligen Einwohner – frei bewegen. Zur Katastrophe für das Rathaus wurde der Siebenjährige Krieg (1756-1763). Durch Abnutzung und Gewalt wurde es so schwer beschädigt, dass die Bürger an einen Neubau dachten. Aus Geldmangel entschied man sich 1766 für eine grundlegende Neugestaltung. Der unzerstörte Gewölbekeller blieb wie er war. In die massiven Außenwände brach man Reihen großer Fenster. Komplett erneuert wurden Inneres und Dach. Das Dach erhielt im zeitgenössischen Stil des Barock Mansardenform. Sorgfältig gestaltete man die Portale nach Norden und nach Süden. Sie zeigten lateinische Inschriften, das
Stadtwappen und Verzierungen. Besonders die Inschrift über dem südlichen Eingang verdient es, mitgeteilt zu werden. „Quam devastavit curiam atrox bellum 1757, pax exornatiorem prisca restituit 1766“ (Der schreckliche Krieg verwüstete 1757 das Rathaus, der Friede stellte es 1766 in besserer Gestalt als früher wieder her.). Fast 200 Jahre diente dieses Bauwerk der Stadt. 1824 riss man die Lauben ab, weil sie den Marktbetrieb störten. Gut hundert Jahre später – 1934 – erhielt es zum 650jährigen Jubiläum der Rattenfängersage einen Dachreiter mit Glocken und das zum Lüttgen Markt schauende Figurenspiel. Dort, also in Richtung Osten, befand sich die Schauseite des Gebäudes. Bei der sinnlosen Verteidigung der Stadt in der „schwarzen Osterwoche“ des Jahres 1945 geriet das Rathaus in Brand, den die Feuerwehr nicht löschen konnte, weil mit der Sprengung der Brücken die Wasserleitungen trocken fielen. Das Bauwerk brannte innen aus. Nur die Außenwände blieben stehen. Am 22. August 2008 fand die Einweihung eines Modells des Rathauses statt, das Jugendliche der Arbeits- und Qualifizierungsgesellschaft Impuls unter fachlicher Beratung von Bernhard Gelderblom gebaut haben. Abgestellt hinter dem Chor der Marktkirche, erinnert es an dieses für die Stadtgeschichte und das Stadtbild unersetzliche Gebäude, dessen Reste Rat und Verwaltung der Stadt 1946 spurlos beseitigen ließen.
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MITTELALTER | FRÜHE NEUZEIT
Wo sich heute südlich des Münsters eine Grünanlage befindet, stand bis 1852 die Stiftsschule. Diese Schule war bis ins 18. Jahrhundert die einzige Hamelner Bildungsstätte. Aquarell von Ing.-Capitain Wendelstedt aus dem Jahre 1834. (Quelle: Stadtarchiv Hameln)
Die Schule des Stifts St. Bonifatius aus dem 13. Jahrhundert
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ildung war im Mittelalter auf eine sehr schmale Schicht der Bevölkerung beschränkt. In Hameln liegen die Anfänge schulischer Bildung beim Münster. Nachdem 826 der Besitz des Grafen Bernhard an das Kloster Fulda gefallen war, baute dieses die adelige Eigenkirche zu einem Nebenkloster aus. Von Beginn an dürfte zum Kloster auch eine Bildungsstätte für junge Geistliche und Mönche gehört haben. Als in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts das Kloster in ein Kollegiatsstift umgewandelt wurde, bekam die Schule die Aufgabe, den Nachwuchs der Kanoniker des Stifts heranzubilden. Die Stiftsschüler konnten mit 18 Jahren ins Stiftskollegium aufgenommen werden und nach Freiwerden einer Kurie in den Genuss dieser Pfründe kommen. Der berühmteste Schüler der Hamelner Stiftsschule war der heilige Vizelin, der als Slawenapostel in die Geschichte eingegangen ist. Im 13. Jahrhundert wurde auf der Südseite des Münsters ein gesondertes Gebäude als Schule und
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Lehrerwohnung errichtet. Das Gebäude, von dem nur wenige Abbildungen erhalten sind, besaß ein schlichtes aus Bruchsteinen errichtetes Erdgeschoss und einen überkragenden Fachwerkaufbau mit hohem Giebel. Nach Osten schaute das Halbrund eines reich gestalteten zweigeschossigen Erkers. Die Schule bildete den südlichen Arm des zweigeschossigen Kreuzgangs. Von der zweiten Etage der Schule gelangten Schüler und Lehrer über das Obergeschoss des Kreuzgangs zum Gottesdienst und Chorgesang in die Kirche. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert stand die Schule auch Bürgersöhnen offen, die hier die Grundbegriffe der allgemeinen Bildung lernten. 1486/87 versuchte der Rat, das Bildungsprivileg des Stifts aufzuweichen, indem er Missstände an der Stiftsschule beklagte und deren Leitung an sich zu bringen versuchte. Ein Schiedsgericht lehnte die Klage des Rates jedoch ab. Mit Einführung der Reformation in Hameln 1540 wurde die Stiftsschule vorrangig Bildungsstätte der Bürgersöhne, von denen mancher anschließend die Uni-
ST. BONIFATIUS
Der Standort der Stiftsschule heute
versität bezog. Die Schulaufsicht lag weiter in Händen des Stifts, aber der Rat hatte Einfluss auf die Besetzung der Lehrerstellen gewonnen. Seit der Schulreform von 1802 traten anstelle von Theologie und Latein die sog. Realien in den Vordergrund. 1834 gab es neben der Sexta als Elementarklasse drei Mittelklassen als Bürgerschule und drei Oberklassen als Progymnasium. Die Bürgerschule besuchten damals 282 Schüler, das Progymnasium 54. Die Hamelner Schule führte in dieser Zeit nicht zum Abitur, zur Universitätsreife, sondern war lediglich eine vorbereitende Schule für ein höheres Gymnasium. Das liebevolle Aquarell malte Ingenieur-Capitain Wendelstaedt im Jahre 1834. Der Kreuzgang, der
(Foto: Gelderblom 2012)
ursprünglich Schule und Kirche verband, war bereits 1760 abgerissen worden. Auch der große Friedhof, der östlich von Kirche und Schule gelegen hatte, war längst in eine Grünanlage umgewandelt worden. Nach 1758 hatte die Stadt einen neuen Friedhof vor dem Ostertor angelegt, den heutigen Deisterfriedhof. Nachdem die Stadt 1850 am Münsterkirchhof ein neues Schulgebäude errichtet hatte, wurde die alte Stiftsschule 1852 für 365 Taler auf Abbruch versteigert und abgerissen. Damit war eines der ältesten Gebäude der Stadt verloren.
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