Sammellust

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Sammellust Eine Einführung in das Sammeln von Porzellan aus FÜRSTENBERG


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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar ISBN 978-3-940751-29-4 © Copyright bei den Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der vorgenannten Rechteinhaber reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. © der Abbildungen bei den jeweiligen Bildgebern Titelabbildung: „Asia, Africa mit dem Löwen“ aus der Folge „Die 4 Theile der Welt“ von Anton Carl Luplau, Modell Nr. 251, Fürstenberg nach 1775. Freundeskreis Fürstenberger Porzellan (andere Ansicht: s.o.), Dauerleihgabe im Museum im Schloss der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG.

Verlag Jörg Mitzkat Holzminden, 2011 www.mitzkat.de


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Thomas Krueger (Hg.)

Sammellust Eine Einführung in das Sammeln von Porzellan aus FÜRSTENBERG Mit Beiträgen von Bernhard von Barsewisch, Oliver Baustian, I. B., Thomas Engelke, Hans Dieter Flach, Holger Fischer, Thomas Krueger, Ulf Stein, Jens Storre und Max-Michael Viol. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Museum im Schloss der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG, 11.12.2010 - 3.4.2011. Holzminden, Verlag Jörg Mitzkat, 2011 Schriften zur Geschichte des Fürstenberger Porzellans 3, hrsgg. vom Freundeskreis Fürstenberger Porzellan e.V.


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Inhalt

Inhaltsverzeichnis Monika Fricke-Klengel

Vorwort

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Thomas Krueger

Einführung

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Jens Storre

Fürstenberger Porzellan – Die Faszination geschichtlicher Hintergründe am Beispiel der Figuren und ausgewählter Porzellane

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Max-Michael Viol

Sammeln und Sammler

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Hans Dieter Flach

Ein Fürstenberger Landschaftsservice von Andreas Philipp Oettner (1735-1792) mit Vergleichen seiner Landschaften aus anderen Manufakturen

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Bernhard v. Barsewisch

Die Sammelwut für Blaumalerei und wie es dazu kam

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Oliver Baustian

„Le style Empire“ an der Weser - Tassenformen und Dekore 1800-1830

51

I.B.

F 19 – Produktionslinie einer Fürstenberger Tassenform des frühen 19. Jahrhunderts

63

Thomas Engelke

Vom Glück des Sammelns - Fürstenberger Porzellan des 20. Jahrhunderts

73

Holger Fischer

Fürstenberg - der Schönheit verpflichtet

79

Ulf Stein

Die Form „F“ von Ernst August Sundermann – Eine Sammelleidenschaft

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Thomas Krueger

Die Geschichte und das Sammeln von Porzellan aus FÜRSTENBERG – Eine Einführung

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Vorwort

Vorwort

des Fürstenberger Porzellans und der Geschichte der Porzellanmanufaktur Fürstenberg, die öffentliche Verbreitung des Wissens darüber, die Anregung der Sammlertätigkeit und die Unterstützung von Museen bei der Ausstellung, Erhaltung und Ergänzung der Bestände an Fürstenberger Porzellan.“ Ich freue mich, dass diese vom Freundeskreis initiierte Ausstellung bei Sammlern eine so positive Resonanz ausgelöst hat. Etliche Sammler lernten sich durch den Freundeskreis und dieses Projekt kennen und pflegen nun einen intensiven Austausch. Hinter allen Ausstellungsstücken verbergen sich Geschichten, die in dieser Veröffentlichung zusammengefasst sind. Es ist immer wieder eine angenehme Pflicht, in einem Vorwort all denen Dank auszusprechen, die am Gelingen des vorzustellenden Projektes tatkräftig mitgewirkt haben. Da ist zunächst der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG zu danken, die ihre Räume für die Ausstellung geöffnet, auch sonst ein offenes Ohr für die Freunde und Sammler Fürstenberger Porzellans hat und sie bereitwillig mit Rat und Tat unterstützt. Die Manufaktur und ihre Geschäftsführung ermöglichen schließlich dem Leiter des Museums im Schloss, Thomas Krueger, stets mit großer fachlicher Kompetenz, persönlichem Einsatz und hohem Qualitätsanspruch den Porzellanliebhabern und Sammlern im Freundeskreis zur Seite zu stehen. Und nicht zuletzt hat der Verlag Jörg Mitzkat in bewährter Weise für eine ansprechende Gestaltung des Buches gesorgt. Schließlich sei noch einmal allen Sammlern, die ihre Vitrinen und Schränke geöffnet und sich vorübergehend von einigen ihrer Schätze getrennt haben, ebenso herzlich gedankt wie allen Autoren, die teilweise zum ersten Mal für die Öffentlichkeit über ihre Sammellust berichtet haben! Möglich geworden ist die Verwirklichung dieses Buches durch die Hilfe des „Freundeskreis Fürstenberger Porzellan e.V.“, denn ohne eine finanzielle Unterstützung wäre ein solches Werk zu einem angemessenen Preis nicht zu erstellen. Deshalb braucht der Freundeskreis Unterstützung. Dieser kulturellen Hilfe sollte sich niemand verschließen. Selbst wer nicht aktiv von der Sammellust befallen ist, kann hier ihre Früchte genießen.

or gut fünf Jahren trafen sich in Fürstenberg elf Damen und Herren im Schloss der Porzellanmanufaktur. Sie alle hatten etwas gemeinsam: Die Liebe zum seit 1747 traditionell handgefertigten Porzellan aus der Manufaktur Fürstenberg. Am 5. November 2005 gründeten sie einen Verein zur Förderung und Unterstützung der wissenschaftlichen Erforschung des Fürstenberger Porzellans, den „Freundeskreis Fürstenberger Porzellan e.V.“ Sie wollten ihrer Leidenschaft ein Forum geben, auf dem sie die Freude am Fürstenberger Porzellan mit anderen teilen können. Die Ausstellung „Sammellust - Die schönsten Fürstenberger Porzellane aus Privatsammlungen“ wurde im Winter 2010/2011 mit dem Museum im Schloss der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG konzipiert und dort gezeigt. Die Ausstellung und deren Dokumentation durch dieses Begleitbuch sind also ein kleines Geburtstagsgeschenk des „Freundeskreis Fürstenberger Porzellan e.V.“ an sich selbst und an die Öffentlichkeit. In den vergangenen Jahren haben wir stets an der Verwirklichung unserer uns selbst gesteckten Ziele gearbeitet. Bereits im ersten Jahr begründeten wir die Reihe „Schriften zur Geschichte des Fürstenberger Porzellans“, in der dieses Buch als dritter Band erscheint. Wir haben Ausstellungen begleitet, die Publikation von Forschungsergebnissen gefördert und uns selbst bei Exkursionen und Ausstellungsbesuchen fortgebildet. Eines unserer Ziele ist, die teilweise nur noch als Einzelstücke existierenden Werke zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So ziert den Titel des Buches eine Figurengruppe, die der Freundeskreis erwarb und dem Museum im Schloss als Leihgabe zur Verfügung stellte, da es bis dahin lediglich das Gegenstück, die Gruppe „America und Europa“ besaß. Diese willkommene Ergänzung kann nun die Museumsbesucher erfreuen. Buch und Ausstellung dokumentieren den vielleicht wichtigsten Aspekt unserer Anstrengungen, „den Zusammenschluss der Freunde und Sammler Fürstenberger Porzellans“, wie es in unserer Satzung heißt, denn der „Zweck des Freundeskreis Fürstenberger Porzellan e.V. ist die ideelle und materielle Förderung von Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur

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Fürstenberg, im Januar 2011 Dr. Monika Fricke-Klengel Vorsitzende des Freundeskreis Fürstenberger Porzellan e.V. 5


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EinfĂźhrung

von Thomas Krueger


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Einführung

ie Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG gehört zu den ältesten Porzellanmanufakturen in Europa. Seit 1747 wird hier inmitten der idyllischen Berglandschaft an der Oberweser Porzellan hergestellt: Feinstes fürstliches Porzellan im 18. Jahrhundert, gutbürgerliches Sonntagsgeschirr im 19. und 20. Jahrhundert - und heute wieder perfektes Manufakturporzellan, das mit seinem reinweißen Scherben der ästhetisch wie technisch anspruchsvollen Gestaltungen wieder dabei ist, das Premiumsegment zu erobern. International gewinnen sowohl die klassischen Formen von Wilhelm Wagenfeld oder Siegfried Möller als auch die modernen Gestaltungen von Kap-Sun Hwang, Hans Kollhoff und Carlo Dal Bianco ebenso wie die solitären Kristallglasuren aus FÜRSTENBERG immer mehr Liebhaber im privaten Bereich wie in der Gourmetgastronomie. Auch der historische Formenbestand wird weiter sorgsam gepflegt. Die wechselvolle Geschichte der Manufaktur sah neben der Produktion gefälliger Artikel für den breiten Markt auch immer wieder innovative Gestaltungen. Viele der interessanten Figuren der 1750er und 1760er Jahre, die Büsten in Biskuitporzellan und die zahlreichen Vasenmodelle der Blütejahre im Zeitalter des Klassizismus und die glanzvollen Kreationen des Empire finden sich in den Museen. … Doch trotz dieser Eloge, die Liebhaber des Fürstenberger Porzellans mit einigem Recht anstimmen können, schrieb das „Handelsblatt“ im August 2010 in einem großen Artikel über den Kunstmarkt: „Beim Kunstgewerbe gibt es Unterbewertungen, die zum Teil mit Geschmackswandel, zum Teil mit verlorenem Wissen erklärbar sind. […] Ganz am Ende der Marktskala steht neben Fulda und Gotha noch immer unverdient das […] Porzellan aus Fürstenberg“.* Das entspricht ganz den Erfahrungen des Autors dieser Zeilen, der sich seit nun zehn Jahren hauptberuflich mit dem Porzellan von der Oberweser befassen darf. Der Geschmackswandel ist sicherlich ein wichtiger Grund, Porzellan trifft nicht mehr auf so großes Interesse, seit es zur billigen Massenware mutierte. Die ja nach wie vor bestehende Porzellanmanufaktur Fürstenberg hat in den vergangenen Jahrzehnten ihren Namen verloren, wohl weil sie nicht gegen den Massenstrom anzuarbeiten vermochte. Lange nannte man sich noch aus dem 19. Jahrhundert kommend ‘Porzellanfabrik’

und nicht unumstritten war für Fürstenberg die Wiederbelebung des Begriffs Porzellanmanufaktur. So ist mit dem Namen FÜRSTENBERG noch sehr die Vorstellung von ‘Omas Sonntagsgeschirr’ verbunden, während das Wissen sowohl über das alte Fürstenberg des 18. Jahrhundert wie über die modernen und innovativen Gestaltungen auch der vergangenen Jahrzehnte verloren gegangen ist. Noch in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren hatte Fürstenberger Porzellan seinen Platz in großen Sammlungen gefunden, beispielhaft seien die dokumentierten Sammlungen Ducret, Edeling und Reichmann genannt. Allerdings beschäftigten sie sich allein mit der Blütezeit des Porzellans, dem 18. Jahrhundert, wie auch das Gros der immer älter werdenden Porzellansammler anderer Manufakturen - und in der Folge auch der klassische Kunsthandel. Die Zeit der großen Fürstenberger Sammler scheint vorbei zu sein, die alten sind verstorben, ihre Sammlungen im Museum (Reichmann) oder im Kunsthandel. Das Porzellan des Industriezeitalters überließ man - bis auf wenige Ausnahmen - dem Trödel. Das liegt sicherlich auch an einem Missverständnis, denn die wenigsten Porzellanobjekte sind hochkünstlerische Unikate. Porzellan war und ist in erster Linie ein arbeitsteilig und seriell produzierter Gebrauchsgegenstand, der sich vom „Königstraum zur Massenware“ entwickelt hat, stets allerdings auch mit dem Anspruch einer ästhetisch-künstlerischen Gestaltung oder, um einen etwas aus der Mode gekommenen Begriff zu wählen Kunst - Gewerbe.* So fanden die brillanten Lüster- und anderen Dekore der Fürstenberger Kunstabteilung im Jugendstil und Art déco bislang kein Interesse; die modernen Gestaltungen von Siegfried Möller und Ernst August Sundermann sind heute nur wenigen noch vertraut, weitgehend unbekannt und vergessen. Zwar hat die beharrliche Museums- und Forschungsarbeit von Beatrix von Wolff Metternich am Museum im Schloss der Porzellanmanufaktur auch dem jüngeren Fürstenberger Porzellan zu ihrem Recht verholfen, indem sie in Ausstellungen und Publikationen immer darauf verwiesen hat. Doch leider musste die Veröffentlichung ihrer Gesamtschau über die Manufaktur-

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* Handelsblatt, 20./21.8.2010, S. 60.

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* Dem Verf. ist der Begriff der „angewandten Kunst“, wie er sich nach Umtaufungen zunehmend in Museumsnamen wiederfindet, verfehlt und modisch. Der Warencharakter zumindest des Porzellans, das nicht von individuellen Künstlern in der Töpferwerkstatt oder im Studio entsteht, wird damit fälschlicherweise kaschiert. Und ob ein „designter“ Plastikmülleimer aus einem ostasiatischen Sweatshop „angewandte Kunst“ sein kann, sei dahingestellt. Der Kunstbegriff wird hier genauso beliebig wie der mittlerweile inflationäre Design-Begriff.


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Thomas Krueger

geschichte mit den ersten beiden Teilbänden 2004 unvollendet bleiben. Die Fortsetzung bis zur Gegenwart wird trotz vieler Manuskriptseiten sicher noch einige Jahre auf sich warten lassen müssen. Doch jüngere Sammler sind nachgekommen, die ihre ersten Sammelerfahrungen auf dem Trödel, insbesondere aber im weltweiten Datennetz gemacht haben: „Ebay“ ist das Schlüsselwort. Aus der Flut von E-Mail-Anfragen, die das Museum im Schloss zur Bestimmung von Porzellan seit Jahren tagtäglich erreichen, ragten unter den Massen von Trödelanfragen: Was ist das, welchen Wert hat es, wo kann ich es verkaufen? immer wieder einige der Sammler heraus, die sich hier zusammengefunden haben. Diese kleine Sammlerschaft trifft sich nun im Freundeskreis Fürstenberger Porzellan und stellt mit der Ausstellung und dem gleichnamigen Buch ihre Leidenschaft vor. - Aber auch andere Sammler konnten gewonnen werden. Nicht alle Interessenten konnten berücksichtigt werden, denn es sollte ein möglichst repräsentativer Querschnitt der gesamten Manufakturgeschichte vorgestellt werden. Das ließ sich Einlösen und es kristallisierten sich sogar Schwerpunkte bei den interessantesten Epochen der Manufakturgeschichte heraus, ohne dass auf die Texte Einfluss genommen wurde. Auch erzählerisch ergänzen sich die Aufsätze: Jede der in der Chronologie vorgestellten Epochen wird sowohl durch Sachtexte, die auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, als auch durch essayistische, ja emphatische und sehr persönliche Texte repräsentiert. Jens Storre beschäftigt sich in seiner Sammlung mit der Figurenproduktion Fürstenbergs, einem vor allem im 18. Jahrhundert wichtigen Zweig aller Porzellanmanufakturen. Fürstenberg gehörte zwar nicht zu den großen Figurenherstellern, hat aber dennoch bedeutsame Gestaltungen geschaffen. Viele Modelle sind jedoch nur archivalisch überliefert, so dass noch immer viele Neuentdeckungen zu verzeichnen sind. Storre zeigt in seinem Beitrag, wie durch beharrliche Sammeltätigkeit und akribische Beschäftigung auch mit unscheinbaren Details alte Fragen geklärt, aber auch neue Fragen entstehen können. Max-Michael Viol erzählt sehr persönlich, wie er zu seiner Porzellanbegeisterung und zum frühen Fürstenberger Porzellan

gekommen ist. Hier entwickelt sich eine Sammlung, die die Vielfalt der frühen Produktion der 1750er und 1760er Jahre repräsentiert und später vielleicht einmal mit der Reichmann’schen vergleichbar sein wird. Storres und Viols Sammlungen sind fast ausschließlich über Internet-Auktionen („Ebay“) zusammengetragen worden und ergänzen sich überdies in idealer Weise. Zur Dokumentation des Glanzstückes seiner Sammlung, dem von Andreas Philipp Oettner bemalten Service gewann Max-Michael Viol in Hans Dieter Flach einen versierten Sammler, der sich seit Jahrzehnten mit Ludwigsburger Porzellan befasst und als einer der besten Kenner dieser Manufaktur gilt. Er hatte den Maler Oettner über dessen Ludwigsburger Tätigkeit kennen gelernt und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit seiner künstlerischen Biographie, die ihn einst auch nach Fürstenberg führte. Mit der Sammlung v. Barsewisch repräsentiert sich die wohl größte Sammlung unterglasurblauen Porzellans, die auch hervorragende Beispiele von Blaumalerei auf Fürstenberger Porzellan umfasst. Die Begegnung mit dieser Sammlung, Resultat von Kindheitserinnerungen und einem großen krachenden Unglück, klärte bei Max-Michael Viol viele Fragen, die er an einen seiner Teller hatte. Oliver Baustian steht ganz am Anfang seiner Sammellust. Er hat sich aber bereits so intensiv mit seinem Sujet, den Porzellanen, die unter dem Direktorat von Victor Louis Gerverot in der Zeit des Empire um 1800 entstanden waren, beschäftigt, dass sein Beitrag ein wichtiger Baustein zur Geschichte der Manufaktur geworden ist. Hier zeigt sich, wie privates Sammeln und die intensive Beschäftigung mit der Sammlung bereits nach wenigen Jahren zu wichtigen Forschungsbeiträgen führen kann. Ergänzt wird Baustians Beitrag durch die Vorstellung eines einzigen, des um 1805 eingeführten Tassenmodells Nr. 19. Ihr allein hat sich eine Sammlung verschrieben, die gern anonym bleiben möchte, weil sich im Hause noch so viele andere Sammlungen befinden. Thomas Engelke ist seit gut zwanzig Jahren dem Fürstenberger Porzellan verfallen. Sein Schwerpunkt galt zunächst den Produkten mit edlen und aufwendigen Dekorationen des Art déco. Die Sammlung erweiterte sich auf das Fürstenberger Porzellan des gesamten 20. Jahrhunderts, beispielsweise mit den Gestaltungen Siegfried Möllers. Engelkes Beitrag gibt einen kleinen 8


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Einführung

Vorgeschmack auf seine große Monografie über die Sammlung, die eine wichtige Pionierarbeit zu werden verspricht. Holger Fischer verfolgt eine andere Sammelstrategie: Hier verbindet sich die Sammelleidenschaft mit der Passion für das Schöne; Schönheit, die der Sammler vor allem in den opulenten Dekorationen der Fürstenberger Produkten des Art déco findet. Hier geht es um die emotionale Freude am Leben mit schönem Porzellan, das gern auch seiner Bestimmung gemäß gebraucht wird: Auch das kann und soll Sammeln bedeuten. Als gelerntem Designer gefiel Ulf Stein die gestalterische Qualität der Form „F“, 1971 vom wieder zu entdeckenden Fürstenberger Designer Ernst August Sundermann gestaltet, und die damals zeitgemäße Farbgebung der unterschiedlichen Dekore. Stein sucht und sammelt im Internet alle verfügbaren Dekorvarianten dieser Geschirrform, auch Sonderdekore, wobei er sich aus Platzgründen bereits beschränken muss… In der Ausstellung, jedoch nicht textlich vertreten, war die Sammlung von Werner Klausch, der sich Gedenkmedaillen, Medaillons und Münzen aus Fürstenberger Porzellan widmet. Ausgangs des 18. Jahrhunderts wurden von der Manufaktur vor allem in Biskuitporzellan neben Büsten auch Medaillons produziert. Die alten Modelle werden zu besonderen Anlässen immer wieder einmal neu ausgeformt und es entstehen auch neue Modelle, so dass sich hier ein eigens Sammelgebiet entwickelt hat. Eines zeigen die Beiträge gewiss: In ihrer über 264-jährigen Geschichte hat Fürstenberg so viele unterschiedliche Porzellane hergestellt, dass es unmöglich ist, sie alle umfänglich darzustellen. Ein immer wieder nachgefragter „Gesamtkatalog“ aller je hergestellter Formen und Dekore würde mehrere Bearbeiter über Jahre beschäftigen und viele Bände bzw. eine riesige Datenbank mit Zehntausenden von Einträgen füllen.* Außerdem ist noch viel historische Forschungsarbeit zu leisten: Zwar sind die frühen Jahre der Manufaktur recht gut erforscht, wie aber die Beiträge von Flach und Storre zeigen, sind selbst hier noch viele Fragen offen. Erst seit etwa 40 Jahren beginnt sich langsam ein stärkeres Interesse auch an der jüngeren Manufakturgeschichte zu entwickeln. Die dazu notwendigen, erhaltenen Archivalien und Altakten wie der historische Formenbestand der Manufaktur sind jedoch noch nicht so aufbereitet, dass man einfach darauf zugreifen könnte. * Ein Beispiel: Ein „nur“ Kunst- und Zierporzellan aus knapp fünfzig Jahren umfassender Rosenthal-Katalog hat fünf Bände mit rund 1.500 Seiten, ist nach jahrelanger Arbeit zusammengetragen worden und hat trotzdem noch Lücken: Eleonore Pichelkastner: Rosenthal, Kunst- und Zierporzellan, 1897 - 1945, Gesamtausgabe in fünf Bänden, Wolnzach 2001.

So ist Sammeln immer auch ein Lernprozess. Mit jedem neuen Stücke lernt man etwas zu seinem Sammelgebiet dazu. Und so sind auch diese Darstellungen zwangsläufig vorläufig. Sie sollen vielmehr dazu anregen, sich intensiver mit der Geschichte der einzigen Porzellanmanufaktur Norddeutschlands und ihrer Produkte zu beschäftigen und zu weiteren Forschungen ermuntern. Wer durch die Lektüre der Aufsätze auf den Geschmack gekommen ist, dem soll der abschließende Beitrag einen ersten Zugang zur Beschäftigung mit dem Porzellan aus Fürstenberg eröffnen. Die Hinweise können dabei lediglich eine erste Hilfestellung geben und beanspruchen keine Vollständigkeit, denn auch nach zehn Jahren beruflicher Beschäftigung mit dem Porzellan aus Fürstenberg lernt man jeden Tag Neues hinzu oder korrigiert alte Einsichten - das macht die Sache ja so spannend! Der Ausstellungskurator und Herausgeber freut sich, dass das Werk mit großer Hilfe vollendet werden konnte. So ist zunächst dem Gesellschafter der Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG dafür zu danken, dass ihm auch die Bewahrung der großen Tradition des Unternehmens am Herzen liegt und es der Geschäftsführung ermöglicht, ein auch fachlich anerkanntes Museum zu betreiben, an dem neben der Vermittlungsarbeit des Produktes Porzellan auch Sammeln, Bewahren und Forschen ermöglicht wird. Dann gebührt der Geschäftsführung selbst großer Dank für das Verständnis für Forschung und wissenschaftlich fundierte Museumsarbeit sowie für die Gewährung der dafür notwendigen Zeit und die gestalterischen Freiheiten, die auch dieses Ausstellungsund Buchprojekt erst möglich machten. Die leihgebenden Sammler und Autoren haben dankenswerterweise generös und vertrauensvoll ihre Sammlungsstücke zur Verfügung gestellt und zudem pünktlich ihre Beiträge geliefert und bearbeitet. Im Freundeskreis Fürstenberger Porzellan fanden sie den Finanzier für das Projekt. Mein größter Dank gilt hier zum Schluss jedoch dem Verleger Jörg Mitzkat, der mit seiner Engelsgeduld es wieder einmal geschafft hat, ein schönes Buch fertigzustellen. - Alle Mängel aber, die sich bemerkbar machen sollten, sind dem Herausgeber geschuldet. Thomas Krueger Leiter Museum im Schloss Porzellanmanufaktur FÜRSTENBERG GmbH 9


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Fürstenberger Porzellan Die Faszination geschichtlicher Hintergründe am Beispiel der Figuren und ausgewählter Porzellane

von Jens Storre


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