Escape (SS 17)

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Escape [ɛsˈkɛɪ ̯p], Nomen oder Verb (engl.: Ausweg, die Flucht, ausbrechen, entkommen)

Geht es hier also ums Davonlaufen? Ja. Ist Davonlaufen schlimm? Auf keinen Fall! Wenn der Trott des Semesteralltags einen mal wieder fest im Griff hat, gibt es oft nichts Schöneres, als einfach mal auszubrechen. Sei es ein gemütlicher Abend mit Freunden, ein Ausflug ins Grüne oder ein guter Film – jeder hat mit großer Wahrscheinlichkeit einen Weg gefunden, den Kopf frei zu bekommen. Und wenn nicht: Die VielSeitig versteht sich dieses Semester als kompetenten Service-Anbieter und zeigt euch, wie ihr Gewohntes hinter euch lassen und Neues in Alltäglichem entdecken könnt. Dazu gehört auch, die eigene Meinung und die der Gesellschaft infrage zu stellen und sich davon loszulösen. Auf den nächsten 100 Seiten habt ihr die Möglichkeit, in spannende Geschichten abzutauchen, mithilfe von

Tipps Auswege aus Problemsituationen zu finden, mit Erlebnisberichten an andere Orte zu entfliehen und durch Interviews und Umfragen die Grenzen eurer Welt zu überschreiten. So leistet die VielSeitig ihren eigenen Teil, um euch die Flucht aus dem Alltag zu ermöglichen. Also tut es. Werdet frei von allem, was euch einschränkt und brecht aus! Sandra und Simon


04 Escape 06

Von Romanen und Reisenden

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Medien abseits der Norm

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Ghosting – spurlos verschwunden

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Kein Entkommen

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Eskapismus: Wohl oder Übel

18 Was macht ihr, um dem Alltag zu e ­ ntfliehen?

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The Great Escape, Going Missing, Set the Sails – mit Musik entfliehen

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Reisebericht – Leonie und Anthony

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Zwischen den Zeilen

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Flucht aus der Einsamkeit

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Die Welt liegt uns zu Füßen

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In der falschen Zeit geboren?

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Think outside the box... Think in your own box!

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Grauer Anzug

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Wie ich die Welt abklapperte 44

Throwback – die Sehnsucht nach alten Zeiten

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Minimalismus – Ausbruch aus der Konsumgesellschaft

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Nächtliche Traumerlebnisse – skurril und einmalig


64 Campusleben

78 Lifestyle

94 Kunst & Kultur

66

80

Zwischen Filter und Realität

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Time to break free

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Rezepte für Ausbruchshelfer

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Tote Mädchen lügen nicht – eine Serie zum Nachdenken

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Yoga war gestern – jetzt wird gemalt!

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Für mehr Milchschaummomente im Leben – 5 Lieblingscafés in Stuttgart

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MAJAM – Ein Interview mit der HdM Big Band Spiele-Bericht: Schacht

70 Richtungswechsel 75

The Girl Beyond – Flucht aus der Realität

91 3-Minuten-Yoga

102 Das Team

92

104 Impressum

Erschreckende Realität



Escape


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Von Romanen und Reisenden Ein Aufbruch ist oft mit Ungewissheit verbunden. Was erwartet einen? Wird alles so, wie man es sich im Voraus ausmalt? Wird man über­ haupt zurückkehren? Und wenn ja, wird das Leben danach anders sein? Nicht nur wir, auch Protagonisten in Büchern stellen sich diese Fragen, wenn sie sich aus den unterschiedlichsten Gründen dazu entschließen, zu verschwinden. Sei es, weil sie es in der alten Umgebung nicht mehr aushalten, zu sich selbst finden wollen oder einfach den Nervenkitzel des Fremden und Unbekannten suchen.

antritt den Entschluss fasst, ihn verlassen zu wollen, kann er natürlich nicht ­einkalkulieren.

David Nicholls – Us Douglas versucht beispielsweise, mit einer ausgiebigen Europa-Reise seine Ehe zu retten und die etwas zerrüttete Familie wieder zusammen­ zubringen. Paris, Amsterdam, München, Venedig, Florenz, Madrid, Barcelona – ein auf den Tag genau ausgearbeiteter Reiseplan, inklusive vorsorglicher Zug- und Hotelreservierungen und ­ Sightseeing-Plänen. Douglas überlässt nichts dem Zufall und hat doch nichts unter Kontrolle. Dass ­Connie, seine Frau, vor Reise­

Es ist unschwer zu erkennen, dass Douglas eher der romantische Typ ist. Die trockene Erwiderung seiner Frau auf diese Liebeserklärung macht wenig Hoffnung auf eine harmonische Reise:

„I was ­looking for­ ward to us ­growing old ­together. Me and you, growing old and dying ­together.“

man eben keinen Rückzieher. Und so lässt die Familie Petersen Haus, Hund und Alltag zurück und begibt sich tatsächlich auf die sogenannte grand tour. Doch wie gestaltet sich ein solcher Trip in Begleitung einer Frau, die sich scheiden lassen möchte, und eines pubertierenden Sohnes, der bald aufs College geht und daher die Gesellschaft ominöser weiblicher Reisebekanntschaften der seiner langweiligen Eltern vorzieht? Richtig, es wird chaotisch, dramatisch und unglaublich witzig. Jeder erhofft sich von der Reise etwas anderes: ­Connie möchte einen letzten Urlaub mit der Familie genießen, bevor sie ihre eigenen Wege geht. Sohn Albie will eigentlich nur seine Ruhe – lässt sich also auf die Reise ein, damit seine Eltern aufhören, ihm in den Ohren zu liegen. Und Douglas?

„Douglas, who in their right mind would look forward to that?“ Douglas wäre ein guter Schwabe geworden – wenn man Zeit und Geld in die Planung gesteckt hat, macht

Douglas sieht sich schon zurück in England, eine kulturreiche und aufregende Reise hinter sich, die natürlich


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auf wundersame Weise seine Probleme mit Connie beseitigt und sein Verhältnis zu Albie verbessert hat. Da dieser Artikel natürlich keine Spoiler enthalten soll, verrate ich nicht, ob Douglas‘ Wünsche am Ende in Erfüllung gehen. Sicher ist nur eines: Der spektakuläre Ausbruch der Familie Petersen ist wahnsinnig lesenswert! (Drei auf Reisen, Hodder & Stoughton/Kein & Aber Pocket) Chimamanda Ngozi – Americanah Die Nigerianerin Ifemelu beschließt, in den USA zu studieren und entdeckt eine komplett fremde und unbekannte Welt. Sie lässt ihren Freund Obinze, ihre Familie und ihre F ­ reunde zurück und tauscht sie g ­egen die vielversprechenden Visionen aus, die sie von Amerika hat. Beflügelt von Anblicken, die sie aus der Bill ­Cosby Show kennt, und von besseren Berufs- und Zukunfts­aussichten, beginnt sie ihr neues Leben. Vom ersten Kulturschock erholt, trifft sie auf viele inspirierende Menschen, legt sich einen amerikanischen Akzent zu, beginnt, einen Blog zu schreiben und entdeckt ihre Leidenschaft für Bü-

cher und Literatur. Allerdings wird sie auch Jahre nach ihrer Einwanderung mit Vorurteilen und Kommentaren über Hautfarbe und Rasse konfrontiert, beispielsweise mit folgendem, scheinbar gut gemeinten Rat:

„Werden Sie die Zöpfe los und ­lassen Sie sich das Haar glätten. ­Niemand sonst wird Ihnen das ­sagen, aber es ist wichtig. Wir wollen, dass Sie diesen Job kriegen.“ Während ihrer Zeit in den USA hält sie sporadisch Kontakt zu Obinze, der sich in Nigeria ein erfolgreiches

L­eben aufgebaut hat. Nicht nur wegen ihm spekulieren die meis­ ten ihrer alten Freunde darauf, dass Ifemelu irgendwann in ihre Heimat ­ und zu ihren Wurzeln zurückkehren wird. Andererseits wäre es in den Augen vieler amerikanischer Bekannter ein Scheitern, das mühsam aufgebaute Leben in den USA einfach so aufzugeben. Egal, wofür sie sich auch entscheidet und wo sie sich letztendlich niederlässt: Sie ist und bleibt eine waschechte „Americanah“, die an zwei Orten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, ein Zuhause gefunden hat. (Fischer Taschenbuch) John Green – Margos Spuren Viele kennen Margo Roth Spiegelman, die ihren Nachbarn Quentin auf eine überdimensionale Schnitzeljagd durch die USA schickt. Margo hat das Bedürfnis, ihrer „Plastikstadt“ zu entkommen, in der nichts und niemand echt ist und der Highschool-Alltag von Trennungsdramen, falschen Freundschaften und überbewerteten Schulbällen dominiert wird. Nach einer kuriosen Racheaktion, die sie eines Nachts mithilfe von Quentin durch-


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führt, fehlt Margo am Folgetag im Unterricht. Ziemlich schnell wird klar, dass sie nicht vorhat, bald wieder zur Schule, nach Hause oder in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Aber wer verschwindet, ­möchte gefunden werden – oder etwa nicht? Jedenfalls stößt Quentin nach M ­ argos Verschwinden auf die ­unglaublichsten Botschaften und ­Hinweise, die er mithilfe seiner Freunde in nervenaufreibenden und ­ kräfte­ zehrenden Tagund-Nacht-­Aktionen zu ent­­schlüsseln versucht. Dabei rückt alles andere in den Hintergrund. Welche Bedeutung hat die Vorbereitung auf einen albernen Schulball, wenn man stattdessen zwischen den Zeilen von Walt Whitmans „Leaves of Grass“ lesen ­ kann, in der Hoffnung, Margo zu verstehen und wiederzufinden?

Und was bringt es einem ­eigentlich, zum Ende der Schulzeit immer noch keine Fehl­ zeiten zu haben?

Und so trifft Quentin Entscheidungen, die er vor Margos Verschwinden nie getroffen hätte – beispielsweise, Mathe zu schwänzen. „‚Q!‘, rief Ben über die ­ Musik. ‚Na, wie fühlt sich das an?‘ Ich wusste genau, was Ben meinte: Er meinte, mit ­guten Freunden im Auto sitzen, und im Radio spielten die Mountain Goats an einem ­ Mittwochmorgen im Mai auf dem Weg zu Margo und all den margotastischen Schätzen, die uns ­ erwarteten. ‚Besser als Mathe‘, rief ich zurück.“ (Hanser) John Williams - Butcher‘s Crossing Was macht man, wenn man in den USA der 1870er-Jahre einen ­Harvard-Abschluss in der Tasche hat und nicht so recht weiß, wie das Leben nun weitergehen soll? Exakt, man macht sich auf in ein einsames Städtchen nach Kansas, um anschließend in den endlosen Tälern ­ Colorados Büffel zu jagen. So zumindest nimmt es Will Andrews in Angriff, der offensichtlich eine Selbstfindungsphase durchlebt und in die unendlichen Weiten der ungezähmten Natur fliehen möchte. Zuvor überredet er drei Männer, ihn zu begleiten: den erprobten Büffeljäger Miller, den erfahrenen Häuter Schneider (der ­passende

Name ist wohl Zufall) und die gute Seele Charley Hoge, der zu gleichen Teilen als Mädchen für alles und schrulliger Alkoholiker einzuordnen ist. Was die vier ungleichen Männer in der Wildnis gemeinsam durchstehen, hinterlässt bei allen Teilnehmern der Expediton tiefe Spuren. Will kämpft mal in unendlicher Hitze, mal in Eiseskälte zwischen Tausenden von Büffelkadavern um das blanke Überleben, die Extrembedingungen treiben ihn und seine drei Leidensgenossen zeitweise an den Rand des Wahnsinns. Aus gutem Grund lesen sich solche Bücher mit einer heißen Tasse Tee gemütlich auf dem Sofa eingekuschelt am besten. Schließlich kann man das ­ Abenteuer hautnah miterleben, ohne sich (zum Vorteil des Lesers) mit extremen Wetterbedingungen, schwerster körperlicher Arbeit oder dem „Duft“ ­verwesender Büffel herumschlagen zu müssen. Spannend und nervenaufreibend ist die Reise in die Wildnis allemal. (dtv) Fabio Geda – Im Meer schwimmen Krokodile (Eine wahre Geschichte) Der afghanische Junge ­Enaiatollah Akbari hat das Bedürfnis, frei ­atmen zu können. Aufgewachsen in einfachsten Verhältnissen in einem


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Ein Team. Ein Raum. Die Zeit läuft...

Das Live-Escape-Feeling für Zuhause mit neuen atemberaubenden Themen!

Neu

© kaalimies / fotolia

ab Mitte Mai

kosmos.de

Für 1-6 Spieler ab 12 Jahren

kleinen Ort südwestlich von Kabul, kommt Enaiat schon früh mit Gefahren politischen als auch r­eligiösen Ursprungs in Berührung. Das Buch beginnt mit der tragischen Szene, in welcher der 10-Jährige von ­seiner Mutter verlassen wird. Neben drei Regeln für das Leben (niemals Drogen nehmen, niemals zu einer Waffe greifen, niemals stehlen oder sich bestehlen lassen) gibt sie ihm auch die Chance auf ein besseres Leben mit. Denn nun kann und muss E ­ naiat seine Heimat hinter sich lassen, um sich auf die Suche nach Sicherheit und einer perspektiven­ reicheren ­Zukunft zu begeben. Gemeinsam mit seinem Freund Sufi begibt er sich auf die beschwerliche Reise, verhandelt mit kriminellen Schmugglern, sucht Antworten und entdeckt unheimlich viele unbekannte Orte. Letztendlich

schlägt er sich bis nach Italien durch, wo er die Möglichkeit bekommt, uns die Geschichte seiner Flucht zu erzählen. Obwohl ich dieses Buch vor vielen Jahren gelesen habe, kam es mir bei dem Wort escape sofort in den Sinn. Besonders ein Satz auf der letzten Seite des Buches wird mir immer im Gedächtnis bleiben: „Kurz nach seinem (vermutlich) einund­zwanzigsten Geburtstag hat Enaiatollah seine Geschichte zu Ende erzählt. Sein Geburtsdatum wurde vom Einwohnermeldeamt festgelegt:

„Es ist der ­erste September. Er hat soeben ­erfahren, dass es im Meer ­tatsächlich ­Krokodile gibt.“ (cbj) Alina Martin (MP)


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Medien abseits der Norm Wie weit darf ein Künstler gehen? Moral und Moderne, Zensur und kreative Freiheit: Diese Begriffe dürften gerade hier in Deutschland eine besondere Bedeutung haben. Als entartet wurden Musik und Kunst während der nationalsozialistischen Diktatur bezeichnet, wenn sie nicht der Kunstauffassung und dem Schönheitsideal, kurz der nationalsozialistischen Norm, entsprachen. Das Magazin FOCUS schrieb in dem Artikel „So brutal gingen die Nazis gegen Künstler vor“ über das Vorgehen des Regimes: „Die Schöpfer der verfemten ­Werke erhielten Berufs- oder Malverbot, durften nicht mehr ausstellen, wurden aus der Kulturkammer ausgeschlossen oder von der gleichgeschalteten Presse diskriminiert und beschimpft. Derart aggressiv gingen die Nationalsozialisten gegen Künstler vor, die nicht ihren Vorstellungen entsprachen, dass viele sich gezwungen sahen, Deutschland zu v­ erlassen.“

Zu dieser Norm gehörte mehr als das Werk allein, Herkunft und Gesinnung des Urhebers waren ebenfalls Gründe für die Verfolgung durch das Regime. „‚Physisch verfolgte das NS-Regime unliebsame Künstler in der Regel zwar nicht, auch wenn ihre Werke eingezogen oder gar zerstört wurden‘, sagt Zuschlag. ‚Anders sah es jedoch bei jüdischen, homosexuellen oder kommunistisch agitierenden Kunstschaffenden aus.‘ So sei der Maler und Bildhauer Otto Freundlich 1943 in einem Konzentrationslager gestorben – allerdings nicht wegen seiner Tätigkeit, sondern weil er Jude gewesen sei.“ Angesichts der unvorstellbaren Verluste menschlichen Lebens rückt der Verlust von Kultur verständlicherweise in den Hintergrund, aber er darf ebenso wenig vergessen werden! Deutschland ist aus der Asche des zweiten Weltkriegs als Demokratie wiederauferstanden, doch noch immer haben wir mit dem Erbe des letzten Jahrhunderts zu kämpfen. Die Böhmermann-Affäre im März 2016


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hat bewiesen, dass die Freiheit der Kunst in Deutschland nicht garantiert wird. Mehr noch: Es war eine internationale Blamage für ein Land, das sich gerne als modern präsentiert und doch in seinem Kern gnadenlos veraltet ist. Aber es gibt Hoffnung! Nicht erst seit der Wiedervereinigung wissen wir: Eine Grenze existiert nur so lange, bis sie oft genug überschritten wird. Wer Kunst einen Maulkorb anlegt, verfälscht und verdreht das Selbstverständnis einer Kultur gleich mit. Von Authentizität kann nur die Rede sein, wenn kein arbiträrer Maßstab versucht, Werke in bestimmte Schubladen zu zwingen. Aus Richtlinien werden Regeln, Normen, Grenzen. Unsere Welt fußt auf Fortschritt, Stillstand bedeutet Tod. Medien sind nicht ausgenommen. Wer nur mehr vom Selben produziert, wird selbst zum Täter, beteiligt sich an der Marginalisierung und Tilgung von Subkulturen und Strömungen. Doch ohne neue Inhalte kein Fortschritt, kein Interesse, kein Grund für die weitere Existenz eines Mediums. Der einzige Weg, einer

Übersättigung entgegenzutreten, ist es, die Grenzen des Machbaren, des Akzeptierten, zu verschieben. Dass solche Grenzen nur in unserem Kopf existieren, davon ist die serbische Performance-Künstlerin Marina Abramović überzeugt. 1974 veranstaltete sie eine ­Performance, die nur als Bruch mit bisherigen Normen verstanden werden kann. ­ Ihre ­ Motivation dafür erklärt sie in einem Video des Marina Abramovic Institutes auf vimeo wie folgt: „Eines der Werke, das wirklich viel Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit bekam, war ‚Rhythm 0’. Bis zu dieser Zeit waren die Künstler der

Performance Art komplett lächerlich gemacht worden, alles sei krank und exhibitionistisch, masochistisch, und sie würden nur Aufmerksamkeit wollen. Ich hatte wirklich genug von dieser Art von Kritikern. Und ich sagte: ‚Okay, ich werde ein Werk machen, in dem ich sehe, wie weit die Öffentlichkeit gehen wird, wenn der Künstler selbst absolut nichts macht.’ Und ich legte einfach 72 Objekte auf einen Tisch mit der Anleitung: ‚Ich bin ein Objekt. Du kannst mit mir machen, was auch immer du willst – ich werde für die nächsten sechs Stunden die gesamte Verantwortung dafür übernehmen.’ Auf dem Tisch waren eine Rose, Parfüm, ein Stück Brot,


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­ onnten mich nicht als Person konk frontieren. Ich erinnere mich daran, wie ich zurück ins Hotel ging, in den Spiegel sah und ein großes Stück weißes Haar fand.“

Trauben, Wein, Objekte wie Scheren und Nägel, eine Metallstange, und schließlich war da auch eine Pistole mit einer Kugel. Im Prinzip konnte das Publikum, wenn es wollte, die Pistole laden und mich töten. Ich wollte dieses Risiko wirklich eingehen, ich wollte wissen, um was es der Öffentlichkeit geht. Wie würde sie sich in dieser Situation verhalten? Es war ein wirklich schwieriges Stück, denn ich stand dort vor dem Tisch und am Anfang passierte kaum etwas, die Leute kamen und spielten mit mir, sie gaben mir die Rose, sie gaben mir Küsse, schauten mich an. Aber dann wurden sie wilder und wilder: Sie schnitten in meinen Nacken und tranken mein Blut, sie trugen mich herum

und legten mich auf den Tisch, öffneten meine Beine und steckten ein Messer dazwischen. Dann nahm eine Person die Pistole und lud sie mit der Kugel, wollte sehen, ob ich wirklich mit meiner eigenen Hand den Abzug betätigen würde… Der Galerist kam und flippte völlig aus, nahm die Pistole aus seiner Hand und warf sie aus dem Fenster. Sie nahmen eine Schere und schnitten meine Kleider auf, sie drückten Rosendornen in meinen Körper. Nach sechs Stunden, etwa um zwei Uhr morgens, kam der Galerist und sagte, die Performance sei vorbei. Ich begann, mich zu bewegen, ich selbst zu sein, denn davor war ich wie eine Puppe. In diesem Moment rannten alle davon. Die Leute

Selbst heute noch erscheint ihr Bericht surreal, die ungezügelte menschliche Natur, die damals hervortrat, schreckt uns ab – und ist doch auf morbide Art und Weise faszinierend. Abramović war unverfroren in ihrem Vorgehen, und doch könnte man ihr – selbst wenn man wollte – keine Schuld zuweisen. Öffnete sie doch lediglich einen Raum aus Möglichkeiten, der sich vorher so noch nicht geboten hatte. Die Grenze überschritt nicht sie, sondern ihr Publikum. Das war ebenso mutig wie genial! Allerdings sollte Abramović nicht als Beispiel, mehr als bemerkenswerte Ausnahme gesehen werden. Das Extrem zu wählen, ist einer von vielen Wegen. Indem wir den Aufbau eines Mediums genauer untersuchen, können wir klarer erkennen, wie und wo sich Grenzen aufspannen, und formalisierte Methoden finden, diese zu umgehen – oder zu sprengen.


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Im Buch „Rules of Play“ formulieren die Autoren Katie Salen und Eric ­Zimmermann drei Schemata, um ein Werk in einem Medium zu verstehen und einzugrenzen: Regeln, Erfahrungen, Kultur. Regeln stellen die Anforderungen und formellen Einschränkungen dar. Erfahrungen bezeichnen die Interaktion, die zwischen Werk und Publikum entsteht. Kultur definiert den Kontext, in dem die Interaktion stattfindet. Ein Werk, das die Grenzen eines Mediums nicht nur ausloten, sondern

erweitern will, muss in mindestens einer dieser drei Kategorien einen Bruch provozieren. Dadurch werden die Erwartungen des Publikums neu definiert und erlauben von nun an ein uneingeschränktes Vorgehen. Eine Regel existiert aus einem Grund. Kann ein Werk beweisen, dass dieser Grund inexistent, obsolet oder absurd ist, darf die Regel ohne Konsequenzen gebrochen werden. Meistens gehen Werke jedoch umgekehrt vor: Sie brechen zuerst eine Regel und zeigen dann, durch das Ausbleiben von Konsequenzen, dass kein Grund existiert.

„Once you free your mind about a concept of ­harmony and music being correct you can do ­whatever you want. So, nobody told me what to do and there was no preconception of what to do.“ – Giorgio By Moroder (Daft Punk)


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„I did an ad for Neiman Marcus and they told me I’d be the first person of color to do an ad for them and they made a big deal out of it. I worked with a photographer I’d worked with at Vogue and in the end you couldn’t even tell I was black, the way it was lit, but they were happy they had stepped over this threshold. And I ­ was honored. […] I watch commercials and everybody’s represented in commercials today, and that wasn’t the way it was.“ – Model Charlene Dash in einem ­Interview mit dem TIME Magazine Die Erfahrungen mit einem einfluss­ reichen Werk definieren die Erwartungen des Publikums an ähnliche Produkte. Eine neue Erfahrung wird anfänglich als Eigenheit wahrgenommen und erst mit zunehmender Wiederholung als Teil der Norm akzeptiert. Ebenso können bisherige Erfahrungen modifiziert und erweitert werden.

Der Kontext einer Situation bestimmt, wie das Publikum auf das Werk reagiert und es versteht. Einen Kontext zu schaffen, in dem das Publikum angemessen mit dem Werk umgehen kann und nicht manipuliert wird, sollte das oberste Ziel sein. Die genauen Details können jedoch verändert werden, um einen Bruch mit bisherigen Denkweisen zu fördern.


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„There are some oddities in the perspective with which we see the ­ world. The fact that we live at the bottom of a deep gravity well, on the surface of a gas covered planet going around a nuclear fireball 90 million miles away and think this to be normal is obviously some indication of how skewed our perspective tends to be, but we have done various things over intellectual history to slowly correct some of our misapprehensions.“ – Douglas Adams in einer Rede auf der “Digital Biota 2”-Konferenz in Cambridge 1998 Der Mangaka Junji Itō hat sich noch nie großartig mit Normen und den Vorstellungen anderer Personen aufgehalten – und ist genau deshalb so erfolgreich. Er hat sich nicht dem bestehenden Markt angepasst, auf dem seine Horror-Kurzgeschichten keinen Platz gefunden hätten, sondern sich eine eigene Nische geschaffen, in der er ohne Einschränkungen einzigartig sein darf. Wie viele e Künstler – beispielsweise die Macher des Spiels Bloodborne – hat er sich vom Schriftsteller H. P. Lovecraft inspirieren lassen. Dieser revolutionierte im 20. Jahrhundert das Horrorgenre, indem er einen eigenen Mythos schuf: In Lovecrafts Welt existieren Wesen, die das menschliche Vorstellungsver-

mögen sprengen. Unglaublich alt und mächtig treibt schon der geringste Kontakt mit ihnen seine Protagonisten in den Wahnsinn. Dabei existieren diese Wesen oft nicht allzu weit vom regulären Alltag entfernt, die Grenzen zwischen Realität und Mystik verschwimmen. Itō geht noch einen Schritt weiter: Nachdem sich eine übernatürliche

Präsenz in seiner Welt offenbart hat, bleibt sie, wird zum Alltag. Die Versuche seiner Charaktere, sich mit dem Unerklärbaren auseinanderzusetzen, führen dazu, dass sie selbst Teil des Grauens werden: Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. Die Anfänge seiner Geschichten mögen typisch sein, doch mit dem Fortschreiten der


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Uzumaki 1: Spiral into Horror von Junji Itō

Handlung nimmt das Absurde mehr und mehr Gestalt an. Dies übt eine starke Sogwirkung auf den Leser aus, dürstet es ihn doch nach einer Auflösung. Doch Itō spielt seine Karten geschickt aus, vieles bleibt im Dunkeln; und was er aufdeckt, dient nur dazu, den Horror zu intensivieren. Warum das so gut funktioniert? Weil Itō sein Medium voll ausschöpft. Seine Monstrositäten könnten nirgendwo sonst funktionieren, wirken nur nicht absurd, weil der Zeichenstil die ­Kontraste minimiert. Egal ob Gebäude, Natur, Menschen – irgendwas stimmt mit ihnen allen nicht, doch was genau, darauf können wir uns nicht festlegen. Als Uncanny Valley wird das Paradoxon beschrieben, dass fast ­ realistische Figuren auf uns unnatürlich wirken, da ihnen kleinste Details oder Charaktereigenschaften fehlen, die einen echten Menschen ausmachen. Itō erzeugt denselben Effekt, indem er seine Zeichnungen bewusst verzerrt und verformt. Dadurch entstehen kleine Unterschiede, die unser Gehirn, trainiert durch Dutzende anderer Werke, unterbewusst bemerkt. Von Perspektive, Proportionen bis hin zur Farbwahl ist Itō ein Meister darin, die Balance zwischen Bekanntem und Neuem zu finden. Eine seiner häufigsten Techniken ist dabei, die Detailgetreue seiner Arbeiten zu variieren. Was im Hintergrund eines Panels noch harmlos und alltäglich erscheint, verwandelt sich bei genauerer Betrachtung ins Grauenhafte. Dabei zwingt uns Itō hinzuschauen, indem er mehrere Panels für ­dieselbe Einstellung verwendet, oder sich der Horror erst nach Umblättern der ­Seite enthüllt. Selbst nach längerem


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Betrachten bleiben seine Monster fremd und furchterregend – ein Beweis, dass Itō genau weiß, was er tut. Man braucht nicht unbedingt immer einen Plan, manchmal reicht es schon, sein eigenes Ding durchzuziehen. Sängerin Vanessa Carlton wurde Anfang der 2000er-Jahre mit ihrer Single A Thousand Miles berühmt. Doch seitdem hat der Mainstream nichts mehr von ihr gehört. Carlton macht jedoch immer noch Musik – nur keine, die sich in den Popcharts vermarkten lässt. Ihr zweites Album

sollte sehr persönlich werden, floppte aber im Verkauf dermaßen, dass sie und ihr Label getrennte Wege gingen. Aber Vanessa hatte Geschmack daran gefunden, Musik über ihre eigenen Erfahrungen zu schreiben. Also machte sie weiter. Auch ihre weiteren Alben waren keine großen Verkaufsschlager, jedoch bildete sich nach und nach eine feste Fangemeinde. Eine Künstlerin zu finden, die authentisch ihre eigene Meinung vertritt, ist hart geworden – eine, die ihre Songs selbst schreibt und komponiert, noch viel mehr. Dabei geben weniger die

eigentlichen Lieder als mehr die Umstände ihrer Entstehung den Ton an. Schlussendlich geht es darum zu verstehen, dass ein Medium erst durch entstandene Werke eine festere Gestalt bekommt. Wenn etwas alt und starr erscheint, dann sollte man mit den Traditionen brechen. Wer dies verinnerlicht, kann die Gestalt nicht nur mitbestimmen, sondern sich vollständig von der Vorstellung von Richtig und Falsch lösen. Wahre Künstler arbeiten grenzenlos. Simon Robl (MI)


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Was macht ihr, um dem Alltag zu ­entfliehen?

Pauline Bonnke Leitung von „Unterbelichtet“ 1. Semester Werbung und Marktkommunikation

Alexandra Romberger Servicekraft bei „Eat ’n’ Talk“

Prof. Dr. Boris Kühnle Studiendekan Medienwirtschaft

„Um dem Alltag zu entfliehen, höre ich laut Musik, am liebsten Techno mit ganz, ganz viel Bass, setze mich an den Schreibtisch und bearbeite Bilder. Manchmal liebe ich es, alte Bilder neu zu bearbeiten und mir die Unterschiede anschließend anzuschauen, oder noch mal durch ­meine Shootings zu schauen – auf den zweiten Blick entdeckt man manchmal tolle Bilder, die man beim ersten Durchschauen direkt aussortiert hat. So was entspannt mich.“

„Was ich mache, um aus dem Alltag zu entfliehen, ist einfach viel Musik hören, viel entspannen, schlafen, baden, Sport machen, spazieren gehen… solche Sachen. Und dann ist der Kopf leer!“

„Erstens: Kochbücher lesen. Zweitens: Boxen. Drittens: Reisen planen. Da haben Sie in allem alles drin: ­Körper, Geist, Fantasie. Nur gleichzeitig kriegt man’s selten hin. Schade eigentlich. Aber da lassen sich die AR/VR-Experten sicher noch etwas einfallen.“


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Prof. Dr. Stefan Radicke Professor für „Game Development”

Yannick Lehn Mitglied bei „Kanonenfutter“ 4. Semester Audiovisuelle Medien

Anja Fritz Leitung Studienbüro

„Games sind für mich eine besondere Art geistiger Herausforderung. Dort kann ich in völlig andere Welten abtauchen. Da Games für mich aber Freizeit und Beruf zugleich sind, ­mache ich auch noch gerne Musik: Ich spiele Gitarre und Bass. Dabei kann ich besonders gut abschalten und mich nur auf das Instrument konzentrieren. Außerdem mache ich noch gerne Sport als Ausgleich.“

„Als Ausgleich zum Alltag mache ich Improvisationstheater. Oft ist es so, dass ich zur Probe komme und denke, dass ich gerade gar nicht in Impro-Laune bin. Dann kommt das Aufwärmen und da kommt plötzlich wieder ganz viel Energie rein und ich hab‘ wieder richtig Lust. Das ist einfach ganz cool, dort alles aus dem Alltag auszublenden und zwei Stunden einfach verrückt zu sein. Das Kind noch mal rauszulassen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.“

„Um aus dem Alltag zu entfliehen, treibe ich Sport. Ich gehe viel raus, am liebsten in die Berge zum Wandern. Und das passt dann eigentlich, um den Ausgleich zur Arbeit herzustellen und was sonst so im Alltag alles anfällt.“

Julia Ruppert & Saskia Meier (MW)


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Zwischen den Zeilen „Wieso schreibst du eigentlich?“ Oft ist das bereits die zweite oder dritte Frage, die mir gestellt wird, ­ nachdem ich mich Fremden vorgestellt und erzählt habe, dass ich Romane schreibe. Natürlich nach dem obligatorischen „Hast du schon etwas veröffentlicht?“ und „Was schreibst du denn so?“. Fragen, die meist mit schräg gelegtem Kopf und Zweifeln in der Stimme gestellt werden. Ich kann förmlich die Gedanken hören, die in ihren Köpfen herumgeistern: So ein seltsames Hobby. – Sie hat bestimmt kaum Freunde. – Ein kleiner Bücherwurm also. Ich gebe natürlich nicht zu, dass mich diese Einstellung verletzt. Allein die Tatsache, dass da diese Gedanken sein könnten, obwohl ich es natürlich nicht wissen kann, verunsichert mich. Meistens gebe ich eine nichtssagende Antwort, um das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden: „Ich schreibe eigentlich schon immer.“ – langweilig. Und das ist mir durchaus bewusst.

Ich möchte einem Fremden nicht sofort meine Lebensgeschichte erzählen. Nicht erzählen, wieso ich wirklich schreibe, weil es sich für mich seltsam anfühlt. Weil ich meist nicht einmal weiß, wieso ich schreibe. Ich tue es einfach. Trotzdem gibt es Ausnahmen. Wenn ich mich nach einem stressigen Tag an den Schreibtisch setze und das Dokument öffne, möchte ich einfach nur entspannen. Seit acht Uhr morgens war ich in der Uni, habe in der Stadt Besorgungen gemacht und bin kaum zur Ruhe gekommen. Nun konzentriere ich mich ganz auf die Charaktere, die Handlung und kann somit dem Alltag entfliehen. Für mich ist das Schreiben in solch einer Situation unglaublich entspannend, obwohl es für viele sicherlich wie zusätzliche Arbeit wirken kann: Wie kann sie sich nur nach den ganzen Aufgaben für die Uni noch mal hinsetzen und sich auch noch vornehmen, eine bestimmte Anzahl an Wörtern zu schreiben? Ich weiß es nicht. Wirklich. Manchmal stresst mich auch mein


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Umfeld. Menschen, denen ich nichts Böses will und die mir vermutlich auch nichts Böses wollen, die aber einfach einen schlechten Tag hatten. Hektik, unfreundliche Worte – all das überträgt sich sehr schnell auf mich und irgendwann kann auch ich die Fassade des fröhlichen Ichs nicht mehr aufrechterhalten, bin froh, wenn ich endlich wieder in meinen eigenen vier Wänden bin. Allein, nur umgeben von meinen Gedanken. Aber auch das genaue Gegenteil kommt vor: Ich bin überwältigt von einer Situation, schier vollgepumpt mit Glück. Stellt euch meinen Körper als Flasche vor, der vom Glückstrank felix felicis aus Harry Potter überläuft. Ich kann es kaum erwarten, das Dokument zu öffnen, die zuletzt geschriebenen Wörter zu überfliegen und das Glück aufs Papier zu bannen. Ich schreibe zwar an meinem Roman, der eine festgelegte Handlung hat, aber immer, wenn ich im Nachhinein diese Szene lese, werde ich wissen, in welchem Gefühlszustand ich sie geschrieben habe. Und wieso sie so ist, wie sie ist.

Vielleicht ist die Frage, wieso ich schreibe, eigentlich ganz einfach zu beantworten. Zwei Antworten habe ich schon mal. Vielleicht sollte ich sagen: „Stress und Glück sind Faktoren, weshalb ich schreibe.“ Aber das wäre noch immer zu wenig. Während ich diese Worte zu Papier bringe, erinnere ich mich an all die Momente, in denen ich mich zwingen musste, am Laptop zu sitzen und zu schreiben. Auf die Tastatur zu hämmern. Nicht einmal, weil ich die Geschichte nicht mag, sondern weil ich frustriert bin. Keine Lust habe, Freunde zu treffen, keine Motivation, um Dinge auf meiner To-do-Liste zu erledigen. Gebt zu, jeder hat solche Tage, in denen einfach nichts klappen möchte. Eigentlich ist es paradox, dass ich genau dann am Schreibtisch sitze. Mit einer Tafel Schokolade, einer Tasse Tee, den Blick auf den Bildschirm geheftet. In so einem Moment sollte es mir doch eigentlich schwerfallen zu schreiben. Oder? Das Gegenteil ist der Fall: Die Worte fließen aus mir heraus und am Ende fühle ich mich besser.

Schreiben ist mehr, als nur Worte zu Papier zu bringen. Es ist Entspannung, Stressbewältigung, Escape. Das Entfliehen in fremde Welten, das Entkommen aus dem Alltag. Eintauchen in die Geschichte und das Gefühl, für immer dort bleiben zu wollen. Hinter dem fertigen Buch, das die Leser zu Gesicht bekommen, steckt so viel mehr: Stunden der Freude, des Frusts, des Glücks. Tage voller Euphorie, Monate voller Arbeit. Zwischen den Zeilen zu lesen, ist nicht immer einfach, aber wer weiß, vielleicht merkt man es einzelnen Szenen an, aus welchem Grund sie geschrieben wurden. Welche Intention dahintersteckt, welche Gefühlslage des ­Autors. Sollte mich das nächste M ­ al jemand fragen, wieso ich eigentlich schreibe, wird meine Antwort lauten: Weil ich es liebe. Sophia Suckel (CR/PR)


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In der falschen Zeit geboren? Du liebst die Mode der 20er-Jahre? Du schaust dir sämtliche Filme an, die in diesem Jahrzehnt spielen? Oder du würdest am liebsten einmal in den Kleidern von Marie Antoinette stecken wollen? Dann geht es dir wie mir und vermutlich vielen anderen auch. Wir fühlen uns, als wären wir in der falschen Zeit geboren. Doch dieser Satz ist nicht so einfach hinzunehmen, wie es auf den ersten Blick erscheint. Wir sagen ihn oft, wenn wir uns für eine bestimmte Epoche oder ein bestimmtes Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts begeistern. Meist lieben wir den Modestil oder die Musik und würden gerne Motto-Partys veranstalten oder in einem Film mitspielen, nur um einmal in den Genuss dieser Zeit zu kommen. Es soll sich so real wie möglich anfühlen, als würde man in der Zeit zurückreisen. Wir fühlen uns, als wären wir in der falschen Zeit geboren, doch bei manchen ist das mehr als nur Faszination für Historie und Geschichte.

Es gibt Menschen, die mit ihrem heutigen Leben und der heutigen Gesellschaft so vollkommen unzufrieden sind, dass sie sich in eine andere Zeit, eine andere Epoche flüchten. Sie können sich mit den Werten und Konventionen der jeweiligen Epoche mehr identifizieren als mit den heutigen.


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Doch diese Menschen sehen nur das, was sie sehen möchten: die schönen Kleider, die Musik oder die ­heile Welt der Reichen und ­Schönen. Das ­ Verhältnis zwischen Arm und Reich oder der Stand der Medizin und ­ dessen Folgen werden meist ­übersehen. Im Barock vergisst man den Dreck auf den Straßen und die Ausbeutung der Bauern und in den 20ern befindet man sich zwischen zwei Weltkriegen. Da stellt sich einem die Frage, ob man wirklich in der falschen Zeit geboren wurde, wenn man überlegt, wie gut es uns heute im Vergleich dazu geht. Und trotzdem gibt es Menschen, die die schreckliche und arme Seite eines Zeitalters in Kauf nehmen würden, nur um aus ihrem heutigen Leben zu fliehen. In vielen ­Communitys wird darüber diskutiert, meist in Lifestyle-Foren. Aber dieses Gefühl vom Leben in der falschen Zeit wird auch in Foren für psychisch Erkrankte thematisiert. Ich frage mich dann, was in solchen Personen vorgeht.

Was ist in ihrem Leben schiefgelaufen, dass sie selbst die dunklen ­Seiten einer Epoche in Kauf ­nehmen? Wir sollten uns glücklich schätzen, in der heutigen Zeit zu leben, vor allem hier in Deutschland. Hier gibt es keine Kriege, Bildung für alle, Unterstützung für jeden und Meinungsfreiheit. Unsere Welt ist auch nicht immer perfekt, aber in vielen Dingen besser als früher. Im Hinblick auf all das würde ich nicht mehr behaupten, in der falschen Epoche geboren worden zu sein. Ich liebe die 20er und 50er wegen ihrer Musik und dem Kleidungsstil, und auch der Barock ist unglaublich interessant und spannend, aber mir gefallen eben nur die schönen Dinge aus dieser Zeit. Damals leben und überleben würde ich trotzdem nicht wollen. Heutzutage gibt es schließlich Festivals für Leute

wie uns, auf denen diese Lebensstile nachgeahmt werden und das macht vermutlich auch Spaß. Aber am Ende muss jeder darauf achten, wieder in die Realität zurückzukommen. Manuela Kaczmarek (MP)


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Wie ich die Welt abklapperte Reisen bedeutet Ausbrechen aus dem Alltag. Für viele ein Abenteuer. Einfach mal die Heimat hinter sich lassen und fremde Länder entdecken. Und ja, ich bin auch eine von den Kandidaten, die einfach mal den Rucksack gepackt haben und in die Welt hinausgezogen sind. Anderthalb Jahre lang bin ich gereist. Zuerst verschlug es mich nach Peru. Warum gerade dorthin, haben mich viele gefragt. Die Antwort ist: Der Zufall hat mich dorthin gebracht. Eigentlich wollte ich ein Praktikum in England machen, aber da das Leben dort sehr teuer ist und ich nicht gerade in Geld schwamm, entschied ich mich für einen Freiwilligendienst in Lateinamerika. Zwar war der Flug nicht unbedingt billig, dafür aber die Lebenshaltungskosten. Ich ­hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was mich erwartete. Ich war aufgeregt, schließlich war es meine erste ­Solo-Reise. Mich verschlug es in das kleine Dorf Pimentel, in der Nähe der Stadt Chiclayo im Norden von Peru. Dort wurde ich in eine Art Wohnheim einquartiert. Ich hatte mich dafür

entschieden, da ich dachte, es sei so leichter, andere Reisende kennenzulernen. Gefühlt siebzig Prozent erzählten mir, sie würden in den nächsten zwei bis drei Wochen abreisen. Super, dachte ich. Und ich bin hier noch zwei Monate. Am Anfang fühlte ich mich sehr einsam, verloren in einem fremden Land, weit weg von meiner Heimat. Aber dies änderte sich schnell, als neue Leute in das Haus einzogen. Die Besten, die ich mir vorstellen konnte. Am Wochenende unternahmen wir Ausflüge zu anderen Orten im Norden des Landes und tauchten in die peruanische Lebensart ein. Die Leute dort sind wirklich sehr offen. Leider konnte ich mein Spanisch nicht erheblich verbessern, da wir ziemlich viele Deutsche waren. Abgesehen von der einen Woche, in der ich nach Macchu Picchu fuhr. Wie so viele andere Dinge war auch dieser Ausflug nicht von vornherein geplant. Aber was ist denn eine P ­ eru-Reise ohne die berühmte Maya-Ruine? Da sich diese aber am anderen Ende des Landes befand, beschloss ich, eine Woche früher aus Chiclayo abzureisen. Ich hätte auch nicht länger blei-

ben wollen. Es war eine wunderschöne Zeit, aber irgendwann muss man weiterziehen. Und das spürt man. Ich war mehr als einmal in dieser Situation. Die Entscheidung, nach Peru zu gehen, war jedoch eine der Besten meines Lebens. Südamerika ist einfach atemberaubend, so vielfältig, so wunderschön. Für viele Reisende sogar der schönste Kontinent der Erde. Als ich in Australien (ja, auch dort war ich) ankam, war ich zuerst ziemlich enttäuscht, denn ich kam in Sydney an und die Städte dort hauen einen nicht unbedingt um. Jede Stadt in Europa ist tausendmal schöner, aber das ist auch nicht das, was ­Australien ausmacht. Es ist ein unglaublich riesiges Land und bietet deshalb auch die unterschiedlichsten Landschaften und Klimazonen. In diesem einen Jahr habe ich fast den ganzen Kontinent abgeklappert und zwischendurch in Outback-Bars gearbeitet. Man muss allerdings erstens Glück haben, schließlich ist man in der Regel in irgendeiner ­winzigen „Stadt“ mitten im Nirgendwo. Zweitens sollte man damit umgehen


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können, dass es auf dem Land etwas rauer zugeht. Was ich am schönsten fand? Die Westküste. Besonders die ­Strecke zwischen Broome und Darwin. Ich liebe diese Wildnis, diese Unberührtheit, diese unendlichen Weiten. Viele mag Letzteres stören. Stundenlang sieht man nichts als Wüste, aber das ist es, was die Westküste ausmacht. Ich persönlich fand die Ostküste sehr überlaufen. Zweifelsohne hat sie mir auch gefallen, aber nichts geht über das wahre, ursprüngliche Australien. Über Weihnachten und Silvester wollte ich zu Hause in ­Deutschland sein, hatte mich jedoch bereits spontan dazu entschieden, noch nach ­Thailand zu reisen – was ja als Backpacker-Paradies bekannt ist. ­ Und das ist es wirklich. In dem einen Monat habe ich sowohl den Norden als auch den Süden bereist. In Chiang Mai gabelte ich einen Belgier auf, der keinen Plan hatte, was man dort alles machen konnte. Also beschlossen wir, zusammen zu reisen, was sich als eine der besten Entscheidungen mei-

nes Lebens herausstellte. Ich glaube, ohne ihn hätte ich mich niemals auf einen Motorroller getraut. Was man in Thailand auf keinen Fall verpassen darf? Den Norden. Vor allem Pai – eine beliebte Hippie-Stadt. Perfekt zum Wandern und auch gut, wenn man Wasserfälle mag, von denen ich nicht genug kriegen kann. Im Süden gibt es wunderschöne Strände, was auch cool war. Ich bin allerdings nicht der Typ, der sich sieben Tage die Woche einfach an den Strand legt und nichts tut. Wenn ich reise, will ich was erleben. Und das habe ich. Welches Land das Schönste war? Das kann man nicht so pauschal sagen. Es waren drei komplett unter­ schiedliche Länder, jedes hatte seinen Reiz, überall hatte ich ­unterschiedliche Erlebnisse. Ich finde, dass es auch an den Menschen liegt, die man trifft. Wenn man die richtigen Leute um sich hat, kann ­ man sogar einen Ort wie ­Meekatharra – eine „Stadt“ mitten in der Wüste fernab jeglicher ­ Zivilisation, in der

das Highlight die jährlichen Pferderennen sind – toll finden. Das einzig Traurige an so einer Reise ist die Rückkehr in den Alltag. Es ist teilweise schwierig, sich wieder an zu Hause zu gewöhnen. Dort hat sich kaum etwas verändert. Man selbst sich hingegen schon. In den zwei Monaten zwischen ­Australien und ­Thailand hatte ich so gut wie nichts zu tun und meine Freunde hatten keine Zeit für mich. Ich habe mich wahnsinnig einsam gefühlt, wollte einfach nur wieder zurück. Natürlich weiß ich, dass das Leben nicht nur aus Reisen besteht, also fing ich an, zu studieren. Ich kann nur empfehlen, sich zu beschäftigen. Ich vermisse das Reisen zwar immer noch, aber nun habe ich etwas zu tun, anstatt daheim zu sitzen und nachzudenken. Es ist wichtig, dem Backpacking-Leben nicht nachzutrauern, sondern glücklich auf diese wunderschöne Zeit zurückzublicken. Denn diese Erlebnisse können einem nicht mehr genommen werden. Und wer weiß, wohin die Reise als nächstes geht. Julia Kerscher (OMM)


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Nächtliche Traumerlebnisse – Skurril und einmalig Manche jagen Verbrecher oder kämpfen gegen zottelige Monster, andere treffen ihren heimlichen Schwarm oder verspeisen haushohe Schoko­ torten. Die Vielfalt an Träumen ist unbegrenzt. Wir begeben uns im Schlaf in fremde Welten, erleben neue Dinge und entfliehen den Grenzen unserer Realität. Im Traum ist alles möglich. Geträumt wird in den REM-Phasen, die sich alle 90 Minuten wiederholen und in denen unser Gehirn am aktivsten ist. REM steht dabei für Rapid Eye Movement – die Schlaf­phase, in der sich unsere Augen schnell hinter den geschlossenen Lidern bewegen. Gegen Morgen werden diese Phasen immer länger, weshalb Langschläfer meist von noch ­ unwirklicheren Träumen heimgesucht werden als Frühaufsteher. Es gibt verschiedene Theorien zu der Frage, warum wir träumen. Die einen Forscher meinen, durch die Kreativität der Träume finden wir Lösungen für unsere akuten Probleme. Andere sind der Meinung, dass wir uns im Schlaf auf bestimmte Situationen vorbereiten und praktische Fähigkeiten trainieren. Auch

wenn das Warum noch nicht eindeutig geklärt werden konnte – jeder von uns träumt. Der Unterschied besteht nur darin, dass sich nicht alle an ihre Träume erinnern. Aber keine Angst, wenn ihr regelmäßig von abwegigen und verrückten Dingen träumt. Ich habe mich mal an der HdM umgehört und hier die skurrilsten Traumerlebnisse eurer Mitmenschen aufgelistet. „Meine Top 3 der seltsamsten ­­Träume: Platz 3: Mein Vater war ein Serienmörder. Er hatte eine Art Racheaktion geplant und lauter Kinder umgebracht. Als ich ihn im Traum darauf angesprochen habe, fand er das überhaupt nicht schlimm. Platz 2: Ich war ein Marshmallow und wurde von meinen Klassenkameraden gegessen. Platz 1: Ich hatte als Kind einen Albtraum, dass ich als Fußballer im Stadion gegen einen Pfosten gelaufen bin. Dabei habe ich ein komisches Geräusch gehört und der Himmel hat sich schwarz-weiß-­ zebra-mäßig verfärbt. Ich bin aufgewacht, in die Kü-

che gegangen und habe auf die Uhr geschaut. Genau in dieser Sekunde war Zeitumstellung und die Uhr hat sich um eine Stunde zurückgestellt.“ Während meiner Umfrage bin ich noch auf ganz viele andere kuriose Traumerlebnisse gestoßen, die ich euch natürlich nicht vorenthalten will. „Ich hab‘ mal geträumt, dass die HdM am Meer läge. Alles war in ein schönes Licht getaucht, so rosa wie in der Dämmerung. Als ich das ­Gebäude gewechselt habe, bin ich am Strand vorbeigekommen. Nach den Vorlesungen habe ich die ganze Zeit am Meer gechillt. Es war einfach traumhaft schön. Dann bin ich ­aufgewacht und war unglaublich traurig, weil ich nicht wirklich am Meer war.“ „Ich war mit Leuten unterwegs und wir sind an einem Briefkasten ­vorbeigekommen, der geruckelt hat. ­Plötzlich ist er aufgegangen und­darin lag ein Mann. Der Mann hat sich entfaltet und ist mit uns mitgegangen. Doch auf dem Weg war er plötzlich immer wieder im Brief­kasten.“


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„Ich hatte Kunstunterricht im ­Freien vor einer Burg und musste eine Landschaft malen. Dann habe ich ­ mich mit einem Kumpel, der neben mir saß, gestritten, aber wir haben uns wieder mit einem Handschlag vertragen. Plötzlich hatte ich ein Gewehr in der Hand und habe wild rumgeballert und Leute erschossen. Das hat mega Spaß gemacht, weil es sich genau wie ein Ego-Shooter angefühlt hat.“ „In einer nett eingerichteten ­Kneipe in einem Dorf war eine Party. Ich musste in einer Seitenstraße parken, weil vor dem Haus kein Platz mehr war. Als ich gehen wollte, habe ich festgestellt, dass mein Auto schon wieder geklaut worden war. Ich habe die Polizei angerufen, doch die hat sich gar nicht dafür interessiert. Daraufhin war ich so frustriert, dass ich aufgewacht bin.“ „Ich habe geträumt, dass mein Vater mich wie ein Tier einschläfern ­lassen wollte. Deshalb habe ich mich versteckt, aber er hat mich gefunden. Ich habe gebettelt, dass er das nicht tun

soll, weil er das schon mal gemacht hat und es nichts gebracht hat. Das Problem, das ich im vorigen Leben schon gehabt hatte, hatte ich immer noch, nachdem ich wieder zum Leben erwacht war.“ „Es war ein typischer Albtraum: ­Alles Mögliche ist schiefgegangen und

meine Mutter ist sogar gestorben. Alle Menschen waren total traurig und verzweifelt. Doch ich war überhaupt nicht betroffen, weil ich aus irgendeinem Grund wusste: Das ist nur ein Traum. Also wollte ich alle beruhigen, doch das hat nicht funktioniert, weil mir keiner geglaubt hat, dass ich träume.“


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Das Phänomen, sich in einem Traum darüber bewusst zu werden, dass man träumt, wird luzides Träumen genannt. Diese Klar- bzw. Wachträume kannst du willentlich steuern und selbst entscheiden, was du tun möchtest. Es fühlt sich alles real an, doch sind dir und deiner Fantasie keine Grenzen gesetzt. Dadurch, dass du dich in einer Traumlandschaft befindest, kannst du beispielsweise ins All fliegen oder eine unbekannte Welt erkunden. Jeder kann die Zeit und Unbegrenztheit des Traums optimal für sich nutzen. Künstler können ihre Träume so lenken, dass sie darin ihre

Zeichentechniken üben und kreative Ideen sammeln können. Menschen, die mit versteckten Ängsten zu kämpfen haben, können sich diesen im Traum gezielt stellen und sie bekämpfen. Oder man begibt sich auf Abenteuer, die man in der Realität nicht erleben kann. Es gibt bestimmte Methoden, durch die man sich gezielt in diese Klarträume versetzen kann, doch das gelingt nur mit viel Übung. Beginnen sollte man damit, alle Träume zu notieren und sich nach Traumanzeichen umzusehen, anhand derer man bemerkt, dass man träumt. Dies sind

beispielsweise abnorme Formen, wie ein rundes Buch, oder Aktionen, die in der Realität nicht stattfinden können, wie etwa Fliegen oder Atmen unter Wasser. Durch Realitätschecks bemerkt man dann im Optimalfall, dass man träumt, und kann versuchen, den Traum selbstständig zu lenken. So spannend und interessant Träume auch sein können, wir sind besonders nach Albträumen doch immer wieder froh aufzuwachen. Die Realität ist meist doch gar nicht so schlecht, findet ihr nicht auch? Katja Lemmingson (MW)

VINCENT WILL MEER

Schauspiel von Florian David Fitz 16. Juni bis 22. Juli 2017 00 : 0711 / 22 77 Karten

ielbuehnen.de www.schausp


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Ghosting – spurlos verschwunden Tagtäglich begegnen wir fremden Menschen, knüpfen neue ­ Kontakte und lassen uns auf verschiedene Charaktere ein. Wenn sich der Kontakt intensiviert und die Chemie stimmt, entwickelt sich manchmal sogar mehr – der Beginn einer g ­ uten Freundschaft, das Anbahnen einer Liebelei oder die Entstehung einer festen Partnerschaft. Doch was, wenn sich die Person auf einmal nicht mehr meldet und nicht mehr zu erreichen ist? Der plötzliche Kontaktabbruch und das scheinbar spurlose Verschwinden einer Person werden als Ghosting bezeichnet. Für den Verlassenen ist das Phänomen unverständlich. Erst war man noch gemeinsam im Kino, schrieb sich rund um die Uhr und hatte sogar schon das nächste Treffen vereinbart. Doch von jetzt auf gleich wird vom anderen ohne jegliche Erklärung oder Vorwarnung jeder Kontaktversuch ignoriert. Das macht der Ghost so lange, bis der andere es aufgibt, nach ihm zu suchen, und unfreiwillig akzeptiert, dass der Kontakt vorbei ist.

Kontaktabbruch in ­Sekundenschnelle – Ein Klick und weg Ghosting existiert nicht erst seit gestern, bereits vor der R ­ ­ evolution des Internets gab es dieses Phänomen. Jedoch hat Ghosting ­ durch die neuen Möglichkeiten der Kommu­ nikation über das Internet eine e ­ xtremere Form angenommen. In ­sozialen ­Medien kann man blitzschnell aus dem Leben des anderen verschwinden. Mit nur einem Klick ­ hat man die Person auf WhatsApp blockiert, die F ­ acebook-Freundschaft gekündigt oder die Snapchat-Story ­ verborgen. Doch wieso brechen manche Menschen den Kontakt auf solch eine extreme Art ab? Es gibt selbstverständlich keine allgemeine Erklärung für dieses Handeln. Auf den ersten Blick würde man vielleicht sagen, dass solche Menschen feige sind. Sie drücken sich vor einer Diskussion, womöglich sogar vor einer Auseinandersetzung mit dem Verlassenen. Für sich selbst haben sie die Entscheidung, den anderen nicht mehr zu sehen, bereits gefällt und sind sich sicher, dass der Kontakt beendet werden soll. Wenn zum Dating-Partner


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oder der neuen Bekanntschaft noch keine feste Bindung besteht, sehen die Ghosts keine Notwendigkeit darin, sich dem anderen zu erklären. Dabei spielt das Internet eine wichtige Rolle – was für viele Menschen als digitaler Kontakt begann, muss für sie nicht persönlich beendet werden. Hinter der vermeintlich feigen Entscheidung steckt mehr Am größten aber ist die Angst, den anderen zu verletzen. Ebenso möchte man sich selbst vor der Reaktion des anderen schützen. Ghosts entwickeln Gefühle wie jeder andere und auch für sie ist es ein schwieriger Schritt, jemandem das Ende einer Beziehung oder Freundschaft beizubringen. Aller­dings denken viele dabei nur an sich selbst. Wenn sie den Kontakt nicht offiziell abbrechen müssen, gehen sie nicht als „der Böse“ aus der Beziehung und wahren ihr Selbstbild. Oft haben sie auch Angst davor, sich bei einer Aussprache zu blamieren, oder wissen nicht, wie sie sich erklären sollen – in der Regel gibt es keine richtige Erklärung für die Beweggründe des Ghosts.

Betrachtet man das Phänomen Ghosting allerdings näher, erkennt man, dass in vielen Fällen hinter der Entscheidung mehr als nur Feigheit steckt. Viele Personen leiden unter einer Bindungsangst. Es wird ihnen zu ernst mit dem anderen. Sie wollen sich ausleben, ihre Freiheit genießen, sich nicht auf eine einzige Person ­fixieren. Daher brechen sie den Kontakt ab, anstatt ihn zu intensivieren. Eben Wolke 7 mit dir – und jetzt unten wieder ganz allein So schwer es den Ghosts fällt, spurlos zu verschwinden und sich nicht mehr zu melden, sind in solchen ­Situationen die Verlassenen die größeren ­Opfer. Eben schweben sie noch im Liebeshimmel oder investieren ihre Zeit in eine neue Freundschaft, und plötzlich wird ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen. In ihrer ­Realität, der scheinbar rosaroten Welt, ziehen Liebeskummer, Verwirrung und Verständnislosigkeit wie Gewitterwolken am Horizont auf – das passt für sie nicht zusammen und sie befinden sich in einem Gefühlschaos. Da Ghosting-Opfer ohne Wenn und

Aber stehen gelassen werden, beginnen viele, sich selbst infrage zu stellen. Wieso meldet er sich nicht? Bin ich nicht interessant genug? Was habe ich falsch gemacht? Die Antworten darauf sind einfach zu beantworten. Man hat nichts Falsches gemacht und nichts Falsches an sich, in den meisten Fällen ist das einzig Falsche an der Situation das Handeln des anderen. Daher sollte man als Opfer nicht in Selbstzweifel verfallen oder weiterhin am anderen festhalten. Keine Anrufe, kein Hinterherlaufen. Mit seinem Verhalten hat der Ghost spätestens jetzt gezeigt, dass er es nicht wert ist, ihm nachzustellen. So schwierig es auch sein mag: Es ist am besten, die Situation so zu akzeptieren, wie sie ist, und trotz Herzschmerz weiterhin zu versuchen, das Leben zu genießen. Fest steht: Ghosting ist in allen Fällen schmerzend – ob während der Kennenlernphase, nach einer jahrelangen Beziehung oder intensiven Freundschaft. Auch wenn es ein unerklärliches Phänomen ist, ist es doch auch irgendwie beruhigend, dass


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man selbst nicht der Grund dafür ist, dass man verlassen wurde. Und wer weiß, vielleicht verschwindet, wie der Ghost, irgendwann auch die Problematik ganz von alleine… Jennifer Kögel (CR/PR)


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The Great Escape, Going Missing, ­ Set the Sails – mit Musik entfliehen Mit Musik wird alles leichter: Wäsche aufhängen, joggen gehen (wobei ich hier nicht aus eigener Erfahrung sprechen kann) oder sich nachts alkoholisiert und von ominösen Gestalten umgeben von der S-Bahn nach Hause schleppen. Musik ist treuer Alltagsbegleiter und Entertainer, kann aber noch viel mehr. Nicht ohne Grund verbinden wir bestimmte Lebensphasen oder Menschen mit diesem einen Lied oder einem Album, das wir Jahre später noch in- und auswendig können. Wenn man beim Wiederfinden der alten Musiksammlung nicht gerade vor Scham im Boden versinkt, wird man garantiert sentimental und freut sich, alte Schätze wieder ausgegraben zu haben, die einen in vergangene und längst vergessene Zeiten zurückwerfen. Sich in etwas verlieren ist besonders für Musik ein passender Ausdruck. Egal, ob man selbst Musik macht, sich auf Livekonzerten inmitten von Gleichgesinnten die Seele aus dem Leib brüllt oder sich nach einem stressigen Tag ins Bett legt und mit Kopfhörern die Ohren zustöpselt – Entfliehen geht mit dem richtigen Soundtrack (fast) immer.


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„Set the sails and just get hauled away / Maybe east or something. West was overrated anyway / The storm‘s coming down – these old walls are wearing thin. There’s an ache to this town – and something’s gotta give / If we’re digging for gold, and coming up dry, it’s just a matter of time, just a matter of time“ Dan Mangan - Set the Sails

Auch in der Musik geht es oft um Entkommen und Entfliehen. Lieder thematisieren dies auf ganz unterschiedliche Weise: sehr hoffnungsvoll und positiv oder aber aus einer scheinbar ausweglosen Situation heraus. Denn wer kennt es nicht: das Gefühl, überfordert zu sein oder auf der Stelle zu treten? – Die Interpreten dieser Lieder definitiv. Als Student ist es natürlich noch zu früh für eine Midlife-Crisis, da wir von den „echten Problemen“ des Lebens vermutlich noch weit entfernt sind. Aber ein Ausbruch aus bekannten und festgefahrenen Strukturen erscheint doch immer irgendwie ­ aufregend, abenteuerlich und sogar verlockend. Wahrscheinlich hat sich jeder schon einmal gefragt, wie es wäre, alles zurückzulassen. Meist tut man es letztendlich ja doch nicht, zumindest nicht über einen Urlaub hinaus, aber allein der Gedanke an eine Veränderung kann ab und zu tröstlich sein: Neue Orte entdecken, sich nicht um den altbekannten Stress sorgen müssen und alles Negative hinter sich lassen – vielleicht ist das Gras woanders tatsächlich grüner?

Elbow Any Day Now Jamie Cullum All At Sea Curtis Harding Castaway MT Desolation Departure Ages and Ages Divisionary Jason Mraz The Freedom Song Maximo Park Going Missing Tokyo Police Club Gone Glass Animals Life Itself The Wombats Moving to New York Raleigh Ritchie Never Say Die Cold War Kids Open Up the Heavens Foals Out Of the Woods Arcade Fire Ready to Start Vampire Weekend Run P!nk Runaway Foals Spanish Sahara Lewis Del Mar Such Small Scenes Incubus Throw Out the Map We Are Scientists The Great Escape


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„Cut loose like an animal, fired out like a cannonball / But I waited too long, yeah I waited too long / Got high from a holy vein, crashed down in a hurricane / Love has been here and gone, love has been here and gone.“ Royal Blood - Ten Tonne Skeleton

Verlassen und verlassen werden – ein allgegenwärtiges Thema in unzähligen Liedern. Das Ende einer Beziehung und die Flucht in ein n ­ eues Leben ohne den/die andere/-n – manchmal eine Befreiung, meistens schmerzhaft und immer perfektes Songtext-Material. Oft merkt man nach den ersten paar Takten, ob der Künstler selbst den Schlussstrich gezogen hat oder verlassen wurde. Und, viel aufregender, ob und wie er/sie mit der Situation klarkommt. Auf ein Schlagzeug einprügeln und bei kreischenden Gitarren seine Gefühle herausschreien oder begleitet von melancholischen Klavierakkorden und mit zitternder Stimme eine Abschiedsbotschaft hauchen – vieles lässt auf den Grad der emotionalen Gebrochenheit schließen und steckt den Hörer auf irgendeine Weise an. Ob man nun Rotz und Wasser heult oder wie besessen Möbelstücke in Kleinteile haut, Trennungslieder können die perfekte Begleitung sein, egal ob man selbst tatsächlich eine Trennung hinter sich hat oder

nicht. Die Bandbreite der Songs zu diesem Thema ist gewaltig: von klischeehaft-schnulzig über todtraurig zu mörderisch-hasserfüllt. Am offensichtlichsten wird die Gefühlslage natürlich im Songtext selbst („I am short on words“ vs. „F*ck yourself and f*ck this bleeding heart of mine) – welche Herangehensweise nun gesünder ist, ist wohl Ansichtssache.

Twin Atlantic A Scar to Hide White Lies Farewell to the Fairground P!nk Just Like a Pill Minus the Bear Last Kiss Maximo Park Leave This Island Incubus Leech Villagers Memoir The Black Keys Next Girl Band of Horses No One’s Gonna Love You Lukas Graham Ordinary Things The Veils Out From the Valley & Into the Stars Daniel Merriweather Red Bon Iver Skinny Love Alex Clare Sparks Royal Blood Ten Tonne Skeleton The Fray Ungodly Hour


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„The headlines drip with horror / beware, beware, ­beware! The news say no tomorrow / but how can I be scared in her arms? / World, do your worst / She and I have closed our eyes / And lifted every curse / We‘re away.“ Elbow - We’re Away

Wenn Lieder von Liebe handeln, geht es natürlich nicht immer nur um Herzschmerz. Zum Glück gibt es Musiker, die auch das Verliebtsein in ihre Texte packen, subtil oder überschwänglich, ganz romantisch oder voller Witz. Adressant oder Hauptperson des Stücks ist mal der oder die Ange­ betete, mal der Langzeitpartner und mal eine Person, die man noch nicht gefunden hat, auf die man aber bald zu treffen hofft. Natürlich ist auch hier nicht immer alles wunderschön und rosarot, es gibt schließlich unheimlich viele Stufen zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Liebeslieder sind also mindestens so vielschichtig wie Trennungslieder.

Tatsächlich haben viele der Songs aber eines gemeinsam: Überraschend oft geht es darum, zusammen durchzubrennen und zu verschwinden, wörtlich oder sinnbildlich. Seufz. Vintage Trouble From My Arms To Kill A King I Work Nights And You Work Days Hozier Jackie And Wilson James Blake Meet You In the Maze Bloc Party Mercury Punch Brothers New York City Tired Pony Point Me At Lost Islands The Lumineers Sleep On the Floor Charlie Winston Soundtrack to Falling In Love Twentyone Pilots Tear In My Heart Alt-J Tessellate Maximo Park Until the Earth Would Open Elbow We’re Away


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Alle Songs als ­YouTube-Playlist Alina Martin – Escape

Natürlich gibt es viele weitere Kategorien, aber alles in Schubla­ den zu stecken, wäre langweilig. Das Schöne an der Musik ist ja die Vielschichtigkeit, somit sind Lieder Interpretationssache und können für jeden eine andere Bedeutung haben. Wer beim Lesen der VielSeitig passende musikalische Untermalung möchte, findet hier eine letzte kleine Escape-Playlist:

Jungle Accelerate Punch Brothers Between 1st and A Johnny Flynn Country Mile Incubus Drive Half Moon Run Fire Escape Tall Ships Gallop Cold War Kids Go Quietly Arcade Fire In the Backseat Alt-J Leaving Nara Gregory Porter Movin‘ Fleet Foxes Mykonos The Cast of Cheers Palace And Run Everything Everything Radiant The Head and the Heart Rivers And Roads Villagers Set the Tigers Free SOHN Rennen Hozier Run Vintage Trouble Run Like the River The National Runaway Brandon Boyd Runaway Train The Black Keys Sinister Kid Jamie Woon Street Franz Ferdinand Walk Away Wild Beasts Wanderlust

…Und hier noch eine kleine Auswahl an Liedern für alle, die genug von der ganzen Aufbruchstimmung haben:

Charlie Winston Back Home Jamie Cullum Back to the Ground Two Door Cinema Club Come Back Home Anderson.Paak Come Down OneRepublic Come Home Franz Ferdinand Come On Home MT Desolation Coming Home Lukas Graham Happy Home Villagers Home Twentyone Pilots Hometown Bombay Bicycle Club Home By Now Jack Garratt My House Is Your Home The Black Keys Run Right Back Maximo Park Take Me Home You & Me Open Door Tired Pony Your Way Is the Way Home Cold War Kids No Reason to Run Maximo Park I Want You to Stay

Alina Martin (MP)


, E M L I F N E T S E B D N U DIE O S BESTER . D L I B S E T S E B D UN

S E T BES ! S I N B E L R E O N KI


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Flucht aus der Einsamkeit Ich saß an meinem Schreibtisch. Niemand war bei mir, ich war alleine. Gefangen im Strudel meiner Gedanken. Draußen war es kühl und es nieselte ein bisschen, obwohl es schon Mai war. Ich hatte mich bereits auf den Sommer gefreut, auf längere fröhliche Tage und weniger deprimierende Nächte. Stattdessen wurde die Sonne von Wolken verdeckt und nahm dem Tag all seine Schönheit. Es war bereits später Nachmittag. Eigentlich hätte ich mich auf die Party am Abend vorbereiten können, aber ich tat nichts dergleichen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich Lust hatte hinzugehen. Es würde ohnehin niemanden kümmern. Aber was sollte ich tun? Ich fühlte mich so einsam, doch ich war mir ziemlich sicher, dass die Party meine Situation nicht verbessern, ja wahrscheinlich sogar verschlimmern würde. Es gibt einen markanten Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit. Alleine sein zu können, ist eines der schönsten Dinge der Welt. Wenn ich alleine bin, kann ich abschalten, die Ruhe genießen. Es gibt niemanden, der mir auf den Keks geht. Ich kann die ­Serien anschauen,


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die ich möchte, die Musik hören, auf die ich gerade Lust habe. Aber einsam zu sein, ist eine Qual. Niemand will einsam sein. Aber ich war es. Und ich hasste dieses Gefühl. Das Gefühl, niemandem etwas zu bedeuten, von niemandem verstanden zu werden. Deshalb sträubte ich mich auch dagegen, auf die Party zu gehen. Ich konnte es einfach nicht ertragen, in einer großen Menschenmenge zu stehen und mich trotzdem so zu fühlen, als wäre ich ein Wesen von einem anderen Stern. Andererseits wollte ich auch nicht zu Hause bleiben und Trübsal blasen. Seufzend richtete ich mich auf und ging in die Küche. Im Kühlschrank offenbarte sich mir eine gähnende Leere. Mir fiel ein, dass ich eigentlich einkaufen gehen wollte. Ich hatte jedoch keine Lust, jetzt noch in die Stadt zu fahren. In der Speisekammer fand ich Nudeln und noch ein halbes Glas Bolognese-­Soße. Ich kippte die halbe Packung in den Topf. Die Portion reichte wahrscheinlich für drei, aber das war mir egal. Während ich den Nudeln beim Kochen zusah, vibrierte mein Handy. Zehn neue Nachrichten auf ­WhatsApp. Natürlich

in der Gruppe. Wann genau fängt die Party an? Was zieht ihr an? Kann ich mit dir nach Hause fahren? Nichts, was mich persönlich betreffen würde. ­Jedoch hatten die Nachrichten etwas in mir ausgelöst. Verzweiflung. Allem Anschein nach war ich die Einzige, die zu Hause bleiben und Däumchen drehen wollte. Aber mit wem sollte ich mich unterhalten? In meinem Kopf formte sich ein Bild. Fünf Gruppen, lachend beieinander stehend. In der Ecke kauere ich und rühre nervös in meinem Cocktail herum. Und niemand schert sich darum. Niemanden interessiert es auch nur im Geringsten. Bei der Vorstellung schossen mir Tränen in die Augen. Als mein Handy abermals vibrierte, fiel es mir beinahe in das kochende Nudelwasser. Ich öffnete WhatsApp. Zu meiner Überraschung war die Nachricht von Anna, einer Kommilitonin, die dieses Semester an unsere Hochschule gewechselt hatte, nachdem sie festgestellt hatte, dass Gesetze pauken nicht so wirklich ihr Ding war. Ich fand sie ganz nett, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt noch nicht viel mit ihr geredet hatte.


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Ich vollführte einen Luftsprung, versuchte jedoch, meine Vorfreude gleichzeitig zu dämpfen. Bei zu hohen Erwartungen wird man ohnehin nur enttäuscht. Dennoch stand mein Entschluss jetzt fest: Ich wollte auf die Party gehen. Nachdem ich ­meine Nudeln gegessen hatte, begann ich damit, mich schick zu machen. Es dauerte etwa eine Stunde, bis ich bei der besagten Party war. Natürlich verpasste ich um ein Haar die Bahn, erwischte sie aber doch noch. Als ich ankam, waren schon ein paar Leute da. Am Eingang stand Anna. Sie lächelte, als sie mich entdeckte. „Hey, schön, dass du auch hier bist.“

Kommst du heute auch zu der Party? Ich weiß es noch nicht... gehst du? Also wenn du gehst, dann würde ich auch gehen. Ich musste die Nachricht zweimal lesen, um sie auch wirklich realisieren zu können. Seit wann kümmerte es jemanden, ob ich dabei war oder nicht? Ein kleiner Anflug von Freude durchfuhr mich. Okay, treffen wir uns um 9 dort? Ja super, ich freu mich schon.

Ich lächelte ebenfalls. Als wir hineingingen, stellte ich fest, dass schon alle da waren. Und plötzlich, ganz urplötzlich nahmen sie mich wahr, begrüßten mich, sagten mir, wie sehr sie sich darüber freuten, dass ich da war. Es war ein grandioser Abend. Ich redete mit Leuten, mit denen ich mich vorher niemals getraut hatte zu reden. Auf einmal war ich nicht mehr in Einsamkeit versunken. Mir wurde klar, dass sich diese die ganze Zeit über nur in meinem Kopf abgespielt hatte. Nun war ich jemand. Ich schaute Anna an und lächelte. Danke, sagten meine Augen. Im Endeffekt braucht es nur einen en Menschen, eine Rettungsleine, die einen herauszieht aus dem Strudel. Von da an hat man das Schicksal selbst in der Hand. Julia Kerscher (OMM)


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Think outside the box... ...Think in your own box! Denken die anderen hier eigentlich, dass ich eine gute Figur habe? Sollte ich mir vielleicht auch das neueste iPhone anschaffen, um mit den anderen mitzuhalten? Wie viel Geld werde ich später einmal mit meinem Beruf verdienen? All dies sind Fragen, die jeden von uns sicherlich schon mal ­beschäftigt haben. Sie zeigen, wie unsere Gesellschaft tickt und denkt. Wir streben nach Schönheit, Stärke und Wachstum. Oder habt ihr schon einmal jemanden sagen hören: „Ich lade einfach irgendein altes Profilbild bei Facebook hoch. Ist mir egal, ob es cool aussieht und Likes bekommt.“? Oder: „Ich glaube, ich verkaufe mein Smartphone und schaffe mir ein ­Nokia 3310 an.“ Die alten Nokias haben zwar immerhin Snake ­installiert, sind aber ansonsten nicht zu vielem zu gebrauchen. In Bezug auf ­WhatsApp, Instagram und Snapchat können sie nicht mit iPhone und Co mithalten. Mithalten lautet das Stichwort des Artikels. Wir versuchen, ständig mit der Zeit zu gehen und genau das zu

haben, was alle anderen auch schon haben. Oder am allerbesten: Wir sind der Erste, der es hat. Ich spreche hier nicht nur vom Materiellem; diese Einstellung betrifft auch die Bereiche Fitness, Lebensplanung, soziale Kontakte und so weiter. Immer das zu besitzen oder das zu tun, was viele Leute haben oder machen, wird gerne auch als ­Mainstream bezeichnet. Das bedeutet so viel wie Massenstrom. Und obwohl wir immer alle gerne behaupten, Mainstream sei langweilig und wir wären ja nicht so, können wir uns doch nicht so ganz davon abheben. Hier findet ihr drei vollkommen unterschiedliche Geschichten von Menschen, die genau in dieser Hinsicht einen gesellschaftlichen Lebenswandel durchgemacht haben. Vielleicht inspirieren euch diese Geschichten ja, einmal selbst außerhalb der Box zu denken. Ein gesellschaftlicher Zwang, der immer mehrzunimmt: perfektes Aussehen. Bei Frauen heißt das: runderer Po, volle Lippen oder mehr Oberwei-

te. Bei Männern: mehr Muskeln oder stärkerer Bartwuchs. Auch April Michelle Brown aus Florida, die gegenüber der britischen Fernsehshow This Morning erzählte, dass sie schon als Kind aufgrund ihres flachen Hinterns geärgert wurde, wollte sich verändern. Sie ließ sich privat Silikon injizieren, um Kosten für den Schönheitschirurgen zu sparen. Erst als die Stellen, an denen die Nadeln gesetzt wurden, hart wurden und sie immer mehr Schmerzen hatte, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Nach jahrelangen Schönheitsprozeduren ging sie zu einem Arzt, der feststellte, dass Brown herkömmliches Silikon gespritzt worden war. Also das, das wir im Baumarkt kaufen und etwa zum Abdichten unserer Fliesen benutzen. Da fragt man sich doch ernsthaft, wer auf solche Ideen kommt. Es folgten 27 Operationen, doch die Ärzte konnten ihr nicht helfen. Sie bekam eine schwere Infektion und um ihr Leben zu retten, amputierten ihr die Ärzte beide Arme und Füße sowie das Gesäß. Heute betreibt Brown einen eigenen


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Blog und hat ein Buch geschrieben. Gegenüber „This Morning“ äußerte sie, dass sie sich wünscht, ihre Erfahrungen nutzen zu können, um andere Frauen über die Gefahren von Eitelkeiten aufzuklären. Ganz ehrlich, habt ihr schon mal ein Foto von einer Person gesehen, die nach einer Operation schöner ­aussah als zuvor? Die eigene Schönheit sollte einem auf keinen Fall wichtiger sein als Glück und Gesundheit. Ein Hintern à la Kim Kardashian und ­Jennifer Lopez beschert einem vielleicht die meisten Likes auf Instagram und Facebook, ist aber sicherlich kein Glücksgarant. In eine ganz andere Richtung geht die Geschichte von Alexander Hartmann aus der Schweiz. Ganze 20 Jahre lang lebte er den Banker-Lifestyle: 60- bis 70-Stunden-Woche und Geschäftsreisen um die ganze Welt. Belohnt wurde der Dauerstress mit einem hohen Lohn, einem Audi A5 und einem e ­dlen Weinkeller. Doch all das konnte er nicht wirklich genießen, denn ihm fehlte nicht nur die Zeit dazu, er litt auch über Jahre unter gesundheitlichen Problemen. Darüber hinaus seien, so die ­Süddeutsche Zeitung, die Mitarbeiter der Bank, bei der auch Alexander Hartmann angestellt war, nur noch wie seelenlose Automaten behandelt worden. Für die Bank sei Wachstum wichtiger gewesen. Und so entschied er sich 2009, seinem alten Leben komplett

den Rücken zuzukehren und Praktikant in einem Waisenhaus in Basel zu werden. Es folgten ein Studium der Sozialarbeit und ein neuer Lebensabschnitt, in dem er nun zwar deutlich weniger verdient, aber mehr Zeit mit der ­Familie und Freunden verbringen kann. Seinen Audi hat er verkauft. In einem Interview mit dem Spatz Online erklärte er, er habe seinen Statusverlust nie bereut und finde es sehr spannend, etwas Neues kennenzulernen und eine Arbeit zu machen, bei der er menschlich viel Positives bewirken könne. Natürlich darf an dieser Stelle auch eine schön klassische „Aussteigergeschichte“ nicht fehlen – so, wie wir sie uns vorstellen – mit Job kündigen, Welt bereisen und im Minimalismus leben. So eine Story haben Gabi und Christian Hajek aus Braunschweig erlebt. Mit 43 Jahren kündigten sie ihre Jobs, um mehr aus ihrem Le-

ben zu machen und die Welt zu sehen. Heute betreiben sie die Website www.ratgeber-aussteigen.de, auf der sie anderen Menschen von ihrem Lebenswandel berichten und Tipps geben, wie dies für jedermann möglich ist. Sie bereisten Länder wie Australien, Nepal und Kanada. Meist bewegen sie sich auf ihren Reisen mit Fahrrädern fort, geben ihr Geld nur für das Nötigste aus und kehren immer wieder nach Deutschland zurück, um mit verschiedenen kleinen Jobs wieder etwas Geld zu verdienen. Nein, ihr sollt jetzt nicht das Studium abbrechen, die Taschen packen und jegliche Zivilisation hinter euch lassen, weil euch hier alles zu bunt wird. Seht es vielmehr als Inspiration. Wir machen so viel in unserem Alltag, ohne es zu hinterfragen, nur weil es andere auch so machen. Dabei macht es uns oft gar nicht zwingend glücklich. Man muss nicht radikal an-


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fangen, gegen den Strom zu schwimmen. Es würde schon reichen, in seinem eigenen Strom zu schwimmen. Aber wie kann man damit anfangen? Vielleicht bei der Vorbereitung für die nächste Party mit dem Outfit einfach mal nicht versuchen, andere zu beeindrucken, sondern sich selbst. Die Geschichte des Schweizer ­Bankers zeigt etwas, das gerade für uns Studenten wichtig ist. Wir sollten unser Leben nicht nach Wo kann ich damit später am meisten Geld verdienen? planen, sondern das Studium mit dem Gedanken Macht es mir Freude und kann ich damit später ein ganzes Leben glücklich verbringen? angehen. Auch bei der Like-Sucht in den sozialen Netzwerken, von der wir heute beherrscht zu sein scheinen, kann man eine Gegenbewegung setzen, indem man zum Beispiel im Urlaub oder mit Freunden einfach mal nicht versucht, das tollste Bild zu machen, das die meisten Daumen hoch kriegt, sondern einfach mal den Moment genießt. Da bleiben sicherlich hinterher mehr glückliche Erinnerungen hängen als bei jedem Post online.

Und was wir auch verlernt haben: Nein zu sagen! Wir sagen viel zu oft ja zu allem aus Angst, unten durch zu sein. Es ist aber wichtig, auch einmal nein zu sagen, wenn einem etwas nicht in den Kram passt. Isabel Riedel (CR/PR)

Eine kleine Anregung zum Schluss: Wer sich näher mit Gesellschaftsaussteigern und Lebenswandlern beschäftigen möchte oder einfach mal verstehen will, wie unsere Gesellschaft heute sonst noch so tickt, dem sei das Buch „Stadt, Land, Überfluss – Warum wir weniger brauchen als wir haben“ von Jörg Schindler ans Herz gelegt. Hier findet ihr auch nähere Informationen zu den Geschichten von April Brown und Alexander Hartmann.


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Throwback – die Sehnsucht nach alten Zeiten #ThrowbackThursday – ein Hashtag, den fast jeder, der auf Twitter oder Instagram unterwegs ist, schon einmal gesehen oder auch benutzt hat. Ein Throwback, was übersetzt etwa Rückblick bedeutet, ist das Zurückholen und Teilen alter Erinnerungen, was auch immer sie sein mögen. Kürzlich habe ich beim Durchstöbern im Keller zu Hause alte CDs, Filme und Kleidung gefunden, die mich sofort zehn Jahre zurückversetzten. Kaum zu glauben, was alles Erinnerungen in uns wecken kann. Selbst Farben und Gerüche können wir nach Jahrzehnten Ereignissen zuordnen, wenn sie eindrucksvoll genug sind. Es waren einfach Momente für die Ewigkeit. Throwbacks verkörpern Nostalgie, eine Sehnsucht nach der Kindheit, nach der Jugend, einfach nach Vergangenheit. Die Gegenwart ist komplex, ständig verspüren wir den Druck, uns gesellschaftlichem Wandel, Globalisierung und technischem Fortschritt anpassen zu müssen.

Die Welt dreht sich immer schneller und wir selbst bleiben dabei auf der Strecke. Throwbacks kommen besonders denen von uns zugute, die beruflich oder privat in Verzweiflung geraten oder gar die Hoffnung verloren ­ haben. Doch eine große Hilfe, um nach vorne zu schauen, sind sie oft leider nicht. Sie lassen uns denken, es sei sinnlos und unmöglich, im Jetzt zu leben, weil alles Lebenswerte schon gewesen ist. Nostalgie ist jedoch kein neues Phänomen. Die „Früher-war-alles-besser“Mentalität gab es schon in jeder Generation. Menschen sehnen sich von Natur aus nach Komfort, nach Einfachheit, nach Überblick. In den frühen 2000ern hatte man sich nach den 80ern gesehnt, in den 80ern nach den 60ern und am Anfang des 20. Jahrhunderts nach den Zeiten vor der Industrialisierung. Vergangenheitskult ist also nichts Neues, sondern schlichtweg etwas Natürliches. Problematisch wird es jedoch zu dem Zeitpunkt, an dem Throwbacks uns einen Teil der Wahrheit vorenthalten.


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Wieso war dann früher alles besser?

Eine Interpretation des ­neuen Liedes „Chained To The Rhythm“ der Pop-Sängerin Katy Perry bringt es ziemlich auf den Punkt. „­Comfortable living in a bubble [...] so comfortable we cannot see the trouble“ – Wir denken in einer Box, die uns die Sicht auf die andere Seite der Dinge versperrt. Das Musikvideo zeigt auf den ersten Blick einen Park in herrlichen Pastelltönen, voller eleganter, nach altem Stil gekleideter Menschen. Auf den zweiten Blick sind jedoch Missstände zu erkennen, die dem Zuschauer nicht sofort auffallen. Ein Mann und eine Frau machen gleichzeitig ein Bild von sich auf derselben Achterbahn, jedoch bekommt der

Mann deutlich mehr Likes als die Frau. In einer anderen Szene laufen verschiedene Menschen auf einer Art Laufband, ein weißer Mann, ein dunkel­häutiger Mann und eine asiatische Frau. Bei dem dunkelhäutigen Mann und der asiatischen Frau läuft das Band jedoch so schnell, dass beide stürzen. Die 60er mögen ästhetisch, glamou­ rös und romantisch gewesen sein. Aber dass Frauen am Herd zu bleiben und in der Arbeitswelt nicht viel zu sagen hatten oder Rassentrennung in den Vereinigten Staaten noch an der Tagesordnung war, wollen die meisten von uns natürlich nicht zurück.

Die meisten Kindheitserinnerungen, an die wir denken, nehmen wir als positiv wahr. Dass wir ein ganzes Jahrzehnt oder eine Ära mit dem Positiven assoziieren, liegt oft daran, dass es eben Kindheitserinnerungen sind. Als Kind freut man sich über die kleinen Dinge im Leben, schafft es, sich nur auf alles Schöne zu konzentrieren, lebt im Moment – häufig unabhängig davon, was um einen herum passiert. Man sagt, dass dieses Kindliche ein Rezept zum Glücklichsein sei. Das mag zum Teil stimmen, doch bevor wir das zu einem Lebensentwurf machen, sollten wir uns über eine Zeit als Ganzes bewusst werden. Mir persönlich gefallen 80er- und 90er-Musik sowie Mode mehr als das, was es jetzt gibt, aber über jeden menschenrechtlichen Fortschritt bin ich dankbar. Ein Vorschlag für diejenigen von uns, die noch an einigen Throwbacks hängen und nicht wissen, wohin: Sucht euch das Beste (individuell Passendste) aus Vergangenheit und Gegenwart aus. Man kann beispielsweise auch ohne Smartphone leben und muss damit nicht gleich in eine Klassengesellschaft zurückwollen. Wie man so schön sagt, das Beste aus zwei Welten. Anne Le (MW)


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Kein Entkommen Beamte treffen bei ihren Einsätzen täglich auf Menschen im Ausnahme­ zustand. Die stets begleitende ­Leitlinie der Polizisten: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Doch wie ­wirken sich die Einsätze auf die Polizisten aus? Wie wird mit Erlebnissen umgegangen? Was bedeutet das Wort „Flucht“ für sie? Seit 31 Jahren ist Stuttgart das Einsatzgebiet von Andreas Neher. Im Streifendienst lernt er die Stadt von einer neuen Seite kennen. Als Dienstgruppenleiter des Polizeireviers 1 ist Neher einer hohen Einsatzbelastung ausgesetzt. Heute ist die Planung der Einsätze für Großveranstaltungen, wie etwa das Stuttgarter Frühlingsfest, Teil seines Aufgabengebiets. Mit dem Begriff „Flucht“ verbindet er drei Punkte, die sich an seinen Beruf anlehnen. Neher erinnert sich an eine Nacht, in der er mit dem Reflex „Flucht vor der Polizei“ konfrontiert wurde: „Wir sind ausgerückt, um eine Rechtsanwaltskanzlei zu prüfen. Ein Nachbar meldete Scheibenklirren.

Ich positionierte mich zufällig neben einem Fenster, als just in diesem Moment der Einbrecher aus dem Fenster sprang.“ Der Täter flüchtete. Doch Nehers Ehrgeiz verlieh ihm Geschwindigkeit. Er konnte den Einbrecher festnehmen.

Flüchtende Täter ­gehören für Beamte zum Alltag. Flüchten ­Polizisten auch? Sobald Polizisten an einem Einsatz­ort ankommen, begegnen sie Menschen, die sich meist in einem psychischen Ausnahmezustand befinden. „Unsere Aufgabe ist es dann, Psychologen zu sein, schnelle Lösungen zu finden, Gesetze zu kennen und über Maßnahmen zu entscheiden.“ Die Beamten funktionieren. ­ Adrenalin treibt die Situation voran und ermächtigt sie, den Einsatz zu bewältigen. „Was danach ist, ist eine ganz andere Frage. Sobald man Zeit zum Nachdenken hat, wird einem das Erlebte erst bewusst,“ so Neher. Um nicht in diese

Gedanken zu flüchten, treffen sich die Kollegen nach Schichtende im Sozialraum. Es hat für die Kollegen hohe Priorität, sich über den Einsatztag auszutauschen. Nehers prägendster Einsatz war eine Leiche im S-Bahn-Tunnel. „Eine Frau ist vermutlich in suizidaler Absicht der einfahrenden S-Bahn im Tunnel entgegengelaufen. Sie wurde überrollt und zerstückelt. Die Suche war schrecklich… Bilder, die ich nicht vergessen kann.“ Bei außergewöhnlichen Erlebnissen kommen Konflikthandhaber zum Einsatz. Sie arbeiten ebenfalls für das Polizeipräsidium Stuttgart, stehen Tag und Nacht zur Verfügung und helfen, Einsätze zu verarbeiten. Auch gemeinsame Unterhaltungen und Seminartage mit Polizeipfarrern helfen den Beamten. „Zu Berufsbeginn war es eher so, dass sich die Kollegen mit Heldentaten bei Einsätzen gebrüstet haben. Heute unterstützt unter anderem eine moderne Polizeiausbildung die


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Verarbeitung. Bei Dienstbesprechungen wird auf besondere Einsätze eingegangen. Zu sagen, wie man sich fühlt, ist keinesfalls eine Schwäche. Ich kenne meine Kollegen und weiß, wie jeder persönlich mit ungewöhnlichen Erlebnissen umgeht.“ Das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familie ist entscheidend, das möchte Neher erhalten. Die Familie des Polizisten ist sein sicherer Hafen. „Zu wissen, dass man zu Hause einen Ansprechpartner hat, ist sehr wichtig“, sagt Neher.

Eine Zeitspanne, die Neher mit dem Wort „Flucht“ verbindet, ist das Flüchtlingsjahr 2015. Er leitete einen Einsatz: „Das ‚Hotel Am Schlossgarten‘ meldete 30 Flüchtlinge in seinem Eingangsbereich, darunter 19 Kinder. Schlepper hatten sie vor dem Hotel abgesetzt. Wir brachten die Flüchtlinge in den Hauptbahnhof Stuttgart und ver-

sorgten sie mit Tee. Es war unsere Aufgabe, den Einsatz zu koordinieren.“ Die Flüchtlinge hatten keine Papiere und Ausweise und sprachen kein Deutsch. Die Kleinkinder hatten starken Husten. Die Beamten riefen einen Arzt und organisierten eine Bahnfahrt nach Karlsruhe zur Landeserst­aufnahmestelle. „Ein Einsatz, den ich nicht vergessen werde. Wegen diesen Einsätzen habe ich mich für den Beruf des Polizisten entschieden. Es klingt zwar banal, aber ich möchte den Menschen einfach helfen. Wir haben es täglich mit unangenehmen Situationen zu tun. Doch das erfüllende Gefühl, geholfen zu haben, überwiegt.“ Marie Messmer (CR/PR)


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Eskapismus: Wohl oder Übel Eskapismus, auch Realitäts­ flucht, Wirklichkeitsflucht oder Weltflucht, bezeichnet die Flucht aus oder vor der realen Welt und das Meiden dersel­ ben mit ihren Anforderungen zugunsten einer Scheinwirklich­ keit, d. h. imaginären oder mög­ lichen besseren Wirklichkeit. - Wikipedia: Eskapismus


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Abgasaffäre, Brexit, China, Donald Trump, Erdoğan, et cetera, et ­cetera… Ich traue mich gar nicht, die ­Liste weiterzuführen, denn das ABC der großen und kleinen Sorgen und Spannungen im Weltgeschehen wird gefühlt immer länger. Wen wundert es da, dass die Verkäufe von ­neuen ­Medien, wie DVDs und Blue-Ray-­ Discs, Streams und Dateien, zunehmen; die Leute immer mehr Zeit im Netz statt offline verbringen? Irgendwann hängt einem der ganze Schmu gehörig zum Hals heraus. Genug mit der Weltuntergangsstimmung! Wenn ich abends nach Hause komme, will ich die Realität am liebsten komplett aus­ blenden. Und doch fragt manchmal eine Stimme so ganz leise im Hintergrund: „Ist das eigentlich ­richtig? Es gab eine Zeit vor Computern und Fernsehern, daran erinnern uns Oma und Opa so gerne. Es gab auch eine Zeit vor moderner Medizin und einer demokratischen Gesellschaft, bloß kommt da keiner auf die Idee, deren Sinnhaftigkeit zu hinterfragen. Das Traditionsargument zählt nicht! Fortschritt lässt sich nicht selektiv

eingrenzen. Früher war alles besser? Kommt ganz stark darauf an, welche Bevölkerungsgruppe wir fragen… Viel wirksamer werden bei den ­Millennials und den nachfolgenden Generationen Schuldgefühle ausgelöst, wenn man behauptet, wir würden uns ja kaum noch um unsere Mitmenschen kümmern. Unsere Generation zündet schon mal einen Obdachlosen an oder ein Flüchtlingsheim. Wenn das dann in den Nachrichten erwähnt wird, fühlt man sich schon irgendwie schlecht. Vielleicht schreibt man dann einen Status auf Facebook oder schreit seine Meinung auf Twitter raus (das geht so wunderbar differenziert, wenn man ganze 140 Zeichen hat). Das eigene Ego dürfte als einziges davon profitieren. Ist schon was dran an der Kritik. Entweder wir ignorieren ein Problem, bis es sich hoffentlich von selbst löst (die NATO drückt den Syrern ganz fest die Daumen) oder suchen uns ein Placebo, um unsere Schuldgefühle loszuwerden. Ist es also richtig, die sozialen Netzwerke als Sündenbock darzustellen?

Die eigentliche Weltenflucht erlauben die Medien. Dank Netflix kann man locker ganze Wochen mit Serien verplanen, der geizige Schwabe schaut nicht nur in die Röhre, sondern auch YouTube. Die schiere Menge an Unterhaltung, die uns zur Verfügung steht, ist unvorstellbar. Seriöse Medien wie Zeitungen und News-Portale sind dagegen auf dem absteigenden Ast; längst dominieren Listicle („10 Dinge, die irrelevant sind“ ) und Quiz („Welches Sandwich bist du?“). Seichte Unterhaltung also, das wollen und kriegen wir. Immer mehr und immer dümmer. Beyoncé postet ihren Babybauch und plötzlich ist alles andere vergessen. Es sind übrigens Zwillinge. Wie süß ist das denn? „Schöne neue Welt“ ist ein alter Schinken aus dem Jahr 1932 – und doch erschreckend modern. Es geht um eine Utopie der Welt, jeder ist glücklich und fröhlich und nie, wirklich niemals traurig. Wäre auch komisch, denn in dieser Welt gibt es das perfekte Entertainment für jeden. Alles ist auf maximale Befriedigung ausgelegt, wer doch einen wachen


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Moment hat, genehmigt sich umgehend eine Dosis Glücklichmacher, gesponsert vom Staat. Wen kümmert da noch die Manipulation und Ausbeutung der Masse? Wer stört sich daran, nur noch Konsument und Arbeiter zu sein? Viel zu schön ist die Freizeit, als dass man sie mit dem Kampf um Chancengleichheit oder Gerechtigkeit verschwenden will. Trotz der sich anbahnenden Legalisierung von Cannabis kann ich Pessimisten beruhigen: Ganz so schlimm sieht die Lage in der echten Welt dann doch nicht aus. Allerdings hat sich ein gewisser Herr Postman das Buch als Vorlage genommen, um gehörig über die Fernsehkultur abzulästern. Natürlich tut er dies als Akademiker nicht ohne schlagkräftige und lange Argumentationen, und genau aus diesem Grund fasse ich das mal gekürzt zusammen: Postman behandelt in seinem knapp über 200 Seiten langem Text die Geschichte Amerikas, eine der an Autoren, Politikern, und Wissenschaftlern reichsten Nationen. Moment, haben die nicht gerade einen orangefarbenen

TV-Clown zum Präsidenten gewählt? Und das soll eine Nation von Denkern sein? Naja, laut Postman ist es zumindest eine gewesen. Damals, noch vor den Zeiten ätzender Teeniemütter und rappender Gesäßtumore (lang lebe Silikon!), ging die ganze Familie nicht nur in die Kirche, sondern eben auch zu öffentlichen Diskussionen und Vorlesungen. Bildungsbürger war damals jeder, der lesen konnte, und das waren tatsächlich fast alle. Bücher zu grundsätzlichen Fragen und Problemen gab es ebenso wie Abhandlungen zu aktuellen Themen. Mehr und mehr Zeitungen sprossen aus dem Boden, doch ihre Titelblätter ähnelten nicht denen der Bild, schon allein, weil es kaum bis keine Bilder gab. Selbst die Werbung war in Fließtext verfasst! Doch mit der Erfindung des Telegrafen waren die „fetten“ Jahre vorbei; plötzlich konnte man ohne nennenswerte Verzögerung Nachrichten aus aller Welt empfangen. Und da nur regelmäßige Nutzung den Bau und die Instandhaltung einer solchen Leitung rechtfertigen kann, tauschte man sich über alles aus.

Der Siegeszug von Klatsch und Tratsch begann mit möglichst kurzen Nachrichten (es wurde für jeden Buchstaben bezahlt) über große Distanzen. Denn im Gegensatz zum Verlagswesen gab es keine Kriterien für Wahrheit oder Relevanz. Endgültig besiegelt wurde das Schicksal der Bildungsbürger schlussendlich durch den Fernseher, erlaubte er doch eine völlig andere Erfahrung: Berieseln lassen konnte man sich, die eigene Aufmerksamkeit war nicht mehr vonnöten. Und während die Fiktion bei Büchern immer nur ein Teil der Gesamtmenge gewesen ist, sollte der Fernseher mit seinen Sitcoms und Cartoons, Dramas und Romanzen, Shows und Filmen die Wirklichkeit mehr und mehr verdrängen. Wer sich heutzutage eine Diskussion im Fernsehen antut – im ARD und ZDF bietet man dem tatsächlich noch eine Plattform – wird grausige Szenen erleben: Da zanken und zaudern, raufen und rupfen sich die Gäste und fallen sich wieder und wieder ins Wort. Unglaublich unterhaltsam, aber nützlich? Fraglich. Und wer schaltet


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You got rid of them. Yes, that’s just like you. Getting rid of everything unpleasant instead of learning to put up with it. Whether ’tis better in the mind to suffer the slings and arrows of outrageous fortune, or to take arms against a sea of troubles and by opposing end them. But you don’t do either. Neither suffer nor oppose. You just abolish the slings and arrows. It’s too easy. - Aldous Huxley: Schöne neue Welt


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denn bitte dafür werktags um elf Uhr abends die Glotze an? Tagsüber läuft ein anderes Programm, und bei Leuten unter 60 meist auch ein anderer Sender. Warum sich unterhalten, wenn man unterhalten werden kann? Was genau läuft, ist dabei meistens gar nicht so wichtig, Hauptsache es wird nicht langweilig. Keine Lust? Wie wäre es mit Kino, Radio, Spielen, Internet? Es ist für jeden etwas dabei! Mitmachen dagegen kann nur ein kleiner Teil. In den letzten Jahren hat es zumindest in dieser Hinsicht ein Erwachen gegeben, Repräsentation wird endlich eingefordert und erkämpft. Diese Welle hat sich an den Küsten aller Medien mit unterschiedlichen Ergebnissen gebrochen, und trotzdem ist es inspirierend, mitanzusehen, wie die Medien selbst ihren Zuschauern die Grundlage ihrer Ignoranz entziehen. Inwieweit das eine Angleichung an die Realität bedeutet, bleibt strittig. Das Problem unserer Generation ist eben nicht, dass wir zu wenig Empathie haben, im Gegenteil – uns wird

schon während der Kindheit eingetrichtert, uns um alle zu kümmern. Doch ähnlich wie „Folge deinen Träumen“ oder „Sei du selbst“ verkümmert dieses Ideal in einer Gesellschaft, deren zentrales Wertesystem sich nicht aus Individualität, Kreativität und Freiheit, sondern aus Geld und Erfolg speist. Die Naivität der Kindheit bricht sich an der Realität, wir weigern uns zu akzeptieren, dass die Lüge unserer Eltern von einer glücklichen Welt außerhalb unserer Blase der Privilegien nicht existiert. Und was wäre die Alternative? Genau wie in „Schöne neue Welt“ sind wir nicht wirklich Gefangene des Systems – wir sind ganz zufrieden damit, von den Problemen der Welt abgelenkt zu werden. We love to entertain you? We love to watch! Man muss nicht Wirtschaft studiert haben, um zu kapieren, wie Angebot und Nachfrage funktionieren. Wer anderen freien Willen zuspricht, darf zu keinem anderen Schluss gelangen: Die Beschäftigung mit der Realität ist eine persönliche Entscheidung. Man kann niemanden

dazu zwingen mitzuhelfen. Wozu jede Person sich jedoch verpflichten sollte, wäre, mindestens einmal richtig nachzudenken: Apathie bedeutet den Tod der Demokratie, den Tod der Rechte für Minderheiten, den Tod der Umwelt, den Tod unserer Gesellschaft. Die Entscheidung, sich nicht zu entscheiden, mag angenehm sein, doch man schadet damit jedem, nicht nur sich selbst. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Geschichte, wie schon so oft, wiederholen wird: Wir wären nicht die erste Zivilisation, der die eigene Vergnügungssucht zum Verhängnis wurde. Aber wir könnten die letzte sein. Simon Robl (MI)


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Leonie und Anthony:

Beide wollen ihr Leben selbst gestalten, nicht beide haben die Chance dazu Au-pair in den USA, Work and Travel in Australien oder einfach durch Asien reisen. Wir alle waren entweder selbst unterwegs oder kennen unzählige Leute, die vor dem Studium noch mal ein wenig von der Welt sehen wollen. Wir haben viele Möglichkeiten, unseren Alltag für eine Zeit lang hinter uns zu lassen. Leider ist dieser Luxus nicht überall auf der Welt möglich. Anthony aus Tansania kann sich nach seinem Schulabschluss nicht einfach die Welt ansehen – er muss abwarten, was der Staat für ihn plant.

Leonie in Tansania Auch Leonie will nach ihrem A ­ bitur etwas von der Welt sehen, den Alltag in Deutschland hinter sich lassen. Auf ihrer Suche stößt sie auf die „Junge Caritas Hildesheim“. Diese bietet viele Programme an, um ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland verbringen zu können. Darunter auch Leonies Traumprojekt: „Afrika 3+10“. Dafür absolviert sie ein Auswahlwochenende und ein dreimonatiges Vorpraktikum in einem Wohnverbund für Menschen mit geistiger Behinderung. Zwischendurch mal das Abi schreiben und ein paar Wochen ohne Stress genießen. Schon kommt die Zusage: Für Leonie geht es im Oktober 2016 nach Mbeya in Tansania. „Chuo Cha Vijana Walemavu“ ist eine Einrichtung für Jugendliche mit geistiger oder körperlicher Behinderung und Leonies Einsatzstelle für die nächsten

zehn Monate. Dort leben momentan 34 ­Jugendliche, die eine zweijährige Ausbildung zum Tischler oder Schneider machen. Zudem werden sie von den Freiwilligen der Caritas in Mathematik, Englisch und Kiswahili unterrichtet. Nur wenige Jugendliche hatten aufgrund ihrer Lernbehinderung oder körperlichen Einschränkung die Möglichkeit, einen Kindergarten oder eine Grundschule zu besuchen. Deswegen werden ihnen hier vor allem Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht. Lina, auch eine deutsche Freiwillige, und Leonie versuchen, den Unterricht möglichst kreativ zu gestalten. Leonies Alltag Nicht nur das Unterrichten der Schüler gehört zu den Aufgaben der Freiwilligen, auch im Haushalt wird mitgeholfen: Geschirr spülen, Zim-

mer putzen, die Tiere versorgen und auf dem Feld helfen ist ihr Alltag. Jeden Morgen um acht Uhr geht es mit dem Unterricht los – eigentlich. Praktisch sieht es etwas anders aus: Der tansanische Alltag kennt weder Hektik noch Stress. Ein Lebensmotto heißt hier: „Haraka haraka haina baraka“ („Eile, Eile hat keinen Segen“). Und so ist es zu Beginn von Leonies Aufent­ halt recht schwierig für sie, den Kindern etwas beizubringen oder überhaupt erst mal eine persönliche Beziehung zu ihnen aufzubauen. Nach wenigen Wochen sieht es schon ganz anders aus. Leonie und Lina haben die Kinder in kleinere Lerngruppen aufgeteilt, so einen guten Draht zu ihnen gefunden und können sie nun viel gezielter unterrichten. Die beiden haben das Gefühl, dass die Kinder etwas lernen und richtig gierig nach mehr Wissen sind.


Anthony und sein kleiner Bruder

Die afrikanische Kultur, das fremde Land und die für uns Europäer ungewohnte Lebensweise machen es den beiden Freiwilligen nicht leicht, sich einzuleben. Schlüssel zu den Herzen der Menschen und ihrer Kultur ist die Landessprache Kiswahili, die den beiden jetzt nahezu fließend über die Lippen kommt. Leonie fühlt sich wie zu Hause, die Mitarbeiter der Schule sind zu Freunden geworden und durch das Zusammenleben mit den Schülern entsteht eine Art Familie. So heimisch die beiden sich momentan auch fühlen, so ist ihnen auch klar, dass im Juli alles wieder vorbei ist. Natürlich wollen Leonie und Lina versuchen, Kontakt mit ihren Freunden zu halten. Doch von einigen wird man sich für immer verabschieden müssen, da nicht alle ein Handy oder das Geld für Briefmarken haben. Hier in Deutschland steht dann der „Luxus-Alltag“ vor der Tür. Es werden sich Gedanken um die eigene Zukunft gemacht und um die unzähligen Möglichkeiten, diese selbst zu gestalten. Ausbildung, Studium oder erst mal weiter Reisen? Diese Möglichkeiten haben Tansanier nicht.

Viele wissen nicht, wie es für sie weitergeht. Reisen oder Urlaub sind fremd für sie. Die meisten Tansanier kennen keine anderen Regionen als ihre eigenen. Sie können sich kein Leben in anderen Dörfern vorstellen, geschweige denn das Leben in Europa. Der Kilimandscharo und die unzähligen Nationalparks sind die Top-Reiseziele – die Top-Reiseziele für uns Europäer. Viele Einheimische haben davon noch nie etwas gesehen, es ist schlichtweg zu teuer. Für den Großteil der tansanischen Jugendlichen bleibt es für immer ein Traum, im eigenen Land und erst recht in das „Land der Weißen“ („nchi ya Wazungu“) zu reisen, ihrem Alltag zu entkommen und ihr Leben selbst zu gestalten. Anthony in Tansania Anthony Ilalio Mbunju ist 19 Jahre alt und lebt mit seinen Eltern und seinen vier jüngeren Geschwistern in Mbeya-Iyunga. Leonie und Anthony kennen sich durch die gemeinsame Arbeit in „Chuo Cha Vijana Walemavu“. Er hält hier einmal die Woche Religionsunterricht. Zum Glück der

Familie verdient A ­ nthonys Vater recht gut und ist so in der Lage, seine Familie zu versorgen und den Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Anthony besuchte im Alter von zwei Jahren den Kindergarten und die Grundschule in Iyunga. Seine Lieblingsfächer waren und sind immer noch Mathematik und Erdkunde. Nach sieben Jahren bestand er die Abschlussprüfung in „darasa la saba“ (7. Klasse) und hatte dadurch die Möglichkeit, auf eine weiterführende Schule zu gehen. Zunächst besuchte er eine staatliche Schule, welche ihm zugeteilt worden war. Doch Anthony hatte Glück: Sein Vater verdiente genug, damit er auf eine private Jungenschule der „Don Bosco Bruderschaft“ in Mafinga wechseln konnte. Anthony bestand den Eignungstest, der Bereiche der Lernkompetenz, Religion und Sport abdeckt. Er war einer von 50 Schülern, die unter 200 Bewerbern ausgewählt wurden. Privatschulen bieten nicht nur bessere und engagiertere Lehrer, sondern auch eine ganz andere Art des Unterrichts. In Tansania ist es zum Beispiel


Lina, Anthony und Leonie

üblich, die Kinder in der Schule als Erziehungsmaßnahme zu schlagen. Die meisten Tansanier können sich nicht vorstellen, dass eine Erziehung ohne den „Kiboko“ („Nilpferd“, hier: „Stock“) funktionieren kann. Auch hier hatte Anthony wieder Glück. Die „Don Bosco Bruderschaft“ ist eine Ausnahme, da sie ihren Ursprung in Italien hat. Anthonys Schulzeit wird in Form 1 bis Form 6 eingeteilt. Eine Form ist ein Jahr lang und am Ende steht die große Abschlussprüfung. Besteht man diese nicht, wird man rausgeworfen. Auch hier stellt die Schule mit ihrem Notensystem eine Ausnahme dar: Es gibt ein Punktesystem und Gruppen mit Gruppenleitern. Die Aufgabe der Leiter, welche selbst Schüler sind, ist es, auf das gute Verhalten der anderen zu achten. Für Pünktlichkeit, Sauberkeit und das Lösen von Hausaufgaben gibt es Pluspunkte. Auch durch sportliche Wettkämpfe, Schulnoten oder Vorträge können Punkte erlangt oder auch verloren werden. Am Ende des Jahres werden die drei besten Gruppen geehrt, bekommen einen freien Tag und ein großes Picknick.

Leonies Klasse vor „Chuo Cha Vijana Walemavu“

Anthonys Zukunft Anthony hatte sehr viel Glück, auf diese vergleichsweise gute Schule zu kommen. Er spricht fließend Englisch, sogar besser als Leonie. Er ist engagiert, schlau und wissbegierig. Momentan lernt er sehr viel, da er Form 5 und 6 abschließen möchte. Für uns ist es selbstverständlich, zur Schule zu gehen und selbst zu entscheiden, welchen Weg wir einschlagen. Wie seine schulische Laufbahn weitergeht, hängt jedoch von der Regierung ab. Sie teilt die Schüler den weiterführenden staatlichen Schulen zu. Parallel dazu hat Anthony sich noch an einer Privatschule beworben und den ersten von zwei Zulassungstests bestanden. Wenn er den zweiten auch noch besteht, würde er ein Stipendium bekommen. Nach Abschluss dieser Schule hätte er die Möglichkeit zu studieren. Doch auch hier hat Anthony, trotz seiner guten Ausbildung, keine große Wahl. Denn der Staat entscheidet auch hier wieder über seinen Studiengang und damit letztlich über seine ganze Zukunft. Selbst wenn ihm ein Studium genehmigt wird, steht das nächste

Problem schon vor der Tür: die Finanzierung. Sein Vater kann ihn nicht mehr unterstützen, nun sind erst einmal Anthonys jüngere Geschwister an der Reihe. Anthonys Traum Was die Regierung für ihn plant, weiß er noch nicht. Was er selbst gerne machen würde, das schon: Einer seiner größten Träume ist es, im Ausland Rechnungswesen zu studieren. Damit könnte er später sehr gut verdienen. Mit dem Geld möchte er eine kleine Familie gründen, gut für sie sorgen und auch seinen Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen. Doch das ist noch nicht genug für ihn. Sein Traum ist es, den ärmeren und hilfsbedürftigen Menschen in seinem Land zu helfen. Doch wie auch immer sich seine ­Zukunft entwickeln wird, er lässt sich nicht unterkriegen:

„My life motto is prayers, hard ­working and persis­ tence.“ Denise Ott (CR/PR)


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Die Welt liegt uns zu Füßen Welches Kind hat nicht schon mal davon ge­ träumt, leicht und unbe­ schwert wie ein Vogel durch die Lüfte zu schwe­ ben? Dabei die Arme weit von sich gestreckt mit der vollen Dröhnung an Freiheits- und Glücksge­ fühl intus die immer klei­ ner werdende Welt von oben zu betrachten? „I look up to the open sky – hopes in my heart, dreams in my eye“ Wir alle haben Träume, Ängste, Hoffnungen und Probleme. All das macht sich Werbung zunutze: Ausbrechen aus dem ewigen Single-Leben? – Jetzt möglich, denn ich parshippe!

Ausbrechen aus dem hektischen Alltag? – Null Problemo mit der richtigen Zigarette! Schluss mit ewigem ­Trauermodus? – Mach dir doch einfach mit ‘ner Coca-Cola Freude auf! Möchte man allerdings keine Bauchlandung, sondern einen überragenden Kopfsprung hinlegen, der mit tosendem Beifall gebührend wertgeschätzt wird, sollte man der Werbestrate­gie auf Erfolgskurs folgen: Spüre das Manko auf. Denn das, was deine Zielgruppe im Innersten bewegt, macht sie für deine Botschaft erst empfänglich. Doch wie schaffen wir es, dass sie uns förmlich zu Füßen liegt? Inspirieren, lautet das Zauberwort. Und genau das schafft der ­Edeka-Werbespot aus dem Frühjahr 2017, der den Titel „­Eatkarus“ trägt.

Jung von Matt hat längst begriffen, dass willkürliche „0815-Markenversprechen“ und illusorische „Hipphipphurra-Scheinwelten“ an Attraktivität und Wirksamkeit verloren haben. Stattdessen greifen die Werber zu einer neuen Wunderwaffe: Storytelling. So befördern sie eine bewegende Geschichte aus ihrer Trickkiste – die des übergewichtigen Jungen Eatkarus. Der Junge fühlt sich in seiner Haut unwohl und ist von der Leichtigkeit und Unbeschwertheit eines Vogels so sehr fasziniert, dass er fliegen und somit ausbrechen möchte – Ausbrechen aus dem Zwangskorsett, in das ihn die Gesellschaft schnürt, aus der Gewohnheit, einen undefinierbaren Einheitsmatsch zu essen, und aus der Welt, in der er sich fehl am Platz fühlt.


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„Why does life sometimes feel so wrong? Like run­ ning in circles and you don‘t belong.“ Die Story schlug ein wie eine Bombe. Denn die Reise des jungen, unbeholfenen Helden berührt und überrascht die Menschen. Sie ruft eigene Erfahrungen und Empfindungen ins Bewusstsein, sodass man sich mit dem Helden unmittelbar verbunden fühlt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, ein bestimmtes, starkes Grundbedürfnis des Menschen anzusprechen, dem man mit Visionen entgegentritt. „I always knew that the day would come. It‘s time to break free, meet me on the run.“

Was ist es also, das unsere Finger kribbeln lässt, einen Mini-Stromschlag durch den ganzen Körper zu schicken vermag und uns in einen unglaublichen Rausch einhüllt? Hör auf, wie wild zu schnipsen, du kommst ja jetzt an die Reihe! „Sicherheit und Stabilität!“, rufst du voller Inbrunst. Netter Versuch, war leider nichts. „Gemeinschaft, Liebe und Zusammengehörigkeit“, versuchst du es weiter. Jetzt lass die Mundwinkel doch nicht so hängen, mach dir lieber mit ‘ner Coca-Cola Freude auf! „Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstentfaltung?“ – Bingo, Strike, Volltreffer! Fakt ist doch: Im Zeitalter der digitalen Selbstbespiegelung, der Erlebnisprahlerei und der unendlichen Selbstreferenz des Medialen geht es nicht mehr ausschließlich um materielle Güter. Erleben ist das neue Be-

sitzen. Der Punkt ist: Wir leiden unter der Infusion monotoner Routine und sind mit unserem Alltag langfristig unzufrieden. Diese Unzufriedenheit gleicht einer klaffenden Wunde, in die sich der anklagende Finger bohrt. Getrieben von akutem Erlebnisdurst und dem Hunger nach dem „Wow“, sind wir für Slogans wie „Du bist, was du erlebst“ besonders empfänglich. Alles in uns schreit nach grenzenloser Freiheit, nach Unabhängigkeit und Selbstentfaltung. Ob wir es Eatkarus gleichtun und die Edeka-Trauben kauend in die Lüfte schweben? Vielleicht sitzen wir auch einfach nur da und starren verträumt in den Himmel. Fabiola Jahn (WM)


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Grauer Anzug Vor mir spiegelt sich die Sonne im ruhigen Wasser des Sees, die Steilwände zu meiner Linken bauen sich in der Höhe zu mächtigen, schneebedeckten Gipfeln auf. Der Mann im grauen Anzug ist gerade auf dem Weg zu seiner Bahn. Wie jeden Morgen hatte er den Wecker ausgestellt, um sieben Uhr, hatte ein Ei, einen Kaffee und ein Brötchen gefrühstückt und das Haus verlassen, noch bevor seine Frau die Augen aufschlug. Sie bleibt noch ein paar Minuten liegen, wach, wartet, dann steht sie auf und macht das leere Bett. Sie geht die Treppen hinunter, in der linken Hand die Wäsche, die noch gewaschen werden muss, der Kaffee ist lauwarm, Schuhe schnüren, Türe öffnen und dann läuft sie die Straße entlang. Vorbei an dem Haus der Nachbarn, nach rechts, nach links und auf das Feld vor der Kleinstadt. Auf dieses Feld zeigt auch das kleine Fenster der älteren Dame, die, wie jeden Morgen, von ihrem Frühstücksei aufsieht, um die routinierten Bewegungen der Frau zu beobachten. Hinkt sie nicht ein wenig auf dem linken Bein? Ja.

Ja, es sieht aus als würde sie hinken, das hat sie letztes Jahr noch nicht. Die alte Dame sieht die Frau hinter der Hügelkuppe verschwinden und isst das Ei in Ruhe auf, um zwölf Uhr gibt es Mittagessen und das Brot zu Abend um sieben. Sie wird abspülen, von Hand, und sich danach auf die Couch vor dem Fernseher sinken lassen. Ungefähr zu dieser Zeit wird der Mann im grauen Anzug die Haustüre hinter sich schließen, die Schuhe ausziehen und tief ausatmen. Er hat es so satt. Die stinkenden Menschen in der Bahn, die Hitze im Sommer und die Kälte im Winter, die Arbeit, die einfach nicht weniger wird. Die Kollegen, die hinter seinem Rücken über ihn reden. Seine Frau, die ihm seit zwei Jahren aus dem Weg geht. Und die Monotonie. Er müsste sich einen Mercedes kaufen, müsste kündigen, oder sich scheiden lassen. Das Gesicht seiner Tochter, das ihn aus der Küche anlacht, erinnert ihn, dass er nichts davon kann. Er wird morgen wieder aufstehen. Wird wieder frühstücken und in die Bahn steigen.

Seine Frau wird wieder das leere Bett machen, die Schuhe schnüren, auf das Feld hinauslaufen und die alte Dame wird sie wieder dabei beobachten. Der Mann im grauen Anzug wird immer aufstehen, um sieben Uhr. Was wäre, wenn er die Koffer packt, seiner Tochter einen Kuss gibt, und einfach in den nächsten Flieger steigt, irgendwohin? Undenkbar. Aber was wäre, wenn? Raus aus dem alltäglichen Kontext und hinein in einen neuen, vielleicht sogar alleine. Frei von den Beschränkungen und Erwartungen, die ­andere auf ihn projizieren und nach denen er selbst denkt handeln zu müssen. Wäre er glücklicher? Neue Handlungs­ spielräume, die Möglichkeit des eigenen, tatsächlich selbstbestimmten Handelns, ohne die Angst vor Bewertung durch Mitmenschen oder den Erwartungshaltungen der Gesellschaft, in der er lebt. In der Fremde das Feuer wiederfinden, das im Alltag nur zu leicht von den Menschenmassen am Bahnsteig und der Kälte im Haus erstickt wird. Vielleicht würde seine Frau wieder beginnen, ihn zu lieben?


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Nimmt man Menschen aus ihrem vertrauten Umfeld, in dem routinierte Handlungsabläufe und die Orientierung an den Handlungen anderer ihr Verhalten bestimmen, handeln sie oft widersprüchlich zu dem, wie Familie und Freunde es zu Hause erwarten. Das ist auch der Grund, wieso Menschen nach den meist mild belächelten „Selbstfindungs­reisen“ oft tat­ sächlich verändert zurückkehren, nur um sich nach der Rückkehr wieder in das alte Umfeld zurückgeworfen zu finden, aus dem sie geflüchtet waren.

friedenheit. Fragt man eine Hausfrau und Mutter von zwei Kindern, wieso sie sich zu den bewusstseinsverändernden Pulvern, Pillen und Lösungen hingezogen fühlt, bekommt man dieselbe Antwort, die man auch von einer Prosituierten im Rotlichtviertel Amsterdams erhält. Sie alle wollen Entspannung, wollen loslassen, für eine kurze Zeit die Probleme vergessen, dem Alltag entfliehen. Ein kurzer Kick, der einen unweigerlich nur umso härter auf den Boden der Tatsachen zurückfallen lässt.

Nach meinem Auslandsjahr ging es mir nicht anders: Ich war sieben Monate lang ein anderer Mensch, selbstbewusster, unabhängiger, spontaner. Das Reisen als simpler, geografischer Kontextwechsel ist vielleicht die am häufigsten genutzte Art auszubrechen, und noch wichtiger: die sozial verträglichste. Da man für diesen Schritt jedoch Mut und auch eine gewisse finanzielle Freiheit benötigt, sind viele Leute nicht in der Lage, so einfach den sozialen Kontext ändern zu können. Oftmals scheinen den Menschen die Verpflichtungen, in die sie sich hineingelebt haben, schlicht zu groß, um ihnen einfach so zu entfliehen. Unser Mann im grauen Anzug würde wohl zu diesen Menschen gehören. So grausam es sich anhört, seine Tochter wird ihn daran hindern.

Aber wieso verlangen offensichtlich so viele nach einer Veränderung, nach einem Ausbrechen aus ihrer Situation und unserer Gesellschaft?

Was bleibt nun übrig? Was lässt sich ändern, wenn sich das Umfeld nicht verändern lässt? Man selbst. Die Veränderung des eigenen Bewusstseinszustandes. Prostituierte, Obdachlose, eine steigende Zahl von Hausfrauen, gut bezahlte Geschäftsmänner: Anfangs nur als Problem der Unterschicht stilisiert, zieht sich die Drogenabhängigkeit heute durch alle Gesellschaftsschichten und ist Ausdruck einer wachsenden Unzu-

Wir sind doch nach heutigem Wissensstand die intelligentesten Lebewesen auf diesem Planeten. Wir beherrschen die Luft, die See, das Land. Man bucht ein Ticket, setzt sich in ein Flugzeug und wenn man wieder aussteigt, ist man am anderen Ende der Welt. Wir können alles sehen, alles machen, wir eröffnen ein Café oder verschließen Gefängnistüren, ziehen Kinder auf oder drücken den Abzug, wir studieren Medizin oder verschreiben uns einem Glauben.

Wir sind nach heutigem Wissensstand die intel­ ligentesten Lebewesen auf diesem Planeten. Und trotzdem scheint es, als wären wir die, die am we­ nigsten frei sind.


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Ein Sohn der Sozialsiedlungen Berlins wird nie darüber nachdenken, Rechtsanwalt zu werden. Die Tochter einer Ärztefamilie nie entdecken, wie leidenschaftlich sie rappt, weil sie sich nie ausprobiert. Mittwochnachmittag, Soziologie-Vorlesung: das Einzige, in dem sich die großen Modelle der Gesellschaft einig zu sein scheinen, ist, dass sich der einzelne Mensch nur innerhalb seiner Rolle bewegen kann. Innerhalb der Gesellschaft, die uns umgibt, sind unsere Handlungsspielräume begrenzt.

Was ist so intelligent daran, nicht frei zu sein, nicht glücklich zu sein? Vielleicht wäre das, was uns am freisten machen würde, die Entsagung von dem, was wir glauben zu wollen. Stellt euch die Frage, was ihr von euch selbst erwartet, von eurem Leben. Und dann stellt euch die Frage, warum. Sind es eure Träume? Oder sind es die der Familie, die Ideale der Gesellschaft, die Vorbilder aus Instagram? Ich glaube, man kann ­ auch mit solchen Zielen, fremden Zielen, glücklich werden. Immerhin folgen ihnen die meisten. Aber wenn wir nicht unsere eigenen Wünsche verfolgen, finden wir uns vielleicht irgendwann in einem Leben wieder, auf das zwar unsere Mütter stolz sind, aber in dem wir nicht glücklich sind. Wir werden jeden Tag aufstehen, um sieben Uhr, werden frühstücken und zur Arbeit gehen, und wir werden graue Anzüge tragen. Wir werden die Männer und Frauen in grauen Anzügen sein. Und vielleicht werden wir dann ausbrechen wollen, und beten, dass es noch nicht zu spät ist. Aber

der Wecker wird wieder klingeln, unbarmherzig, um sieben Uhr, und wir werden wieder aufstehen, weil wir denken, es zu müssen. Am nächsten Morgen wird er wieder klingeln, und am Tag darauf auch, und irgendwann werden wir das Ausbrechen zwischen Geschäftsmeetings und der ­Tagesschau vergessen haben. Auf die Gefahr hin, hoffnungslos kitschig zu klingen, sage ich also: Lasst es nicht so weit kommen. Sagt ja zu Chancen, ja zu Veränderung, sagt ja zum Anderssein und ja zum ­Ego­ismus. Es ist euer Leben, nicht das der anderen. Lasst los, seid frei, lasst euch fallen und macht das, was euch glücklich macht. Bauen wir uns ein Leben, aus dem wir nicht flüchten müssen, ein Leben, das sich anfühlt wie die Strände von Jamaika und die Gipfel des Himalaya. Wir sind jung genug, so denken zu dürfen. Fordern wir die Welt heraus. Wenn sie unsere Naivität bricht, haben wir es immerhin versucht. Vor mir spiegelt sich die Sonne im ruhigen Wasser des Sees, die Steil-

wände zu meiner linken bauen sich in der Höhe zu mächtigen, schneebedeckten Gipfeln auf. Es ist ein ungewöhnlich warmer Nachmittag für diese Zeit, ein paar Schwalben ­machen Jagd auf die Insekten über der kühlen Wiese. Die Bäume stehen in voller Blüte, der Frühling zeigt alle seine Farben, grüne Gräser, blauer Himmel, ein kleiner Bach. Ich sitze hier und schreibe vom Ausbrechen, vom Loslassen, der Erwartungen, die uns einschränken und der grenzenlosen Freiheit, die wir nicht wahrnehmen. Und trotzdem sitze ich hier, ignoriere all die Dinge, die es zu sehen gäbe, die es zu machen gäbe, und tippe Buchstaben in meinen Laptop. Weil es von mir erwartet wird. Weil erwartet wird, dass der Artikel bald fertig ist. Wäre ja peinlich, wenn ich das nicht rechtzeitig hinbekomme. Nicht, dass ich gerade wirklich daran denke, aber im Grunde sitze ich genau deswegen hier. Weil man es erwartet. Bin ich ein Heuchler? Ich klappe den Bildschirm herunter und stehe auf. Ich kann weiterschreiben, wenn ich zu Hause bin. Roman Kugler (WM)


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Minimalismus – Ausbruch aus der Konsumgesellschaft Wir wollen immer mehr. Mehr Geld, mehr Urlaub, mehr Ansehen. Nicht nur im Berufsleben steigen die Ansprüche der Arbeitgeber, auch in unserer privaten Zeit widmen wir uns immer höheren Zielen. Während wir uns früher auf dem ­Bobbycar so cool wie James Bond gefühlt haben, sitzen wir nun unglücklich in unserem VW Golf und starren dem Porsche hinterher, der an uns vorbeibraust. Seine Motor­geräusche: eine himmlische Melodie in unseren Ohren.

Doch woher kommt dieser Zwang, immer mehr zu wollen? Diese Ansicht, dass das, was wir haben, nicht genug ist? Was wäre, wenn wir aufhörten, uns von der Werbe­industrie und dem gesellschaftlichen Druck beeinflussen zu lassen?

Diese Fragen stellen sich momentan immer mehr Menschen. Sie bezeichnen sich selbst als Minimalisten und ihren Lifestyle als M ­ inimalismus. Dieser Begriff kommt ursprünglich aus dem künstlerisch-architektonischen Bereich und bezeichnet die schlicht gehaltene Gestaltung eines Raumes. Auf das Leben übertragen bedeutet es, sich von übermäßigem materiellen Ballast zu befreien und in Unabhängigkeit zu jeglichem Konsum zu leben. Dabei geht es nicht darum, möglichst wenig zu besitzen. Viel wichtiger ist es, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was man im Leben wirklich braucht. Es gibt Minimalisten, die aus einer kleinen Tasche leben und deren Zimmer nur eine einzelne Matratze beinhaltet. Andere haben zwar nur zwei Hosen im Schrank, dafür aber ein volles Bücherregal und wieder andere besitzen so viel wie die meisten anderen Menschen auch, denken aber bei jedem Kauf darüber nach, ob sie dies nun wirklich brauchen. Minimalismus ist also nichts, das

man generalisieren könnte, da jeder Mensch für sich entscheiden muss, was er braucht und was nicht. Dabei ist es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein. Kaum einer braucht 100 Sorten Nagellack (so viele Nägel kann man nicht auf einmal lackieren). Vielleicht reicht eine einzige aber auch nicht aus, um glücklich zu sein.

Wieso konsumieren wir (nicht)? Was treibt uns dazu an, wahllos zu konsumieren? Diese Frage lässt sich vor dem Hintergrund, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, in der „weil ich‘s kann“ eine gültige Antwort ist, schwer beantworten. Der gesellschaftliche Druck spielt hierbei eine übergeordnete Rolle, da wir alle nach Anerkennung streben und die Werbeindustrie suggeriert, dass wir diese über materielle Güter erlangen können. Leichter zu beantworten ist die Frage, wieso es Menschen gibt, die


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ausschließlich bewusst konsumieren. Anstatt die Produkte einfach in die Tasche zu packen, nehmen diese Menschen sich die Zeit, darüber nachzudenken, welchen Vorteil ihnen der Kauf bringt. Dies führt dazu, dass sie viele Produkte, die andere kopflos in den Einkaufswagen geschmissen hätten, wieder zurück ins Regal stellen. Das spart Geld. Das spart ­ Kraft. Und das spart auf lange Sicht Zeit. Stell dir vor, du wärst nicht auf materiellen Reichtum angewiesen. Du könntest auch von wenigen Dingen glücklich leben. Kurz zusammengefasst: Du brauchst kaum Geld.

Wenn du nun an deine Zukunft denkst, fühlt sie sich besser oder ­schlechter an? Gerade in den Medienberufen lässt die Bezahlung häufig zu wünschen übrig. Aus diesem Grund schrecken viele Studenten vor ebendieser Bran-

che zurück. Aber ihr alle habt euch dazu entschieden, diesen Weg zu gehen. Ihr wollt lieber das tun, was euch Freude bereitet, als mit Sicherheit finanziellen Reichtum zu erlangen.

Wenn wir nun nicht mehr auf materielle Dinge ange­ wiesen wären, würde es uns nicht leichter fallen, in die Zukunft zu blicken? Wir könnten uns den Job heraussuchen, der uns am meisten zusagt, um Geld müssten wir uns keine Sorgen machen. Doch nicht nur das Geld spielt eine Rolle in der Entscheidung, Minimalist zu werden. Da man häufig dazu neigt, sich über seinen Besitz zu definieren, bleibt so auch die Möglichkeit, sich immer wieder neu zu entdecken und zu erfinden. Viele Menschen reisen jährlich nach Nepal, auf der Suche nach sich selbst. Sie leben eine Zeit lang in einem buddhistischen Kloster, meditieren, schweigen, fasten.

Und was haben sie dabei? Nichts. Sie verzichten eine, zwei oder sogar drei Wochen auf ihren gewohnten Konsum und kommen, ohne auch nur einen Cent verdient zu haben, reicher nach Hause zurück. Minimalismus und soziale Netzwerke Auch in unseren sozialen Beziehungen leben wir abseits von jeglichen minimalistischen Gedanken. Es ist cool, 500 Freunde auf Facebook zu haben. Aber Hand aufs Herz: Mit wie vielen dieser Freunde haben wir im letzten halben Jahr einen Kaffee getrunken? Wie viele von ihnen würden wir zum Geburtstag einladen? Mit wie vielen wollten wir unbedingt Kontakt halten und haben uns nie gemeldet? Die Antworten auf diese Fragen kennen wir alle nur zu gut. Und auch wenn es uns hohes Ansehen beschert, viele Freunde zu haben, sollten wir immer wieder hinterfragen, ob dies notwendig ist. Auch hier lassen wir uns von unseren Mitmenschen beeinflussen.


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Wir nehmen die Zahl unserer Facebook-Freunde, Instagram-Abonnenten und Twitter-Follower, um unsere Beliebtheit zu berechnen. Wenn jemandem 2000 Menschen auf Instagram folgen, dann muss derjenige doch einfach eine tolle Person sein, oder? Was wir gekonnt verschweigen, ist aber die Tatsache, dass wir zu den meisten unserer „Freunde“ gar keinen Kontakt pflegen. Wäre es nicht schöner, mehr Zeit für die Menschen zu haben, die im echten Leben für uns da sind, als uns mit den angesammelten Freundesmassen abzugeben, die uns vermutlich nicht einmal auf der Straße erkennen würden? Loslegen Beim Minimalismus geht es also nicht um einen Wettbewerb, der festlegen soll, wer am wenigsten hat. Er ist eher ein Lifestyle, der dazu dient, das eigene Wohlbefinden zu steigern und die Zeit, die man neben Uni und Arbeit hat, sinnvoll zu nutzen. Solltet ihr schon länger mit dem Gedanken spielen, ein wenig auszumisten,

dann kann ich euch nur raten: Tut es. Ihr werdet schnell merken, wie gut es tut, sich von unnötigem Ballast zu befreien.

Das Wichtigste, um sich von Dingen trennen zu können, ist, sich bewusst zu machen, wieso man es tut. Für ein neues Gefühl der Freiheit? Für eine anstehende Reise, auf die gespart werden muss? Steht ein Umzug bevor? Ganz egal, was es ist, schreibt es auf einen Zettel, hängt diesen an den Kühlschrank oder eine andere Stelle, an der ihr ihn immer sehen könnt, und legt los. Franziska Roth (WM)



Campusleben


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MAJAM

Ein Interview mit der HdM Big Band Seit diesem Semester gibt es an der HdM die Big Band MAJAM. Florian Jungermann (4. Semester Audiovisuelle Medien) hat die Band ins Leben gerufen. Ich habe vorher in Tübingen studiert und da auch lange in einer Big Band gespielt. Als ich hier nach Stuttgart gezogen und an die HdM gegangen bin, habe ich gemerkt: Irgendwie gibt’s hier so was nicht. Ich hatte immer das Gefühl, dass es zwar diese HdM-Band gibt, aber das ist eher eine Musikinitiative, bei der jeder den Raum nutzen kann. Was auch cool ist, weil man total frei ist – aber mir gefiel die Idee, dass man eine Band hat, die auch aus mehr Leuten besteht und zu einer festen Größe wird. Ihr trefft euch ja auch öfters und spielt nicht nur, wenn ihr gerade Zeit habt. Genau. Wir proben regelmäßig, immer montags von 19 bis 21 Uhr im BandRaum. Es ist auch wichtig, dass wir regelmäßig proben. Wir sind 20 Musiker und die muss man erst mal alle unter einen Hut bringen. Das ist nicht so einfach wie bei einer Band, die aus vier Leuten besteht. Aus dem Grund spielen wir auch nach Noten, weil es gar nicht anders möglich wäre. Und was spielt ihr dann so? Wir sind genremäßig nicht festgelegt in dem, was wir spielen. Wir spielen zum Beispiel jazzige Sachen, aber auch Arrangements aus populärer Literatur: ­Musicals, Funk, Rock-Pop – alles Mögliche. Das Ziel ist, dass wir ein Programm auf die Beine stellen, mit dem wir ein Publikum gut unterhalten können und bei dem die Leute vielleicht auch ein bisschen dazu angehalten sind zu tanzen.


An wie vielen Stücken übt ihr denn gerade? Wir haben jetzt insgesamt sechs Stücke. Das ist schon mal relativ viel, weil wir jetzt auf die MediaNight hinarbeiten. Das soll unser erster Auftritt werden. Und so von null zu starten – man kennt sich noch nicht untereinander, man muss sich erst mal aneinander gewöhnen, musikalisch und so weiter – das ist schon ziemlich sportlich, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen. Was macht dir am meisten Spaß an der Band? Es gibt immer ganz viel hinter den Kulissen zu tun: Noten bestellen, Arrange­ ments schreiben, Tausend organisatorische Sachen erledigen, das gehört natürlich dazu. Aber am meisten Spaß macht mir die Probenarbeit an sich. Ich bin Bandleader, das heißt ich stehe dann vorne und dirigiere auch, wie man im klassischen Orchester sagen würde. Und mir macht es unheimlich Spaß, mit so vielen Musikern zusammenzuarbeiten und alle Instrumente irgendwie auf einen Nenner zu bringen, zu koordinieren und diese Entwicklung zu sehen von „Es klingt total grausam“ zu „Okay, wir haben es jetzt echt geil hinbekommen“. Gibt’s die Band nächstes Semester wieder? Die Absicht ist schon, dass es kein einmaliges Ding ist, sondern dass es die Band auch länger gibt, dass sie wie gesagt zu einer festen Größe wird und dass wir auch regelmäßig Auftritte spielen und nicht nur für den Proberaum ­Musik machen. Nach meiner Vorstellung wird es die also noch länger geben, ja. Wenn jemand mitspielen will, kann er oder sie sich gerne bei mir melden. Wir schreiben meistens zu Semesterbeginn aus, wenn Plätze frei werden. Sonst am besten einfach eine Initiativbewerbung schicken mit den Infos, was für ein Instrument man spielt, wie lange man schon spielt, was man für Erfahrungen hat und dann schauen wir individuell, ob wir noch einen Platz haben oder nicht und laden die Leute gegebenenfalls zu einer Probe ein. Sandra Dettki (AM)

Wissenswertes Eine Big Band besteht aus drei Teilen. Es gibt die Rhythmusgruppe (Schlagzeug, Bass, Klavier, Gitarre und Percussion), die den Grundrhythmus und die harmonische Basis liefert. Dann gibt es die Bläser (Saxophone, Trompete, Posaune), die quasi dazwischen spielen. Es kommt natürlich auf das Stück an, aber die Bläser spielen in den meisten Fällen Sätze, also alle immer gleichzeitig und auch den gleichen Rhythmus, aber unterschiedliche Töne. Und der dritte Teil ist der Gesang, der in manchen Stücken noch dazukommt.


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Schacht

Ein Spiel für ruhige Gemü... *Tastatur ­gegen Wand schmeiß* „Wir haben jeweils fünf Versuche, okay?“ Mein Freund und ich spielen Schacht. Wir wechseln uns schnell ab, schließlich fallen wir ja ständig herunter. Wo wir herunterfallen? Vielleicht sollte ich euch erst einmal erklären, über was ich hier überhaupt spreche. Schacht ist ein ­3D-Speed-Run-Game. Das heißt, man spielt v­erschiedene Level, muss diese in so kurzer Zeit wie möglich schaffen und kann sich dann mit anderen Spielern auf der Bestenliste vergleichen. Dabei gibt es verschiedene Mechaniken, sodass man nicht nur laufen und springen, sondern zum Beispiel auch nach vorne dashen (eine schnelle Beschleunigung nach vorne), an Wänden laufen oder sich an sogenannten ­Grapple-Punkten durch die Lüfte schwingen kann. Rund um die Elemente, über die man läuft, befindet sich nichts. Das erschwert das Ganze um einiges. Nach zwei Stunden Spielzeit geht es mir immer eher darum, das Level überhaupt zu schaffen, als so schnell wie möglich das Ziel zu erreichen. Zum Glück gibt es in den Level Stellen,

an denen automatisch gespeichert wird, sodass man nicht jedes Mal wieder von vorne anfangen muss. Da wir ständig herunterfallen, kann es schon mal passieren, dass wir für ein einziges Level mehrere Minuten brauchen. Im Vergleich dazu schaffen es die Besten in unter einer Minute. Für Leute, die ein Problem mit Aggressions­ bewältigung haben, ist das Spiel eine besondere Herausforderung. Ich selbst habe das Spiel schon einige Male lieber beendet, nachdem ich zehnmal an derselben Stelle runtergefallen bin. Das ­Potenzial zum Ausrasten ist definitiv vorhanden, wenn man Schacht spielt und nicht das geborene Jumpand-Run-Talent ist. Besonders lustig ist es, wenn man zu zweit oder als Gruppe spielt und sich abwechselt – ­dabei kann man den anderen so richtig schön beim Scheitern zusehen. So wie mein Freund und ich es gerne tun. „AHH!!!“, „Alter, bin ich wirklich SO schlecht?“, „!@#$“ oder auch *atmet langsam tief ein und aus* sind einige Impressionen eines regulären Spieleerlebnisses. Trotz allem hat das Spiel einen gewissen

Sucht­ faktor, da es unendlich viele verschiedene Level gibt, die man zufällig generieren lassen kann oder bestimmte Level, in denen man in einer täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Challenge gegeneinander antritt. Man kann sogar eigene Level erstellen und auch seinen ­Avatar anpassen – meiner rennt mit Tütü, magischem Pömpel auf dem Kopf und jeweils einem Baguette in jeder Hand durch die Level. Warum ich euch hier in der ­VielSeitig von diesem Spiel erzähle? Nun, es wurde von HdM-Studenten ­entwickelt. Im Rahmen des Game-Praktikums im Institut für Games wurde über mehrere Semester in einem großen und wechselnden Team so lange daran gearbeitet, bis Schacht über das eigens von der Hochschule gegründete Publishing-Label LabOne48 erst als Early Access und dann am 27. Februar 2017 final auf Steam veröffent­ licht wurde. Für schlappe 7,99 Euro könnt ihr euch also ebenfalls in den Wahnsinn treiben lassen oder versuchen, meine Highscores zu knacken. Julia Ruppert (MW)


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Richtungswechsel

Im Interview: Vier HdM-Studierende, die sich entschieden haben, etwas ganz Neues zu wagen.

Die Entscheidung, welchen Beruf du ausüben möchtest, gehört wahrscheinlich zu einer der schwersten in deinem Leben – schließlich geht es um etwas, womit du dich noch eine ganze Weile beschäftigen wirst. Nicht selten kommt es vor, dass man dann mitten in der Ausbildung, im Studium, nach dem Abschluss oder gar erst im Berufsleben anfängt, daran zu zweifeln, ob dies wirklich das Richtige ist. Es folgt die Überlegung, sich beruflich komplett neu zu orientieren. Die folgenden vier Studentinnen und Studenten haben diesen Richtungswechsel gewagt.


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Veronika, 21, Werbung & Markt­ kommunikation im 3. Semester Was hast du vor deinem Studium an der Hochschule der Medien ­gemacht? Nach meiner Mittleren Reife habe ich eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und auch abgeschlossen. Mit 19 habe ich dann mein Abitur nachgeholt, nebenbei habe ich im ambulanten Pflegedienst gearbeitet und vor meinem Studium noch 4 Monate in Vollzeit als Krankenschwester. Warum hast du beschlossen, etwas anderes zu versuchen und an die HdM zu gehen? Die Arbeit als Krankenschwester hat geistig und körperlich enorm viel von mir abverlangt. Schon jetzt, mit 21 Jahren, habe ich Rückenprobleme davongetragen. Zudem waren die Patienten oft undankbar und in meinem privaten Umfeld traf ich teilweise auf eine geringe Wertschätzung meines Berufs. Auch in meinem Arbeits­ umfeld habe ich leider oft nur wenig gegenseitige Anerkennung und Kooperationsbereitschaft erfahren. Ich glaube, ich war einfach zu jung, als ich die Ausbildung angefangen habe. Schon zu Beginn der Ausbildung mit 16 Jahren habe ich gesehen, wie

Menschen sterben, das hat mich belastet und überfordert. Als ich gemerkt habe, dass diese Arbeit mich nicht glücklich machen wird und zudem meine Gesundheit darunter leidet, habe ich mich dazu entschlossen, mich neu zu orientieren. War es ein schwerer Schritt, dich für ein Studium an der HdM zu entscheiden und deinen bisherigen Beruf hinter dir zu lassen? Zwischen Ausbildung und Studium habe ich mein Abitur nachgeholt. Da es dadurch keinen direkten Übergang von Beruf zu Studium gab, war der Schritt, mich für ein Studium an der HdM zu entscheiden, nicht so schwer. Die Auswirkungen dieser Entscheidung fallen mir da schon schwerer. Da das Geld im Studium jetzt knapper ist als bisher, muss ich auf manche Sachen wie ein eigenes Auto oder längere Urlaube verzichten. Da ich nebenbei aber auf 450-­Euro-Basis immer noch als Krankenschwester arbeite, kann ich das ganz gut kompensieren. Außerdem habe ich dadurch noch Bezug zu meinem Ausbildungsberuf. Der Patientenkon-

takt macht mir Spaß und ich finde es schön, mein Wissen einsetzen zu können. War es die richtige Entscheidung? Ja, denn durch das eigenständige Leben hier wurde ich reifer und selbstsicherer. Außerdem gefällt mir das Tätigkeitsfeld Marketing und Kommunikation. Wohin genau es mich beruflich zieht und was mich wirklich begeistert, muss ich aber zuerst noch herausfinden. Was gefällt dir am Studentenleben an der HdM und in Stuttgart am besten? Wie geht es für dich nach deinem Abschluss weiter? Ich mag die angenehme und lockere Atmosphäre an der HdM sehr gerne. Da die HdM relativ klein ist, hat man einen persönlichen Kontakt zur Hochschule und zu den Profs. Dadurch, dass ich nach Stuttgart gekommen bin, habe ich außerdem meine eigene Freiheit gefunden. Für später könnte ich mir gut vorstellen, in der Kommunikationsabteilung eines Unternehmens zu arbeiten.


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Basti, 31, Wirtschaftsinformatik & digitale Medien im 6. Semester Was hast du vor deinem Studium an der Hochschule der Medien ­gemacht? Ich war neun Jahre lang Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Genauer gesagt hatte ich eine Stelle in einem Logistikverband und war dort Materialdisponent mit SAP. Dabei war ich verantwortlich für die Materialien der anderen Gruppen inklusive Beschaffung, Transport und Reparaturen. Während meiner Zeit bei der Bundeswehr habe ich auch einen ­fünfmonatigen ­Auslandsaufenthalt im Kosovo mitgemacht. Neben meiner Feldwebelausbildung und der Ausbildung speziell zu meinem Dienstposten habe ich auch eine Ausbildung zum Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung absolviert. Warum hast du beschlossen, etwas anderes zu versuchen und an die HdM zu gehen? Der Standort, an dem ich stationiert war, wurde aufgelöst und ich hätte versetzt werden müssen. Eigentlich hatte ich mich für zwölf Jahre verpflichtet, doch in diesem Zuge gab es die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, um schon vor den zwölf Jahren

aufzuhören. Obwohl mein Job bei der Bundeswehr mir Spaß gemacht hat, habe ich für mich beschlossen, dass dies nicht das ist, was ich für den Rest meines Lebens machen will. Ich wollte lernen, wie man beispielsweise einen SAP-Rollout – wie den zu meiner Zeit bei der Bundeswehr – besser planen und umsetzen kann. Also stellte ich einen Antrag zum Austritt. Dieser wurde bewilligt und so kam ich zur Wirtschaftsinformatik an der HdM. War es ein schwerer Schritt, dich für ein Studium an der HdM zu entscheiden und deinen bisherigen Beruf hinter dir zu lassen? Eigentlich war es keine schwere Entscheidung, da meine Stelle sowieso aufgelöst wurde. Ich habe mich dann sehr darauf gefreut, etwas Neues anzufangen. Enorm erleichtert wurde mir die Entscheidung auch dadurch, dass mich die Bundeswehr während meines Studiums und meines ersten Berufsjahres nach dem Bachelorabschluss finanziell unterstützt.

War es die richtige Entscheidung? Auf jeden Fall! Ich würde noch einmal alles genauso machen wie bisher. Ich möchte meine Laufbahn in der Bundeswehr nicht missen, bin jedoch auch sehr froh, mich letztendlich noch für ein Studium entschieden zu haben, da es mir total viel Spaß macht. Was gefällt dir am Studentenleben an der HdM und in Stuttgart am besten? Wie geht es für dich nach deinem Abschluss weiter? Ich finde, wir haben eine sehr schöne Hochschule. Da die HdM nicht so groß ist, kennt man viele Profs und Kommilitonen. Dadurch wird ein sehr gutes Umfeld für Kreativität und Selbstverwirklichung geschaffen. Dazu tragen auch die ­vielen tollen Initiativen von der VS bei. Meine Bachelorarbeit werde ich bei der Schwarz-­ Gruppe schreiben, bei der ich bereits mein Praxissemester absolviert habe und momentan als Werkstudent beschäftigt bin. Nach meinem Abschluss würde ich dort gerne im Bereich SAP Consulting fest einsteigen.


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Julia, 23, Online-Medien-­ Management im 1. Semester Was hast du vor deinem Studium an der Hochschule der Medien ­gemacht? Ich habe zweieinhalb Jahre lang Medizin an der Universität Göttingen studiert. Für das Studium bin ich von meiner Heimat Brandenburg nach Niedersachsen gezogen. Bis zum ersten Staatsexamen ist es nicht gekommen, da ich Prüfungen wiederholen musste. Mich haben die Bereiche Pädiatrie und Geburtshilfe interessiert. Warum hast du beschlossen, etwas anderes zu versuchen und an die HdM zu gehen? Einige Situationen während des Studiums haben mich ab einem gewissen Zeitpunkt darüber nachdenken lassen, ob es für mich genau das Richtige ist. Als dann noch ein Drittversuch anstand, fing ich an, nach Alternativen zu suchen. Es gibt so viele Dinge, die mich interessieren, und das Studienangebot ist so riesig, dass ich mir gedacht habe, dass es doch sicher etwas gibt, bei dem ich mich mehr als „ich selbst“ fühle. Ein Studium, bei welchem ich nicht tagtäglich mit solch einem großen Druck leben muss, und welches mich auch in mei-

ner Freizeit nicht so sehr einschränkt. Da ich schon seit einigen Jahren den Kanal von Snukieful auf YouTube verfolge, hatte ich im Hinterkopf, dass sie etwas studiert, was ziemlich gut zu meinen Interessen passen könnte. So bin ich auf die HdM gestoßen. Dort habe ich mich dann über den Studiengang Online-Medien-Management informiert und war schnell begeistert.

War es die richtige Entscheidung? An die HdM zu gehen, war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Außerdem freue ich mich auf mein neues Leben in Stuttgart und bin gespannt, wie sich alles entwickelt. Trotzdem bereue ich mein Medizinstudium und meine Zeit in Göttingen nicht, da ich dort viel Wichtiges gelernt und tolle Freunde gefunden habe.

War es ein schwerer Schritt, dich für ein Studium an der HdM zu entscheiden und dein bisheriges Studium hinter dir zu lassen? Mich zu exmatrikulieren, mein Studium hinter mir zu lassen, meine Freunde und mein Umfeld in Göttingen zu verlassen, fiel mir schwer. Auch die vielen Meinungen von außen machten es nicht leichter. Mich an der HdM zu bewerben, war dagegen weniger schwie­rig, da diese sehr praxisorien­ tiert ist und mir das bei meinem zweiten Studium wichtig war. Mich für OMM einzuschreiben, war schließlich eine Blitzentscheidung. Eigentlich hatte ich geplant, noch zwei Praktika zu machen.

Was gefällt dir am Studentenleben an der HdM und in Stuttgart am besten? Wie geht es für dich nach deinem Abschluss weiter? Ich mag den Campus und die Modernität der HdM. Außerdem habe ich in Stuttgart schon viele tolle Leute kennengelernt. Am Studentenleben gefällt mir vor allem die Eigenständigkeit sehr gut. Mein Wunsch wäre es, mich später im Modebereich selbstständig zu machen oder als Social-Media-Managerin zu arbeiten. Meine Vorstellungen hierzu werden sich mit dem Studium aber sicher noch weiterentwickeln.


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Tabea, 27, Crossmedia-Redaktion/ Public Relations im 2. Semester Was hast du vor deinem Studium an der Hochschule der Medien ­gemacht? 2014 habe ich eine Ausbildung zur Bürokommunikation ­abgeschlossen. Anschließend begab ich mich auf Jobsuche, wollte jedoch keinen langweiligen Bürojob. Überraschenderweise bekam ich eine Stelle als Empfangs­ mitarbeiterin in einem H ­ otel. Dort arbeitete ich für etwas über ein Jahr. Bei diesem Job konnte ich mit Menschen in Kontakt sein und musste den Bürojob trotzdem nicht vernachlässigen. Die Arbeit mit Menschen hat mir viel Spaß gemacht, die Arbeitsbedingungen waren jedoch sehr stressig. Ich habe gemerkt, dass mich dieser Beruf auf Dauer physisch und mental belasten würde und ich dies nicht viele Jahre lang machen wollte. Warum hast du beschlossen, etwas anderes zu versuchen und an die HdM zu gehen? Eigentlich wollte ich schon einige Jahre früher ein Studium aufnehmen, weshalb ich neben meiner Ausbildung die Fachhochschulreife nachholte. Während der Ausbildung war ich ehren­amtlich viel im Medi-

enbereich tätig und auch der Journalismusbereich hat mich schon lange gereizt. So wurde ich auf die HdM aufmerksam. In meiner Freizeit interessiere ich mich für verschiedene Bereiche wie Musik und Kultur. Außerdem wollte ich schon immer viel kennenlernen und mir vielfältiges Wissen aneignen. Zu meinen Interessen und Kenntnissen hat damit der Studiengang Crossmedia-Redaktion/Public Relations gepasst, für welchen ich mich dann auch entschieden habe. War es ein schwerer Schritt, dich für ein Studium an der HdM zu entscheiden und deinen bisherigen Beruf hinter dir zu lassen? Nein, zu 70 Prozent war es keine schwere Entscheidung. Mein Job als Empfangsdame hat mir zwar Spaß gemacht, aber es hat sehr viel mehr dafür gesprochen, das Studium an der HdM zu absolvieren. Ich sehe darin meine berufliche Perspektive – die habe ich in den Jobs, die ich davor gemacht habe, nicht gesehen. Mit dem jetzigen Studium fühle ich mich zum ersten Mal wirklich wohl.

War es die richtige Entscheidung? Im Moment fühlt es sich nach der richtigen Entscheidung an. Das Studium und die Vorlesungen gefallen mir sehr gut und ich habe bereits erste Erfahrungen in den Hochschulinitiativen wie Stufe und Horads sammeln können. Was gefällt dir am Studentenleben an der HdM und in Stuttgart am besten? Wie geht es für dich nach deinem Abschluss weiter? Dass ich selbstständig lernen kann, gefällt mir am Studium am besten, das liegt mir sehr gut. In meiner Ausbildung war alles sehr streng nach dem Stundenplan, was ich nicht gemocht habe. Ich war schon immer eher der kreative Kopf und passe deshalb sehr gut an die HdM, hier kann ich mich selbst verwirklichen. Ich könnte mir gut vorstellen, beim Radio zu arbeiten, doch es kann sein, dass meine Vorstellungen durch die vielen neuen Ideen im Studium auch noch einmal verworfen werden. Jana Kegel (WM)


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The Girl Beyond – Flucht aus der Realität

Ein Interview mit dem Regisseur Lutz Marquardt Worum geht es bei „The Girl Beyond“, dem diesjährigen Kurzfilm der Studio­ produktion VFX? „Bei uns geht es um eine junge Frau, die ihr Geld mit Prostitution verdient. Sie ist damit sehr unglücklich, aber in ihrer Situation gefangen. Das Einzige, was ihr jetzt noch hilft, den ständigen Sex mit fremden Männern einigermaßen erträglich zu gestalten, ist die

Regisseur Lutz Marquardt und Schauspielerin Isabel Kott

Flucht in eine Gedankenwelt voller schöner Erinnerungen. Unser Film zeigt eine Situation, in der sie sehr verzweifelt ist und sich in eine Erinnerung an ihre Großmutter flüchtet. Nachdem sie aus dieser gewaltsam herausgerissen und zurück in die Realität geschleudert wird, spielt sie mit dem Gedanken, ihrem Leben ein Ende zu bereiten.“ Wie seid ihr auf die Idee gekommen? Das ist nicht gerade eine Thematik, an die man sich mit einem Studenten­film typischerweise heranwagt. Oder? „Ja, wir haben auch relativ lange für die Stofffindung gebraucht. Wir sind eher über Umwege dahin gekommen. Die erste Idee war, etwas Spannendes zu machen, eher Richtung Thriller. Dann haben wir uns aber darauf besonnen, dass wir eine Visual-­ Effects-Gruppe sind und uns gefragt, wo wir das einbauen und was für Effekte wir haben wollen. Dadurch sind wir dann über die Idee des ­Entfliehens in Gedanken und Eskapismus auf die Idee mit der Prostituierten und den zwei Welten gekommen.“


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Das ganze Team im selbst gebauten Set

Ihr seid jetzt gerade mittendrin im Dreh. Was hat dir bisher am meisten Spaß gemacht? „Mein Highlight war ein Tag, an dem wir in einem Badezimmer im Straussi-Wohnheim gedreht haben ­ und dann zu fünft in einer winzigen Dusche in einem kleinen Badezimmer standen. Es war eng, aber es hat ziemlich Spaß gemacht. Auch, weil wir ein kleines Team sind. Dadurch haben wir sehr effektiv ­arbeiten können und auch schöne Bilder bekommen. Das war generell ein sehr erfolgreicher Tag und eine willkommene Abwechslung zum Studio­alltag. Der kreative Freiraum in einem so beengten Raum war sehr spannend.“

Was ist für dich denn der große Vorteil eines Films, der solche digital erzeugten Effekte in der Postproduktion zur Verfügung hat? „Ich würde nicht sagen, dass es direkt ein Vorteil ist. VFX sind eher ein zusätzlicher Anreiz, sich auf eine andere Art kreativ ausleben zu können mit Sachen, die nicht real und vielleicht physikalisch nicht korrekt sind. Sie bieten einem die Möglichkeit, den Spielraum zu erweitern, in dem sich Film sonst bewegt.“ Sandra Dettki (AM)


21 X IN SÜDDEUTSCHLAND 4 X IN STUTTGART UND UMGEBUNG

u.v.m.

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Lifestyle


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Zwischen Filter und Realität Jeder, der Facebook, Instagram, ­YouTube oder Snapchat nutzt, kennt die entfernte Bekannte oder den ­Promi mit dem #perfektenleben. Wie inzwischen damit Geld verdient werden kann und warum wir uns nicht von anderen beeinflussen oder verunsichern lassen sollten, erfahrt ihr in diesem Artikel. Über Social Media erhalten wir täglich Einblicke in das Leben anderer – dies weckt bei den meisten Menschen große Neugier und führt dazu, dass Plattformen wie Instagram, Snapchat und Co sehr erfolgreich sind und beachtliche Zuwächse verzeichnen – die Zahl der Instagram-Nutzer hat sich in den letzten vier Jahren weltweit mehr als versechsfacht. Eine besonders hohe Aufmerksamkeit erhalten auf diesen Plattformen die sogenannten Influencer, also Personen, deren Beiträge als meinungsbildend gelten. Sie verbreiten ihre Meinung über verschiedene Online-­ Medienkanäle hinweg und beeinflussen so die Massen.

Viele Unternehmen möchten nun die durch Influencer erzeugte Reichweite für sich nutzen – Stichwort Influencer Marketing. Unternehmen und Marken können Meinungsführer engagieren, um den eigenen Content zu verbreiten. Das Vertrauen in diese Personen geht weit über das Vertrauen in Marken oder Unternehmen hinaus, da Influencer meist deutlich authentischer sind und somit eine größere Glaubwürdigkeit besitzen. Laut einer Umfrage unter 600 Marketingverantwortlichen in 32 Ländern gaben 84 Prozent an, Influencer Marketing bereits genutzt zu haben. Viele Influencer bekommen durch die Kooperation von den Unternehmen Produkte oder Geld – tatsächlich werden 77 Prozent für das von ihnen betriebene Marketing bezahlt. Möglich ist diese Entwicklung dank Smartphone. Mit diesem kann heute jeder einfach und schnell ein Foto schießen. Filter und Bildbearbeitungs­ programme zaubern anschließend aus gewöhnlichen Bildern ansprechende Selfies, Food- und Fashionbilder. Diese müssen jedoch nicht unbe-


dingt immer der Realität entsprechen, was auch schon der Haken an der ganzen Sache ist. Generell teilen die User nur ihre schönen Momente mit anderen. Dies kann den Anschein erwecken, dass andere viel mehr beziehungsweise Aufregenderes erleben als man selbst. In Wahrheit ist aber gar nicht alles so strahlend, wie es uns die Instagram-Sternchen vermitteln. Ein Beispiel hierfür habe ich schon selbst erlebt. Es geschah beim Burger­ essen mit einer guten Freundin, die von Instagram total begeistert ist. Als die Burger an den Tisch kamen, wurden diese selbstverständlich erst einmal aus allen erdenklichen Winkeln und Richtungen fotografiert und die Teller in verschiedenen Konstellationen zueinander positioniert, um das perfekte Bild zu erzeugen. Erst dann wurde das Smartphone zur Seite gelegt und das Essen zum ersten Mal wirklich betrachtet. Die Burger sahen super aus und meiner war auch wirklich sehr lecker. Leider war das Fleisch auf dem meiner Freundin jedoch noch fast roh, weshalb sie ihn

nicht wirklich genießen konnte. Das Essen blieb somit als eher mittelmäßig in Erinnerung. Wenige Tage später erschien ein ansprechendes Bild des besagten mittelmäßigen Burgers auf Instagram mit den Hashtags #yummy, #foodporn, #delicious. Willkommen in der Welt der Täuschung! Dieses Beispiel zeigt, dass nicht alles, was über Social Media geteilt wird, wirklich der Realität entspricht – weder die Beiträge der Influencer noch die der eigenen Freunde und Bekannte. Klar, es macht Spaß, anderen über Social Media zu folgen, und es kann inspirierend sein, egal, ob es um Mode oder die neuesten Kochtrends geht. Trotzdem sollten wir dadurch nie an uns selbst zweifeln und entfernten – nicht immer realen – Idealen nacheifern. Jana Kegel (WM)


Rezepte für Ausbruchshelfer Wer kennt das nicht? Die Gefängnis-Besuchszeiten stehen bald wieder an und man hat immer noch keine Idee, wie man die Mittel zum Ausbruch ins ­Gefängnis geschleust bekommt: Angefangen bei den Waffen, den Schlüsseln bis hin zum Geld, um die Wärter zu schmieren. Oder auch einfach nur die überlebenswichtigen Dinge wie Zigaretten, Drogen und Alkohol. Ganz so einfach wie in der Serie Prison Break ist es ja dann doch nicht.

Hier ein paar Tipps und gleichzeitig leckere Rezepte für euren Ausbruch:


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Cupcakes mit Whisky und Himbeeren Zutaten für 12 Stück: 300 g Weizenmehl 220 g Zucker 2 TL Backpulver 200 ml Mandelmilch 140 ml Sonnenblumenöl 1 TL Vanilleextrakt 100 g Himbeeren Für die Dekoration: 400 ml Schlagsahne 1 TL Vanilleextrakt 210 g weiße Schokolade 70 ml Whisky Himbeermarmelade

1.

Den Backofen auf 180°C vorheizen. Mehl, Zucker und Backpulver in einer Schüssel vermengen. Die Mandelmilch, das Öl und den Vanilleextrakt hinzufügen. Das Ganze verrühren und die Himbeeren vorsichtig unterheben. Die Cupcake-Förmchen mit dem Teig befüllen.

2.

Die Cupcakes 20-25 Minuten backen und herausnehmen. Einige Stunden kühlen. In die obere Hälfte der Cupcakes ein Loch stechen und ­dieses mit Himbeermarmelade füllen (ersetzbar durch Zigaretten etc.).

3.

Für das Topping die Schlagsahne mit 40 ml Wasser und dem Vanille­ extrakt in einem Topf vermischen. Bei geringer Temperatur erhitzen, bis die Mischung zu kochen beginnt. Einige Minuten lang köcheln lassen.

4.

Die weiße Schokolade in eine Schüssel geben und nach und nach die Sahnemischung darüber gießen. Mithilfe eines Schneebesens zu einer klumpenfreien Mischung verrühren.

5.

Die fertige Creme einen Tag lang im Kühlschrank kühlen. Kurz vor der Weiterverarbeitung kräftig aufschlagen und dann sofort verwenden.

6.

Mit einem Teigschaber die Sahnecreme mit dem Whisky – hierbei nicht sparen – mischen und die Cupcakes damit dekorieren. Zuletzt einen Klecks Himbeermarmelade auf die Creme geben.


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Tiramisu-Cupcakes Zutaten für 12 Stück: 300 g Weizenmehl 220 g Zucker 2 TL Backpulver 180 ml Milch 120 ml Sonnenblumenöl 1 TL Vanilleextrakt Für die Kaffeelösung: 5 EL löslicher Kaffee 40 ml Amaretto 150 g Zucker Für das Topping: 250 ml Schlagsahne 250 g Frischkäse 1 EL gemahlener Kaffee 2 EL Amaretto Kakao, Schokosplitter

1. Den Backofen auf 180°C vorheizen. Mehl, Zucker und Backpulver in einer Schüssel vermengen. Milch, Öl und Vanilleextrakt hinzugeben und das Ganze mit einem Schneebesen vermengen. Die Cupcake-Förmchen mit dem Teig befüllen. Die Schlüssel in Alufolie einwickeln und mit in das Förmchen legen.

2. Die Cupcakes 20-25 Minuten backen und herausnehmen. Einige Stunden abkühlen lassen.

3. Für die Kaffeelösung 200 ml Wasser erhitzen und den Kaffee, den Ama­ retto und den Zucker unterrühren. Die Mischung etwas abkühlen lassen. Die untere Hälfte der Cupcakes darin eintauchen. Zwei Stunden im Kühlschrank kühlen.

4. Für die Dekoration die Sahne steif schlagen und mit dem Frischkäse vermischen. Den gemahlenen Kaffee sowie den Amaretto hinzufügen und alles zu einer gleichmäßigen Creme verrühren. Damit die Cupcakes dekorieren und mögliche sichtbare Schlüssel verdecken. Mit Kakaopulver oder Schokosplittern verzieren.

Denise Ott (CR/PR)



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Yoga war gestern – jetzt wird gemalt! Wir alle kennen sie noch von früher: die beliebten Malbücher. Schlösser, Feen, Landschaften oder die Charaktere aus der Lieblingsserie. Kein Ausmalbild war zu kompliziert, kein Motiv zu schwierig und die Geduld war grenzenlos – nur der Vorrat an Stiften leider nicht. Dieser Trend aus Kindheitstagen gehört nun nicht mehr der Vergangenheit an.

2015 schaffte es die Schottin Anna Basford mit ihrem Malbuch für Erwachsene Mein Zauberwald an die Spitzen vieler Bestsellerlisten auf der ganzen Welt. Ihre Zauberwald-, Garten- und Ozeanmotive verkauften sich über 15 Millionen Mal. In jedem Buchladen gibt es mittlerweile auch ein ganzes Regal voller Ausmalbücher und Mandalas nicht nur für Grundschüler. Für Erziehungsexperten und Pädagogen ist der positive Effekt des Malens nichts Neues. Es fördert bei Kindern die Kreativität und das räumliche Denken. Durch das Führen des Stiftes entwickeln sich eine sehr gute Grob- und Feinmotorik. Sowohl die Konzentrationsfähigkeit als auch die Koordination von Hand und Auge nehmen zu. Warum also als Erwachsener damit aufhören? Warum sich nur heimlich austoben, wenn die kleinen Cousinen oder Geschwister schon im Bett liegen? Man hetzt den ganzen Tag von Raum zu Raum, von Vorlesung zu Vorlesung und hört einem Prof nach dem anderen zu. Da kann das Mal-

buch dem Stress entgegenwirken. Das Ausmalen hat nicht nur positive Auswirkungen auf Kleinkinder, sondern auch auf uns Studenten. Wenn man mal eine Auszeit vom Lernstress braucht, hilft es super beim Entspannen. Es wurde beobachtet, dass das Malen sowohl Puls als auch Atmung verlangsamt. Gleichzeitig fördert es Konzentration und Wahrnehmung. Auch für unsere Augen ist das Malen auf Papier eine willkommene Abwechslung zum Computerbildschirm. Es muss also nicht immer der ­Yoga-Kurs sein, keine teuren Wellness­ massagen oder Wochenendausflüge ans Meer. Ausmalbücher und Mandalas sind günstige, spaßige und kreative Alternativen, die uns eine Auszeit vom Alltag ermöglichen. Langweilig werden sie auch nicht, denn mittlerweile gibt es eine riesige Auswahl an Themen und Motiven. Ausgaben über Filme und Serien wie Game of Thrones, Harry Potter, Star Wars und viele mehr lassen jedes Fan-Herz höherschlagen. Denise Ott (CR/PR)


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Als Student in Stuttgart-Vaihingen erhältst Du mit der StudyDeal Card vergünstigte Konditionen und ganz besondere Angebote bei über 50 Partnern. Schau' doch mal rein!

www.studydeal-vaihingen.de


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Für mehr Milchschaummomente im Leben 5 Lieblingscafés in Stuttgart Totaler Prüfungsstress, Streit mit dem Partner oder kreatives Tief: Es gibt kaum eine Situation, die sich durch einen Besuch in einem L­ ieblingscafé nicht beiseitetrinken und -essen ließe. Genau deshalb habe ich gleich fünf davon für euch. Jedes davon wird mit Herzblut geführt und macht Stuttgart zu einem noch ein bisschen schöneren Ort. Auf unserem Blog­ ­vielseitig.vs.hdm-stuttgart.de erhaltet ihr im Laufe des nächsten Semesters einen direkten Einblick hinter die Kulissen dieser Locations. In unseren Interviews mit den Besitzern dürft ihr mehr über deren Konzept und ihren Alltag erfahren und erhaltet spannende Einblicke hinter die Kulissen. Ob ihr entfliehen, einfach nur eine gute Unterhaltung führen oder mal kurz abschalten möchtet: Sich die Zeit zu nehmen, aus dem normalen Alltag auszubrechen und neue Locations auszuprobieren, lohnt sich immer. Versprochen!


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misch misch Vor den Stufen zum leicht unterkellerten misch misch findet ihr einen Truck mit Ladefläche, die zum Draußensitzen einlädt. Die Treppen runter, könnt ihr euch in einem modernen, türkisen Himmel von der Besitzerin Michaela und Freunden mit selbst gebackenem Gebäck und natürlich wirklich sehr (!) leckerem Kaffee verwöhnen lassen. Für ihren Traum vom eigenen Café hat sie sogar ihr Architek­turstudium geschmissen. Dass dies definitiv eine gute Entscheidung war, spürt man bei jeder Tasse! Die Mischung aus einem Touch Vintage, moderner Atmosphäre und vor allem Leidenschaft für guten Kaffee macht das misch misch auf jeden Fall zu einem meiner Lieblingscafés in Stuttgart.

Mókuska Klein, aber fein trifft bei diesem Goldstück im Stuttgarter Westen auf jeden Fall zu. Das Mókuska ist nicht nur Café, sondern gleichzeitig auch noch Rösterei. Die Profis können hier zwischen etlichen Röstungen wählen, es gibt auch immer eine Röstung der Woche. Laien wie ich können sich aber auch einfach vom freundlichen Personal beraten lassen. Zum Kaffee serviert das Mókuska immer wechselndes, frisches Gebäck. Beim letzten Besuch durfte ich das von Weitem erspähen und vor allem riechen: Es gab frische Zimtschnecken… mehr muss ich nicht sagen. Die Straße runter kann man ein langes Gespräch nach vielen leckeren Kaffees auch noch perfekt mit einem Bier im ­Sutsche ausklingen lassen.

Hüftengold Mittlerweile längst kein Geheimtipp mehr, verdient das Hüftengold am Olgaeck aber trotzdem einen Platz auf dieser Liste. Vor allem der „Kaffee Hüftengold“ – Milchkaffee mit doppeltem Espresso, Sahne, ein Topping aus weißen und dunklen Schokochips – ohne einen hiervon verlasse ich das Café nie! Durch das in meinen Augen perfekte Frühstück für zwei, ist das Hüftengold auf meiner Lieblingsliste ganz oben gelandet. Wer aber einfach nur ein gutes Stück Kuchen zum Kaffee möchte, ist hier ebenso goldrichtig. Die wechselnden Sorten erlauben gerne auch mal mehrere Besuche, man muss ja erst einmal herausfinden, welche man am liebsten mag.

Größe Preisklasse Stuttgart-Süd

Größe ■□□□□ Preisklasse ■■■□□ Stuttgart-West

Größe Preisklasse Stuttgart-Ost

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Tarte und Törtchen Die Worte „Großer Milchkaffee“ auf der Karte zu lesen, lässt eine L­ ocation bei mir schon ziemlich weit nach oben rutschen. Wird dieser dann auch noch in einer großen Schale mit ordentlich Milchschaum serviert, bin ich endgültig im Himmel. So auch im Tarte und Törtchen. Eigentlich eine, wie der Name schon sagt, Patisserie, bietet die eher kleine Location aber auch Frühstück und natürlich Getränke an. Wer sich mal richtig mit Süßem verwöhnen möchte, ist hier genau richtig. Ein Must-try sind auf jeden Fall die Franzbrötchen! Dieses aus dem Norden Deutschlands stammende Gebäck ist der wahrgewordene Zimt-und-Zucker-Traum und wird in Stuttgart leider nur sehr selten angeboten. Deshalb unbedingt zuschlagen! Wenn kein Platz mehr frei ist, gibt‘s die auch zum Mitnehmen, denn das Tarte und Törtchen eignet sich auch wunderbar zum sonntäglichen Brötchen- und Brezelkauf. Größe ■□□□□ Preisklasse ■■■■□ Stuttgart-West

Zimt & Zucker Barock bemalte Decken, zusammengestückelte Möbel und die besten Pancakes Stuttgarts. Wer dieses Café betritt, weiß sofort, dass er an einem ganz besonderen Ort ist, denn allein das Interieur ist so chaotisch, dass es nur gut sein kann und man sich sofort wohlfühlt. Bei gutem Kaffee darf man sich in einem tollen, alternativen Ambiente einfach fallen lassen. Bei meinem ersten Besuch war ich besonders von den tollen hausgemachte Kuchen begeistert, am Sonntag drauf folgte dann sofort der Himmel unter den Frühstücks-Kreationen: Pancakes getoppt mit Sahne und Obst, neben einem einzigartig guten Rührei und knusprigem Bacon (und damit übertreibe ich nicht, ich habe noch nie so gutes Rührei gegessen!) Mit seinem großen veganen Angebot lässt das Zimt & Zucker dann auch wirklich alle Herzen höherschlagen. Größe Preisklasse Stuttgart-Süd

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Jule Fuhrmann (WM)


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3-Minuten-Yoga Besser als jeder Kaffee: Zwischen dem Raumwechsel oder in der Mittagspause mal schnell ein paar Übungen machen, um munter weiterarbeiten zu können. Die klassischen Yoga-Übungen wie Baum, Hund oder Sonnenanbeter sind allseits bekannt. Sie wirken entspannend und geben uns neue Energie. Klar ist aber auch, man braucht viel Platz, eine Matte und das richtige Outfit. Um aber auch mal zwischen den Vorlesungen Kraft tanken zu können, gibt es mittlerweile das „3-­ Minuten-Yoga“. So ausgefallen manche Namen der Übungen auch sein mögen, sind sie wirklich einfach, schnell durchzuführen und können einen durch den Tag voller Vorlesungen bringen: Rückenkraulen Man legt die linke Hand auf die linke Schulter und die rechte Hand auf die rechte Schulter. Nun bewegt man Arme und Schultern in großen Kreisen. Dabei ist ein Arm vorne und der andere hinten. Die Bewegung gleicht dem Rückenkraulen beim

Schwimmen. Hierbei werden verkrampfte Nackenmuskeln gelockert – ideal nach langer Arbeit am ­Computer. Kuhgesicht Man greift mit einer Hand über die Schulter an das Schulterblatt. Mit der anderen greift man an den unteren Rücken und legt sie mit der Handfläche nach außen hin ab. Jetzt führt man beide Hände hinter dem Rücken zusammen und versucht, sie zu greifen. Falls man nicht so weit kommt, kein Problem: Einfach ein Lineal als Verlängerung nehmen. Nach 30 Sekunden werden die Seiten gewechselt. Diese Übung dehnt die Schulter und den oberen Rücken – super, wenn man weiß, man muss noch den ganzen Tag im unbequemen Hörsaal sitzen. Löwe Man macht sich ganz klein, zieht den Kopf ein und ballt die Fäuste. Dann holt man tief Luft und während sich die Lungen aufblähen, richtet man sich auf und streckt die Arme von sich. Beim Ausatmen genau andershe-

rum: Aufrecht hinsetzen, sich groß machen und die Arme von einem strecken. Diesen Bewegungsablauf ein paar Mal wiederholen und tief ein- und ausatmen. Hierbei kann sich euer Körper in kürzester Zeit entspannen und Kraft für die folgenden Vorlesungen tanken. Denise Ott (CR/PR)


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„Hier geht es nicht um die Flucht aus der Realität. Es geht um das Leben an sich und wieso es keine gute Idee ist, sich über alles zu viele Gedanken zu ­machen.“

Erschreckende Realität Vor Kurzem habe ich mir ein Let’s Play auf YouTube angesehen. Für diejenigen, die mit diesem Begriff nichts anfangen können: Das ­ bedeutet, dass sich Leute beim Spielen eines Games ­filmen und es ins Netz stellen. Für eine Person wie mich, die selbst kein Gamer ist, aber Video- und Computerspiele trotzdem mag, ist das die ideale Lösung. Das Spiel, das ich mir anschaute, war wirklich wunderschön: Die Grafik war fantastisch und die Story einfach atemberaubend. Und traurig. Und furchteinflößend. Nicht, weil Monster oder Übernatürliches vorkamen. Das Spiel war nicht einmal actionreich. Man konnte nichts an dem Verlauf der Geschichte ändern, hatte also keine anderen Handlungsoptionen. Es gab keine Jumpscares, Splatter­ szenen und Hunde sind auch nicht gestorben. Trotzdem saß ich nach dem Video weinend auf meinem Bett, starrte ins Leere und ließ meine Gedanken kreisen. Das Spiel ­handelte von dem Leben und Sterben einer Familie, und es war so verdammt realistisch, dass es mir Angst machte.

Menschen haben verschiedenste Ängste: Angst vor der Dunkelheit, vor Spinnen, vor Einsamkeit. Manche haben Schlimmes erlebt und versuchen, mit Alkohol, Drogen oder anderen Methoden aus der Realität zu flüchten. Aber irgendwann ist das ­Limit erreicht und man ist am Ende der Fahnenstange angekommen, die in die nächste Fluchtebene hätte führen sollen. Viele Optionen gibt es dann nicht mehr. Entweder man findet sich damit ab und kehrt so gut es geht in sein Leben zurück, oder man bleibt in diesem Zustand dazwischen, den man nicht als Realität per se bezeichnen kann, weil man einfach zu weit gegangen ist. Eine weitere Option ist, allem ein Ende zu setzen. Was hat das aber jetzt mit diesem Spiel zu tun? Eigentlich ziemlich wenig. Hier geht es nicht um die Flucht aus der Realität. Es geht um das Leben an sich und wieso es keine gute Idee ist, sich über alles zu viele Gedanken zu machen. Das logische Denken und unser Gewissen sind Eigenschaften, die uns von Tieren unterscheiden. Sie machen uns zu intel-

ligenten Lebewesen. Aber manchmal ist es auch ein Fluch, so denken zu können. „Was wäre, wenn…?“ Eine rhetorische Frage, die oft nur dazu verwendet wird, absurde Geschichten zu erfinden. Was wäre, wenn du eine Million Euro gewinnen würdest? Oder wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest? Niemand kann diese Fragen ehrlich beantworten. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas wirklich geschieht, dass man sich tatsächlich in so einer Situation wiederfindet? Kaum jemand wird sich wohl mit der Zukunft beschäftigen, in der andere „Was wäre, wenn…“-­ Szenarien eine Rolle spielen. Stellen wir uns beispielsweise einmal die Frage, was wir nun tun würden, wenn unsere Familie nicht mehr da wäre. Unser Gehirn schafft es, sich mögliche Situationen auszumalen. Es ist traurig und beängstigend, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Doch je älter man wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen, die uns wichtig sind, von uns gehen. Man will es sich nicht vorstellen und für die meisten von


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„Das alles könnte jedem passieren.“

uns liegen diese traurigen Tatsachen noch in ferner Zukunft. Aber für Menschen, die sich unfreiwillig solche fundamentalen Fragen stellen, bedeutet es puren Stress! Wir können unsere Gedanken nicht abschalten oder mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, wie wir in solchen Situationen reagieren würden. Wir können mutmaßen, aber sobald uns die Realität einholt und uns die Emotionen erfassen, ist es unmöglich, Ruhe zu bewahren. Wovon handelt dieses ominöse Spiel nun eigentlich, das mich so nachdenklich gestimmt hat? Die Story ist schnell zusammengefasst: Ein Mädchen kehrt an den Ort zurück, an dem vergangene Generationen ihrer Familie gelebt haben und an dem sie aufgewachsen ist. Die Zuschauer und Spieler wandern mit ihr durch ­dieses Anwesen und rekonstruieren die Schick­ sale aller Familienmitglieder. Wir beginnen beim Ur-Urgroßvater, gelangen über Großtanten und Onkel bis hin zu den Geschwistern und der Protagonistin selbst. Es scheint

ein Fluch auf der Familie zu liegen, denn niemand wurde sehr alt. Aber das ist nicht, was mich so mitgenommen hat. Es waren die traurigen ­Umstände, Unfälle, in einem Fall ein Mord, die die Verwandtschaft so tief trafen. Und hier kommt die erschreckende Realität ins Spiel: Das alles könnte jedem passieren. In jeder Familie könnte eine vererbbare Krankheit kursieren. Jedem könnte ein unglücklicher Unfall passieren. Jeder von uns hat schon mal von einem Mordfall in den Nachrichten gehört, bei dem jemand seinen Partner aus einem hirn­ rissigen Grund umgebracht hat. Was ist, wenn es in den eigenen vier Wänden passiert? Nun, in diesem Spiel wurde sogar jedes einzelne Familien­ mitglied von so einem Schicksalsschlag getroffen. Es mag erst lebensfremd wirken, nach näherer Betrachtung wird aber klar, wie erschreckend realistisch es ist. Es hat mir Angst gemacht. Die Ereignisse kamen so plötzlich und unerwartet. Kritische Stimmen werden nun wohl sagen: „Was soll‘s, ist doch nur ein Spiel.“ Stimmt, es ist nur ein Spiel, aber nachdem das ­ Video zu Ende war, dachte ich über die einzelnen Charaktere und meine Familie nach und an das, was mir selbst schon

passiert ist. Jeder von uns könnte ein ganzes Spiel mit seinem Leben und seinen Erinnerungen füllen. Bei Games wie Outlast 2, das in Arizona, USA, mitten im Nirgendwo spielt und wo grausame Dinge geschehen, fällt es leicht, die Fiktion zu identifizieren. Nach diesem H ­ orrorspiel will man vielleicht niemals nach Arizona reisen, aber man macht sich weiter keine großen Gedanken. Jedoch gibt es andere Games, die viel näher am wahren Leben spielen und die einen nachdenklicher machen als dieses. Das Spiel heißt What Remains of Edith Finch, stammt vom Entwicklerteam Giant Sparrow und wurde letzten April veröffentlicht. Ich lege es euch ans Herz, weil ich finde, dass jeder einmal innehalten sollte, um sich über gewisse Dinge Gedanken zu machen. Die Schicksale in diesem Spiel sind sehr real und könnten eigentlich jedem passieren. Monster sind leicht ausgedacht und können auch furchteinflößend sein, aber schlussendlich sind es nur erdachte Kreaturen. Das spannendste, komplizierteste, lustigste, aber auch beängstigende Abenteuer ist unser Leben, das in dieser Realität spielt. Deshalb versuchen viele wohl auch, daraus zu entfliehen. Laura Bangert (CR/PR)



Kunst & Kultur


Time to break free „Ab und zu möchte man einfach ­spüren, dass man am Leben ist. Irgendwann reicht die Flucht in virtuelle A ­ benteuer via Smartphone und Computer nicht mehr aus. Stattdessen zieht es uns nach draußen, in die analoge weite Welt. Der Traum unserer Generation lautet: Aus der Alltagsmonotonie ausbrechen, um in die weite Welt aufzubrechen – und zwar, bevor man das Rentenalter erreicht hat!“

Die Diagnose? Fernweh.

Studium und Weltenbummler-Ambitionen passen nicht zusammen? Er ist der Beweis dafür, dass man beides unter einen Hut bekommen kann. Die Rede ist vom Fotografen und Filmer Manuel Dietrich: 22, Karlsruher Architekturstudent im sechsten Semester, der kurz vor seinem Bachelor steht und dennoch seinem konstanten Fernweh immer wieder nachgibt. Er hat es geschafft: Den Alltag regelmäßig hinter sich zu lassen, auszubrechen, das Kopfkino aus und stattdessen die Kamera anzuschalten. Er hat es geschafft, mit seiner Leidenschaft für das Reisen und die Fotografie Erfolg zu haben: Bereits 20 Tausend Abonnenten zählt sein Instagram-Account unter dem Namen ­manueldietrichphotography. In den letzten Jahren wurden sogar einige Agenturen auf den jungen Ausreißer aufmerksam. Mittlerweile hat er sein Hobby zum Nebenjob gemacht und kann mit seiner Fotografie das Equipment und einen Teil der Reisen finanzieren.


Auf der Suche nach dem ultimativen Kick und das wahre Leben reisen viele Schulabgänger ins Ausland, bevorzugt nach Australien. Hat das beliebte Reiseziel dieselbe Wirkung auf dich? Auch ich bin nach meinem Abitur 2014 mit einem Kumpel nach ­Australien gereist. Erst dort habe ich meine Lust am Reisen und die Liebe zur Natur entdeckt. Beides zusammen führte dazu, dass ich meinen Instagram-Account aktiv mit Reisefotos gepflegt und aufgebaut habe. Die drei Monate Australien haben mich zu einem Travel Addict gemacht. In der Uni träume ich aber auch von weniger bereisten, aber definitiv genauso sehenswerten Orten. Was für ein Reisetyp bist du: Ballermann-Fanatiker, ­tiefenentspannte Strand­ urlauber oder der unternehmungslustige Abenteurer? Auf keinen Fall der Ballermann-­ Fanatiker. Ich zähle auch nicht zu den ewigen Strandhandtuchbelagerern. Stattdessen lautet mein Reisemotto "Never stop exploring" – immer auf der Suche nach dem Unbekannten sein und mit mindestens einer Kamera im Gepäck die Welt durch ein "drittes Auge" entdecken. Karten auf den Tisch: In welchen Ländern bist du in den letzten Jahren bereits gewesen? Neben Australien standen folgende Länder auf dem Programm: Die Westküste der USA, Island und die Lofoten, Dubai, Österreich, Schweiz, die Niederlande, die Dolomiten, Andalusien und vor Kurzem Schottland. Nach welchen Kriterien wählst du deine Ziele aus? Instagram dient mir dabei als Hauptinspirationsquelle.


An welchem Ort muss deiner Meinung nach jeder Student unbedingt einmal gewesen sein? Island. Die Nordlichter wird man nie wieder vergessen können, das garantiere ich! Genauso wenig wie die Leute und die Landschaften. Und das sage ich nicht nur, weil ich ein ­Skandinavien-Faible habe. Wie schaffst du es, deine Reiseprojekte und dein Studium unter einen Hut zu bringen? Da die großen Reisen meistens zwei bis drei Wochen dauern, habe ich oft die Semesterferien dafür genutzt. Kleinere Wochenendtrips versuche ich aber auch öfter mit meinem Auto zu machen. Mit der Zeit habe ich gelernt, jede freie Minute zu nutzen, um die nächsten Trips zu planen. Wer sieht dich öfter: Die Deutsche Bahn, ein Flugzeug oder deine ­Mutter? Mit der deutschen Bahn bin ich auf Kriegsfuß. Fliegen liebe ich. Denn erst wenn ich im Flugzeug sitze, abhebe und nach stundenlangem Flug plötzlich unbekannten Boden betrete, kommt in mir das richtige Reisegefühl auf. Doch am häufigsten sieht mich garantiert mein Auto.

Hand aufs Herz: Was macht Reisen für dich so besonders? "It feels good to be lost in the right direction" Egal wo man hingeht, es fühlt sich immer richtig an – selbst wenn man sich verirrt hat. Von der Routine eingeengt zu sein, null Abwechslung, null Abenteuer – das ist nichts für mich. In Schottland gerieten wir vor Kurzem in ein ­heftiges Unwetter und konnten unsere Zelte nicht mehr aufstellen. Zufällig fand uns ein Pärchen und bot uns seine Gastfreundschaft an. Es sind solche Zufallsbekanntschaften, die mich selbst offener und meine Reisen einzigartiger machen. Reisen bedeutet nicht nur, den Kopf frei zu kriegen, sondern auch die Augen zu öffnen. Man entscheidet sich bewusst gegen die Routine und für das Abenteuer. Man erlebt die Natur wieder mit faszinierten und aufmerksamen Kinderaugen.

Wie würdest du deine Fotos beschreiben? Was zeichnet sie aus? Bei meinen Fotos steht die Natur eindeutig im Vordergrund. Vor allem beziehe ich gerne alles, was sich bewegt, also Wasser und Wolkenhimmel, in meine Bilder mit ein. Fast jedes meiner Fotos enthält mein persönliches Lieblingsstilmittel – die Langzeitbelichtung. Welche Ziele warten 2017 auf dich und was hast du nach deinem ­Bachelor-Studium geplant? Für 2017 warten die Färöer Inseln, Kanada und – mein persönliches Highlight – Patagonien (Argentinien) auf mich. Nach meinem Bachelor habe ich mir ein Jahr Auszeit vorgenommen, in dem ich den Fokus auch auf das Filmen und YouTube legen möchte. Fabiola Jahn (WM)


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Tote Mädchen lügen nicht – eine Serie zum Nachdenken Entkommen kann vieles bedeuten. Dem Alltag entkommen, dem Stress, vielleicht sogar der Realität. Aber was, wenn man dem Leben entkommen will? Ich bin ja ein ziemlich großer Fan von Netflix. Die Streaming-Plattform ist meiner Meinung nach eine der besten Erfindungen, die es neben Schokolade gibt. Als ich gerade auf der Suche nach einer neuen Serie war, stieß ich auf Tote Mädchen lügen nicht. Vor etwa sechs Jahren hatte ich das Buch gelesen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sehr mich die Geschichte damals berührt und gleichzeitig erschüttert hatte. Nun hatte Netflix also eine Serie daraus gemacht. Natürlich war ich neugierig und drückte auf Play. Die Serie handelt von dem 17-jährigen Highschool-Schüler Clay Jensen. Eines Tages findet er vor seiner Haustür ein Paket mit Kassetten. Zuerst ist er verwirrt, aber als er die erste Kassette einlegt, will er seinen Ohren nicht trauen, als die Stimme von Hannah Baker – einer ehemaligen Mit-

schülerin – ertönt. Hannah Baker, die sich zwei Wochen zuvor das Leben genommen hatte. Kurz vor ihrem Tod hatte sie diese Kassetten aufgenommen, in denen sie 13 Gründe nennt, warum sie zu diesem Entschluss kam. Clay ist einer davon. Die Serie behandelt eine unglaublich ernste Thematik, die bei dem ein oder anderen auf Unverständnis stoßen mag. Wenn eine Person aus dem näheren Umfeld Selbstmord begeht, quält einen die große Frage des Warums. Warum hat dieser Mensch, der noch so viele Chancen, so viele Möglichkeiten hatte, warum hat dieser Mensch keinen anderen Ausweg gesehen, als sich das Leben zu nehmen? Zu diesem Unverständnis kommt unfassbare Trauer hinzu. Das Schlimmste jedoch sind die Schuldgefühle, die einen auffressen. Warum habe ich nicht bemerkt, dass er/sie so verzweifelt war? Mit einem Mal wird man sich gefühlt Hunderttausender Signale bewusst. Er/sie hat oft über den Tod gesprochen, sich vielleicht sogar selbst verletzt. Aber niemals hätte man auch nur in


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Erwägung gezogen, dass diese Person zu so etwas imstande gewesen wäre. Bis es zu spät ist. Gleichzeitig braut sich im Kopf dieser fürchterliche Gedanke zusammen: Habe ich Schuld? Bin ich einer der Gründe, warum diese Person getan hat, was sie getan hat? Habe ich sie umgebracht? Genau diese Fragen stellt sich auch Clay. Die Handlung wird abwechselnd aus seiner und Hannahs Sicht erzählt. Clay quält sich durch die Kassetten. Ihm fällt es schwer, ihre Stimme zu hören. Einerseits ist er wütend auf seine Mitschüler, startet Rache­aktionen, ist jedoch gleichzeitig selbst voller Trauer und Schuldgefühle. Sein Kumpel Tony – meiner Meinung nach ein wunderbarer Charakter – bringt ihn dazu, nicht aufzuhören, ist für ihn da, als Clay seine eigene, herzzerreißende Kassette anhört. Mit fortlaufender Handlung wird die Serie immer düsterer. Hannahs Gründe reichen von harmlosen Schülerstreichen bis hin zu weitaus heftigeren Sachen. Das eine resultiert

jedoch aus dem anderen. Wie ein Schneeball, aus dem eine Lawine wird. Hannah ist einer dieser Menschen, denen man vielleicht nicht sofort ansieht, wie schlecht es ihnen geht. Schließlich ist sie ein hübsches Mädchen, das aus einer liebevollen Familie stammt. Jedoch geht vieles in ihrem Kopf vor. Die oft unüberlegten Handlungen ihrer Mitschüler zerstören sie nach und nach. Der Unterschied zum Buch ist, dass die Jugendlichen, die ebenfalls auf den Kassetten sind, sowie die Eltern viel mehr in die Handlung integriert werden. Man erfährt, wie sich diese Personen nach Hannahs Selbstmord fühlen und was ihre Version der Geschichte ist. Es gibt nämlich nicht nur „die eine Wahrheit“. Außerdem werden Themen wie Homosexualität, Sexismus, Cybermobbing und das Außenseiterdasein allgemein weiter beleuchtet. Die Serie wie auch das Buch sollen beiden Seiten die Augen öffnen. Einerseits sollten wir uns gegenseitig besser behandeln und auch zweimal


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Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt und du nicht glaubst, alleine damit fertigzuwerden, rede mit jeman­ dem darüber. Es gibt immer Menschen, die bereit sind, dir zu helfen. Sie sind froh, dass es dich gibt. nachdenken, bevor wir ein peinliches Foto ins Internet stellen und uns darüber lustig machen. Cybermobbing ist ein großes Problem der heutigen Zeit. Aber nicht nur das, auch Handlungen und Worte außerhalb des Internets können einen Menschen sehr verletzen. Auf der anderen Seite spricht die Geschichte auch Leute an, die schon Suizidgedanken hatten. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf die Schuldigen zu zeigen. Am Ende hat ­Hannah die Entscheidung ganz alleine getroffen. Dabei hätte dieses Mädchen eine Zukunft gehabt. Es gab Menschen, die sie liebten und die ihr Tod im tiefsten Inneren erschüttert. Jedoch hat sie all ihre Probleme in sich hineingefressen. Deshalb ist die Botschaft an die Menschen, denen es so ähnlich geht wie Hannah:

Ich finde die Serie sehr gut gemacht. Selbstmord ist ein sehr ernstes, sehr sensibles Thema. Besonders gut gefällt mir, dass auch die anderen Charaktere miteinbezogen werden. Es wird gezeigt, wie schlecht es Hannahs Eltern geht, wie die Mitschüler auf ihren Selbstmord reagieren. Die Produzenten waren darauf bedacht, nichts zu verstecken, die nackte Wahrheit zu zeigen. Es ist eine wahnsinnig tragische Geschichte, die mich sehr tief berührt hat. Ich kann die Serie definitiv empfehlen. Jedoch muss man bedenken, dass es Diskussionen darum gibt, dass Tote Mädchen lügen nicht Betroffene zur Nachahmung anregt. Ich möchte nicht sagen, dass dies generell der Fall ist, dennoch möchte ich davor warnen. Julia Kerscher (OMM)


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Das Team

Leitung

Sandra Dettki und Simon Kienzler

Redaktion

(von links hinten:) ­Roman Kugler, Fabiola Jahn, Sophia Suckel, Saskia Meier, Katja Lemmingson, Isabel Riedel, Denise Ott, ­ Laura Bangert, Manuela Kaczmarek, Marie Messmer, Franziska Roth und Alina Martin – auf dem Foto fehlen: Anne Le, Simon Robl, Julia Ruppert, Jule ­Fuhrmann, Jana Kegel, ­Julia Kerscher, Celine Eckl und Jennifer Kögel

Lektorat

(von links hinten:) Aaron ­WeißlerKrux, Alicia Kaufmann, Lena Hermann, Katja Lemmingson, ­Stephanie Jauss, Svenja Fischer, Luisa Klose, Saskia Meier, Alina Martin, Denise Ott und ­ Sophia Suckel – auf dem Foto f­ehlen: Daniela Bader, Cosima Staneker, Christian Huttel, Laura ­ Cüppers, Julia Ruppert und Julia Kamm


Layout

Lisa Stelzenmüller, Laura Messerer, Moritz Gut, Laila ­Mazhar, Lizzy März, Yvonne Obermann, ­ Zelal Selcan, Svenja Fischer, Louise Hebestreit, Fromuth Camby, ­ Stephanie Jauss und Morena Verovic – auf dem Foto fehlen: Melanie Stemler, ­ ­ Marco Mutschler und Sabine Watke

PR

Larissa Heyden, Stephanie Jauss, Sara Oberst, Pelin ­Kahraman und Helen ­Zattler – auf dem Foto fehlen: Julia Kerscher und Cristina Lauber

Blog

Jule Fuhrmann, Larissa Heyden, Pelin Kahraman, Lisa Henzler und Sophia Suckel – auf dem Foto fehlen: Julia ­ Kerscher, Luca Falzone und Jana Kegel

Akquise

Chiara Müller, ­Jennifer Strübel und Sara Oberst – auf dem Foto fehlen: Isabelle Burkhardt und Annika Fix


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Impressum VielSeitig

Bildquellen

Die Studierendenzeitschrift an der

Titelfoto Moritz Gut Seiten 4-5 Bild von ­Moritz

Hochschule der Medien

Gut

E-Mail

­Seiten

vielseitig@hdm-stuttgart.de

Seiten 18-19

11-15

vimeo.com/71952791

Bilder ­

von

Julia

Ruppert

facebook facebook.com/wirsindvielseitig

S ­ eiten 20-21 Bilder von ­ Sophia Suckel

Blog vielseitig.vs.hdm-stuttgart.de

­Seite 22 pixabay.com Seite 23 de.wikipedia. org/wiki/Goldene_Zwanziger#/media/File:Joancrawford3.jpg Seiten 24-25 pixabay.com Seite 27 pixabay.com Seite 31 pixabay.com Seite 32 Bild von Alina Martin S ­ eiten ­38-40 pixabay.com

Seite 42

Bild

von

Marco ­

­Mutschler ­Seite 43 Bild von Isabel ­ Riedel Eine Initiative der Verfassten Studierenschaft

S ­ eite 45 Bild von Anne Le S ­ eiten ­54-55 ­Bilder

der Hochschule der Medien

von Denise Ott Seiten 56-57 p ­ixabay. com

Nobelstraße 10, 70569 Stuttgart

Seite 62 pixabay.com Seiten 64-65 Bild

Telefon 0711/8923-2631

von Fromuth Camby Seiten 66-67 eigene

Fax 0711/8923-2623

­Quelle von ­Sandra Dettki Seite 69 LabOne48

eMail vs@hdm-stuttgart.de

S ­ eiten 70-74 eigene Quellen von Jana Kegel Seiten ­75-76 eigene Quelle von Sandra Dettki ­Seiten ­78-79 Freepik.com Seite 81 unsplash.

Druck- und Weiterverarbeitung

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Hochschule der Medien

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Auflage: 1500 Exemplare

colate-raspberry-cupc-bd2bf9.jpg

Seite

85

Bild von Denise Ott Seiten 86-87 pixabay. com ­Seiten 89-90 Bilder von Jule Fuhrmann ­Seite 91 pixabay.com Seiten 94-95 Bild von Fromuth Camby Seiten 96-98 Bilder von ­Manuel Dietrich Seite 101 s1.r29static.com// bin/entry/91e/x/1774691/image.png Letzter Zugriff auf Online-Bilder: 27.05.2017




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