IMPRESSUM Alle Abbildungen, Grafiken und Zeichnungen im Buch – soweit nicht anders vermerkt: Mario Gellrich, Patrick Kellner, Johanna Klumpe und Arne Meyer. Alle Grundrisse, Ansichten und Schnitte sind im Maßstab 1:200 gehalten, Lagepläne im Maßstab 1:2000. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist. Autoren: Mario Gellrich, Patrick Kellner, Johanna Klumpe und Arne Meyer mit Beiträgen von Birgit Franz, Wilhelm Gebhard, Friedhelm Meyer und Diana Wetzestein Herausgeber: Birgit Franz und Friedhelm Meyer Layout: Mario Gellrich, Patrick Kellner, Johanna Klumpe und Arne Meyer
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 ISBN 978-3-95954-095-7 doi:10.5165/hawk-hhg/466 Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Stadt Wanfried, der Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser, der VR-Bank Mitte eG und der Fakultät Bauwesen der HAWK in Hildesheim
KLEIN.STATT.GROSS Wanfried erfindet sich neu Mario Gellrich, Patrick Kellner, Johanna Klumpe und Arne Meyer mit Beiträgen von Birgit Franz, Wilhelm Gebhard, Friedhelm Meyer und Diana Wetzestein
Birgit Franz und Friedhelm Meyer (Hrsg.)
Inhaltsverzeichnis
06 08 10 13 16 23 40 44 46 52 54 56 58
Grußwort
Wilhelm Gebhard Bürgermeister Wanfried
Vorwort
Mario Gellrich, Patrick Kellner, Johanna Klumpe und Arne Meyer
Einblick
Die aktuelle Thematik Kleinstadt und das Praxisbeispiel Wanfried
IBA Thüringen
Ausstellung StadtLand – Ein Bericht
Beitrag
Baukultur und neue Lebenswelten als Motor für kleine Städte. Birgit Franz und Friedhelm Meyer
Ideenwerkstatt Wanfried 2040
Einschub
Bürgerbeteiligung und Bürgerschaftliches Engagement
Stadtgeschichte
Wanfrieds‘ 1200 Jahre wechselhafte Historie
Eckdaten Wanfried
Einschub Tourismus
Mind Map
Konzept „Wanfried erfindet sich neu“
Bearbeitungsorte Wanfried
Einschub
Baukultur und Regionales Bauen
60 63 64 66 68 73 94 99 116 130 152 156
Dezentrales Hotel
Beitrag
SchlafEinfachHier Diana Wetzestein
Rad.Stationen
Grenz.Museum
Einschub
Förderprogramme und Fördermittel
Markt.Meile
Einschub
Temporäre Nutzung
Werra.Ufer
Ölmühle
Kultur.Mühle und Ideen.Mühle Entwürfe
Zigarrenfabrik
Wohn.Fabrik und Denk.Fabrik Entwürfe
Ausblick
KLEIN.STATT.GROSS – Wanfried 2040
Vitae
Grußwort
Die Stadt Wanfried im November 1989. Jubel, Trubel und Heiterkeit. Erste Grenzübergänge werden geöffnet. Tausende von Menschen aus der DDR besuchen die Kleinstadt an der Werra. Die innerdeutsche Grenze verliert ihren Schrecken. Nur elf Monate später die deutsche Wiedervereinigung. Die östlichste Kommune Hessens rückt dank der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR von der Randlage in die geographische Mitte Deutschlands – bis heute eine große Freude, zog aber auch weitreichende Veränderungen nach sich. Die bis dato geltende Zonenrandförderung fiel ersatzlos weg. Sehr schnell schlossen erste Betriebe in der Region ihre Pforten, die bis zu diesem Zeitpunkt von der bundesdeutschen Förderung gut gelebt haben. Junge Menschen zogen fort, zogen der Arbeit nach, zudem die vermeintlich attraktive Sogwirkung der Ballungsräume. Die Einwohnerzahl Wanfrieds, die nach der Wiedervereinigung bis zum Jahr 1995 dank des Zuzugs zahlreicher Beamter, die in Thüringen den Aufbau Ost begleiten sollten, noch leicht anstieg, sank bis zum Jahr 2010 dramatisch. Über 700 Einwohner verloren die Kernstadt Wanfried und die vier Stadtteile in diesem Zeitraum. Dem Abgesang des ländlichen Raums und wissenschaftlich vorgetragener Zukunftsprognosen wollte man in Wanfried nicht weiter tatenlos gegenüberstehen. Es sollte nicht auf die Hilfe von außen gewartet werden, die Wanfried in der Zeit der deutschen Teilung gewohnt war. Die Liebe und die Identifikation zur eigenen Heimat, aber auch das verpflichtende Gefühl, das Erbe an historischer Bausubs-
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Grußwort
tanz erhalten zu wollen und zu müssen, schafften neues Selbstvertrauen. Die im Jahr 2006 gegründete Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser war der Schlüssel zum Erfolg und eine von zahlreichen Initiativen, die sich im Vorfeld des 400-jährigen Stadtrechtejubiläums im Jahr 2008 formiert haben. Die Wanfrieder steckten den Kopf nicht in den Sand, nahmen die Dinge selbst in die Hand und glaubten fest daran, dass diese beschauliche Kleinstadt inmitten einer intakten Natur und traumhaften Mittelgebirgslandschaft und aufgrund der zentralen Lage eine gute Zukunft hat. Es galt, die Wanfrieder auf diesem Weg mitzunehmen. Die Probleme mussten klar angesprochen und nicht länger verschwiegen werden. Private Leerstände rückten in den Fokus. Ihnen neues Leben einzuhauchen, war fortan die Aufgabe der Bürgergruppe. Mit Erfolg. Nahezu 70, darunter teilweise schwer zu vermittelnde Immobilien, sind dank der Arbeit der Bürgergruppe an neue Eigentümer vermittelt worden. Das brachte spürbar Bewegung in
den Immobilienmarkt. Das Interesse an Wanfried wuchs. Das Bauhandwerk profitiert bis heute von dieser einmaligen Vermittlungsleistung. Dieser unkonventionelle Weg blieben auch Presse, Funk und Fernsehen nicht verborgen. Seit 2011 ist die Zahl der Zuzüge wieder höher als die der Wegzüge. In den Jahren 2016, 2017 und 2018 konnte sogar ein Bevölkerungsanstieg verzeichnet werden, da die Zuzüge sogar das negative Saldo aus Geburten und Sterbefällen überstiegen. Die Leerstandsquote ist heute deutlich niedriger als noch vor 10 oder gar 13 Jahren. Die politisch Verantwortlichen haben stark auf Innenentwicklung gesetzt, um den im Einblick der Masterthesis dargestellten Donut-Effekt zu vermeiden. Wanfried gehört zu den Orten, die sehr viel früher als andere den Schwerpunkt auf die Innenentwicklung und auf die Bekämpfung von Leerständen gelegt haben. Die vier Studierenden der HAWK Hildesheim analysieren und würdigen mit ihrer Masterarbeit das Engagement der vergangenen Jahre zutreffend. Die durchgeführte Ideenwerkstatt Wanfried
schenswerte Zukunftsvisionen für Kleinstädte am Beispiel Wanfrieds auf. Die Umsetzung einiger dieser Ideen und Visionen gelingt jedoch nur mit der Unterstützung überörtlicher Institutionen. Dabei hofft die Stadt Wanfried auf Fördermechanismen, die unbürokratisch und einfach umzusetzen sind. Es darf nicht sein, dass die Antragstellung von Fördergeldern schon zu Beginn eines Förderprogramms eine fast unüberwindbare Hürde darstellt. Die Politik muss weitere, noch stärkere Anreize zum Leben auf dem Land schaffen und Infrastrukturprojekte fordern, fördern und positiv begleiten. Das würde auch die oft beklagte Verknappung an Wohnraum und den rasanten Anstieg der Mieten und Immobilienpreise in den Ballungsräumen stoppen bzw. wenigstens reduzieren. Der Titel dieser Masterthesis „KLEIN.STATT.GROSS“ zeigt die Richtung, von der sich die Bundes– und Landespolitik zukünftig leiten lassen sollte. Kultur in Verbindung mit Natur, der ländliche Raum mit günstigem Wohnraum und mit zukunftsgerichteten ÖPNV-Konzepten und schnel2040 mit über 100 Wanfrieder Bürgern zeigt eine lem Internet bieten enormes Potenzial. insgesamt positive Stimmung. Sie verdeutlicht Als Bürgermeister der Stadt Wanfried danke ich aber gleichzeitig auch eine gewisse Erwartungs- den vier Studierenden für ihre mühevolle Arbeit, haltung an die Zukunft. Dass sich die vier Studie- für den realistischen Blick von außen auf unsere renden Wanfried als Schauplatz für ihre Arbeit ausgesucht haben, ist für alle Wanfrieder, die sich täglich für ihre Heimat einsetzen und sich ehrenamtlich engagieren, ein kleiner „Ritterschlag“. Die Leistungsfähigkeit des Ehrenamts in Verbindung mit den finanziellen Möglichkeiten einer Kleinstadt mit zugleich überschaubarer Verwaltungsgröße sind jedoch begrenzt. Das bislang Erreichte ist ein guter Grundstein für Weiteres
Kleinstadt, für die erarbeiteten Zukunftsvisionen und für die Strapazen, die sie dabei auf sich genommen haben. Im Jahr 2040 freuen wir uns dann auf eine erneute und gemeinsame Analyse.
und wird auch zukünftig immer wieder neue Im- Wilhelm Gebhard pulse setzen. Die vier Studierenden zeigen wün- Bürgermeister
Grußwort
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Wanfried erfindet sich neu
KLEIN.STATT.GROSS
v. li.: Johanna Klumpe, Patrick Kellner, Arne Meyer, Mario Gellrich
8
Der ländliche Raum bietet enormes Poten-
für Veränderungen auszumachen sein.
zial. Vielerorts entwickeln sich Initiativen
Nach langer ergebnisloser Recherche er-
und Netzwerke, die dem Strukturwandel
hielten wir von unserer Erstprüferin, Frau
Einhalt geben wollen. Aus vielen interes-
Prof. Dr. Birgit Franz, den Hinweis auf die
santen Vorlesungen zu diesem Thema
Stadt Wanfried, mit der sie bestens ver-
entwickelte sich bei uns Vieren die Idee,
netzt ist und Hintergrundinformationen
unsere Masterthesis dieser aktuellen An-
besitzt. Zudem ermöglichte sie es uns, die
gelegenheit zu widmen. Nun galt es, ein
Arbeit im gemeinsamen Dialog mit Dipl.-
vermeintliches Sorgenkind auszusuchen
Ing. Friedhelm Meyer, dem städtischen
und dessen Potenziale herauszufinden.
Baudirektor der Stadt Hann. Münden, zu
Zwei Kriterien waren uns dabei wichtig:
entwickeln. Nach einer Einarbeitung in die
Zum einen sollte es sich hierbei um eine
Fakten von Wanfried wurde uns schnell
Kleinstadt unter 5.000 Einwohnern han-
klar, das ist die Stadt, die als Musterbei-
deln, zum anderen sollte in der Stadtver-
spiel für unseren Leitfaden fungieren wird.
waltung und in der Bevölkerung ein Wille
Bereits während unseres ersten Vorortter-
Vorwort
mins mit dem Bürgermeister und der Bür-
nem Ort, der zum Entspannen, Bewegen
gergruppe von Wanfried konnten Stärken, und Begegnen einlädt, dem Werra.Ufer, aber auch unentdecktes Entwicklungs-
bildet einen weiteren Anziehungspunkt.
potenzial in der Stadtstruktur ausgemacht Verknüpft werden beide Zonen durch werden. Dies motivierte uns enorm bei der
das dezentrale Hotelkonzept, welches in
ersten Ideensammlung und Konzeptent-
dieser Form neuartig entlang der Werra
wicklung.
ist. Doch auch die großen städtebaulich
Um uns einen eigenen Überblick auf die relevanten Bauwerke sollten ein moderStadt Wanfried und ihre Bürger zu ver-
nes
schaffen, entschieden wir uns im Vorfeld
konzentrierten wir uns auf die ehemali-
Nutzungskonzept
erhalten.
Dabei
dazu, eine Ideenwerkstatt zu organisieren. ge Ölmühle und die ehemalige ZigarrenVon dieser versprachen wir uns Hinweise
fabrik. Beide Gebäude stehen seit ge-
auf das Stimmungsbild vor Ort sowie all- raumer Zeit leer, haben ein unglaubliches gemeine Informationen. Diese Ideenwerk-
bauliches Potenzial und schreiben die
statt mit dem Titel Wanfried 2040 bildete
historische Geschichte Wanfried maßgeb-
die Grundlage für die weitere Bearbeitung. lich mit. Mit Hinblick auf die Nutzbarkeit Mit besten Voraussetzungen machten wir
und den Erhaltungswert wurden zu jedem
uns in den folgenden Monaten an die Erar-
Gebäude jeweils zwei innovative Nut-
beitung eines Masterplans. Das dabei ent-
zungskonzepte entwickelt. Dabei zeigen
standene Konzept beinhaltet zwei städte-
die Entwürfe beispielhaft, wie vorhande-
bauliche Schwerpunkte. Ziel war es, neue
ne Räume transformiert und mit neuem
Anziehungspunkte in Wanfried zu schaffen Leben gefüllt werden können. sowie vorhandene Strukturen neu zu bele-
In
den
vergangenen
sechs
Monaten
ben. Die Transformierung der Marktstraße
wurde ein innovatives und zukunftsfähiges
zur Markt.Meile und die damit einherge-
Konzept für Wanfried entwickelt, welches
henden Neudefinierung des öffentlichen aufzeigt, wo vorhandene Potenziale liegen Raumes verbessern die Aufenthalts- und und wie die Stadt auch in Zukunft attraktiv Standortqualitäten im Stadtzentrum enorm.
bleibt.
Die Neugestaltung des Werraufers zu ei-
Vorwort
9
Einblick
Die aktuelle Thematik Kleinstadt und das Praxisbeispiel Wanfried
In Klein- und Mittelstädten, vor allem in peripheren
daher verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit
ländlichen Räumen, vollziehen sich seit Mitte des
und der Politik. Die Ursachen für Leerstände sind
20. Jahrhunderts große Transformationsprozesse. vielschichtig. Als eine Ursache kann zum Beispiel Diese haben weitreichende Auswirkungen auf die das Ausweisen von immer weiteren NeubaugeWirtschaft, die Sozialstruktur und die bauliche Si- bieten in den Außenbereichen der Orte angesetuation vor Ort, aber auch das lokale Leben hat hen werden, wobei zeitgleich die Ortskerne ihre sich in der Zeit weitreichend geändert. In der Ver- historische Funktion als soziale und wirtschaftligangenheit waren Arbeit und Wohnen im Ort ver- che Zentren verlieren. Diese Situation wird in den eint, heute fahren die Bürger zum Arbeiten in die
Fachkreisen als „Donut-Effekt“ beschrieben und
Großstädte und die Kleinstädte erfüllen meist nur
ist auf die Zersiedelung der Kleinstädte zurückzu-
noch die Wohnfunktion. Genauso stellt sich die führen. infrastrukturelle Ausstattung anders dar als noch Nonconform ein Büro für Architektur, Planung und vor 30 Jahren. Die kleinen Einzelhandelsgeschäf- partizipative Raumentwicklung beschreibt diesen te, zumeist inhabergeführt, wurden zu großen Effekt so: Teilen durch am Ortsrand gelegene Supermarkt- „Seit Jahren kämpfen unsere Städte und Dörfer ketten und Discounter ersetzt. In der heutigen Zeit
mit dem Phänomen der aussterbenden Ortskerne.
belastet vor allem der demografische Wandel die
Vor den Türen der Gemeinden werden Einkaufs-
ländlichen Räume, aber auch die meist knappen zentren und Wohnsiedlungen angelegt, die alten finanziellen Ressourcen sowie die Abwanderung Ortskerne verstummen. Im schlimmsten Fall entjunger Menschen, die in die Ballungsräumen zie- steht durch die fehlenden Aktivitäten Leerstand hen, um dort zu studieren oder zu arbeiten und
in ehemals lebendigen Zentren. Man spricht vom
aufgrund von fehlenden Arbeitsplatzangeboten Donut-Effekt und der frisst die Ortskerne leer. Wenn auch keine Chancen sehen, ihren Beruf in ihrer es darum geht, ein Ortszentrum wachzuküssen, Heimatstadt ausüben zu können. So zeigt sich müssen nicht nur neue Aktivitäten ins Zentrum gein Kleinstädten meist ein Rückgang der Bevölke- bracht werden, sondern ist auch ein Perspektivenrungszahl und eine höher werdende Altersstruk- wechsel und langer Atem der politisch handelnden tur. Als ein Resultat davon stehen zunehmend
Personen notwendig. Der Ortskern muss wieder
Gewerbe- und Einzelhandelsflächen sowie Büro-
zu einem Testlabor für eine vitale Zukunft werden.
und Wohngebäude leer und harren oftmals erfolg- Wir müssen einen Krapfen-Effekt erzeugen und in los der Nachnutzung. Die Thematik der sichtbar das Loch in der Mitte unserer Orte müssen wieder steigenden Leerstände in den Ortsbildern gerät süße Marillenmarmelade und andere, innovative 10
Einblick
Füllungen kommen. Das Süßeste, die Fülle des
nen Probleme auf, sondern vor allem realisierungs-
Lebens, muss in die Mitte zurück.“1
würdige Lösungsvisionen. Die Kleinstadt befindet
Deswegen bedarf es gerade bei Kleinstädten in
sich im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis di-
peripheren Regionen, wo viele leere, kleine La-
rekt an der Landesgrenze zu Thüringen und liegt,
dengeschäfte das Ortsbild prägen, an Reaktionen
wie in der Abbildung zu sehen ist, fast im Mittel-
auf diese sich negativ auf das Image auswirkende
punkt von Deutschland. Durch die Vermarktung
Leerstände. Dass sich viele Büros, Gemeinden,
der leerstehenden Immobilien auf einem eigenen
Städte oder Forschungseinrichtungen mit den
Immobilienportal sowie auf Immobilienportalen
Themen Nachhaltige Stadtentwicklung oder Leer-
in den Niederlanden hat Wanfried schon länger
stand auf verschiedenen Ebenen befassen, lässt
erste Schritte unternommen, um den Leerstand
sich an zahlreichen Publikationen, Förderpro-
entgegenzuwirken. Zudem hat sich aus einer
grammen oder Tagungen, wie z.B. 2020 der Det-
Bürgerbewegung die Bürgergruppe für den Erhalt
molder Regionale Salon #12: Mehr als Provinz.
Wanfrieder Häuser gegründet, die sich mit viel En-
Besondere Stadtentwicklung in Klein- und Mittel-
gagement gegen den Leerstand sowie den Ver-
städten, erkennen.
fall der historischen Fachwerkhäuser einsetzt und
Viele Kleinstädte haben schon erste Schritte er-
zusammen mit Käufern Konzepte entwickelt, wie
griffen, um sich wieder zukunftsfähig zu gestalten.
die Häuser saniert werden können. Im Zuge des-
Manche Orte führen Leerstandskataster, um ei-
sen wurde eines der leerstehendes Gebäude in
nen Überblick über die derzeitige Leerstandssitu-
ein Fachwerkmusterhaus umgebaut, um Kaufin-
ation zu erlangen. Andere Kleinstädte haben ihre
teressenten vielfältige Möglichkeiten für eine fach-
komplette politische Zielrichtung auf die Innen-
gerechte Sanierung zu präsentieren. Das Land
entwicklung und die Bekämpfung der Leerstände
Hessen und der Bund beteiligten sich mit 73,16
ausgelegt und sogar eigene Förderprogramme
Prozent Förderung aus dem Programm Stadt-
eingerichtet. Doch immer wieder stellt sich die
umbau West.2 Trotz alledem zeigt sich gerade in
Frage „Welches sind erfolgreiche Wege, um mit
der Innenstadt durch eine Vielzahl an leerstehen-
den Leerständen umzugehen und wie sehen die
den Ladenlokalen, dass alleine eine verbesser-
Kleinstädte der Zukunft baulich aus?“
te Vermarktung die strukturellen Probleme einer
Die hier vorgestellten Extrakte aus einer koopera-
Kleinstadt in peripherer Lage nicht lösen kann.
tiven Masterthesis an der Hochschule für ange-
Es müssen Ideen entwickelt werden, wie eine
wandte Wisenschaft und Kunst (HAWK) in Hildes-
nachhaltige Stadtentwicklung aussehen könnte.
heim zeigen am Beispiel der Kleinstadt Wanfried
Ziel der hier vorgelegten Studie ist es, frische
in Hessen nicht nur die Folgen der vorbeschriebe-
Impulse und Ideen für die Entwicklung und Re-
1 2
https://www.nonconform.io/krapfeneffekt/ (letzter Abruf 03.09.2020). http://www.fachwerkfreunde.de/k2/4060-buergergruppe-wanfried-das-fachwerkmusterhaus (letzter Abruf 03.09.2020)
Einblick
11
vitalisierung der Stadt Wanfried zu erarbeiten und das im Zusammenspiel mit der Bürgerschaft und der Stadtverwaltung. Dabei soll ein Leitfaden entstehen, der die Problematiken aufgreift und gesamtübergreifende Lösungsansätze aufzeigt, die auch für andere Kleinstädte Impulse setzen. Die Erkenntnisse der Masterthesis fußen auf den Erfahrungen aktueller Experimentierfelder, die von den Autoren
studiert, diskutiert und reflektiert
wurden. Dazu gehört auch eine Bereisung der Schwerpunkte der Internationalen Bauausstellung IBA Thüringen mit dem Thema StadtLand, wie Teilnahmen an Fachtagungen zur nachhaltigen Stadtentwicklung von Klein- und Mittelstädten in Deutschland, ergänzt um das notwendige wissenschaftliche Studium zum Stand der Forschung sowie der Best Practices, welches in der hier vorgelegten Zusammenfassung der Extrakte nicht Gegenstand ist. Zudem wurde, um die Stadt und die Bürger besser kennenzulernen, eine Ideenwerkstatt 2040 veranstaltet, damit zusätzlich zu den persönlichen Eindrücken, auch die Meinungen, Wünsche und Ideen der Bürgerschaft mit in die hier vorgelegten Analysen einfließen können.
12
Einblick
IBA Thüringen
Ausstellung StadtLand – Ein Bericht
Wenn sich eine Internationale Bauausstellung StadtLand Potenzial greifbar machen (IBA) des Themas StadtLand annimmt, lässt sich Die Aktivierung historischer Standorte im länddie Problematik und Akutheit dieses Problems er- lichen Raum durch öffentliche Institutionen förahnen. Tatsächlich sind viele Regionen im länd- dert StadtLand-Beziehungen und ist dabei von lichen Raum von ähnlichen Problematiken und großer Bedeutung. Doch bevor Überlegungen Schwächen geplagt, doch die Lösungen sind so zur Wiedernutzbarmachung eingeleitet werden unterschiedlich wie die Menschen, die sich ihrer können, braucht es eine Übersicht des Leerannehmen. Was all die Gemeinden, die sich ak- standes. Das zeigt beispielhaft das Projekt tiv gegen Leerstand und Wegzug stellen, ge- LeerGut, deren sogenannte Agenten sich dem Ziel meinsam haben, sind motivierte und mitreißende verschrieben haben, die steingewordene Identität Persönlichkeiten. Diese Personen suchen in den zu dokumentieren und mit gebündeltem Wissen verschiedensten Gremien, Vereinen und Bürger- Initiativen zur Leerstandsaktivierung zu untergruppen nach Lösungen und Maßnahmen zur Be- stützen. Gleichzeitig wollen die LeerGut Agenten wahrung der Heimat. Denn darum geht es. Um die „Gesellschaft, Kommunalpolitik, Fachverbände Heimat der Menschen und das, was einen Groß- und die Bauwirtschaft für den Wert der Ressource teil von Deutschland prägt – die kleinstädtischen LeerGut sensibilisieren.“2 bzw. ländlichen Strukturen und Räume. Diesen Dieser Initiative schließt sich das Wir Labor in Erfurt Akteuren und ihren Ideen gibt die seit 2012 mit Leben gefüllte IBA Thüringen eine Bühne, um zu Fragestellungen wie:
fast lückenlos an. Hier entsteht ein Hausprojekt für Integration und Inklusion. Das gemeinsames Stadtmachen eine erfolgreiche
„Wie begegnen wir demographischer Schrump- Strategie für die Aneignung und das Ankommen in fung? [...] Wie gestalten wir eine lebenswerte Zu- einer neuen Region sein kann, zeigt das Wir Labor kunft in der Provinz?“1 in eindrucksvoller Weise. Es wird „damit nicht nur breit gefächerte Lösungsansätze zu präsentieren zu einem Testfall für eine inklusive Gemeinschaft, und zur bereits entbrannten Diskussion beizu- sondern auch zu einem Reallabor für einen expetragen. Wie dringend diese Debatte geführt wer- rimentellen Bestandsumbau.“3 Einen ähnlichen den muss, zeigt die Anzahl und der Zulauf der Ansatz verfolgen die Akteure in Saalfeld. Das Prounterschiedlichen IBA-Standorte im kleinen Bun- jekt zeigt einen gemeinsamen Umbau einer alten desland Thüringen – 25 Standorte und mehr als Kaserne, abseits des Ortskernes, zu einem 43.000 Veranstaltungsgäste seit 2012. 1 2 3
Werkhaus als Treff- und Begegnungspunkt für
Doehler-Bezhadi,M (2019): STADTLAND Magazin zur Zwischenpräsentation der IBA Thüringen, Ausgabe 5, S. 1. Wrobel,E (2019): STADTLAND Magazin zur Zwischenpräsentation der IBA Thüringen, Ausgabe 5, S. 50 . Ebd. S. 54.
IBA
13
Flüchtlinge und Anwohner. Hanka Giller sagt über Ein weiterer wichtiger Ankerpunkt für die Archidas Projekt, dass sie „gemeinsam ein Werkhaus tektur im ländlichen Raum beschreibt der Begriff bauen, das auf den Ideen der Menschen beruht, Baukultur. In vielen Orten „dominieren Fertigdie es nutzen.“4 Andrea Hoffmann, IBA Fachbei- hausindustrie und Baumarktcharme das Erscheirat, findet sogar, dass die „Bedürfnisse und Fähig- nungsbild des ländlichen Raumes“8 bemängelt keiten der Bewohner mit ihren vielfältigen Hinter- die IBA. Zusammen mit weiteren selbsternannten gründen Ausgangspunkt für eine nachhaltige und Landarchitekten hat das Architekturbüro Gründer integrative Entwicklung eines Quartiers in Rand- Kirfel aus Bedheim ein Netzwerk organisiert, das lage“5 stehen. sich wieder mehr der Praxis des Selberbauens Welches Potenzial die Einbeziehung des Bürger- zuwendet. Dabei zeigt das Büro am eigenen Beitums birgt, zeigt ein weiteres Projekt. In Gera sind spiel, wie dieser Ansatz umsetzbar ist. mitten im Stadtzentrum 2,5ha Freifläche durch den Das gesammelte Wissen zu den Projekten wird Geraer Verein Ja–für Gera neu entwickelt worden. „Das Projekt ist ein Musterbeispiel für das Engagement und die Professionalität von Akteuren und Organisationen der Stadtgesellschaft“6 fasst Uli Hellweg, IBA Fachbeirat, zusammen. Das so ein Engagement nicht nur im Großen, sondern auch im kleinen Kontext Anwendung finden kann, zeigt die StadtLandSchule in Weimar. Das IBA Vorhaben setzt am Investitionsrückstand von Schulen in Deutschland an und untersucht zusammen mit der Stadt Weimar, Lehrenden, Eltern und Schülern Bedürfnisse, Erwartungen sowie bauliche Entwicklungen. Die entwickelten Lösungsansätze werden in einem Open-Source Baukasten veröffentlicht, wodurch Schulen mit ähnlichen
Interessierten als Open-Source Bausatz zur Verfügung gestellt – wie einst Handwerkskunst über die Generationen weitergegeben wurde. „Die Zukunft des Selberbauens in StadtLand: Bestandsorientiert, denkmalgerecht und zeitgenössisch, typologisch genau, konstruktiv logisch und reduziert, kostengünstig, kollektiv und selbstbestimmt, open source“9 dokumentiert Prof. Andreas Wolf das Projekt und seine Haltung. Am Beispiel vom Projekt Baukultur und Tourismus: Kleine Urlaubsarchitekturen am größten Stausee Deutschlands, der Bleilochtalsperre, zeigt das Architekturbüro
Problemen sich dieses Wissen zunutze machen
Petermann (IBA) merkt an „dass es in einer sehr
können. „Mit der Qualität der Schulen entscheiden sich die Chancen zukünftiger Generationen“ merkt Dr. Julian Petrin an. In all den Projekten zeigt sich der Geist der IBA, „replizierbare Modelle zu
grundsätzlichen Art und Weise das Thema Nachhaltigkeit und Baukultur behandelt und eine echte Perspektive für einen Tourismus des 21. Jahrhunderts liefert.“10
Voigt aus Leipzig, dass mithilfe von neuartigen Ideen und derer qualitätvollen Umsetzung die regionale Wirtschaft gestärkt werden kann. Stephan
relevanten Zukunftsfragen zu schaffen.“7
4 5 6 7 8 9 10
14
IBA
Wrobel,E (2019): STADTLAND Magazin zur Zwischenpräsentation der IBA Thüringen, Ausgabe 5, S. 58. Ebd. S. 56. Ebd. S. 64. Ebd. S. 83. Ebd. S. 105. Ebd. S. 104. Ebd. S. 106.
Innovation schafft Aufmerksamkeit Wie vielschichtig Innovation sein kann, zeigt sich anhand der ev. Michaeliskirche in Neustadt am Rennsteig. Die treibenden Kräfte, Horst Brettel
Doehler-Behzadi: „Der Prozess der IBA Thüringen ist der Nachhaltigkeit verpflichtet, die Projekte sollen über den IBA Zeitraum hinauswirken, das
wollen wir erreichen durch ein kooperatives Mit(Kirchengemeinderat) und der Architekt Hannes einander, einen wertschätzenden Umgang mit Langguth, verstehen ihren Umbau einer leerste- dem Bestehenden und eine regionale Baukultur. henden Kirche zu einer Her(r)bergskirche als Tür- IBA Ideen haben konkrete Standorte und Austraöffner für eine ganze Region. „Wir wollten bewusst gungsorte gefunden, Standorte haben Akteure provozieren und die Menschen im Ort dafür sen- gefunden, Akteure haben Qualitäten definiert.“15 sibilisieren, dass die geringe Nutzung der Kirche Die Vielfalt der ausgestellten Projekte und seiner ein Problem der gesamten Gemeinschaft ist“11 so Akteure gibt ihr Recht. Brettel. In Kooperation mit der Gesellschaft und jungen Architekten aus anderen Städten entwickelte sich die Idee zur ersten Her(r)bergskirche, die seitdem den Ort belebt. Brettel formuliert das Ziel, „dass wir noch viele weitere Partner in der Region finden, die ihre Kirchen als Übernachtungsort oder Begegnungsstätte ausbauen, sodass wir […] voneinander lernen können.“ 12 Resümee Als Zwischenfazit formuliert Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow: „In Thüringen erleben wir jetzt zum ersten Mal seit der Wende wieder einen Heimatbezug der positiven Art, die überwältigende Mehrheit der Menschen sagt: Nein, wir wollen hier nicht weggehen, wir fühlen uns hier zuhause.“13 Dazu ergänzend formuliert Elke Bergt, Leiterin des Baureferats der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland: „Die Menschen müssen selbst gestalten dürfen und mitentscheiden, denn nur so werden sie Projekte wirklich zu ihren eigenen machen.“14 Als Ziel und Ausblick in die Zukunft kommentiert die Geschäftsführerin Dr. Marta
11 Wrobel,E (2019): STADTLAND Magazin zur Zwischenpräsentation der IBA Thüringen, Ausgabe 5, S. 47. 12 Ebd. 13 Ebd. S. 6. 14 Ebd. S. 41. 15 Ebd. S. 13.
IBA
15
Baukultur und neue Lebenswelten als Motor für kleine Städte. Hochschule und Bauverwaltung im Dialog. Birgit Franz und Friedhelm Meyer
Die Ausarbeitung KLEIN.STATT.GROSS – Wanfried
Zusammenschluss von Vereinen, Genossenschaften
erfindet sich neu von Mario Gellrich, Patrick Kellner,
und Initiativen im Raum Südniedersachsen, Nordhes-
Johanna Klumpe und Arne Meyer entstand in der
sen und Ostthüringen und der HAWK fand sich erst-
Vernetzung von vier Abschlussarbeiten im Masterstudi-
mals 2015 in Wanfried zusammen, um gemeinsam
engang Architektur an der Hochschule für angewand-
stärker zu werden.
te Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/
Die nachfolgende Einführung in die Impulse und Visio-
Göttingen (HAWK). Die kreative Auseinandersetzung
nen für Wanfried dient der Einordnung der Überlegun-
mit dem Strukturwandel in Kleinstädten und Dörfern
gen in den gesamtgesellschaftlichen Kontext Baukul-
ist dort im Hauptfach Bauen im Bestand / Baudenk-
tur machen WIR.3 Baukultur, das Zusammenspiel von
malpflege ein Schwerpunkt. Der Fokus schweift dabei
Bewahren des Schützenswerten und von Gestalten
sowohl in die Ferne, wie nach Südtirol und in den Bre-
der gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen
genzer Wald, als auch in die Nähe: nach Südnieder-
Weiterentwicklungen, wird auch für ländliche Räume
sachsen, hier gerne nach Hann. Münden und Duder-
und Kleinstädte als Motor verstanden.4
stadt. Und auch jene Kleinstädte, die zum von Diana
Die Digitalisierung, die Automatisierung und die all-
Wetzestein angeregten BürgerWerk gehören, werden
umfassende Vernetzung transformieren die bisherige
beleuchtet. Dieser freiwillige (gesetzlich ungeregelte)
Organisation der Arbeitswelten und verschieben folg-
1
16
2
lich die derzeitigen Lebensmodelle. In Teilbereichen
Gemeinschaft.6 Und in der ehemaligen Papierfabrik
haben sich die üblichen lokalen Einzelhandelsforma-
Hoffmann und Engelmann7 im Ortsteil Schöntal zieht
te und die Trennung von Arbeits- und Wohnort bereits
in Kürze Kultur und Gastronomie ein, während der
jetzt überholt. Die jüngsten Erfahrungen während der
Außenbereich mit seinen Palmen, S(tr)andflächen und
Covid-19-Pandemie zeigen zudem, dass der standort-
Liegestühlen unter dem Label Klein Kuba bereits er-
abhängige Individualverkehr schlagartig reduzierbar
öffnen konnte. All dieses sind Angebote wie man sie
ist und stattdessen die bestehende digitale Mobilität
bislang in Großstädten gesucht und auch gefunden
verstärkt genutzt wird – und dieses auch in ländlichen
hat. Nicht zuletzt sehen die weltweit vernetzten Ma-
Räumen.
cher der ortsansässigen Agentur Screenday, für die
Aktuell ist mancherorts gar vom Ausverkauf des Lan-
der 3D-Bereich der Weg in die Firmenzukunft ist, viel
des rund um die Metropolregionen die Rede, da Groß-
Potential, um eine innovative Industrie auch in Neu-
städter die ländlichen Räume nicht länger nur touris-
stadt anzusiedeln.8 An prosperierenden Konzepten zu
tisch zum Zwecke der Erholung nachfragen, sondern
CoWorking-Spaces wird schon gearbeitet, unterstützt
teilweise die großen Städte verlassen wollen, ohne ihre
von der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Neustadt
Lebenswelten als solche hinter sich zu lassen. Derzeit
an der Weinstraße mbh (WEG), der Neustadter Will-
ist es u.a. der Megatrend New Work (Neues Arbeiten),
komm Gemeinschaft e.V. und der Stadtverwaltung.
mit dem die Sinnfrage der epochalen Umbrüche und
Den Pendlern in die Metropolregion Ludwigshafen und
die damit einhergehenden Chancen beleuchtet wer-
Mannheim wird somit eine nachhaltige Alternative er-
den. Verstärkt wird die Potentialentfaltung des Einzel-
öffnet.9
nen wie auch der Gruppen in den Mittelpunkt gerückt.
Diese Entwicklungen sind dynamisch: auch in me-
Die bisherige rationale Leistungsgesellschaft soll nach
tropolfernen Regionen sind viele Kleinstädte zu-
Möglichkeit durch eine gelungene Symbiose von Le-
kunftsorientiert unterwegs. In der südniedersäch-
ben und Arbeiten ersetzt werden, frei nach dem Mot-
sischen
to: Wir leben nicht nur, um zu arbeiten und wir arbeiten
strukturschwachen Gebiet nahe der Landesgrenze
nicht nur, um zu leben. Die diskutierten Möglichkeits-
zum Freistaat Thüringen, wurde mit dem Ziel, die
räume eröffnen nicht zuletzt auch den metropolfernen
Stadt in Bewegung zu bringen, ein zivilgesellschaftlich
Mittelzentren, Kleinstädten und Dörfern – neben dem
aufgestellter Masterplan 2020 initiiert. Der im Selbst-
oftmals wesentlichen (sofern gegeben) Standbein
verständnis eines Patronats vom lokalen Unterneh-
Tourismus – die Entwicklung einer neuen Kreativ-Sze-
mer und geschäftsführenden Gesellschafter der Ot-
ne und Kreativ-Ökonomie sowie der zugehörigen Le-
to-Bock-Firmengruppe,
benswelten.
angestoßene und zunächst bis 2013 – erklärtermaßen
Schon längst haben aktive Mittelzentren an Attraktivi-
falls erforderlich auch bis 2040 – finanzierte Stadtent-
tät gewonnen und dienen als Anker im zugehörigen
wicklungsprozess wurde von einem interdisziplinären
Verflechtungsraum, beispielsweise das Mittelzentrum
Team der HAWK gestaltet und begleitet. Ein erster Mei-
Neustadt an der Weinstraße als Teil der Metropolre-
lenstein war die 2011 reich bebilderte Dokumentation
gion Rhein-Neckar. Derzeit werden auch hier Industrie-
der Prozessstrukturierung.10 2012 folgten miteinander
brachen aus dem Dornröschenschlaf der Lost-Places
korrespondierende Motivations- und Informationsbro-
geweckt. So beherbergt die aus bautechnischer Sicht
schüren zur sinnlichen Erfahrbarkeit von Fachwerk-
frühe Eisenbetonhalle der Internationalen Baumaschi-
architektur und Altstadtleben11 sowie zur Finanzierung
nen-Fabrik Aktiengesellschaft (IBAG) aus dem Jahre
von eigenen Immobilien.12
1910 seit kurzem ein neues (noch nicht ganz fertig-
Ohne finanzielles Startkapital begründete die rund
gestelltes) Wohnquartier mit einer rund 800 Quadrat-
eine Autostunde weiter westlich gelegene Fachwerk-
meter großen, überdachten Plaza als Herzstück für die
stadt Hann. Münden die Initiative Häuser ab eine DM,
5
Fachwerkstadt
Duderstadt,
Hans
Georg
gelegen
Näder,
im
2009
17