WHO CARES
WS 19 18
Wann hast du dich das letzte Mal gekümmert? Wir Studierenden leben in einer vermeintlich perfekten Welt, wo die größten Probleme Prüfungen, das letzte Stück Pizza und der Inhalt der Campus-Tüte sind, dabei gibt es doch so viele wichtigere Themen: Wir feiern dieses Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht. Hättest du’s gewusst? Oder die Todesfälle beim Einsturz einer Fabrik in Bangladesch – eine Nachricht, die nicht neu ist. Passiert da was in dir? Oder „aus den Augen dem Sinn“? Es sind die scheinbar kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen: Du hast doch bestimmt auch den einen Freund, der keinen Alkohol trinkt. Und ihr habt doch sicherlich schon darüber Witze gemacht. Die eigentliche Frage hierbei ist aber, wieso dich eigentlich das Trinkverhalten der Anderen kümmert. Schließlich wirst du auch nicht jedes Mal, wenn du ein Bier bestellst, gefragt: Heute lieber doch ne Cola? Wir machen uns über so viele Sachen Gedanken, aber nicht um die wichtigen Dinge. Jeder von uns hat schon mindestens einmal auf die Frage „Wie geht’s?“ ohne Nachzudenken mit „Gut“ geantwortet. Dabei könnte es doch auch anders laufen – was ist denn so schlimm daran, ehrlich zu antworten?
Wir haben uns alle gekümmert, dieses Semester auch um recyceltes Papier, und wünschen dir viel Spaß mit der diesjährigen VielSeitig Who cares! Deine sich stets kümmernde Initiativleitung,
Sanja
Sophia
Toni
Sanja kümmert sich um die Bekämpfung sexistischer Sprüche und um eine steigende Begeisterung für Science-Fiction Filme. Sophia kümmert sich um das Wiederaufleben des Interesses an klassischer Literatur und um eine nachhaltigere Lebensweise. Toni kümmert sich um ein wachsendes Verständnis für guten Sarkasmus und eine steigende Plastikmüll-Reduktion.
Du kannst dir mit diesem Magazin Inspiration holen, einfach mal dein Gewissen beruhigen oder du nimmst das Thema, wie so oft, wortwörtlich und kümmerst dich nicht darum.
EDITORIAL
1
6-7 DAS IST NICHT EGAL, LIEBE FIRST LADY! 8-9 DIE HOSENREVOLUTION
A LT E R N AT I V.V E G A N I S M U S . N A C H H A LT I G K E I T.
G E S E L L S C H A F T . S K A N D A L E . P O L I T I K .
10-11 SCHLAMPE, DIE
12 DSGVO – MEHR ALS NUR DATEN
24-25 LASST UNS ALLE HELDEN SEIN
13 WERBUNG
26 NACHHALTIGKEIT IM ALLTAG
14-16 "DANKE? NEIN!"
27 WERBUNG
17 GENUG GESCHUMMELT?
28-30 FAST FASHION: SCHNELL, BILLIG & GRAUSAM
18-19 WAS DAS HERZ BETRIFFT
31 FILM-EMPFEHLUNGEN
20-21 DER KLATSCHINSTINKT
32-33 EIN TREND MIT WEITSICHT
INHALT
38-39
SKETCH JAM 40-41
WERBUNG 42
ICH TRINK OUZO, WAS TRINKST DU SO?
43-44
"DAS IST FÜR MICH HDM" 45-48
VOM SOFA IN DEN CHOR 49-50
GLASGEDANKEN
DIE GEWINNER DES FOTOWETTBEWERBS
51
52-53
WAS INTERESSIERT UNS? 54-55
VERKÜMMERUNG 60-61
"ICH MACH MIR IN DIE HOSE - NA UND?!"
62-63
THE PHENOMENON OF TAKING 64 A HIT FOR GIVING A SHIT SCHRITT OHNE TRITT 65
ES IST MEINE LIEBE 66-67
DIE VERSKLAVUNG UNSERER AUFMERKSAMKEIT
68-69
WERBUNG 70
(K)EIN WEG ZURÜCK 71-72
WARUM EINE SERIE ÜBER KASSETTEN DIE ZUSCHAUER ENTZWEIT
73-74
HOW ARE YOU? FINE. 75-77
P E R S Ö N L I C H K E I T. I N D I V I D U U M . A U F K L Ä R U N G .
DIE MÖGLICHMACHER DER HOCHSCHULE
H O C H S C H U L E . B I L D U N G . E N G A G E M E N T.
SIEBEN TAGE. EIN KLEID. 36-37
LET'S TALK ABOUT DEPRESSION! 58-59
G E S E L L S C H A F T. S KA N DA L E . P O L I T I K .
Fehltritte von Trump sind nichts Neues. Doch vergangenen Sommer sorgt auch seine Frau für Schlagzeilen. Als sie eine Auffangstation für Kinder an der Grenze der USA zu Mexiko besucht, bezieht die First-Lady mit einer Zara-Jacke (un-) freiwillig Stellung zu der „Null-Toleranz-Politik“ ihres Mannes.
6
Weinende Kinder auf engstem Raum. Durch dicke Gitter von der Außenwelt – ihren Familien – abgespalten. Bewaffnete Grenzpolizisten trennen hilflose Mütter von noch hilfloseren Kindern. Wann sie sich wiedersehen? Ungewiss. Was sich an der Grenze der USA zu Mexiko abspielt, ist das erschütternde Resultat eines perversen Trump-Plans. Die „Null-Toleranz-Politik“ sorgt seit April 2018 dafür, dass alle Menschen, die illegal in die USA einreisen, festgenommen und wie Gesetzesbrecher behandelt werden – auch die, die Asyl beantragen möchten. Kinder dürfen nicht zusammen mit ihren Eltern inhaftiert werden und kommen deshalb in separate, provisorische Auffanglager. Käfige. Die Schutzwürdigsten werden von Trump missbraucht, um eine politische Message auszusenden: Wer unsere Grenze überschreitet, dem geschieht Schlimmes. Im Juni dieses Jahres macht sich seine Frau auf den Weg an die Grenze, um dort ein Kinderauffanglager zu besuchen. Bizarr? Falls die First-Lady mit diesem Besuch Gutes tun möchte, ja. Schließlich ist SIE die Frau des Mannes, der diese Qualen ausführen lässt. Noch bizarrer ist allerdings das Outfit, welches die First Lady bei ihrem Besuch trägt. Als Melania Trump an diesem – wohlgemerkt heißen – Tag ihren Wagen verlässt, zieht sie alle Blicke auf
DAS IST NICHT EGAL, LIEBE FIRST-LADY!
sich. Der Grund: Ein olivgrüner Parker mit einem Graffiti-ähnlichen Schriftzug.
„
„I don’t really care. Do you?“
“
Sechs Worte, die angesichts ihres Besuches nicht unpassender sein könnten. (Ersetzt das „unpassend“ durch das hässlichste Adjektiv, das ihr kennt). Unzählige Familien werden zerrissen – der ach so tollen First-Lady ist das scheinbar egal.
„
„I don’t really care. Do you?“
“
Die Bilder, die um die Welt gehen, sind grausam. Selbst die Decken, in die man die Kinder hüllt, sind – wie sinnbildlich – aus knisterndem Metall.
„
„I don’t really care. Do you?“
“
Symbolisch für diese Perversion: Ein kleines Mädchen, dem man die Schnürsenkel seiner Schuhe entnommen hat – zur Suizidprävention.
Zustände, über die wir nur den Kopf schütteln können. Jeder, der Kinder hat, kann sich vorstellen, welche Höllenqualen die Eltern an der Grenze durchleben. Warum also beweist Melania Trump, die selbst Mutter ist, in dieser Situation so wenig Taktgefühl? Die Frage kann ich mir eigentlich selbst beantworten: Mitgefühl ist in der Speisekammer des Weißen Hauses eben nicht in großen Mengen zu finden.
„
„I don’t really care. Do you?“
“
Ich denke, uns ist klar, dass Melania Trump einige Leute hinter sich hat, die darauf achten, was die First-Lady trägt. Ein reiner Mode-Fauxpas ist, meiner Meinung nach, somit unmöglich. Mit ihrer Jacke wollte sie eine eindeutige Message senden. Die Frage bleibt nur: An wen? Was genau ist es, was ihr so völlig egal ist? Zwei Theorien stehen
im Raum. Die erste Antwort liegt auf der Hand, auch wenn sie schwer nachzuvollziehen ist: Der First-Lady ist das Geschehen an der Grenze absolut schnuppe; Hilflose, traumatisierte Kinder kümmern Melania Trump nicht. Die zweite – bei Weitem leichter zu ertragende – Botschaft richtet sich an ihren eigenen Mann: „I really don’t care, Donald Trump.“ Dass der US-Präsident von ihrem Besuch an der Grenze nicht begeistert war, ist offensichtlich. Vielleicht ist da ja doch noch ein kleiner Empathie-Funken in der First-Lady. Vielleicht wollte sie mit dem Parka ihren Mann in die Schranken weisen und sagen: „Schau her, ich gehe an die Grenze und schaue mir das Elend an, für das du verantwortlich bist. Mir doch egal, ob du das gut findest, was ich mache.“ Vielleicht gibt es doch noch ein bisschen Hoffnung im Weißen Haus, an die wir uns klammern können. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wir wissen nicht, was sich Melania mit dieser Jacke gedacht hat. Sie schweigt – wieder einmal. „Es ist nur eine Jacke“, ist die Antwort von Melanias Sprecherin. Der US-Präsident selbst ließ mit seinem bekannten Gezwitscher natürlich nicht lange auf sich warten. Laut ihm hat sich die Message an die „Fake News Media“ richten sollen, den Lieblingsfeind im Trump-Universum. Ernsthaft?! Die First Lady nutzt einen Termin, bei dem es um traumatisierte Kinder geht, um einen symbolischen Stinkefinger in Richtung Medien zu recken? Ob die Botschaft an die Kinder, ihren Mann oder die Medien gehen sollte, bleibt unklar. Klar ist jedoch, dass die Outfit-Wahl von Frau Trump an diesem Tag mehr als deplatziert war. (Was) denkt (sich) diese Frau?
SANDRA BELSCHNER
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Wie sah unsere Gesellschaft vor über 100 Jahren aus? Anders, das ist schon mal klar. Es fuhren noch Pferdekutschen durch die Straßen, man korrespondierte per Brief und Deutschland wurde von einem Kaiser regiert. So manches, was damals undenkbar und nicht gern gesehen war, ist heute gang und gäbe – und andersrum. Das reicht von der Ehe bis zu Hotpants.
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Genau, richtig gelesen: Hotpants können als Symbol für einen gesellschaftlichen Wandel gesehen werden. Ein Kleidungsstück, das man sich nämlich heute definitiv nicht mehr wegdenken kann, ist die Hose. Egal ob kurz oder lang, Jeans, Leder oder Baumwolle, Leggins oder Röhrenjeans , die Auswahl ist endlos. Doch betrachtet man alte Schwarz-Weiß-Bilder aus dem 19. Jahrhundert, haben da vor allem die Herren die Hosen an – im wahrsten Sinne des Wortes. Schon die Jahr hunderte davor war diese Art von Bekleidung für die Damenwelt ein absolutes No Go. Frauen, die Hosen tragen? Unvorstellbar! Mit der Emanzipations bewegung wuchs dann aber auch das Verlangen der weiblichen Bevölkerung nach einer anderen Beinbekleidung
Weltkriegs selbst arbeiten mussten: Overalls für Fabrik arbeiterinnen, Hosen für die Damen, die zum Beispiel in öffentlichen Ämtern oder im Bahnverkehr tätig waren. Ab den 30er Jahren wurde das Image der Hose-tragenden-Frau dann vor allem durch Künstlerinnen verbreitet. Auch wenn es dennoch in den darauffolgenden Jahrzehnten üblich war, im Alltag Röcke und Kleider zu tragen, so ist es heute in Deutschland umso normaler, dass Frauen in Hosen unterwegs sind.
Es wurden Hosenröcke entwickelt, in denen man auch Reiten und Fahrradfahren konnte. Aber dennoch war es recht unüblich für Frauen, im Alltag Hosen zu tragen – bis sie während des Ersten
Fun Fact: Bis Ende Januar 2013 gab es in Paris ein Gesetz, das Frauen verbot, Hosen zu tragen. Naja, daran wird sich wohl die letzten 100 Jahre nicht jede gehalten haben – den meisten war wohl nicht mal bewusst, dass dieses Gesetz aus dem Jahr 1800 überhaupt noch existierte. Aber es ist gut zu wissen, dass nun jeder ohne schlechtes Gewissen in Hosen durch die Modehauptstadt schlendern kann. Ein weiteres Überbleibsel der Vergangenheit, dem die jüngeren Generationen glücklicherweise nicht mehr nachgehen müssen, ist die Wehrpflicht. Die gab es auch schon vor der Zeit des Deutschen Kaiserreichs. 1956 entstand die Wehrpflicht, wie sie unsere Väter kennen, und diese wurde erst 2011 abgeschafft. Mit 17 bzw. später mit 18 Jahren begann für die meisten jungen Männer ihre bis zu 18-monatige Tätigkeit bei der Bundeswehr. Heute entscheiden sich viele gegen einen Wehrdienst – ist ja auch alles freiwillig. Dass bei der Bundeswehr schon lange nicht mehr so viel los ist wie früher, zeigen Zahlen des Deutschen Bundesrates: In den 80er Jahren waren mehr als 450 000 Menschen im Dienst, 2011 waren es nur noch etwa 206 000 und 2017 nicht mal mehr 180 000. So richtig Lust aufs
DIE HOSENREVOLUTION
oder: Früher war nicht alles besser
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Frauen, die Hosen tragen? Unvorstellbar!
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Militär scheinen nicht mehr viele zu haben. Kein Wunder also, dass die Bundeswehr neue Rekruten anwerben will. Von den 47 Ländern in Europa halten übrigens heute nur noch zehn an ihrer Wehrpflicht fest, darunter Dänemark, Schweden und die Schweiz.
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Bis Ende Januar 2013 gab es in Paris ein Gesetz, das Frauen verbot, Hosen zu tragen.
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Weg von der Bundeswehr hin zu einer eher privaten Angelegenheit: dem Liebesleben. Einen großen Wandel, den die Gesellschaft im vergangenen Jahrhundert durchlebt hat, ist definitiv die Akzeptanz der Homosexualität. Eine Person des gleichen Geschlechts zu lieben und eine Beziehung miteinander zu führen, wurde lange Zeit geächtet und sogar bestraft. In der Kaiserzeit und während der NS-Diktatur gab es noch ein Gesetz, das gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellte – was im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen konnte. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde dieses zwar verändert, blieb jedoch noch bis 1994 in Kraft; Homosexualität war also immer noch strafbar.
Danach ging es dann aber aufwärts: 2001 trat das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft, das bis 2017 die eingetragene Lebenspartnerschaft erlaubte. Seit Oktober 2018 gilt die Ehe für alle, jeder darf seinen Partner jedweden Geschlechts heiraten, gleichgeschlechtliche Paare dürfen nun auch gemeinsam adoptieren. Dazu kommt das Antidiskriminierungsgesetz, das vor einer Ausgrenzung und Diskriminierung in der Gesell schaft wegen der eigenen sexuellen Identität schützen soll. Diese Akzeptanz ist nicht überall auf der Welt zu finden. In vielen Ländern werden Menschen noch immer wegen ihrer Sexualität bestraft, teilweise sogar getötet. In Saudi-Arabien zum Beispiel steht auf Homosexualität die Todesstrafe! Einen Wandel in der Gesellschaft und sogar in der Politik herbeizuführen ist keine Aufgabe, die sich innerhalb von kurzer Zeit meistern lässt. Oft vergehen Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte, bis sich etwas ändert. Doch manche Dinge lassen sich nicht aufhalten, entweder weil Menschen sich einen Wandel wünschen und dafür kämpfen – wie bei der Frauenrechtsbewegung – oder weil sich durch Erfindungen und wirtschaftliche Neuerungen die Lebensumstände verändern, und sich die Gesellschaft anpassen muss. Den Wandel kann man eben nicht abwenden.
LAURA BANGERT
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Jede Schule hatte sie, diese eine Lehrerin, die Schülerinnen als Schlampen betitelte, wenn diese ihre Hefte nicht ordentlich führten. Schlampe, im Sinne von „schlampig“ (= unordentlich, dreckig, ungepflegt). Erinnert ihr euch, als das unsere Bedeutung des Wortes „Schlampe“ war?
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Möglicherweise ist diese Erinnerung schon verblasst, oder ihr seid zu jung, um sie zu teilen, da Social Media schon zu eurer Schulzeit die Pausenhöfe dominierte. Doch heute sind wir alle älter. Und wenn wir als Schlampe betitelt werden, dann gilt unser erster Gedanke nicht den unordentlichen Uni-Mitschrieben. Kristen Stewart verlässt Robert Pattinson? Schlampe. Stefanie Giesinger posiert im knappen Bikini? Schlampe. Ariana Grande sagt eine Tour ab? Auch Schlampe. Bitte was? Mit dem ständigen Slutshaming nimmt unsere Gesellschaft Frauen ihre Autonomie. Sie sagt ihnen, dass ihre Kleidung zu freizügig ist, dass sie zu viele Partner haben, dass sie sich zu frei ausleben. Sie sagt ihnen, dass, egal was sie machen, alles falsch ist. Sie sagt ihnen aber vor allem eines: dass ihr Körper nicht ihnen gehört. Von Slutshaming
SCHLAMPE, DIE
spricht man, wenn Frauen für ihr Sexualverhalten und alles, was man mit Sexualität assoziiert, verurteilt werden. Das zuletzt genannte ist dabei mindestens genauso schlimm wie das erste, denn etwas Nichtsexuelles wird in etwas Sexuelles verwandelt. Das beste Beispiel: Kleidung. Wenn junge Frauen kurze Hosen oder Tops tragen, heißt es sofort: Sie wollen auf sexuelle Weise auf sich aufmerksam machen. Sie wollen aufreißen. Man denkt gar nicht erst daran, dass sie auch Kleidung tragen könnten, weil es ihnen einfach gefällt. Slutshaming-Beleidigungen sind mittlerweile so weit verbreitet, dass sie in jedem Kontext genutzt werden können. Und sogar, wenn gar kein Kontext da ist. Begriffe wie eben „Schlampe” oder „Hure” sind so in unserer Gesellschaft angekommen, dass sie immer dann genutzt werden, wenn man einer Frau das Selbstwertgefühl nehmen will: Denn wenn wir beispielsweise unsere dominante Chefin als Schlampe betiteln, was hat das denn dann mit deren Sexleben zu tun? Nichts. Warum benutzen wir den Begriff trotzdem? Weil wir es können. Es ist uns schlichtweg egal, in welchem Zusammenhang wir den Begriff nutzen, solange wir unserem Frust über eine andere Person nur freien Lauf lassen können. „Es sind doch nur Worte, ist doch halb so wild“, hört man aus allen Ecken. Klar, nur Worte. Nur ein Wort, um genau zu sein. Und natürlich besteht es lediglich aus aneinandergereihten Buchstaben, die keine Bedeutung haben. Aber was passiert, wenn Worte Menschen verletzen? Gerade erst vor einigen Wochen verschaffte sich die Sängerin Lena Meyer-Landrut auf Instagram
Gehör, indem sie ein Bild von sich vor einem Spiegel postete. Auf ihm standen Beleidigungen geschrieben, die sie sich schon anhören musste. „Du dumme Schlampe“, „Fotze“ und „Widerliches Weib“ sind nur einige Beispiele. Die Sängerin zeigt ein Problem auf, mit dem Millionen von Frauen weltweit zu kämpfen haben: Sie werden sexualisiert. Es passiert häufig, dass eine Frau, die schlecht gelaunt ist, als „untervögelt“ bezeichnet wird. Und wenn sie dann gut drauf ist und mehr Erfolg hat als man selbst, ist sie eine Schlampe. Da stellt sich die Frage, wieso wir uns so sehr für das Sexleben von Frauen interessieren. Ist das einzige, was diese können, den Mann zu befriedigen?
Natürlich nicht, kreischt es von allen Seiten. Aber so ganz stimmt das nicht. Bis heute wird die Frau nur als Nebenprodukt des Mannes gesehen. Ohne Adam wäre Eva nie entstanden und ohne Don Draper wäre Peggy Olsen immer noch eine Sekretärin. 2018 feiert das Frauenwahlrecht in Deutschland 100 Jahre. Für viele scheint es, als sei die Gleichberechtigung schon erreicht, denn im Gesetz hat sich viel getan. Wo soll sich denn jetzt noch etwas ändern? Die Antwort ist einfach: in den Köpfen der Menschen.
FRANZISKA ROTH UND ANNE LE
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Es ist noch nicht allzu lange her, dass die neue Datenschutzverordnung, kurz DSGVO, in Kraft getreten ist. Doch welche Bedeutung hat die DSGVO für Dich als Student? Damit Du weißt, ob Du beispielsweise die Verwendung Deiner persönlichen Daten hinterfragen kannst und worauf Du achten solltest, zeigen wir Dir hier die wichtigsten Fakten!
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DSGVO –
mehr als nur Daten
gebraucht werden. Zudem kannst Du verlangen, dass private und berufliche Daten und Bilder aus dem Netz gelöscht werden sollen. Wichtig ist, dass nicht wahllos irgendwelche Daten von Dir erhoben werden. Sie müssen zweckgebunden sein. Damit soll erreicht werden, dass möglichst wenige persönliche Daten verbreitet werden. Du willst wissen, welche Daten von Dir gespeichert wurden? Kein Problem: Jedes Unternehmen und jede Plattform im Allgemeinen müssen Dir Deine Daten zur Verfügung stellen. Folglich soll Dir die DSGVO als Student den Zugriff auf Deine Daten erleichtern, damit Du eine bessere Kontrollmöglichkeit darüber hast. Dies ist vor allem in Zeiten von stark verbreiteten Inhalten auf den sozialen Medien von enormer Wichtigkeit. Sei es von Social-Media-Plattformen oder auch von deiner Hochschule – Du hast das Recht, den Zugang zu allen Daten zu verlangen! Stimmt etwas nicht überein oder müssen Änderungen vorgenommen werden? Lass sie korrigieren und lösche falsche Daten. Informiere Dich in Deinen Einstellungen, sei es auf Facebook, Instagram und Co., was mit Deinen Daten passiert. Vielen ist nicht bewusst, für was sie überall ihr Einverständnis geben und aus Bequemlichkeit einen Haken setzen. Es geht um Deine Daten – nimm Dir die Zeit und informiere Dich darüber.
LOUISE HEBESTREIT
Kaum einer macht sich Gedanken, wenn es um Daten geht. Viele verwenden diese, leiten sie weiter und sind sich dabei nicht im Klaren darüber, ob sie damit rechtswidrig handeln. Doch genau diese Unwissenheit über den Umgang mit Daten wurde beispielsweise der Universität in Zürich zum Verhängnis. Studenten mussten dort die Erfahrung machen, dass ihre Daten und auch die von Mitarbeitern der Hochschule an eine Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden. Hierzu gehörten sowohl E-Mail-Verläufe über den Hochschul-Account als auch Daten von Telefongesprächen. Grund für die Weiterleitung der Daten war die Vermutung, dass vertrauliche Daten eines Professors von einer unbekannten Person an die Medien weitergeleitet worden seien. Doch was genau darf mit unseren Daten passieren – und was nicht? Wichtig ist, dass Du – egal wo, sei es an der Uni, an Deinem Arbeitsplatz usw. – zu Beginn immer darüber informiert werden musst, wer Deine persönlichen Daten erhebt, wieso sie erhoben werden und für welchen Zeitraum. Dazu gehören unter anderem Dein Name, die Adresse, die Ausweisnummer oder – wie im oben beschriebenen Fall – Deine E-Mail-Adresse. Du kannst der Datenerhebung zustimmen und sie jederzeit widerrufen. Du hast ein „Recht auf Vergessenwerden“! Das heißt im Klartext: Daten, die für einen bestimmten Zweck von Dir erhoben und gespeichert wurden, müssen gelöscht werden, wenn sie nicht mehr
Reicht Dir ein klassischer Aushilfsjob oder willst Du mehr? Jetzt bewerben! Dir ist egal was Du arbeitest, Hauptsache Du verdienst Geld? Nicht bei uns. Wir bieten Dir fachspezifische Jobs, die Dich nicht nur finanziell, sondern auch persönlich voranbringen. Nutze die Chance und starte schon während des Studiums Deine Karriere! #whocares #wecare!
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Seit 1918 dürfen Frauen wählen und gewählt werden. 1919 schafften es rund 9 Prozent Frauen ins Parlament, heute sind es 31 Prozent. Auch nach 100 Jahren Frauenwahlrecht überwiegen die Männer in diesem Bereich deutlich. Grund genug, auf die bisherigen Errungenschaften im Kampf um Gleichberechtigung zu blicken und die noch existierenden Missverhältnisse aufzuzeigen. Als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung spricht am 19. Februar 1919 die Sozialdemokratin Marie Juchacz aus Berlin: „Ich möchte hier feststellen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis
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Kommt deshalb aber jetzt jemand auf die Idee, den Männern das Wahlrecht zu entziehen?
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dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist." Damit sprach Marie Juchacz all jenen Frauen aus dem Herzen, die sich schon lange vor der Einführung des Wahlrechts für dieses stark gemacht hatten. Sie sahen es als ihr Recht an, über Gesetze mitzuentscheiden, die sie genauso betrafen wie die Männer. Der männliche Teil der Bevölkerung hatte zum Teil eine andere Meinung. Zum einen war Mann der Auffassung, dass Frauen am Herd und in der Kinderstube genug zu tun hatten als sich auch noch um politische Angelegenheiten zu kümmern.
"DANKE? NEIN!"
Zum anderen konnte keiner voraussehen, wie die Frauen wählen würden. So malte sich jede Partei das für sich schlimmste Szenario aus und lehnte das Frauenwahlrecht sicherheitshalber mal ab. Heute wissen wir, dass Frauen tatsächlich anders wählen. Zum Beispiel hat die AfD bei Frauen kaum eine Chance. Kommt deshalb aber jetzt jemand auf die Idee, den Männern das Wahlrecht zu entziehen? Nein. Männer und Frauen sind unterschiedlich und sie wählen unterschiedlich. Trotzdem haben beide Geschlechter das Recht, über politische Fragen zu entscheiden. Denn „anders“ heißt nicht unbedingt „schlecht“ – im Gegenteil. Frauen bedenken ihre Wahl genauso klug wie Männer, sind dabei aber weniger radikal. Um zu erreichen, dass die verschiedenen Interessen in gleichem Maße berücksichtigt und vertreten werden, braucht es jedoch mehr als ein Drittel an Frauen in politischen Ämtern, mehr als 20 Prozent Frauen in Führungspositionen und Gleichbehandlung auf allen Ebenen. Das fängt beim Gehalt an. Wer kürzlich im Kino war, kennt den neuen Werbespot der Sparkasse zur Altersvorsorge. Darin begegnet eine Frau in einem Restaurant zufällig einem alten Schulfreund. Dieser ist ganz
Warum wir uns für die Gleichberechtigung nicht bedanken
entsetzt, als sich im Gespräch herausstellt, dass die Frau sich jetzt im Alter mehr leisten kann als er, obwohl sie in ihrem früheren Job weniger verdient hat. Der Spot endet mit dem Satz: „Jetzt von der Sparkasse beraten lassen, damit Frau später finanziell
aber nicht außer Acht gelassen werden, dass sich viele Frauen gegen das Muttersein entscheiden. Auch wird der Pay Gap oft damit begründet, dass Frauen sich häufig für schlechter bezahlte Berufe wie zum Beispiel im sozialen Bereich, entscheiden, häufiger in Teilzeit arbeiten und seltener in Führungspositionen vertreten sind als Männer. Aber: Wenn man diese Teile des Verdienstes herausrechnet, die auf Unterschiede bei der Berufswahl, dem Arbeitsumfang oder dem geringeren
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Einkommenslücke? Selbst schuld, wenn sich die Frau jahrelang daheim bei den Kindern `nen faulen Lenz macht
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abgesichert ist.“ Die Frau in dem Video wird erfolgreich und schlagfertig dargestellt, trotzdem regt sich gerade der weibliche Teil der deutschen Bevölkerung über ihn auf. Warum? Weil die Sparkasse dem Zuschauer darin den immer noch existenten Gender Pay Gap an den Kopf knallt, frei nach dem Motto: Frauen verdienen weniger bei gleicher Leistung? Ist doch egal, solange sie sich bei uns versichern lassen, können sie sich im Alter trotzdem alles leisten! Und das, während Frauen auf der ganzen Welt seit Jahrzehnten dafür kämpfen, genau diese Einkommenslücke zwischen Mann und Frau zu schließen. Einkommenslücke? Selbst schuld, wenn sich die Frau jahrelang daheim bei den Kindern `nen faulen Lenz macht, argumentieren Gegner der Emanzipation. Klar, bei Frauen, die eine Familie gründen und einige Zeit zu Hause bei den Kindern bleiben, fällt das niedrigere/ausbleibende Gehalt ins Gewicht und Gehaltssprünge werden durch den Ausfall verzögert. Dabei darf
Anteil von Frauen in Führungspositionen beruhen, verdienen Männer laut dem statistischen Bundesamt immer noch circa. 6 Prozent mehr als Frauen mit gleicher Qualifikation. Schon beim Berufseinstieg verdienen Frauen 8 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Woran liegt das? Bei dieser Frage können auch Experten nur spekulieren. Fakt ist: Bei Gehaltsverhandlungen nehmen sich Frauen oft zu sehr zurück, fordern weniger, zweifeln an ihren eigenen Leistungen und schaffen es dadurch nicht, sich ihrem (in der Regel männlichen) Gegenüber als eine einer Gehaltserhöhung würdigen Mitarbeiterin zu präsentieren. In solchen Situationen müssen Frauen lernen, sich selbstbewusst zu präsentieren. Und Führungskräfte sollten bedenken, dass die Mitarbeiterin, die ihre Leistungen mit leiser Stimme als „schon ganz gut“ bezeichnet. möglicherweise genauso fähig ist wie ihr Kollege, der sich gelassen als Topmitarbeiter bezeichnet und ohne mit der Wimper zu zucken
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30 Prozent mehr Gehalt fordert. Und dann schafft sie es möglicherweise auch irgendwann auf die andere Seite des Verhandlungstisches. Gerademal ein Fünftel der Führungspositionen in Deutschland sind mit Frauen besetzt. Auch hier kann man wieder die Kindererziehung und das (fehlende) Durchsetzungsvermögen von Frauen ins Spiel bringen. Trotzdem liest man diese Zahl, schaut auf die Argumentation und fragt sich: Ist das wirklich alles? Was ist mit all den Frauen, die ohne oder trotz Kinder Karriere machen wollen und auch das Zeug dazu haben? Die selbstbewusst, bestimmt und kompetent auftreten und Führungsaufgaben locker gewachsen sind? Sind das etwa nur 20 Prozent? Die Antwort
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Männer wollen nicht von Frauen geführt werden.
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und frühkindlicher Konditionierung in einer veränderungsscheuen Gesellschaft mit starren Denkmustern. Und sowieso gibt es inzwischen bestimmt schon fünf andere Psychologen, die Dopfers These widerlegt haben. Trotzdem hat die umstrittene Publizierung des Psychologen eines erreicht: Den Missstand aufzuzeigen. Und jeder Versuch, einen Weg zu finden, um Ungleichheiten abzubauen, ist richtig und wichtig auf dem Weg zur Egalität. Im Jahr 2019, in dem diese Ungleichheiten immer noch erschrecken und viele Fragen aufwerfen, gilt es also, noch vieles zu verändern. Um die Veränderung werden Frauen jedoch nicht bitten, sondern dafür kämpfen. Die Einführung des Wahlrechts für Frauen 1918 war der erste Schritt zur Gleichberechtigung, deren Erreichung längst überfällig ist. Sobald sie vollbracht ist, bleibt kein Dank übrig, sondern nur die Frage, weshalb das so lange gedauert hat.
JOANNA RIETL
des Psychologen Werner Dopfer sieht darauf folgendermaßen aus: Männer wollen nicht von Frauen geführt werden. Sie sind es schlichtweg nicht gewohnt und werden dabei an ein Mutter-Sohn-Verhältnis erinnert, worauf sie mit Rebellion und Ablehnung reagieren. Dopfer liefert zur Diagnose auch gleich einen Behandlungsvorschlag mit: Männer sollen lernen, dass das Problem nicht bei der starken Frau im Büro liegt, sondern an der eigenen Abneigung gegen weibliche Bevormundung. Frauen dagegen sollen verstehen, warum sich der Mann verhält, wie er sich verhält, und „einen Umgang mit Männern finden, der ihrem Wunsch nach Anerkennung, Selbstbestimmung und „Heldentum“ gerecht wird – dennoch aber stets professionell und
zielgerichtet bleibt. Da könnte er auch gleich verlangen, dass Frauen endlich besser einparken sollen und Männer lernen sollen, zuzuhören. Wir sprechen hier von evolutionsbedingt vorprogrammierten Verhaltensweisen
Dass der Umweltschutz und die Automobilindustrie noch nie die besten Freunde waren, ist wohl jedem klar. Eine vom BUND und dem Verkehrsclub Deutschland in Auftrag gegebene Studie zeigt nun, dass bereits viele umweltfreundlichere Technologien entwickelt wurden – doch von der Industrie zurückgehalten werden.
FRANZISKA SCHMOCK
Bis 2020 sollen eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen zugelassen sein – so das große Klimaziel der Bundesregierung. In der Realität ist man davon aber noch weit entfernt, wie nun eine von Professor Dr. Eckard Helmers an der Universität Kiel durchgeführte Studie feststellt. Der Wissenschaftler zeigt auf, dass sich deutsche Automobilhersteller vor allem auf die Entwicklung großer, schwerer Dieselfahrzeuge mit hohem Treibstoffverbrauch konzentrieren. Ein Widerspruch zum erstrebenswerten Klimaziel, der die Frage aufwirft, ob sich die Autoindustrie überhaupt für den Umweltschutz interessiert. Laut Helmers stammen rund 22 Prozent aller weltweit produzierten Autos von deutschen Unternehmen. Deren Einfluss auf die weltweite Automobilwirtschaft ist somit enorm. „In der deutschen Autoindustrie getroffene Modellentscheidungen beeinflussen in erheblicher Weise, mit welchen Autos nicht nur Europäer, sondern Menschen auf der ganzen Welt fahren“, erklärt der Wissenschaftler. Umweltfreundlichere Technologien und Modelle aus Deutschland könnten seiner Überzeugung nach einen sehr positiven Einfluss auf die weltweiten Treibhausgas-Emissionen haben.
So viel Wert legt die deutsche Autoindustrie auf Umweltschutz
Dennoch zeige sich die Modell- und Markenpolitik der Hersteller unbeeindruckt von den Auswirkungen, die leichtere und effizientere Autos für die Umwelt haben könnten. Die aktuelle europäische Gesetzgebung, an der deutsche Automobilunternehmen maßgeblich mitwirken konnten, ermögliche es ihnen sogar, sparsamere Technologien zurückzuhalten. Von europäischen Regierungen ausgehende Subventionierungen und herabgesetzte Grenzwerte seien ebenfalls Gründe für Hersteller, kein oder nur wenig Geld in die Entwicklung neuer Elektrofahrzeuge zu stecken. Modelle wie der VW Lupo oder BMW i3 zeigen, dass umweltfreundlichere Autos auch von deutschen Unternehmen gebaut werden können. Die hohen Preisaufschläge sind jedoch ein Indiz dafür, dass diese nicht für den Verkauf in großer Stückzahl gedacht sind. „Vor allem die wirkungsmächtigen Lobbystrukturen verzögern die umweltgerechte Fortentwicklung von Fahrzeugen“, schlussfolgert Prof. Dr. Eckard Helmers. Laut Gutachten verfolgen vor allem deutsche Automobilunternehmen grüne Alternativen nur schleppend. Die unverhältnismäßige Preisgestaltung bei Elektroautos mache außerdem klar, dass die Interessen der deutschen Autoindustrie aktuell nicht mit denen der Umwelt auf einen grünen Nenner kommen.
GENUG GESCHUMMELT?
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„Tote bei Schusswechsel im Gazastreifen“ „Polizei sucht nach Vergewaltiger einer Elfjährigen“ „14 Tote nach Erdrutsch in Rio“ „Brände in Kalifornien: 1.000 Vermisste nach Feuerkatastrophe“ „Zahl der Toten bei Anschlag in Somalia steigt“ Wer von euch hat heute Morgen schon ähnliche Meldungen gelesen, egal ob auf dem Smartphone, dem Infoscreen am Hauptbahnhof oder womöglich noch in der guten alten Zeitung? Und wie habt ihr euch dabei gefühlt? Ängstlich? Traurig? Entrüstet? Oder ist euch beim Lesen eingefallen, dass die Aufgabe für die erste Vorlesung noch zu Hause auf dem Tisch liegt und die Nachricht war schon wieder vergessen, bevor die eigenen Empfindungen verarbeitet werden
schrieb dazu: Wie betroffen sind wir von solchen Meldungen, wenn wir nicht selbst betroffen sind? Und wieso heben deutsche Medien in Katastrophenmeldungen aus dem Ausland besonders hervor, wenn ein Deutscher zu den Opfern zählt? Verschiedene Faktoren entscheiden darüber, wie der Einzelne die Meldung wahrnimmt. Agenda Setting, also die Selektion der von den Massenmedien aufgegriffen Meldungen, sorgt dafür, dass
„
Zum Frühstück Schinken und 20 Tote. Zu Mittag Schnitzel mit Revolution. Aufschnitt und Lustmord zum Abendbrote. Wer von den Lesern verträgt das schon?
“
konnten? Bei der Flut an Schreckensnachrichten kommt man mit der Betroffenheit ja sowieso nicht mehr hinterher. Erich Kästner hat sich in seinen Montagsgedichten (diese sind bis 1939 in der Berliner Zeitung ›Montag Morgen‹ erschienen) schon der Frage angenommen, wie sich Katastrophenmeldungen auf den Rezipienten auswirken und
uns die Meldung überhaupt erreicht. Der Umfang der Berichterstattung bestimmt, wie schlimm wir die Meldung einstufen. Hören wir tagelang von morgens bis abends dieselbe Meldung, dann nehmen wir das als Zeichen, dass sich etwas Schreckliches ereignet haben muss. Gewalttätige Konflikte mit Todesopfern und verheerende Naturkatastrophen gelten dabei als besonders medientauglich. „If it bleeds, it leads“ scheint das Motto zu sein. Aber jetzt wird es interessant: Je ähnlicher die Kultur des tastrophengeplagten Landes der unseren ist, desto mehr wird darüber berichtet. Die Schlagzeile: „Fast 300 Tote bei Gelbfieberausbruch in Angola“ finden wir demnach nicht mal halb so tragisch, wie die Meldung über zwei Tote
WAS DAS HERZ BETRIFFT
Wenn in China ein Sack Reis umfällt und im Iran 500 Menschen sterben
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bei einem Amoklauf in einer französischen Schule. Psychologen fanden zudem heraus, dass Frauen, Kinder und ältere Personen ein hohes Maß an Mitleid erregen, da diese Personengruppen als besonders hilfsbedürftig wahrgenommen werden. Erscheint uns die betroffene Person zusätzlich als ähnlich und vertraut, wächst die persönliche Anteilnahme. Wieso das? Je mehr wir uns mit den Opfern der Katastrophe identifizieren können und je näher der Ort des Geschehens unserem eigenen Wohnort ist, desto eher können wir uns vorstellen, selbst einmal von einer solchen Katastrohe ereilt zu
werden. Sind wir also im Endeffekt nur besorgt um unsere eigene Haut? Zum Teil. Wir empfinden zwar Mitleid mit den betroffenen Personen, das Gefühl der inneren Betroffenheit wird aber durch das Bangen um unsere eigene zukünftige Sicherheit und der unserer Lieben verstärkt. Wenn es einen Terroranschlag in Frankreich gab, wer sagt dann, dass es
nicht bald auch einen in Deutschland geben wird? Vielleicht sogar in Stuttgart? Und vielleicht sogar in einem Gebäude oder an einem Platz, an dem ich mich zu genau diesem Zeitpunkt mit Freunden oder Verwandten aufhalte? Nach solchen Ereignissen ist die Betroffenheit in aller Munde. Gerade wenn es einen nicht betrifft, kann und sollte man sein Bedauern bekunden. Wir sind ja schließlich sozial. Wir zeigen Anteilnahme und schicken unsere virtuellen Herzchen gerne jederzeit dahin, wo‘s gerade brennt bzw. gebrannt hat. Und sonst überall hin, wo kürzlich Städte verwüstet wurden oder Hinterbliebene um ihre Liebsten trauern. Kostet ja nichts. Aber die Wahrheit ist: Passiert die Katastrophe weit entfernt von uns und ist die betroffene Personengruppe kulturell kaum mit der unseren zu vergleichen, fühlen wir uns sicher und die Betroffenheit hält sich in Grenzen. Solange wir uns einer sicheren Zukunft gewiss sehen, erscheint uns das schreckliche Ereignis weit weg und wenig real. Vielleicht endet oben erwähntes Gedicht von Kästner deshalb mit den Worten:
„
Ich bemerke ergänzend: Sie vertragen es glänzend!
“
JOANNA RIETL
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Stell dir vor: Du stehst vor einem Zeitungsregal und musst dich für eine lange Zugfahrt mit Lesestoff eindecken. Zur Auswahl stehen dir die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, die Bild, die Stuttgarter Nachrichten und die Bunte. Welche kaufst du? Falls deine Wahl auf die Bild oder die Bunte gefallen ist und der Kassierer dich herablassend mustert – „Wow. Da interessiert sich aber jemand für ganz anspruchsvolle Themen.“ – dann gibt es keinen Grund, dich schlecht zu fühlen. Ganz im Gegenteil, du bist einem angeborenen Instinkt gefolgt. Das Interesse an Klatsch war schon immer da, schon viel länger als der Begriff selbst. Aber wieso kümmert uns das Leben anderer?
„
Wow. Da interessiert sich aber jemand für ganz anspruchsvolle Themen. 20
“
Den Begriff gibt es schon seit dem 19. Jahr hundert: „Klatsch“ ist das Geräusch, wenn man nasse Kleidung auf Steine zum Trocknen schlägt. Eine sehr monotone und langweilige Arbeit der Waschfrauen der damaligen Zeit, sodass neben bei genügend Zeit blieb, sich über Neuigkeiten im Dorf auszutauschen. Die biologischen Mechanismen hinter Interesse und Neugier am Leben anderer reichen jedoch bis zum Anfang der Menschheit zurück. Der Mensch als Gruppentier richtet sein Leben an sozialer Interaktion aus und hat daher das Bedürfnis, über andere Bescheid zu wissen. Nur wer weiß, was momentan im Dorf
DER KLATSCHINSTINKT
passiert, kann mitreden und gehört dazu. Auf die heutige Zeit übertragen, bedeutet dies, dass uns Hochzeiten, Trennungen und Skandale viel mehr interessieren als abstrakte Ereignisse aus der Politik. Das Wissen über den Status anderer ermöglicht uns, unseren eigenen Status zu definieren. Es ist zum Beispiel beeindruckend, nach der Trennung vom Ehemann, eine selbstständige, unabhängige Frau zu sein. Dieser Effekt wird durch die schnelle und weltweite Verbreitung von Neuigkeiten über das Internet noch verstärkt. Man vergleicht sich nicht mehr nur mit seinen Freunden, Verwandten und Bekannten, sondern nimmt auch täglich am Leben von Prominenten teil. Sie sitzen im Café, wir sind dabei. Sie reisen nach Mailand, wir sind dabei. Sie gehen ins Fitnessstudio, wir sind dabei. Die Beziehung zu medialen Persönlichkeiten nennt man auch para soziale Beziehung. Sie haben große Ähnlichkeiten zu realen Beziehungen, da wir entfernten, berühmten Personen begegnen wie unseren besten Freunden. So erweitert sich der soziale Vergleich auf „fremde“ Menschen: Haben andere die gleichen Probleme wie ich? Die gleichen Sorgen? Stecken sie die gleichen Rückschläge ein?
„ Bad news are good news
“
Mittlerweile ersetzen Promis bestimmte Menschentypen. Sie sind „Platzhalter“ für Eigenschaften und deren Beurteilung geworden. Welche gesellschaft-
lichen Werte momentan angesehen sind, werden über sie exemplarisch definiert. Negativ belastete Schlagzeilen signalisieren uns, welche Handlungen nicht in Ordnung sind. Heroische Schlagzeilen sind für uns hingegen Anleitungen, wie man gesellschaftliche Anerkennung erlangt. „Bad news are good news“. Habt ihr das schon Mal gehört? Ein weiterer Grund, warum wir uns dem Klatsch zuwenden: Schlechte Nachrichten sind interes santer als Nachrichten darüber, wie toll alles ist. Das heißt, Normalität ist nicht medien fähig. Viel besser verkauft sich ein kleiner Skandal in einem ansonsten perfekten Leben als das perfekte Leben selbst. Dein angeborener Instinkt erklärt also, warum du am Kiosk lieber mal nach einer Illustrierten greifst.
Er rechtfertigt aber nicht, wenn sich Klatsch zu einer Obsession entwickelt. Die Berichterstattung achtet darauf, die Bedürfnisse der Menschen zu decken – und schießt dabei oft über das Ziel hinaus. Es geht dann nicht mehr nur um den eigenen Vergleich, sondern nur noch darum, andere niederzumachen. Im amerikanischen Raum hat sich bereits der Begriff „Gossip Addiction“ etabliert. Mit dieser Sucht nach Neuigkeiten geht ein Respektverlust einher. Wenn du also das nächste Mal die Wahl hast, dann wird dich dein Instinkt beraten – vielleicht meldet sich aber auch noch ein anderer, der dir rät, sowohl die Illustrierte als auch die politische Wochenzeitung zu kaufen.
DENISE OTT
21 Gefüllte Ofenkartoffel. Fleischig. Vegetarisch. Vegan. Lecker. Gefüllte Ofenkartoffel. Fleischig. Vegetarisch. Vegan. Lecker.
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Provokante Sprüche, Ökofreaks und selbsternannte Retter unseres Planeten – das erwartete mich auf dem Heldenmarkt, zumindest wenn man den Kritikern Glauben schenken will. Ich bin froh, dass ich trotzdem hingegangen bin. Warum, zeige ich in diesem Artikel.
Eine eigens mitgebrachte Trinkflasche, eigenes Besteck, festes Shampoo; das Thema Nachhaltigkeit ist mir nicht fremd. Trotzdem ist der Heldenmarkt, der Anfang November in der Liederhalle stattfand, meine erste Nachhaltigkeitsmesse. Sie ist „für alle, die was merken“. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass das Motto nicht bei allen angekommen ist: Schon nach wenigen Minuten läuft mir ein Mann entgegen – in der Hand ein Plastikbecher voller Popcorn. Später stellt sich heraus, dass dieser an einem Stand herausgegeben wurde. Ich lasse mich nicht davon abschrecken und erkunde das weitläufige Areal der Messe.
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Nachhaltigkeit bedeutet nicht, auf alles verzichten zu müssen.
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Dabei komme ich an einem Stand vorbei, der aus Kokosnüssen Essschalen macht, an Schuhen, die das Gefühl des Barfuß-Laufens simulieren sollen, und bleibe schließlich an einem Stand mit Aufstrichen und Säften stehen. Auch hier: Wenn man einen Saft probieren möchte, wird dieser in einem Plastikbecher ausgeschenkt. Dabei wird deutlich, wieso Plastik so beliebt ist: Plastik ist bequem und
LASST UNS ALLE HELDEN SEIN
hygienisch. Aber kurzlebig. Ich habe den Saft nicht probiert, weil mir bewusst geworden ist, dass der kleine Plastikbecher vielleicht für eine Minute benutzt und dann wieder entsorgt wird. Aber es hat mich zum Nachdenken angeregt: Wir sollten am Tag mindestens zwei Liter trinken. Das bedeutet, jeder Mensch verbraucht am Tag mindestens eine (Plastik-)Flasche Wasser. Was ist mit Leitungswasser? Ist das nicht gut genug? Aber weiter im Text.
Die meisten assoziieren Nachhaltigkeit vermutlich mit Glasflaschen und Tupperdosen. Das gibt es alles auf dem Heldenmarkt zu kaufen, aber noch so viel mehr: Tücher aus Bienenwachs, die man anstatt Plastik- oder Alufolie zum Einpacken von Lebensmitteln benutzen kann. Notizbücher und Postkarten aus Gras, spezielle Editionen sogar mit eingearbeiteten Samen. Letzteres kann in die Erde eingepflanzt werden, sodass aus dem Geschriebenen Blumen entstehen. Fasziniert hat mich auch die Vielfalt des Angebots, von Menstruationstassen über veganen Wein bis hin zu nachhaltiger Zahnpflege. Durchmischt sind die Verkaufsstände mit Infotafeln und Infoständen, an denen man sich über Plastik und Nachhaltigkeit im Allgemeinen
informieren kann. Wenn ihr jetzt denkt, dass der Heldenmarkt nur etwas für junge und hippe Menschen ist, liegt ihr falsch: Eltern schieben Kinderwägen durch die engen Gänge, ein älteres Ehepaar steht in einer Ecke und unterhält sich mit einer Standbetreiberin, junge Leute sitzen auf dem Boden und unterhalten sich.
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Vielleicht bin ich ein Ökofreak. Aber ich bin verdammt stolz drauf.
“
Das zeigt, dass Nachhaltigkeit jeden etwas angehen sollte, in unserer Gesellschaft aber noch lange nicht angekommen ist. Nachhaltigkeit bedeutet nicht, auf alles verzichten zu müssen. Nachhaltigkeit bedeutet auch nicht, sofort alles andere wegzuwerfen und nur noch fair produzierte Sachen zu kaufen. Nachhaltigkeit bedeutet, bewusst durchs Leben zu gehen und sich zu fragen, ob man das fünfte Paar Schuhe wirklich braucht. Auch mal Dinge abzulehnen, gerade Gratisproben oder auch Flyer, wenn sie einen nicht wirklich interessieren. Falls ihr selbst euer Leben ein wenig nachhaltiger gestalten wollt, hier die Basics: 1. Bambuszahnbürste statt Plastik (Drogeriemarkt oder online) 2. Festes Shampoo (Unverpackt-Laden oder LUSH) 3. Stoffbeutel anstatt Plastiktüten. Einfach immer dabeihaben. 4. Strohhalme ablehnen und falls ihr doch mal mit Strohhalm trinken wollt: Edelstahlstrohhalme sind eine super Alternative.
5. Wiederverwendbare Flaschen statt PET-Flaschen 6. Wiederverwendbare Kaffeebecher – es gibt fast immer die Möglichkeit, sich das Getränk in den mitgebrachten Becher füllen zu lassen. 7. Brotboxen statt Alu- oder Frischhaltefolie Wie ihr seht, sind das alles keine schwer zu beschaffenden Alternativen. Es geht auch nicht um Perfektionismus. Manchmal vergesse ich, bei einem Getränk nachzufragen und bekomme einen Strohhalm. Shit happens. Aber es ist zumindest ein Anfang, um der Plastikflut zu entkommen. Der Heldenmarkt hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, dass Nachhaltigkeit so einfach sein kann. Und dass wir alle einen Teil dazu beitragen können.
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Aus diesem Grund werde ich auch weiterhin mit Stofftasche und Behältern in einen Unverpackt-Laden gehen, um lose Nudeln und Getreide zu kaufen – vielleicht bin ich ein Ökofreak. Aber ich bin verdammt stolz drauf.
SOPHIA SUCKEL
BlaBlaCar (iOS und Android) Mitfahren ist umweltfreundlicher als alleine fahren. Die App BlaBlaCar hilft dabei, eine passende Fahrgelegenheit zu finden: einfach Start und Ziel eingeben, die Profile der Fahrer*innen ansehen und ganz bequem einen Platz sichern.
FairFashionFinder (iOS) Alle, die an ihrem Konsumverhalten etwas ändern oder Abwechslung von den Mainstream-Labeln wollen, werden bei FairFashionFinder fündig. Statt stundenlang nach Läden mit fairer Mode zu suchen, findet man in der App passende Stores in der Nähe.
26 Ecosia (iOS und Android)
NACHHALTIGKEIT IM ALLTAG
Lebensmittelverschwendung ist ein weltweites Problem – Geldmangel vor allem ein Problem von Studierenden. Die App TooGoodToGo bietet für beides eine Lösung. Restaurants, Supermärkte oder Bäckereien können Essen, das übrig bleibt, für einen verbilligten Preis anbieten. So wird weniger weggeworfen und Studierende freuen sich über gutes Essen für wenig Geld.
ToxFox (iOS und Android) Egal ob unterwegs beim Einkauf oder zuhause im Badezimmer – in vielen Produkten befinden sich Substanzen, die nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesundheit schaden. Beispielsweise enthalten viele Bodylotions Parabene, die zwar für Frische und einen angenehmen Duft sorgen, aber gleichzeitig auch in das Hormonsystem eingreifen können. Mit der App ToxFox lassen sich Pflegeprodukte einfach scannen, um solche Schad- oder Giftstoffe aufzuspüren. Dabei können die Nutzer*innen auch selbst aktiv werden: Liegen für ein Produkt noch keine Informationen vor, kann eine Anfrage an die entsprechende Firma gerichtet und so für mehr Transparenz gesorgt werden.
Fünf "grüne" Apps
HANNAH BAUER
Google war gestern, jetzt kommt Ecosia! Die App funktioniert ähnlich wie die bekannte Suchmaschine, nur ökologischer. Das Unternehmen spendet 80 Prozent der Einnahmen an Naturschutzorganisationen, Server werden mit Ökostrom betrieben und jede einzelne Suchanfrage trägt dazu bei, dass im Regenwald neue Bäume gepflanzt werden. Gerade weil man Suchmaschinen täglich braucht, kann so jeder im Alltag die Welt ein bisschen grüner machen.
TooGoodToGo (iOS und Android)
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Als 2013 der Gebäudekomplex Rana Plaza in Sabhar einstürzte und mehr als 1100 Tote und 2000 Verletzte, darunter hauptsächlich Textilarbeiterinnen, daraus hervorgingen, wurden die Folgen der Fast Fashion Industrie wohl mehr als deutlich. Doch bei H&M, Mango oder Primark ist heute noch immer die Hölle los. Aber wieso sind unsere Lieblings-Billigmodelabel überhaupt so günstig? Die Antwort darauf ist Fast Fashion, sprich: viel Kleidung möglichst schnell und günstig herzustellen. Dafür bleiben Dinge wie faire Arbeitsbedingungen oder Ressourcenschonung auf der Strecke liegen. So entstehen aber nicht nur die ZehnEuro Jeans im C&A-Schaufenster, sondern auch die 80-Euro-Exemplare von Händlern wie Levi‘s, Esprit oder Tom Tailor. Nur, dass hier nochmal für die Marke selbst viel Geld draufgeht.
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Was unterstützen wir mit unserem Kauf?
Realität. Auch Kinderarbeit ist mehr die Regel als Ausnahme in der Fast Fashion Industrie. Da die Eltern nicht genug Geld verdienen, um ihre Existenz zu sichern, arbeiten auch die Kinder und sind z. B. zuständig für das Anbringen von Kleinigkeiten wie Pailletten oder Knöpfen. Die Grausamkeit hinter alledem ist den Händlern bekannt, aber kümmern tut es sie nicht wirklich. Hauptsache, die Mode wird billig und rechtzeitig für die nächste Saison produziert.
Wir unterstützen dadurch die mehr als schlechten Arbeitsbedingungen, die in den tausendfachen Textilfabriken in Bangladesch, China, der Türkei und anderen Dritte-Welt-Ländern herrschen. Frauen arbeiten stundenlang ohne Pausen, um dann für ein 29-Euro-T-Shirt 18 Cent zu erhalten. Im Monat verdienen die Arbeiterinnen meist gerade einmal 30 Euro. Für uns kaum vorstellbar. Für sie die
Auch wird in den Fabriken meist ohne jegliche Schutzkleidung gearbeitet – obwohl giftige Chemikalien gebraucht werden. Dies ist nicht nur gefährlich, gesundheitsschädlich und häufig sogar tödlich für die Arbeiter, sondern auch für die Umwelt. Die genutzten Chemikalien werden nämlich nach Nutzung in die Gewässer gepumpt. Bestes Beispiel dafür ist wohl der Fluss Buriganga in Bangladesch. Etliche Textilfabriken in und um die Hauptstadt Dhaka herum leiten ihre Abwässer hinein in den Fluss. An dessen Ufern leben Menschen auf den sich türmenden Müllbergen. Der Fluss selber ist tot, das Wasser schwarz und voll mit Plastik.
FAST FASHION: SCHNELL, BILLIG & GRAUSAM
"Frauen arbeiten stundenlang ohne Pausen, um dann für ein 29-Euro-TShirt 18 Cent zu erhalten."
Jedes Mal, wenn wir Kleidung kaufen, die unter Fast Fashion Standards hergestellt wird, bezahlen wir mit unserem Geld nicht nur das Stück Stoff, sondern auch die Idee dahinter.
Apropos Wasser: Die Fast Fashion Industrie gilt als zweitgrößter Wasserverbraucher weltweit, allein ein Baumwollhemd benötigt durchschnittlich 2700 Liter Wasser. Als nachhaltig kann man die Industrie wohl nicht bezeichnen.
entgegenzuwirken. Oft haben wir einfach viel Kleidung, die wir gar nicht mehr tragen. Also wieso nicht jemand anderen damit glücklich machen, anstatt sie wegzuwerfen? Heutzutage gibt es unzählige Flohmärkte und Kleidertausch-Events, wo wir neue Klamotten zu sogar billigen Preisen ergattern können. Auch gibt es in den meisten Städten viele Second-Hand-Läden. Zudem gibt es heute viele Möglichkeiten, Fair oder Slow Fashion Mode zu kaufen. Was ist Slow Fashion?
Was können wir dagegen tun?
Slow Fashion steht für den bewussten Umgang mit Mode. Sich im Klaren darüber zu sein, wo unsere Klamotten herkommen und wie unser eigenes Konsumverhalten ausschaut.
Ein wichtiger Schritt ist keine Fast Fashion Marken mehr zu unterstützen und sich zu fragen: Wie viel und was brauche ich wirklich? Hat man nicht vielleicht schon mehr als genug Hosen und braucht man wirklich das zehnte schwarze Shirt? Auch Second-Hand ist super, um dem Fast-Fashion-Wahn
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Bei Slow Fashion soll Mode nachhaltig hergestellt und konsumiert werden. Mensch und Umwelt werden dabei respektiert. Es gibt faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen sowie keine Kinderarbeit. Viele nachhaltige Modeunternehmen sehen auch ganz davon ab, in Billiglohnländern ihre Ware herzustellen. Es geht um Ressourcen- und Umweltschonung.
Dinge wie möglichst wenig Produktionsschritte, regionale Herkunft der Ressourcen und der sehr geringe Einsatz von Chemie sind ein wichtiger Teil von Slow Fashion. Zudem haben nachhaltige Unternehmen eine transparentere Arbeitsweise. Sie wissen, wer produziert und wo was wie hergestellt wird. Und als Käufer kann man diese Informationen selbst einsehen. Nachhaltige Mode ist auch immer durch ein entsprechendes Siegel zertifiziert.
Außerdem sollte man daran denken, dass – egal wie schön und günstig die Hose von H&M, Zara, Primark etc. auch sein mag – wir uns am Ende immer fragen sollten: Was will ich eigentlich unterstützen?
Was kann man weiter tun?
Slow Fashion in Stuttgart Loyale Fair Concept Store | Greenality | [eyd] Humanitarian Clothing | Schlechtmensch | glore Second Hand und Vintage Mode in Stuttgart Fairkauf | Gewand | Rosenrot
EMMA WEITERER
Ab sofort nachhaltiger und bewusster einkaufen, sich noch mehr über das Thema informieren und auch Verwandte und Freunde darauf aufmerksam machen. Ein super Film über das Thema ist „The True Cost“ auf Netflix. Dort wird man umfangreich und gut informiert und lernt so einiges über die Schattenseiten der Fast Fashion Industrie.
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vegan | laktosefrei | gluten- und sojafreie Lebensmittel | Superfoods Produkte in Rohkostqualität | Lebensmittel bei Unverträglichkeiten transparente Kennzeichnung von Allergenen | kompetente Beratung
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MEHR ALS HONIG (ORG. MORE THAN HONEY) Land: Schweiz, Deutschland, Österreich Jahr: 2012 Länge: 90 Minuten „Wenn die Bienen sterben, sterben vier Jahre später die Menschen“, soll Einstein gesagt haben. Was bedeutet es also für uns, dass seit einigen Jahren die Bienen im großen Maße sterben? Und warum sterben sie? Regisseur Markus Imhoof hat mit seinem Team fünf Jahre an diesem Film gearbeitet und reiste dafür von idyllischen Berglandschaften in der Schweiz über riesige Monokulturen in den USA bis nach China, wo die Bienen nahezu ausgestorben sind. Der Film bietet einen einzigartigen Einblick in das Leben von Bienen und zeigt, wie unschätzbar wertvoll sie für unsere Umwelt sind – sie sind mehr als nur Honig. Nach diesem Film wird man hoffentlich innehalten, wenn im Sommer beim Grillen eine Biene vorbeischaut, anstatt genervt die Hand zu erheben.
JEROME JÄHNIG
VIRUNGA Land: Vereinigtes Königreich, Kongo Jahr: 2014 Länge: 90 Minuten Am Anfang ging es nur darum, die Parkwächter des Virunga National Parks im Osten Kongos dabei zu filmen, wie sie versuchen, die aussterbenden Berggorillas und die gefährdete Natur zu schützen. Doch dann machte der Regisseur Orland von Einsiedel eine überraschende Entdeckung.
Sehen, nicht nur schauen
Unter dem Park wird ein großes Erdölvorkommen vermutet und eine britische Firma möchte dieses Öl unbedingt fördern. Dabei wird auch vor Bestechung, Einschüchterung und anderen geheimen Aktivitäten nicht zurückgeschreckt. Als wäre das nicht schon genug, gerät der Nationalpark auch noch zwischen die Fronten der kongolesischen Armee und den Rebellen – Mensch und Tier mussten nun ums Überleben kämpfen. Was als Dokumentarfilm geplant war, wurde so zu einem vielschichtigen Thriller, der unvorhersehbar ist und die Frage stellt: Wem kann man trauen?
WEGGEWORFEN (ORG. TRASHED) Jahr: 2013 Länge: 93 Minuten Oscar-Preisträger Jeremy Irons führt uns in diesem Film zu malerischen Buchten, wilden Wüsten und städtischen Randgebieten, deren Schönheiten unter Plastikmüllbergen verschwinden. Irons reiste durch die Welt, um uns das Ausmaß und die Auswirkungen der Umweltverschmutzung ungeschönt aufzuzeigen. Konfrontiert werden wir dabei mit Ignoranz, Inkompetenz und Korruption, die man so nicht für möglich gehalten hätte. Doch der Film zeigt nicht nur die Schrecken, sondern auch die Hoffnung. Viele Städte und Länder kümmern sich bereits aktiv um eine Stärkung der Recycling-Branche, denn sie haben erkannt: Müll ist nicht das Problem von anderen, sondern betrifft alle Menschen.
FILMEMPFEHLUNGEN
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Smoothie Bowl und Porridge: Veganismus hat sich in den letzten Jahren zum hippen Lebensstil gemausert. Warum vegan zu leben aber viel mehr ist als ein Trend. Der Sonntagsbraten ist passé: Wir essen von morgens bis abends Fleisch, das es für ein paar Euro in jedem Supermarkt gibt und überbacken alles, was wir finden können, mit Käse. Eine Konsumgesellschaft ohne Grenzen. Doch nicht alle wollen mit dem Strom schwimmen: Sie streichen tierische Produkte aus ihrem Ernährungsplan. Kein Steak beim Grillabend brutzeln, keinen Joghurt zwischendurch löffeln – stattdessen ziert Hafermilchschaum ihren morgendlichen Kaffee. Individualitätssuchende Hipster stürzen sich dankbar auf diesen Lebensstil und essen fortan nur noch Karottensticks. Die vegane Ernährung entwickelt sich zum Megatrend. Veganismus ist also hip. Na und? Warum eine Bewegung verteufeln, die etwas Gutes bewirken will?
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„
Sicherlich: Vegan heißt nicht automatisch gesund.
“
Es ist eine Lebensweise, die den meisten von uns nicht anerzogen wurde. Verschließen wir Augen, Ohren und vor allem Herzen davor, kommen wir nicht in die Bredouille, uns tatsächlich mit aufgeschlitzten Schweinen und zusammenbrechenden Kühen auseinanderzusetzen. Auch wenn Vorurteile von ausfallenden Haaren mittlerweile ziemlich ausgelutscht sind, muss der Veganer ungefragt
TREND MIT WEITSICHT
hinnehmen, dass es zu extrem sei, Ethik und Verstand über Gewohnheiten zu stellen. Stattdessen ein bisschen auf Hippie machen, in coolen Secondhandläden kaufen, aber in der Mittagspause in eine rote Wurst beißen – so lebt es sich sorgloser. Vegan sei schließlich ohnehin ungesund.
Dass eine vollwertige pflanzliche Ernährung vollkommen unproblematisch ist, wie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bestätigt, wird gerne fein säuberlich unter den Teppich gekehrt. Sicherlich: Vegan heißt nicht automatisch gesund. Das gilt jedoch auch für Mischkost, denn es kommt in jedem Fall darauf an, sich ausgewogen zu ernähren. Anders als einem Veganer wirft jedoch niemand Liebhabern von Cola und Fertiglasagne eine Mangelernährung vor. Vitamin B12 ist der einzige Nährstoff, den man als Vegetarier und Veganer unbedingt supplementieren sollte. Dieser wird den Tieren allerdings meist auch nur zugeführt. Dass der Konsum tierischer Produkte natürlich sei, ist ein häufig genanntes Argument gegen alternative Ernährungsformen. Warum sind also drei Viertel der Weltbevölkerung laktoseintolerant? Der
Mensch ist das einzige Säugetier, das nach Verlassen des Säuglingsalters noch immer Milch trinkt – allerdings die anderer Lebewesen. Immer und immer wieder wird die Kuh dafür künstlich befruchtet und nach der Geburt von ihrem Kalb getrennt. Denn – Überraschung – eine Kuh gibt auch nur dann Milch, wenn sie ein Junges hat. Die Kuh wird im Alter von nur etwa fünf Jahren geschlachtet, weil sie zu schwach und der Industrie nicht mehr von Nutzen ist. Das ist rund ein Fünftel ihrer eigentlichen Lebenserwartung.
in Gesellschaft und Politik nicht angekommen. Wir schreiben Menschenwürde groß, aber behandeln andere Lebewesen, wie Tiere, vor dem Gesetz wie Objekte. Wir predigen Liebe und Mitgefühl, aber am Abend liegt ein totes Tier auf dem Teller. Wir vergöttern unseren Hund, aber lassen zu, dass in einem Jahr weltweit etwa 70 Milliarden Tiere qualvoll gehalten und getötet werden, Meeresbewohner nicht einmal eingerechnet. Zum Vergleich: Würden wir in Deutschland täglich so viele Menschen wie Tiere töten, wären in rund 41 Tagen alle tot.
Um der Umwelt etwas Gutes zu tun, kann man am einfachsten auf dem eigenen Teller beginnen. Zu Recht wird der Konsum tierischer Produkte als Klimakiller bezeichnet. Eine neue Oxford-Studie zeigt, dass tierische Produkte 60 Prozent der landwirtschaftlichen Treibhausgase verursachen und dabei 83 Prozent des Farmlandes verbrauchen. Statt die angebauten Ressourcen an Tiere zu verfüttern, könnte man damit viele hungernde Menschen satt machen. Etwa drei Viertel des weltweit angebauten Sojas werden als Tierfutter verwendet, nur ein Bruchteil für Tofu oder andere Sojaprodukte. Während Menschen auf dieser Erde verdursten, werden laut einer Studie des World Wide Fund For Nature (WWF) für ein Kilo Rindfleisch außerdem bis zu 15.000 Liter Trinkwasser verbraucht.
Es geht bei Veganismus nicht um Verzicht, sondern vielmehr um eine bewusste Entscheidung für Tier, Umwelt und sich selbst. Denn auf etwas verzichten muss niemand. In jedem Supermarkt finden sich unzählige Ersatzprodukte, die vor allem den Umstieg leicht machen. Niemand verlangt elefantengroße Schritte über Nacht, jedes kleine Umdenken kann Großes bewirken. Liebe Fleischesser, macht euch also keine Sorgen. Veganer essen nicht nur Karotten. Gelegentlich dippen sie diese auch in Hummus – einfach weil es so hip ist.
Es scheint heutzutage immer mehr Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Massentierhaltung zu geben. Und auch wenn Veganismus nicht bloß ein Trend ist, schafft diese Bewegung mehr Aufmerksamkeit für eine pflanzenbasierte Ernährung. Die Welt wirkt endlich offen für Veränderungen und neue Blickwinkel – trotzdem sind viele unbequeme Themen
ANNA GERMEK
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H O C H S C H U L E . B I L D U N G . E N G A G E M E N T.
Manchen hilft es, dem Konsumwahn zu entfliehen – anderen verschafft es Wiedererkennungswert: jeden Tag dieselbe Kleidung. Aber fällt es überhaupt auf, wenn man sieben Tage lang sein Outfit nicht wechselt? Ich habe es ausprobiert. Auf fast jedem Foto trägt Steve Jobs einen schwarzen Rollkragenpullover. Bei Mark Zuckerberg ist es das graue T-Shirt. Und aus Kindertagen ist mir Christoph aus der „Sendung mit der Maus“ in Erinnerung geblieben, der in seinem grünen Pullover die Welt erklärt. Diese drei Menschen stehen im Rampenlicht – ihre Kleidung bleibt daher nicht unbeachtet und vor allem nicht unkommentiert. Trotzdem tragen sie immer das Gleiche. Währenddessen sorge ich jeden Tag für Abwechslung in meiner Garderobe. Und manchmal frage ich mich, ob das überhaupt jemand bemerkt…
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Wer kennt das nicht: Die Entscheidung, welches Kleidungsstück man die nächsten zwölf Stunden tragen soll, fällt manchmal nicht leicht. Umso mühsamer ist es, ein Teil zu finden, das man 168 Stunden am Stück tragen will. Die Kleiderauswahl für meine sieben Tage Selbstversuch ist deshalb zu Beginn scheinbar unmöglich. Mehrmals denke ich euphorisch: Damit fange ich an! Einige Stunden später fühle ich mich aber schon nicht mehr wohl mit dem Gedanken, diese Kleidung eine Woche lang zu tragen. Ich war mir sicher, Kleidungsstücke zu besitzen, die ich wochenlang tragen könnte. Meine erste Lektion: Ich werde mich bei jedem zukünftigen Kleiderkauf fragen, ob ich das Teil eine Woche lang tragen würde. So kommt man nicht nur zu mehr Wohlfühlcharakter, sondern auch zu nachhaltigerem Konsum.
SIEBEN TAGE. EIN KLEID.
Bei Promis wird spekuliert, ob das charakteristische Kleidungstück dazu dient, eine Marke aus sich zu machen: ein graues Shirt als Markenzeichen. Aber auch für mehr Nachhaltigkeit reduzieren Menschen ihre Kleidung auf das Nötigste – das wird dann Minimalismus im Kleiderschrank genannt. Reduktion auf das, was man wirklich gerne trägt. Reduktion aufs Minimum. Damit ist auch eine Reduktion an Entscheidungen im Alltag gemeint. Vielleicht ist daran auch meine chronische Aufschieberitis schuld (wer kennt das nicht?), aber ich drücke mich immer noch vor dem Selbstversuch. In den vergangenen Semestern habe ich das schieben in der Regel durch schonungslose Konfrontation mit Fristen bekämpft. So auch in diesem Fall: Die Abgabe des Artikels rückt gefährlich nahe. Also entscheide ich mich gezwungenermaßen für ein schwarzes Kleid mit Strumpfhose. Gemütlich, herbsttauglich und leicht zu waschen! Der Wunsch, vor der täglichen Kleiderwahl zu fliehen, ist keineswegs neu. Andrea Zittel hatte die Idee bereits Anfang der 90er Jahre. Die amerikanische Künstlerin rief deshalb das Projekt Six Month Uniforms ins Leben und entwarf ein schwarzes Kleid, das sie ein halbes Jahr lang trug. Klingt langweilig, doch Zittel kreierte zahlreiche Variationen,
dieses Kleidungsstück zu tragen. Seitdem haben es ihr zahlreiche Blogger und Journalisten gleichgetan – während mir schon der Beginn schwerfällt. Die ersten beiden Tage verlaufen unspektakulär. Ich bin gespannt, ob es jemandem auffällt. Gleichzeitig muss ich aufpassen, dass ich keinem aus Versehen von meinem Selbstversuch erzähle. Hat man sich einmal überwunden, ist es zwar entspannt, sich morgens nicht mehr entscheiden zu müssen. Aber es ist irgendwie auch genau das, was mir fehlt: sich entscheiden zu können. Mit der Zeit wird mir bewusst, dass da ein wahnsinniger Luxus in gefalteter Form in meinem Kleiderschrank schlummert. Jeden Morgen bereit, geweckt zu werden. Trotzdem döst manches Teil monatelang vor sich hin. Ein Albtraum? Vielleicht. Meine zweite Lektion: Man lernt seine Auswahl zu schätzen und schärft sein Bewusstsein für jedes Teil. Dann ist Waschtag angesagt. Es ist gar nicht so leicht, einen Moment zu finden, in dem keiner sieht, dass ich nicht das schwarze Kleid trage. Dennoch stelle ich zwei Tage später fest: Selbst eine Freundin, die von meinem Selbstversuch wusste, hat nichts bemerkt. „Was? Du hast schon damit angefangen? Seit wann?“, fragte sie mich an Tag fünf meines Experiments.
Und während ich herausfinden möchte, wie sehr andere Menschen meine Kleidung wahrnehmen, werde ich selbst auf die Probe gestellt: Als ich meiner Schwester von meinem Selbstversuch erzähle, fragt sie mich, ob mir jemals aufgefallen sei, dass sie ausschließlich schwarze Hosen trage. Natürlich nicht. Während ich weiter auf Reaktionen aus meinem Umfeld warte, beginne ich mich, auf jedes einzelne Teil in meinem Kleiderschrank zu freuen. Endlich wieder das tragen, was ich will. Endlich wieder frei entscheiden. Ob ich das in ein paar Wochen auch noch so sehe? Auch nach sieben Tagen erreichen mich keinerlei Reaktionen. Nur vereinzelt konnten sich Freunde daran erinnern, dass ich oft schwarz getragen habe – direkt angesprochen hat mich niemand. Selbst mein Freund bemerkte es nicht – nicht einmal nach 15 Minuten intensiver Begutachtung. Was mein Selbstversuch war, blieb ihm ein Rätsel. Meine dritte Lektion: Wir alle machen uns zu viele Gedanken. Who cares – no one. Wir alle können bei der morgendlichen Entscheidung also ein bisschen entspannter sein. Im Grunde interessiert es niemanden, was man trägt. Das Wichtigste ist, dass man sich wohlfühlt. Und als der Tag dann gekommen ist, kann ich mich natürlich nicht entscheiden, welches Teil ich zuerst aus sieben Tagen Tiefschlaf wecken soll. Die große Auswahl an Kleidung ist Luxus, ist Freiheit – aber auch die Qual der Wahl.
LUISA JILG
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Der Wasserhahn tropft nicht mehr, Studenten müssen nicht frieren und der Beamer für die Präsentationen läuft auch wie geschmiert. Klingt selbstverständlich? Nur, weil es Menschen gibt, die täglich dafür arbeiten, dass unser Hochschulalltag so reibungslos verläuft.
Peter Bollinger Funktion: Technischer Betriebsleiter Alter: 45 Jahre An der HdM seit: 2013 Wohnort: Ehningen
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Walter Leuthold Funktion: Betriebstechniker Alter: 60 Jahre An der HdM seit: 1988 Wohnort: Zazenhausen
DIE MÖGLICHMACHER DER HOCHSCHULE
Ganz entspannt sitzt Peter Bollinger (45) am Tisch. Er ist technischer Betriebsleiter an der Hochschule der Medien (HdM). Für die VielSeitig nimmt er sich Zeit, obwohl diese gerade knapp ist: Die Heizung ist defekt. Ausfälle wie diese gehören zum Alltag der Abteilung Infrastruktur. Dass Studierende und Mitarbeiter davon kaum etwas mitbekommen, ist der Erfahrung und Kompetenz des 18-köpfigen Teams zuzuschreiben. Ist es nicht die Heizung, dann tropft es von der Decke, der Strom fällt aus oder ein Student kippt um: Irgendwas ist immer, lautet die Devise in der Infrastruktur. Insgesamt 380 Anlagen, 880 Räume in drei Gebäuden und 250 Events im Jahr sorgen für Beschäftigung, aber auch Abwechslung: „Mir war noch nie langweilig“, meint Bollinger. Dabei fallen weit mehr Aufgaben an, als man erwarten würde: Erste Hilfe, Brandschutz, Post, Eventorganisation, Umbauplanung und der Fuhrpark gehören ebenso zum Aufgabengebiet wie die Planung für Notfallsituationen. Bei Bollinger und seinem Kollegen Denis Kaupp laufen die Fäden zusammen, sie kümmern sich um die übergreifende Koordination. Das Telefon klingelt, es geht um die Heizung. In einem Störungsfall wie diesem muss schnell gehandelt werden: „Dann müssen wir versuchen, schnellstmöglich den Fehler zu finden und eine
Wer kümmert sich hinter den Kulissen?
Fachfirma organisieren, die es reparieren kann.“ Spontane Schäden werden immer einkalkuliert, weshalb ein Tag manchmal chaotisch, jedoch nie geplant abläuft. Ausgerechnet heute ist Walter Leuthold, der für die Heizung zuständige Techniker, im Urlaub: „Wenn’s dann schwierig wird, muss ich mich auch um den Bereich kümmern“, meint Bollinger – wobei er sich natürlich auch nicht in allen Bereichen auskenne.
Dass er primär im Hintergrund agiert, störe ihn ebenso wenig wie Bollinger. Während die Professoren sich im Vordergrund um Forschung und Lehre kümmern, schafft die Infrastruktur „Behaglichkeit“ für circa 5.380 Menschen. „Wenn alles funktioniert, dann vermisst man nichts und denkt auch, die Hausmeister sitzen nur rum. Das ist eigentlich der Idealzustand, weil dann Strom da ist, Wärme da ist und die Abläufe funktionieren“, so Bollinger.
Gerade deshalb sei der Job sehr vielseitig, was Bollinger ebenso schätzt, wie die familiäre Größe der HdM. Vieles gehe direkt, man müsse keinen „Antrag für einen Antrag“ stellen. Büroarbeit gehört dennoch zum Alltag dazu. Beispielsweise müsse zum einen die Einhaltung von Vorschriften gewährleistet werden, zum anderen müsse man mit dem Universitätsbauamt kommunizieren, wenn Umbauten, Neubauten oder Reparaturen anstehen. Beauftragte Spezialfirmen kommen mit der Zustimmung des Amts an die Hochschule, um ihren Auftrag auszuführen. „Da bin ich dann Ansprechpartner“, erzählt Walter Leuthold (60), der seit 1988 an der HdM (damals noch Fachhochschule für Druck) arbeitet und jede Ecke kennt.
Die Infrastruktur-Abteilung versuche zudem, die Studierenden auch in anderen Belangen zu unterstützen: Egal, ob in spontanen Notfällen oder bei Abschlussarbeiten, Dreharbeiten oder sonstigen Events. Von Montagmorgen bis Samstagnachmittag sind Angestellte vor Ort und in Aktion. „Was meinen Job so interessant und so abwechslungsreich macht, ist der Kontakt zu vielen jungen Leuten. Jeder von den 5.000 Studenten hat innovative Ideen im Kopf, will die hier umsetzen und wir versuchen, das möglich zu machen. Es ist leider nicht immer möglich, solchen kreativen Input zu verstärken und umzusetzen, aber wir versuchen es. Wir wollen nicht immer die Bösen sein, die alles verbieten, sondern wir versuchen dafür dann Lösungen zu finden, die es möglich machen. Wir sehen uns als ‚Möglichmacher‘.”
Auch er betont die Vielseitigkeit seines Berufs. Seine Aufgaben seien nicht nur tagtäglich anders, sondern auch anders als früher: „Die Zeit hat sich geändert, wir sind groß geworden.“ Lebhaft schildert er die HdM als ein Gebäude mit nur 1.000 Studenten vor 30 Jahren. An vergangene Kükennächte mit Bars in Vorlesungssälen, an Overheadprojektoren und vieles mehr erinnert er sich. Auch heute noch sei er freitags immer erstaunt, dass wieder eine Woche vergangen ist. Von seiner Erfahrung profitiert die Abteilung, zum Beispiel bei alten Techniken im Haus.
Auch an diesem Tag haben Bollinger und sein Team eine Lösung gefunden – trotz Verzögerung durch unser Interview lief die Heizung wenige Zeit später und besagte „Behaglichkeit“ für alle HdM'ler war wiederhergestellt – ohne, dass die meisten es überhaupt mitbekommen haben.
JANA MACK UND HANNAH BAUER
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„who cares?“, Bild von Sophie Fink
SKETCH JAM
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„¯\_(ツ)_/¯“, Bild von Lisa Nonnenmacher
R E T L E P P DO R Ü F L I E T VOR
E D N E R STUDIE Ermäßigte Kinotickets für Studierende gibt es täglich außer am KinoDienstag. Studentenausweis nicht vergessen! Gutschein abgeben und dafür einen kleinen Becher Popcorn geschenkt bekommen! (Anzeige ausschneiden und an unserer Kinotheke einlösen. Gültig für 1 kleine Popcorn nur in Verbindung mit einem gültigen Kinoticket.) Gültig bis 31. Mai 2019.
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Ich trinke gar nichts Alkoholisches. Warum? Mir schmeckt es ganz einfach nicht. Ich mag weder Bier, was vor allem meine fränkischen Freunde enttäuscht, noch Wein, Schnaps, oder irgendetwas anderes.
Ich könnte diese Liste noch weiterführen, aber das Schlimme daran ist: Befindet man sich erst im Kreuzverhör, wird man so schnell nicht mehr entlassen. Nicht, bevor die Nüchternheit von einem Bierliebhaber oder einer Schnapsdrossel geheilt wurde. Nein, das wäre fatal. Und während meinem Gegenüber immer mehr Fragen, Vorwürfe und Argumente einfallen, fühle ich mich in die Enge getrieben. Ich möchte einfach nur noch in Ruhe gelassen werden und den Abend genießen wie alle anderen auch.
Auch ohne Alkohol, ja das geht! Vielleicht nicht immer so bunt, unbeschwert und enthemmt. Vielleicht nicht mit ganz so vielen blöden Ideen, die die Nacht unvergesslich machen, doch auch ich kann tanzen, lachen und Spaß haben. Auch an dieser Stelle muss ich ehrlich bleiben: nicht immer. Manchmal fühle ich mich fehl am Platz, schaffe es nicht, mich in die „positiven Vibes“ des feiernden Volkes einzuklinken. Manchmal bin ich neidisch auf diese Leichtigkeit und den willkürlichen Spaß. Manchmal rechtfertige ich mich vor mir selbst, fühle mich wie ein Kameradenschwein, wenn angestoßen wird, oder ich nicht beim Bier-Pong mitspiele. Aber warum sollte ich trinken, obwohl es mir nicht schmeckt? „Ist doch voll egal, Hauptsache besoffen!“ Das ist letztendlich, wenn man länger darüber nachdenkt, ziemlich erbärmlich und peinlich. Braucht ihr echt den Alkohol, um euch überhaupt auf den Abend einzulassen? Es ist schon erstaunlich, wie verankert der Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft ist. Es klingt wie eine Floskel, aber ist doch so wahr – und dabei geht es nicht einmal um den exzessiven Alkoholkonsum auf irgendwelchen Partys von Jugendlichen. Ein Schnäpschen auf die bestandene Prüfung hier, ein Glas Sekt zum Geburtstag da, nicht zu vergessen das Feierabendbier und das Glas Rotwein vor dem Fernseher und sogar sonntags in der Kirche wird gesoffen. Es ist vollkommen alltäglich Alkohol zu trinken, man kann sich ein Leben ohne eigentlich gar nicht vorstellen. Und deswegen scheint es wohl auch eine Störung zu sein, wenn jemand diesen Konsum verweigert. Versteht mich nicht falsch, ich habe absolut nichts gegen Alkohol-Trinkende.Ich liebe meine
Ich trink Ouzo, was trinkst du so?
EIN ERFAHRUNGSBERICHT
„Warum?“ Den geschockten Blick mit leichtem Hohn in den Augen müsst ihr euch jetzt vorstellen – das ist so gut wie immer auch die erste Frage, die ich erhalte, wenn jemand von meiner Abstinenz erfährt. Nach der zweiten Nachfrage: „Wirklich gar nichts?“ Noch mehr Unverständnis im Blick – beginnt dann für gewöhnlich die Diskussion: 1. Argument: „Das kann gar nicht sein, es gibt so viele verschiedenen Sorten und Mischungen, irgendwas magst du sicher!“ 2. Argument: „Probier’ das mal, da schmeckt man den Alkohol wirklich gar nicht raus!“ 3. Argument: „Nüchtern kann man das hier doch gar nicht aushalten!“
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betrunkenen Freunde, ich liebe die späten, philosophischen Gespräche, die sprudelnden Worte und leicht verwirrten, blinzelnden Augen, die versuchen, sich an das Gesagte zu erinnern. Ich liebe den Moment, in dem sich jeder selbst nicht mehr so ernst nimmt, alle Hemmungen fallen und ich inmitten der berauschten Menge, von der sich der Großteil am nächsten Tag eh nicht mehr an alles erinnern kann, ganz unbekümmert so schrecklich tanzen kann, wie ich es nun mal tue. Trotzdem weigere ich mich, diesen Rauschzustand zu erzwingen. Dafür bedeutet Betrunken-Sein für mich auch zu viel Kontrollverlust. Ich habe das einmal mitgemacht, als ich einen Abend keine Lust auf die blöde Fragerei hatte und einfach mitgetrunken habe. Am Anfang noch mit verzerrtem Gesicht und später immer leichter und automatischer.
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Auch da will ich nicht leugnen, Spaß gehabt zu haben. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem mein nicht an Alkohol gewöhnter Körper die weitere Aufnahme verweigerte und das bereits Getrunkene mit Dank zurück zum Eingangspunkt schickte. Also tauschte ich die Drinks wieder gegen die Diskussionen. Jetzt bin ich der Alien der Party. Wenn man die Energie bündeln würde, die dafür verschwendet wurde, mich vom Alkohol zu überzeugen, könnte man eine Wohnung wahrscheinlich ein ganzes Jahr heizen. Ich würde mir wünschen, dass es weniger interessant wäre, ob ich trinke oder nicht. Denn wenn wir zusammen lachen können, wen interessiert es dann, ob in meinem Glas Wodka oder Wasser ist? Aber zurück zur Feier: Irgendwann ist das Bier in der Hand des Alkohologen dann endlich leer und er lässt mich, die Spießerin, mit einem Kopfschütteln und einem „Dir kann man ja nicht mehr helfen“ – Blick in Frieden, um sich nach zu schenken. Dann werde ich für gewöhnlich erstmal in Ruhe gelassen. Aber keine Sorge, später am Abend werde ich wieder interessant. Dann wird mit leicht wimmernder Stimme und glasigen Augen darum gebeten, einen Schluck von meinem Wasser zu bekommen. Sehr beliebt bin ich auch immer, wenn es um die freien Plätze in meinem Auto geht: „Kannst du mich vielleicht mit nach Hause nehmen? ... Bitte?“ Den Diskussionen auszuweichen ist generell leichter, seitdem ich volljährig bin. Ich bin jetzt einfach Fahrer, wenn mich jemand auf die Wasserflasche in meiner Hand anspricht. Und Fahrer trinken nicht, das wird akzeptiert.
JULE AHLES
Jeder von uns steht oder stand irgendwann mal vor der Frage: Was will ich? Was möchte ich studieren? Und wenn man dann mal studiert, fragt man sich, studiere ich das Richtige? Sollte man sich engagieren? Welche Meinung Prof. Dr. Roos, Rektor der HdM, hierzu vertritt und was er gerne an der HdM ändern möchte, könnt ihr im folgenden Interview nachlesen.
viele Möglichkeiten und so viele Chancen, sich über lebenslanges Lernen in alle möglichen Richtungen weiterzuentwickeln.
Studenten: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Wahl des Studiengangs für die Zukunft der Studenten?
Viel wichtiger ist doch, dass man sieht: In jedem Studium kann ich mir Chancen erarbeiten. Die Studierenden können ihre Richtung selbst entwickeln und ich glaube, das darf man nicht vergessen.
Prof. Dr. Roos: Die Studienwahl ist wichtig, aber sie wird manchmal in den Augen der Studierenden übertrieben. Da scheint es um Leben und Tod zu gehen: Wenn ich nicht in den Studiengang reinkomme, dann ist mein Leben ruiniert. So ist es ganz sicher nicht. Ich glaube sie ist wichtig, weil man sich bewusst werden muss, in welche Richtung man im Leben gehen will. Aber es gibt heute so unendlich
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Ich finde es toll, dass unsere Studierenden „passion driven“ sind.
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Die Grundrichtung hat damals gepasst, aber viele einzelne Fächer habe ich aus meinem Studium nie wieder gebraucht.
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Studenten: Worauf sollten Studierende generell bei der Studienwahl achten? Prof. Dr. Roos: Das zu generalisieren ist schwer. Ich würde sagen, studieren Sie nach Ihren Neigungen, wägen Sie dann innerhalb dieses Spektrums ab: Was sind später eigentlich meine Berufschancen? Ich rate immer dazu, etwas zu studieren, was der Neigung entspricht und nicht etwas, das gerade angeblich auf dem Arbeitsmarkt angesagt ist. Da kenne ich nur Leute, die unglücklich geworden sind. Aber innerhalb des Neigungsspektrums kann man schauen, was später vermutlich gebraucht wird.
IM GESPRÄCH MIT PROF. DR. ROOS
"DAS IST FÜR MICH HDM"
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Studenten: Was sollte denn ein Erstsemester mitbringen, um hier an der HdM einen guten Start zu haben?
tem beibehalten. Ich möchte diese demokratische Verfasstheit.
Prof. Dr. Roos: Engagement, Interesse und ganz schlicht: Neugier. Ich glaube, das gilt für jedes Studium. Ich muss neugierig sein, dazulernen wollen und mich engagieren. Ich glühe für etwas. Das muss nicht auf jeden Teil des Studiums oder jedes Fach zutreffen. Ich sage immer, wenn Sie ein Jahr hier studieren und Sie haben kein Fach dabei, bei dem Sie sagen: „Wow, das will ich wissen“, dann ist irgendwas schiefgelaufen.
Wenn uns das Thema Demokratie etwas wert ist, dann müssen wir uns auch dafür engagieren.
Studenten: Wenn wir schon gerade bei dem Thema Engagement sind: Wieso ist es wichtig, sich an der Hochschule zu engagieren? Prof. Dr. Roos: Sie können ein gutes Studium abschließen, auch ohne sich zu engagieren. Warum also ist es trotzdem wichtig?
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Zwei Punkte: Das eine ist die Individualperspektive der Studierenden. Engagement an der Hochschule ist ein Live-Erlebnis zum Thema Demokratie, zum Thema Verantwortungsübernahme, zum Thema Teamwork. Man lernt durch dieses Engagement unglaublich viele Dinge – man könnte auch sagen, die sogenannten Social Skills. Das zweite ist die Hochschulperspektive. Eine Hochschule lebt von diesem Engagement. Wir sind demokratisch verfasst. Manchmal treibt einen das beinahe in den Wahnsinn, weil Prozesse dann beliebig lange dauern und auch zum Teil zerredet werden können. Dennoch möchte ich dieses Sys-
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Demokratie ist etwas, das man sich immer jeden Tag aufs Neue erarbeiten muss und ich finde es großartig, dass wir sie an dieser Hochschule haben. Studenten: Wieso sollte man sich für die Wahlen aufstellen lassen? Prof. Dr. Roos: Die Antwort klingt banal: Es ist der Wille, Dinge beeinflussen und mitbestimmen zu können. Das ist eine Verantwortung, die man übernimmt, aber ich finde es toll, dass man sie übernehmen kann. Man ist mitverantwortlich für alles, was in diesen Gremien entschieden wird. Da mögen viele banale Entscheidungen dabei sein, aber sie geben dem ganzen Laden hier eine Richtung und wir bestimmen diese Richtung. Es gibt Staaten, wo das gar nicht stattfindet. Und deshalb glaube ich, ja, man sollte sich aufstellen lassen. Es hilft der Hochschule, aber es hilft einem auch selbst. Studenten: Was wollen Sie in den nächsten Jahren an der Hochschule verändern? Prof. Dr. Roos: Unglaublich viel. Ich glaube, wir sind eine weit überdurchschnittlich gute Hochschule. Wir haben im Bereich der Forschung wahnsinnig
zugelegt. Die Studiengänge sind thematisch sehr gut aufgestellt. Wir sind sehr gut unterwegs in der Existenzgründung und die Internationalisierungszahlen steigen, was mir persönlich eine große Freude ist. Ebenso in der Weiterbildung sind wir gut unterwegs, aber wir leben auch in einer Zeit des Umbruchs. Stichwort: Digitalisierung. Stichwort: neue Geschäftsmodelle. Wir müssen sehen, dass wir in der Forschung in gesellschaftlich relevante Handlungsfelder kommen. Soll heißen, wenn Sie den Bereich Medien nehmen, da wird heutzutage kaum gefördert. Medien haben eine gesellschaftliche Relevanz, aber die forscherische Relevanz fehlt. Trotzdem sind die Medienthemen und unser Knowhow enorm wichtig für viele Prozesse, die in unserer Gesellschaft relevant sind. User Experience, Usability. Da sind wir Spezialisten. Aber das müssen wir noch weiter ausbauen.
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Wir können helfen, gesellschaftliche Aufgaben mit unserem Medien-Knowhow zu lösen.
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Beim Thema „lebenslanges Lernen“ besteht ein unglaublicher Bedarf. Themen wie „Data-Science“ zum Beispiel. Wir werden sicher auch jetzt im nächsten Jahr schon versuchen, Wissen an der HdM noch verstärkt zu bündeln, beispielsweise beim Thema künstlicher Intelligenz. Dann gibt es natürlich auch ganz triviale Punkte: Es geht uns schlicht und einfach der Platz aus. Wir sind extrem gewachsen. Das heißt, wir müssen drin-
gend bauliche Maßnahmen ergreifen. Da hoffen wir auf eine baldige Aufstockung unseres Technikbaus, damit wir uns räumlich wieder ein bisschen entspannen können. Und wir haben die große Aufgabe „Digitalisierung der HdM“. Das bedeutet, wir müssen uns in allen Bereichen digitalisieren oder weiter digitalisieren und Voraussetzungen dafür schaffen. Wir müssen unser eigenes Personal qualifizieren, das eine ganz große Herausforderung darstellt. Wir müssen auch ausreichend Personal gewinnen. Das heißt auch, wir müssen die Leute finden, was heute nicht mehr ganz einfach ist. Wir stehen im Wettbewerb mit vielen Unternehmen und anderen öffentlichen Einrichtungen, die sehr gut zahlen können. Diesen Wettbewerb muss man auch bestehen. Studenten: Gibt es etwas, das Ihnen hier an der HdM besonders am Herzen liegt? Prof. Dr. Roos: Es sind viele Dinge, die mir am Herzen liegen, aber der Kern dessen was uns ausmacht, ist das, was ich am Anfang gesagt habe: Die Leidenschaft vieler Studierenden, Dinge hier zu machen. Das ist das, was uns auszeichnet. Neudeutsch sagt man glaube ich „spirit“. Es ist unglaublich, wie das hier spürbar ist – auch für Externe. Ich denke, auch an der Medianight spürt das jeder und das ist letztendlich das, was uns überdurchschnittlich macht. Schöne Gebäude, eine tolle
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Gäste und Besucher aus Politik, Wirtschaft und anderen Hochschulen sagen: Das ist cool bei euch.
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Technik und eine gute Verwaltung gehören auch dazu, sonst funktioniert eine Hochschule nicht. Wenn es uns aber weiter gelingt, dass wir diese Atmosphäre haben und Studierende anziehen, die es attraktiv finden, Dinge mit Leidenschaft zu machen und realisieren zu wollen: Das ist das, was
mir am Herzen liegt. Zu uns kommen überdurchschnittlich viele Leute, die so drauf sind und wir scheinen auch eine Umgebung zu bieten, die das verstärkt. Und wenn wir das erhalten können, das ist der Punkt, der mir am meisten am Herzen liegt. Das ist für mich HdM.
LOUISE HEBESTREIT UND SOPHIA SUCKEL
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Trotz allem Lust Wenn es juckt, kratzt man sich instinktiv. Doch was, wenn der eigene Körper den Dienst boykottiert? Rund 10 Millionen Menschen mit Behinderungen leben in Deutschland. Viele von Ihnen verspüren ab und an dieses Kribbeln, dieses Jucken. Reden wir über Sex.
edit.Edge
Das neue Semesterspecial des edit.-Magazins.
Edge
Mit dem typischen Surren eines elektronischen Schlosses geht die Tür zu einem Mehrfamilienhaus in Stuttgart auf. Die Treppen führen uns geradewegs zu einer Wohnung im ersten Stock. Eine Frau steht im Türrahmen. Sie begrüßt uns mit einem warmen Lächeln, den Kopf leicht zur Seite geneigt und bittet uns herein. Die 52-Jährige trägt schlichte, schwarze Kleidung, das ebenso schwarze Haar leicht zerzaust frisiert. Ihre silbernen Ringe an den Fingern schimmern wie die Buddha-Statuen, die einem überall in der Wohnung begegnen. Die Kerzen im Raum tauchen das Licht in ein sanftes Rot und vermitteln das Gefühl von Wärme. Alexandra, das ist ihr zweiter Name, ist seit 18 Jahren Sexualbegleiterin. Sie hilft Menschen mit sozialen, körperlichen und geistigen Einschränkungen, Zärtlichkeit und Sexualität zu erfahren. Oft suchen ihre Klienten aber auch nur jemanden zum Reden, alles kann und nichts muss... Interessiert? Hier geht es zum ganzen Artikel: edit-magazin.de/sexualbegleitung.html
Ob in der Dusche oder allein im Auto: Singen macht Spaß. Einfach drauf los trällern und sich von der Musik anstecken lassen, egal ob die Töne stimmen oder nicht. In Gemeinschaft zu singen, ist umso schöner. Aber wer würde schon von sich behaupten, dass er gut genug singt, um sich einem Chor anzuschließen? Ich jedenfalls nicht. Ich habe zwar während meiner Schulzeit im Jugend chor unserer Kirchengemeinde ge sungen, aber da gab es kaum jemanden, der wirklich granatenmäßig gut singen konnte. Außerdem haben wir ja nur sonntags in ein paar wenigen Gottesdiensten gesungen, in denen meist die eigenen Eltern, der Pfarrer und ein paar ältere Damen, die sowieso nicht mehr so gut hörten, saßen. Also war es eigentlich egal, wie man sang. Seit ich wegen des Studiums nach Stuttgart gezogen bin, ist meine Dusche mein einziges Publikum. Doch die Gänsehautmomente, wenn es mal so richtig gut klang und die Lieder die Gemeinde mitgerissen haben, habe ich nie vergessen. Deshalb sagte ich sofort zu, als meine Kommilitonin mich fragte, ob ich nicht mit ihr zu einer Probe eines offenen Popchores gehen möchte. Die Probe fand donnerstagabends um 19.30 Uhr im Stadtpalais am Charlottenplatz statt. Es waren schon ein paar Andere da und als wir uns die Noten holten, kamen immer mehr Leute rein. Männer und Frauen, Jung und Alt. Es war ein bunter Haufen und in der Mitte stand der Chorleiter und sein Keyboard. Kurz bevor wir uns einsangen, war der Chor schon auf fast 80 Leute angewachsen. Als wir dann anderthalb Stunden Pop-Klassiker wie „Africa“ von Toto, aber auch neuere Lieder wie „Viva La Vida“ von Coldplay sangen, erinnerte ich mich
an meine Jugendchorzeit zurück. Am Anfang habe ich mich gar nicht getraut, laut zu singen, weil ich Angst hatte, die Töne nicht zu treffen. Aber je öfter Arnd Pohlmann, der 45-jährige Chorleiter, mit uns eine Stelle durchgesungen hat, desto sicherer wurde ich. Nicht nur mir ging es so, viele waren ebenfalls zum ersten Mal da und hatten davor noch nie in einem Chor gesungen. Und trotzdem klang es echt super. Nach der Probe wurde eine kleine Box aufgestellt und Arnd rief auf, gerne etwas zu spenden. Denn das ist es, was den offenen Projekt-Chor ausmacht. Jeder darf kommen und mitbringen, wen er will. Man muss keine Vorerfahrung haben und auch keinen festen Beitrag zahlen. Der Chor wird allein durch die Spenden der Sängerinnen und Sänger finanziert.
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Begonnen hat der Projekt-Chor übrigens im Sommer letzten Jahres am Österreichischen Platz unter der Paulinenbrücke. Jeden Donnerstagabend trafen sich die unterschiedlichsten Menschen dort, um gemeinsam zu singen. Von Woche zu Woche gesellten sich immer mehr interessierte Musikbegeisterte und Passanten dazu, wodurch der offene
VOM SOFA IN DEN CHOR
Chor bereits nach wenigen Proben zu einer stolzen Größe von mehr als 70 Leuten angewachsen war. Spätestens als beim Abschlusskonzert im Oktober unter dem passenden Motto "Under the Bridge" die St. Maria Kirche vor lauter Besuchern fast aus allen Nähten platzte, war nicht nur Arnd klar: Dieses Projekt muss einfach weitergehen! Glücklicherweise wurde mit dem Stadtpalais Stuttgart ein optimales Winterquartier gefunden, welches nahezu unbegrenzt Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufnehmen kann. Das Musikwerk Stuttgart ist ein gemeinnütziger Verein, der 2015 gegründet wurde und aus drei Chören besteht: dem Popchor, dem Kinderchor und dem Jugendchor, der für alle Interessierten unter 22 Jahren ist. Neben diesen festen Ensembles wurde dann der Projekt-Chor gegründet, sodass auch Nicht-Vereinsmitglieder, vor allem ohne Vorsingen, mitmachen können.
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Über Facebook erfuhr sie von dem Projekt und fand Gefallen an dem Konzept: „Die ganzen Kopien müssen irgendwie finanziert werden, da spende ich gerne.“ Auch Christof ist begeistert: „Arnd macht das ziemlich gut. Chor verbindet und dadurch, dass man die Lieder schon aus dem Radio kennt, lernt man sie schneller“, erzählt er mir. Dem kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen. Bei diesem Chor geht es nicht um Leistung. Es geht vor allem darum, gemeinsam zu singen und Spaß dabei zu haben. Egal, ob man schon jahrelange Erfahrung hat oder ob einem bisher nur die Dusche zugehört hat.
Wer noch mitmachen möchte, ist jederzeit willkommen. Proben finden donnerstagabends um 19.30 Uhr im Stadtpalais am Charlottenplatz in Stuttgart Stadtmitte statt. Weitere Infos unter: www.musikwerk-stuttgart.de oder auf Facebook und Instagram.
MANUELA KACZMAREK
Für Arnd sei es schon eine Herausforderung, jeden Freitag neue Leute mitzuziehen: „Es ist einfach schwierig, mehrstimmig zu singen. Aber wenn mal ein oder zwei Leute nicht die richtige Stimme treffen, ist es nicht schlimm. Bei so vielen Sängerinnen und Sängern hebt sich das auf.“ Ehrenamtlich macht er das aber nicht. Er wird bezahlt – von den Spenden. Würden nicht wöchentlich die Sängerinnen und Sänger ein bisschen was spenden, würde es den Projekt-Chor gar nicht geben. Deswegen spendet auch Tina Wieler. Die 51-Jährige singt selbst sehr gern: „Ich finde es super, dass es diesen Chor gibt. Die Auswahl der Lieder ist toll.“ Die Möglichkeit, zu den Proben zu kommen, wann
man Zeit hat, gefällt vielen. Es ist keine Verpflichtung, die einen aus dem Kalender angrinst. So wie auch ich von meiner Kommilitonin gefragt wurde, erging es auch Christof. Der 31-Jährige wurde von einer Freundin mitgenommen. Die 28-jährige Ines sang zuvor schon drei Jahre in einem Uni-Chor.
Alles ist normal. Du und ich. Einfach sitzen, Strohhalm nehmen, etwas stochern. Eiswürfel. Eiswürfel schmelzen. Sie klacken aneinander. Zu fokussiert – Blick nach oben. Konzentrieren – in die Augen schauen. Wegschauen, wegschauen – das kommt komisch. Blick? Wohin? Geradeaus – an die Wand. Unterhalten – über alles außer „das“. Studium, Essen, Sport, Freunde. „Knack“ – diese Eiswürfel. Gedanken wegschieben. Von vorne. Freunde, Sport, Winter, Wintersport, Eislaufen. „Knack.“ Aufstehen? – wohin gehen? Heimgehen? – gerade gekommen. Nichts tun – einfach sitzen.
Etwas Stoff, den wir alle haben. Gesprächsstoff? Gesprächsstoff, Gespräch, Stoff – Ruhe. Aufs Handy schauen. Nichts Neues – außer „das“. Weg damit. Sprechen – worüber? Studium, Medien, Handy, Handynutzung, Abhängigkeit. Abhängig? Ich? Nein. Oder doch? Stoff? Abhängig? Verurteilen? Langweilig? Fahrer? Schwanger? - Stille -
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ANTONIA MUSZI
- Stille Sitzen. Einfach sitzen. Nicht fragen, nicht ansprechen. Einfach sitzen, sitzen und trinken. Langsam – nicht zu schnell. Lieber etwas stochern. Blick aufs Getränk – nicht fragen. Pfeifen. Nicht pfeifen – nicht anmerken lassen. Auf den Boden schauen. Schnürsenkel. Praktische Verbindungen?
Zwei Freundinnen sitzen in ihrer Stammbar. Eine von beiden hat gerade einen alkoholfreien Cocktail bestellt.
GLASGEDANKEN
Platz 1: Tim Hoffmann "Alaska Highway ca. Mile 735, Yukon, Kanada"
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DIE GEWINNER DES FOTOÂWETTBEWERBS
Eine Kooperation mit der Fotoinitiative "Unterbelichtet"
Platz 2: Saskia Habersang "Zwei Täubchen am Turteln"
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Platz 3: Kai Hähnle "Carpe Diem"
In dieser Ausgabe der Vielseitig beschäftigen wir uns mit vielfältigen Themen, für die sich niemand interessiert, die niemand interessieren sollten oder die uns alle etwas angehen. Passend zu diesen Artikeln haben wir Fragen formuliert, um herauszufinden, wie es um die Position der HdM-Studierenden steht. Was haltet ihr von Dieselfahrverboten und was sagt ihr zum Thema Mobbing? Erfahrt es in den Grafiken!
1. Würdest du dich selbst als Feminist*in bezeichnen? Ja = 43%
Nein = 57%
4. „Nee, für mich heute Abend mal kein Bier. Ich bleib bei Cola.“ Wie würdest du auf diesen Satz von einem deiner Freunde reagieren?
"Damit hätte ich kein Problem, ist ja nicht meine Entscheidung was mein Freund trinken möchte." "Kein Problem. Aber Studenten der HDM trinken weder Bier noch Cola. Die trinken nur Mate Tee oder anderes Pseudoweltverbesserzeugs." "Ist total okay, soll jeder machen wie er will. Mit einem dummen Spruch ist allerdings zu rechnen ;)" "Ey Barkeeper, noch ne Cola"
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2. Wie viel Zeit verbringst du mit dem Lesen von Klatsch? Wie viel mit dem von Nachrichten? (Durchschnitt)
"Haha guter Witz."
Klatsch:
1,5 h
"Noch einen Kater vom Vortag?"
Nachrichten:
1,6 h
3. Hast du dir schon mal von irgendetwas die Datenschutzrichtlinien komplett durchgelesen? Ja = 36%
Nein = 64%
"Alles klar, für mich wie immer eine Fanta"
5. Bist du für Dieselfahrverbote? Ja = 43%
6. Trägst du nachhaltig und fair produzierte Kleidung? Falls ja: In welchen Läden kaufst du sie? Ja = 36%
WAS INTERESSIERT UNS?
Nein = 57%
Nein = 64%
Eine Umfrage von Denise Ott und Jonas Armbruster
Wo:
9. Hast du schon ein Studium abgebrochen?
- Greenality
Ja = 18%
Nein = 82%
- Veja - Flamigoslife
10. Hast du schon mal jemanden gemobbt?
- GrĂźne Erde
Ja = 18%
Nein = 82%
- Vintage-Markt in Stuttgart
7. Wie viele Serien schaust du momentan gleichzeitig? Eine = 28% Zwei = 36% Drei = 28% Vier = 8%
8. Welchen Film empfiehlst du gerne weiter? Donnie Darko Dead Poets Society
55 What The Health The Blues Brothers
Bridge of Spies Das erstaunliche Leben des Walter Mitty Eyes wide shut Into the wild Arrival The Greatest Showman Vielleicht lieber morgen Remember Me Sieben Leben
P E R S Ö N L I C H K E I T. I N D I V I D U U M . A U F K L Ä R U N G .
Disclaimer: Bezüglich der Krankheit spreche ich nicht aus eigenen Erfahrungen. Ich finde lediglich, dass es sich um ein Thema handelt, das auch mal angesprochen werden muss. Es handelt sich um ein sehr sensibles Thema, aber ich gebe mein Bestes, die richtigen Worte zu finden. Und ganz wichtig: Wenn es dir schlecht geht, dann sprich mit jemandem drüber. Bitte. Es muss sich außerdem keiner schämen, sich professionelle Hilfe zu holen. Das zeugt nur von Mut und Stärke. Und Selbstliebe. Aber bevor ich hier vom Thema abkomme, as always, lest doch einfach selbst.
Kurz nachdem wir in der Redaktionssitzung der VielSeitig beschließen, dass unser Motto in diesem Semester „Who cares?“ lauten soll, überschlagen sich meine Gedanken vor lauter Ideen.
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Mir schießt eine Idee nach der anderen in den Kopf – aber keine stellt mich so wirklich zufrieden. „Was ich dann über Nachhaltigkeit schreiben würde, das weiß doch sowieso mittlerweile schon jeder!“ (Schwachsinn. Nur, weil ich mich ausgiebig mit einem Thema beschäftige,
LET’S TALK ABOUT DEPRESSION!
heißt das ja nicht, dass das bei anderen auch der Fall ist. Ich merke immer öfter, wie sehr ich in meiner eigenen Blase lebe.) oder „Es gibt noch viel mehr Themen, über die man sich mal Gedanken machen sollte.“ (True. Again: eigene Bubble und so. Da muss man auch mal raus!)
„
Wenn man depressiv ist, dann ist das eine andere Form von Traurigkeit.
“
Ich schiebe den Gedankenwirrwarr beiseite und greife reflexartig zu meinem Handy und öffne Instagram. Ich scrolle ein bisschen lustlos durch meinen Feed und bleibe an einem Beitrag hängen… Und komme jetzt auch endlich mal zum Punkt. Also zu meinem Thema: Depressionen. Und dass wir darüber reden sollten. Müssen. Eher im Sinne von „nicht mehr schweigen“. Seit einer ganzen Weile schon folge ich auf Instagram fredminuserika (Anzeige, weil Namensnennung oder so? #nureinscherz) und nein, das soll jetzt keine Biographie oder dergleichen werden, Sirka (so ihr „echter“ Name; Frederika ist ihr zweiter Name, deshalb der Account-Name) hat mir nur in vielen Dingen über mentale Krankheiten die Augen geöffnet. Und diese Erkenntnisse möchte ich jetzt teilen. Uns allen geht es mal schlecht. Wir sind alle mal traurig. Ein paar schlechte Tage, auch hintereinander, kommen mal vor – keine Frage. Ganze Phasen, in denen man sich am liebsten nur in seinem
Zimmer verstecken möchte – okay. Aber, und das beschreibt Sirka in ihren Instagram-Posts über die Krankheit der Depression sehr gut: Wenn man depressiv ist, dann ist das eine andere Form von Traurigkeit. Dann bringt es nichts zu sagen: „Denk doch mal positiv!“ oder „Das wird schon wieder!“ oder auch „Mach doch einfach mal ´ne Runde Yoga!“ Bullshit. Das wird dem Betroffenen sicher nicht helfen. Hier kommt das Stichwort Hilfe ins Spiel. Eine Depression gibt der Person oft das Gefühl, sie wäre einfach nicht in der Lage, sich selbst zu helfen, obwohl sie das doch können müsste. „Wenn man nicht glücklich ist, dann muss man etwas verändern. As simple as that.“ Das liest man überall. „Wir sind selbst verantwortlich für unser Glück.“ Ja, da ist eindeutig was Wahres dran. Nur mit dem Unterschied, dass solche Aussagen Menschen mit Depression noch mehr unter Druck setzen. An sein eigenes Glück denkt man als letztes, wenn man die simpelsten Tätigkeiten im Alltag nicht mehr ausführen kann. Nicht, weil man „keinen Bock“ hat. Es geht einfach nicht. Also: Wenn es jemandem schlecht geht und er sich selbst nicht erklären kann, sich selbst nicht versteht, dann: Seid einfach da. Hinterfragt nicht. Das tut der Betroffene schon selbst genug – wenn er dafür überhaupt die Kraft hat. Also noch einmal: Seid da. Denn oft ziehen sich Betroffene auch zurück. Sie fühlen sich wie eine Last für die anderen. Zeigt, dass das nicht der Fall ist. Schüttet in die Leere, die die Person spürt, ganz viel Liebe und Fürsorge und Verständnis. Helft der Person dabei, sich professionelle Hilfe zu holen. Denn auch das – oder erst recht das – ist eine unfassbar große Hürde.
Mentale Krankheiten sind genauso schlimm wie physische Krankheiten. Da gibt es kein Wenn und Aber. Und genau deshalb müssen wir darüber reden. Sensibilisieren. Uns austauschen. Ungesagte Tabus brechen – und zusammen unserer Gesellschaft, auch in dieser Hinsicht, mehr und mehr die Augen öffnen.
Ich könnte jetzt noch so viel mehr darüberschreiben, aber wenn du dich mehr mit dem Thema auseinandersetzen möchtest, dann lege ich dir den Account von fredminuserika auf Instagram ans Herz. Ich finde es einfach absolut bewundernswert und mutig, wie offen und ehrlich Sirka über die Krankheit spricht. Sie gibt auch noch viel mehr Tipps, was man tun kann, wenn man eine depressive Phase hat oder jemanden kennt, der eine durchlebt. Allein durch ihre Worte weckt sie Verständnis. Ihre Beiträge regen zum Nachdenken an, lassen einen oft schmunzeln – aber auch hier und da mal eine Träne verdrücken… Wie auch immer. Leute. Take care of yourself. Seid lieb zu euch und zu anderen. Denkt darüber nach, was ihr sagt und tut. Kümmert euch.
JANINA SCHLUND
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Der Tag begann unangenehm früh und auf eine unangenehme Art. Mit einem lauten Knall. Einer meiner Mitbewohner musste jeden Wochentag um 6 Uhr raus und ließ uns alle lautstark daran teilhaben. Man kann nur mutmaßen, ob Absicht dahintersteckte oder er in einem Haus mit Schwingtüren aufgewachsen ist und es demzufolge gar nicht anders kennt. Aber egal, nun war ich wach, nach einer schlaf armen Nacht, der es an Krach und Knall nicht gefehlt hatte, da meine Nachbarn anscheinend was zu feiern hatten. An einem Dienstag. Ich stand also auf und wollte mal wieder schreiben. Ich überlegte, worüber ich schreiben sollte und was die Menschen lesen wollen. Doch meine Kreativ ität lag noch friedlich in den Federn und ich hatte keinen Plan. Ich suchte im Internet nach Inspiration, verlor mich wie so oft irgendwie im Irgendwo und hatte am Ende fünfzehn neue Lesezeichen zu Artikeln, die ich niemals lesen werde und drei neue Serienempfehlungen, von denen ich wohl nie eine zu Ende gucken werde. Kurz gesagt, mein Text war kein Zeichen vorwärtsgekommen. Ich ging auf die Toilette und nahm ein Kulturmagazin mit, um zumindest etwas halbwegs Sinnvolles zu tun. Ich las einen Artikel über einen Kabarettisten, der mit seinen gesellschaftskritischen Auftritten regelmäßig für Aufruhr sorgte. Sein taffes, unbeirrbares Auftreten, welches aus seinen starken Wörtern herauszulesen war, machte Eindruck und ich vergaß die Zeit. Hastig schmiss ich die Zeitschrift zur Seite, griff nach dem letzten Stück Toilettenpapier, spülte, wusch mir die Hände und eilte in mein Zimmer. Ich zog mich an, nahm meinen Rucksack und schnappte mir noch eine Toilettenpapierrolle, um die Leere auszutauschen. Es sollte ja niemand, der
VERKÜMMERUNG
ein dringendes Geschäft zu erledigen hat, in eine prekäre Lage kommen, nur weil er aufgrund eben jener Dringlichkeit vergaß zu kontrollieren, ob die Rolle denn nicht leer sei. Ich sprang auf mein Rad und fuhr geschwind den Weg zwischen den Wohnheimen entlang, als ein lautes Zischen ertönte und mein Vorderreifen ausbrach. Verwirrt und erschrocken starrte ich in die Luft, sammelte mich, stieg ab und sah das Unheil: Ein platter, lose an der Felge hängender Reifen. Die Ursache dafür war nicht weit. Einige Meter hinter mir lagen die Scherben diverser Bierflaschen, die in der letzten Nacht in verwegen ausgelassener Partystimmung zerschmettert wurden. Ich schloss mein Fahrrad an einen nahegelegenen Baum, kehrte die Scherben zu einem Mülleimer und hetzte weiter. Meinen Weg kreuzten halbtote Gestalten, die in einer Hand das Smartphone und in der anderen den Kaffee hielten und aus deren Mündern schokoglasierte Zuckerbomben baumelten, die wohl das Frühstück darstellen sollten. Kaffee und Zucker trieben ihren Puls hoch und die Beine vorwärts, bis zum Tief eine Stunde später, wenn sie dösend und ohne Haltung in den Vorlesungs räumen herumlungern würden. Ich kam an einem Kiosk vorbei, bemerkte das Loch in meinem Magen und hielt an, um mir schnell etwas zu Essen zu holen. Schwitzend und unruhig stand ich blöd da mit Gleichgesinnten, die auch keine Zeit gehabt hatten sich Zuhause zumindest ein Süßgebäck in den Mund zu schmeißen. Ich blickte umher, traf Niemands Augen, da alle auf ihre Smartphones starrten, und blieb schließlich bei den nach Aufmerksamkeit schreienden Titelseiten der Zeitschriften hängen: Trauer! Verrat?
Glück! Betrug! Ehebruch! TOD! Gedruckt in eklig bunten, großen Buchstaben. Daneben BotoxGesichter, bei denen man nicht erkennen konnte, welches Gefühl die B-, C- und Hinz-und-KunzPromis da ausdrücken wollten. Die schiere Anzahl dieser Magazine ließ sich unweigerlich auf eine immense Nachfrage zurückführen und ich fragte mich: „Welche Menschen fiebern mit dem Leben und Streben von Königsfamilien mit, die noch nicht einmal dem eigenen Land angehören oder echauffieren sich über die, oft erfundenen, Fremdliebeleien alternder Schlagerstars, während die nette, alte Dame vom Apartment nebenan immer mehr vereinsamt?“ „Was darf’s sein?“, rief mir der Kioskbesitzer zu und ich war wieder im Alltag. „Kaffee und Zucker“, sagte ich. „Was? Also Kaffee mit Zucker?“ „Äh, nein. Kaffee mit Milch und ein Schokocroissant, bitte.“ Ich zahlte und lief weiter zur Hochschule. Fünf Minuten zu spät betrat ich den Hörsaal, bekam einen missbilligenden Blick vom Professor und setzte mich glühend und verschwitzt in die letzte Reihe. Nach nicht mal einer Stunde konnte man meine Haltung nicht mehr als bequem, sondern eher als Frechheit bezeichnen und ich war froh, als die Vorlesung vorbei war. Ich beschloss, nach Hause zu gehen. Ich ging vorbei am Kiosk, dessen Magazinständer nun nahezu leer waren. Schlich mich an einem jungen Mann vorbei, der sich ganz toll fand, wie er da so rumstand in seinen Kinderarbeits-Markenschuhen und die Leute über Umweltschutz belehrte. Ich kam wie-
der auf die Partymeile und die übriggebliebenen Scherben knirschten – ich ließ sie liegen. Zuhause angekommen bemerkte ich, wie mir der Morgen und seine Gedanken auf Magen und Gemüt schlugen. Mit Kopf- und Magenschmerzen saß ich auf der Toilette und las den Bericht von heute morgen zu Ende. Dem Kabarettisten wurde die abschließende Frage gestellt: „Wie sind Sie zu dem geworden, der Sie heute sind?“ „Nun, ich hatte mir früher immer Gedanken darüber gemacht, was die Menschen hören wollen, was ich sagen sollte. Ich fühlte mich immer ausgeschlossen und wollte dazugehören. Als ich aber ihren Wünschen folgte und mich so verhielt, wie sie es für richtig hielten, da fühlte ich mich so ausgeschlossen wie nie zuvor. Ich distanzierte mich von den Menschen, zu denen ich früher immer gehören wollte und fing an, mich so zu geben, wie ich bin. Und dadurch begegnete ich den richtigen Menschen. Menschen, die genauso dachten wie ich, mich inspirierten, mir gut zusprachen und zu denen ich mich endlich zu gehörig fühlte.“ Und nun wusste ich, worüber ich schreiben werde. Ich griff nach dem Toilettenpapier. Die Rolle war leer.
J.A. RONE
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kann wahrscheinlich nachvollziehen, dass neue Situationen oder ein neues Umfeld dazu führen, dass man sich bestimmte Gedanken macht: Wo sind die nächsten Toiletten? Wie weit sind die Toiletten von den Vorlesungsräumen entfernt? Und schaffe ich es rechtzeitig dort hin?
Blasenschwäche? Bei diesem Thema denken junge Menschen oft an die ältere Generation oder an Frauen nach einer Schwangerschaft. Die Wahrheit sieht allerdings ganz anders aus: Circa eine Million junger Männer sind von Blasenschwäche betroffen. Trotz dieser hohen Anzahl ist es noch immer ein Tabuthema. Blasenschwäche führt oft zu plötzlichem und starkem Harndrang und die betroffene Person muss schnell die nächste Toilette aufsuchen, um peinliche Missgeschicke zu vermeiden.
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Um dieses Thema den Studierenden und jungen Leuten etwas näherzubringen, habe ich mich entschlossen, offen darüber zu reden und einen kleinen Einblick zu geben. Mit diesem Artikel möchte ich zeigen, dass man mit den Einschränkungen super umgehen kann und Blasenschwäche weitaus weniger Einfluss hat, als man auf den ersten Blick denkt. Ich bin selbst von Blasenschwäche betroffen und habe folglich zahlreiche Erfahrungen in vielen verschiedenen Situationen sammeln müssen, z.B. im Studentenleben bzw. bei meinem Start an der HdM. Als ich im Wintersemester 17/18 zu studieren begann, war ich natürlich sehr nervös. Jeder
„ICH MACH MIR IN DIE HOSE!“ – NA UND?!
Um die ersten Sorgen zu beseitigen, habe ich vor Studiumsbeginn Kontakt zu der Erstsemesterbeauftragten der HdM aufgenommen. An dieser Stelle möchte ich loswerden, dass diese echt eine tolle Hilfe war! Mir wurden alle Fragen beantwortet und sogar spontan Fotos gezeigt, wie die Toiletten aufgebaut sind und wo sie sich in etwa befinden. Sicher kann sich jeder von euch vorstellen, dass man natürlich aufgeregt ist und gewisse Sorgen hat, wie andere Studierende und Kommilitonen reagieren könnten und ob die Blasenschwäche jemandem auffällt und thematisiert wird. Denn gerade in jüngeren Jahren, während der Schulzeit oder sogar noch in der Ausbildung ist man mit einer Blasenschwäche oft Zielscheibe von Spott und Hänseleien. Und wenn man sich nicht wehrt, hat man schnell einen Namen weg. Ich kann jedem, der betroffen ist, nur raten, sofort einzugreifen. Man muss die jeweiligen Leute direkt mit ihrem Handeln konfrontieren, dass Blasenschwäche und Bettnässen Sachen sind, die durchaus ernst genommen werden sollten und dass es einem selbst damit auch nicht gut geht. Gleichzeitig sollte man an ihren Respekt appellieren, da man sie gleichermaßen normal behandelt.
An der HdM hatte ich hingegen nur gute Erfahrungen! Zum einen ist es natürlich möglich, Blasenschwäche so diskret wie möglich zu behandeln, sodass es andere eigentlich gar nicht mitbekommen. Die Personen, mit denen ich gesprochen habe, waren alle sehr reif und aufgeschlossen und haben Verständnis gezeigt. Außerdem haben mir viele gesagt, dass es überhaupt keinen Einfluss darauf hat, wie man die andere Person wahrnimmt oder dass man anders mit ihr umgeht. Immerhin ist es ja auch eine private Sache, von der andere nicht betroffen sind. Also macht euch keinen zu großen Kopf darüber, wie andere reagieren könnten! Auf dem Weg würde ich euch gerne einfach umzusetzende Tipps mitgeben. Praktische Tipps: • Sei der Erste im Vorlesungsraum! So kannst du dir sicher sein, dass du einen Sitzplatz nahe der Türe hast. Dann kannst du schnell auf die Toilette verschwinden. • Schau vorher, wo die nächsten Toiletten sind und ob diese geeignet sind! Nach einiger Zeit kennst du alle und es spielt sich eine Routine ein. • Während der Pausenzeiten sind die Toiletten oft voll und man muss zu lange warten! • Ein Gespräch mit den jeweiligen Professoren oder bei Gruppenarbeiten kann helfen, wenn man sehr oft den Vorlesungsraum verlassen muss! • Vorbeugend und generell lohnt sich Beckenbodengymnastik! Auch als junger Mann oder junge Frau trainiert man damit seine Blase. Hier lohnt es sich, im Internet oder auf Youtube Videos anzuschauen und die Übungen zu Hause auszuprobieren.
Wenn jemand betroffen ist und sich deswegen schämt oder sich zurückzieht ist das eine Sache, die sehr schade ist. Ich kann jedem nur Mut zusprechen! Mit der richtigen Planung lässt sich der Alltag innerhalb des Studiums ohne Probleme meistern. Das gleiche gilt natürlich auch außerhalb der HdM und für das Studentenleben im Allgemeinen. Sicherlich kann sich jeder von euch vorstellen, dass es auch außerhalb der Hochschule zu Situationen kommt, in denen man mutig sein muss. Denn Blasenschwäche kann auch nachts zu Problemen führen. Sei es bei dem Einzug in eine WG, bei der Partnersuche oder bei Übernachtungen bei Freunden. Denn: „Wer möchte sich schon mit einem Bettnässer das Zimmer oder gar das Bett teilen?“ Als Betroffener sollte man sich immer wieder klarmachen, dass es viele, ja sehr viele Leute gibt, die einen so akzeptieren wie man ist. Es empfiehlt sich immer ehrlich zu sein, ohne mit der Türe ins Haus zu fallen. Personen, die mit dem Thema noch keinen Kontakt hatten, sind zu Beginn erst einmal distanziert und unsicher, wie sie damit umgehen sollen. Da hilft viel Geduld und Gespräche, wenn die andere Person daran auch interessiert ist. Und wenn andere einen nicht nehmen wie man ist, dann hilft eigentlich nur der Gedanke „Who cares?!“
ANONYM
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Vegans are being asked if it doesn’t concern them that their body doesn’t get enough nutrients. Don’t they care about their health? People who buy second hand clothes are being asked if it doesn’t bother them that other people have worn all their stuff before. Don’t they care about germs? People who give money to charities are being asked if they know that most charities take the money for themselves without giving it people in need. Don’t they care that people are taken advantage of through scams? Why don’t they just care themselves instead of caring about the carers? They could just skip a step and care in an active, constructive way. I need to know why. I scream shivering to the sky at night, demanding an answer with all my might. If you can’t get yourself to care, why do you care so much that I do care? Is it envy? Is it pride? Is it simply to misguide? Most answers usually come as a surprise, out of thin air, you don’t see them coming. Why that is, I do not know but I will just keep waiting for an answer to come. In the meantime, I will just remain caring because what else is there to do?
THE PHENOMENON OF TAKING A HIT FOR GIVING A SHIT
ANTONIA MUSZI
Why care? Why care about the environment, global warming and plastic waste? Why care about animals, people’s rights and famine? We all have reasons to care and reasons not to care. It could be our goal in life, our upbringing, our friends, our way of giving back or a little bit of everything. It could be too difficult, too time-consuming, too mainstream, not mainstream enough or a mixture of all. We could say it’s important to do as much as we can to give future generations the “wonderful life” we had. Is that why we do it? We could say that it is too late – the gates have closed, we’ve crossed a line and it’s all downhill from here instead. Basically, that we are all done for. So, wouldn’t it be easier to just seize the day, do what we want without a care in the world and forget about the future? We won’t be here forever anyway. Let’s just use ten plastic straws per glass! In a few years it won’t matter that one got stuck in this one turtle’s nose back then. Who cares? We’ll be gone by then. Let’s just buy eggs from laying batteries and mass-produced meat! In a few years people probably have to starve or eat insects to survive because no food will be left. Who cares? We’ll be gone by then. Let’s just fight our way through Primark and proudly come first at the hunger games of cheapest, mass-produced clothes! Who cares? We won’t be here forever anyway. Some people care, some people don’t. That’s ok – that’s fine – that’s life! But why do people who don’t care themselves, care so much that other people care? Yes, I’ve said “care” a lot – it’s confusing. Think about it. Take a beat. Take a minute to let it all sink in.
Keiner macht den ersten Schritt, es ist, als bräuchte jeder einen Tritt. Warum soll man auch etwas tun, während sich andere doch auch ausruhen.
Denn sie sind arme Blutsauger, weil sie, durchfährt ein Schauder, wenn andere eigene Ziele haben, während sie sich vergraben.
Doch immer fing Großes damit an, dass einer kam und rief: „Jetzt bin ich dran!“ Und jener war nicht anders als du, hatte nur satt, die lähmende Ruh’.
Er sollte also am Rande bleiben und sie nicht auseinandertreiben. Er darf sich nicht abspalten, darum müssen sie ihn halten.
J. A. RONE
Stand sonst auch nur an der Seite, doch irgendwann, blickte er in die Weite und sah dort niemanden stehen, darum wollte er dahin gehen. Also ging er mit festem Schritte, furchtlos durch die Mitte. Doch so einfach, wollten sie es ihm nicht machen. Er sollte verlieren, sein hoffnungsvolles Lachen.
Doch er entzog sich ihren Krallen, er musste ihnen nicht gefallen. Sollen sie doch fallen, wenn sie nach ihm krallen. Schließlich muss er glücklich sein und das geht auch allein. Denn wenn etwas Zeit vergeht und er mutig steht, in der unbekannten Weite, dann kommen die Richtigen an seine Seite.
SCHRITT OHNE TRITT
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Der Bahnsteig eines Bahnhofs. Es ist kalt, die Sonne ist gerade untergegangen. Ein Zug fährt ein, du trittst einen Schritt zurück. Dabei fällt dein Blick auf ein Pärchen, das nur wenige Meter vor dir steht. Die Lampe über ihnen flackert, du siehst nur die Umrisse. Die beiden sind in einer Umarmung versunken, schmiegen sich aneinander. Das Licht enthüllt für einen kurzen Moment blondes Haar, das unter einer dunkelroten Mütze hervorlugt. Du hörst ein Lachen, siehst, wie sie sich kurz umschauen. Sich dann küssen. Beide Gesichter liegen noch immer im Schatten. Die Wortfetzen, die sie murmeln, trägt der Wind davon. Sie lösen sich voneinander, treten von einem Bein aufs andere. Du ziehst den Schal enger, fühlst den bitteren Geschmack des Abschieds auf deiner Zunge. Die Türen öffnen sich, eine letzte Umarmung. Ein letzter Kuss.
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Dann löst sich die Größere der beiden Personen aus der Umarmung, umfasst ihren Rucksack und schultert ihn. Läuft langsam zur Tür. Dreht sich davor noch einmal um. Sie trägt einen Pixie Cut, die große Jacke verdeckt ihre weiblichen Rundungen, ihr Mund ist zu einem breiten Lächeln geformt. Über den Augen trägt sie eine dunkle Brille. Sie winkt ein letztes Mal, bevor sie im Zug verschwindet. Die zweite Person tritt ins Licht, eine junge Frau in Jeans und Lederjacke. Das Lächeln hat einem verkniffenen Ausdruck Platz gemacht. Sie schaut sich um, vergräbt die Hände in den Hosentaschen. Senkt dann den Kopf. Dabei wird ihr Gesicht von einem Vorhang aus dunklen Haaren verdeckt. Ein letzter Blick, dann verschwindet sie in der Menge. -------
ES IST MEINE LIEBE
Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns verab schieden. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es dieses Mal anders ist. Zoe trägt die dunkelrote Mütze, die ich ihr vor Jahren geschenkt habe. Es war eines unserer ersten Treffen – in einer kleinen Bar, die viele dunkle Ecken hat. Ich weiß, dass wir uns nicht verstecken müssen. Nicht mehr. Trotzdem habe ich auch jetzt ein ungutes Gefühl, während wir Hand in Hand den Bahnsteig entlanggehen. Ich spüre Zoes Blick auf mir, warte aber, bis wir unter einer flackernden Lampe stehen, halb im Schatten, bevor ich stehenbleibe und sie ansehe. Sie versucht, den schweren Rucksack von ihrem Rücken zu hieven, verfängt sich dabei in der zu großen Jacke. Ich muss ein Lachen unterdrücken, kann mir ihren genervten Gesichtsausdruck vorstellen, als sie sich endlich befreien und den Rucksack auf den Boden stellen kann. Ich beuge mich vor und gebe ihr einen schnellen Kuss. Dabei spüre ich, wie sie sich langsam entspannt. „Kannst du glauben, dass es drei Wochen her ist, seit wir das letzte Mal hier standen?“ Zoe geht einen Schritt auf mich zu, sucht meine Hand und drückt sie fest. „Die Zeit vergeht immer so schnell.“ Ihre Stimme verliert sich. Ich hebe ihr Kinn an, zwinge sie so, mir in die Augen zu schauen. Sie blinzelt, verdrängt die Tränen. „Wir können skypen, sobald du wieder Zuhause bist. Das wären nicht einmal vierundzwanzig Stunden.“ Ich versuche, meine Trauer vor ihr zu verbergen. Ich möchte mich nicht mehr von ihr verabschieden. Möchte, dass sie bei mir bleibt. Möchte jeden Morgen neben ihr aufwachen und jeden Tag mit ihr verbringen. Der Zug fährt ein und sie zuckt zusam-
men, erschreckt sich bei dem Geräusch der quietschenden Reifen. Sie lacht, aber das Lachen geht schnell in ein Weinen über. Ihre Schultern zucken und ich drücke sie an mich, umschlinge sie mit meinen Armen und halte sie ganz fest.
Das Lächeln bricht mir das Herz. Trotzdem zwinge ich mich, zurückzulächeln. Zu winken. Dann verschwindet sie. Und hinterlässt nichts als Leere in meinem Inneren. Ich drehe mich um, trete aus dem Schatten ins Licht. Bemerke eine hochgewachsene Gestalt, die uns die ganze Zeit beobachtet hat. Mein Herz schlägt schneller und ich versuche, eine gleichgültige Miene aufzusetzen. Versuche, die aufkommende Angst zu verstecken. Ich spüre das Echo des Schmerzes auf meiner Haut, sehe wie damals einen großen Schatten vor mir, der mir den Weg versperrt. Ich blinzele, die Erinnerungen verblassen. Mit schnellen Schritten laufe ich in Richtung Rolltreppe, senke den Blick. Menschen rennen mir entgegen, ich verschwinde in der Masse. Werde eins mit der Menge. Und fühle mich endlich unsichtbar.
„Es wird alles gut.“ „Ich liebe dich.“ Unsere Stimmen überlagern sich und ich kneife die Augen zusammen, weil ich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann. Ein letzter Kuss, ein letzter Blick. „Ich schreibe dir, sobald ich im Zug sitze.“ Zoe wischt sich die Tränen weg, dann schultert sie ihren Rucksack. Läuft auf die sich öffnenden Türen zu. Ich stehe einfach nur da, sehe ihr nach. Sie dreht sich noch einmal um, lächelt.
SOPHIA SUCKEL 67
Smartphones rauben unsere Aufmerksamkeit. Wir surfen durch eine virtuelle Welt und vergessen dabei gern die Realität um uns herum. Auf zwischenmenschlicher Ebene versagen wir genauso, wie auch auf gesellschaftlicher.
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Bevor du nun weiterliest, bitte ich dich freundlich dein Smartphone für einen Moment stumm zu schalten oder es gleich aus dem nächstgelegenen Fenster zu werfen. Nein, eine Hassrede gegen den Fortschritt der Technologie erwartet dich jetzt nicht. Was ich will, ist deine ganze Aufmerksamkeit. Denn genau um die geht es hier. Da sind wir also. Umgeben von Freunden, der Familie oder einfach irgendwelchen Menschen, die ein Smartphone besitzen. Vielleicht sind wir auch alleine. Und wir kommunizieren. Mit uns selbst im Monolog oder zwischenmenschlich. Über den letzten Urlaub, den neuen Instagram-Post eines Influencers oder zweifelhafte Zukunftspläne. Doch irgendetwas stört, unterbricht die Unterhaltung und schleicht sich immer wieder zwischen die Zeilen. Smartphones ziehen uns täglich in eine virtuelle Welt der Kommunikation und in den Bann
DIE VERSKLAVUNG UNSERER AUFMERKSAMKEIT
einer nicht abbrechenden Unterhaltungsschleife. Da müssen wir uns alle selbst an die Nase fassen. Ein „bei mir ist das nicht so“ gibt es unter Usern schlichtweg nicht. Dabei ist das, was uns ausmacht und verbindet, menschliche Interaktion. Egal, was wir mit Worten, Gestik und Mimik ausdrücken oder nicht ausdrücken – wir kommunizieren ständig. Eine angemessene und richtige Interaktion ist aber nur dann möglich, wenn wir uns aufmerksam und konzentriert im Moment befinden. Falsche oder unangemessene Interaktion führt zwangsläufig zu Missverständnissen und Differenzen, welche oft einen Rattenschwanz an unschönen Empfindungen mit sich ziehen. „Das ist doch logisch!“, hörst du dich nun sagen. Ja, das ist es und deshalb ist es im Grunde nur ein weiteres ödes Wiederkauen irgendeiner wissenschaftlichen Erkenntnis. Dennoch ist es wichtiger denn je, dass wir uns dieser Logik bewusst sind. Die Art, wie wir heutzutage interagieren, erscheint – gemessen an dieser Logik – nämlich immer irrationaler. Wer am Handy ist, verneint den Moment. Unbestreitbar ist, dass das Smartphone in der Tat ziemlich smart ist, wenn es darum geht, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Push-Nachrichten sorgen wie freundliche Nachbarn dafür, dass wir nicht vergessen unsere Blümchen zu gießen. Entsperren wir den Bildschirm, loggen wir uns praktisch aus dem gegenwärtigen Moment aus – ob bewusst oder unbewusst. Wir gehen offline, um in einer Welt online zu sein, die wir uns sorgfältig aufgebaut haben und die ein Bestandteil unseres Lebens
ist. Dabei hat diese Welt als solche auch völlige Existenzberechtigung. Schließlich entspricht das nun mal ganz dem Zeitgeist. Doch wir tun es oft. Sehr oft. Der Statistik nach unterbrechen Kinder und Jugendliche im Schnitt alle 18 Minuten eine Tätigkeit für ihr Smartphone. Das heißt, unsere Aufmerksamkeitsspanne, sprich die Fähigkeit, uns konzentriert einer Sache zu widmen, verkürzt sich. Und das beste Beispiel sind wir selbst, oder? Wie oft klinkst du dich aus einem Gespräch aus, schaust, während du an etwas arbeitest, aufs Handy und tippst mal wieder sinnlos herum? Am Handy zu hängen, während man aufmerksam zuhören oder arbeiten will, ist schlichtweg nicht möglich. Man kann keine Informationen sorgfältig aufnehmen und einordnen, während man versucht Informationen aufzunehmen und einzuordnen. Außer du bist fähig, die Lyrics eines Songs zu verfolgen, während du ein Buch liest. Dann fühle dich nicht angesprochen. Wir sind auf dem besten Weg, dieser schlechten Gewohnheit den Stempel der Norm aufzudrücken. Das bringt uns mehr Probleme, als dass es welche löst. Denken wir doch mal einen Moment an uns. Wir nehmen uns ein wenig bis gar keine Zeit für unsere innere Gedankenwelt. Hätten wir dann einmal die Zeit dazu, lenken wir uns lieber ab. Inhaltslose Chats oder eine weitere zeitraubende Serie. Wir verlieren uns ein Stück weit selbst. Hören uns viel zu wenig zu. Das staut sich dann an. Und am Ende kracht man frontal gegen den unerwartet
großen Eisberg, der sich da unter der Oberfläche gebildet hat. Zwischenmenschlich sagen wir nicht das, was wir eigentlich zur Sprache bringen wollen. Fühlen uns nicht gehört, sind genervt und verdrängen lieber. Gleichzeitig stumpfen wir ab. Menschliche Interaktionen verringern sich. Die mediale Interaktion steigt. Emotionen bleiben dann zwangsläufig auf der Strecke. Emojis versenden wir als Pseudoemotionen und das getippte „haha“ entspricht so gar nicht unserem Empfinden. Dagegen bleibt ein ehrliches Lachen in einer Gesprächsrunde hängen. Und tut gut. Zoomt man noch weiter heraus, wird auch die Auswirkung auf uns als Gesellschaft erkennbar. Wir sind teilweise so gefangen in dieser stimulierenden Welt, dass wir den Blick für Notwendiges verlieren. Schauen wir uns mal um. Es brennt an allen Ecken und Enden. Was diese Gesellschaft braucht, ist nicht nur ein Hashtag-Movement, sondern auch Taten. Ein Instagram-Profil kann warten, Not nicht. Gib dir einen Moment Zeit und reflektiere. Es geht jetzt gewiss nicht darum, Smartphones ab dem heutigen Tag zu verfluchen und Unterhaltungsmedien zu verbannen. Vielmehr sollten wir achtsamer mit ihnen umgehen. Tun wir das bedachter, so wirkt sich das automatisch positiv auf den Umgang mit uns selbst und der Außenwelt aus. Nimm dir Auszeiten. Vor allem dann, wenn du in Gesellschaft bist. Entdecke den Moment, die Menschen um dich herum und dich selbst. Kümmern wir uns darum!
KEVIN HUMMEL
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Ob Pflichtprakt ikum, St udent ische Aushilfe, Abschlussarbeit oder Trainee:
Starte Deine eigene Geschichte – panama.de
Gegen Mobbing gibt es kein Patentrezept. Wie Du damit umgehen sollst, kann ich Dir auch nicht verraten. Jeder Fall ist individuell und jede Geschichte eine andere. Selbst, wenn man nicht mehr davon betroffen ist, so sind die Folgen noch lange Zeit spürbar. Auch, wenn Du keine persönlichen Erfahrungen damit hast, kannst vielleicht auch Du ein bisschen aus meiner Geschichte lernen. Ich möchte kein Mitleid und keine Aufmerksamkeit, deshalb ist dieser Artikel anonym. Meine Geschichte beginnt in der 8. Klasse am Gymnasium. Ich war ein offener, freundlicher und hilfsbereiter Mensch; selbstbewusst, aber nicht über heblich. Zuerst begann alles relativ harmlos, doch dann folgten Scherzanrufe, Beleidigungen und es wurde versucht, mir Diebstähle anzuhängen.
Um es kurz zu fassen: Es ging mir sehr schlecht während dieser Zeit, die bis zum Abitur andauerte und mich dementsprechend prägte. Ich ent wickelte eine Essstörung und wurde stark depressiv. Doch hier ist nicht der richtige Rahmen, um näher ins Detail zu gehen, immerhin soll diese Geschichte Mut machen und nicht deprimieren. Als dann
endlich der lang ersehnte Moment des Abiturs gekommen war, dachte ich, nun würde alles besser werden – doch diese Zeit hat Spuren hinterlassen. Getuschel habe ich sofort auf mich selbst bezogen, Vertrauensängste sind gewachsen. Selbstbewusstsein? Fehlanzeige. Und wenn man dann endlich keinen Kontakt mehr mit dem „Problem“ hat, wieso geht dann nicht alles wieder bergauf? Wieso kann man nicht endlich wieder glücklich und sorgenfrei sein?
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Ohne das eigene Zutun wird man nicht glücklich!
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So einfach geht das leider nicht, denn das ist ein langwieriger Prozess. Ich habe mich Stück für Stück herangetastet. Zuerst ein Minijob; ein erstes Sammeln positiver Erfahrungen nach so langer Zeit. Irgendwie ging es mir noch immer nicht viel besser, aber ich hatte genug Mut entwickelt, um den nächsten Schritt zu wagen: ein Jahr im Ausland. Auch dort ging es mir zwar besser, aber so richtig glücklich bin ich nicht geworden. Bis mir dann die Erkenntnis kam: Ohne das eigene Zutun wird man nicht glücklich! Denn mal im Ernst: Who cares? Wenn es darauf ankommt, musst Du Dich selbst um dein Wohlbefinden kümmern, denn niemand kann Dir das abnehmen! Man muss sich aktiv bewusst machen, dass neue Bekanntschaften eine Chance sind, um sich daran zu erinnern, dass Menschen, die auf einen zugehen, Gutes im Sinn haben. Man muss in seine eigenen Fähigkeiten Vertrauen fassen und seinen eigenen Wert wieder
(K)EIN WEG ZURÜCK
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neu entdecken. Traue Dich, Deine Komfortzone zu verlassen und sei mutig! Du kannst mir eines glauben: Du wirst es nicht bereuen. Obwohl sich das nun so anhören mag wie in einem Ratgeber zum Finden der inneren Mitte, ist es genau das, was mir geholfen hat, wieder zu mir zurückzufinden. Was ich erlebt habe, hat mich geprägt, aber ich habe es geschafft. Ich kann meinen Klassen kameraden vergeben, weil sie keine Macht mehr über mich haben oder mein Verhalten indirekt beeinflussen. Meine Horrorstory ist zur Erfolgsgeschichte geworden, denn ich bin nun wieder offener, selbstbewusster und glücklicher. Deshalb möchte ich Euch meine Message mitgeben: Achtet aufeinander und schaut nicht weg – dadurch kann Schlimmes verhindert werden! Vielleicht mag diese Geschichte zu Beginn wie ein schlechtes Drama wirken, aber das Leben schreibt unterm Strich die besten Geschichten – inklusive Happy End.
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Am 31. März 2017 ist es wieder mal soweit: Eine neue Serie geht auf Netflix online. Danach gibt es auf Schulhöfen und in Hörsälen kaum noch ein anderes Thema. Jeder hat’s gesehen und jeder hat eine eigene Meinung zur Serie „13 Reasons Why“. Shitstorms brechen los und genauso groß scheint auch die Gegenbewegung zu sein. Kann man so ein Thema für ein Unterhaltungsformat nutzen? Ein Meinungsbericht.
Für die wenigen unter uns, denen die Serie unbekannt ist, fasse ich die wesentliche Handlung kurz zusammen: In der ersten Staffel geht es um Hannah, eine Schülerin der High School, die sich das Leben genommen hat. Ihre Geschichte erzählt sie nun auf Kassetten, die unter den Mitschülern weitergegeben werden, die sie für ihren Suizid mitverantwortlich findet. So erhält auch Clay die Kassetten und erfährt von Hannahs schrecklichen Erlebnissen, wie beispielsweise ihrer Vergewaltigung durch einen Mitschüler, und sorgt sich, was auf seiner Kassettenhälfte über seine Mitschuld berichtet wird.
und sich Hannah als Vorbild nehmen könnte, um den eigenen Suizid ähnlich durchzuführen. Zwar gab es tragischerweise vereinzelte Nachahmungen, aber meiner Meinung nach kann eine Serie nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Das geht in eine ähnliche Richtung wie die Behauptung: „XY ist magersüchtig geworden, weil sie „Germany’s Next Topmodel” geschaut hat!“ Natürlich kann es inspirierend wirken, den Mobbern so eins „auszuwischen“, aber niemand begeht nur wegen einer Serie Suizid. Dafür müssen schwerwiegende Probleme und/oder psychische Erkrankungen vorliegen, die laut einigen Stimmen in der Serie nicht ausreichend thematisiert worden sind.
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Es ist wichtig, solche Tabuthemen der Gesellschaft zu thematisieren.
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Besonders die letzte Folge der ersten Staffel sorgt für Aufsehen. Der Suizid von Hannah wird deutlich gezeigt – ohne Cuts – sodass jeder sehen kann, wie sie ihr Leben beendete. Als Hauptkritikpunkt der Serie wird genannt, dass vor allem das junge Publikum durch die Szenen beeinflusst werden kann
Ich stimme dem zu, dass Hannahs Depression nicht ausreichend angesprochen worden ist und deutlicher hervorgehoben worden sein sollte. Auch das Gespräch mit dem Vertrauenslehrer hätte anders gestaltet werden sollen. So wird suggeriert, dass der Versuch sich Hilfe zu suchen von Beginn an aussichtslos ist, was für jeden Zuschauer in einer ähnlichen Situation gefährlich werden kann. Die Disclaimer, die am Ende und teilweise zu Beginn ausgestrahlt werden, sind eine Mögliclichkeit der
WARUM EINE SERIE ÜBER KASSETTEN DIE ZUSCHAUER ENTZWEIT
Produzenten, sich gegen Vorwürfe erhaben zu machen. Hand aufs Herz: Bringt das einem Betroffenen wirklich etwas? Schaut man sich diese beliebte Serie nicht trotzdem an oder auch gerade, weil dort Ähnliches gezeigt wird?
envoll und böse Zungen könnten behaupten, dass weniger schlimme Fälle als Lappalie abgetan werden könnten.
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Das ist ein reales Problem unserer Gesellschaft und Totschweigen hilft ganz sicher nicht.
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Diese Fragen können uns nur Betroffene beantworten, jedoch bin ich kein Befürworter dieser Disclaimer. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, solche Tabuthemen der Gesellschaft zu thematisieren. Gerade die Polarisierung der Serie hat dazu geführt, dass Depressionen, Mobbing und Suizid zum Gesprächsthema geworden sind und Tabus gebrochen werden.
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Bei solch heiklen Themen ist Polarisierung nahezu unvermeidbar.
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Das kann auch Betroffenen Mut machen, da solche Themen noch lange nicht salonfähig sind; doch das Eis ist gebrochen. Hierbei sehe ich jedoch auch eine Gefahr: Hannahs Erlebnisse sind grau-
Es zeigt sich also deutlich, dass ebenso viele Vorwie Nachteile zu finden sind und ein eindeutiges Urteil nicht möglich ist. Bei solch heiklen Themen ist Polarisierung nahezu unvermeidbar. Zwar sprechen aussagekräftige Aspekte gegen die Serie, aber es ist wichtiger, die angesprochenen Themen wie Mobbing und Suizid nicht weiter wie Luft zu behandeln. Das ist ein reales Problem unserer Gesellschaft und Totschweigen hilft ganz sicher nicht weiter – ganz im Gegenteil.
ANNE SEELMANN
„Hi, wie geht‘s?“ „Alles gut und bei dir?“ „Auch.“ … Ich bin zwar total gestresst, broke as fuck und mein Freund geht mir fremd, aber sonst ist alles tutti Banane, dachte ich mir. In einer Welt, in der ich weiß, welche Salatbar Kim Kardashian in Calabasas frequentiert oder „Cash Me Ouside“-Girl tatsächlich mit ihrem Hang zum schlechten Benehmen Karriere macht, warum in Gottes Namen scheue ich mich so davor, ehrlich zu sagen, wie es mir geht? Versteh‘ mich nicht falsch, du solltest deinem Chef definitiv nicht vorheulen, in welche Olle dein Freund schon wieder versehentlich gefallen ist. Das könnte dich eventuell deinen schlecht bezahlten Job kosten, auf den du – sind wir mal ehrlich – angewiesen bist, weil du als Student dauerinsolvent bist. Man muss nicht seine Kindheitstraumata ausbuddeln, um ehrlich zu sagen, wenn es mal nicht läuft. Stattdessen brennen uns Fragen im Kopf, deren Antwort wir bereits zu kennen glauben: Vielleicht juckt es dich auch keinen Meter? Wieso auch? Heutzutage wird vieles doch nur noch auf das Nötigste beschränkt. 15 Sekunden hast du Zeit, einen kurzen Einblick in mein Leben zu erhaschen – 280 Zeichen habe ich, um dir einen Eindruck von meinem zu gewähren. Kompensiert wird diese Interessens abstumpfung durch massives Over-Sharing. Hat man von dieser Überkompensiererei die Nase voll, kann die Story ja geskippt oder Facebook-Freunde entabonniert werden. Wird essen gegangen, wird das Steak schier mit der Gabel zerlegt – nur dafür, dass man eine Hand frei hat, um seinen Instagram-Feed zu studieren, um dem Gesprächsschwall von Laura zu entgehen, die ja an sich eh nicht groß was zu erzählen
hat. Laura schmückt unterdessen ihre Storys hardcore aus, um deine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Wecken kann sie diese jedoch nicht. Stattdessen fragst du dich, wie oft der Schönling am Tisch gegenüber wohl seinen knackigen Po trainiert und ob die Lippen der Bedienung natürlich voll sind oder doch der liebe Onkel Doktor Hyaluron nachgeholfen hat. Aber wieso ist das denn so? Sind wir zu einer Generation von selbstbezogenen Narzissten geworden?
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Du solltest deinem Chef definitiv nicht vorheulen, in welche Olle dein Freund schon wieder gefallen ist.
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Ja und nein. Man könnte hier von einem selektiven Interesse sprechen. Die Hälfte meiner Peergroup könnte mir nicht sagen, wer unser Bundespräsident ist, denn Politik interessiert manche von uns weniger als Kim Ks Chinese Chicken Salad. Wenn du jetzt denkst Humbug, dann muss ich dich leider enttäuschen. Falls du nun immer noch misstrauisch bist, google erstmal, wer der derzeitige Bundespräsident ist und befrage dann deine Kommilitonen. Wie in der Werbung muss ich mich zeitlich, räumlich und sachlich so in den Kopf meines Gesprächspartners platzieren, dass dieser sich mit mir auseinandersetzen möchte. Diese Entsensibilisierung aufgrund des enormen Informationsüberflusses ist aber nicht zwingend etwas Schlechtes. Mit all den Hiobsbotschaften, mit denen wir tagtäglich überflutet werden, müssen wir lernen, zwar eine gewisse Anteilnahme an
HOW ARE YOU? FINE.
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dem Werdegang unserer Welt zu nehmen, aber auch Distanz zu schaffen. Sonst würden wir an dem ganzen Leid verkümmern. Andersherum leben wir in einem Zeitalter des „Snowflakisms“. Shitstorms hagelt es gefühlt dreimal täglich, weil irgendwer sich wieder von irgendwas angegriffen fühlt. Es ist manchmal erstaunlich, wie schnell wir beim Wutbürgertum mitziehen, aber andersherum nicht bereit sind, uns mit dem bürgerlich Wesentlichen auseinanderzusetzen. Unsere Realität konstruieren wir uns, wie wir sie brauchen in multiplen Scheinwelten. Einzuge stehen, dass man weniger als perfekt bzw. nicht die Person ist, die man sich zu sein wünscht, gibt uns eine Blöße, die wir nicht zu zeigen bereit sind. Manchmal ist es einfacher, den Schein zu wahren und sein Fakelächeln hochzuschrauben, als Schwäche zu zeigen. Wir leben in einer Ellenbogen gesellschaft, in der wir uns mit dem Chickendance Platz zum Existieren schaffen und wo, wie Darwin schon sagte, der Stärkere gewinnt. Manchmal könnte man jedoch meinen, dass der Ein oder Andere, gerne nach links und rechts austeilt, aber nicht um sein Überleben, sondern seine Über legenheit zu sichern. Dir geht es nur so gut, wie es anderen schlecht geht. Der Erfolg Einiger ist zugleich der Misserfolg Anderer. Der eigene Erfolg kann nur im Kontext und im Vergleich zu Anderen gesehen werden. Es gibt uns ein gewisses Maß an Genugtuung zu glauben, uns ginge es besser als dem Nächsten. Gerade im Studienleben mag es doch das ein oder andere Kameradenschwein geben. Veranschaulichen wir diese Sauerei doch mal an einem plakativen Beispiel. Bietest du in irgendeiner Form Herr oder Frau von Kameradenschwein einen Mehrwert, bekommt du besagtes
Kameradenschwein nicht mehr von der Backe. Es fängt meist mit einem kleinen Gefallen an „Kannst du mal…?“ „Helf mir mal!“ „Schau mal.“ Andersherum kannst du nicht mal fragen, wie spät es ist, ohne das Mr. oder Mrs. Kameradenschwein darum bangt, dir einen Vorteil in irgendeiner Form zu verschaffen. Das Mantra eines Kameradenschweins kann man mit dem ehemaligen Claim von Saturn vergleichen: „Geiz ist Geil“, jemanden in die Pfanne zu hauen noch geiler. Kommilitonen mit Speck am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen. Hat dann doch jemand mal Sorgen, muss im Gespräch sichergegangen werden, dass man mehr Stress, mehr gesundheitliche oder situative Leiden hat als der Gegenüber, um dieses Leid recht fertigen zu können. „One sort of struggle does not negate the other“, da jeder auf Schicksalsschläge eine andere emotionale Resonanz zeigt und die unterschiedlichen Auffassungsweisen nicht am Härtegrad der Situation gemessen werden können. Tendenziell könnte man hier zur Schlussfolgerung kommen, dass der Großteil der Menschen so ziemlich scheiße ist. Bedeutet das dann, dass du auch scheiße bist? Also ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen: gut möglich. Nicht jeder Mensch ist zwingend schlecht oder böse, eher entscheiden wir einfach nur auf gut Deutsch scheiße. Man sollte jedoch auch sagen, dass wir nicht immer auch unsere Entscheidungen sind und somit nicht jede Fehlhandlung uns zum Charakterunfall macht. Eher ist es so, dass wir Fehler machen, die wiederum unsere Menschlichkeit belegen. Scheiße werden wir erst in dem Moment, in welchem wir uns, obwohl wir es moralisch besser wissen, vorsätzlich falsch entscheiden und somit bereit sind die
weniger tugendhafte Entscheidung zu treffen, wissend, dass wir die Konsequenzen nicht zu tragen haben.
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Tendenziell könnte man hier zur Schlussfolgerung kommen, dass der Großteil der Menschen so ziemlich scheiße ist.
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Solltest du dich von manchen dieser Punkte angesprochen, überproportional erzürnt oder gar betroffen fühlen, appelliere ich nun hier an dich, in dich zu gehen und dich zu fragen, wieso du dich angesprochen fühlst? Vielleicht ist an meinem zynisch-pessimistischen Geschwafel etwas dran, vielleicht weiß ein kleiner Teil von dir, dass du genau weißt, wie die Spielregeln in unsere Gesell-
schaft gesetzt wurden. Aber hey, don’t hate the player, hate the game, right? Vielleicht ist in deiner Welt der Himmel blauer, die Leute rücksichtsvoller, die Menschen gütiger, vielleicht ist bei dir auch alles rosiger, weil du genau das Kameradenschwein bist, das sich seine Welt auf den Trümmern der Welten anderer erbaut hat. Selbst wenn du es nicht aktiv tust, haben wir alle kameradenschweinische Tendenzen. Wie stark wir die Ausprägung zulassen, liegt in unserem eigenen Ermessen. Ich kann dir aber versichern, solange du bemüht bist, authentisch zu bleiben und bereit bist, dich und dein Handeln zu reflektieren, befindest du dich zumindest nicht auf dem Holzweg.
YVONNE EDMONDS
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In gemütlicher Atmosphäre bei einem Kaffee entspannen, regionale und frische Gerichte genießen oder den Abend mit einem leckeren Cocktail ausklingen lassen … In der Gloriapassage, Bolzstr. 6 info@cafeletheatre.de
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Initiativleitung || v.l.n.r.: Sophia Suckel, Antonia Muszi, Sanja Perovic
Redaktion || Erste Reihe (v.l.n.r.): Janina Schlund, Luisa Jilg, Joanna Rietl, Sophia Suckel, Jule Ahles Zweite Reihe (v.l.n.r.): Louise Hebestreit (HV), Manuela Kaczmarek, Anna Germek, Laura Bangert, Denise Ott, Emma Weiterer, Sandra Belschner, Franziska Schmock, Antonia Muszi Dritte Reihe (v.l.n.r.): Jerome Jähnig, Kevin Hummel, Jonas Armbruster, Jana Mack, Anne Seelmann, Hannah Bauer Es fehlen: Yvonne Edmonds, Anne Le, Leonie Rothacker, Franziska Roth
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Layout || Erste Reihe (v.l.n.r.): Susanne Kunz, Mira Biehler, Luna Wolf (HV), Lea Dillmann Zweite Reihe (v.l.n.r.): Lennart Gastler, Soukaina El Gharbaoui, Ariana van Scherrenburg, Jana Trenner (HV), Lea Haupenthal
Blog || v.l.n.r.: Anna Tverdovska, Sanja Perovic, Francesca Nette, Lennart Gastler, Selina Ellenberger, Larissa Wolff, Susanne Kunz
Akquise || v.l.n.r.: Lena Hermann (HV), Emma Weiterer, Hannah Bauer, Anna Tverdovska
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