Effilee #31 Winter 2014 / 2015

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#31 Winter 2014/2015 Vandana Shiva Schlachter in Irland Ein Teller von Christian Hümbs  Deutschstunde: Soljanka Familienessen

Magazin für Gentechnik und Familie

Das Essen aus dem Genlabor Der Kampf einer indischen Wissenschaftlerin gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel

Essen mit Familie  ––  Konferenz mit Käse  ––  Irland mit Kühen  ––  Deutschlands bester Spätburgunder  ––  Knuthenlund Native Cooking Award  ––  sieben Schnelle Teller von Stevan Paul

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Deutschland € 9,80 . EU € 11,00 . Schweiz sfr 20,00

#31 Winter 2014/2015



aus der Redaktion

Abbildungen: Andrea Thode, Effilee, unter Verwendung von »The Law of the Seed« von Flickr User greensefa, Creative Commons Attribution 2.0 Generic Illustration: Roger Pich Parcé

Gemeinsame Mahlzeiten in der Familie verkommen zum Luxus. Wir, und nicht nur wir, halten sie für eine Notwendigkeit, deshalb haben wir dem Thema einen Groß­ teil dieses Heftes gewidmet. Aber der Rest ist auch nicht von schlechten Eltern …

­ »Wie schön, dass wieder mal alle beisammen sind!«, heißt es gerne, wenn sich eine ganze Familie zu Tisch setzt. Was dann folgt, ist nicht immer nur schön. Wir haben vier Autoren gebeten, uns ihre denkwürdigsten Erlebnisse zu erzählen (S. 22, 36, 56 & 82) familientisch

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schnelle Teller

wissenschaft

Gemeinsam geht angeblich alles besser. Deshalb wollte Stevan Paul für diese Ausgabe mal nicht allein bestimmen, was auf die Schnellen Teller kommt. Er fragte Freunde und Foodblogger nach schnellen Gerichten, die ihnen am Herzen liegen

Die indische ­Umweltaktivistin Vandana Shiva hat Anhänger auf der ganzen Welt und die Zahl steigt rasant. Ihre Botschaft: Genetisch veränderte Lebensmittel sind unser Untergang. Der Journalist ­Michael Specter will es ­etwas genauer ­wissen (S. 44) 3


Inhalt Aus der Redaktion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Schnelle Teller .. . . . . . . . . . . . . . . . 6, 14, 20, 84, 93, 103, 108 Mitwirkende .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Buffet .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Pit vom Posten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Robert Rant .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Eberts EnzyklopÆdie . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Gib mir 5 keksklassiker .. . . . . . . . 42 Gib mir 5 digestifs .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Impressum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Gegessener käse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Cartoon .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Gib mir 5 Bücher .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Restaurantkritik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Weintipps .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Gute Adressen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Deutschstunde .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Das Letzte Rezept .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Gewinnspiel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Irland Eine kleine Dorfschlachterei verkauft Fleisch, vom dem die ganze Insel spricht . . . . . . . . 66

ein teller Sushi als Nachtisch von Christian Hümbs .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Food Week Berlin Internationale und regionale Küchenstars haben drei Abende lang in der Hauptstadt gekocht. Wir haben mit­gegessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Meine Familie und ich Vier Autoren über das, was alles passieren kann, wenn die Familie zusammen am Tisch sitzt .. . . . . . . . . 22, 36, 56, 82

dänemark Beim Native Cooking Award auf der Insel Lolland treten internationale ­Sterneköche gegeneinander an. Und kochen, was ihnen gerade über den Weg läuft .. . . . . . . 58

Saat des Zweifels Die indische Aktivistin Vandana Shiva führt einen leidenschaftlichen Kampf gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel. Warum, das erzählt Michael Specter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Käsekonferenz in Somerset Ursula Heinzelmann war eingeladen, sich in grafschaftlicher Umgebung in die Wissenschaft handwerklichen Käses einweihen zu lassen. Sie kam mit erstaunlichen Erkenntnissen zurück .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Swiss Cheese Awards 125 Juroren waren aufgerufen, aus über 800 Schweizer Käsen die besten zu wählen. Unser Chef hat mit­gestimmt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

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gespräch Ein Professor der Psychologie über die Bedeutung gemeinsamer Mahlzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

georgien Unsere Autorin hat ihr Tischleindeckdich gefunden .. . . . . . . 86

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Wieder dabei: . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Die Rezepte Avocado mit Ei auf kreolischem Reis .. . . . . 106 Beeren / Schweinebauch /Fitaminn von der Brauerei Unertl .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Forelle »Umami«, Holunderblütenöl, ­ Rhabarber, Rosensaitling und Blattkohl .. . . 30 Frittata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Ganzer Blumenkohl mit Kokosmilch-Curry­ sauce, gehacktem Ei und Erdnüssen .. . . . . . . . . 63 Gurken-Basilikum-Curry, Anis Tapioka, Pistazien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Kürbis-»Brat­kartoffeln« mit Apfel, Perlzwiebeln, Pekannüssen und rohem Schinken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Linsensuppe mit warmem Räucherlachs und Meerrettich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Mojito . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Okonomiyaki . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Räucherfischsalat mit Erbsenpüree auf Röstbrot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Risotto .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Saumagen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Spaghetti Vongole mit Knoblauch, Spinat und Petersilie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Süßer Quark mit geschmorten Pflaumen, Baiser­bruch und Honig­kuchenbröseln .. . . . 114 Veef Tatar .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Das müssen Sie haben! Sichern Sie sich Ihr Exemplar für nur 9,80 Euro ganz bequem und portofrei unter shop.effilee.de

kochkunst Ein richtig feines Menü für die Großfamilie .. . . . . . . . . 24

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Schneller Teller #1 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Hütteneintopf für 6 Personen Viele Ferientage und W ­ ochenenden ­verbrachte die Familie Paul auf einer sehr spartanisch eingerichteten Berg­hütte im Montafon. Der Eintopf aus Dosen­waren, Wurst und Sahne schmeckte nach Skiausfahrten und langen Wanderungen besonders gut. Klappt aber auch ohne Vorprogramm! (Stevan Paul, nutriculinary.com) 2 Zwiebeln 1–2 Knoblauchzehen 2 EL Öl 1 EL Butter 2 EL Tomatenmark

1 TL Kümmelsaat 1 TL getrockneter Majoran 1–2 EL Paprikapulver, edelsüß 1 EL Zucker 500 g Sauerkraut (das muss ­wirklich gut sein!) 1 Dose stückiges Tomatenragout (425 g EW) 1 Lorbeerblatt 250 g Fleischwurst 1 Dose weiße Bohnen (540 g EW) 200 ml Schlagsahne Salz, Pfeffer einige Zweige Petersilie

mark unterrühren, die Gewürze und den Zucker zugeben und ebenfalls unterrühren. 2. Sauerkraut mit Flüssigkeit zugeben. Tomaten aus der Dose unterrühren, die Tomatendose zweimal mit Wasser füllen und zugießen. Lorbeerblatt hineingeben und 5 Minuten kochen. 3. Wurst pellen, halbieren und in Schei­ ben schneiden. Bohnen abgießen und mit der Wurst und der Sahne zugeben. Offen 10 Minuten kochen. Mit Salz und Pfeffer würzen. Mit frisch gehackter Petersilie bestreut servieren.

1. Die Zwiebeln in Streifen schneiden, Knoblauch pellen und würfeln. ­Beides in Öl und Butter glasig dünsten. Tomaten­

Alle Rezepte des Heftes sowie Wissens­ wertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Mitwirkende

Michael Specter ist seit 1998 fest angesteller Autor beim New Yorker und hat häufig über Aids, TB und Mala­ria in den Entwicklungsländern ­geschrieben, ebenso über Biotechnologie, Vogelgrippe und die s­chwindenden Süßwasserreserven. Er porträtierte unter anderem ­R ichard Branson, Sean (P. Diddy) Combs, ­Manolo Blahnik und Miuccia Prada. Von ihm stammt das Porträt der Anti-Gentechnik-Aktivistin Vandana Shiva ab ­Seite 44.

Fotos: Privat, Andrea Thode

Friederike Meltendorf hat an der FU Berlin Humanmedizin und Übersetzen studiert. Danach ging’s zum Weiterstudieren an die Linguistische Universität Moskau. Heute übersetzt sie zeitgenössische Belletristik aus dem Russischen und Englischen. Sie wurde für ihre Arbeit unter anderem bereits vom Deutschen Übersetzerfonds, dem Berliner Senat, dem Haus der Kulturen der Welt und dem Hamburger Senat ausgezeichnet oder gefördert. In ihrer knappen Freizeit macht sich Friederike, die uns auch zwei Jahre als Schlussredakteurin unterstützt hat, gerne tiefgründige Gedanken. Wir baten sie für diese Ausgabe darüber nachzudenken, was ihre eindringlichsten Erinnerungen an das Essen in ihrer ­Familie sind. Das Ergebnis steht auf Seite 82.

Stevan Paul, Jahrgang 1969, hat sich den Berufswunsch Multittalent erfüllt, und zwar nicht zu knapp. 1988 ließ er sich bei Sternekoch Albert Bouley im Ravensburger Waldhorn das Kochen beibringen. Es folgten fünf Jahre in verschiedenen von Gault Millau und Michelin gekrönten Küchen. Danach wollte er scheinbar wieder für eine gewisse Zeit rutschfesten Boden unter den Füßen haben und ließ sich für fünf Jahre in diversen Redaktionen des Gruner + Jahr-Verlags nieder. Im Jahr 2000 wurde ihm dort wohl zu wohl und er machte sich als Foodstylist und Rezepteentwickler selbstständig. Mittlerweile schreibt er Reportagen, Kolumnen, Erzählungen und Kochbücher als gäbe es kein Morgen. Achtundzwanzigmal pro Jahr ist er so freundlich, all diese Tätigkeiten zu unterbrechen, da er unsere Schnellen Teller nicht nur erfunden hat, sondern jeden einzelnen auch zubereitet. Jetzt war er so freundlich, auch diese Tätigkeit mal kurz zu unterbrechen und für uns auf die dänische Insel Lolland zu fahren. Über das, was er dort erlebt hat, berichtet er mit großer Könnerschaft ab Seite 58.

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buffet

Halbwissen: mürbeteig

Was kommt rein Im Grunde nur Zucker, Butter und Mehl im Verhältnis 1 : 2 : 3. Eier oder Eigelb erleichtern die Verarbeitung. Salz, gemahlene Nüsse oder Aromen wie Vanille und Zitrone sind lecker. Dieser Mürbeteig eignet sich für Tartes und Gebäck. Spritzmürbeteig hingegen enthält mehr Ei und Butter und wird schaumig gerührt. Streusel enthalten mehr Zucker und werden besonders mürbe wenn die Butter flüssig eingearbeitet wird.

Mandelmürbeteig 115 g Butter 80 g Puderzucker 2 g Salz 25 g Mangelgrieß 1 Ei 250 g Mehl

Für Schnelle Puderzucker statt Zucker löst sich schneller im Teig. Butter kalt verwendet verkürzt die Kühlzeit. Ruhig die dop­ pelte Menge machen und eine Hälfte einfrieren, hält sich ewig.

Foto: Shutterstock/Bozulek

1. Praktisch von selbst geht das in der Küchenmaschine mit dem Paddle. Butter, Zucker und Salz glattarbeiten, Mandeln und Ei unterrühren. Das Mehl zugeben und nur so lange weiterrühren, bis alles gerade so verbunden ist. In Frischhalte­ folie oder eine Box gepackt mindestens eine Stunde, besser über Nacht kühlen. 2. Bei einer Tarte den Boden einstechen, damit keine Blasen entstehen. Bei 160–180 Grad Umluft entweder blind oder direkt mit dem Belag goldbraun backen.

Von Erster Hilfe bis Wiederbelebung Im Optimalfall ist das Mehl im Fett fein verteilt und darin gebunden. Knetet man zu lan­ ge, schmilzt das Fett und der Teig reißt beim Ausrollen. Einfach etwas Eiweiß einkneten und noch einmal kühlen. Wird Mehl mit Flüssigkeit zu lange geknetet, bildet sich Gluten, das Klebereiweiß. Der Teig wird zäh. Die daraus gebackenen, betonharten Platten sind zerbröselt und mit zerlassener Butter vermischt ein idealer Boden für Käsekuchen.

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Würzburger Unterbrechung xxxxxxxxxxxxxxxxxx

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tinkig, und das im würzburger Maulaffenbäck, meinem tröstenden Zweistunden-ICE-Aufenhalts-Retiro seit einem Vierteljahrhundert bei zu vielen Südfahrten! Immer die brutal salzige Leberknödelsuppe, gefolgt von zerkochtem Sauerkraut mit allerdings himmlischen Bauerbratwürsten und einem Brot, bei dem sogar Lionel Poilâne trocken geschluckt haben würde. Dazu Weine, sauerfratzig Tucholskys „Wirthaus im Spessart“ memorierend. Aber heute: dreifach hungrig, doppelt nicht beachtet; die Kellnerin trieb Wichtigeres im kaum besetzten Lokal. Sonst regelmäßig überfüllt, man quetschte sich an einen Tisch, wurde für zwei Stunden Ehrenfranke. Ist da jetzt Sense? Wie schade, denn nun allerdings ins Juliusspital um die Ecke, wo ich mal eine Japanerin ratlos vor einem Wels sitzen saß: Nu’ weißte endlich, wie wir uns in Deiner Heimat fühlen! Bis auf Blut- und vor allem Leberwurst ist

man hier schon fühlbar in Nähe des Bahnhofs, der seit Jahren mit großem Aufwand sowie noch sichtbarerem Erfolg in den Zustand um 1945 versetzt wird und meide die mehr schäumenden als perlenden Rotweine. Warum aber dort überhaupt? Doch wo kann man gegen 16 Uhr sonst als honetter Mensch mit Messer und Gabel speisen? Wieder die Leberknödelsuppe, die in Würzburg wohl aus einem einzigen Topf kommt. Matschsauerkraut und eine Bratwurst zum Flüchten. Mama said, there are days like this, da mümmelst Du das so weg. Raus, Lust auf Süßes. Doch eine Sekunde nach 18 Uhr rasselt Dir das Rolltor vom nicht mal üblen Café Kiess auf die Rahmengenähten – CU. Das Gesparte als nobel gerundeten Schein zum locker-sympathischen Pack vor dem Bahnhof rüberwachsen lassen, das sich nun als einzig zuverlässige Konstante zur Vesperzeit in Würzburg erweist.

Das finden wir GUT

Fotos: Hersteller, ?????

Termin topf und deckel

925 Calories Die Hamburger Designerin Kaja Holland hat ihrer Liebe zu Knabberwerk und Nudeln ein Denkmal gesetzt. Ihre Chips, Fischlis und Nudeln sind in Originalgröße aus 925er Silber nachgebildet und kosten zwischen 130 und 280 Euro. Die ganze Kollektion kann man unter www.kajaholland.de bestaunen

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Künstler haben in der Küche nichts zu suchen? Weit gefehlt! Das Museum Villa Zanders widmet dem Thema Kochen und Kunst eine Ausstellung. Exponate aus Malerei, Fotografie, Skulptur und Video. Bis 8.3.2015. Näheres unter www.villa-zanders.de

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buffet

Favoriten: ira scholtze

Gewinnspiel

frage: In welcher Region liegt die Sibona Antica Distilleria? Sibona Grappa di Barolo in der weihnachtlichen Geschenkbox gewinnen! Beantworten Sie die Frage und gewinnen Sie eine von fünf Flaschen Sibona Grappa di Barolo in der weihnachtlichen Geschenkbox. Schicken Sie Ihre Antwort per Mail an info@effilee. de, Stichwort: Grappa. Einsende­ schluss ist der 15.12.2014. Eine Bar­auszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Es entschei­ det das Losverfahren und die 5 glücklichen Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt.

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Im richtigen Leben arbeitet Pit als Koch in einem sehr guten Restaurant. Was er sich dabei denkt, steht hier

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ehn Tische fragen nach meinem vorigen Arbeitsplatz, und sind enttäuscht, dass kein dreifach besternter Laden dabei ist. Weitere Fünf fragen, ob ich meine Ausbildung in Frankreich gemacht hätte, und sind enttäuscht, dass ich als Baby nicht in einem Weidenkorb vor Paul Bocuses Tür aufgefunden wurde. Vier andere Tische fragen uns vermeintliche Fachfragen, die so unsinnig sind, dass sie selbst bei Wikipedia keinen Eintrag finden würden. (Was ist der Unterschied zwischen Japan und China? Was ist der Unterschied zwischen der Poularde und den Garnelen?) Mal unter uns: Ich weiß, ihr seid ganz aufgeregt wenn ihr in einem

kann: Swimmingpool, das Original mit Romy Schneider und Alain Delon sowie die Version von 2003 mit Charlotte Ramp­ ling und Ludivine Sagnier. Die Espresso­ nisten in Potsdam. Sich über eine der vielen hochwertigen Espressomaschinen beraten lassen und dabei die verschiede­ nen Kaffeesorten probieren. Wer will, kann noch einen Barista-Kurs buchen. Südtirol im Winter. Wer nicht Ski fährt, kann sich in der von Mattheo Thun designten Ther­ me in Meran verwöhnen lassen.

Sterne­restaurant reserviert habt. Wie bindet man nochmal eine Krawatte? Was antworte ich meiner Frau, wenn ich zwischen zwei Kleidern entscheiden soll und die Fangfrage nicht gleich durchschaue? Wie stehe ich später als Kenner und kulinarisch gebildeter Mann von Welt da? Wie überlebe ich als desozialisierter Smartphone-Junkie einen Abend nur mit Konversation? Ganz einfach: Bestell etwas von der Karte, iss, hab Spaß und bezahle. Es ist nur ein Abendessen. Wieder mal fassungslos murmle ich noch ein resigniertes »Tausendfünfhundert Kilometer und acht Beine« vor mich hin, während ich zu den übrigen vier Tischen gehe, die noch alle Tassen im Schrank haben. Ich verdrücke mich wieder in meine Küche und verneige mich mit einem verschmitzten Lächeln vor unserem Oberkellner, der eben an Tisch 30 auf die Frage, woher die Maracuja ihren Namen habe, spontan antwortete: »Als Kolumbus damals Amerika entdeckte, hatte er einen treuen Weggefährten dabei, dessen Tochter ›Mara‹ hieß, und da das Schiff, auf dem sie sich befanden, die ›Cuja‹ war, hat er zu Ehren seines Freundes die Frucht danach benannt.« Zufrieden? Habedieehre,

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Fotos: Andrea Thode, Hersteller

Mein Fiat 500, weil er problemlos in jede Lücke passt und dabei noch sehr gut aussieht. Auf der Fahrt zum besten Espres­ so Hamburgs im Due Baristi läuft Radio Kiss Kiss Italia über TuneIn (App). Den Samstag starte ich mit Kaffee und der SZ am Wochenende, davon kann mich auch meine kleine Tochter nicht abhalten. Einen Ausflug wert ist das Bootshaus am Lütjensee. Es gibt köstliches hausge­ machtes Eis und andere Leckereien. Eine DVD, die ich mir immer wieder ansehen


Promotion

Das finden wir auch GUT

So hübsche Kekse würden Sie gerne mal im eigenen Ofen backen? Der QR-Code führt zum Rezept

Jetzt wird gebacken! Ein raffiniertes Bio­ gewürz bringt frischen Wind in die süsse küche

lavazza kalender 2015 Was haben der Kaffeeveredler Lavazza und die Organisation Slow Food gemeinsam? Einen beeindruckenden Kalender. Schauplatz dieser Ausgabe ist Afrika. In zwölf Bildern erzählt der Fotograf Steve McCurry die Geschichten der Earth Defenders, das sind mutige Männer und Frauen, die sich besonders für die erhaltenswerten Traditionen ihres Landes einsetzen.

typisch schweiz Frey macht alles selbst und in der Schweiz. Vom ­Rösten der Kakaobohne bis zur fertigen Tafel. In dem Fall ist es ein Block. Mit 72 % Kakao plus Mandel plus Honig plus Nougat ein sehr wohlschmeckender! Ca. 1,60 Euro pro 100 Gramm

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üß muss sein, und das gilt in der kalten Jahreszeit ganz besonders. Damit süß aber auch immer ein wenig raffiniert ist, hat Herbaria ein neues Streuselgewürz entwickelt. Mit Naschkatzl aus der BioFeinschmecker-Serie Deutschland gelingen nicht nur die Klassiker wie Streuselkuchen und Plätzchen, auch Rührteigen und süßen Aufläufen ­verleiht es das besondere Etwas. ­Kreative Naschkatzen ersetzen einfach einen Teil des herkömmlichen Zuckers im Teig durch Naschkatzl. Auch ein Obstsalat lässt sich mit der neuen Gewürzspezialität prima verfeinern. Mehr Infos und leckere ­Rezepte unter www.herbaria.de

Le creuset 3-ply plus

Fotos: Hersteller

Die gusseisernen Bräter des französischen Topfmachers kennt jeder. Der Fleischtopf ist mal was Neues. Ply heißt Schicht und davon hat er gleich drei: innen Edelstahl, außen Chromstahl und mittendrin einen Aluminiumkern. Der 3,8-Liter-Topf steht für ca. 159 Euro im guten Fachhandel

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Edle Zutaten für die süße Küche. Alles in Bio-Qualität

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Oberkellner Robert Rant: Der Digestif Im richtigen Leben arbeitet Robert Rant im Service eines sehr guten Restaurants. Höflich und formvollendet kümmert er sich um seine Gäste. Was er sich dabei denkt, steht hier

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Illustration: lechef

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arf es noch ein Digestif sein«, fragt der Service am Tisch neben uns, als die beiden Damen leicht genervt abwinken. »Immer dieses Upselling, schrecklich«, tuschelt die eine empört. Sie hatte übrigens nur eine Vorspeise, weil sie nicht sooo hungrig sei. »Siehste«, sag ich, »das sind se, solche Gäste. Kommen, wollen aber nur ’ne Kleinigkeit. Was soll denn das? Als ob ich ins Kino gehe und sage, ›Ach, ich mach mir eigentlich nix aus Filmen‹, und dann nach der Werbung wieder geh. Vollen Service verlangen, aber nix dalassen und sich dann aufregen, wenn man noch etwas angeboten bekommt. Das ist doch irre!« »Es muss ja nicht jeder Schnaps nach dem Essen in sich gießen«, lenkt meine Begleitung ein. »Schnaps, Kaffee, egal. Upselling? Das ist doch hirntot. Hätte er nicht gefragt, wäre es wahrscheinlich auch falsch ­gewesen. Upselling ist, wenn ich nach dem Tanken nicht bezahlen darf, sondern ’ne Viertelstunde warten muss, weil die Kassiererin ADAC-Mitgliedschaften verkauft und wirklich jeden nach Payback oder sonstigen Kundenkarten fragt. Kein Mitglied, nein. Auch keinen Kaffee, danke. Wirklich kein Snack, danke. Nein, keine Testmitgliedschaft. DAS ist Upselling, nein, das ist die Hölle! Ich frage mich, warum das keinen stört«, ich höre mich schwer atmen und winke den Service ran, um den am Nebentisch angebotenen Schnaps für mich einzufordern. »Geil, die Frau am Nebentisch bestellt nichts und du gehst ab wie Kinski«, freut sich meine Begleitung, als ich sie an ihren Postboten erinnern muss. »Genau das Gleiche. Klingelt bei dir, ruft noch das Treppenhaus hoch, dass ein Paket kommt, bringt es dir aber nicht. Stattdessen wirft er einen Zettel in deinen Briefkasten, auf dem steht, dass du nicht zu Hause warst. Dann darfst du dein Paket selbst abholen.« »Das hat aber jetzt wirklich nichts mehr mit dem Schnaps zu tun.« Die beiden Damen vom Nebentisch zählen etwas Kupfer zu Trinkgeld ab und verlassen den Tisch. »Doch! Man muss das holistisch betrachten. Die Leute machen sonst alles mit: Holen sich ihr Essen bei Vapiano selber, ohne Murren. Die kassieren sich bei Ikea sogar selbst ab, unter Beaufsichtigung eines Knastwärters natürlich, damit niemand die ollen Haferkekse klaut. Aber wenn dann mal echter Service dort kommt, wo er kommen muss, fühlen sie sich übers Ohr gehauen oder genötigt. Das ist doch verkehrte Welt …« Meine Begleitung winkt den Service heran und zahlt. Bar, ohne Karte. Keine Namen, keine Spuren, keine Beweise. Kein Payback.


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Pro & Contra: Sandwichmaker

Foto: PR

Noch so ein Gerät, das Strom frisst, in der Ecke steht und Staub anzieht? Oder doch ein Alleskönner für den inspirierten Einzelgänger? Vijay Sapre meint:  Zwei Scheiben Toast, eine Scheibe Schinken, eine Scheibe Käse und zwei Scheiben frische Toma­ te – fertig ist das Dinner for One, qualitativ jeder Tiefkühlpizza meilenweit überlegen und dazu noch schneller gemacht. Und die Variationsmöglichkeiten – mit Nutella und gehackten

Erdnüssen zum Beispiel oder mit einem Ei, das (mit Mut und Entschlossenheit) gleich - zack! – mitgegart ist. Der Nerd backt in dem Teil aus frischem Hefeteig sogar kleine flache dreieckige Brötchen oder Waffeln. Korkenzieher, Gabrielglas und Sandwichtoaster sind quasi schon die Erstaus­ stattung des ambitionierten Jünglings.

Hans Kantereit kontert:  Zu­ gegeben: Das was aus diesen Dingern rauskommt ist lecker. Und duftet so herrlich, dass man grundsätzlich zu früh reinbeisst und sich so derart die Zunge verbrennt, dass man für ein Quartal genug davon hat. Und da liegt das Problem: Der Hersteller fordert einen ausdrücklich

auf, die heissen Pfännchen mit Butter einzufetten, verrät aber nicht, wie man die festmontierten Dinger ohne Spülmaschine wieder sauber bekommt. Wenn man das Problem vertagt, indem man einfach den Deckel runter klappt und ihn drei Monate später wieder aufmacht, wünscht man sich, man wäre tot. Und vertagt das Problem erneut...


Schneller Teller #2 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Schlesisches Himmelreich für 4–6 Personen Die Liebe meiner Großeltern, 1936, ein Skandal: Konzerndirektor heiratet Varietétänzerin! Omas neue Kunst, nach Hochzeit und Flucht von Breslau nach Berlin: die perfekte Köchin und Gast­ geberin zu sein. Unvergessen für mich sind ihre wunderschönen, herzlichen Familientafeln, an denen sie uns »ihr« Schlesisches Himmelreich servierte – immer mit frischen Knödeln! 40 g Butter 500 g Kasseler Nacken

300 g durchwachsener Speck in ca. 2 cm dicken Scheiben 2 Zwiebeln 500 ml Schwarzbier 2 Lorbeerblätter 1 Pimentkorn 2 Nelken 1 Stange Zimt 4 cm Schale einer unbehandelten Zitrone 250 g gemischtes Backobst 40 g Kemm’sche Kuchen (wahlweise Lebkuchen oder Honigkuchen)

Seiten anbraten. Zwiebeln fein würfeln und unterrühren. Mit Bier auffüllen, die Gewürze zugeben und aufkochen. Zugedeckt 15 Minuten schmoren, dabei das Kasseler mehrfach wenden. 2. Das Backobst und 100 ml Wasser zugeben und nochmals 10 Minuten schmoren. 2 Minuten vor Ende der Garzeit die gebröselten Kekse zugeben – sie binden und süßen die Biersauce.

1. Butter in einem kleinen Bräter schmelzen, Kasseler Nacken und den gedrittelten Speck darin von allen

Alle Rezepte des Heftes sowie Wissens­ wertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

Dazu passen Kartoffeln oder Knödel halb und halb.

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P romotion

Durch exklusive Kooperationen mit namhaften Weingütern aus aller Welt kann EDEKA seinen Kunden regelmäßig edle Tropfen zu moderaten Preisen anbieten

75 Jahre Liebe zum Wein Die Rheinberg Kellerei in Bingen ist die zweitgröSSte Kellerei deutschlands. Seit einem dreiviertelJahrhundert gehört sie zum Lebensmittelhändler EDEKA

Fotos: EDEKA und Fotolia

W

er seinen Wein bei EDEKA kauft, ist immer hervorragend beraten, denn er profitiert von einer ganz besonderen Institution: Als einziger deutscher Lebensmittelhändler betreibt ­EDEKA eine eigene Kellerei. Allein 2013 wurden dort 54 Millionen Flaschen Eigenproduktion abgefüllt. Seit 1939 gehört sie zum ­EDEKA-Verbund – damit blickt der Lebensmittelhändler auf 75 Jahre Weinkompetenz aus eigener Hand zurück. Die Rheinberg Kellerei hat ihren Sitz in Bingen am Rhein,

dichter dran kann man nicht sein, wenn es um Most- und Weinausbau oder die Abfüllung geht. Von diesem Traditions­standort profitieren EDEKA-Kunden gleich doppelt: Zum einen kommen sie in den ­G enuss der hervorragenden Eigenproduktionen, welche die sorgfältig ausgebildeten Weinfachleute regelmäßig komponieren, zum anderen stellen Exklusivkooperationen mit namhaften Weingrößen sicher, dass immer wieder Spitzenweine aus aller Welt zu erfreulichen Preisen in den Regalen der EDEKA-Märkte stehen. Im italienischen Ve-

rona, zum Beispiel, pflegt EDEKA mit dem Traditionshaus Andrea Sartori eine Exklusivkooperation, deren Ergebnisse auch in der Fachwelt großen Anklang finden. Und in Frankreich arbeiten die EDEKA-Weinexperten eng mit dem Star-Önologen Michel Rolland zusammen. 2013 hat er speziell für EDEKA eine Premium-Cuvée aus dem Bordeaux vinifiziert. Rolland gelang dabei ein Top-Wein, der bei der Berliner Wein Trophy prompt mit Gold ausgezeichnet und von einem namhaften Fachmagazin als „Innovation des Jahres” gefeiert wurde. Apropos feiern: In diesem Jahr wird die Rheinberg Kellerei 75. Ein guter Grund, mal wieder mit einem feinen Tropfen anzustoßen. Auf ein Dreivierteljahrhundert gelebte Liebe zum guten Wein.


Leute

Micha Schäfer vom Nobelhart und Schmutzig kocht einen Gang bei der Food Clash Canteen

Mastermind Billy Wagner hat wie immer den Überblick

Vom 7. bis 12. Oktober fand in Berlin die ers­ te Berlin Food Week statt (nach dem Food Weekend im Vorjahr). Das Herzstück war die Food Clash Canteen im Kaufhaus Jandorf, wo die verschiedenen Stile und Küchenrichtungen Berlins aufeinandertrafen. An drei Abenden präsentierten hier internationale und regio­ nale Stars der Gastroszene einmalige Menüs – und zwar jeder einen Gang. Marco Müller vom Rutz bei der Annonce

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Bundesministerin a. D. Renate Künast (o.) und Wurstsack Hendrik Haase

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fotos: Effilee (5), Berlin Food Week

food Clash Canteen


Welches ­Wasser zu welchem Wein? Wenn Kohnen mit der Dame fertig ist, weiß sie es bestimmt

Ailine Liefeld und Steffen Sinzinger gemeinsam am Herd

wasser und wein tasting

Louisa Kocht heute nicht, sondern lässt sich von Ailine und Steffen Schweine­bauch servieren

hieß die Veranstaltung von Gerolsteiner, bei der Somme­ lierausbilder Alexander Kohnen es voll auf die Geschmacksner­ ven der Besucher abgesehen hatte. Sensibilisierung war das Stichwort, die schwarzen Gläser im unteren Bild lassen erahnen, wie er es anstellte. Eine echte Neuigkeit nahmen wir mit: Der Boden der Champagne und der rund um Gerolstein haben die gleiche Zusammensetzung.

Ailine und Steffen in der Miele Gallery Ailine Liefeld ist Bloggerin und kocht, wie ihre Oma es ihr beigebracht hat, Steffen Sinzinger ist Koch, bloggt ebenfalls und kocht so, wie jun­ ge ambitionierte Köche heutzutage kochen. Beim Dinner in der Miele ­Gallery taten sie sich zusammen, um gemeinsam mit ihren Gästen raus­ zufinden, was dabei rauskommt, wenn man diese beiden Stile aufeinan­ dertreffen lässt. Das Ergebnis ließ sich sehen und schmecken!

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Welche natürlichen Aromen sind unter den Deckeln? Viele Nasen taten sich schwer

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Eberts Enzyklopædie

VILLEROY & BOCH (fɪləʀoːyː ʔʊnt boːx) Das ist eine der Geschichten, die mit dem Satz anfangen: »Schon die alten Chinesen …« Ja, auch die hatten schon Porzellan oder doch Keramik, und auch bei den Römern aß man in besseren Häusern von Tellern, freilich wohl nur in denen, das Material war teuer. Nicht ganz zufällig waren die ersten Produzenten von Porzellan königliche Häupter oder mit denen engstens verbandelt: August der Starke startete 1710 mit der Meissner Porzellan-Manufaktur, Friedrich II. 1763 mit KPM, der Königlichen Porzellan- Manufaktur. Dazwischen liegt das Entstehungsdatum des Unternehmens mit dem französisch-deutschen Namen: Villeroy & Boch, gegründet 1748 von dem ehemaligen Eisengießer und Bombenbauer JeanFrançois Boch im Fürstentum Lothringen. Er hatte von vielen Probeschüssen

ein schwer geschädigtes Gehör, seine drei Söhne sollten es mal besser haben. Das Unternehmen des Jean-François Boch zog nach der Französischen Revolution von Lothringen nach Frank­ reich, dann nach Luxemburg, seit Anfang des 19. Jahrhunderts (bis heute) residiert es in der Abtei von Mettlach/ Saar und an etlichen anderen Orten: Es wird eines der ersten wahrhaft europäischen Unter­nehmen, mit viel Ehrgeiz für industrielle Fabrikation, ab 1836 im

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Zusammenschluss mit dem ehemaligen Konkurrenten Villeroy unter dem Doppelnamen. V & B ist heute der größte Hersteller von dem, was sie im Haus 1971 erstmals »Tischkultur« tauften: Porzellane mit annähernd fünfzig Dekors, Gläser, Bestecke, Schmuckartikel. Über achtzig Prozent der Deutschen kennen den Namen der Marke. (Dass daneben noch eine hochberühmte Bad- und SanitärProduktion erfolgreich ist, trägt sicher dazu bei, ist in diesem Zusammenhang freilich nur eine Fußnote). Es gibt wertvollere Porzellane, zum Beispiel aus der Manufaktur von KPM, und noch viel teurere, etwa von Hermès, doch keine Marke bietet eine solche Vielfalt an Formen und Farben wie Villeroy & Boch, eine solche Multifunktionalität. »Und doch existiert zwischen allen Designs ein stilistischer Zusammenhang«, sagt Kay Steffan, seines Zeichens seit fünf Jahren der Kreativdirektor des Hauses. Steffan sieht in der DNA der Marke viel Emotionalität: »Es ist die Familie (noch immer leiten ein Boch und ein Villeroy das Unternehmen), die Lebenslust, aber auch das Barocke hier in der alten Abtei, die Schwere der Marke, andererseits ihre Leichtigkeit …« So kann der Künstler überzeugend immer weiterreden: »Und hier kann man auch mal richtig Alarm auf dem Teller machen!« Da denkt er an das Dekor Mariefleur, bei dem sehr bunte, sehr asymmetrische Blumen über die Tellerränder wuchern. Als Bestseller beim Unternehmen gilt indes das Dekor New Wave, wo sich selbst ein Antipastiteller noch brandungsmäßig wellt und sich der Henkel der Kaffeetasse dem Benutzer wellenförmig um den Finger schlängelt. Tatsächlich hat Villeroy & Boch seit Bauhaus und Jugendstil immer mal wieder mit bekannten Designern wie Paloma Picasso oder Matteo Thun zusammengearbeitet. Ihr ältestes Design stammt

von 1770, zeigt kleine blaue Zweiglein (Brindille) und ist unter dem Namen AltLuxemburg auch heute noch lieferbar. So wird es auch bei Lenffer, Hamburgs führendem Aus­stat­ter für den kultivierten Tisch, ausgestellt. Doch stehen dort die eher zurückhaltenden Dekors wie Anmut oder Royal in neutralem Weiß ganz oben auf der Beliebtheitsliste. Oma, so heißt es, zog ja noch die floralen Muster vor, großgeblümte Dekors wie Wildrose oder auch kleinblütige wie Petite Fleur waren besondere Lieblinge. Die neue weiße beziehungsweise cremefarbene Welle im Porzellangeschäft hängt mit einer in der Mode ja längst eingebürgerten Crossover-Lust zusammen. Da wird ja das Dinner­jackett längst zu den Jeans getragen. Und auf dem Tisch werden inzwischen unterschiedliche Dessins kombiniert, das weiße spielt dabei die allgegenwärtige Rolle der Jeans. Das Service für vierundzwanzig Personen, wie es in früheren Generationen zum guten Ton gehörte, hat heute Seltenheitswert. Und auch die Hochzeitslisten, die früher in den Porzellanläden auslagen, sodass jeder Gast wusste, ob es in dem Service für das Paar noch an Tellern oder Tassen mangelte, sind noch in den USA höchst beliebt, bei uns schwinden sie dahin. Einmal im Jahr wird diese erzeuropäische Marke, inzwischen weltweit (in hundertfünfundzwanzig Ländern und fünftausendachthundert Verkaufsstellen) verbreitet, ganz deutsch: Zu Weihnachten kommen die kleinen bunten Porzellanfi­g ürchen auf den Markt, mit Märchenmotiven (Aschenputtel in diesem Jahr), aber auch immer mit dem Weihnachtsmann, den Pferdeschlit­ten chauffierend oder den Pick-up mit dem geschmückten Tannenbaum. Ohne den Namen ­V illeroy & Boch würde mancher vielleicht von Kitsch sprechen, unter dem Dach ihrer Marke sind sie als witzige Geschenkideen erfolgreich.

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Text: Horst-Dieter Ebert  Foto: VILLEROY & BOCH

der Marken



Schneller Teller #3 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Bulgur Pilav für 4–6 Personen Bulgur Pilav ist ein typisches, ein­ faches Bauerngericht aus der Türkei, das aus Wintervorräten zubereitet wird. Ein Nationalgericht. Ich koche es noch heute regelmäßig für meine drei Söhne (27, 17, 13) und mein Herzblatt. Afiyet olsun! (Cem Başsman, sprechblase. wordpress.com) 2 Zwiebeln 1–2 Knoblauchzehen 5 EL Olivenöl 400 g Rinderhack 4 getrocknete Tomaten

200 g grob geschroteter Bulgur 2 EL Tomatenmark Salz Pul biber (Chiliflocken) 450 ml Rinderbrühe 2 Zweige Minze 250 g bulgarischer Joghurt (wahlweise Sahnejoghurt) 1. Die Zwiebeln fein würfeln, den Knoblauch würfeln. Öl in einem großen Bräter erhitzen, die Zwiebeln mit dem Hackfleisch und dem Knoblauch darin krümelig braten. 2. Getrocknete Tomaten fein würfeln und mit Bulgur und Tomatenmark unter das Hack rühren. Mit Salz und Pul biber

würzen und mit Rinderbrühe auffüllen. Aufkochen, den Deckel aufsetzen und mindestens 10 Minuten, am besten bis zum Servieren quellen und durchziehen lassen. 3. Minzeblättchen abzupfen, den Joghurt leicht salzen. Den Pilav zum Schluss mit Salz und Pul biber ab­ schmecken und mit dem Joghurt ser­ vieren. Mit Minze bestreut genießen. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissens­ wertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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P romotion

tradition, die man schmeckt Schweizer Fleischspezialitäten sind etwas ganz Besonderes: Sie werden nur aus den besten rohstoffen und nach uralten rezepten hergestellt. Dank der ApÉro-Tradition kommen eidgenossen fast täglich in den genuss dieser spitzenprodukte.

2 1. Von deftig-kräftig bis ganz leicht - Schweizer Fleischspezialitäten sind wunderbar vielfältig. 2. Darauf freuen sich die Schweizer jeden Tag aufs Neue: Apéro zum Tagesausklang. 3. Klare, würzige Bergluft und sattes Grün garantieren Lebensqualität und allerbestes Fleisch

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Fotos: PR

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n der Schweiz versteht man zu leben, und ein echter Schweizer gibt gerne zu, dass die Liebe zum guten Essen und die Vorfreude auf ein köstliches Mahl eine wichtige Rolle im alpenländischen Tagesablauf spielen. Auf eine "Mahlzeit" freut man sich übrigens in der ganzen Schweiz den ganzen Tag, und das ist der kleine Apéro, der am späten Nachmittag auf den entspannten Feierabend und das Abendessen einstimmen soll. Denn beim Apéro kann man absolut sicher sein, dass es immer was richtig Gutes gibt, dann kommen stets traditionelle Schweizer Fleischspezialitäten auf den Tisch. Das weltberühmte Bündnerfleisch, zum Beispiel, für das die

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erlesensten Teile vom Rind an der reinen und würzigen Graubündner Bergluft getrocknet, und somit auf die natürlichste Art der Welt haltbar und lecker gemacht werden. Ganz unverwechselbar im Geschmack ist auch der Schweizer Rohschinken. Dafür Bei Zimmertemperatur entfaltet der Schweizer Rohschinken ein geradezu spektakuläres Aroma wird der Hinterschinken von Edelschweinen mehrere Wochen in einer traditionellen Gewürzmischung eingelegt, um danach fünf Monate in der klaren, würzigen Bergluft zu reifen. Lässt man ihn vor dem Essen in dünne Scheiben aufgeschnitten

Zimmertemperatur annehmen, darf man sich auf ein geradezu spektakuläres Aroma freuen. Auch eine Scheibe Walliser Trockenfleisch darf auf keiner Apéro-Platte fehlen. Dafür wird bestes Rindfleisch mit einer über Jahrhunderte von Hirten und Bauern immer weiter verfeinerten Trocknungstechnik veredelt. Kenner sind sich einig: Eine dünne Scheibe von dieser urtypischen, purpurroten Schweizer Spezialität mit einem Stück Käse und einer eingelegten Gurke zu einem guten Glas Wein geniessen zu dürfen, ist das Schönste, was einem Feinschmecker zum Tagesausklang wiederfahren kann. Dem Apéro sei Dank!


Erzähltes Leben

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Meine Familie und ich (I)

Das Frühstück von Stevan Paul Illustrationen: Roger Pich Parcé

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ines der denkwürdigsten Familienessen in meinem Leben betrifft eine Mahlzeit, der ich sonst im Leben keine größere Beachtung schenke: dem Frühstück. An dieses eine Frühstück aber erinnere ich mich nun schon ein Leben lang. Ich war ungefähr fünf oder sechs Jahre alt, es muss 1974 gewesen sein als ich am Ende des Frühstücks einen Entschluss fasste, der sich Jahrzehnte später tatsächlich erfüllen sollte. Mit den Eltern ging es per Nachtzug aus der Heimatstadt Ravensburg in der Nähe des Bodensees hinauf nach Hamburg, wir wollten die Großeltern in Flensburg besuchen. Der Großvater hatte angeboten, uns in Hamburg abzuholen. Dort sollte es dann erstmal Frühstück geben, bevor wir mit dem Auto nach Flensburg weiterfuhren. Die Fahrt mit dem Nachtzug, die wohl jeden kleinen Knirps hätte beindrucken müssen, ist wie verschluckt und liegt im Dunkel. Meine Erinnerung setzt in dem Moment ein, da der Vater den roten Öffnungshebel der Zugtür nach unter drückte und wir kurze Zeit später im gigantischen Stahlbauch des Hamburger Hauptbahnhofs standen: So viele Menschen, was für ein Lärm! In der Menge der Großvater winkend, sein weißes Haar, Vertrautheit, Erleichterung. Die Eltern nickten begeistert, als Großvater seine Frühstückspläne verriet, also machten wir uns zu Fuß auf ins Hotel Atlantic. Es ist mir, als verwende meine Erinnerung in Folge farbenfrohe Instagram-Filter, die Bilder von damals sind klar und gestochen scharf und gleißend bunt koloriert. Ein knackblauer Herbstmorgenhimmel über dunkelblauer Alster, eine blendende Sonne, die das Laub der

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Bäume zum Leuchten brachte, das Hotel Atlantic eine schneeweiße Pracht. Dicke Teppiche schluckten das Geräusch unserer Schritte, überall Gold und alte Gemälde und Diener in schwarzen Anzügen, so dachte ich. Die Frauen trugen hellblaue Kleider mit scharf gebügelten, steifen Schürzen in Weiß und der Holzfußboden im Frühstückssaal verriet knarzend jeden Gang zum Büffet. Es roch nach frisch gemahlenem Kaffee, und so etwas hatte ich noch nie gesehen: Neben Tellerstapeln standen üppig belegte Wurst- und Schinkenplatten, unter einer Glashaube waren alle Käsesorten der Welt versammelt. Es gab Brötchen und Brote, die auf Wunsch von den Bediensteten geröstet wurden und

Vater aß ein glänzendes Rühr­ ei mit einem Haufen rosafar­ bener Krabben. Sehr exotisch Säfte in rot, orange und grün mit schwarzen Punkten drin. Räucherlachsscheiben wurden auf duftendem Brioche-Toast serviert, scharf roch der Sahnemeerrettich. Vater aß ein saftig glänzendes Rührei mit einem Haufen rosafarbener Krabben (sehr exotisch) auf herb-süßem Pumpernickelbrot. Von den Krabben holte ich mir auch ein Löffelchen. Sogar eine goldfunkelnde Sprotte versuchte ich beherzt. Der Großvater strich mir übers Haar, während er ernst mit den Eltern diskutierte, die politischen Meinungen waren äußerst konträr. Mit war’s egal, bei Bratwürstchen und Pfannkuchen mit Sahne und Grafschafter Goldsaft. Als wir wieder vor das Hotel traten, war da wieder diese blendende Welt, die bunten Bäume, die Sonne, das Wasser,

der Wind. Und Mutter sagte: »Was für eine tolle Luft, atmet mal tief ein!« Und obwohl ich ein kleiner Junge war, verstand ich genau, was sie meinte. Ja, auch die Luft war hier irgendwie ganz besonders. Das war der Moment, in dem ich beschloss, in Hamburg zu leben, wenn ich groß wäre. Tatsächlich habe ich später erstmal noch ein paar Jahre im Nachwende-Berlin verbracht, weil man das eben damals so machte, als junger Mann aus dem Schwäbischen. Eine dunkle Zeit, feierwütige Provinzflüchtige und schlecht gelaunte Berliner, denen gerade ihr heiß geliebter Inselstatus abhanden gekommen war. Sie machten einander das Leben schwer, dazu spielten Einstürzende Neubauten zum Tanz und die Stadt war eine einzige Baustelle. Außerdem regnete es dauernd, so wie man das dem Hamburger Wetter fälschlicherweise unterstellt. Und wenn es nicht regnete, trieb ein schneidend scharfer Wind aus dem Osten Blitzeis, Schnee und Graupelschauer durch nasse, graue Straßen. Ich war sehr müde. Mitte der Neunziger erinnerte mich dann Hamburg an mein Versprechen von damals und ich tat endlich, was ich mir so früh schon vorgenommen hatte: Ich zog in die Hansestadt – und fand alles wieder, den Wind, das Wasser, die Sprotten auch und dazu eine gute Arbeit und nicht zuletzt: die Liebe. Im Januar werde ich zwanzig Jahre in Hamburg gelebt haben, länger als an jedem anderen Ort. Die Hamburger sind streng mit Zugereisten, erst die Kinder meiner Kinder dürften sich „Hamburger“ nennen. Das ficht mich nicht an, denn ich weiß ja: Ich bin Hamburger, seit 1974.

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kochkunst

Familientreffen Es ist eines der ältesten Rituale der Menschheit und eines der unverzichtbarsten: ­Menschen, die sich nahe sind, essen gerne zusammen an einem Tisch. Und je größer die Tafelrunde, desto festlicher das Gefühl. Da muss die Küche natürlich mithalten können. Wir haben uns eine Familie zusammengetrommelt und der Koch Ingolf Klinder (Haupt­ 24

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gerichte) und der Patissier Mario Michaelis (Süßspeisen) vom Hamburger Restaurant Mercier & Camier haben ein opulentes Mittagessen für sie zubereitet. Die Rezepte sind jeweils für sechzehn Personen berechnet fotos: andrea thode

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kochkunst

Oben: Prost - wie schön, dass Ihr da seid!  Unten: Die Flusskrebse hatten alle Scheren voll zu tun. Sie krönten die Schweinskopfsülze und waren geschmacks- und namensgebend an der Hollandaise beteiligt, welche die gebratene Seezunge begleitete

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Unten: Glänzende Kinderaugen beim Nachtisch sind die Regel. Diese vier glänzen beim Anblick des Fotografen schon mal ein bisschen vor

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kochkunst

Recht so: Erstmal ein beherzter Schluck auf die fleißigen Männer, die dieses Menü auf den Tisch gebracht haben

Vorspeise

Schweinskopfsülze 1 Schweinskopf (halbiert) 100 g Pökelsalz 1 EL schwarze Pfefferkörner 1 EL Senfsaat 1 TL Piment 3 Lorbeerblätter 1 Karotte ¼ Sellerieknolle Majoran 1 Zwiebel Salz Pfeffer aus der Mühle Weißweinessig 5 Blatt Gelatine 1. 15 l Wasser mit dem Pökelsalz mi­ schen und den geputzten und hal­bierten Schweins­kopf darin 5 Tage einlegen und kalt stellen. 2. Danach den Kopf aus der Pökellake nehmen, abspülen und in einem Topf mit leicht gesalzenem Wasser ca 1 Stunde kochen. Die Gewürze ca. 1 Stunde vor Ende der Garzeit hinein geben. Karotte, Sellerie und Zwiebel schälen. Die Karotte, den Sellerie und etwas Majoran ca. 15 Minuten vor Ende der Garzeit dazugeben und ziehen lassen. 3. Den Kopf und das Gemüse entnehmen und abgedeckt auskühlen lassen. Den Fond passieren und die in feine Würfel geschnittene Zwiebel darin blanchieren. Das Fleisch vom Scheinskopf pressen und kalt stellen. Anschließend das Fleisch, die Karotte und den Sellerie würfeln.

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4. 1 l Fond gut mit Salz, Pfeffer und Weiß­ weinessig abschmecken und die zuvor eingeweichte Gelatine darin auflösen. Das Fleisch, die Karotte, den Sellerie und die Zwiebelbrunoise dazugeben und das Ganze in geeignete Behälter abfüllen. Kalt stellen.

kräutersalat

fluSSkrebse

Kräuter zupfen, Salatblätter auslösen und in einer Schüssel vorsichtig in kaltem Wasser waschen. In ein Geschirrtuch ge­ ben und trocken schleudern. Mit Dressing nach Wahl marinieren.

32 Flusskrebse à mind. 90 g Salz Estragonessig Kümmel 1 Karotte ¼ Sellerieknolle 1 Zwiebel 1. In einen großen Topf 6 l Wasser füllen und mit Salz, Estragonessig und Kümmel abschmecken. 2. Das Wasser zum Kochen bringen und das Gemüse hinzugeben. Anschließend die Flusskrebse dazugeben und 2 Minuten ziehen lassen. Die Flusskrebse herausneh­ men und in Eiswasser abschrecken. 3. 2 l Fond abnehmen und kalt stellen. Das Fleisch aus den Scheren und dem Schwanz auslösen und die Karkassen aufbewahren. Wichtig: Die Därme mit einer kleinen Pinzette aus den Schwänzen ziehen und die Schwerter aus den Sche­ ren entfernen. 4. Das Flusskrebsfleisch anschließend in den kalten Fond geben und später in diesem wieder erwärmen. Das Fleisch sollte dabei nicht zu heiß werden, da es sonst zäh wird.

1 Bund Kerbel 1 Bund Estragon ½ Bund Blattpetersilie ½ Bund Dill 1 Kopf Friséesalat, nur die gelben Blätter

senfcreme 3 Eigelb 1 EL Dijonsenf Weißweinessig 300 ml Fond vom Schweinskopf Salz Pfeffer 4 g Xanthan 1. Eigelbe mit Senf und Essig nach Ge­ schmack mischen. 2. Den Fond langsam hineingeben und mit einem Stabmixer hochziehen. Mit Salz, Pfeffer und Weißweinessig abschme­ cken. Xanthan dazu­geben und erneut 2 Minuten mixen.

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Oben: Eleganter als in dieser Sülze kann ein ganzer Schweinskopf nicht enden Unten: Für einen Chemiker schlicht das Ergebnis der Maillard-Reaktion. Für alle anderen einer der appetitlichsten Anblicke überhaupt – die im Ganzen braun gebratene Seezunge

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kochkunst

Oben: Es sieht so hübsch aus, wie es klingt, wenn man es liest: Dieser junge Mann lacht in die Buchteln. Und die Lammschulter glänzt verboten schön Unten: Dieser Teil des Restaurants nennt sich Festsaal. Wen wundert‘s?

Misslungen: Der Gurkenschaum für den Gin Tonic war total vermurkst

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Erster Gang

seezunge 4 Seezungen à ca. 800–1000 g, ­küchenfertig Salz Mehl Seezunge salzen, mehlieren und von jeder Seite 8–9 Minuten in heißem Fett braten.

krebsbutterhollandaise 1 kg Krebskarkassen 1 kg Butter 6 Eigelb Salz Zitrone 1. Die Krebskarkassen mörsern und mit der Butter in einem Topf erhitzen, bis sie aufschäumt. 2. Durch ein Passiertuch oder ein feines Sieb geben und die Butter kalt stellen. Eigelbe im Verhältniss 1 : 1 mit Wasser mi­ schen und auf einem Wasserbad cremig aufschlagen. 3. Nach und nach die kalte Krebsbutter dazugeben und zum Schluss mit Salz und Zitrone abschmecken. Zweiter Gang

Lammschulter 4 Lammschultern mit Knochen à ca. 1,7 kg 20 Tomaten 20 Zwiebeln 2 Knoblauchknollen, frisch ½ Sellerieknolle Salz Pfeffer 1. Die Lammschultern salzen, pfeffern und im vorgeheiztem Backofen bei 100 Grad abgedeckt von jeder Seite 1 Stunde garen. 2. Die geschnittenen Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und den Sellerie hinzugeben

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und ca. 2 Stunden bei 160 Grad abge­ deckt schmoren. Anschließend das Schul­ terblatt auslösen und den entstandenen Fond in den Lammjus passieren.

Lammjus 10 kg Lammknochen und Abschnitte 10 Zwiebeln 2 Karotten 2 Fenchelknollen 1 Sellerieknolle 1 Staudensellerie 2 Knoblauchknollen Pflanzenöl 250 g Butter Tomatenmark 10 Strauchtomaten 1 TL Fenchelsamen 3 EL Pfefferkörner 2 EL Wacholderbeeren 4 Lorbeerblätter ½ Bund Rosmarin ½ Bund Thymian Xanthan Salz Pfeffer Zucker 1 Bund Basilikum 1. Die Lammknochen vom Schlachter in walnussgroße Stücke hacken lassen. Das Gemüse waschen, schälen und in wal­ nussgroße Stücke schneiden. Öl in einer großen Pfanne erhitzen und die Lamm­ knochen goldbraun anbraten. In ein Sieb geben und abtropfen lassen. 2. Das Bratfett entfernen, die Butter in der Pfanne aufschäumen lassen und den Bratensatz mit einem Spachtel lösen. Das Gemüse dazugeben und leicht anrösten. Die Lammknochen wieder dazugeben und mitrösten. Wenig Tomatenmark dazuge­ ben, mitrösten und den Ansatz drei Mal ablöschen und bis zur Glace einkochen lassen. So viel Wasser angießen, bis die Knochen bedeckt sind und aufkochen.. Dabei ständig abschäumen und entfetten. 3. Die Tomaten waschen, vierteln und da­ zugeben. Den Jus 3 Stunden bei kleiner Hitze gerade eben köcheln lassen. Dabei immer wieder abschäumen und entfetten. 4. Am Ende der Kochzeit die Gewürze

dazugeben und 30 Minuten ziehen lassen. Danach die Kräuter dazugeben und erneut 30 ­Minuten ziehen lassen. 5. Den Jus durch ein Passiertuch passie­ ren und 24 Stunden auskühlen lassen. 6. Den Jus langsam aufkochen, abschäu­ men, entfetten und bis zur gewünsch­ ten Konsistenz einkochen. 1 l Jus mit 1,7 g Xanthan binden, mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken, das Basilikum dazugeben und 5 Minuten ziehen lassen. Erneut passieren.

Artischocken 8 große Artischocken Saft von 2 Zitronen 4 Schalotten Olivenöl Geflügelfond Salz Butter Kalbsjus 1. 1,5 l Wasser mit Zitronensaft ­mischen. Von den Artischocken die Stiele am Ansatz abbrechen und die harten Blätter rundum abschneiden. Mit einem Parisienne-Ausstecher das Heu gründ­ lich entfernen und die Artischocke bis zur Weiterverarbeitung in das Zitronen­ wasser legen. 2. Die Schalotten in Streifen und die Ar­ tischocken in Ecken schneiden. In einem Topf Olivenöl erhitzen und die Artischo­ cken salzen und darin anbraten. Die Scha­ lotten dazugeben und kurz anschwitzen. Mit so viel Geflügelfond auffüllen, dass alles gerade bedeckt ist, und mit kalter Butter montieren. 3. Mit Kalbsjus abschmecken und ab­ gedeckt bei 180 Grad ca. 10 Minuten im Ofen garen.

Schneidebohnen 1 kg Schneidebohnen 1 Bund Bohnenkraut Salz 4 Schalotten 100 g Speck

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kochkunst

Der Zwetschgenröster, den es zur Grießflammerie gibt, ist mit Pflaumenschnaps abgelöscht

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Freude am Essen macht schön – diese junge Dame ist der Beweis

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kochkunst

Aufessen ist Pflicht – die Kontrollen sind streng

100 g Butter ½ l Geflügelfond 1. Die Bohnen in Streifen schneiden. In einem Topf Wasser mit Salz und Bohnenkraut zum Kochen bringen. Das Bohnenkraut entnehmen und die Bohnen blanchieren. 2. In Eiswasser abschrecken und abgie­ ßen. Schalotten und Speck würfeln. In einem Topf 40 g Butter aufschäumen und den Speck etwas auslassen. Die Schalotten dazugeben und anschwit­ zen. Die Bohnen dazugeben und leicht salzen. Mit Geflügelfond auffüllen und mit 60 g kalter Butter montieren.

Tomaten-SpeckBuchteln 200 g getrocknete Tomaten 200 g Speck 250 g Mehl 6 g Salz 36 g Zucker 10 g Hefe 3 Eier 125 g Butter 1. Für die Füllung den Speck und die Tomaten würfeln. Den Speck kurz anbraten und die Tomaten dazugeben. Kalt stellen. 2. Für den Teig die restlichen Zutaten bis auf die Butter mischen. Die Eier direkt aus dem Kühlschrank benutzen. 5 ­Minuten auf Stufe 2 des Knetgeräts

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kneten. Die Butter nach und nach hinzufügen. 3. Kneten bis sich der Teig löst. Teig bei 24 Grad ca. 30 Minuten ruhen lassen. Umschlagen und auf eine Platte verteilen, mit Folie abdecken und bis zum nächsten Tag im Kühlschrank aufbewahren. 4. Teig ausrollen und portionsweise ausstechen. Mit der Speck-TomatenMischung füllen und zu kleinen Kugeln formen. Mit Butter einstreichen und in eine gebutterte und mehlierte Form einsetzen. 5. 2 Stunden bei 25 Grad abgedeckt ruhen lassen. Danach 20–25 Minuten bei 160 Grad backen. Dessert

GrieSSflammerie 500 ml Milch 60 g Butter 60 g Grieß 6 Eiweiß 160 g Zucker 1. Milch mit Butter in einem Topf zum Kochen bringen. Grieß einrühren und einkochen. Eiweiß leicht anschlagen und Zucker hinzufügen. 2. Wenn der Grieß gar ist, das Eiweiß hinzugeben und 30 Sekunden weiter­ kochen. 3. Sofort in Förmchen füllen, die mit Wasser ausgesprüht worden sind. Ab­ kühlen lassen und stürzen.

Zwetschgenröster 800 g Zwetschgen Pflaumenschnaps Zucker, Butter

karamellisieren lassen und mit einer Butterflocke ablöschen. 3. Die Zwetschgen kurz darin schwen­ ken, mit etwas Pflaumenschnaps ablö­ schen und zur Sämigkeit einkochen.

Schokopudding 500 ml Milch ½ Vanilleschote 20 g Kakao 100 g Zucker 20 g Stärke 200 g Guanaja-Schokolade 100 g Schlagsahne 1. 400 ml Milch, Vanilleschote, Kakao und Zucker in einem Topf zum Kochen bringen. Restliche Milch und Stärke verrühren, in die kochende Milch geben und ca. 30 Sekunden köcheln lassen. 2. Wenn die Masse auf 35 Grad abge­ kühlt ist, die Schokolade schmelzen und mit der Milch eine Emulsion herstellen Geschlagene Sahne unterheben an­ schließend in Gläschen abfüllen und mit Vanillesauce servieren.

Vanillesauce 250 ml Milch 250 ml Sahne 1 Vanilleschote 50 g Zucker 5 Eigelb Flüssigkeiten mit der Vanilleschote und dem Zucker aufkochen, das Eigelb unterrühren, alles auf 83 Grad erhitzen und sofort im Eiswasser abkühlen lassen.

1. Zwetschgen entsteinen und vierteln. 2. Etwas Zucker in einer Pfanne

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Erzähltes Leben

Meine Familie und ich (II)

theater von Alexander Kasbohm

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amilienessen bei den Kasbohms sind seit Generationen ein absurdes Theater, eine andauernde Aufführung, die Zeit und Raum überwindet. Solange ich mich erinnern kann, schaute mein Vater jeden Sonntag sein Frühstücksei skeptisch an und murmelte »De Eier sün man wedder bannig lütt.« Er schrieb diesen Ausspruch seinem nörgeligen Großvater zu, der eben jenen Satz auch gesagt hätte, wenn man ihm ein Straußenei auf den Tisch gestellt hätte. Mein Vater beharrt bis heute darauf, dass er diesen Satz nur ironisch zitierte. Aber er zitierte ihn so regelmäßig, dass man die Eieruhr danach hätte stellen können. In den Fünfzigern hatte mein Vater einen Schulfreund, der ihn gerne zum Essen besuchte, weil er fand: »Bei euch am Tisch zu sitzen, ist besser als das Ohnsorg-Theater.« Das kann ich mir gut vorstellen. Ich kenne meine Großeltern. Aber wie die meisten Familiengeschichten verliert sich die Komik in einer Wolke des Nichts, wenn man mit den handelnden Charakteren nicht vertraut ist. Und da bei uns der Wahnsinn zwar keine Methode hatte, aber doch Alltag war, bleiben kaum interessante Anekdoten im Kopf hängen. Alles, was passierte, war irgendwie normal. Man hatte die grobe Ahnung und

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vielleicht auch Hoffnung, dass es anderswo anders ist. Aber bei uns war es eben so. In den Achtzigern kamen meine Freunde auffällig häufig zu Besuch, wenn Tante Helga zum Kaffeetrinken kam. Vermutlich weil sie fanden, dass es besser sei, als das Ohnsorg-Theater. Tante Helga war damals eine recht beleibte Dame, die sich immer in Prozession mit ihrem schmächtigen Mann Erich, den beiden Kindern sowie Hund und Katz bewegte. Die Kinder trugen den Korb mit der Katze, der übergewichtige Dackel Tobi ächzte durchs Treppenhaus. Auch Onkel Erich ächzte durchs Treppenhaus, weil seine Aufgabe darin bestand, Tante Helga die Treppen heraufzuschieben. Tante Helga händig-

Erichs Aufgabe war, die über­ gewichtige Tante Helga die Treppen heraufzuschieben te mir dann meist mit den Worten: »Du interessierst dich doch auch für Philosophie« einen Stapel Bücher über Aurafotografie und Ektoplasma spuckende Menschen aus. Und Schopenhauer. Wenn sie merkte, dass sich der Aufmerksamkeitsfokus von ihr weg verlagerte, nahm sie ihr Sektglas in die Hand und sagte: »So, jetzt trinken wir aber

mal auf mein Wohl!« Tante Helga fütterte Tobi gerne mit Kuchen von ihrem Teller. Dass das in irgendeiner Weise zu seinem Übergewicht und seinem allgemein erbärmlichen Gesundheitszustand beitragen könnte, leuchtete ihr nicht ein. Auch wenn ihre Geschwister sie anherrschten: »Helga, das ist Tier­quälerei, du bringst ihn um!«, ließ sie sich davon nicht beeindrucken. »Wieso? Mir schmeckt das doch auch!« In den frühen Neunzigern brachte mein Bruder von einer Klassenfahrt in die Reste des Ostblocks eine Gummimaske mit Hitler-Antlitz mit. Ein paar Monate später saß die inzwischen deutlich gealterte Familie am Tisch, unterhielt sich bei Kaffee und Kuchen über Sodbrennen, Kreislaufprobleme und sonstige Maladien, trank auf das Wohl von Tante Helga und ignorierte meinen Vater weitgehend. Irgendwann stand dieser kurz unbemerkt auf, kam unbemerkt wieder an den Tisch zurück und setzte sich ebenso unbemerkt die Hitlermaske auf. Und saß da. Mehrere Minuten lang. Ohne dass eine der Damen am Tisch was bemerkte. Die Herren saßen eh auf dem Balkon, und ich beobachtete die Szene aus einiger Entfernung. Die Familie am Kaffeetisch, über Krankheiten sprechend und Hitler ignorierend. So, dachte ich mir, muss es 33 bis 45 auch gewesen sein. Kurz darauf hört man einen spitzen Schrei, dann fünf weitere. Nach und nach sahen die Damen, mit wem sie da Kaffee tranken. Was aber schon gar nicht mehr so wichtig war, denn die schönsten Minuten waren die des absurden Bildes. Manche Geschichten beziehen ihren Reiz aus der Situation vor der Pointe und können danach nur noch schlechter werden. Trotzdem sei der Vollständigkeit halber eine nachgereicht. Als sich die Aufregung legte, sagte mein Vater zu seiner Schwiegermutter: »Komm, Mutti, das war bei dir doch kein Schreckensschrei, das war freudige Erregung! Gib es zu, so gut hast du dich seit 45 nicht mehr gefühlt.« Ach, eigentlich ist die Pointe gar nicht so schlecht.

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Zubereitung 1. Gang: Fleisch mit Salz, Zucker und Pfeffer würzen und 10 Minuten einwirken lassen. Dann das Fleisch für ca. 20 Minuten auf eine kalte Stelle im Smoker legen. Die Pinienkerne im Feuer rösten und warm stellen. Die Fleisch­ abschnitte mit dem Wurzelgemüse anbraten, Gewürze dazugeben, mit Wasser bedeckt 30 Minuten köcheln lassen. Anschließend den Jack Daniel’s Winter Jack dazugeben und alles passieren. Nun die eingeweichte

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Gelatine dazugeben und in den Kühlschrank stellen, bis die Masse fest ist. Dann die Beef-Jelly-Bellys in kleine Würfel schneiden und mit etwas Jack Daniel’s Winter Jack abspritzen. Das Fleisch in dünne Scheiben schneiden und auf einem Holzbrett ausle­ gen. Mit Salz und Pfeffer würzen und etwas Olivenöl und Zitronensaft darüber verteilen. Geriebenen Cheddar Cheese, Rucola, die Pinienkerne und die Beef-Jelly-Bellys auf dem Carpaccio verteilen.

(Winter) Jack is back! Jack Daniel’s Winter Jack schmeckt nicht nur aus dem Glas, sondern auch von einem Teller fantastisch winterlich. Sterne­ koch Stefan Marquard und Jack Daniel’s Urgroßnichte Lynne Tolley, Amerikas bekannteste Whiskeytesterin, haben ein aufregendes neues Grill-Menü entwickelt. Inspiriert durch den einzigartigen Ge­ schmack von Jack Daniel’s Winter Jack, dem würzig-süßen Apfel-Whiskey-Punsch mit original Jack Daniel’s Whiskey aus Lynchburg, Tennessee, sind erlesene Kre­ ationen entstanden. Jack Daniel’s Winter Jack lädt am 23. Januar 2015 zu einem exklusiven Grill-Event in Hamburg ein. In gemütlich lockerer Atmosphäre wird der renommierte Sternekoch Stefan Marquard mit Lynne Tolley das zusammen kreierte Grill-Menü vor aller Augen zubereiten und servieren. Unter winterjack.de kann man sich ab Anfang November für die Teilnah­ me am Grill-Event bewerben und sich über die Zubereitung des gesamten Grill-Menüs informieren. www.massvoll-geniessen.de, Teilnahme ab 18 Jahren

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Gib mir

Keksklassiker

Wenn das Krümelmonster kommt und keine ordentlichen Kekse im Haus sind, kann es zu unschönen Szenen kommen. Das braucht niemand! Also lieber backen …

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1. Croissantkekse ca. 30 Stück 300 g Croissants vom Vortag 150 g Butter 50 g Puderzucker 50 g Muscovadozucker (alternativ brauner Zucker) 1 Ei 1 Eigelb 2 g Salz 1. Croissants im Mixer fein hacken. 2. Alle Zutaten vermengen und zu einer Rolle mit 4 cm Durchmesser formen. In Klarsichtfolie einschlagen und min­ destens 30 Minuten kalt stellen. 3. Die feste Rolle in Scheiben schnei­ den und bei 160 Grad ca. 8 Minuten backen.

2. Himbeerkekse mit Rose und Litschi ca. 40 stück Mürbeteig 150 g Butter 170 g Zucker 90 g Mandelgrieß 480 g Mehl 1 Ei 4 g Salz 20 ml Rosenwasser 1. Alle Zutaten und 150 g vom Mehl kurz vermengen, das restliche Mehl hinzufügen und nur noch unterziehen, nur so kurz wie möglich bearbeiten. 2. Über Nacht in den Kühlschrank stellen. 3. Ca. 2 mm dünn ausrollen und wieder kalt stellen. 4. Kreise ausstechen, bei der Hälfte der Kreise noch ein Loch in die Mitte stechen.

5. Bei ca. 160 Grad 10 Minuten backen. Die heißen, goldgelben Kekse mit Ap­ rikosenkonfitüre abglänzen, nochmals kurz backen und abkühlen lassen. Himbeer-Litschigelee 380 g Himbeerpüree 60 g Litschipüree 9 g Pektin (Reformhaus) 40 ml Zitronensaft 100 g Zucker 1. Himbeerpüree und Litschipüree in ei­ nem Topf mischen und auf ca. 40 Grad erwärmen. 2. Pektin und Zucker mischen, hinzuge­ ben und aufkochen. 3. 40 ml Zitronensaft unterrühren. Das Gelee in ein hohes Gefäß geben und erkalten lassen. 4. Mit einem Stabmixer aufmixen und in einen Spritzbeutel füllen. 5. Das Gelee auf die ungelochten Kek­ se geben und jeweils einen gelochten aufsetzen.

3. Schokocookie

4. Müslikekse ca. 70 stück 180 g Butter 135 g Mehl 6 g Backpulver 100 g brauner Zucker 3 g Salz 25 g Honig 1 Ei 300 g geschrotetes Müsli 1. Alle Zutaten kurz vermengen und kalt stellen. 2. 3 mm dünn ausrollen und nach Belieben ausstechen und bei 160 Grad ca. 10 Minuten backen.

5. Schwarz-weissGebäck ca. 70 stück 300 g Zucker 300  Butter 600 g Mehl 2 Eier 20 g Kakao

ca. 23 stück 120 g 70%ige Schokolade (z. B. Guanaja von Valrhona) 135 g Mehl 25 g Kakao 4 g Backpulver 120 g Butter 125 g brauner Zucker 2,5 g Salz 1. Die Schokolade mittelfein hacken. 2. Alle Zutaten vermengen, die gehack­ te Schokolade zum Schluss beigeben. Zu einer Rolle von 4 cm Durchmesser formen und kalt stellen. 3. In 5 mm dicke Scheiben schneiden und bei 160 Grad 14–15 Minuten ba­ cken. Ca. 1 Minute auskühlen lassen.

1. Alle Zutaten außer dem Kakao vor­ sichtig vermengen (nicht kneten!). Den Teig in zwei Hälften teilen und in eine davon den Kakao einarbeiten. 2. Beide Teige in Klarsichtfolie wickeln und kalt stellen. 3. Beide Teige ca. 1 cm dick ausrol­ len. 5 schwarze Streifen und 4 weiße Streifen schneiden, mit etwas Eiweiß einpinseln und in drei Lagen zu einem Block zusammensetzen (schwarz-weißschwarz, weiß-schwarz-weiß, schwarzweiß-schwarz). Den restlichen weißen Teig 2 mm dünn ausrollen und den Block darin einschlagen. 4. 1–2 Stunden kalt stellen, in 5 mm dicke Scheiben schneiden und 10 Minu­ ten bei 160 Grad backen. Alternativ kann man beide Teige 2 mm dünn ausrollen, einen davon mit etwas Eiweiß einpinseln, den anderen drauf­ legen, das Ganze aufrollen, kalt stellen und in Scheiben schneiden.

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AbBildung: Effilee, unter Verwendung von »The Law of the Seed« von Flickr User greensefa, Creative Commons Attribution 2.0 Generic

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Saat des Zweifels Eine Aktivistin auf dem umstrittenen Kreuzzug gegen genmodifizierte Nutzpflanzen Text: Michael Specter, The New Yorker

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A

nfang dieses Frühjahrs leitete die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva eine ungewöhnliche Pilgerreise durch Südeuropa. Sie begann in Griechenland mit dem internationalen Pan-Hellenischen Festival zum Austausch lokaler Saatgutvarianten, wo die Segnungen der traditionellen Landwirtschaft gefeiert wurden. Shiva und ihr Anhang überquerten anschließend die Adria und reisten mit dem Bus den italienischen Stiefel hinauf nach Florenz, wo sie beim Seed, Food and Earth Democracy Festival sprach. Nach einem kurzen Planungsmeeting in Genua zog die Karawane weiter nach Südfrankreich bis nach Le Mas d’Azil, rechtzeitig, um die Internationalen Tage des Saatguts zu feiern. Shivas leidenschaftlicher Einsatz gegen Globalisierung und die Verwendung genetisch modifizierter Nutzpflanzen haben sie überall zur Heldin unter Anti-GMO­A ktivisten gemacht. Der Zweck ihrer Reise durch Europa war, so hatte sie mir einige Wochen vorher erklärt, Aufmerksamkeit zu schaffen für »die Stimmen derer, die wollen, dass ihre Landwirtschaft frei bleibt von Gift und genmodifizierten Organismen.« An jeder Station vermittelte sie eine Botschaft, die sie in mittlerweile drei Jahrzehnten feingeschliffen hat: Indem sie Saatgut verändern, patentieren und in teure Pakete geistigen Eigentums verwandeln, versuchen multinationale Unternehmen wie Monsanto mit beträchtlicher Unterstützung durch die Weltbank, die Welthandelsorganisation, die Regierung der Vereinigten Staaten und selbst gemeinnütziger Organisationen wie der Bill und Melinda Gates Stiftung, eine Nahrungsmitteldiktatur in der Welt zu errichten. Ihren Kampf gegen Biotechnologie in der Landwirtschaft beschreibt sie als einen weltweiten Krieg, in dem einige wenige gigantische Saatgutunternehmen den Milliarden von Bauern gegenüberstehen, deren Überleben von dem abhängt, was sie selbst anbauen. Shiva betont, dass nicht

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weniger als die Zukunft der Menschheit vom Ausgang abhängt. »Es gibt zwei Trends«, erzählte sie der Menge, die sich zur Saatgutmesse auf der Piazza della Santissima Annunziata in Florenz versammelt hatte, »Zum einen: einen Trend zu Vielfalt, Demokratie, Fröhlichkeit, Kultur, zu Menschen, die ihr Leben feiern.« Sie machte eine Pause und der Platz war still. »Und der andere: Monokultur, Leblosigkeit. Alle deprimiert, alle auf Prozac. Mehr und mehr junge Menschen ohne Arbeit. Diese Welt des Todes wollen wir nicht!« Das Publikum, eine Mischung aus Leuten, die zur Veranstaltung gekommen waren und Touristen auf dem Weg zum Duomo, war gebannt. Shiva, in einem burgunderroten Sari und einem rostbraunen Halstuch sah hinreißend aus. »Es gäbe keinen Hunger in

Sie ruinieren diesen Planeten, sagte sie mir, Sie zerstören diese schöne Welt der Welt, wenn das Saatgut in der Hand der Bauern und Gärtner wäre und das Land in der Hand der Bauern«, sagte sie. »Das wollen sie uns wegnehmen.« Shiva und ihre wachsende Schar von Unterstützern stehen auf dem Standpunkt, dass das herrschende Modell industrieller Landwirtschaft, abhängig von chemischen Düngern, Pestiziden, fossilen Treibstoffen und einem scheinbar endlosen Vorrat an billigem Wasser, die natürlichen Ressourcen in nicht zu akzeptierender Weise beansprucht. Sie setzt sich, wie es die meisten gebildeten Landwirte tun, für mehr Vielfalt bei den Nutzpflanzen ein, für schonenderen Umgang mit dem Boden und mehr Unterstützung für die Menschen, die das Land Tag für Tag bearbeiten. Besonders wenig hat sie für die Bauern übrig, die Monokulturen anpflanzen, riesige Felder mit einer einzigen Nutzpflanze. »Sie ruinieren diesen Planeten«, sagte sie mir, »sie zerstören diese schöne Welt.«

Die globale Versorgung mit Nahrungsmitteln ist in der Tat in Gefahr. Die wachsende Bevölkerung zu ernähren ohne die Erde weiter zu zerstören, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, vielleicht aller Zeiten. Am Ende dieses Jahrhunderts könnte die Erde von gut zehn Milliarden Menschen bewohnt sein, das ist ungefähr so als käme zweimal Indien dazu. Um so viele Menschen zu ernähren, müssen die Bauern in den nächsten fünfundsiebzig Jahren mehr Nahrung produzieren als in der gesamten Geschichte der Menschheit zuvor. In den letzten zehntausend Jahren bedeutete mehr Menschen zu ernähren einfach, mehr Land zu bearbeiten. Diese Option besteht nicht mehr, nahezu jeder verfügbare Flecken Erde ist schon kultiviert und siebzig Prozent des Süßwasserverbrauchs entfällt auf die Bewässerung der Landwirtschaft. Die gestiegenen Anforderungen an die Ernährung der schnell wachsenden Mittelschicht in den Entwicklungsländern – mehr Eiweiß aus Schweine- und Rindfleisch, Hühnern und Eiern – werden den Druck noch erhöhen, ebenso wie der Klimawandel, besonders in Ländern wie Indien und anderen, in denen die Bauern auf Monsunregenfälle angewiesen sind. Viele Wissenschaftler sind überzeugt, dass wir nicht erwarten können, diese Nachfrage ohne Hilfe fortschrittlicher Mittel der Pflanzengenetik zu befriedigen. Shiva ist anderer Meinung, ihr ist jeder Samen, der aus einem Labor kommt, ein Gräuel. Ihr Kampf war nicht leicht. Wenige Technologien, nicht das Auto, nicht das Telefon, nicht einmal der Computer haben sich so schnell und so umfassend durchgesetzt wie die Produkte der landwirtschaftlichen Biotechnologie. Zwischen 1996, als die ersten gentechnisch veränderten Saaten ausgebracht wurden, und dem letzten Jahr hat sich die Fläche, auf der sie stehen verhundertfacht – von 1,7 Millionen Hektar auf einhundertsiebzig Millionen. Fast die

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Erzähltes Leben

Hälfte der weltweit geernteten Sojabohnen und ein Drittel des Mais sind Produkte der Biotechnologie. Baumwolle, die gentechnisch verändert wurde, um die verheerende Baumwollkapselraupe abzuwehren, beherrscht den Markt in Indien und fast überall, wo sie sonst eingeführt wurde. Diese Zahlen beeindrucken Shiva nicht. Mit einundsechzig Jahren ist sie ständig unterwegs, in diesem Jahr ist sie nicht nur durch Europa gereist, sondern auch durch das südliche Asien, Afrika, Kanada und zweimal in die Vereinigten Staaten. Im vergangenen Vierteljahrhundert hat sie fast jedes Jahr ein Buch veröffentlicht, darunter The Violence of the Green Revolution, Monocultures of the Mind, Stolen Harvest und Water Wars. In jedem davon vertritt sie die These, dass die moderne Landwirtschaft wenig erreicht hat, außer die Erde auszuplündern. Shiva genießt nirgends so viel Anerkennung wie im Westen, wo sie, wie Bill Moyers kürzlich feststellte, »ein Rockstar im weltweiten Kampf gegen genetisch verändertes Saatgut« wurde. Man nennt sie Gandhi des Getreides und vergleicht sie mit Mutter Teresa. Würde sie alle Preise, Würden und Auszeichnungen persönlich annehmen, die ihr angetragen wurden, hätte sie kaum Zeit für anderes. 1993 erhielt sie den Right Livelihood Award, besser bekannt als Alternativer Nobelpreis, für ihren Einsatz für Ökologie und Frauenrechte. Time, der Guardian, Forbes und Asia Week führen sie auf Listen der wichtigsten Aktivisten der Welt. Shiva, die einen Doktortitel in Philosophie der Universität von Western Ontario trägt, wurde mit Ehrendoktorwürden von Universitäten in Paris, Oslo, Toronto und anderen ausgezeichnet. 2010 wurde ihr der Sydney Peace Price verliehen für ihren Einsatz für soziale Gerechtigkeit und ihren unermüdlichen Einsatz für die Armen. Anfang dieses Jahres ehrte das Beloit College in Wisconsin Shiva mit der Berufung auf den Weissberg Chair in International Studies und nannte sie in diesem Zusammenhang »eine Ein-Frau-Bewegung für Frieden, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit«. »Der Gedanke, man könne geistiges Eigentum an Saatgut besitzen, ist für mich ein erbärmlicher und böser Versuch, eine Saatgut-

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diktatur zu errichten«, sagte Shiva vor ihren Zuhörern in Florenz. »Wir setzen uns dafür ein, dass diese Diktatur nie gedeiht.« Während sie sprach, stand ich unter den Freiwilligen, die Samen für alte Gemüsesorten verkauften und Informationen über ökologische Landwirtschaft verteilten. Die meisten waren italienische Studenten, die für den Tag aus Bologna oder Rom gekommen waren und die wenigsten konnten ihre Augen von ihr lassen. Ich fragte eine zwanzig Jahre alte Studentin namens Viktoria, ob sie Shivas Arbeit kannte. »Seit Jahren«, sagte sie. Dann fügte sie hinzu, in Anerkennung von Shivas unbestreitbarem Charisma: »Ich war gerade in einem Raum mit ihr. Ich folge ihr seit Jahren, aber du bist auf ihre körperliche Präsenz nicht vorbereitet.« Sie zögerte und warf einen Blick auf die Bühne, auf der Shiva sprach. »Ist sie nicht einfach magisch?«

Mindestens sechzig Millionen Menschen sind in Indien in den letzten vier Jahrhunderten verhungert. Allein 1943, im letzten Jahr der Regentschaft des britischen Raj, starben mehr als zwei Millionen Menschen während der bengalischen Hungersnot. »Als wir frei von der Kolonial­ herrschaft waren, war das Land leergesaugt«, erzählte mir Suman Sahai kürzlich. ­Sahai, ein Genforscher und prominenter Umweltaktivist ist der Gründer der Gene Campaign mit Sitz in Delhi, die sich für

Sechzig Millionen Menschen sind in Indien in den letzten vier Jahrhunderten verhungert die Rechte der Bauern einsetzt. »Die Briten haben das landwirtschaftliche System zerstört und nicht investiert. Sie brauchten Lebensmittel für ihre Armee und um sie ins Ausland zu verkaufen. Sonst hat sie nichts interessiert.« Mit der Unabhängigkeit kam 1947 Euphorie aber auch Verzweiflung. Tonnenweise wurde jedes Jahr Getreide aus den USA importiert, ohne das Hungersnöte unausweichlich gewesen wären. Damit Unabhängigkeit mehr als nur ein Wort wäre, musste Indien sich auch selbst versorgen können. Die Grüne Re-

volution – eine Reihe von landwirtschaftlichen Innovationen, die zu verbesserten Weizensorten führten, machte das möglich. 1966 importierte Indien elf Millionen Tonnen Getreide. Heute produziert es mehr als zweihundert Millionen Tonnen, viel davon für den Export. Von 1950 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts stieg die Getreideproduktion auf der Welt von siebenhundert Millionen Tonnen auf 1,9 Milliarden, alles auf nahezu derselben Anbaufläche. »Ohne den Stickstoffdünger, mit dem die Ernten wuchsen, von denen unsere nächsten Vorfahren sich ernährt haben, wären viele von uns heute vermutlich nicht da«, erzählte mir Raoul Adamchack. »Es wäre ein anderer Planet, kleiner, ärmer und viel bäuerlicher.« Adamchack betreibt eine ökologische Farm in Nordkalifornien und war Präsident des Verbandes California Certified Organic Farmers. Seine Frau, Pamela Ronald, ist Professorin für Pflanzengenetik an der University of California in Davis, und das Buch der beiden, Tomorrow’s Table, war eines der ersten, das zeigte, wie fortgeschrittene Technologien mit traditionellem Anbau zusammenwirken können, um bei der Ernährung der Weltbevölkerung zu helfen. Es gibt noch eine andere Sicht der Grünen Revolution. Shiva glaubt, dass sie die traditionelle Lebensweise der Inder zerstört hat. »Bis in die Sechzigerjahre verfolgte Indien erfolgreich eine landwirtschaftliche Entwicklungspolitik, die auf der Stärkung der ökologischen Grundlagen der Landwirtschaft und der Autarkie der Bauern basierte«, schreibt sie in The Violence of the Green Revolution. Sie erzählte mir, dass durch die Verschiebung des Fokus beim Anbau von der Vielfalt zu Ertrag die Grüne Revolution tatsächlich für das Sterben der indischen Bauern verantwortlich war. Nur wenige stimmen allerdings dieser Analyse zu, und mehr als nur eine Studie sind zu dem Schluss gekommen, dass Millionen verhungert wären, wenn Indien bei den traditionellen Anbaumethoden geblieben wäre. Die Grüne Revolution beruhte in hohem Maß auf dem Einsatz von Dünger und Pestiziden, aber in den Sechziger-

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jahren kümmerte man sich wenig um die Auswirkungen auf die Umwelt. Abwässer verseuchten viele Flüsse und Seen, und einiges von Indiens bestem Anbauland wurde zerstört. »Am Anfang war die Grüne Revolution wundervoll«, erzählte mir Sahai. »Aber da wir nicht so viel Wasser haben, war das Ganze nicht trag fähig, und man hätte damit viel früher aufhören müssen, als man es getan hat.« Um zehn Milliarden Menschen zu ernähren, von denen die meisten in den Entwicklungsländern leben werden, werden wir brauchen, was der indische Landwirtschaftspionier M.S. Swaminathan eine Immergrüne Revolution genannt hat,

Eine Genkanone zu benutzen, scheint wie ein Verstoß gegen die Grundregeln des Lebens eine, die die fortgeschrittenste Wissenschaft mit einer klaren Ausrichtung auf die Erhaltung der Umwelt kombiniert. Bis vor Kurzem schienen das unterschiedliche Ziele zu sein. Seit Tausenden von Jahren haben Menschen genetisch kompatible Pflanzen miteinander gekreuzt und dann unter den Nachkommen diejenigen ausgesucht, die vermeintlich wünschenswerte Eigenschaften hatten (kräftige Wurzeln zum Beispiel, die weniger krankheitsanfällig sind). Bauern lernten, wie man bessere Pflanzen und Sorten bekam, aber es war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein Prozess von Versuch und Irrtum. Dann kam Gregor Mendel und zeigte, dass viele der Eigenschaften einer Erbsenpflanze von einer Generation zur nächsten nach vorhersehbaren Regeln weitergegeben wurden. Nahezu alle Pflanzen, die wir anbauen – Mais, Weizen, Reis, Rosen, Weihnachtsbäume – sind durch Zucht genetisch verändert worden, damit sie länger halten, besser aussehen, süßer schmecken oder in dürrer Erde besser gedeihen. Gentechnik hebt diesen Prozess auf die nächste Stufe. Indem sie Gene von einer Spezies auf eine andere übertragen, können Züchter heutzutage die Eigenschaften noch genauer auswählen. Bt Cotton zum Beispiel enthält Gene des Bakteriums Bacillus thuringiensis, das sich

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natürlich im Boden findet. Das Bakterium produziert ein Toxin, das den Baumwollkapselbohrer angreift, einen Schädling, der jedes Jahr Millionen von Hektar befällt. Fünfundzwanzig Prozent der Schädlingsbekämpfungsmittel auf der Welt wurden in der Regel für Baumwolle eingesetzt, und viele davon sind krebserregend. Indem sie einen Teil der DNS des Bakteriums in einen Baumwollsamen einfügten, haben Wissenschaftler es möglich gemacht, dass die Samenkapsel ihr eigenes Insektengift produziert. Kurz nachdem der Schädling die Pflanze anbeißt, stirbt er. Die Molekularbiologie hat die Medizin, die Landwirtschaft und fast alle anderen wissenschaftlichen Fachbereiche verändert. Sie hat auch eine erbitterte Debatte über die Konsequenzen dieses Wissens ausgelöst. Genetisch modifizierte Produkte wurden häufig angepriesen als der beste Weg, die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen, höhere Ernten zu ermöglichen, mehr Nährstoffe in der Nahrung bereitzustellen und die Ärmsten der Welt zu ernähren. Die meisten transgenen Pflanzen, die heute auf dem Markt sind, wurden allerdings auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft und ihrer Kunden im Westen zugeschnitten. Shiva und andere Gegner der landwirtschaftlichen Biotechnologie argumentieren, dass die höheren Kosten patentierten Saatguts, das von Riesenunternehmen hergestellt wird, arme Bauern daran hindert, es auf ihren Feldern auszubringen. Und sie haben Sorge, dass Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen in die Wildnis treibt und die Ökologie der Pflanzen unwiderruflich verändert. Viele erheben jedoch noch einen viel grundsätzlicheren Einwand: Varianten zu kreuzen und auf einem Feld anzubauen ist eine Sache, aber eine Genkanone zu benutzen um ein Bakterium in Samen zu schießen, scheint wie ein Verstoß gegen die Grundregeln des Lebens.

Vandana Shiva wurde in Dehradun geboren, am Fuß des Himalaya. Als Brahmanin wuchs sie im Wohlstand auf. Ihr Vater war Forstbeamter für die indische

Regierung, ihre Mutter arbeitete als Schul­ inspektorin in Lahore und kehrte, als die Stadt bei der Teilung pakistanisch wurde, nach Indien zurück. Shiva trat einer Vereinigung von Frauen bei, die entschlossen waren, fremde Holzunternehmen daran zu hindern, Wälder im nordindischen Hochland zu fällen. Ihre Taktik war einfach und am Ende erfolgreich: Sie bildeten einen Kreis und umarmten die Bäume. Shiva war im Wortsinn eine der ersten Tree Hugger. Als wir uns das erste Mal unterhielten, in New York, erklärte sie, warum sie Umweltaktivistin wurde. »Ich war mit der Quantentheorie beschäftigt, für meine Doktorarbeit, daher hatte ich keine Ahnung, was bei der Grünen Revolution vor sich ging«, sagte sie. Shiva hatte Physik studiert. Wir saßen in einem kleinen Café nahe der Vereinten Nationen, wo sie an einem Landwirtschaftsforum teilnehmen sollte. Sie war gerade aus dem Flugzeug aus NeuDelhi gestiegen, aber ihre Energie wuchs, als sie ihre Geschichte erzählte. »In den späten Achtzigern ging ich auf eine Konferenz über Biotechnologie, über die Zukunft der Ernährung«, sagte sie. »Damals gab es keine genetisch modifizierten Organismen. Diese Leute sprachen davon, Gentechnik einzusetzen, damit sie Patente bekommen könnten.« »Sie sagten die erstaunlichsten Dinge«, fuhr sie fort, »sie sagten, Europa und die USA wären als Markt zu klein. Wir müssen einen globalen Markt haben, und das ist es, warum wir Gesetze über geistiges Eigentum brauchen.« Das Treffen brachte sie auf eine neue Spur. »Ich erkannte, dass sie das Leben patentieren wollten, und das Leben ist keine Erfindung«, sagte sie. »Sie wollen genmodifizierte Organismen ohne Tests freisetzen und sie wollen diese Ordnung der gesamten Welt auferlegen.« Sie kehrte nach Indien zurück und gründete Navdanya, was auf Hindi neun Samen bedeutet. Laut Satzung wurde die Organisation gegründet, um »die Vielfalt und Integrität lebendiger Ressourcen zu schützen, vor allem einheimischer Samen und um ökologischen Landbau und fairen Handel zu fördern.« Unter Shivas Führung entwickelte sich Navdanya schnell zu einer für ganz Indien bedeutsamen Bewegung. Anders als die meisten Agrarökologen hält Shiva an der Vorstellung fest, dass die

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Weltbevölkerung mit Bio-Anbau ernährt werden kann. Fast ausschließlich aufgrund der Anstrengungen von Shiva und anderen Aktivisten hat Indien nicht eine einzige genetisch modifizierte Nahrungspflanze für den menschlichen Verzehr freigegeben. In Afrika erlauben lediglich vier Nationen – Südafrika, Burkina Faso, Ägypten und Sudan – den kommerziellen Einsatz von Produkten, die genmodifizierte Organismen enthalten. Europa bleibt das Epizentrum des Widerstands gegen genmodifizierte Organismen, aber kürzlich haben Umfragen ergeben, dass die breite Mehrheit der Amerikaner, die sich immer mehr für den Zusammenhang zwischen Ernährung, Landwirtschaft und Gesundheit interessieren, dafür ist, Produkte, die mit genetisch veränderten Zutaten hergestellt werden, zu kennzeichnen. Die meisten sagen, sie würden die Kennzeichen nutzen, um zu vermeiden, solche Nahrungsmittel zu essen. Shiva für ihren Teil besteht darauf, dass der einzig akzeptable Weg wäre, zu den Grundsätzen und Praktiken einer vergangenen Zeit zurückzukehren. »Kunstdünger hätte nie in der Landwirtschaft erlaubt werden dürfen«, sagte sie 2011 in einer Rede. »Ich glaube, das ist eine Massenvernichtungswaffe. Ihr Einsatz ist wie Krieg, denn sie kommt aus dem Krieg.« Wie Gandhi, den sie verehrt, stellt Shiva viele Ziele der heutigen Zivilisation in Frage. Prince Charles, der eine Büste

Mit ihren Tweets schafft Shiva es, die Bewegung zu kontrollie­ ren und Abtrünnige zu ächten von Shiva in Highgrove, seinem Familiensitz, aufgestellt hat, stattete ihr letztes Jahr einen Besuch auf der Navdanya Farm ab, in Dehradun, etwa zweihundertvierzig Kilometer nördlich von Neu-Delhi. Charles, vielleicht der bekannteste Kritiker des modernen Lebens, prangert die transgenen Nutzpflanzen seit Jahren an. »Diese Art von genetischer Veränderung bringt die Menschheit in Bereiche, die Gott und nur Gott zustehen«, schrieb er in den Neunzigerjahren, als Monsanto versuchte, sein genetisch verändertes Saatgut in Europa zu verkau-

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fen. Auch Shiva bringt Religion ins Spiel, wenn sie landwirtschaftliche Biotechnologie angreift: Das Kürzel GMO stehe für »God, Move Over«, sagte sie in einer Rede Anfang dieses Jahres: »Mach Platz Gott, wir sind jetzt die Schöpfer!« Nav­danya veröffentlicht nicht, welche Spenden es erhält, aber aus einem aktuellen Bericht der indischen Regierung geht hervor, dass ausländische Nichtregierungsorganisationen in den letzten zehn Jahren erhebliche Beiträge geleistet haben, um die Kampagne gegen den Einsatz von genmodifizierten Organismen in Indien zu unterstützen. Im Juni sprach die Regierung ein Verbot solcher Spenden aus. Shiva, deren Name in dem Bericht erscheint, nannte das »einen Angriff auf die Zivilgesellschaft« und voreingenommen zugunsten ausländischer Unternehmen. Shiva ist in den sozialen Medien zu Hause und ihre Tweets, heftig und dramatisch, verbreiten sich unter ihren Zehntausenden Followern schnell um die Erde. Mit ihnen schafft sie es, die Bewegung zu kontrollieren und Abtrünnige zu ächten. Der britische Umweltschützer Mark Lynas, zum Beispiel, setzte sich über zehn Jahre lang standhaft gegen den Einsatz von Biotechnologie in der Landwirtschaft ein. Letztes Jahr jedoch, nachdem er sich sorgfältig mit den wissenschaftlichen Daten, auf denen seine Annahmen basierten, auseinandergesetzt hatte, nahm er den entgegengesetzten Standpunkt ein. In einer Ansprache vor der jährlichen Oxford Farming Conference bezeichnete er seine frühere Ansicht, dass genetisch veränderte Nutzpflanzen die Abhängigkeit von Chemikalien erhöhten sowie die Umwelt und die menschliche Gesundheit bedrohten als »urbane, grüne Mythen«. »Freimütig und offiziell entschuldige ich mich dafür, dass ich mehrere Jahre damit zugebracht habe, genmodifizierte Nutzpflanzen herauszureißen«, sagte er. »Es tut mir auch leid, dass ich … daran mitgewirkt habe, eine wichtige technologische Option zu verteufeln, die zum Nutzen der Umwelt eingesetzt werden kann.« Heute betrachtet Lynas die Annahme, dass die Welt ausschließlich mit Bioprodukten ernährt werden könnte als »grob vereinfachenden Unfug«.

Mit dieser Rede und der öffentlichen Aufmerksamkeit, die sich daraus ergab, wurde Lynas der Benedict Arnold der ­A nti-GMO-Bewegung. »Wenn du willst, dass dein Name überall im Web zu sehen ist, gibt es nichts besseres, als einst feste Überzeugungen zu widerrufen«, schrieb Jason Mark, der Herausgeber des Earth Island Journal. Keiner war vielleicht mehr erzürnt über Lynas’ Bekehrung als Shiva, die ihren Ärger auf Twitter zum Ausdruck brachte: »#MarkLynas saying farmers shd be free to grow #GMOs which can contaminate #organic farms is like saying #rapists shd have freedom to rape.« (Wenn Mark Lynas sagt, die Bauern sollten das Recht haben, GMOs anzupflanzen, die biologische Höfe kontaminieren könnten, ist das, als würde er sagen, Vergewaltiger sollten die Freiheit haben, zu vergewaltigen.) Die Nachricht sorgte für sofortige Empörung. »Schäm dich, wenn du GMOs mit Vergewaltigung vergleichst«, antwortete Karl Haro von Mogel, der Biology Fortified betreibt, eine Webseite, die sich mit Pflanzengenetik beschäftigt, ebenfalls in einem Tweet. »Das ist ein jämmerliches Argument, das Frauen, Männer und Kinder herabwürdigt.« Shiva tweetete sofort zurück: »Wir müssen von einem patriarchalischen, anthropozentrischen Weltbild zu einem kommen, das auf #EarthDemocracy basiert«, schrieb sie. Shiva hat ein Gespür für zündende Analogien. Kürzlich verglich sie, was sie »Saatsklaverei« nennt, die von den Kräften der Globalisierung über die Welt gebracht wird, mit menschlicher Sklaverei. »Ich fing an, für die Freiheit des Saatguts zu kämpfen, weil ich eine Parallele sah«, sagte sie auf einer Nahrungskonferenz in den Niederlanden. »Damals waren es Schwarze, die in Afrika gefangen wurden und zur Arbeit auf den Baumwoll- und Zuckerrohrfeldern in Amerika verschleppt wurden. Heute wird alles Leben versklavt. Alles Leben. Alle Lebewesen.« Shiva kann keine Gruppe tolerieren, die sich für Gentechnik in der Landwirtschaft einsetzt, egal, was die Organisation sonst tut oder wie qualifiziert ihre Unterstützer sind. Als ich erwähnte, dass Monsanto neben seiner Produktion genetisch veränderten Saatguts auch einer der

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weltweit größten Produzenten von konventionell gezüchteten Samen sei, lachte sie. »Das ist nur Public Relation«, sagte sie. Ähnlich wenig hält sie von der Bill und Melinda Gates Stiftung, die deutlich Stellung bezogen hat zugunsten der Biotechnologie. Erst kürzlich schrieb Shiva, dass die Milliarden Dollar, die die Stiftung für landwirtschaftliche Forschung und Unterstützung ausgegeben hat, die »größte Bedrohung für Bauern in den Entwicklungsländern« darstellt. Die wissenschaftlichen Organisationen in den USA, die für die Regulierung genetisch modifizierter Produkte zuständig sind, einschließlich der Food and Drug Administration (FDA), der Environmental Protection Agency (EPA) und des United States Department of Agriculture, sind für sie lediglich Werkzeuge der internationalen Saatgutkonglomerate. Ihr Absolutismus in Sachen GMOs führt Shiva gelegentlich auf seltsame Wege. 1999 starben zehntausend Menschen und Millionen wurden obdachlos, als ein Wirbelsturm den indischen Bundesstaat Orissa an der Ostküste traf. Als die Regierung der Vereinigten Staaten Soja und Getreide lieferte, um den verzweifelten Opfern zu helfen, hielt Shiva eine Pressekonferenz in Neu-Delhi ab und sagte, dass die Spende beweise, dass »die Vereinigten Staaten die Opfer in Orissa als Versuchskaninchen benutzen« für genetisch veränderte Produkte. Sie schrieb auch an die internationale Hilfsorganisation Oxfam, um mitzuteilen, dass sie hoffe, dass diese nicht plane, genetisch veränderte Lebensmittel an die hungernden Überlebenden zu liefen. Nachdem weder die Vereinigten Staaten noch Oxfam ihre Pläne änderten, verurteilte sie die indische Regierung dafür, dass sie die Hilfen angenommen hatte.

Am 29. März begann Shiva eine Ansprache vor einer örtlichen Gruppe von Ernährungsrechteaktivisten in Winnipeg mit der Enthüllung von beunruhigenden neuen Informationen über die Auswirkung landwirtschaftlicher Biotechnologie auf die menschliche Gesundheit. »Die Zent-

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ren für Krankheitskontrolle und Prävention haben festgestellt, dass innerhalb von zwei Jahren die Zahl für Autismus von einem in achtundachtzig Fällen auf einen in achtundsechzig angestiegen ist«, sagte sie und bezog sich auf einen Artikel in USA Today. »Dann gehen sie hin und sagen, das ist ein Trend, an dem man sieht, dass etwas falsch läuft, und ob es etwas in der Umwelt ist, das den Anstieg verursacht, bleibt die MillionenDollar-Frage.« »Die Frage ist jetzt beantwortet«, fuhr Shiva fort. Sie erwähnte Glyphosat, das Herbizid von Monsanto, das normalerweise bei modifizierten Pflanzen zum Einsatz kommt. »Wenn man sich die Kurven ansieht, wie der Einsatz von GMOs zunimmt, wie die Anwendung von Glyphosat zunimmt und wie Autismus zunimmt, das korrespondiert wirklich eins zu eins miteinander. Und diese Grafik könnte man so für Nierenversagen machen, für Diabetes, man könnte die Grafik sogar für Alzheimer machen.« Hunderte Millionen Menschen in achtundzwanzig Ländern essen täglich transgene Produkte und wenn nur eine von Shivas Schlussfolgerungen wahr wäre, wären die Folgen katastrophal. Aber es wurde noch kein Zusammenhang zwischen Glyphosat und den Krankheiten, die Shiva erwähnte, festgestellt. Ihre Behauptungen basierten auf einer einzigen Forschungsarbeit, die im letzten Jahr veröffentlicht wurde, in einer Zeitschrift namens Entropy, die von den Wissenschaftlern Geld nimmt, damit sie ihre Erkenntnisse publiziert. In der Arbeit ist keine neue Forschung enthalten. Shiva ist ein gefährlicher, aber häufiger Fehler unterlaufen: Sie hat eine Korrelation mit einer Ursächlichkeit verwechselt. (Es stellt sich zum Beispiel auch heraus, dass der Anstieg der Verkäufe von Bioprodukten fast exakt dem Anstieg von Autismus entspricht. Und wenn wir schon dabei sind, das trifft auch für die Verkäufe von HD-Fernsehern zu und für die Zahl der Amerikaner, die jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.) Shiva erwähnt ihre wissenschaftliche Ausbildung bei fast jedem Auftritt, dennoch bricht sie häufig mit den Konventionen der wissenschaftlichen Forschung. In Interviews und im Fernsehen wird sie

gewöhnlich als Kernphysikerin, als Quantenphysikerin oder als weltbekannte Physikerin bezeichnet. Die meisten Klappentexte ihrer Bücher enthalten die folgende biografische Notiz: »Bevor sie Aktivistin wurde, war Vandana Shiva eine von Indiens führenden Physikerinnen.« Als ich fragte, ob sie je als Physikerin gearbeitet habe, schlug sie vor, ich solle bei Google nach der Antwort suchen. Ich fand nichts und sie selbst erwähnt in ihrem Lebenslauf keine solche Position. Shiva argumentiert, dass es einen Anstieg bei der Verwendung von Herbiziden gab, weil viele Sorten Mais, Soja und Raps so verändert wurden, dass sie Glyphosat widerstehen. Das ist sicherlich wahr, und

Ich fragte, ob sie je als Physi­ kerin gearbeitet habe. Die Ant­ wort: Ich solle danach googeln in ausreichend hohen Dosen ist Glyphosat toxisch, so wie andere Herbizide. Dazu kommt, dass Unkraut resistent wird, wenn Bauern sich zu sehr auf ein Mittel verlassen, egal, ob es natürlich ist oder aus der Fabrik kommt. In einigen Gegenden ist das mit Glyphosat schon geschehen und die Folgen können katastrophal sein. Aber den Bauern stellt sich die Frage, ob sie gentechnisch modifizierte Pflanzen einsetzen oder nicht. Und unzählige Arten von Unkraut haben zum Beispiel gegen das Herbizid Atrazin Resistenzen ausgebildet, obwohl keine Nutzpflanzen gentechnisch dagegen unempfindlich gemacht wurden. Tatsächlich wurde Glyphosat zum weltweit populärsten Herbizid vor allem, weil es weit weniger giftig ist als jene, die es in der Regel ersetzt. Die Umweltbehörde EPA deklariert Wasser als nicht trinkbar, wenn es drei Teile Atrazin pro Milliarde Wasser­teile enthält, der vergleichbare Grenzwert für Glyphosat liegt bei siebenhundert Teilen pro Milliarde. Legt man diesen Maßstab an, ist Glyphosat zweihundertdreißigmal weniger giftig als Atrazin. Seit Jahren fürchten sich Menschen davor, dass sie durch den Verzehr von genmodifiziertem Essen krank werden könnten und Shivas Ansprachen sind voll

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von beängstigenden Anekdoten, die mit dieser Furcht spielen. Aber seit 1996, als die ersten Pflanzen ausgebracht wurden, haben Menschen Billionen von Mahlzeiten gegessen, die genetisch veränderte Zutaten enthalten und sich in Tausende Tonnen von Tuch gehüllt, das aus genetisch modifizierter Baumwolle gewebt wurde. Dennoch gibt es nicht einen einzigen dokumentierten Fall einer Person, die als Folge davon erkrankt wäre. Das ist ein Grund, warum die National Academy of Sciences, die American Association for the Advancement of Science, die Weltgesundheitsorganisation, die Royal Society in Großbritannien, die Französische Akademie der Wissenschaften, die Europäische Kommission und Dutzende anderer wissenschaftlicher Organisationen den Schluss gezogen haben, dass Lebensmittel, die von genetisch modifizierten Nutzpflanzen stammen, ebenso sicher sind wie alle anderen. »Ich finde es absolut bemerkenswert, wie Vandana Shiva damit durchkommt, dass sie sagt, was immer die Leute gerade hören wollen«, sagte Gordon Conway mir kürzlich. Conway ist der ehemalige Präsident der Rockefeller Foundation und Professor am Imperial College in London. Sein Buch One Billion Hungry: Can We Feed the World? wurde zu einer unverzichtbaren Lektüre für alle, die sich mit Armut, Landwirtschaft und Entwicklung ausein­a ndersetzen. »Vor allem im Westen wird Shiva vergöttert, weil sie für das romantische Bild des Bauernhofs steht«, sagte Conway. »Wen interessiert die Wahrheit? Die Menschen in den reichen Ländern verklären gern eine Vergangenheit, die sie zu ihrem Glück nicht selbst erleben mussten – Sie wissen schon, ein paar Hühner die mit den Kindern über den Hof laufen. Aber Landwirtschaft ist verdammt hart, wie jeder weiß, der sie betreibt. Das ist wie diese Leute, die von den Dörfern in den Entwicklungsländern schwärmen. Keiner, der in einem gelebt hat, würde das tun.«

Ich kam am Ende des Frühjahrs in Maharashtra an, als der größte Teil der Baumwollernte des Jahres eingebracht

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war. Ich fuhr ostwärts von Aurangabad auf abgenutzten Straßen, wo die Widersprüche des modernen Indien überall sichtbar waren: hellgrüne Pyramiden von Süßlimetten, hölzerner Plunder, Schmuckhändler, Handyverkäufer und aufwendig verzierte Trinkwassertankwagen. Hinter den Ständen befanden sich riesige neu gebaute Häuser, die alle zu sicher eingezäunten Wohnanlagen gehörten. Die örtlichen Energieversorgungsunternehmen bezahlen zwei Rupien (etwa drei Cent) für ein Kilogramm abgeernteter Baumwollstängel, und als ich vorbeifuhr, waren die Felder voll mit Frauen, die sie aus der Erde zogen. Indien verbietet zwar den Anbau genetisch veränderter Nahrungspflanzen, aber Bt Cotton, das verändert wurde, um dem Baumwollkapselbohrer zu widerstehen, wird in großen Mengen angebaut. Seit den Neunzigerjahren lenkt Shiva die Aufmerksamkeit der Welt auf Maharashtra; sie nennt die Region den »Selbstmordgürtel« Indiens und sagt, dass die Einführung der genmodifizierten Baumwolle zu einem »Genozid« geführt habe. Es gibt keinen Ort, an dem noch verbissener über den Wert, die ökologischen Begleiterscheinungen und die wirtschaftlichen Auswirkungen genmodifizierter Pflanzen gestritten wird. Shiva sagt, zweihundertvierundachtzigtausend Bauern hätten sich getötet, weil sie es sich nicht leisten könnten, Bt Cotton anzupflanzen. Anfang dieses Jahres sagte sie: »Bauern sterben, weil Monsanto Profite macht – durch das Eigen-

Shiva behauptet, die gen­ modifizierte Baumwolle hätte zu einem Genozid geführt tum an Leben, das es nie geschaffen hat, aber behauptet zu schaffen. Deshalb müssen wir das Saatgut zurückfordern. Deshalb müssen wir GMOs loswerden. Deshalb müssen wir damit aufhören, Leben zu patentieren.« Als ich Shiva für etwa eine Stunde in New York traf, sagte ich ihr, dass ich oft wohlwollend über landwirtschaftliche Biotechnologie geschrieben hatte. Sie schien das zu wissen, und sagte, ich könne das Ausmaß der Katastrophe nur verstehen,

wenn ich die Region persönlich bereiste. Sie schlug mir auch vor, mich der Saatgutkarawane durch Europa anzuschließen und anschließend mit ihr zur Navdanya Farm zu reisen. Wir tauschten einige logistische SMS und E-Mails aus, aber als ich nach Italien kam, hatte Shiva bereits aufgehört, mir zu schreiben oder meine Nachrichten zu beantworten. In Florenz sprach sie kurz mit mir, als sie auf dem Weg zu einem Meeting war, und sagte, ich könne versuchen, sie in Neu-Delhi zu treffen, aber sie würde vermutlich keine Zeit für mich haben. Als ich in Indien ankam, sagte mir eine ihrer Assistentinnen, dass ich meine Fragen schriftlich einreichen solle. Das tat ich, aber Shiva lehnte es ab, sie zu beantworten. Shiva macht geltend, dass die modifizierten Samen fast ausschließlich zum Nutzen großer industrieller Farmen entwickelt wurden und das trifft zu einem gewissen Teil durchaus zu. Aber Bt Cotton wird von Millionen Menschen in den Entwicklungsländern angebaut, von denen viele Parzellen bearbeiten, die kaum größer sind als der Hinterhof eines Hauses in einem amerikanischen Vorort. In Indien wird die Technologie von mehr als sieben Millionen Bauern eingesetzt, die 10,5 Millionen Hektar bewirtschaften. Das sind fast neunzig Prozent aller indischen Baumwollfelder. Anfangs waren die Samen sehr teuer. Betrüger überfluteten den Markt mit Fälschungen und verkauften sie, zusammen mit gefälschtem Glyphosat zu geringeren Preisen. Shiva sagte letztes Jahr, dass die Kosten für Bt-Cotton­Samen in Indien seit 2002 um achttausend Prozent gestiegen seien. Tatsächlich sind die Preise für das modifizierte Saatgut, die von der Regierung reguliert werden, stetig gefallen. Sie sind zwar höher als die von konventionellem Saatgut, aber in den meisten Fällen liefern die modifizierten Samen höheren Nutzen. Nach Angaben des Internationalen Forschungsinstituts für Ernährungsund Entwicklungspolitik (IFPRI) geben Bauern für Bt mindestens fünfzehn Prozent mehr für die Pflanzen aus, aber ihre Kosten für Pestizide sind mehr als fünfzig Prozent niedriger. Seit das Saatgut einge-

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führt wurde, sind die Erträge um mehr als einhundertfünfzig Prozent gestiegen. Nur China pflanzt und verkauft mehr Baumwolle. Shiva sagt auch, die Patente von Monsanto hinderten die Armen daran, ihr Saatgut aufzubewahren. In Indien ist das nicht der Fall. Das Gesetz für die Rechte der Bauern von 2001 garantiert jedem das Recht, sein Saatgut »aufzubewahren, zu verwenden, zu säen, erneut zu säen, zu tauschen, zu teilen oder zu verkaufen«. Allerdings entscheiden sich die meisten Bauern, auch jene mit winzigen Feldern, jedes Jahr neue Samen – ob genetisch modifiziert oder nicht – zu kaufen, weil sie bessere Erträge und höheren Verdienst gewährleisten. Ich habe etwa ein Dutzend Bauern in Dhoksal besucht, einem Dorf, in dem es wenig mehr gibt als einen Hindutempel und einige Saatgutgeschäfte. Dhoksal liegt etwa fünfhundert Kilometer nordöstlich von Mumbai, aber es scheint zu einem anderen Jahrhundert zu gehören. Es ist staubig und müde und mittags steigt die Temperatur auf vierzig Grad. Den Weg zum Markt legen die meisten Bauern mit dem Ochsenkarren zurück. Manche gehen zu Fuß, wenige fahren. Eine Woche vorher, so erzählte mir ein örtlicher Landwirtschaftsinspekteur, habe er einen Baumwollfarmer auf einem Elefanten gesehen und ihm zugewunken. Der Mann antwortete allerdings nicht, weil er zu sehr damit beschäftigt war, mit seinem Handy zu telefonieren. Im Westen geht es beim Streit um den Wert von Bt Cotton um zwei eng miteinander verbundene Themen: die finanziellen Auswirkungen, die der Einsatz der Samen hat, und ob die Kosten Bauern zum Selbstmord getrieben haben. Das Erste, worüber die Baumwollfarmer, die ich besuchte, sprechen wollten, war jedoch, dass sich ihre Gesundheit und die ihrer Familien verbessert hätte. Bevor Bt-Gene in Baumwolle eingebracht wurden, sprühten sie ihre Felder während der Anbauzeit Dutzende Male. Jetzt sprühen sie einmal im Monat. Bt ist für Menschen und andere Säugetiere nicht giftig. Biobauern, deren strenge Regeln den Einsatz von Kunst-

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dünger und Chemikalien verbieten, haben das Toxin auf ihren Feldern seit Jahren versprüht. Jeder konnte eine Geschichte über Insektizidvergiftungen erzählen. »Bevor Bt Cotton kam, verwendeten wir die anderen Samen«, erzählte mir Rameshwar Mamdev, als ich ihn auf seiner zweieinhalb Hektar großen Farm besuchte, die nicht weit von dem Feldweg lag, der zu dem Dorf führte. Er pflanzt außer Baumwolle auch Mais. »Meine Frau sprühte«, sagte er. »Ihr wurde übel. Uns allen wurde übel.« Nach einer vor Kurzem veröffentlichten Studie des Flämischen Instituts für Biotechnologie (VIB) sank der Einsatz von Pestiziden seit der Einführung von Bt Cotton auf ein Siebtel. Die Zahl der Pestizidvergiftungen sank um nahezu neunzig Prozent. Ähnliche Verringerungen gab es auch in China. Die Bauern, vor allem die Frauen, konnten

Natürliche Auslese züchtet Resistenzen. Das gilt nicht nur in der Landwirtschaft durch den verringerten Kontakt mit Pestiziden nicht nur die Gefahr ernster Krankheiten verringern, sondern können auch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. »Wie kommen reiche Leute dazu, uns zu erzählen, dass wir Pflanzen anbauen sollen, die unsere Farmen ruinieren würden?«, fragte Narhari Pawar. Pawar ist siebenundvierzig, seine Haut hat die Farbe gebrannter Melasse und die Textur eines lang gebrauchten Sattels. »Bt Cotton ist der einzige Lichtblick für uns Bauern«, sagte er, »es hat unser Leben verändert. Ohne es hätten wir keine Ernte. Nichts.« Genetisch veränderte Pflanzen sind nicht ohne Risiken. Eine Sorge ist, dass ihr Pollen in die Umgebung weht. Pollen verbreitet sich tatsächlich, aber es geschieht nicht so leicht; damit neue Samen entstehen, bedarf es einer sexuell kompatiblen Pflanze. Die Bauern können das Risiko der Ansteckung verringern, indem sie versetzte Pflanzzeiten planen, was sicherstellt, dass die Pollen verschiedener Pflanzenarten zu verschiedenen Zeiten fliegen. Es gibt ein größeres Problem: Schädlinge können Resistenzen gegen die Toxi-

ne in modifizierten Pflanzen entwickeln. Der Kapselbohrer ist nicht der einzige Feind von Bt Cotton, die Pflanze hat viele andere Schädlinge zum Feind. In den Vereinigten Staaten müssen Bauern, die Bt Cotton anbauen, eine sogenannte Zufluchtsstrategie anwenden: Sie umgeben die Bt-Pflanzungen mit einer Art Burggraben mit Pflanzen, die keine Bt-Toxine produzieren. Das zwingt Schädlinge, die eine Resistenz gegen Bt Cotton entwickeln, sich mit Artgenossen zu paaren, die das nicht tun. In den meisten Fällen sind deren Nachkommen immer noch anfällig. Natürliche Auslese züchtet Resistenzen, solche Taktiken zögern den Prozess lediglich hinaus. Aber das gilt überall in der Natur, nicht nur in der Landwirtschaft. Für Therapien für Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder HIV werden Medikamentencocktails eingesetzt, weil die Infektion schnell gegen einen einzelnen Wirkstoff resistent würde. Dennoch hatte kein einziger der Bauern, mit denen ich in Dhoksal gesprochen hatte, so eine Zuflucht angepflanzt. Als ich fragte, warum, wussten sie nicht, wovon ich sprach.

Verantwortungsbewusste Zeitungen und angesehene Autoren haben – häufig in Anlehnung an Shivas Formulierungen – über die Saatgut-Selbstmord-Verbindung geschrieben, als ob es sich um eine belegte Tatsache handele. 2011 brachte der amerikanischer Filmemacher Micha Peled Bitter Seeds heraus, in dem die These aufgestellt wird, dass Monsanto und sein Saatgut für die Selbstmorde von Tausenden von Bauern verantwortlich seien. Der Film wurde von Ernährungsaktivisten in den Vereinigten Staaten warm empfohlen. »Filme wie dieser können die Welt verändern«, sagte die prominente Köchin Alice Waters, als sie ihn gesehen hatte. Der Journalist Keith Kloor wies Anfang dieses Jahres in der Zeitschrift Issues in Science and Technology darauf hin, dass die Geschichte von den Bauernselbstmorden sogar den Weg in die wissenschaftliche Gemeinschaft gefunden hat. Letzten Oktober, bei einer öffentlichen Diskussion zum Thema Nahrungsmittelsicherheit, stellte der Stanford-

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Biologe Paul Ehrlich fest, dass »Monsanto die meisten dieser Bauern in Indien getötet hat.« Ehrlich wurde auch berühmt durch seine Voraussage aus den Sechzigerjahren, dass eine Hungersnot über Indien hereinbrechen und innerhalb einer Dekade »Hunderte von Millionen Menschen verhungern« würden. Damit lag er nicht nur einfach falsch, die Weizenproduktion in Indien verdoppelte sich sogar zwischen 1965 und 1972. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass einhundertsiebzigtausend Inder jedes Jahr Selbstmord begehen – etwa fünfhundert am Tag. Obwohl sich viele indische Bauern umbringen, ist die Selbstmordrate in den letzten zehn Jahren laut einer Studie von Ian Plewis von der Universität Manchester nicht angestiegen. Tatsächlich ist die Selbstmordrate unter indischen Bauern geringer als die der anderen Inder und vergleichbar mit der französischer Bauern. Plewis stellte fest, dass »das Muster der Veränderung in der Selbstmordrate in den letzten fünfzehn Jahren für einen vorteilhaften Effekt von Bt Cotton für Indien als Ganzem spricht, wenn auch vielleicht nicht für jeden einzelnen Bundesstaat, in dem Baumwolle angebaut wird.« Dennoch schien es, als kannten die meisten Bauern, die ich in Maharashtra trat, mindestens eine Person, die sich das Leben genommen hatte, und alle waren sich einig über die Gründe: Es gibt kaum bezahlbare Kredite, keine soziale Absicherung und keine brauchbaren Programme zur Versicherung der Ernten. Die einzigen Bauern in den Vereinigten Staaten, die keine Ernteversicherung haben, sind die, die aus philosophischen Gründen jegliche staatliche Unterstützung ablehnen. In Indien steht man bei einer Missernte ganz allein da. Alle Bauern benötigen Kredite, aber die Banken geben sie ihnen nur selten. »Wir wollen unsere Kinder zur Schule schicken«, sagte mir Pawar. »Wir wollen besser leben, wir wollen Ausrüstung kaufen. Aber wenn die Ernte ausbleibt, können wir nicht zahlen.« In den meisten Fällen gibt es keine andere Wahl, als sich an Geldverleiher zu wenden, und in Dörfern wie Dhoksal sind das oft die gleichen, die auch das Saatgut verkaufen. Der jährliche Zinssatz

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auf Darlehen kann auf bis zu vierzig Prozent ansteigen, was sich wohl nirgendwo ein Bauer leisten könnte. »Ich bin ganz und gar uneins mit meinen Kollegen, die meinen, dass diese Selbstmorde mit Bt Cotton zu tun haben«, sagte mir Suman Sahai, als ich mit ihr in Delhi sprach. Sahai ist keine ideologische Gegnerin des Einsatzes genetisch veränderter Nutzpflanzen, aber sie glaubt, dass die indische Regierung sie schlecht reguliert. Dennoch, sagt sie, sei das Gere-

Der jährliche Zinssatz auf Dar­ lehen der Bauern kann auf bis zu vierzig Prozent ansteigen de von den Bt-Selbstmorden übertrieben. »Wenn man morgen die Erlaubnis zurückzöge, Bt Cotton anzubauen, würde das die Selbstmorde auf den Bauernhöfen stoppen?«, sagte sie. »Es würde nicht viel Unterschied machen. Studien haben gezeigt, dass unzumutbare Kredite und der Mangel an finanzieller Unterstützung für die Landwirtschaft die Ursache sind. Das ist wirklich kein ­Geheimnis.« Es wäre vermessen, verallgemeinernde Schlüsse über die komplexen finanziellen Umstände von Indiens zweihundertsechzig Millionen Bauern zu ziehen, nachdem man ein Dutzend von ihnen getroffen hat. Aber ich habe nichts gesehen oder gehört, das Vandana Shivas Theorie stützen könnte, dass Bt Cotton eine »Epidemie von Selbstmorden« ausgelöst hätte. »Wenn man jemand einen Lügner nennt, unterstellt das, dass die Person weiß, dass sie lügt«, erzählte mir Mark Lynas kürzlich am Telefon. »Ich glaube nicht, dass Vandana Shiva das unbedingt weiß. Aber ihre Ideologie und ihre politischen Überzeugungen machen sie blind. Deshalb ist sie so effizient und so gefährlich.« Lynas berät zur Zeit die Regierung von Bangladesch bei ihren Versuchen mit Bt Brinjal (Auberginen), einer Nutzpflanze, die, obwohl sie mehrfach von Fachleuten freigegeben wurde, vom Umweltminister in Indien abgelehnt wurde. Brinjal ist die erste genmodifizierte Nahrungspflanze in Südasien. Shiva schrieb vor Kurzem, dass das Projekt in Bangladesch nicht nur scheitern würde, es würde auch die Bauern umbringen, die daran teilnähmen.

»Sie ist sehr geschickt darin, wie sie ihre Kräfte einsetzt«, sagte Lynas. »Aber auf einer grundsätzlichen Ebene ist sie eine Demagogin, die die universellen Werte der Aufklärung ablehnt.«

Man kann schon lange nicht mehr über genetisch veränderte Nutzpflanzen sprechen, ohne über Monsanto zu sprechen, einem Unternehmen, das so umfassend verhasst ist, dass kaum eine Woche vergeht, ohne dass irgendwo auf der Welt gegen seine Macht und seine Produkte protestiert wird. Shiva hat wiederholt gesagt, dass dem Unternehmen der Prozess gemacht werden müsste wegen »Ökozid und Genozid«. Als ich Monsantos Vorstandsvorsitzenden Hugh Grant fragte, wie er mit solchen Vorwürfen umgehe, sah er mich an und schüttelte langsam den Kopf. »Wir sind ein Unternehmen, das auf Wissenschaft basiert«, sagte er, »ich bin sehr fest davon überzeugt, dass man ein wissenschaftliches Fundament braucht, sonst kommt man aus der Spur.« Es war ein ungewöhnlich heißer Tag in St. Louis, wo sich die Zentrale von Monsanto befinde. Grant trug kein Jackett und seine Hemdsärmel waren zur Hälfte aufgerollt. »Offensichtlich bin ich ein optimistischer Schotte«, sagte er mit einem Akzent, der von vielen Jahren in den Vereinigten Staaten gemildert worden war. »Sonst würde ich meinen Lebensunterhalt anders verdienen.« Grant betont oft die Notwendigkeit, Nutzpflanzen zu entwickeln, die weniger Wasser benötigen, und unterstreicht seit Jahren, dass GMOs allein die Welt nie ernähren könnten. Dennoch ist Monsanto den Markt für transgene Nutzpflanzen mit einem Eifer angegangen, der gelegentlich selbst den Befürwortern der zugrundeliegenden Wissenschaft Sorge bereitet. »Als die Technologie der genetischen Modifikation in den Kinderschuhen steckte, hatten viele Menschen Bedenken«, sagte Anne Glover, die führende Beraterin des Präsidenten der Europäischen Kommission kürzlich. Glover hält es für unethisch, genmodifizierte Nutzpflanzen zu ignorieren, wo andere Ansätze gescheitert sind. »Die Menschen haben

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immer noch Sorgen wegen genmodifizierter Pflanzen«, sagte sie. »Die meisten von ihnen sind unsicher, nicht wegen der Technologie, sondern wegen der Geschäftspraktiken im Agrifood-Sektor, der von multinationalen Unternehmen dominiert wird.« Sie sagte, dass diese Unternehmen die Kommunikation mit ihren Kunden deutlich verbessern müssten. Grant stimmt ihr in diesem Punkt zu. »Jahrelang hätten wir uns als Biotech-Unternehmen bezeichnet«, sagte er. »Wir sind so weit unten in der Nahrungskette … wir dachten immer, dass wir von dem, was im Regal landet abgekoppelt wären. Und wir sind es nicht.« Er stellte fest, dass in den letzten fünfzig Jahren die Verbindung zwischen den amerikanischen Bauern und ihren Kunden immer angespannter wurde, das aber jetzt anfing, sich zu ändern. »Die Menschen mögen uns hassen«, sagte er, »aber mittlerweile sprechen wir alle über dieselben Themen. Und das ist eine Veränderung, die ich begrüße. Ernährung und Landwirtschaft sind endlich Gesprächsthema.« Grant erzählte, dass er 2002 eine Studie in Auftrag gegeben hatte, die sich mit dem Gedanken auseinandersetzen sollte, den Namen des Unternehmens zu ändern. »Es hätte fünfundzwanzig Millionen Dollar gekostet«, sagte er. »Damals sah das nach Geldverschwendung aus.« Er machte eine kleine Pause. »Ich hatte die Entscheidung und beging einen großen Fehler.« Die allumfassende Besessenheit mit Monsanto hat eine vernünftige Diskussion von Risiko und Nutzen genetisch modifizierter Produkte schwierig gemacht. Es gibt viele akademische Wissenschaftler, die nicht für Monsanto oder andere große Unternehmen arbeiten und sich mühen, Nutzpflanzen zu entwickeln, die zusätzliche Nährstoffe enthalten, und solche, die Dürre, Überschwemmungen oder Bodenversalzung standhalten. Merkmale, die von den ärmsten Bauern der Welt dringend benötigt werden. Goldener Reis – angereichert mit Vitamin A – ist das bekannteste Beispiel. Mehr als einhundertneunzig Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden unter Vitamin-A-Mangel. Jedes Jahr erblinden bis zu einer halben Million von ihnen. Reispflanzen produzieren Beta-

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Carotin, die Vorstufe von Vitamin A, in den Blättern, aber nicht in den Körnern. Um Goldenen Reis herzustellen, haben die Wissenschaftler entsprechende Gene auch in die essbaren Teile der Pflanze gesteckt. Es wurde nie behauptet, Goldener Reis könne mehr sein als ein kleiner Teil der Lösung des Problems der Mangelernährung und die geistigen Eigentumsrechte liegen seit Langem beim gemeinnützigen International Rice Research Institute, das Forschern die Rechte kostenlos verfügbar macht. Dennoch ist der Reis nach mehr als zehn Jahren des Widerstands überall verboten. Zwei Ökonomen, einer von Berkeley und einer aus München, haben vor Kurzem die Folgen des Banns betrachtet. In ihrer Studie The Economic Power of the Golden Rice Opposition rechneten sie aus, dass keinen Goldenen Reis zu haben in den letzten zehn Jahren den Verlust von 1 424 680 Lebensjahren allein in Indien verursacht hat. (Anfang dieses Jahres wurden einige der weltweit ersten Testpflanzungen auf den Philippinen von Vandalen zerstört.) Der Bedarf an widerstandsfähigeren Nutzpflanzen war noch nie so groß. »In Afrika sind die Schädlinge und Pflanzenkrankheiten der Landwirtschaft so verheerend wie menschliche Krankheiten«, erzählte mir Gordon Conway, der zum Vorstand der African Agricultural Technology Foundation gehört. Er fügte hinzu, dass die Auswirkungen von Krankheiten wie die Pilzerkrankung Schwarze Blattmasern

Goldener Reis wäre ein Teil der Lösung des Problems Mangel­ ernährung (Black Sigatoka), das parasitäre Unkraut Striga oder die neu identifizierte Virus­ erkrankung Maize Lethal Necrosis, die alle die wichtigsten afrikanischen Nutzpflanzen angreifen, »in vielen Fällen mindestens so tödlich sind wie HIV und TB«. Jahrelang hat in Tansania eine Braunstreifenvirus genannte Krankheit den Maniok angegriffen, eine wesentliche Quelle für Kohlenhydrate in der Region. Forscher haben eine virusresistente Version des stärkehaltigen Wurzelgemüses entwickelt, die

jetzt in Feldversuchen getestet wird. Aber wieder war der Widerstand, teils von Shiva angeleitet, heftig. Mais ist die am häufigsten angebaute Grundnahrungspflanze in Afrika, aber er ist sehr empfindlich gegen Trockenheit. Forscher arbeiten an einer Sorte, die Striga und dem in Afrika endemischen Maisstrichelvirus widersteht, es gab vielversprechende Fortschritte bei Augenbohnen, die gegen Insekten unempfindlich sind, und bei mit Nährstoffen angereicherter Hirse. Andere Wissenschaftler arbeiten an Pflanzen, die den Bedarf an Stickstoffdünger erheblich reduzieren, und einigen, die gesunde Omega-3-Fettsäuren produzieren. Keines dieser Produkte hat es bisher geschafft, die regulatorischen Hürden zu überwinden, die von ihren Gegnern errichtet wurden. Als ich in Indien war, besuchte ich Deepak Pental, den früheren Vizekanzler der Universität von Delhi. Pental, ein eleganter, leise sprechender Mann, ist Professor für Genetik und einer der angesehensten Wissenschaftler des Landes. »Wir haben den Fehler gemacht, die genetisch modifizierten Produkte allzusehr zu promoten, zu sagen, dass es eine Technologie sei, die alle Probleme lösen würde«, begann er. »Der Hype hat uns geschadet.« Pental, der seinen Doktortitel an der Rutgers Universität in New Jersey erhalten hat, widmete einen großen Teil seiner Laufbahn der Forschung an Brassica juncea, Senfsamen. Senf und Raps, Brassica napus, sind eng verwandt. Senf wird in Indien auf sechs Millionen Hektar angebaut. Es gibt Teile des Landes, in denen die Bauern kaum eine andere Nutzpflanze anpflanzen. »Wir haben eine Sorte Senföl entwickelt, dessen Zusammensetzung noch besser ist als die von Olivenöl«, sagte er. »Es enthält viel Omega-3 und das ist für eine vegetarische Ernährung unverzichtbar« – keine unwichtige Überlegung in einem Land, in dem eine halbe Milliarde Menschen kein Fleisch essen. Die Schärfe, die die meisten Menschen mit Senf verbinden, wurde aus dem Öl herausgezüchtet, es enthält auch nur wenige gesättigte Fette. »Es ist ein schönes, robustes System«, sagte er und fügte hinzu,

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dass es mehrere erfolgreiche Versuche mit dem Senf gegeben habe. »Unsere gesamte Arbeit wurde mit öffentlichen Mitteln finanziert. Niemand wird jemals damit Profit machen, das war nie unsere Absicht. Es ist eine sichere, nahrhafte und wichtige Nutzpflanze.« Er wächst auch gut in trockener Erde. Nur, er wurde in einem Labor hergestellt und wird deshalb zwei Jahrzehnte später immer noch nicht eingesetzt. Nahezu zwanzig Prozent der Weltbevölkerung lebt in Indien. Aber das Land verfügt nur über fünf Prozent des Trinkwassers des Planeten. »Jedes Mal, wenn wir ein Kilogramm Basmatireis exportieren, exportieren wir fünftausend Kilogramm Wasser«, sagte Pental. »Das ist ein selbstmörderisches Vorgehen. Die Ernährung hat für uns keine Priorität. Wir exportieren Millionen Tonnen Sojamehl nach Asien. Die Japaner füttern damit Kühe. Der Nährwert dessen, was eine Kuh in Japan frisst, ist höher als der Nährwert, was ein Mensch in Indien isst. Das muss aufhören.« Pental bemühte sich, die Enttäuschung aus seiner Stimme herauszuhalten. »Weißer Reis ist das lächerlichste Lebensmittel, das Menschen anbauen können«, sagte er. »Es ist einfach nur ein Haufen Stärke, und wir füllen unsere Bäuche damit.« Er zuckte die Achseln. »Aber es ist natürlich«, sagte er und betonte ironisch das letzte Wort. »Daher kann es bei den Maschinenstürmern bestehen.« Vor Kurzem erklärte Shiva in einer Rede, warum sie Studien ablehnt, aus denen hervorgeht, dass genetisch veränderte Produkte wie Pentals Senföl sicher sind. Monsanto, sagte sie, habe einfach für falsche Geschichten bezahlt und »jetzt kontrollieren sie die gesamte wissenschaftliche Literatur der Welt«. Nature, Science und der Scientific American, drei weithin bewunderte akademische Publikationen »sind jetzt zu Erweiterungen ihrer Propaganda geworden. Es gibt keine unabhängige Wissenschaft mehr auf der Welt«. Monsanto ist zweifellos reich, aber es hat einfach nicht so viel Macht. Exxon Mobil ist sieben Mal so viel wert wie Monsanto, dennoch hat das Unternehmen es nicht geschafft, den wissenschaftlichen Konsens zu verändern, dass fossile Brenn-

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stoffe die wesentliche Ursache des Klimawandels sind. Die Tabakfirmen geben jedes Jahr mehr Geld für die Lobbyarbeit in Washington aus als Monsanto, aber es ist schwer, Wissenschaftler zu finden, die das Rauchen befürworten. Der Abstand zwischen der Wahrheit über genetisch modifizierte Organismen und dem, was die Leute darüber sagen, wird immer größer. Das Internet quillt über von Videos, die vorgeben, die Lügen über genetisch modifizierte Produkte zu entlarven. Mike Adams, der eine populäre Website namens Natural News betreibt, verglich kürzlich Journalisten, die sich kritisch mit AntiGMO-Aktivisten wie Shiva auseinandersetzen mit Nazi-Kollaborateuren. Der hartnäckigste Einwand gegen die landwirtschaftliche Biotechnologie und der am weitesten verbreitete ist, dass wir, indem wir DNS von einer Lebensform ausschneiden und sie in eine andere einspleißen, eine unsichtbare Linie überschritten haben und Lebensformen geschaffen haben, die anders sind als irgendetwas, was man in der Natur findet. Diese

Weißer Reis ist das lächer­ lichste Lebensmittel, das ­Menschen anbauen können Furcht ist zweifellos aufrichtig. Aber ein einfacher Gang durch den Supermarkt zeigt, dass nahezu jedes Lebensmittel, das wir essen, modifiziert wurde, wenn nicht durch Gentechnik, so durch traditionellere Zuchtmethoden oder durch die Natur selbst. Mais gäbe es nicht in seiner heutigen Form, wenn Menschen die Pflanze nicht kultiviert hätten. Die Pflanze wächst nicht in der Wildnis und würde nicht überleben, wenn wir plötzlich aufhörten, sie zu essen. Wenn es um die Medizin geht, sind den Amerikanern die Grenzen der Natur egal. Chirurgen nähen routiniert Herzklappen von Schweinen in die Herzen von Menschen, die Operation hat Zehntausenden von Menschen das Leben gerettet. Synthetisches Insulin, das erste genetisch veränderte Produkt, wird jeden Tag von Millionen Diabetikern angewendet. Um das Medikament herzustellen, fügen die

Wissenschaftler menschliche Proteine in ein gewöhnliches Bakterium ein, das dann in riesigen industriellen Bottichen gezüchtet wird. Gegen diese Fortschritte wird nicht protestiert. Im Gegenteil, die Menschen fragen danach und es ist anscheinend unerheblich, woher die Ersatzteile kommen. Wenn Shiva schreibt »Goldener Reis wird die Mangelernährungskrise verschlimmern« und dass er Menschen das Leben kosten werde, dann bestärkt sie die schlimmsten Ängste ihres hauptsächlich aus dem Westen stammenden Publikums. Viel von dem, was sie sagt, trifft den Nerv der vielen Menschen, die das Gefühl haben, dass profitorientierte Unternehmen zu viel Macht über die Nahrung haben, die sie essen. Die Argumente dieser Menschen sind durchaus stichhaltig. Aber Shivas Aussagen werden selten von Daten gestützt und ihr Standpunkt ähnelt oft mehr jenem eines Endzeitmystikers als dem eines Wissenschaftlers. Genetisch veränderte Pflanzen werden das Problem der Hunderten von Millionen Menschen nicht lösen, die jede Nacht hungrig ins Bett gehen. Es wäre viel besser, wenn die Nahrungsmittel der Welt auch eine angemessene Versorgung mit Vitaminen enthielten. Es würde auch den Völkern vieler von Armut gebeutelter Länder helfen, wenn ihre Regierungen weniger korrupt wären. Befahrbare Straßen würden mehr dazu beitragen, Defizite in der Ernährung zu verringern, als genetisch modifizierte Organismen es jemals könnten, ebenso eine angemessenere Verteilung der schwindenden Trinkwasserreserven der Erde. Keine einzelne Nutzpflanze und kein einziger landwirtschaftlicher Ansatz allein kann die Welt ernähren. Damit Milliarden Menschen nicht Hunger leiden müssen, brauchen wir jeden einzelnen davon.

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Meine Familie und ich (III)

Denk ich an Essen, denk ich an Sophia Loren von Nina Anika Klotz

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ie Geschichte von Essen und Familie, die ich gerne erzählt hätte, fängt mit einer Frau wie Sophia Loren an. Diese Frau wie Sophia Loren (in ein bisschen jünger) trägt ein perfekt geschnittenes Sommerkleid und eine kleine Küchenschürze um die Taille. Sie sitzt, nein, sie thront an einer langen Holztafel mit einer karierten Tischdecke im Freien unter einem knorrigen, alten Olivenbaum, drei wunderschöne, kastanienbraungelockte und schmollmündige junge Mädchen um sie herum und ein umwerfend gut aussehender Mann in den besten Jahren, Silberhaar und Glitzeraugen, neben ihr. Am anderen Ende der Tafel sitzt die Großmutter, stolz, streng und schön im schwarzen Kleid, daneben der Großvater, Hut und Stock mit Silbergriff, Sanftmut-Lächeln. In der Mitte des Tisches dampft eine Schüssel voll Spaghetti, links und rechts daneben Holzbretter mit Parmaschinken, Käse, reifen Feigen. Alle lachen (Grund egal) und dann beugt sich La Mamma über den Nudeltopf und schöpft La Familia Pasta mit Amore … Leider habe ich keine solche Geschichte zu erzählen. Denke ich an Essen und Familie, denke ich zu allererst an meine Oma. Oma und ihre ziemlich trockenen, böhmischen Serviettenknödel. Soweit ich mich erinnere, war sie immer recht stolz auf die, weil die nämlich ein Saug’schäft zu machen seien, wie sie beim Servieren gern betont hat. Und beim Essen. Und danach auch noch mal. Mir war nie ganz klar, warum sie immer ein bisschen vorwurfsvoll beim Erzählen vom Saug’schäft mit den Knödeln war, schließlich hatte niemand, wirklich niemand von uns sie gebeten, die zu machen. Und trotzdem gab es sehr oft bei Großelternbesuchen diese böhmischen

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Serviettenknödel, bis es irgendwie zu meiner Oma durchdrang, dass die Familie sie trocken findet. Gekränkt hat sie sie dann nie, nie wieder gemacht. Ich kann auch an meine andere Oma denken, eine Frau, ganz und gar nicht wie Sophia Loren, sondern sehr schmal, sehr klein, sehr trockenhumorig und eine bekennende Nicht-Köchin. Weihnachten gab es bei ihr immer, also seit ich denken kann, Kassler vom Feinkost Böhm in Stuttgart. Das hat sie mittags fertig gebraten dort abgeholt und wenn wir abends zum Essen kamen, lag wie das Jesu-Kindlein in der Krippe der in Alu gerollte Braten in ihrer blitzsauberen, weil kaum benutzten Küche. Kein Wunder ist auch ihre Tochter keine Sophia Loren mit Kochlöffel geworden. Die Signature Family Dishes

Selbst die TiefkühlpizzenAbende meiner Eltern haben so ein gewisses Etwas meiner Mutter sind in dieser Reihenfolge: Abendbrot, Müsli und Tiefkühlpizza. Aber Letztere ist etwas Besonderes und in unserer Familie für den Freitagabend reserviert. Obwohl mir schon seit einigen Jahren dämmert, dass das Leben weder ein Ponyhof noch wie im Film ist, enttäuscht mich das, wenn ich so darüber nachdenke. Gibt es denn wirklich so gar keine Ess-Romantik in meiner Familie? So gar keine Sophia-holt-alle-an-einen-Tisch­Momente? Die dampfende Pasta unter dem Olivenbaum und das große Glück, als Familie gemeinsam zu essen? Doch, die gibt es. Man muss nur ein bisschen genauer hinschauen, weil sie

vielleicht nicht so perfekt verpackt daherkommen. So gab es etwa vor den Serviettenknödeln immer eine Suppe bei meiner Oma. Eine Leberknödelsuppe. Eine richtig, richtig gute. Und das Beste war, dass immer eine Tupperschüssel voll damit auf dem Balkon zum Auskühlen stand, die wir nach dem Essen mit nach Hause nehmen durften. Bei der Beerdigung meiner Oma vor einem halben Jahr gab es diese Suppe auch. Wir waren ziemlich viele, die wir im kleinen Esszimmer meiner Großeltern saßen und Leberknödelsuppe gelöffelt haben. Und wir waren uns einig, dass ihr, der Oma, das nun ziemlich gut gefallen hätte – wir alle zusammen und ihre beste Suppe. Bei der anderen Oma gab es immer die besten Weihnachtsplätzchen der Welt. Weil meine Oma, die nicht kochte, natürlich auch nicht backte, wurde sie jedes Jahr von ihrer Nachbarin, einer Bilderbuchhausfrau, die elf Kinder großgezogen hat, mit Plätzchen versorgt. Nach dem Kassler sind wir an Heiligabend immer nach oben gegangen, um uns bei dieser Nachbarin zu bedanken. Wir saßen dann mit ihr und allen ihren Kindern und Enkeln, die gerade so da waren, am Tisch, die Erwachsenen haben Cognac getrunken und ich, ich habe einfach noch mehr der besten Plätzchen der Welt gegessen. Und wenn ich ganz, ganz ehrlich bin? Selbst die Tiefkühlpizzen-Abende meiner Eltern haben so ein gewisses Etwas. Ganz selten, wenn ich freitags zu Besuch bin, machen sie das nämlich immer noch, eine Tiefkühlpizza für jeden. Und es hat so etwas Gemütliches, etwas Warmes. Es fühlt irgendwie gut an – nach Familie eben.

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Der Knuthenlund Native Cooking Award 2014 Suchen, sammeln, Feuer machen: Wenn Sterneköche im Wald stehen Text & Fotos: stevan paul

Wie einst Robinson Crusoe: Erstmal die Insel nach Essbarem absuchen 58

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ehäbig schaukelnd suchen sich die beiden Linienbusse auf Sonderfahrt ihren Weg auf engen Waldpfaden, halten unvermittelt. Zischend öffnen sich die Bustüren, die Fahrgäste drängeln heraus, springen über moosbewachsene Gräben und verschwinden zügig im Dickicht des Mischwalds. Es sind Männer, die sich, mit Karten bewaffnet, den Blick zu Boden gerichtet, durchs Geäst schlagen. Knappe Rufe, Konzentration. Es ist der erste Tag des Native Cooking Award, der in diesem Jahr zum dritten Mal auf der dänischen Insel Lolland ausgetragen wird. Bei den Männern handelt es sich um Spitzenköche aus fünf Nationen, hier im Wald suchen sie nach Essbarem, notieren Fundstellen von Pilzen, Kräutern, Wurzeln und Samen. Die werden sie morgen brauchen, wenn sie auf Gut Knuthenlund gegeneinander antreten, um ein Drei-Gänge-Menü zu kochen aus dem, was die Natur rund um den Bio-Gutshof bereithält, jetzt im Spätsommer. Elf Portionen werden die Teams von jedem Gang kochen müssen, für die Jury und für die Presse. Das bedeutet: Sie sollten lieber viele Pilze, Beeren, Wurzeln und Kräuter finden. Als Chronist stehe ich ebenfalls im Wald und zwar im doppelten Wortsinn: Zwei bis drei mir unbekannte Pilze habe ich entdeckt. Das war’s, ob sie essbar sind – ich weiß es nicht. Auch am Meer waren wir heute schon, eine halbe Stunde rannten die Teams aus Belgien,

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Deutschland, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden durch Strandgras und Sand, studierten den grüngrauen Wattschlick, machten Notizen. Ich könnte schwören: Es gab nichts Essbares, dort am Strand. Doch zurück im Bus nickt mir der deutsche Teamchef Thomas Merkle (Restaurant Merkle’s Rebstock, 1*) beschwichtigend zu: Alles prima! Wer sich auf diesen Wettbewerb nicht mit Bestimmungsbüchern über die dänische Flora und Fauna vorbereitet hat, der ist verloren. Hinter dem Gutshaus gibt es einen Gemüsegarten und scheinbar sehr spannende Wiesen, irgendwo steht ein riesiger Bovist unter Apfelbäumen. Die Gastgeber

Spitzenköche aus fünf Natio­ nen suchen auf der Insel Lol­ land im Wald nach Essbarem Susanne und Jesper Hovmand-Simonsen spendieren hofeigene Ziegenmilchprodukte und ein Zicklein pro Mannschaft, heimische Produzenten liefern Kirschwein, Schnaps und Honig, noch in der Wabe. Gekocht wird draußen, Strom ist verpönt, das Drei-Gänge-Menü wird ausschließlich auf zwei Grills pro Mannschaft zubereitet, und die sind zu Beginn des Wettbewerbs am nächsten Morgen noch kalt. Ein strahlender Herbstmorgen ist das, Atemwölkchen stehen den Juryvorständen ­Catherine Fogel und Jakob de Neergaard vor dem Mund, als sie das ers-

te Team an den Start bitten, die Reihenfolge wurde ausgelost. Und … los! Überraschenderweise rennen die Franzosen sternförmig in alle Richtungen, nur einer schwingt sich auf eines der bereitgestellten feuerroten Fahrräder, um in die Wildnis zu radeln, die Fundort-Karte mit Notizen vom Vortag in der Hand am Lenkrad. Einer saust zum Fleischkühlwagen und schultert das Zicklein, der nächste rennt zu den Obstbäumen, kappt den Bovist – der ist schon mal weg. Ein Teammitglied baut derweil den Freiluftposten auf, Feuer wird entfacht, die Grills müssen laufen, jetzt! In vier Stunden wird serviert. Im Abstand von zehn Minuten starten die Teams und schon hier zeigen sich ganz eigene Strategien der Arbeitsaufteilung zwischen den Sammlern und den Leuten am Posten. Schnell füllen sich die Arbeitstische der Freiluftküchen mit leuchtend buntem Obst, Beeren, allerlei Pilzen und Wildkräutern, hier sind die Dänen jetzt schon eindeutig ganz vorn, die kennen alle Schätze ihrer Heimat und haben sogar lebende Taschenkrebse im Repertoire. Knochen knacken, an allen Posten wird konzentriert das Zicklein zerlegt. Für die deutsche Mannschaft erledigt das Nico Sackmann, Sohn des berühmten Jörg Sackmann (Restaurant Schlossberg, 2*), der sich längst selbst einen eigenen Namen gemacht hat. Bald simmert im Topf auf dem Grill ein Saucenansatz, nebenan garen rote Rübchen in Holunder-

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erzähltes leben

1 1. Apfel mit Frischkäsefüllung und Klee  2. Rote Rüben in Holundersaft  3. Thomas Merkle grillt Sellerie  4. Der Stiel des Bratapfellollis ist ein Zicklein­ knochen

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3 5. Der Preis bleibt in Dänemark, die Dame in der Mitte ist die Gastgeberin  6. Nochmal Ap­fel. Hier mit Speck und Beeren  7. Der Zickleinbraten in Tannengrün

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saft, Daniel Frey (Restaurant Jungborn, Bollants) schneidet filigrane Tatarwürfelchen. Mittlerweile herrscht Volksfeststimmung auf dem Gut, die Gäste stärken sich mit Bio-Grillwürstchen, schon früh schmeckt das formidable dänische Krenkerup-Bier. Der Braumeister ist Franke und braut nach dem deutschen Reinheitsgebot großartige tiefwürzige Biere. Hinter rot-weißen Absperrbändern drängelt

nen, erwartungsvoll werden Kulis gekaut. Was nun folgt, der Reigen der Vorspeisen, Hauptgänge und Desserts verschlägt nicht nur mir erstmal die Sprache: Opulent arrangierte Teller, denen man auch im Sternerestaurant nicht ansehen würde, dass sie auf zwei Grills entstanden sind und

Ganz großes Tennis: Die Dänen präsentieren einen Rollbraten vom Zicklein sich das Publikum, um den Köchen bei der Arbeit zuzusehen. Überall wird konzentriert gewerkelt, es gibt keinerlei Anzeichen von Stress, die Teams arbeiten ruhig, jeder Handgriff und die Kommunikation stimmen. Erstaunlich – bedenkt man, dass sich die überwiegend Michelin-Stern ausgezeichneten Teilnehmer im Vorfeld nur selten treffen und sich kaum darauf vorbereiten konnten, was genau ihnen die Natur am Wettbewerbstag bieten würde. Plötzlich geht ein Raunen durch die Menge, vereinzelt gibt es Applaus an der Kochstelle der Deutschen. Sebastian Bruns, Koch des Teamsponsors Deutsche See, war lange weg und macht seinem Arbeitgeber bei der Rückkehr alle Ehre: Im Fahrradkorb liegen zwei frische Aale, eine kleine Sensation, die anderen Teams geben sich unbeeindruckt. Die achtköpfige Jury, allesamt renommierte Kritiker, Food-Journalisten und Spitzenköche aus allen Teilnehmerländern, macht es sich im offenen Jury-Zelt gemütlich, ernste Mi-

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Gut knuthenlund Gut Knuthenlund ist immer einen Besuch wert, allein schon wegen der prämierten Käse, der Fleischund Wurstspezialitäten aus eigener Produktion und der wahrscheinlich besten Crème fraîche der Welt – alles erhältlich im großzügigen Molkereiladen des Gutes, www. knuthenlund.dk (deutschsprachi­ ge Informationen). Der nächste Knuthenlund Native Cooking Award findet statt vom 5.–6. September 2015, der Wettbewerb ist öffentlich.

übernachten in der nähe www.bandholmhotel.dk und www.maribo-soepark.dk

aus kulinarischen Fundstücken bestehen. Auch geschmacklich überzeugen die filigranen Kompositionen der Teams beinahe durchgehend. Perfekt gebratenes Fleisch, köstliche Honigrippchen, erstaunlich gute Saucen, ungekannte Geschmäcker und Kräuter, duftende Fonds und Süppchen. Ganz großes Tennis: Die Dänen präsentieren einen Rollbraten vom Zicklein, serviert in einem Nest von Kräutern und frischen Tannen – in denen drei Stücke Kohle glimmen! Das butterzarte, medium gebratene Fleisch wird aufgeschnitten, derweil der rauchige Duft von Tannen und Kräutern in die Nase steigt. Meisterhaft! Herausragend auch die Aalvorspeise der Deutschen, eine Komposition von heu-geräuchertem Aal, Ziegenfrischkäse-Pralinen, süßen Holundermöhren und Wildkräutersalat. Ich habe das Vergnügen, in die Journalisten-Jury berufen zu sein, teile mir mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich und Dänemark je einen Teller. Fünfzehn großartige Kompositionen dürfen wir mit Löffelchen und Messerspitze genießen. Und am Ende sind wir uns einig, die Journalisten-Équipe und die Jury selbst: Dänemark macht das Rennen und ist Sieger der Competition. Es ist keineswegs ein Ländervorteil, erstmals nach zwei Jahren geht der Pokal (wunderschöne dicke Holzbretter mit eingearbeiteter Schrift) ans Ausrichterland. Jubel im deutschen Team über einen verdienten 2. Platz, und auch ich bin plötzlich getragen von jener Begeisterung, die mich bei Fußball-Länderspielen immer etwas befremdet. Nächstes Jahr komme ich wieder. Besser vorbereitet.

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erzähltes leben

K äs e w i s s e n

Ein Hoch auf die erwachsene Milch

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ute drei Autostunden westlich von London ist die Landschaft von idyllisch wogenden grünen Hügeln geprägt, die Dörfer verströmen Miss-Marple-Charme, und mein Bed & Breakfast entpuppte sich als filmreifes Puppenstuben-Cottage. Die Konferenz zur Wissenschaft des handwerklichen Käses ist eine Peergroup-Aktion der britischen Hofkäse-Szene. Dass die im Vergleich zur deutschen einen bedeutenden Vorsprung hat, ist vor allem dem Engagement von Randolph Hodgson zu verdanken. Sein vor fünfunddreißig Jahren in London gegründeter Käseladen Neal’s Yard Dairy ist längst eine Institution. Das Neal’s-Yard-Dairy-Erfolgs-

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konzept basiert darauf, dass hier nicht nur die Kunden jeden Käse zum Verkosten bekommen, sondern das Team vorher mit den Produzenten, den Käsern, regelmäßig jeden Käse probiert und professionelles Feedback liefert. Hodgson hat sich nie nur als Händler gesehen, sondern war und ist für viele Käser Hebamme, Kummeronkel und Geschäftspartner in einem. In den letzten Jahren maßgeblich beteiligt an der systematischen Vertiefung der so gesammelten Kenntnisse ist Bronwen Percival, die dieselbe Mischung von wissenschaftlich exaktem Ansatz, Qualitätsbesessenheit und Begeisterungsfähigkeit zeigt wie Hodgson selbst. Die studierte Anthro-

pologin und Biochemikerin hat vor zwei Jahren die erste Ausgabe dieser Konferenz ins Leben gerufen. An Käsebegeisterung fehlt es mir nicht, aber etwas mulmig war mir dennoch auf dem Weg nach Somerset: Bei allem Interesse – wie viel würde ich überhaupt verstehen? Beim ersten Kennenlernen am Abend im Camelot Pub in Cadbury wurden diese Zweifel beiseite­ gedrängt: Hier waren all die Macher hinter den großartigen Käsen höchstpersönlich, das Who’s who der englischsprachigen Käsewelt! Unser Gastgeber war niemand Geringeres als Jamie Montgomery selbst, sein frisch aufgeputzter Familiensitz

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Fotos: Ursula Heinzelmann

Ursula Heinzelmann berichtet von einer außergewöhnlich aromatischen Konferenz im englischen Somerset


North Cadbury Court die DowntonAbbey-Kulisse der Konferenz. Endlich lernte ich seine ruhigen, ernsten Nachbarn George und James Keen kennen und die Crew von Westcombe Dairy, traf den immerfreundlichen Sam Holden von Hafod wieder (der zeigt, dass Cheddar auch in Wales großartig sein kann), verstand mich sofort bestens mit der schlagfertigen, unerschrockenen Mary Quicke (die dasselbe in Devon tut) und mochte auch Brendan Reade auf Anhieb, dessen Familie auf der Isle of Mull in Schottland Cheddar herstellt. Da war Mary Holbrook, die ich unmittelbar vor der Konferenz auf ihrem Hof in Timsbury besucht hatte (Ziegenkäse der Sonderklasse), Joe Schneider, der zusammen mit Randolph Hodgson den Stichelton, einen Rohmilch-Blauschimmelkäse, ins Leben gerufen hat (und zu später Stunde gefährlich gut aufgelegt sein würde), und das gesammelte Team von Neal’s Yard Dairy (ebenfalls in Hochstimmung). Doch damit nicht genug, auch aus den USA war Käse-Prominenz angereist, wie etwa Gianaclis Caldwell von Pholia Farm in Oregon (großartige Ziegenkäse!) und eine Gruppe von Jasper Hill, den KäseMachern, -Affineuren und –Logistikern in Vermont (Harbison! Cabot’s Clothbound!). Andere kamen aus Schweden, Australien, Irland … Allein das war es wert, dachte ich erleichtert, als wir bei Fish ’n’ Chips und Bier saßen, selbst wenn mich Bakterien, Enzyme und Keimzahlen überfordern würden. Außerdem waren da noch die für Käse Zuständigen von Waitrose, dem englischen Supermarkt der Besserverdiener, Marks & Spencer (für die Immernochgutverdiener) und Wholefoods, dem aus den USA erfolgreich über den Atlantik expandierten Edel-Bioladen. Vorerst ging es in der Diskussion nicht um Mikroben, sondern sehr praktisch ums Finanzielle: Preise und Gewinnspannen, Wertigkeit, Alleinstellungsmerkmale, die Unterschiede zwischen Wein und Käse diesbezüglich. »Damit euer Hofkäse nachhaltig sein kann, müsst ihr die Qualität, das Einzigartige eures Rohmaterials in den Mittelpunkt stellen«,

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sagte die Winzerin Diane Seysses von Domaine Dujac im Burgund, die als Gastrednerin eingeladen war, »nur dann erzielt ihr die nötigen Preise. Und dafür braucht ihr die Hilfe der Wissenschaftler und Forscher.« Am nächsten Morgen sprach Diana Seysses dann zunächst über die Parallelen zwischen Wein und Käse, hier wie dort müsste wirkliche Größe Raum für die Komplexität der Natur lassen, sie riet den Käsern, sich Zeit für Versuche zu nehmen und mit Kollegen auszutauschen … Im Vortrag von Marie-Christine Montel vom Nationalen Institut für Agronomieforschung in Clermont-­Ferrand, Frankreich, ging es um die Auswirkungen unterschiedlicher Formen der Euterhygiene auf die mikro­ bielle Vielfalt der Milch. An sich einleuchtend, aber im Detail hoch kompliziert. Zumindest begriff ich zum Schluss, dass sich verschiedene Melkmethoden auf den Käsecharakter auswirken, und wie wichtig möglichst große mikro­bielle Vielfalt ist. Montels Kollegin Nathalie Desmasures führte das fort, als sie über die Anstrengungen sprach, die in der Normandie unternommen werden, um die sensorische Komplexität handwerklich erzeugter Rohmilchkäse zu erhalten. Deren mikro­biologische Vielfalt gehe durch den Einsatz kommerzieller Kulturen (ähnlich den Reinzuchthefen beim Wein) kontinuierlich zurück, und man bemühe sich nun im Verbund mit den Käsereien, autochthone Mikrobenstämme zu isolieren, zu sammeln und ihre Bedeutung für den Käsegeschmack zu bestimmen. John Barlow aus Vermont sprach über das unter Milchkuhhaltern ständig aktuelle Thema Euterentzündung (eine Art Zivilisationskrankheit ertragsstarker Milchrassen), gefolgt von sehr aufschlussreichen Hinweisen von Dennis

Frische Landluft macht fit für das Kontrastprogramm

D’Amico von der Universität Connecti­ cut zum Thema Listeriose. Die besonders im Zusammenhang mit Rohmilch immer wieder genannten Listerien seien äußerst robust sowohl gegenüber Kälte als auch Salz, ein Befall trete daher oftmals erst nach der Verarbeitung auf. In Salzlake gelagerter Feta sei also ein ideales Umfeld, während die Fettsäuren in Blauschimmel- und Ziegenkäse eine Art Schutz darstellten. Besonders interessant im Kontext der in den USA geltenden gesetzlichen Pflicht, Käse aus Rohmilch mindestens sechzig Tage reifen zu lassen: Bei Käsesorten mit Oberflächenschimmel vom Camembert-Typ steigt das Listerienrisiko, je älter der Käse ist (und der pH-Wert höher) … Genau das richtige Thema, um die Diskussion während der Mittagpause anzuheizen. Da die FDA, die zuständige US-Aufsichtsbehörde, vor Kurzem auch die Grenzwerte für andere, als harmlos eingestufte Keime drastisch reduziert

Ich begriff, dass sich Melkmethoden auf den Käsecharakter auswirken

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erzähltes leben

Jamie Montgomery hatte für das Abendessen ein Kalb gemästet

hat, schlugen die Wogen hoch, sowohl bei amerikanischen Käsern als auch bei europäischen Importeuren. Mir wurde sehr bewusst, wie wichtig dieser Austausch für alle war, um als Handwerker gegen die Industrie­lobby eine Chance zu haben. Neben dem psychologischen Effekt sind dabei auch wissenschaftliche Argumente dringend vonnöten, wenn es etwa um das immer wieder umstrittene, angeblich hygienisch unhaltbare Material Holz in Verbindung mit Milch und Käse geht. Marie-Christine Montel stellte eine Studie zum Salers aus dem Massif Central in der Auvergne vor, einem urigen großformatigen AOC-Käse mit gewissen Parallelen zum Cheddar. Die Milch wird dabei traditionell ohne jegliche Erhitzung in großen Bottichen aus Kastanienholz verarbeitet. Die kommen über viele Jahre hinweg zum Einsatz und werden bei richtiger Pflege von Bakterienstämmen besiedelt,

Smalltalk über Käse funktioniert auch mit einem Bier

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die nicht nur den Charakter des Käses bestimmen und bewahren, sondern auch vor Krankheitserregern schützen. Wie beim traditionellen Alpkäsen sind die konsequente Verwendung von unbehandelter Milch, die Reinigung mit Molke und das Trocknen in der Sonne dabei wesentliche Faktoren, die von der Studie sehr eindeutig bestätigt wurden. Dann kam Rachel Dutton. Von ihr hatte ich schon gehört und gelesen, aber dass so viel fachliche Kompetenz so unkompliziert sein könnte … Die promovierte Mikrobiologin ist Mitte dreißig, steht mitten im Leben und hat ein eigenes Forschungslabor an der HarvardUniversität. Sie ist der Ansprechpartner für Foodfreaks wie Harold McGee, Jim Lahey und Dave Chang, wenn sie wissen möchten, was genau in Sauerteig und Gurkenfass passiert, und ihr Spezialthema (neben dem grundsätzlichen Interesse an der mikrobiologischen Seite von Lebensmitteln) sind Käserinden. Labormäuse nennt sie die einhundert­ siebenunddreißig verschiedenen Käse aus den USA und Europa, deren Oberflächen sie seit 2010 mit zwei Mitarbeitern genetisch untersucht und per DNA-Sequenzierung analysiert und katalogisiert. Rinden sind nicht nur Ausdruck dessen, was im Käse-Inneren vor sich geht, sondern beeinflussen dieses Geschehen auch. Wichtigste Erkenntnis der Studien: Anders als normalerweise im Labor treten Mikroben in der Natur nie einzeln auf, sondern in Gemeinschaften, und sie beeinflussen sich gegenseitig extrem stark. Das heißt, hinter ganz unterschiedlichen Käsen können die gleichen Arten stecken. Außerdem: Bakterien sind Sensibelchen, was die Zusammensetzung der Käse-WG betrifft, ihre Mitbewohner, die Pilze hingegen, scheren sich nicht groß um die anderen, sondern wachsen einfach munter vor sich hin.

Dutton hatte Namen für all die bunten Flecken auf den Käserinden! Ich hätte ihr stundenlang zuhören können. Sie zwang uns, die Dinge neu zu überdenken: Käse ist schmeckbare Landschaft, wie oft hatte ich das nicht schon geschrieben und gesagt. Und dabei die Vorstellung im Kopf gehabt, ein bestimmter Ort übersetze sich tatsächlich in einen bestimmten Käse – die Idee des Terroir, der wir beim Wein schon so lange anhängen. Doch da stand nun diese Frau und sagte: »Eigentlich gibt es alle Mikroben nahezu immer und überall.« Mikrobielle Zusammensetzung sei nicht geografisch gebunden, im Labor habe sie das gleiche Landschaftsbild auf Hartkäsen aus Kalifornien, Vermont und Frankreich gefunden. »Käser sind mikrobiologische Landschaftsgestalter, denn durch die Art des Käsemachens und -reifens, all die vielen einzelnen Entscheidungen, bestimmen sie, welche Mikroben dominieren und sich ausbreiten.« Menschliche Kultur war also viel wichtiger als die Natur? Oha … Jamie Montgomery hatte für das Abendessen ein Kalb gemästet, nach einer hervorragenden kalten Kräuterkohlsuppe kreisten große Fleischplatten durch den Saal. Diana Seysses hatte dazu Wein von ihrem Provence-Weingut Triennes mitgebracht, und natürlich gab es wie schon mittags großartige Käse – ein perfekt gereifter Greenham vom Ziegenhof Hillsfarm Dairy zog mich geradezu magisch an. Siobhán Ní Ghairbhith von St Tola, die im Westen Irlands Ziegenkäse macht, sah mir an, dass ich am Grübeln war, als wir uns an die lange, weiß eingedeckte und blumengeschmückte Tafel zum Abendessen setzten. »Als ich vor zwei Jahren hier war, kam ich mir wie die totale Ignorantin vor, vollkommen verloren«, sagte sie. »Doch schon damals war der Kontakt zwischen Käsern und Wissenschaftler so spannend, das erschien mir so wichtig, diese allmähliche Annäherung. Das setzt sich dieses Jahr fort, und diesmal erscheint mir alles schon ein bisschen ­verständlicher.« Das Essen und Trinken, die Gespräche und das Lachen zeigten ihre

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Wirkung: Als wir nach dem Kaffee erneut im Ballsaal saßen, da war das beinahe ein bisschen wie auf einem Familienfest. Allerdings mit ziemlich anspruchsvoller Unterhaltung: Mikroben und Rinden seien zwar sehr komplex, sagte Alan Kelly vom University College in Cork, Irland, aber beileibe nicht alles, um Milch erwachsen, also zu Käse zu machen. Ohne Enzyme – aus der Milch selbst, zum Dicklegen zugesetzt oder durch Mikroben gebildet – ginge gar nichts beim Käse, sie seien die biologischen Katalysatoren, verantwortlich für Reifung und Geschmacksbildung und anders als durch Hitze abzutötende Mikroben zähe Kerle. Außerdem verändere sich die enzymatische Aktivität der Milch ständig abhängig von der Jahreszeit, dem Futter, dem Gesundheitszustand der Tiere … Wie gut, dass auf seine Ausführungen der Praktiker Paul Thomas folgte und uns erklärte, wie entscheidend nicht nur der pH-Wert beim Käsemachen sei, weil er die enzymatische Aktivität der Milch widerspiegele, sondern auch die Korngröße des Käsebruchs. Winzige Faktoren an Temperatur und Zeit – ein offenes Fenster, eine halbe Tasse Kaffee mehr bei der Frühstückspause – seien genauso entscheidend wie ein halber Zentimeter beim Schneiden der dickgelegten Milch für einen Weichkäse. Kleinere Bruchkörner könnten zwar einen einheitlichen, elastischen Käse ergeben, aber mehr Geschmack habe der weniger schöne, mit ungleichmäßiger Reifung am Rand und im Inneren. Wie bei so vielem also ein Balance­a kt zwischen Form und Inhalt, und eine Erinnerung an uns Käsekäufer und -­esser, nicht nur auf die Optik zu achten. Umso mehr Anerkennung, weil er nämlich beides kombinierte, zollten wir dem Gorwydd, die Perfektion des Caerphilly von Trethowan aus Devon, der uns auf dem Mittagsbuffet am langen Holztisch in der hohen Tudorhalle erwartete, zusammen mit einer Riesenschale frischer Früchte, Salaten, Pork Pies … Wie passend, dass anschließend Bruno Martin vom INRA Clermont-Ferrand über Studien zum Einf luss verschiedener

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Futter­a rten auf die Käse­a romen berichtete. Experimente hätten gezeigt, dass die Milch unterschiedlicher Kuhrassen im Käse ebenso deutlich schmeckbar sei wie schlechte Silage im Futtertrog, die klar erkennbaren Vorteile und Eigenheiten von Alp-, Weide- und Heumilch aber durch Pasteurisieren beinahe annulliert würden. Selbst wenn er dann abschließend zugab, dass die Wissenschaft bis jetzt nur wenige dieser Zusammenhänge wirklich erklären könne, bestimmte sein Vortrag mein Fazit dieser intensiven zwei Tage: Viele Forschungsergebnisse bestätigen das über Jahrhunderte angesammelte empirische Käse-Wissen. Die Überprüfung dieses Wissens nach wissenschaftlichen Standards ist eine wertvolle Handhabe gegen Drohungen seitens der Aufsichtsbehörden, die sich oft eher an den Standards der Industrie orientieren. So wie Holz bei korrekter Pflege eine wichtige Rolle spielt, sind Tierrassen nicht austauschbar, ist Stall nicht gleich Weide, sind Marschen nicht Alpweiden. Wir sollten uns alle viel öfter an einen Tisch setzen, eine gemeinsame Sprache finden zwischen Forschung, Wissenschaft, Praxis, Genuss. Denn Milch und Käse auch in ihren Kleinstbestandteilen besser zu verstehen, bedeutet nicht zwangsläufig, sie zu langweiliger Makellosigkeit zu reduzieren, sondern den Mut zu haben, den Aktionsrahmen all der Käsemacher zu definieren und ihnen darin so viel Freiheit wie möglich zu lassen. Nun ist es ja nicht etwa so, als wüssten wir Deutschen nicht um die Käsetheorie. Ganz im Gegenteil: Molkerei­ wirtschaft und -technologie wird an deutschen Universitäten gelehrt. Technische Effizienz ist auch beim Käse Teil der deutschen DNA; große Men-

gen Milch in schnittfeste Haltbarkeit zu verwandeln, das lag und liegt dem deutschen Ingenieur. Deutschland ist mit Abstand der größte Milcherzeuger der EU-27 und mit etwa zwei Millionen Tonnen weltweit Käseproduzent Nummer zwei (nach den USA mit 4,9 Millionen Tonnen). Allerdings sind diese zwei Millionen Tonnen eher vom Typ Scheiblette und nicht gerade das, was die Cheese Crowd zum Tätowieren der muskulösen Oberarme bewegt. Nein, beim real cheese, also richtig spannendem Stoff, hinken wir in Käse-Deutschland ziemlich hinterher. Den wenigsten sind die mikrobiologischen Zusammenhänge gegenwärtig, die über unsere Vorlieben bei wirklich spannendem Käse entscheiden. Wir können verkostend beobachten, aber nur selten analysieren und verstehen. Warum läuft der eine Weich­k äse so schnell weg, während der andere selbst nach Wochen noch gummiartig fest bleibt? Warum schmeckt der eine so viel komplexer und besser als der andere? Welcher Schimmel sollte uns nervös machen, welcher ist ein Grund zur Freude? Selbst viele Hofkäser sind da oft am Rätseln – weil es eben keinen auf sie zugeschnittenen Lehrberuf gibt, der neben der Praxis auch die Theorie vermitteln würde, geschweige denn ein auf handwerkliche Käse abzielendes Studium. Für Jungwinzer ist heute ein Studium in Geisenheim, Weinsberg oder Bad Kreuznach ebenso selbstverständlich wie Winzerlehre und/oder -praktikum. Und dieses Profiwissen strahlt ab und sickert durch! Genau das muss beim Käse passieren, wenn es mit der echten erwachsenen Milch weitergehen soll, Hofkäsern ebenso cool (und finanziell nachhaltig!) werden soll wie das ­W inzern.

Technische Effizienz ist auch beim Käse Teil der deutschen DNA

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Tierliebe auf Irisch Die Dorfschlachterei im kleinen irischen Ort Lismore ist eine unter Feinschmeckern und Sterneköchen viel beachtete Institution. Ihr Rezept: sensationell gutes Fleisch Text: alexander Kasbohm  Fotos: Andrea Thode

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ie Schlachterei McGrath befindet sich in einem unscheinbaren Gebäude in der Hauptstraße des kleinen Ortes Lismore im Südosten Irlands. Nebenan ein Pub, der optisch deutlich mehr nach Aufmerksamkeit schreit und vermutlich wesentlich weniger Aufmerksamkeit verdient. Wie die meisten, die so laut schreien. Ein Schaufenster, eine graue Wand und darüber der Name McGrath in einer betont sachlichen Schrift. John McGrath, einunddreißig, begrüßt mich freundlich und führt mich am hölzernen Kassenhäuschen im Verkaufsraum vorbei, in dem seine Mutter Mary sitzt und gerade mit einer Kundin redet. Über unseren Köpfen läuft eine metallene Schiene an der Decke entlang. »Daran sind früher die Rinderhälften aus dem alten Schlachtraum nach vorne geschoben worden.« Wir gehen an

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der privaten Küche der McGraths vorbei durch den Flur, entlang der Deckenschienen. »Meine Familie hat die Schlachterei seit 1890 an diesem Ort, in diesem Haus. Bis vor Kurzem war dieses hier unser Schlachtraum«, er deutet in das kleine, graue Zimmer, das wir gerade betreten. »Vor einigen Jahren haben wir alles etwas modernisiert und ange-

Aufs Jahr gesehen, ist unser Fleisch nicht teurer als das aus dem Supermarkt baut.« Die Geschichte der McGraths als Schlachterfamilie reicht aber weiter zurück. »Meine Vorfahren waren wohl schon im 16. Jahrhundert Schlachter. Aber da waren sie noch nicht in diesem Haus.« John dreht sich zu mir um, während er vorausgeht. »Es gibt eine schöne Geschichte mit meinem

Urgroßvater. Der hatte sich damals, als Autos noch was ganz Neues waren, eins in Dublin bestellt. Der Verkäufer brachte es vorbei, und gab ihm die Schlüssel. Mein Urgroßvater fuhr eine Runde und fuhr immer wieder am Haus vorbei. Jedes mal winkte er, aber er hielt nicht an. Am Ende stellte sich heraus, dass er zwar wusste, wie man fährt, aber nicht, wie man das Ding anhält. So ist er gefahren, bis der Tank alle war. Das war schon auf dieser Straße, vor diesem Haus, in dem wir immer noch sind.« Er öffnet die nächste Tür und steht zwischen Rinderhälften und -köpfen, die von der Decke baumeln. »Wir hatten heute früh eine Schlachtung. Die Köpfe werden noch vom Tierarzt bei einer Post-MortemUntersuchung begutachtet, danach werden sie verbrannt. BSE.« Die Zungen, die noch an den Köpfen hängen, werden nach dem Tierarztbesuch noch abgeschnitten und

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Die wichtigste Investition, wenn Qualität auf den Teller soll: ­konsequente Handarbeit. Rechts: Mutter Mary kümmert sich ums Finanzielle

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Man ahnt, dass Mister Kearney nicht erst seit gestern schlachtet. Genau genommen tut er es seit 43 Jahren

gepökelt. An einem weiteren Haken hängen Lebern, Nieren und Talg. Auf dem Steinboden eine kleine, seltsam knallig rote Pfütze Blut, ansonsten deutet hier nichts auf ein nur wenige Stunden zurückliegendes Massaker hin. »Das Fleisch hängt in der Regel drei bis vier Wochen, bevor es verkauft wird. Deshalb verliert es beim Braten auch weniger Wasser als Fleisch aus dem Supermarkt.« Zuerst hängt es in diesem Raum, später wird es an den Metallschienen in andere Kühlräume verschoben, wenn hier das frische Fleisch hereinkommt. Vorbei an den herabbaumelnden Köpfen mit den herausbaumelnden Zungen geht es in den neuen Schlachtraum. Die Schlachtbox ist ähnlich gestaltet wie Boxen, die die Tiere aus den Wintermonaten in den Ställen kennen. »Wir versuchen, den Stress so gering wie möglich zu halten. Hier ist nichts, was die Tiere beunruhigen könnte, nichts, was ihnen unbekannt ist. Sie kom-

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men hier herein«, John McGrath hält sich an der Metallbox fest, »und dann ›Peng!‹«, er simu­l iert mit der Hand einen Bolzenschuss. Gut, geschlachtet werden ist nie schön, andererseits fehlt einer durchschnittlich intelligenten Kuh auch das Abstraktionsvermögen, um ein Konzept vom Tod zu haben und eine Angst davor aufzubauen. Familie McGrath verkauft ausschließlich Fleisch von Tieren vom eigenen Hof, auf dem bis zu zweihundert­

Es bringt nichts, so zu bleiben, nur weil man schon immer so war achtzig Rinder und hundertachtzig Schafe leben. »Wir züchten Hereford und Black Angus Rinder. Andere wachsen schneller, aber die beiden Rassen wachsen am besten. Das Fleisch bekommt eine schöne Marmorierung. Die Marmorierung ist immens wichtig für

die Fleischqualität und hängt in erster Linie tatsächlich von der Rasse ab. Man kann mit dem Futter ein wenig nachhelfen, aber wenn in der Genetik der Tiere die Marmorierung nur schwach ausgeprägt ist, wird man das mit dem besten Futter nicht ändern können. Die Aufgabe, einen traditionellen Betrieb auf der Höhe der Zeit zu halten, ohne den Charakter zu beschädigen, ist nicht leicht. Auf der einen Seite gilt es, sich neuen Anforderungen zu stellen – sowohl denen, die aus Brüssel kommen, als auch denen, die die fortschreitende Technik stellt. Ich frage John, wie man sich im Hause McGrath auf die Zukunft einstellt. »Es bringt nichts, so zu bleiben, nur weil man schon immer so war. Es bringt aber auch nichts, etwas zu ändern, nur um es zu ändern.«. Was wohl so viel heißt wie: »Wir beobachten aufmerksam, was passiert, und wenn es sein muss, dann bauen wir mal ein wenig um.« Durch die Schlachtraumtür

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Abhängen auf Irisch. John McGrath im Kreise seiner Liebsten

schaut vorsichtig ein älterer Mann herein. »Das ist Michael Kearney, unser Schlachter. Er ist seit dreiundvierzig Jahren bei uns.« John McGrath zeigt mir eine Handsäge. »Bis vor Kurzem hat er die Tiere mit dieser Säge zerlegt. Dann ­haben wir den neuen Schlachtraum gebaut, alles schön renoviert und diese wunderbare moderne Säge installiert.« Er zeigt an eine elektrische Sägevorrichtung unter der Decke. »Und was sagt er? ›Nehmt das Monster weg! Entweder die Säge geht, oder ich gehe!‹« John schmunzelt zu Michael hin­über. »Aber inzwischen hat er sich daran gewöhnt. Glaube ich.« Auf der anderen Seite gilt es, den Kunden das zu liefern, was sie gewohnt sind. Bei McGrath ist das hohe Qualität, nicht der günstige Preis. »Das mit dem Preis ist so eine Sache. Natürlich gibt es bei großen Supermarktketten wie ­Tesco immer wieder sehr günstige Lock­ angebote. Aber aufs Jahr gesehen, ist es bei uns nicht teurer als da.« Wir gehen wieder

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zurück Richtung Verkaufsraum und passieren die Rindsköpfe im Kühlraum. Ich frage John, was mit den Zungen passiert, wenn die Rindsköpfe verbrannt werden. »Das kann ich dir zeigen.« Wir gehen zurück in den Flur zwischen Schlachtraum und Verkaufsraum. Hinter einer Tür liegt ein weiterer Kühlraum, voller ­Schafsteile.

Binnen 30 Minuten betreten 2 Sterneköche das Geschäft. Kein schlechter Schnitt In einer blauen Plastiktonne liegen die Zungen in einer Lake. John McGrath fischt eine heraus, um sie mir zu zeigen. »Wir benutzen hier ein ganz altes Rezept. Die Lake besteht aus Wasser, Salz und Salpeter. Heutzutage ist Salpeter etwas aus der Mode gekommen, weil es andere Verbindungen gibt, die einfacher zu handhaben sind. Wie benutzen es aber weiter, weil wir genau

die salzige Süße bekommen, die wir haben wollen. Ohne dass sie zu salzig werden.« Ich frage ihn, wie es ist, den Laden mit seinem Vater zusammen zu führen. »Das funktioniert sehr gut«, sagt John. »Es funktioniert nicht immer gleich gut, aber alles in allem sehr gut.« Er lächelt. Wir gehen in die kleine Küche der Familie. Der Herd ist ein alter Aga. Inzwischen sehr beliebt beim englischen wohlhabenden Bildungsbürgertum. Bei Familie McGrath aber ein echtes, altes Stück, das in diese Küche gehört wie Mary und die Scones, die sie auf den Tisch gestellt hat. Mit Butter, Sahne und verschiedenen Marmeladesorten. Wir trinken Tee und schauen uns Bilder von Vater Michael an, der gerade bei einem Kunden ist. Seit Mary und er geheiratet haben, arbeitet sie an der Kasse und macht das Büro. »Sie kontrolliert das Geld, sie ist der Boss«, sagt John. Die Mitarbeit im Geschäft war damals selbstverständlich.

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So sieht ein ruhender Pol aus: Mutter Mary in ihrer Küche

Das ist heute anders. Immerhin hat Johns Freundin den Vegetarismus aufgegeben. Es muss also was Ernstes sein, selbst wenn Mary immer von »Johns gegenwärtiger Freundin« spricht. In der halben Stunde, in denen wir in der Küche sitzen, betreten etliche Kunden aus der Nachbarschaft das Geschäft. Und zwei Sterneköche. Was kein schlechter Schnitt ist. Insgesamt gibt es in Irland nur

Eine sehr illustre Familie in dieser bodenständigen, länd­ lichen Ecke Irlands zehn. Ein guter Kunde ist auch das Lismore Castle, irische Residenz des Duke of Devonshire. Da kommen regelmäßig königliche und politische Hochkaräter zu Besuch. Die Cavendish-Familie, die den Titel innehat, war immer eine der schillerndsten des britischen Adels. Die Schwester von Fred Astaire war mit einem Cavendish verheiratet und auch die kürzlich verstorbene Deborah, Dowager Duchess of Devonshire, die letzte der be-

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rühmten Mitford-Schwestern, die It-Girls des frühen 20. Jahrhunderts. Schwester Nancy war eine bekannte Schriftstellerin, Jessica kommunistische Journalistin, Unity eine Gesellschaftsdame und HitlerVerehrerin. Deborah selbst war nebenbei auch noch Schriftstellerin und Großmutter des Models Stella Tennant. Eine sehr illustre Familie in dieser bodenständigen, ländlichen Ecke Irlands. Und ihren Sonntagsbraten haben sie selbstverständlich bei McGrath gekauft. Oder kaufen lassen. Für so was hat man ja Personal. John nimmt sich einen Tee und spricht mit Collie-Dame Rosie, die uns Gäste aufmerksam beobachtet. »Sie ist noch ganz jung, hütet das Haus aber schon sehr gut. Manchmal etwas zu gut, dann müssen wir sie zurückhalten.« Ich frage ihn, ob es für ihn immer klar war, dass er eines Tages hier arbeiten würde, oder ob er sich auch hätte vorstellen können, irgendwo als Buchhalter zu arbeiten. »Ich hätte auch Kadett in der Army werden können und danach von der Pension leben. Aber das wäre in der Familie nicht gut angekommen.«

Er lächelt so sanftmütig, dass es schwerfällt, ihn sich als Soldat vorzustellen. Er sieht aber auch nicht aus wie jemand, der sich aufs Dasein als Jungpensionär zurückziehen würde. Er hat dann nach der Schule erstmal ein Bauingenieursstudium absolviert. Und es gab ja auch noch das Geschäft, die Familie und eine jahrhundertelange Tradition. Das baut schon einen gewissen Druck auf. »Na ja. Ich habe ja auch noch einen Bruder.« John krault den Hund abwesend. »Aber der arbeitet nicht hier im Betrieb.« Er trinkt einen Schluck Tee. »Der ist Buchhalter.« Rosie ist aus der Küche geschlichen und beobachtet uns jetzt durch das Küchenfenster vom Hof aus. John sitzt in der Küche, so selbstverständlich wie der Aga und die Mutter. »Sicherlich verspürt man eine gewisse Verantwortung vor der Tradition. Wenn ich an dieser Arbeit aber keine Freude hätte, wäre ich sicher nicht zurückgekommen.«  McGrath Butchers Main Street, Lismore County Waterford, Irland

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Gib mir

Digestifs

Nach dem Essen soll man sich bewegen. Oder ruhen. Am besten ist es natürlich, man hat einen triftigen Grund, tüchtig weiterzutrinken. Wir kennen mindestens 5 1. unicum

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Der verstorbene Ururenkel des Erfinders beschrieb den Charakter dieses ungarischen Kräuterlikörs ganz hübsch: »Unicum hat ein Etikett wie eine Medizin, die Form einer Anarchistenbombe und ist die Lösung des Problems der gesellschaftlichen Ausschweifung.« Erst mal auf der Zunge, zündet die Bombe in 3 Stufen: Am Anfang süß, dann kommen die Kräuteraromen und zum Schluss schmeckt man Orange. 0,7 Liter gibt‘s für ca. 14 Euro

2. Holunderlikör Ehringhausen

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Fotos: hersteller

In Werne in Westfalen trinkt man Korn. Am liebsten den Gu­ ten aus der Brennerei Ehring­ hausen, denn die ist ja gleich vor Ort. Das freut die Bren­ nerei Ehringhausen natürlich und sie hat ihre Kundschaft lieb. Deshalb schmuggelt sie manchmal auch etwas Obst in ihre Flaschen, damit die Freundschaft möglichst lange währt. In diesem Fall waren es Holunderbeeren. Das Ergebnis: ein fruchtiger Likör, vollstes Aroma und ein feiner Anklang herrlicher Bourbon-Vanille. Die Halbliterflasche holundert für um die 20 Euro zu Ihnen nach Hause. www.brennerei­ehringhausen.de

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3. fernet branca

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Schon die Lektüre der Zutaten­ liste hilft, wenn‘s im Bauch mal drückt: Enzian, Safran, Myr­ rhe, Kamille, Holunderblüten und 35 weitere der üblichen Verdächtigen. Der Bitterlikör wird seit 1845 in Mailand her­ gestellt und beruhigt Mägen auf der ganzen Welt. Für runde 12w Euro pro 0,7-Liter-Flasche auch den Ihren

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4. disaronno versace Drinnen: der berühmte italie­ nische Likör aus Mandel- und Aprikosenkernen, der so schön nach Marzipan schmeckt. Draußen: helles Blau und ein weiß-goldenes Versace-Motiv auf gehämmertem Glas. Sinn der Sache: den ersten Flach­ mann für die Versace-Hand­ tasche auf den Markt werfen. Nebeneffekt: Ein Teil der Ein­ nahmen kommt der Entwick­ lungshilfe zu. Lust auf so was? Die 0,5-Liter-Flasche gibt‘s für ca. 11 Euro

5. underberg Es war einmal ein Hubert Un­ derberg. Der reiste viel und aß sehr gern. Einzig die Tatsache, dass die Verdauungsschnäp­ se von Region zu Region so unterschiedlich schmeckten, machte ihm Bauchschmerzen. Das kann ich besser, sagte er sich, und mischte mit Kräutern aus 43 Ländern herum, bis er den König der Digestifs im Re­ agenzglas hatte. Das Schnäps­ chen hilft in der Tat schnell übern Berg. Den ziemlich po­ pulären Sherpa kann man für runde 80 Cent pro 20 ml aus jedem Kiosk tragen

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erzähltes leben

Professor Wolfgang Hantel-Quitmann lehrt Familienpsychologie an der HAW Hamburg

»Nein, deine Suppe ess ich nicht!« Foto: uli regenscheit

Ein uraltes Ritual, das gemeinsame Essen am gedeckten Tisch, steht in vielen Familien vor der Auflösung. Eine logische Folge des Wertewandels? Oder einfach nur Gedankenlosigkeit? Wir haben einen Fachmann gefragt Interview: Hans Kantereit

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ie gemeinsam in der Familie eingenommene Mahlzeit erlebt gerade einen Wertewandel. Psychologen reden auch von einem Übergang von der patriarchischen Familienmahlzeit zur pluralistischen Knabber­gesellschaft. Wie steht der Familien­psychologe zu so einer Entwicklung? Ich glaube, dass das Essen in der ­Familie eine zweifache Bedeutung hat: Die erste ist sicherlich Essen als gemeinsames Ritual, und die zweite ist, neben dem Nährwert, sozusagen die symbolische Bedeutung. Gemeinsames Essen hat für eine Gemeinschaft enorme symbolische Bedeutung. Aber erst zu den Ritualen: Familienrituale sind für den Zusammenhang einer Familie äußerst bedeutsam. Da geht es um die Identifikation der Gemeinschaft. Die unmissverständliche Aussage eines solchen Rituals ist Wir, die Familie Soundso bilden eine feste Gemeinschaft, und das ist eine wichtige Aussage. Insbesondere für Kinder sind Rituale etwas, was ich gerne als Geländer der Entwicklung bezeichne. Also etwas, an dem sie sich festhalten und orientieren können. Etwas, an dem sie sich verorten können, sich vergegenwärtigen, wo sie gerade stehen, wo der Ort ihrer Geborgenheit sich befindet, und einiges mehr. Deshalb sind Rituale äußerst bedeutsam. Kinder finden in der Hinsicht ihre eigenen Geburtstage natürlich sehr wichtig, genauso wie Weihnachten, aber so etwas wie gemeinsame Essenszeiten hat auch eine ganz wesentliche rituelle Bedeutung. In vielen Familien hat sich das allerdings mittlerweile vom Tagesrhythmus her in Richtung Wochenrhythmus verschoben, dann ist zum Beispiel das sonntägliche gemeinsame Frühstück etwas für alle sehr Wichtiges. Diese Bedeutung geht natürlich auch über das Essen hinaus, weil es die Gelegenheit bietet, zum Beispiel die kommende Woche vorauszuplanen und Verabredungen zu treffen. Und sich auszutauschen, zu fragen, was in der Schule los ist, Taschengeldfragen zu erörtern und vieles mehr. Familienrituale haben also für Kinder eine vielfältige Bedeutung und sind für ihre Entwicklung

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von enormer Wichtigkeit. Die Symbolik einer gemeinsamen Mahlzeit ist ganz eindeutig: Wir sind füreinander da, wir nähren einander, wir sind eine Vertrauensgemeinschaft, wir gehören zusammen. Das ist, kurzgefasst, die grundsätzliche Bedeutung gemeinsamer Mahlzeiten aus familienpsychologischer Sicht. Wenn wir die Familie mal ganz kurz verlassen: Bis ins 11. Jahrhundert hinein, heißt es, galt ein gemeinsames Essen als Vertragsabschluss. Dinge die bei Tisch besprochen wurden, bedurften keines weiteren Vertrages und keiner Unterschrift, sie galten als abgemacht. Das ist nicht mehr ganz so, aber ein gemeinsames Essen von zwei europäischen Staatschefs schafft es schon mal auf die Titelseiten. Die gemeinsame Mahlzeit gilt in der Soziologie als Urform des Beisammenseins und es heißt, es gäbe keine Form von Gemeinschaft, die derart verbinde. Worin liegt denn der Zauber der gemeinsamen Nahrungsaufnahme unter Menschen aus der Sicht des Wissenschaftlers?

Für Kinder sind Rituale etwas, was ich als Geländer der Ent­ wicklung bezeichne Es ist diese Symbolik von Privatheit, Verstehen, sich nahe sein. Ein gemeinsames Essen hat nun mal was Privates, was man später im politischen Kontext sehr gut nutzen kann. Es hinterlässt den Eindruck, die Politiker waren sich ziemlich nah, also können sie miteinander. Gibt es wissenschaftliche Spekulationen darüber, warum wir überhaupt so gerne gemeinsam essen? Immerhin bedeutet es mehr Verwaltungsaufwand, als wenn wir uns einfach schnell sättigen, wenn der Hunger kommt. Das ist dem Prinzip Familie geschuldet. Familien sind immer da, wo Kinder sind, und natürlich umgekehrt. Wenn Kinder klein sind, sind sie nicht in der Lage, sich zu ernähren. Das heißt, Nahrung ist immer ein fundamentaler Aspekt von Beziehungen. Ich nähre dich,

ich bin für dich da mein Kind. Das ist das familiäre Commitment. Bei einzelnen Erwachsenen sieht die Sache anders aus. Die kommen aus einer freien Wahl heraus zusammen und entscheiden sich, miteinander essen zu gehen. Wenn wir an Liebesbeziehungen denken, ist das gemeinsame Essen ein sehr deutliches Einstiegsritual in die Privatheit. Und im gemeinsamen Familienessen steckt eine existenzielle Komponente, weil ein Kind schließlich ernährt werden muss, da es selbstständig noch nicht überleben würde. Diese gemeinsamen Essen sind dann auch ein ganz besonders eindrückliches Bild, weil das Kind meist im Hochstuhl mit am Tisch sitzt. Das Kind sitzt damit während des Essens auf Augenhöhe mit den Erwachsenen. Das ist für Kinder eine ganz besondere Erfahrung von Gemeinschaft, Nähe und Genährtsein. Es ist sehr interessant, mal genau darauf zu achten, wie Kinder sich beim Essen verhalten. Kinder wollen immer das bekommen, was die anderen auch haben, und sie möchten auch bei den anderen mitessen. Kinder sorgen dafür, dass nicht jeder seinen Teller isst, sondern dass die Mahlzeit geteilt wird und jeder mal von jedem irgendwas probiert. Oft reicht es ihnen, wenn sie etwas von den anderen Tellern auf dem Hochstuhl liegen haben, ob sie es dann auch essen, ist eine andere Frage. Aber es unterstreicht nochmal ganz deutlich das gemeinsame ­R itual des Füreinander-da-Seins und ­Sich-gegenseitig-Nährens. Die Symbolik des Essens ist das emotionale Nähren. Es gibt in der Psychologie eine berühmte, schon etwas zurückliegende Untersuchung mit Rhesus­a ffen. Die hatten die Wahl zwischen einer Drahtmutter, bei der sie etwas zu essen bekamen und einer Kuschelmutter, bei der sie nichts zu essen bekamen. Und die Rhesusaffenbabys haben sich für die Kuschelmutter entschieden. Die emotionale Nahrung in unmittelbarer Nähe zur Mutter war ihnen also wichtiger als die faktische Nahrung. Das beleuchtet vielleicht ein wenig wie viel wichtiger für Kinder der emotionale Kontext beim gemeinsamen Essen ist als der rein kalorische.

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erzähltes leben

Kanadische Wissenschaftler haben Jugendliche unter die Lupe genommen, in deren Familien die gemeinsame

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Für uns: 4 Menschen bei Tisch. Für den Psychologen: Die Urform des menschlichen Beisammenseins schlechthin

Mahlzeit schon so gut wie abgeschafft ist. Sie befanden diese Jugendlichen als überdurchschnittlich ängstlich, aufbrausend und aggressiv und tatsächlich von allerlei Essstörungen betroffen. Wie erklären sich denn derart starke Beeinträchtigungen? Ein bisschen auch durch das, was ich gerade gesagt habe. Die Abgrenzung von Jugendlichen, die am gemeinsamen Mahl nicht mehr teilnehmen wollen, ist nicht in erster Linie eine Ablehnung des Essens, sondern eine Ablehnung der Beziehungen, um aus der Negation dieser Beziehungen zu einer eigenen Positionierung zu kommen. Den Jugendlichen muss klar werden, was sie eigentlich wollen, wer sie sind, was ihre eigene Kultur

Gemeinsames Essen fungiert unmittelbar als therapeuti­ sches Instrument ist und so weiter. Wenn diese Abgrenzung übertrieben wird, wenn sie zu früh vorgenommen wird oder wenn sie zu stark betrieben wird, dann verlieren die Kinder damit auch gleichzeitig viel von ihrem Halt. Wie ich vorhin erwähnte, ist Essen als Familienritual auch ein starker Anker für die Kinder. Für die betroffenen Familien bedeutet das, sie müssen die Angebote unbedingt machen, sie müssen das Kind auch weiterhin zum Essen ein­ laden. Sie müssen sagen Wir kochen für

dich mit und wir decken für dich mit. Wenn du nicht kommst, ist es deine Entscheidung, aber wir bieten es dir immer an. Ich glaube das ist aus der Sicht der Jugendlichen am Besten. Die Untersuchung zu dem kanadischen Beispiel, dass Sie genannt haben kenne ich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass diese Jugendlichen die Abgrenzung sehr stark übertrieben haben und ihre Familien das auch zusätzlich noch als Kränkung erleben. Man hat ein Familienessen vereinbart und der Jugendliche kommt einfach nicht, das kann die Familie sehr schnell als Ablehnung ihrer selbst verstehen. Das Kind erscheint nicht deshalb nicht, weil es die Bohnensuppe scheußlich, sondern weil es die Mutter blöd findet. Oder dem überstrengen Vater mal die Ablehnungskarte zeigen möchte. Es ist ja aber leider in der Tat so, dass bei Familienessen, je festlicher, desto doller, oft die ganz großen Themen auf den Tisch kommen. Bevorzugt auch die unschönen. Das ist in der Tat ein interessantes Gebiet. Es gibt in der Familiensomatik, wie wir den Zweig mal genannt haben, gerade bei Familien mit Magersüchtigen so etwas wie einen Family Lunch. Dort wird im Rahmen einer Therapiesitzung gemeinsam gegessen. Das Familienessen wurde da als therapeutisches Instrument eingebaut. Der Therapeut sagt Ihr esst

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Foto: iStock/Hulton Archive

Das tut es. Nun leben wir aber in einer Zeit, in der Kinder das Gefühl haben, sie könnten sich selbständig ernähren, sowie sie etwas eigenes Geld für Fast Food in der Tasche haben, und quasi daran mitarbeiten, dass die gemeinsamen Mahlzeiten verschwinden. Klingt das nicht ein wenig paradox? Da muss man sich vor Augen halten, dass die Entwicklungsaufgabe eines Jugendlichen tatsächlich die Ablösung ist. Und Ablösung ist auch Abgrenzung. Ganz in dem Sinne von Nein, deine Suppe ess ich nicht! Das heißt, die Kinder müssen von den Anfängen der Pubertät an, in der sogenannten Adoleszenzkrise, eine Ablösung vollziehen, und zu dieser Ablösung gehört auch die Einstellung Das, was ihr esst, werde ich nicht mehr essen! Das, was ihr denkt, denke ich nicht mehr! Was eure Werte sind, sind nicht mehr meine Werte. Und die schwierige Aufgabe ist nun für die Jugendlichen vom Nein-Sagen, von der Ablehnung der elterlichen Werte und auch des elterlichen Essens zu einer eigenen Meinung und eigenen Werten zu kommen. Sie müssen also auch eine eigene Esskultur entwickeln, wobei es nicht unbedingt darauf ankommt, dass ihre Nahrung besser schmeckt, sondern dass sie besser zu der Peergroup passt, weil die Peergroup nun mal die soziale Struktur ist, die demnächst die Familie ablösen soll. Im Extremfall resultieren aus dieser Abneigung gegen Esskultur schwere Essstörungen, beispielsweise die Magersucht. Bei der Magersucht läuft einfach ein besonders radikales Programm der Abgrenzung von der Familie. Die Erkrankung hat natürlich noch ganz andere Hintergründe, Autonomiekonzepte und Ähnliches, aber das Abgrenzungsthema ist immer mit dabei. Ich grenze mich ab von dem, was ihr esst, im Extremfall ess ich auch gar nix oder – im Fall der Bulimie – kotze ich es einfach wieder aus. Beziehungen, Ablösung aus Beziehungen oder Entwicklungen von Beziehungen spielen bei Essstörungen immer mit.


jetzt bitte mal miteinander, und ich schaue mir an, wie das hier abläuft. Nach dem Essen kann ich mit ziemlicher Sicherheit überlegen, welche Interventionen ich machen muss. Da fungiert Essen unmittelbar als therapeutisches oder diagnostisches Instrument. Der Therapeut kann recht schnell erkennen ,welche Beziehungs­ dynamik da bei Tisch am Werk ist. An großen Fesstagen, wenn sich ­Familienmitglieder wiedertreffen, die sich lange nicht gesehen haben, das kennen wir aus der Literatur und dem Leben, ist manchmal eine erstaunliche Beziehungsdynamik am Werk, da fliegen schon mal die Schüsseln durch die ­Gegend. Das ist wahr. Beim amerikanischen Weihnachten, dem Thanksgiving, wenn der Truthahn auf den Tisch kommt, unzählige Filme erzählen davon, da kommt die Familie mit Macht zusammen. Da steht alles still in den USA, und da passiert dann genau das, was bei uns auch an Weihnachten passiert: Zu viele Erwartungen, zu viele ungeklärte Konflikte, unterschwellige Reibereien, das alles vermischt sich mit einem riesigen Harmoniedruck und dann fliegen da regelmäßig die Fetzen und die Truthahnkeulen. Wenn man jungen Menschen beim Essen in der Öffentlichkeit zusieht, wird einem manchmal angst und bange. Da wird geschlungen, als stünde der Fressfeind mit der Keule direkt hinterm Tisch, der Kopf wird zur Seite geneigt, als gälte es, die Reißzähne, die wir längst nicht mehr haben, beim Zerlegen der Beute ins Spiel zu bringen und Ähnliches. Sind das schon die ersten Resultate der Tatsache, dass den Kindern der Vorgang des Essens größtenteils nicht mehr von Erwachsenen am gemeinsamen Tisch beigebracht wird? Also quasi Resultat des Verlustes einer passiven Esserziehung? Das ist möglich. Es gab ja bereits die große Diskussion um die Mikrowelle. Diese Erfindung wurde zeitweise verteufelt, weil das den Beginn eines sehr verlustreichen Prozesses an Familienritu-

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alen bedeutete. Auf Deutsch: Jeder macht sich kurz das warm, was er haben will, zu einer Zeit, die ihm gerade passt, morgens, mittags, abends, nachts, wodurch eine Individualisierung des Essens stattfindet, aber damit auch gleichzeitig eine gewisse Verrohung. Aber mittlerweile wird das Essen ja sogar schon vom Sitzen ins Gehen verlagert. Wir haben im Moment in unserer Kultur einen Fetisch von Gleichzeitigkeit. Das heißt, Multitasking ist das Allergrößte, will meinen, ich esse, ich höre Musik, vielleicht telefoniere ich

Wenn ungeklärte Konflikte auf einen riesigen Harmoniedruck treffen, fliegen die Fetzen auch noch dabei, ich lese, ich führe dabei den Hund aus und immer so weiter. Das ist, ein wenig ironisch formuliert, das Minimum was der moderne Mensch an Multitasking beherrschen muss, wenn er nicht unangenehm auffallen will, und das hat natürlich Konsequenzen. Aber mir fällt da gerade noch ein anderes Phänomen ein, das neuerdings häufig zu beobachten ist: Das Essen in der ­U-Bahn. Ich glaube, das ist nicht Ausdruck von Zeitdruck, sondern ich glaube, diese Menschen essen in der U-Bahn, weil sie nicht alleine essen wollen. Man muss dabei bedenken, dass zum Beispie, in Hamburg fünfzig Prozent der Haushalte Single-Haushalte sind. Die Menschen bringen sich ihren Kaffee und ihr Essen nicht mit in die Bahn, weil sie zu Hause zu nichts kommen, sondern weil sie gerne gemeinsam essen und zu Hause ist niemand. Deswegen nehmen sie ersatzweise in einer vollen U-Bahn Platz, dort können sie in Gemeinschaft essen und trinken. Nur weil es naheliegend scheint, gehen die meisten erstmal davon aus, dass diese Menschen so handeln, weil sie permanent gehetzt sind. Das sind die nicht. Sie sind nur im Normalfall alleine, und die einzige Gesellschaft, die sie zu Hause haben, ist das Frühstücksfernsehen. Und das ist natürlich eine relativ einseitige Angelegenheit, und so richtig zusammen ist man auch nicht. Also nehmen sie ihren ganzen Krempel, setzen sich zu

fünfzig anderen Leuten in den U-BahnWaggon und essen gemeinsam. Es finden sich garantiert in jedem Waggon Leute, die auch essen, und dann isst man auf diese Art und Weise plötzlich wieder in Gemeinschaft. Ich halte das für eine Kompensation von Familienstrukturen. Diese Vorstellung ist hübsch und tragisch gleichzeitig. Ein hilfloser Hilferuf. (Lacht) Ja, das ist mal eine neue Interpretation der Realität. Für mich ist es ja vollkommen in Ordnung, wenn die Leute in der Bahn was essen. Aber teilweise wird da sehr viel Intimität in die Öffentlichkeit getragen. Das geht nach dem Frühstück weiter. Dann sitzen da reihenweise junge Frauen und schminken sich. Sich zu schminken, ist allerdings fast eine intime Handlung. Wenn das plötzlich in aller Öffentlichkeit geschieht, dann fragt man sich doch, wie und wann das noch gesteigert werden wird. Es gibt Eltern, vor allem in den Großstädten, die erzählen, dass es, wenn sie gemeinsame Mahlzeiten in den Wochenplan der Familie einarbeiten, passieren kann, dass die Kinder satt zum Essen erscheinen und am Tisch ihr Smartphone nicht aus den Augen lassen. Läuft der Brauch der gemeinsamen Mahlzeit vielleicht Gefahr, von den Entwicklungen unserer Gesellschaft hilflos überrannt und ersatzlos gestrichen zu werden? Gemeint sind Fast Food an jeder Straßenecke, soziale Netzwerke, die in jeder freien Minute überwacht werden müssen, aber auch Eltern, deren Tagesablauf durch mehrere Teilzeitjobs komplett zerschossen wird und so weiter. Wir erleben tatsächlich gerade eine relativ starke Ökonomisierung unserer gesamten Lebenszusammenhänge. Es findet eine Auflösung von Arbeitszeit und Freizeit statt. Diese Grenzen verwischen gerade. Ab einer gewissen Gehaltsstufe gilt eine allzeitige Verfügbarkeitspflicht, man ist ja auch per Mail oder Smartphone jederzeit und überall erreichbar. Die alten Strukturen, die unseren Tag in Arbeitsphasen und Ruhephasen unterteilten, werden gerade aufgelöst. Deswegen

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impressum Redaktion Effilee Övelgönne 59 22605 Hamburg Telefon: +49 40 / 80 90 53 8-0 Fax: +49 40 / 80 90 53 8-22 info@effilee.de Herausgeber / Chefredakteur

Vijay Sapre Redaktion

Hans Kantereit Artdirektion

Karen Sapre Grafik

Ira Scholtze

glaube ich, dass es enorm bedeutend ist zu versuchen, allein mit der Familie in Ruhe zu essen. In meiner Familie zum Beispiel ist die Smartphone-Benutzung bei Tisch relativ stark sanktioniert. Auch die Freunde meiner Kinder wissen, dass Telefonrufe Sonntags um eins bei uns nicht gern gehört werden. Mein Vater hatte noch die Regel: Mittags um zwölf wird gegessen, ob gar oder nicht gar! Meine erwachsenen Kinder haben diesen Brauch übrigens übernommen, ­meine

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Andrea Thode Schlussredaktion

Thomas Rach Mitarbeiter dieser Ausgabe

Jennifer Mira Ackermann, Matthias Baum, Axel Biesler, Sebastian Bordthäuser, Markus Budai, Horst-Dieter Ebert, B. Haller, Ursula Heinzelmann, Alexander Kasbohm, Ingolf Klinder, Alexandra Klobouk, Nina Anika Klotz, Friederike Meltendorf, Mario Michaelis, Kai Mihm, Max Möger, Stevan Paul, Roger Pich Parcé, Pit vom Posten, Christoph Raffelt, Robert Rant, Rattelschneck, Stephan Reinhardt, Ingo Scheuermann, Nils Schiffhauer, Michael Specter, Sternefresser, Berverly Ann Thoma Verlagsleitung

Selma Gürüz Vertrieb

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Rituale überstehen Generatio­ nen, auch wenn sie zwischen­ durch unterlaufen werden Enkel sitzen auch wieder pünktlich bei Tisch. Daran kann man sehen, dass sich solche Rituale über Generationen fortsetzen, auch wenn sie zwischendurch abgelehnt oder unterlaufen werden. Irgendwann kehren die Kinder dann doch wieder dahin zurück, weil ihnen klar wird, dass es sich dabei um eine förderliche Form von Beziehungskultur handelt, an der wir festhalten sollten. Ich würde Eltern auch wirklich raten, dass die Smartphones beim Essen ausgeschaltet sind. Auch wenn der Zeitgeist gerade aus einer anderen Richtung weht. Ich habe mit großer Bestürzung wahrgenommen, dass die Fluggesellschaften gerade an einer Technik basteln, die es ermöglicht, überall im Flugzeug zu telefonieren. ­Einen Neun-Stunden-Flug nach New York kann ich mir unter diesen Umständen überhaupt nicht mehr vorstellen. Vollkommen unmöglich!

Blick wie ein Vorteil aussieht, umschlägt in einen Nachteil. Einen Nachteil mit sehr unerwünschten Folgen. Sie meinen unerwünschte Folgen wie zum Beispiel das infernalische Mobilfunkgequatsche, das oft hauptsächlich um des Gequatsches willen veranstaltet wird? Das gehört dazu. Meine Familie zum Beispiel hat WhatsApp. Alle in der Familie. Ich mach das nicht mit. Ich habe allen gesagt, wenn du mit mir etwas zu klären hast, erwarte ich zumindest einen Telefonanruf. In dieser WhatsApp-Welt wird eine Art von Comicsprache benutzt, mit jeder Menge TOLL, YEEÄÄH HUU, HAAA, JIPPIIIE; ich seh dann immer schon die Sprechblasen vor mir. Vielleicht bin ich da etwas konservativ, aber wenn man bestimmte Beziehungsstandards einhalten will, muss man miteinander reden, eine gewisse Kommunikationskultur pflegen, sich bei Problemen zusammensetzen und von Angesicht zu Angesicht über die Dinge reden. Diese Kultur muss man mittlerweile allerdings tatsächlich schon offensiv verteidigen, ansonsten geht sie unter in all dem Verlust an guten Ritualen und Ritualisierungen. Das ist nicht im Geringsten konservativ. Das sagen Sie so dahin. Wenn meine Kinder bei diesem Gespräch dabei wären, würde ich ganz schön was zu hören kriegen. Papi, du hast keine Ahnung, wäre da noch das Harmloseste.

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Technisch ginge es leider schon. Viele Fluggesellschaften sind aber zum Glück noch zögerlich, weil sie ähnliche Probleme sehen wie Sie. Wir haben im Moment noch die Wahl, ob wir das, was technisch möglich ist, aus gewissen ethischen oder zeitökonomischen oder familiären Gesichtspunkten in die Tat umsetzen oder nicht. Wir müssen uns sehr genau überlegen, wie wir mit all diesen Möglichkeiten umgehen. Wie weit wir sie wirklich nutzen und an welcher Stelle das, was auf den ersten

Zuletzt erschienen: Wolfgang Hantel-Quitmann, Basiswissen Familienpsychologie, Klett-Cotta, 320 Seiten, 34,95 Euro

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Erzähltes Leben

Meine Familie und ich (IV)

Kleine Garten­ straSSe 13 von Friederike Meltendorf

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enn meine Großtante bei meiner Oma zu Besuch war, sagte meine Mutter immer: »Da riecht es heute wie Kleine Gartenstraße 13.« Für mich roch Kleine Gartenstraße 13 ungeheuer lecker. Eigentlich nach Sauce. Sauce mit Kartoffeln. Mein Leibgericht als Kind. Fleisch ließ ich liegen und aß Kartoffeln mit Sauce. Aber die Sauce, nach der es hier roch, roch noch anders als bei uns. »Das riecht nach Mehlschwitze. Und Mehlschwitze macht dick.« Mehlschwitze war zwar kein schönes Wort, aber wenn das so lecker roch, musste es lecker sein, egal wie es hieß. Doch ich würde es nie zu schmecken kriegen, denn es standen dort keine Töpfe mit Resten herum, nur der verrufene Geruch lag in der Luft und ließ mich die Kleine Gartenstraße 13 in Brandenburg, in der mein Vater als Kind die Nachkriegszeit erlebt hatte, als himmlischen Ort imaginieren, als einfachen und schlichten, mit schön viel Fett und vielen Kartoffeln. Ein anderes schlichtes Lecker aus Kindertagen ist heute mein garantiertes Comfort Food – einfach und garantiert ein Wohlgefühl erzeugend: Spaghetti mit Tomatensauce. Nicht ein einziges Mal bekam ich in der Kindheit Miracoli, aber jeden Samstag gab es Spaghetti mit Tomatenhackfleischsauce. Bolognese würde ich es nicht nennen. Mein Vater legte besonderen Wert darauf, dass das Fleisch nicht kurz und klein gerührt wurde, sondern in halbgroßen Flatschen daherkam. Das lernte ich, als er mich in die Kunst des samstäglichen Spaghettikochens einführte. Und

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noch heute fällt es mir schwer, Hackfleisch für eine Bolognese kleinzustampfen. Der Grund, warum es samstags immer Spaghetti gab, war, weil mein Vater immer samstags kochte. Was als Es nicht besser Wissen begann, wurde irgendwann zum von allen geliebten Kult. Samstage ohne Spaghetti nicht vorstellbar. Mit Genuss zutschten und drehten und stopften wir die langen Nudeln in den Mund, eine Gabel das einzige Werkzeug. Im Grunde wie die Schweine, an einem Tisch, an dem sonst pingelig auf Tisch­ sitten geachtet wurde. Bei anderen zu Hause fand ich immer Löffel und Gabel und fand mein Elternhaus extrem unchic, weil es nur eine Gabel gab. (Erst Jahre spä-

Wir aßen wie die Schweine, an einem Tisch an dem sonst auf Tischsitten geachtet wurde ter merkte ich, dass es in Italien immer nur Gabeln für Pasta gibt und dass das ordnungsliebende Deutschland das einzige Land ist, wo man Löffel und Gabel zu Nudeln erfand. Meine Eltern waren also coole Italienkenner!) Nach dem samstäglichen Mittagessen kam die Mittagsruhe. Als Kind von mir gehasst, später ein Teil des Kults, wobei ich, die ich schlafen noch nie besonders schätzte, irgendwann in die Küche schlich, um erkaltete Spaghetti zu naschen. Noch immer liebe ich es, Stunden nach dem Essen kalte Spaghetti aus dem Durchschlag zu fischen. Ein Geschmack, der gute Synapsenschaltungen im Emotionsgehirn anwirft.

Nudeln wurden bei mir wie bei vielen meiner Generation zu einem Grundnahrungsmittel, und wie durch Zufall samstags oft mit Tomatensauce, unterdessen ohne Hackfleisch. Das wurde zunächst auch von niemandem angezweifelt: Wer mich kannte, kannte die Lex Samstag. Irgendwann lernte ich einen Mann in einer anderen Stadt kennen, der mich oft zum Essen ausführte, was ich ihm aufgrund eines schmalen Geldbeutels in meiner Stadt nicht bieten konnte. So sagte ich dann irgendwann aus einem Schuldgefühl heraus, aber dennoch keck: »Okay, bei dir gehen wir immer essen, und wenn du zu mir kommst, koch ich für dich.« Und dann er wenig begeistert: »Und dann gibt’s Nudeln mit Tomatensauce.« Er konnte nicht wissen, wie diese Ohrfeige saß. Und ich sagte es ihm in dem Moment auch nicht. Verletzter Stolz. Auf Nudeln. Irgendwann sagte jemand in diesem Kontext: »Es gibt ja auch nichts besseres als Pasta mit einer guten Tomaten­ sauce.« Und da wandelte sich der beleidigte Stolz in einen selbstbewussten: Ja, meine Tomatensauce ist echt genial. Unterdessen gibt es sie nicht mehr unbedingt samstags, diese Pasta, aber immer dann, wenn etwas schreit: Her mit dem Wohlgefühl – oder wenn es schnell gehen muss. Übrigens: Als mir zwischendurch Spaghetti zu banal waren, wurde ich Meisterin im Lasagnekochen, ich lernte sogar, eine ordentliche Bolognese zuzubereiten. Und vor allem lernte ich die Kunst der Mehlschwitze, denn ohne Mehlschwitze keine Bechamelsauce – aber nach Kleine Gartenstraße 13 roch das nicht mehr.

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Erzähltes Leben

Schneller Teller #4 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Würzfleisch für 4 Personen Ich polarisiere da absolut: Würzfleisch ist Kult. Und wenn es selbstgemacht ist, oft meine erste Wahl. Basta. Koch es, Stevan! 1 Zwiebel 50 g Butter 15 g Mehl (Typ 405) 150 ml kalte Gemüsebrühe 100 ml Schlagsahne 250 g Kalbsschnitzel 1 dicke Scheibe echter Koch­ schinken (ca. 250 g) Salz, Pfeffer ½ TL getrocknetes Bohnenkraut 1 Msp. Paprikapulver, edelsüß

½ Bio-Zitrone 120 g geriebener Gruyère-Käse ½ Bund Petersilie 4 Scheiben Toastbrot Worcestersauce Dresdner Art 1. Zwiebel fein würfeln. Die Butter in einem großen Topf erhitzen und die Zwiebel darin glasig dünsten. Mit Mehl bestäuben, das Mehl einrühren. Den Topf vom Herd nehmen und erst die Brühe, dann die Sahne unter ständi­ gem Rühren mit einem Schneebesen nach und nach einfließen lassen. Unter Rühren aufkochen, dann unter Rühren 5 Minuten dicklich einkochen. 2. Das Fleisch und den Schinken fein würfeln. Die Sauce mit Salz, Pfeffer, Bohnenkraut und Paprikapulver würzen.

Aufkochen, die Fleischwürfel unter die Sauce rühren und einmal aufkochen. 1 TL Zitronenschale fein abreiben und mit einem Spritzer Zitronensaft unter das Ragout rühren. 3. Das Ragout in Portionsschälchen oder kleine tiefe und feuerfeste Teller verteilen und mit Käse bestreuen. Unter dem Grill des Backofens in ca. 3 Minu­ ten goldbraun gratinieren. Mit frisch ge­ hackter Petersilie bestreuen. Toastbrot toasten und mit dem Würzfleisch sowie Worcestersauce servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissens­ wertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Erzähltes Leben

Der Tisch wird niemals leer in den Bergen von Ratscha Georgien ist reich an Legenden, Künsten und vor allem Genüssen. Unsere Autorin hat das Land bereist und war überwältigt von der Herzlichkeit, der Gastfreundschaft und den gefüllten Teigtaschen. Das Rezept für Letzteres konnte sie außer Landes bringen Text & Fotos: jennifer mira ackermann

Georgien mag ein armes Land sein, das tut der ­Lebensfreude aber nicht den geringsten Abbruch. Nähert sich auch noch eine ausländische Autorin, fährt die Küche großes Geschütz auf

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er kleine russische Militärjeep, in den wir uns zu siebt neben- und übereinander hineingequetscht haben, klettert mühselig den Berghang hinauf. Die Straße, die eher an ein ausgetrocknetes Flussbett erinnert, zieht sich immer weiter hinein in die satten Berge von Ratscha im Westen Georgiens. Wir sind auf dem Weg zur Familie von Tiko, unserer Übersetzerin. Der Fahrer muss stehen bleiben, weil ein wildes Schwein

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nicht von der Straße weichen will. Im Tal liegt Oni, ein Dorf von circa zweitausend Einwohnern, dahinter der Kamm des Kaukasus und die Ausläufer Südossetiens. Die ruckende Fahrt geht weiter. Als wir ankommen, erwarten uns sämtliche Nachbarn der umliegenden Häuser und helfen uns ungefragt, die vielen Plastiktüten voller Lebensmittel durch den Vorhof, vorbei an dem Hausschwein mit seinen Ferkeln, zu Tikos Familie zu

tragen. Ich fühle mich, als sei ich zu Hause angekommen, als Tamara, Tikos Tante, mich wuchtig an sich drückt. Wir stehen unter einem Dach von wildem Wein und blicken über das Tal. Der Ofen steht im Freien, es wird sofort angefangen zu kochen, Tische werden zusammengeschoben und Stühle aus dem Haus durchs Fenster auf die ausladende Terrasse gereicht. Wir sind zu zehnt, gedeckt wird für zwanzig. Giorgi, Tikos Onkel, hat früher als

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Polizei­chef genügend Geld verdient, um das zweistöckige, große Haus bauen zu können, das einen verzaubert mit der kolonialistisch anmutenden Veranda im oberen Stockwerk und den Metallbetten, die aus dem Englischen Patienten stammen könnten. Mittlerweile ist er arbeitslos und das Vermögen aufgebraucht, für ­Feste und Feiereien. Von solchen Sopas mit bis zu sechshundert Gästen ist die Rede, eingeladen wurden alle, die gesamte Familie, Freunde. Es ist angenehm kühl, die Luft ist klar und riecht nach Spätsommer und dem Holz, das den Ofen befeuert. Das Wasser schmeckt frisch und süß, kommt direkt aus dem Berg und wird weiter unten im Tal irgendwann in den Rioni, einen der längsten Flüsse des Landes münden und weiter durch die Kolchische Tiefebene ins Schwarze Meer. Auch wenn dieses faszinierende Land so reich ist an Legenden, Künsten und Genüssen, die jeden Genießer sofort für sich einnehmen, leben viele Georgier an und unter der Armutsgrenze. Der einstige Exportschlager Tee hat seinen Ruhm eingebüßt und auch mit Wein – Georgien kann auf eine mehrere tausend Jahre alte Tradition des Kelterns zurückblicken – lassen sich keine großen Exporterlöse erzielen. Hinter dem Haus wachsen Mais und mehrere Obstbäume, die apfel- und pflaumenähnliche Früchte tragen. Die Letzteren kocht Tato, deren Haus nicht weit entfernt liegt, nur mit Wasser und ein paar Kräutern, die ich nicht kenne, ein und erklärt uns, dass die saure Marmelade, die Tkemali heißt, mit dem luftigen, mozzarella­ ähnlichen Käse Sulguni gegessen wird. Der Käse ist fest und weich zugleich und sieht aus wie ein Schwamm mit seinen vielen Luftlöchern, beim Kauen quietscht er ein bisschen wie Haloumi. Zusammen mit der Sauce macht sich ein sauer-würziger Geschmack in meinem Mund breit, der mich an nichts erinnert, was ich jemals vorher gekostet habe. Das kann auch an den Kräutern liegen. Georgien hat eins der höchsten endemischen Artenvorkommen in der Pflanzenwelt weltweit, unter den dreizehn-

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tausend unterschiedliche Pflanzenarten des Landes sind ungefähr vierhundert wilde, ortsspezifische Pflanzen und Früchte, die nirgendwo sonst zu finden sind, darunter auch eine der ältesten Weinreben der Welt. An einem Hang in Imeretien, in der Nähe der Kolchisebene, soll sie wachsen. Schon Jason und die Argonauten rasteten dort und genossen Wein im kühlen Schatten des Buchenhains. Dato, der Neffe Giorgis, reicht mir ein Glas des hausgemachten Weins und erklärt mir, dass der Verschnitt von Weinen verschiedener Sorten und Herkunftsorte in Georgien traditionell verboten ist. Bei den Selbstgemachten solle ich allerdings aufpassen, nicht selten

Der Stolz auf die eigene Kultur ist ansteckend, ich fühle mich hingezogen zu diesem Land werden sie mit Zucker und dem Kartoffelschnaps Chacha, der auch selbsthergestellt wird, versetzt und das Gesöff spürt man noch Tage nach dem Verzehr. Mich faszinieren die gegenüberliegenden wuchtigen Bergspitzen, auch weil mein absolut liebstes georgisches Gericht aus den Bergen stammt. Khinkali! Das sind kunstvoll gearbeitete, gefüllte Teigtaschen, die aussehen wie kleine Zelte und gedämpft werden. Die Füllungen variieren je nach Region, am häufigsten ist eine intensive Mischung aus Schweine- und Rinderhack, mit Kräutern und viel Koriander. Der Inhalt ist besonders zart, weil er in seinem eigenen Saft gegart wird. Die Flüssigkeit bleibt in der Tasche, in die man an einer Ecke beißt, aus der der köstliche Saft zuallererst herausgeschlürft wird. Dato zeigt mir, wo der Pass nach Südossetien führt. Die anhaltenden Konflikte in Abchasien und Südossetien, die auch nach dem Ende des Bürgerkriegs 1994 kein Ende fanden, erschüttern immer wieder das Land. Beide Regionen werden weiterhin von Georgien nicht als unabhängige Staatsgebiete anerkannt. Tato, die mitgehört hat, stellt sich dazu, sie ist achtzehn Jahre alt und geht in der Haupt-

stadt Tbilisi zur Schule. Sie ist eine der wenigen Georgier, die ich bisher getroffen habe, die Englisch spricht. In der Schule lernen die meisten neben der Landessprache Russisch. Englisch hat sie sich selbst beigebracht, sie liebt Mangas und erzählt, dass sie mit elf Jahren miterlebt hat, wie das kleine Dorf Oni von Explosionen erschüttert wurde und russische Panzer einrückten. Wir schauen gemeinsam in das Tal, über das sich die ruhige Abenddämmerung legt und der Rioni reißend und kontinuierlich strömt. Die politische Lage ist schwierig und ungeklärt, viele Menschen befanden sich auf der Flucht und kamen bei den Auseinandersetzungen ums Leben, trotzdem ist die Verbundenheit der Menschen mit Land und Leuten enorm. Dato ging nach Kanada, wo heute noch seine Frau und Tochter leben, er ist zerrissen, aber noch einmal will er Georgien nicht den Rücken kehren. Die Herzlichkeit untereinander und der Stolz auf die eigene Kultur ist ansteckend und ich fühle mich zutiefst hingezogen zu diesem Land, dessen Schrift ich noch nicht einmal lesen kann. Immerhin weiß ich mittlerweile, dass das Grußwort Garmadschobad so viel heißt wie: Sei siegreich! Tamara und zwei Nachbarinnen wuseln eifrig in der offenen Küche herum, es riecht nach frischem Brot und geschmolzenem Käse. Wir versuchen zu helfen, aber werden aus der Küche verjagt. Weit kriegen sie mich nicht, fasziniert sehe ich den Herrinnen von Leib und Wohl zu, wie sie geschickt und zügig die Hefeteigkugeln formen, ausrollen und füllen. Mit Käse, würziger Bohnen- oder Kartoffelpaste (lobio und kartoffeliki), um sie dann im Holzofen auszubacken: Chratschapuri, Lobiani oder Kartoffeliki. Zum Abschluss werden sie mit Butter bestrichen und ofenwarm aufgetischt. Der Tisch füllt sich, das ofenwarme Brot wird zurechtgeschnitten und dampft verführerisch in der kühlen Abendstimmung. Sulguni und ­T kemali kommen dazu und Salati, ein Salat aus frischen Gurken, Tomaten und Zwiebeln, mariniert mit Salz, Koriander und etwas

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Limonade, dazu Saziwi, eine Paste aus fein geriebenen Zwiebeln, Knoblauch, Kräutern und Walnüssen. Eine Wassermelone füllt in riesigen, leuchtenden Stücken die wenigen Lücken, die noch auf dem Tisch bleiben. Den Mittelpunkt bildet eine gusseiserne Pfanne, in der Eier der hauseigenen Hühner brutzeln. Darüber streut Diana am Tisch ein bisschen Kräutersalz aus Swaneti, einer weiteren Bergregion. Wir sitzen beieinander, Tamara hört nicht auf, Teller voller dampfender Köstlichkeiten auf den Tisch zu stellen. Giorgi ist unser Tamada an diesem Abend, unser Redensführer. Er wird uns den Abend lang mit dem selbstgebrauten Wein durch die georgische Tradition der Trinksprüche führen. Jeder Spruch ist einem Thema gewid-

in einem Zug austrinken, aber der Wein steigt mir zu Kopf, obwohl ich nur kleine Schlucke trinke. Dieses Essen unter den Weinreben bei Tamara und Giorgi und ihrer Familie, mit dem sich nicht leerenden Tisch in den Bergen von Ratscha, wäre eines Bacchus würdig. In den gegenüberliegenden Gebirgsspitzen fängt es prompt an zu donnern und wilde Blitze erhellen den Himmel.

Giorgi erhebt erneut sein Glas, das diesmal ein riesiges Horn ist, und toastet auf die Familie met, wir trinken zuerst auf die Mütter. Ich höre andächtig seiner ruhigen, mächtigen Stimme zu, und auch wenn ich kein Wort verstehe von den faszinierenden kehligen und stummen Lauten, bin ich dankbar für diese uneingeschränkte Gastfreundschaft. Tiko übersetzt für uns. Das wohlige Gefühl, das sich in uns breitmacht, kommt teilweise vom Wein und dem saftigen Kbab, der frisch, kräftig und wunderbar nach Koriander schmeckt und wohl der beste Hackspieß ist, den ich je gegessen habe. Vor allem liegt es aber an dieser Familie, die uns mit offenen Armen und uneingeschränktem Vertrauen empfängt, aus den Schränken holt und kocht, als sei dies die Hochzeit der eigenen Tochter und das, obwohl sie selbst so wenig haben. Giorgi erhebt erneut sein Glas, das diesmal ein riesiges Horn ist und toastet auf die Familie, auf die Familie eines jeden Einzelnen am Tisch und auf die Familienbande generell, die einen Einzelnen stark machen. Die Tradition der Trinksprüche besagt: je besser der Spruch, desto leerer das Glas. Ich möchte mein Glas am liebsten

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Khinkali ratscha Für 12–15 Khinkali Teig 400 g Mehl 2 TL Salz 150 ml Wasser Füllung 450 g Lamm- oder Rinderhack 250 g Schweinehack 100 ml Brühe 2 Zwiebeln, klein geschnitten je ½ Bund Koriander und Dill, klein geschnitten 1 EL gemahlener Kümmel Salz, Pfeffer 1. Das Mehl und Salz in einer großen Schüssel verteilen. Eine Mulde in die Mitte drücken, in die das Wasser gegossen wird. Mit einer Gabel von innen nach

außen arbeiten und Teig und Wasser zu einem weichen kompakten Teig verarbei­ ten. Nach Bedarf mehr Wasser hinzufü­ gen. Auf einer bemehlten Arbeitsfläche den Teig mit bemehlten Händen ca. 5–6 Minuten bearbeiten, bis er durch­ weg geschmeidig ist. Abgedeckt in einer Schüssel ca. 30 Minuten ruhen lassen. 2. Für die Füllung zuerst den Kümmel ohne Fett in einer beschichteten Pfanne anrösten und anschließend im Mörser zer­ mahlen. Anschließend mit den restlichen Zutaten vermengen. Einen Probekloß an­ braten, um die Würze zu testen, eventuell nachwürzen. 3. Den ausgeruhten Teig zur leichteren Weiterverarbeitung in zwei Portionen aufteilen. Den ersten Teil ca. 1 cm dick aus­rollen und mit einem großen Glas oder einer runden Ausstechform Kreise aus­ stechen. Jeden Kreis mit einem Nudelholz ungefähr auf das Doppelte ausrollen, mit Mehl bestäuben und zur Seite legen. Wichtig: Der Teig darf nicht reißen, sonst fließt der leckere Fleischsaft raus. Des­ halb lieber ein bisschen dicker ausrollen. 4. In die Mitte eines jeden Kreises eine pflaumengroße Portion der Fleischmasse platzieren. Vom Rand her den Teig über der Füllung aneinanderführen. Dabei Fal­ ten legen und den Teig über der Füllung zu einem Zwirbel zusammendrücken. Mit den restlichen Teigkreisen ebenso verfahren. 5. Einen großen Topf mit Salzwasser auf­ setzen und Wasser zum Kochen bringen. Die Khinkali ca. 10–15 Minuten kochen. Aufpassen, dass sie nicht am Topfboden hängen bleiben. 6. Die Khinkali mit einem Abtropflöffel aus dem Wasser nehmen. Etwas abtrop­ fen lassen und noch heiß servieren. 7. Khinkali essen: Die Teigtasche am Zwirbel festhalten und beim ersten Bissen darauf achten, dass die Flüssigkeit nicht ausläuft. Wenn der Khinkali gut verschlos­ sen war ist der leckere Saft noch drin und kann aus der ersten Einbissstelle he­ rausgesogen werden. Der Zwirbel selbst wird nicht mitgegessen.

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Gegessener käse

Polen Frontiera Blu Text: Ursula Heinzelmann  Foto: Andrea Thode


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ach gängiger journalistischer Lehre sollte diese Geschichte eigentlich damit anfangen, wie großartig der links abgebildete Käse schmeckt und wie faszinierend die Menschen und Landschaft dahinter sind – in summa also, wie sehr diese Story die Aufmerksamkeit der geschätzten Leserschaft verdient. Tut sie auch! Und versprochen, wir kommen genau dorthin. Aber beginnen müssen wir mit einem Schuldbekenntnis: Ich habe viel zu lange gebraucht, um endlich nach Polen zu fahren. Zu meiner Entschuldigung kann ich lediglich anführen, in der westlichen Hälfte meiner Lieblingsstadt aufgewachsen zu sein, wo die Konditionierung unserer Blickrichtung genauso einseitig ausgerichtet war wie auf der anderen Seite der Mauer. Ich liebe Quark, und das polnische Wort Twaróg verdeutlicht zusammen mit dem Umstand, dass der weiße frische Käse in der entgegengesetzten geografischen Richtung rar bis unbekannt ist, wie eng diese Vorliebe mit der tatsächlichen Lage Deutschlands mitten in Europa verbunden ist. Höchste Zeit also, endlich die Scheuklappen abzuschütteln. Ich brachte die üblichen Recherchemechanismen in Gang, streckte Fühler aus, aktivierte Kontakte, plante Termine … und stellte erstmal fest, wie komplex und anders die polnische Sprache ist. Aber auch, wie hilfsbereit mich ein Kontakt an den nächsten weiterreichte, sobald mein Interesse an Essen und Trinken im Allgemeinen und Käse und Wein im Besonderen offenkundig wurde. Schließlich saß ich im Zug von Berlin nach Stettin, und am Nachmittag bei Cezary und Edyta Szczupak in Marwice, eine Autostunde südlich zwischen Oder und Warthe; eine klassische AussteigerÖkohof-Story, seit sechzehn Jahren Ziegen und ein paar Jerseykühe, viel Idealismus und die Suche nach eigenen Wegen. Denn Twaróg, Quark, gibt es zwar in Polen quasi an jeder Ecke in außergewöhnlich charaktervoller Qualität; Käse als solcher aber, in gereifter Form, ist noch viel extremer in industrielle Beliebigkeit abgestürzt als in Deutschland und bis jetzt nur vereinzelt wie eben bei den Szczupaks zu finden. Ich nahm ein großes Stück von ihrem unregelmäßig gelöcherten, süß-üppigen Käse

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mit und betrachtete mich einmal mehr als Glückskind, dank meiner neuen polnischen Freunde gleich am ersten Tag einen solchen Volltreffer zu landen. Doch es kam alles noch viel besser. Vierundzwanzig Stunden später stand ich in Posen bei KoneSer (ein Wortspiel, das Ser, Käse, mit Koneser, Kenner verbindet). Erst seit wenigen Monaten geöffnet, liebe­ voll eingerichtet, lagen in der Kühltheke des kleinen Ladens knapp zwanzig Sorten handwerklicher Käse mehr oder weniger regionaler Herkunft. Von allem und jedem ein Stück mitzunehmen, verbot sich aus logistischen Gründen, aber probieren, das musste sein. Wenig später hatten wir zwei Teller voller Scheibchen und Stückchen vor uns stehen. Heinzelcheese war im siebten Käsehimmel, mein Begleiter hingegen wirkte unglücklich. Michał Więckowic ist promovierter Mikrobiologe und hat sich zehn Jahre mit Oscypek, dem spindelförmigen, geräucherten Schafskäse der Tartaren beschäftigt, bevor er sich als Wein­berater selbstständig machte. Er betrachtete die teilweise sehr reifen, alles

Bei der Erwähnung von Ma­ suren bekommen Polen einen entrückten, verzückten Blick andere als industriell genormten Käse vor uns und dachte ganz offensichtlich an die mikro­biologische Lebendigkeit, die das alles implizierte. Die Skepsis war ihm anzusehen. Gewissermaßen um ihn abzulenken, fragte ich ihn nach seinem Lieblingskäse. Oscypek, kam die Antwort ohne Zögern. Er erzählte von den einfachen Gebirgshütten, in denen die Schafshirten diesen Käse am offenen Feuer mit einfachsten Methoden herstellen. Von sterilen Laborverhältnissen sei das alles weit entfernt gewesen, manchmal richtig gruselig, sagte er, aber: Das Ergebnis, der Käse selbst, sei immer einwandfrei gewesen. Aha … Einer der Käse vor uns fesselte mich ganz besonders: Dieser Blauschimmelkäse erinnerte mit bräunlichblauen Venen und kremiger Textur ein wenig an Gorgonzola, schmeckte aber kraftvoller. Frontiera stand auf dem Schild vor dem runden Käse. Aus Schafsmilch sei er, fand Michał Więckowic heraus, von einem Hof in Masuren.

Masuren … bei der Erwähnung dieses äußersten Nordostens ihres Landes bekommen Polen im Allgemeinen einen entrückten, verzückten Blick, das lernte ich schnell. Unberührt sei diese Landschaft, die Seen und Wälder noch ganz Natur, mystisch … Na, offensichtlich fühlten sich dort ein paar Schafe ziemlich wohl. Und weil dank der vielen Tipps alles wunderbar koordiniert war, begegnete ich am nächsten Tag beim Dobrego Smaku, dem Posener Foodfestival meiner Käse-Trouvaille in einer der kleinen Markthütten. Und nun also endlich die versprochene Geschichte von Sylwia Szlandrowicz und Rusłan Kozynko, die (passend zu Masuren) ein bisschen wie ein Märchen klingt, aber keins ist. Vor gut zehn Jahren hatten der Atomphysiker und die Agraringenieurin genug vom Leben in der Stadt und zogen nach Masuren. Ihren abgeschiedenen Hof in Sorkwity nannten sie Frontiera, Grenze. Anfangs versuchten sie sich ganz auf Pferde zu konzentrieren, aber das ging wirtschaftlich nicht auf; heute melken sie neunzig Schafe und einige Jerseykühe. Sie seien Pioniere eines neuen Bauerndaseins, sagt Kozynko in einem wunderschönen Portrait des Fernsehsenders Arte, würden versuchen, eine neue Alltäglichkeit zu erlernen. Szlandrowicz ist als Käserin Autodidaktin, ihr erklärtes Ziel, den besten Blauschimmelkäse Polens zu machen, hat sie längst erreicht. Anstoß dafür war die Erinnerung an einen Käse, den die Großmutter einst aus Frankreich mitbrachte. Ihr Frontiera Blue mag von Roquefort oder Bleu d’Auvergne inspiriert sein, ist aber zugleich von einer ganz eigenen Dichte und großer Klarheit geprägt. Die nächste Polen-Reise geht also nach Masuren, keine Frage. Obgleich die entgegengesetzte Richtung sicher ebenso spannend wäre, in die Tatra im Süden, zu den Feuerstellen der Hirten, um den Ursprung des Oscypek erforschen. Den gab es in Posen nämlich wenige Stände weiter ebenfalls in Bestform. So oder so – auf nach Osten!  Ranczo Frontiera Sylwia Szlandrowicz und Rusłan Kozynko www.seryowcze.pl

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Schneller Teller #5 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Hähnchenbrust Ungarisch für 4 Personen Ein Rezept der schnellen Küche meiner Mutter aus den frühen ­Siebzigerjahren: Sauer eingelegte Perlzwiebeln und Paprika­streifen in sahniger Sauce ge­ ben sanft gebratenem Hähnchen­brust­ filet einen ungarischen Touch – sicher nicht authentisch, schmeckt aber immer noch erstaunlich gut. (Petra Holzapfel, peho.typepad.com/chili_und_ciabatta/) 120 g Langkornreis Salz 4–5 EL eingelegte Tomatenpaprika

in Streifen aus dem Glas 4–5 EL Perlzwiebeln aus dem Glas 1 EL Butterschmalz 4 kleinere Hähnchenbrustfilets (ca. 140–160 g) 3–4 EL Paprikamark 200–250 ml Schlagsahne Pfeffer 1. Den Reis nach Packungsanweisung in Salzwasser garen. Eingelegte Paprika und eingelegte Perlzwiebeln im Sieb abtropfen lassen (ich achte darauf, dass ich keine mit Süßungsmitteln erwische). 2. Butterschmalz in einer großen be­ schichteten Pfanne erhitzen. Die Hähn­ chenbrustfilets zwischen Folie leicht

flach klopfen und im heißen Butter­ schmalz bei mittlerer Hitze 15 Minuten braten, dabei immer wieder wenden. Das Fleisch im 70 Grad heißen Ofen auf einem Teller warm stellen. 3. Gemüse im Hähnchenbratfett andünsten, Paprikamark unterrühren und die Sahne angießen. Offen dicklich einkochen. Mit Salz und Pfeffer würzen und mit dem abgegossenen Reis zum Hähnchen servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissens­ wertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Kochkunst

Ein Teller von Christian Hümbs: Sushi Interview: Vijay Sapre  Fotos: Andrea Thode

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Nach Stationen in der Stromburg, im Louis C. Jacob, im Aqua, und im La Mer ist Christian Hümbs im Restaurant Haerlin in Hamburg angekommen. Die Leidenschaft für sein Handwerk sieht man im Fernsehen, wenn er als Juror für »Das große Backen« auftritt und noch viel besser auf dem Teller. Effilee #31  Winter 2014/2015

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Kochkunst

C

hristian Hümbs, was darf der Gast sich unter einem Dessert vorstellen, das Sushi heißt? Es ist ein Vordessert, es kommt also vor dem eigentlichen Dessert. Das eigentliche Dessert, der süße Abschluß muss auch ein süßer Abschluß bleiben. Aber beim Vordessert kann ich schon gewisse maskuline, salzige Töne aufgreifen. Unten auf dem Teller habe ich eine Reiscreme, auf der Basis von Milchreis, nur dass ich statt Milch Reismilch genommen habe. Dann habe ich ein Reiseis auf dem Teller. Dafür röste ich Nashiki Reis im Ofen richtig dunkel an und lege ihn in Reismilch ein. Das lasse ich vierundzwanzig Stunden im Kühlhaus ziehen, passiere die Reismilch ab, setze sie mit neuem gebackenen Reis an und lasse sie nochmal ziehen. Dadurch kriege ich das Feeling vom gebackenen Reis. Und daraus wird dann später das Eis gemacht? Genau. Dann habe ich einen fermentierten gepoppten Koshi Reis darauf. Der ist leicht säuerlich. Der wird über den Punkt gekocht, bis das Korn fast zer-

Inspiration für den Teller her. Für die Sojasauce röste ich Apfel, Sellerie und Karotte in einem gewissen Verhältnis in der Pfanne schwarz an. Da reden wir wirklich nicht von leicht Farbe, sondern wir reden davon, dass das Zeug aussen schwarz ist. Das vakuumiere ich mit Apfelsaft ungefähr 48 Stunden lang ein. Dann habe ich einen richtig intensiven Röstfond. Das Apfelsaftfeeling geht komplett verloren. Und in diesen Röstfond gebe ich asiatische Aromen: Kaffirlimettenblätter, Zitronengras, Ingwer, eine frische Limette, Vanille. Das reduziere ich mit Glukose langsam. Damit kann ich steuern, welche Konsistenz ich haben will und welche Intensität. Ganz zum Schluß lösche ich das nochmal mit reiner Sojasauce ab und binde das Ganze ab mit Xanthan. Das ist der eigentliche Hauptakteur dieses Tellers. Die Sojasauce? Ja, weil die Sojasauce, wie wir sie kennen, die hat eigentlich viel Charakter, nur durch den Jodgehalt geht diese Tiefe verloren. Da ist so viel Salz drin, dass alles, was dieser Sauce Charakter geben könnte, komplett verloren geht. Mir war

Ich rede nicht mehr von süß, ich will hin zu lieblich. Aber der Dessercharakter muss immer vorhanden sein. Nur wie ich auf den komme ist mir überlassen fällt. Und dann lasse ich die Haut leicht antrocknen. Im heißen Olivenöl wird’s dann einmal aufgepoppt. Dadurch kriege ich die Textur, die ich haben will.

wichtig, in meiner Sauce auch die fruchtigen Töne rauszukriegen: dass man auch die Limette leicht rausschmeckt, all diese Aromen.

Es gibt auch noch eine andere Creme? Der Grundgedanke war ja das Sushi. Und in vielen Sushis ist Avocado. Deshalb gibt es die Avocadocreme. Die habe ich mit eine Merrettichpaste leicht scharf gemacht, weil auch Meerrettich, beziehungsweise Wasabi, gehört dazu. Zusätzlich habe ich auf dem Teller, diese Sojasauce. Da kam eigentlich die

Es fällt auf, dass Sie auch viele Texturelemente einsetzen. Das ist natürlich nicht alles Zierrat, das soll alles schmecken, aber ich bin tatsächlich sehr in Textur verliebt. Ich habe ein Passionsfruchtpapier mit drauf, damit ich noch mal diese splittrige Textur habe. Gleichzeitig das Reispapier, um den Säure-Süße-Gehalt auszugleichen. Es

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gibt einen Reis-Sand auf Reismehl-Basis. Die Blüten, ja klar, um das Florale zu spielen. Die Limettenkresse passt auch perfekt dazu, dieses leicht limettige, was die Kresse mitgibt hab ich natürlich auch woanders drin: Limettenabrieb und Limettensaft in der Avocadocreme. Was macht denn für Sie ein Dessert aus? Ein Dessert braucht natürlich eine gewisse Süße. Ich rede da nicht mehr von süß, davon will ich eigentlich weg, ich will hin zu lieblich. Aber der Dessertcharakter muss immer vorhanden sein. Nur wie ich auf den komme, ist mir überlassen. Das ist ganz simpel erklärt: wenn ich schöne Erbsen habe ist das erste, was mir einfällt wenn ich auf diese Erbse beiße, süß. Wie bei Tomate oder bei Blumenkohl oder den Wurzelsorten. Es ist eigentlich eine Kunst der Küche so viel Salz und Pfeffer dazu zu schmeißen, dass die Dinger wieder herzhaft werden. Als Patissier mix ich es im Thermomix, schmeiß eine Tafel Schokolade dazu und habe eine perfekte Dessertsauce. Ich muss eigentlich nur das Produkt nehmen und in den Texturzustand versetzen, den ich brauche. Wie stehen Sie denn zu den klassischen Desserts? Das ist immer noch fünfzig Prozent meiner Arbeit, weil ich gelernt habe, als Konditor und als Koch die klassisch, französische Basis mitzunehmen. Und fünfzig Prozent basieren bei mir auf Küchentechniken. Das heißt, ich lasse mich ganz stark inspirieren von Herstellungsweisen, Arbeitsabläufen, Produktauswahl, all das fließt bei mir mit ein in die Desserts. Sie meinen Techniken aus der Küche im Gegensatz zu Techniken aus der Konditorei? Ja, aus der warmen Küche, am meisten hat mich natürlich meine Zeit bei Sven Elverfeld geprägt. Das sind Sachen, die

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1. Die Punkte sorgen dafür, dass überall auf dem Teller Geschmack ist  2. Die Avocado erinnert an California Maki  3. Blüten für den Floralen Aspekt  4. Etwas Mitsukan Essig vollendet die »Sojasauce«

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Ein gut gelaunter Patissier

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Ich bin dann ins Jakob gegangen und habe als Demi-chef angefangen, bin dann aber innerhalb von vier Wochen zum Chef Patissier geworden.

bei mir mit einfließen. Wenn man meine Desserts sieht, dann sieht man nicht mehr als erstes das klassische Handwerk. Es gibt in den seltensten Fällen noch einen Riegel auf dem Teller, auf dem eine Nocke Eis liegt und dann wir da noch irgendwie eine Schokoladendekoration dran gesteckt. Das wird es bei mir nicht mehr geben. Das bin ich nicht. Dennoch ist die klassische französische Patisserie für mich immer die Basis für alles, was ich mache. Mit meinen Petits Fours bin ich genau in diesem Segment. Waren Sie zuerst Koch oder zuerst Konditor? Konditor. Und das auch durch Zufall. Eigentlich wollte ich Stuckateur werden. Aber da arbeitet man hauptsächlich über Kopf und das konnte ich nicht, aufgrund eines Wirbelsäulenschadens. Dann hatte mich das Arbeitsamt beraten und ich habe Konditor gewählt.

Dem einen schmeckt‘s …

mühle. Das beste Haus in Oberhausen. Es kann natürlich mit einem Vier Jahreszeiten nicht mithalten, aber was die Familie Wischermann da gemacht hat, ist schon extrem stark. Da habe ich meine Ausbildung gemacht und habe mich auch pudelwohl gefühlt. Alles selber gekocht, Krautsalat, etc., selber angemacht. Meine

Konditor wurde ich durch Zufall. Eigentlich wollte ich ­Stuckateur werden. Aber da arbeitet man hauptsächlich über Kopf und das konnte ich nicht Wo war das? In Oberhausen. Und das war wirklich eine gute Konditorei, in der ich gelernt habe, das muss man denen zu Gute halten. Ich habe wirklich viel gelernt. Auch meine Kochausbildung habe ich in Oberhausen genossen. Wie hieß der Betrieb? Zur Bockmühle, Parkhotel zur Bock-

… dem anderen auch!

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Ausbildung war fundiert und es hat an nichts gefehlt. Ich habe auch noch ein halbes Jahr verlängert. Aber dann war klar, ich wills mir geben. Wie kamen Sie darauf, in die Sternegastronomie zu gehen? Das war immer meins, also wie die die Teller angerichtet haben … Dann bin ich zum Chef, zum Johann Lafer gegangen und der Anfang war, sag ich mal, holprig. Bis stolprig. Also die Arbeitszeiten waren nicht meins. Ich habe auf einem gegenüberliegenden Berg gewohnt, nur mit Fahrrad, den Führerschein habe ich erst mit 28 gemacht. Mit der Funzel auf dem Kopf nachts durch den Wald. Aber es war eine sehr lehrreiche Zeit. Da habe ich gelernt, viel zu arbeiten. Und die nächste Station?

Das war schnell. Es gab dort keinen richtigen Chef Patissier, da haben mich die drei Küchenchefs ins Büro geholt und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, die Patisserie zu leiten. Das habe ich zwei Jahre getan und von dort aus kam das Angebot von Sven Elverfeld, der zu dem damaligen Zeitpunkt einen zweiten Mann gesucht hat an der Seite von Nadja Hartl. Da hat mein Bauch von Anfang an gesagt, ja, das möchte ich machen. Sven Elverfeld ist auch gelernter Konditor … Genau, der hat sich wahnsinnig gefreut, weil ich so einen ähnlichen Weg gegangen war wie er, nur dass meiner natürlich irgendwann in der Patisserie geendet hat und er nach der Konditorlehre in der Küche geblieben ist. Ist das für Sie auch eine Option? Ich habe ab und zu schon darüber nachgedacht, aufgrund der Zukunftsperspektive. Als Chefpatissier hat man irgendwann ein Level erreicht darüber geht es nicht hinaus. Aber ich glaube, wenn der erste sehen würde wie ich einen Fisch auseinander nehme oder ein Lammcarree pariere … Jetzt sind Sie zurück in Hamburg und bringen den frischen Wind im Desserbereich mit. Wie gehen die Hamburger damit um? Das war mit meine größte Sorge. Die Stilistik meiner Desserts hat sich um hundertachtzig Grad gedreht, im Vergleich zu dem was ich damals im Jacob gemacht habe. Thomas Martin hat mir alle Freiheiten gegeben, aber damals hatte ich noch gar keine Erfahrungen gehabt mit Gemüse im Dessert zum Beispiel. Schokolade war für mich das Nonplusultra. Und eher die klassischen Kombinationen, wie Piña Colada und Pfirsich

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Kochkunst

Melba, natürlich schon texturreich, aber nicht auf dem Level auf dem ich heute agiere. Das Vier Jahreszeiten ist ein sehr renommiertes Haus, das sehr viele Stammkunden hat und natürlich auch Stammkunden höheren Alters und wenn ich dann ankomme und als Vordessert Kopfsalat mache oder Speck mit Kokosnuss, Limette, Kaffee und Amaranth oder in unserem Fall Sushi, da war meine Angst groß. Wie reagieren die Leute? War die Angst berechtigt? Überhaupt nicht. Mann wusste, der Hümbs, der ist ein Verrückter. Der mag andere Kombinationen. Und Christoph Rüffer hat die Küche im Haerlin ganz schön bewegt in den zwölf Jahren. Das ist ganz wichtig für mich, diese Weiterentwicklung noch mit anzutreiben und ein Teil davon zu sein. Das geht nur peu-a-peu, man kann nicht mit der Axt ins Haus fallen. Nach wie vor lebt man von den Gästen, und die Gäste, will man sich nicht vertreiben aufgrund irgendeines neuen Stils, einer neuen Textur oder einer neuen Anrichteweise.

Hümbs im Haerlin

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Die Gäste, will man sich nicht vertreiben aufgrund irgendeines neuen Stils, einer neuen Textur oder einer neuen Anrichteweise Welchen Einfluss nimmt der Christoph Rüffer auf das was Sie machen? Wir besprechen eigentlich alles vorher. Auch weil meine Arbeit ganz stark von Gemüse geprägt ist, um Dopplungenzu vermeiden. Als ich herkam wollte ich zuerst ein anderes Vordessert machen, etwas polarisierenderes, das mit Speck, das wir dann später auch gemacht haben. Zu dem Zeitpunkt konnte er sich das nicht ganz vorstellen und dann habe ich etwas anderes gemacht, mit Kopfsalat, weißer Schokolade, Gurke, Passionsfrucht. Um den Einstieg leichter zu machen. Aber mittlerweile habe ich da alle Freiheiten. Es ist eigentlich eher die Angst, dass wir Produkte doppeln. Jetzt im Herbst sind für mich Wurzelgemüse ganz wichtig oder auch Preiselbeere. Das sind Produkte, die auch zu einem Reh passen würden. Klappen Ihre Kreationen immer auf Anhieb? Will ich nicht behaupten. Es wird immer in der Küche getestet. Das ist für mich wichtig. Die Punkte, die ich mache, sind nicht nur reine Dekoration. Sondern? Das ist schnell erklärt: Ich kann auf dem Teller Texturen nur an einem Ort haben. Also ein Eis kann nur an einem Ort sein. Aber die Aromatik, die ja viel wichtiger ist, die kann ich überall auf dem Teller gleich haben. Das heißt die Saucenpunkte steuern den Geschmack auf dem Teller. Der muss überall gleich sein. Was sich unterscheidet ist die Textur. Die Textur oben rechts zu der Textur unten links. Ich versuche so anzurichten, dass der Gast keine andere Wahl hat als so zu essen, wie ich das möchte, so dass er immer dieselbe Aromatik im Mund hat, nur die Textur, die unterscheidet sich. Ohne dass der Service ihm eine Anleitung geben muss. Und da ist klar, wenn

ich ein Eis esse, dann habe ich nochmal ein anderes Mundgefühl ich habe etwas Betäubendes im Mund, da muss ich steuern. Und das kann ich mittels meiner Säurepunkte oder der Reiscreme oder auch der Avocadocreme. Verkosten Sie in der Küche alle zusammen oder nur die Patisserie? Ich gebe das immer allen. Nicht immer komplette Teller, aber als ich jetzt die Sojasauce gekocht habe, das war für mich der Ansatz für den Teller. Dann gebe ich den Löffel rum und wenn das Feedback ist: »Ja, das ist geil«, dann baue ich darauf weiter auf. Wenn nicht, ich aber wirklich fest daran glaube, überarbeite ich es, ansonsten verwerfe ich es gleich wieder. Da steckt eine Menge Arbeit drin, in der Sojasauce fast drei Tage und wenn es dann nicht Granate kommt, verwerf ich‘s.

Sushi Maracuja Gel/Papier 1000 g Maracujamark 14 g Agar Agar Zucker 1. 750 g Maracujamark mit Agar aufko­ chen und erkalten lassen. 2. Die Masse mixen und Fruchtmark und Zucker zugeben bis die gewünschte Kon­ sistenz und der gewünschte Geschmack erreicht sind. 3. Für das Papier das Gel auf eine Sili­ konmatte streichen und im Dehydrator trocknen. Avocadocreme 3 Avocado Mark einer halben Vanilleschote 40 g Glukose 20 g Wasabipaste Salz 10 g Limettensaft 1. Alles mixen und abschmecken. Maracuja Honig 1000 g Maracujamark

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50 g Mitsukan Reisessig 20 g Milde Sojasauce 60 g Ingwer 15 g Zitronengras 1 Kaffirlimettenblatt

Die Sojasauce ist der aromatische Dreh- und Angelpunkt

200g Zucker 200g Glucose 2St. Vanille 1. Alles vermischen und bei geringer Hitze langsam reduzieren lassen bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Puffreis 500 g Reis (am besten Koji) Öl zum Frittieren 1. Den Reis in viel Wasser sehr weich kochen 2. Das Korn von aussen antrocknen lassen, damit noch eine gewisse Feuchtig­ keit vorhanden ist. 3. Bei 180° frittieren. Reis Eis 1000 g Nishiki Reis 2500 g Reismilch 112g Glucose Pulver 30g Zucker 2g Pectin Rose 300g Milchreis (Nishiki mit Reismilch sehr weich gekocht) Mitsukan Reisessig (mild) Salz 1. 500 g Reis stark rösten, in die Milch einlegen und 24 Stunden ruhen lassen. Die Milch abgießen, die restlichen 500 g Reis rösten und den Vorgang wiederholen. 2. Pektin, Zucker und Glucose Pulver vermengen, 450 g von der Reismilch leicht erhitzen und die Pektin Mischung zugeben. 3. Alles mit dem Milchreis mixen. Mit

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Mitsukan und Salz abschmecken. Reissand 170 g Butter 200 g Reismehl 100 g brauner Zucker Mark einer Vanilleschote 50 g soufflierter Reis (Foodconnection) 1. Einen Sand backen: Butter, Reismehl, Zucker und Vanille verkneten, bei ca 180 Grad 9 bis 11 Minuten backen. 2. Die Reiskugeln mit Puderzucker in der Pfanne karamellisieren und zugeben. 3. Alles komplett auskühlen lassen und im Mixer zerhacken. Reiscreme/Papier 750 g Reismilch 14 g Agar 250 g Reismilch 350g Milchreis 1. 750 Reismilch mit Agar aufkochen und erkalten lassen. Nun im Thermomix mixen und die restliche Reismilch zugeben. 2. Um Papier herzustellen diese Masse sehr dünn aufstreichen und im Excalibur trocknen.

1. Gemüse sehr dunkel anbraten und ablöschen mit Apfelsaft. 48 Stunden vakuumieren. 2. Passieren und bei niedriger Hitze auf 300g reduzieren lassen. 3. Ingwer, Zitronengras und Kaffirlimet­ tenblatt dazugeben und 2 Stunden bei geringer Hitze ziehen lassen. Avocado 1 Avocado Limonenöl Mitsukan 1. Avocado in feine Streifen schneiden. Zwischen Backpapier legen, mit etwas Limonenöl einstreichen und bei 100% vakuumieren. 2. Ausstechen und mit Mitsukan mari­ nieren. Anrichten 1. Reiscreme, Avocadocreme und Mara­ cujagel und -Honig in Punkten auf dem Teller verteilen. 2. Reissand anstreuen, Reiseis aufsetzen 3. Puffreis und Avocadoscheiben aufset­ zen. 4. Papiere links und rechts vom Eis auf­ stellen, mit Blüten und Kresse garnieren. 5. Sojasauce angießen und mit etwas Mitsukan Essig marmorieren. 6. Etwas frischen Wasabi darüber reiben

Video auf Sternefresser.de Das ausführliche Video zum Interview unter www.sternefresser.de

Sojasauce 700 g Karotten 250 g Sellerie Mark zweier Vanilleschoten 1l Apfelsaft 500 g Gemüse fond 100 g Glucosesirup

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Gib mir

bücher

Auf die Hand Vergessen Sie alles, was Sie über Streetfood und Fastfood wussten, und lesen Sie dieses Buch. So umfassend und umwerfend wie immer schnappt sich Stevan Paul ein Thema und bringt ein für alle Mal Licht in die dunkle Küche. Was ist un­ kompliziertes, gutes und frisches Essen? Genau das, was Paul in diesem Buch ver­ sammelt. Von Klassikern wie Clubsandwich über Croque Monsieur bis hin zu exo­ tischem Streetfood auf koreanische Art ist alles drin. Selbstverständlich machen Sie nach der Lektüre auch Dauerbrenner wie Chips, Zwiebelringe oder Pommes mühelos selber. Alles wunderschön fotografiert von Daniela Haug. Brandstätter Verlag, 284 Seiten, ca. 200 Abbildungen, 34,90 Euro

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Nose to tail

Die Barfibel

Trust in Taste

Wer Tiere liebt, der isst sie ganz. So sieht Fergus Henderson die Sache und bringt viel Gutes rund um Hirn, Entenhals und Entenherz, Schwei­ neohr, Schweinemilz, Eichhörnchen, Fisch­ milch und andere übli­ che Verdächtige auf den Tisch. Echtzeit Verlag, 425 Seiten, 44 Euro

Es nennt sich »unverzichtbares Nachschlagewerk aus dem Internet«. Das bedeutet: Die Infor­ mationen über Getränke und Marken wurden in jahrelanger akribischer Kleinarbeit im Internet gesammelt. Und nicht, wie man meinen sollte, in der Bar. epubli, 770 Seiten, 54,80 Euro

Ein Kochbuch für Blinde und Sehende. Michael Hoffmanns kulinarische Inspirationsquelle für Blinde und Sehende wur­ de mit dem Sonderpreis der Gastronomischen Akademie Deutschlands ausgezeichnet. ­J ustina Verlag 264 Seiten & Hörbuch, 125 Euro

On Food and cooking Harold McGees Stan­ dardwerk der Küchen­ wis s e ns ch af t . Au f­ wendig überarbeitete, aktualisierte Ausgabe. Herkunft, Geschichte der Lebensmittel, Bio­ chemie, Molekularküche usw. In deutscher Spra­ che. Matthaes Verlag, 1008 Seiten, 69,90 Euro

Effilee #31  Winter 2014/2015


Schneller Teller #6 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

SüSSe Nudeln mit Pflaumenkompott für 4 Personen Das Rezept hat schon meine Oma gemacht, und die Großfamilie brachte es mit sich, dass gerne schon mal für 30 Leute gekocht werden musste. Bei meiner Mutter Gisela gibt’s die süßen Nudeln heute noch und zwar: »Mit rich­ tigen Semmelbröseln, net Paniermehl!« (Jens Scholz, jensscholz.com) 250 g Bandnudeln 500 g Zwetschgen 50 g brauner Zucker

50 ml Pflaumensaft (wahlweise Apfelsaft) 1–2 El Zitronensaft 2 EL Sonnenblumenöl 40 g Butter 100 g echte Semmelbrösel 2–4 EL Zucker 1. Die Nudeln nach Packungsanweisung kochen. Für das Kompott die Zwetsch­ gen entsteinen, halbieren. Zucker, mit Pflaumensaft und Zitronensaft in einer großen Pfanne aufkochen. 1 Minute kochen, die Zwetschgen zugeben und dicklich einkochen, ab und zu umrühren. Beiseitestellen.

2. Die Nudeln abgießen, unter kaltem Wasser abschrecken und sehr gut abtropfen lassen. Öl und Butter in einer großen beschichteten Pfanne erhitzen, die Nudeln darin 2 Minuten braten. Die Brösel zugeben und 6–8 Minuten weiterbraten, bis die Nudeln und Brösel leicht gebräunt sind. Zum Schluss den Zucker einstreuen und noch 1 Minute braten. Mit Kompott servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissens­ wertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

15 Min. Effilee #31  Winter 2014/2015

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Erzähltes Leben

Swiss Cheese Awards Text & Foto: Vijay Sapre

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enken Sie noch an das Namerli!«, sagt die Hostess und ich klebe mir folgsam den Aufkleber mit meinem Namen an den Anzug. ­Fromarte, die Genossenschaft der Schweizer Käsespezialisten hat zum Swiss Cheese Award aufgerufen und einhundertfünfundzwanzig Juroren sind gekommen, um aus über

eine weitere Einweisung von einem Herrn von der Softwareschmiede; mit dem Handy oder mit dem Tablet sollen wir uns einloggen. Jeweils vier bis fünf Juroren bekommen einen Tisch mit etwa dreißig Käsen zugeteilt, ich bin in der Jury 124.4, die ist für übrige Halbhartkäse ohne aromatisierende Zusätze zuständig. Wir werden

Achthundert Käse trafen auf einhundertfünfundzwanzig Juroren

achthundert Käsen den besten zu küren. Man trifft sich in einer zweckentfremdeten Tennishalle in Rapperswil-Jona, vierzig Kilometer von Zürich entfernt, am anderen Ende des Zürichsees. Die Juroren kommen tatsächlich aus der ganzen Welt, es sind Käsespezialisten aus Produktion und Handel, Fachjournalisten und ein kleines Grüppchen von der Publikumspresse: ein Kollege vom Stern, einer vom Feinschmecker, ein freier Journalist, einer von Martha Stewart und meine Wenigkeit. Es gibt ein kleines Grußwort und dann eine sehr ausführliche Einweisung durch Hans-Peter Bachmann, den Leiter des schweizerischen Instituts für Lebensmittelwissenschaften. Die Methodik wird ausführlich erläutert, es wurde eigens eine Webanwendung entwickelt, um die Ergebnisse schnell und zuverlässig auszuwerten. Damit das auch klappt, gibt es noch

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noch gebeten, ruhig zu verkosten, nicht zu telefonieren und, ganz wichtig, erklärt Hans-Peter Bachmann: »Bitte bleiben Sie unbedingt hier, bis Sie entlassen sind!« Der Grund: Bei Ranggleichheit oder allzu großen Abweichungen in der Benotung muss nachverkostet werden. Dann werden wir mit blauer Weste, weißer Schürze und grüner Mütze eingekleidet, bekommen ein Klapp-Käsemesser von Victorinox in die Hand und machen uns auf die Suche nach unserem jeweiligen Käsetisch. Meine Mitjuroren, eine Lebensmitteltechnikerin und zwei Käser, und ich (»Ach, Sie sind der Teilnehmer von den Medien!«) einigen uns auf eine ­M ischung aus Deutsch und Französisch als Arbeitssprache, versuchen, die Software zu verstehen, was weitgehend gelingt, führen den Dreieckstest durch (aus drei Proben die zwei gleichen herausfin-

den) und gehen daran, (um endlich das Wortspiel unterzubringen:) dem Käse zu Laibe zu rücken. Die übrigen Halbhartkäse ohne aroma­ tisierende Zusätze sind, anders als zum Beispiel die Käse der Kategorie Appenzeller, nicht einem feststehenden Geschmacksbild zuzuordnen. Manche sind mild und nussig, andere kräftig, voller Umami, fast wie Parmesan. Zu jedem Käse gibt es ein Datenblatt, auf dem festgehalten ist, wie er aussehen und schmecken soll, wie Lochung, Rinde und Teig beschaffen sein sollen, und zu einem guten Teil läuft unsere Juryarbeit darauf hinaus, zu beurteilen, ob Beschreibung und Käse übereinstimmen. Benotet wird auf einer Skala von eins bis fünf; die Software achtet darauf, dass die Noten der Juroren nicht um mehr als einen Punkt abweichen. Ansonsten muss diskutiert und nachbenotet werden. Unsere Gruppe entscheidet sich, zunächst einzeln zu verkosten, das, so vermuten wir, gehe schneller als nebenan, bei den übrigen Halbhartkäsen mit aromatischen Zusätzen, wo die Juroren gemeinsam verkosten und jeden Käse intensiv diskutieren. So sind wir zunächst recht schnell fertig, um dann allerdings festzustellen, dass wir eigentlich überall Abweichungen von mehr als einem Punkt haben. Wir gehen also zurück auf Los, glücklicherweise ist die Kompromissfähigkeit in der Gruppe nach mehreren Stunden Verkostung groß. Gewinner war dann am Ende Le Broyard von Jean-Daniel Jäggi, Fromagerie de Grandcour, der sich noch einer Super-Jury stellen durfte, die dann allerdings einen Tilsiter zum Gesamt­sieger kürte. Abends waren wir noch gemeinsam zum Essen, wo sich fast alle am Schluss für Dessert statt Käseteller entschieden. Warum wohl? Swiss Cheese awards www.cheese-awards.ch

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Mensch

Der Mann heißt Carroux, genau wie das Café, in dem er sitzt, und der Café, den er vertreibt

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carroux café Ulrich carroux Text: Hans Kantereit  Foto: christoph köster

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en Namen, den das kleine Café im noblen Hamburg-Blankenese trägt, hat man schon öfter gelesen. Auf großen Tüten voller Kaffeebohnen in besseren Espressobars zum Beispiel. Ulrich Carroux, der Betreiber, nennt den sehr überschaubaren Laden das Herz seines Unternehmens. Denn hierher lädt sich der Mitvierziger immer mal wieder Gastronomen aus Hamburg und Umgebung ein. Und diese Fachbesucher haben dann nichts anderes zu tun, als eine Tasse Espresso zu trinken. Wenn die wieder auf der Untertasse steht, ist Carroux’ Plan in neunzig Prozent der Fälle bereits aufgegangen. Der gebürtige Bremer stellt einen der besten Kaffees her, den man herstellen kann. Und wer den einmal getrunken hat, möchte nie wieder einen anderen zu sich nehmen. Im Falle von verantwortungsbewussten Gastronomen heißt das dann auch, nie wieder einen anderen servieren. Im Grunde floriert hier also ein Geschäftsmodell, das man zum Patent anmelden sollte, wäre es nicht längst ein alter Hut: Führe dem künftigen Kunden einfach ein Produkt vor, dessen Qualität ihn aus den Latschen haut. Dann hast du ihn. Wie kommt ein Mann, der die Gastronomie quasi durch die Katzenklappe betreten hat, als er versuchte sein Architekturstudium durch einen ländlichen Pizzaservice zu finanzieren, dazu, sich mit dem Veredeln von Kaffeebohnen einen Ruf wie Donnerhall zu erarbeiten? »Im Grunde ist es einfach«, meint Carroux lächelnd, während er den Autor zu einer für Laienaugen erstaunlich kleinen Rösttrommel führt, die mitten im Café steht. »Wenn man eine einzige Grundregel beherzigt: Alles richtig machen. Zum Beispiel vernünftigen Kaffee einkaufen. Gehandelt wird die Rohware aus laufender Ernte oder aus alter Ernte. Die alte Ernte ist günstiger, aber eben nicht frisch. Und je älter der Kaffee ist, desto flacher wird er. Schließlich habe ich eine Mischung aus drei schon von sich aus hochwertigen Rohkaffees entwickelt, von denen

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ich meine, dass sie gut zusammenpassen. Ein Kaffee, der den Körper des Espressos macht, einen, der ihm Würze gibt, und einen, der eine gute Crema garantiert. Diese Mischung muss natürlich immer gleich bleiben, und durchgehend kurzfristig lieferbar sein. Und dann gilt es, sehr sorgfältig ein Röstprofil zu entwickeln, die Temperaturkurve muss einmal bestimmt und danach genau eingehalten werden.« Die Lippen des netten Herrn Carroux bewegen sich weiter, nur zu verstehen ist er nicht mehr. Denn zwischenzeitlich hat er einige Hände voll von etwas, was für den Laien aussieht wie unterdimensionierte Erdnüsse, in die Trommel gegeben, und die startet nun mit einem erstaunlichen Getöse die Röstung. Zeit, sich einen ruhigeren Ort zu suchen. »Die Röstung«, erklärt er weiter, »ist wie Steak braten. Man muss den Punkt finden. Die Grundregel bei Kaffee ist: so heiß und so lange wie möglich, röstet man allerdings zu

Kaum ein Lebensmittel ist leichter hinzurichten als ein Espresso … lange, wird die Bohne gebacken. Stimmt das Profil, die Mischung und die Frische, dann hat man bereits sehr, sehr guten Kaffee. » Die nächste, und viel größere Herausforderung, bei der wirklich allergrößte Mühe gefragt sei, ist es, dem Endverbraucher dieses Spitzenprodukt schmackhaft zu machen und ihn davon zu überzeugen, dass er tagtäglich Spitzenqualität in der Tasse haben kann, wenn er ein paar Dinge beherzigt. Denn egal wie sorgfältig die Mischung komponiert und veredelt ist, kaum ein Lebensmittel sei leichter hinzurichten als ein Espresso. Und niemandem, der schon mehrfach gezwungen war, hingerichtete Espressi zu trinken, könne man verübeln, wenn er dem Getränk skeptisch gegenübersteht. »Der größte und häufigste Fehler in der Praxis ist, ihn zu schnell durchlaufen zu las-

sen. Das Wasser braucht mindestens fünfundzwanzig Sekunden, um das ganze Aroma aus dem Pulver zu holen. Ist die Durchlaufzeit kürzer, bekommt man einen unterextrahierten Kaffee, der säuerlich schmeckt. Läuft er zu lange durch, schmeckt er bitter und sandig. Leider stellen die Techniker, die die Maschinen für die Gastronomie einrichten, die Geräte meist zu schnell ein. Die Maschine hält dann länger, weil sie weniger arbeiten muss, der Kaffee fällt förmlich aus der Maschine heraus, ist aber nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeignet. Das kann auch mit einer Maschine mit dem klassischen Handsiebträger passieren. Wenn man weniger Pulver aufs Sieb gibt, geht es schneller, aber das Ergebnis ist ungenießbar, wenn er richtig sauer ist, kann einem sogar gehörig schlecht davon werden. Das Veredeln und Zubereiten von Kaffee ist nun mal bis zum letzten Moment eine ausgesprochen anspruchsvolle Tätigkeit.« Man muss einfach alles richtig machen, sagte er eingangs. Deshalb vertreibt Carroux Café nur drei Sorten anstatt der sieben, die andere Röster durchschnittlich im Angebot haben: Crema, Filterkaffee und eben den legendären Espresso, den der Sommelier Hendrik Thoma als »Großen Klassiker« eingestuft hat. Mittlerweile ist die laute Rösttrommel still, Herr Carroux legt die Hand an den Hebel einer Klappe und kündigt an: »Jetzt erleben Sie gleich einen sehr schönen Moment.« Eine Sekunde später rauschen die gerösteten Bohnen auf ein Trockensieb. Nicht mehr erdnussgroß, die Rösttrommel hat sie in veritable, dicke, schwarzbraun glänzende Kaffeebohnen verwandelt. Der Duft, den sie im Raum verbreiten, erinnert an den unnachahmlichen kleinen Hauch von sehr ersehntem sehr gutem Kaffee, den man manchmal in die Nase bekommt, kurz bevor das Bialetti-Kaffeekännchen überkocht. Wie sagte Herr Carroux gerade? »Ein sehr schöner Moment …«  www.carroux.de

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Schneller Teller #7 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Gelackte Affen für 4 Personen Zurück von der Grundschule, war es für mich immer etwas ganz Beson­ deres, unten in der Küche von Oma Agnes anzukommen und zu riechen: Speck! Muskatnuss! Gelackte Affen! Da konnte ich mich nie recht entschei­ den, ob ich ihr nun von meinem Schul­ tag erzählen oder lieber noch ein Stück gelackter Affe mit der viel zu großen Oma-Gabel aufpieksen sollte. (Astrid Grandt)

50 g durchwachsener Speck 1 Zwiebel 40 g Butter 40 g Mehl (Typ 405) ¾ l Gemüsebrühe 800 g Pellkartoffeln vom Vortag 1–2 TL Weißweinessig Salz, Pfeffer ½ Bund Petersilie 1. Den Speck und die Zwiebel fein ­würfeln und in einem Topf in der Butter hell anbraten. Das Mehl einstreuen und mit einem Kochlöffel unterrühren.

Die Brühe in dünnem Strahl zügig mit einem Schneebesen einrühren. Auf­ kochen und 5 Minuten offen kochen. 2. Die Kartoffeln pellen und in Scheiben schneiden. Kartoffelscheiben zur Sauce geben, aufkochen und mit Essig ganz leicht säuern. Mit Salz und Pfeffer wür­ zen. Zugedeckt 10 Minuten ziehen las­ sen. Petersilie hacken und unterrühren. Auf vorgewärmten Tellern servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissens­ wertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Per Aspera ad Astra – Endlich auch Offline

Die Kochelite des deutschen Nordens: Gruppenbild

CookTank No. 8: Hamburg ahoi Die Koch- und Denkfabrik hat wieder getagt. Auf der Tagesordnung: Vorspeisen und Desserts der etwas anderen Art

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ür die achte Auflage der Sterne­ fresser Koch- und ­Denkfabrik traf sich die Kochelite des Nordens diesmal im Fünf-Sterne-Hotel Fairmont Vier Jahreszeiten. Die Küche von Gastgeber Christoph Rüffer im Haerlin wurde für einen Tag lang zur Bühne für neue Gerichte, lebhafte Diskussionen und spannenden Austausch mit rund vierzig Teilnehmern aus Küchenteams, ­Nachwuchstalenten,

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Medien­v ertretern und Branchenkennern. Wissenschaftlich unterstützt wurde die Koch- und Denkfabrik von Dr. Matthias Keller vom deutschen Bundesverband der Fischwirtschaft, der über nachhaltige Fischzucht und Aquakulturen in Norwegen informierte. Partner des Fachaustauschs in Hamburg waren das Norwegian Seafood Council und die Porzellanmanufaktur Hering Berlin.

GERICHT VON CHRISTOPH RÜFFER UND TOBIAS GÜNTER Mit dem äußerst passenden Titel Alpha machte der Hausherr den Auftakt und wagte sich an eine – auch für den CookTank – durchaus ungewöhnliche Idee. Zusammen mit Chef-Pâtissier Christian Hümbs zeigt Rüffer, wie spannend es sein kann, eine Vorspeise und ein Dessert aus nahezu den gleichen Produkten zuzubereiten. Während sich die An-

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… der 8. CookTank der Sternefresser

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GERICHT VON CHRISTIAN HÜMBS Mit Omega präsentiert Christian Hümbs am Ende des Tages eine Dessert-Adaption vom Alpha und zeigt damit par excellence, was in einer zeitgemäßen Pâtisserie alles möglich ist. Aus den Komponenten Douglasie, Sauerteig, Rote Bete, Preiselbeere und Waldsauerklee kreiert der gelernte Konditor ein frisch-herbes, kleinteiliges und hoch komplexes Gericht, das aber zu keinem Zeitpunkt überfordernd wirkt. Sehr gelungen sind die enorme texturelle Abwechslung und das Spiel mit fein nuancierten Aromen zwischen Süße, Säure und Kräutrigkeit. Wir sind ob dieses State-of-the-Art-Desserts einmal mehr ausnahmslos beeindruckt vom hohen Grad der kulinarischen Sensibilität und der Innovationskraft des Ausnahme­ talents.

3 1. Alpha von Christoph Rüffer und Tobias Günter  2. In der Küche ist kein Platz für Platzangst  3. Omega von Christian Hümbs

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Fotos: Sternefresser

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richteweisen des herzhaften ­Alpha und des süßen Omega völlig unterscheiden, kommen bei beiden Gerichten Preiselbeeren, Fichte, Sauerteig und Rote Bete auf den Teller. Bei Rüffers herzhafter Version verweist der Gastgeber zwar ausdrücklich auf die Arbeit seines Haerlin-Teams rund um Souschef Tobias Günter – doch der Gang ist einfach ein typischer Rüffer: kleinteilig mit diversen Aggregat­ zuständen durch kühle, cremige Perlen aus Sauerteig, Roten Randen und Sauerampfer sowie feiner Textur durch Jakobsmuschel-Chips und Sauerteigknusper, aber dennoch gut zu essen und leicht verständlich. Ergänzt wird die Produktriege um eine fleischige, kurz angebratene Jakobsmuschel, die durch Fichtencreme und -öl sowie intensive Wacholderrauch-Aromen wunderbar herb und würzig gerät.


Eigelb flüssig bleibt, abschrecken und mit Mehl, Paniermehl und etwas Eigelb panieren. Fjordforelle 1. Die Filets entschuppen und von der Haut trennen, 4 ca. 60 g große Stücke portionieren, in Olivenöl vakuumieren und vor dem Anrichten bei 52 Grad im Wasserbad garen. 2. Den Rest des Filets in feine Würfel fürs Tatar schneiden mit Olivenöl, Limettensaft und Saft von 1 Zitrone abschmecken. 3. Die Haut durch Druck mit einer Pa­ lette in der Pfanne in etwas Öl knusprig ausbraten und in Chips schneiden.

Fjordbrise von Christian Steska

GERICHT VON CHRISTIAN STESKA Unter dem Motto Norwegen trifft Nordhessen bereit der dreißigjährige Wildcard-Gewinner aus Fulda sein Gericht Fjordbrise, das vor allem durch das sauber ausgearbeitete Grüne-Sauce-Eis und die großartige Kartoffel-Wachtel­eigelbPraline gefällt. Diese Elemente halten das Gericht mit Cremigkeit zusammen und bilden eine wunderbare Basis für den norwegischen Lachsfisch. Klassisch angelegt und modern interpretiert.

»Fjordbrise« von Christian Steska für 4 Personen 600 g Fjordforellen-Filet mit Haut 50 g Fjordforellen-Kaviar/Forellenkaviar 50 g Nordseekrabben 4 Wachteleier 50 g Kartoffeln, festkochend 50 g Salicorn (Meeresspargel) 100 g Eigelb 50 g Dijonsenf 1 Bund Grüne-Sauce-Kräuter 1 Bund Zitronenverbene 300 g Schmand 100 g Joghurt 100 g saure Sahne 50 g Glucose 3 Blatt Gelatine

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Weizenmehl und Paniermehl 100 g Weißweinessig Saft von je 2 Zitronen und Limetten Olivenöl Sonnenblumenöl Butter Pfeffer, Fleur de Sel Kräutereis Gelatine in kaltem Wasser einweichen, Kräuter zupfen, mit der sauren Sahne vermischen. Mit ca. 20 g Senf, Salz, Pfef­ fer und Saft von 1 Zitrone abschmecken und alles fein mixen. Schmand erhitzen, Glucose und Gelatine darin ­auflösen und alles erneut mixen. In einem Paco­ jet-Becher einfrieren und vor dem Anrichten pacosieren (Eismaschine). Kartoffeln Kartoffeln schälen, in Würfel schneiden und bissfest garen. Eigelb-Senf-Creme Eigelb vakuumieren (etwas Eigelb zum Panieren zurückbehalten) und im Was­ serbad bei 85 Grad ca. 20 Minuten ga­ ren. In Eiswasser abkühlen, mit Joghurt und ca. 30 g Senf zu einer Creme mixen. Wachteleier Die Wachteleier in Essig-Wasser pochieren und darauf achten, dass das

Salicorn In kochendem Salzwasser blanchieren und in Eiswasser abschrecken. Anrichten 1. Die vakuumierte Forelle ca. 4–5 Minu­ ten ins Wasserbad geben. 2. Das Fjordforellen-Tatar in drei Rin­ gen in einem Halbkreis auf dem Teller anrichten. 3. Die Eigelb-Senf-Creme um das Tatar mit einer Spritzflasche anrichten. 4. Kartoffeln mit Butter in der Pfanne goldbraun braten mit Salz und ­Pfeffer abschmecken und um das Tatar an­ richten. 5. Das panierte Wachtelei in Sonnen­ blumenöl goldbraun ausbacken, sodass der Kern noch flüssig bleibt, und auf dem mittlerem Tatar anrichten. 6. Salicorn und Nordseekrabben in ­Butter schwenken und in der Teller­ mitte und um das Tatar anrichten. 7. Den Fisch aus dem Wasserbad neh­ men, mit Meersalz würzen und in der Tellermitte auf den Algen anrichten. 8. Zwei Nocken vom pacosierten Kräutereis auf den zwei verbleibenden Ringen des Tatars anrichten und mit den Hautchips garnieren. 9. Den Forellenkaviar auf der Forelle und dem Kräutereis anrichten.

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Kritik: Restaurants

Ikarus: Die Alleskönner

Martin Klein und sein Team bei der Arbeit an der Roten Garnele mit Knoblauch

In der Küche des Ikarus sieht es aus wie in der Redaktion

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infach nur ein sehr gutes Restaurant hätte es wohl nicht getan, am Hauptsitz des Red-Bull-Imperiums. Wie es in der Formel 1, anderen Extremsportarten, und auch beim Fußball bewiesen hat, geht das Unternehmen neue Wege nicht nur entschlossen und mit großem finanziellem Einsatz an, sondern auch ausgesprochen planvoll und konzeptstark. Das Konzept im Ikarus heißt: Jeden Monat ein anderer Gastkoch; mit Rückendeckung von Patron Eckart Witzigmann hat sich zunächst zehn Jahre lang Roland Trettl jeden Monat neu das aktuelle Menü eines prominenten Kochs angeeignet, Zu-

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bereitungs- und Anrichteweisen gelernt und den Gästen im Ikarus serviert. Seit Anfang 2014 ist Martin Klein Küchenchef im Ikarus. Er war am Anfang schon einmal als Trettls rechte Hand dabei und war in den letzten Jahren auf den Fidschi-Inseln Executive Chef von fünf Luxusrestaurants. Als die Stelle in Salzburg vakant wurde, zögerte er nicht. Einmal im Jahr, im August, gibt es keinen Gastkoch. Dann ist Klein selbst für das Menü verantwortlich. Das sorgt »für einen gewissen Druck, man ist einer von zwölf und man möchte nicht der schlechteste von den zwölf sein.«

Als Amuse gibt es eine Taschenkrebssphäre mit einem Gazpachoshot, ein Steinpilzeis mit Gänseleber, Cracker mit Misocreme und einen winzigen Burger mit Kalbstatar, der mit einem sehr crispen Baiser als Brötchen eine hervorragende Figur macht. Bei den Hauptgängen fällt der Toro auf, Thunfischbauch, der gebeizt unter einem Geleehäubchen mit Dashiessig und Korianderöl liegt und sich in einem Wirbel aus Säure und Umami bestens durchzusetzen vermag. Oder der Aal, der unter einem Fetaschnee liegt und sich prima mit den Melonenkügelchen, dem Calamansiessig und dem Thymianöl verträgt. Als eine Art Signature Dish folgt das SepiaEi mit einer Hülle aus Mannitolzucker, pochierter Sepiafarce, Eigelb und Imperial Kaviar. Anschließend kommen sehr süffige Flusskrebse mit Spitzkohl, Jakobsmuschel mit Trüffel und einhundert Jahre altem Balsamico, eine sehr moderne, leichte Zubereitung vom Rochenflügel mit frittiertem Salat, Tomate und Bergamottöl, Rote Garnele mit wuchtigem Knoblauch und ein wunderbares klassisch anmutendes Schmorgericht von der Wagyuschulter, wie man es sich von einem Koch aus dem Elsass wünscht. Klein lässt sich in seinem Menü ganz bewusst beeinflussen von dem, was er das Jahr über mit seiner Brigade realisiert. Fast in jedem Gang gibt es ein Detail, das an einen der Gastköche erinnert. Man spürt aber bei den Gerichten, dass Klein den Ideen und Feinheiten seiner Gastköche eben doch viel näher kommt, als andere, die mit dem Fotoapparat bewaffnet zu Kollegen essen gehen. Die handwerkliche Virtuosität gibt der Küche eine im Kern französische Anmutung, Essen zum Essen, nicht nur für Auge und Intellekt.

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Fotos: Ikarus, Effilee

Das Konzept, jeden Monat die Küche eines anderen Starkochs nach Salzburg zu bringen, zahlt sich aus: Die Brigade ist handwerklich und kreativ auf der Höhe und liefert Spitzenniveau in eigener Sache


Antwerpen, Belgien The Jane Sergio Herman Wow! Ist das cool! Hip! iEAT 8.0! Essen in einer Kirche! Die verglaste Küche ist im Altarraum. Breiter Pass, hinter dem ein junger Mann mit Headset die Arbeit der Köche und Kellner koordiniert. Darüber schwebt ein Totenkopf. Oben auf dem Chor ist die Bar. Im Hauptschiff sitzen die Esser. Loungemöbel, Loungekissen, Loungemusik. Durch die bunten Kirchenfenster fällt viel Licht in den Raum. Die Decke mit der abblätternden Farbe bringt einen Hauch Geschichte. Von ihr hängt eine hypermoderne Igellampe herab. Das The Jane bietet eine perfekte kulinarische Show. Kein Kellner über dreißig, so scheint es, alle dynamisch, alle freundlich, alle haben viel Humor. Eine Freude sind die Empfehlungen und die Sachkenntnis von Sommelier Gianluca di Taranto. Keine Spur der Gespreiztheit, die bei vielen seiner Kollegen anderswo so stört. Die Teller sind toll gestylt. Eine wahre Orgie an Mikroelementen, bei jedem Gang. Das Preis-Event-Leistungs-Verhältnis ist sensationell. Das kriegt Boss Sergio Herman hin, indem er auf Edelprodukte verzichtet und pro Tag rund zweihundert Gäste unterhält. Paul Bocuse hat vor langer Zeit gesagt, die Küche mache zwanzig Prozent eines Restaurants aus, der Rest sei Atmosphäre. In diesem Sinn ist das The Jane also gar nicht so modern. Max Möger   Pinzettenküche mit preis­ werten Produkten Paradeplein 1, 2018 Antwerpen www.thejaneantwerp.com

Wien, Österreich Kussmaul Kussmaul, guter Name, ich muss an Villon und Kinski denken, zu Unrecht jedoch, benannt ist’s nach Dr. Adolf Kussmaul, dem Erfinder des Biedermeier. Es bietet exakt, was der urbane Trendseeker wünscht: Restaurant, Patisserie und Bar, und das Ganze regional, bio und selbstgemacht. Die Getränke: Tees (beste Qualitäten), Kaffee (urbanes Cupping auf der Höhe der Zeit), Limonaden (selbstgemacht), Sake, Craft-Biere (auch als Begleitung zum Essen) sowie Wasser, etwas Zierrat und: Cocktails. Keine Stangen­ ware, sondern Cuisine Style und ebenfalls alles hausgemacht. Die Speisekarte bietet vom Frühstück übers Mittagessen bis zum Fine Dining alles, was der kleine und große Hunger braucht. Die hauseigene Bäckerei liefert, was man so zum Frühstück braucht, vom Croissant bis zum Brot mit selbsthergestelltem Sauerteig. Die Patisserie fertigt einen köstlichen Reigen an Zuckerzeugs; alles was trendige Zuckerbäckerei heute ausmacht. Es gibt einen täglich wechselnden Lunch für kleines Geld und abends kann man sich der großen Oper hingeben. Zwischendurch gibt’s ne kleine Standardkarte zur Überbrückung mit urbanen, hippen Snacks. Pflanzliche Alternativen sind hübsch gekennzeichnet und kein Problem. Die Weinkarte listet alles, was im Bio- oder Vin-Naturel-Weinbereich Rang und Namen hat. Das Interieur ist auch gut. Kann das eigentlich sein? Einrichtung gut, Essen gut, Trinken gut? Und vor allem: Nicht nur gut ausgedacht, sondern hervorragend umgesetzt, alles richtig gemacht. Supernerds Paradise. Das ist eigentlich zu viel und geht auf keine Kuhhaut. Manchmal geht’s aber doch. Sebastian Bordthäuser

Liernu, Belgien L’Air du Temps Sang-Hoon Degeimbre Zeiiiiiiiiiitgeiiiiiiist!!! Arrrghhhh! Der Name des Restaurants – L’Air du Temps – heißt übersetzt tatsächlich Zeitgeist. Wird mir schlagartig klar am Ende dieses enttäuschenden Abends. Zeitgeist – das erklärt den mönchisch-kargen Charakter des vielgängigen Menüs, das alle Gäste, Kinder eingeschlossen, an Wochenend­abenden bestellen müssen. Kräuter, Kartöffelchen aus dem Garten, ein einsames Taubenbein mit geschmacklosem Pulver bestreut, und Huhn, so mager und trocken, dass man denken könnte, das arme Viech habe vor seinem sinnlosen Tod noch eine Diät machen müssen. Zu allem und jedem gibt es Saucen, die keine sind, sondern entfettete Brühen. Beklagenswert kleine Portio­ nen, keine Kalorien, kaum Sämiges. Kein Käse! Keine Freude, keine fettverschmierten Lippen. Küche für Selbst­ optimierer mit Fitness-Armbändern. Handwerklich geht auch einiges schief. In beiden Hummergängen schmeckt man vom Hummer nichts. Hier zu viel Süße, dort zu viel Gewürz, da zu viel Salz (also bitte, und das gerade hier, ist doch schrecklich ungesund!). Verkrampfte, monoton die immer gleichen Sprüche herunterratternde Kellner. So schlecht sitzende Anzüge habe ich noch nie einem Sternerestaurant gesehen. Es bleibt die Frage, ob die Wahl des Namens für diese als Gaststätte getarnte Abnehm­k linik Ausdruck von Größenwahn oder grenzenloser Naivität ist. Max Möger   Der Himmel für Zeitgeist­ asketen, die Hölle für Lustesser Rue de la Croix Monet, 2, 5310 Liernu www.airdutemps.be

5 von 5 Sternen für die neue Definition von Szenegastronomie Spittelberggasse 12, 1070 Wien www.kussmaul.at

• = Weniger empfehlenswert •• = Geht so ••• = Gut, mit Luft nach oben •••• = Unbedingt empfehlenswert ••••• = Göttlich

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Kritik: Restaurants

Nagold, Deutschland Alte Post Martin Göschel Der Landkreis Calw tut sich in puncto Kulinarik schwer. Umso mehr freut man sich auf die wenigen Kontrastpunkte. Einen solchen setzt Martin Göschel (ehemals Paradies, Ftan) mit seinem ersten eigenen Restaurant. Gemeinsam mit seiner Partnerin Sarah Hillebrenner verfolgt er hier ein für die Region erfreulich modernes Konzept. Im Erdgeschoss befindet sich ein Bistro, einen Stock drüber kocht Göschel im Gourmetrestaurant. Das Ambiente weiß zu gefallen. Ein Mix aus dem ehemaligem Interieur der Alten Post und geschmackvoller Modernisierung mit Designklassikern sorgt für Stimmung. Göschel bedient sich im ersten Stock der Produktvielfalt des Schwarzwalds, jedoch ohne Dogma, vielmehr mit einem augenzwinkernden Tribut an die Region. Das macht Spaß. So überzeugen die Schupfnudeln mit Roter Bete, milder Senfcreme und dem herrlich schlotzigen pochierten Ei ob des Spiels mit der Süße und Schärfe genauso wie die Roulade und das Medaillon vom Schwarzwälder Rind zur Bramata (Polenta) mit jungem Gemüse. Den Ausklang gibt ein ordentliches Württemberger Kirschsoufflé. Alles hat hier Charme. Wenn zukünftig auch die Weine aus würdigen Gläsern und wohltemperiert serviert werden, freue ich mich schon aufs nächste Menü in meiner Heimat. Markus Budai

Berlin, Deutschland Briefmarken Weine Berlins kleine, aber fleißige Weintrinker­ szene hat die neue Adresse längst ausfindig gemacht. Aber nur im Stillen wird der heiße Tipp weitergegeben: ­Briefmarken Weine. Der zunächst skurril anmutende Name kommt daher, dass es sich um ein ehemaliges Briefmarkengeschäft handelt. Die Webseite verrät so gut wie nichts. Wer aber in der Karl-Marx-Allee zu Gast war, versteht den Hintergrund des mysteriösen Titels schnell, denn das alte Interieur wurde liebevoll erhalten. Man sitzt gerne draußen am Marmortisch oder drinnen im abends schnuckelig beleuchteten Ambiente am Schachbretttisch. Nicola Sessa, ein ehemaliger Journalist aus Italien und Alessandro Vespasiano bieten hier kleinere Gerichte an. Vor allem die Verbindung aus Vinothek und klassisch italienischer Bistroküche weiß zu überzeugen. Die Weinauswahl beschränkt sich auf Italien, geht dafür aber in die Tiefe. Die Preise sind mehr als fair und oft unverschämt günstig, sodass man gerne eine weitere Flasche bestellt. Wer beim fruchtigen Nero d’Avola von COS hungrig wird, kann auf eine angenehme Käseplatte und Antipasti zurückgreifen. Puristen laben sich an einer Kugel Mozzarella, die lediglich ein Basilikumblatt ziert. Für den großen Hunger, bieten sich erstklassige Spaghetti Carbonara an. Das Einfache ist hier das Gute. Markus Budai

Wertet das kulinarische An­

Völlig ungezwungen und frei

Wien, Österreich Do & Co Thies Backhus In Österreich ist Do & Co längst eine Legende und das zu Recht: Gründer Attila Dogudan hat das Airline-Catering quasi neu erfunden (mit Köchen an Bord), er bewirtschaftet sogar die FirstClass-Ter­minals der Lufthansa, versorgt weltweit die Formel-1-VIPs kulinarisch, betreibt ein sensationelles Hotel und mehrere Restau­rants in Wien. Das beste heißt einfach Do & Co und befindet sich in Holleins auch heute noch frisch und extravagant wirkendem Haas-Haus gegenüber dem Stephansdom. Im siebten Stockwerk strahlt das Restaurant in hellen Farben und zurück­ haltendem Design, das attraktivste Dekor sind eh die wandgroßen Fenster mit dem Blick auf den Dom, die Plätze auf der schmalen Terrasse gehören sommers zu den begehrtesten im 1. Bezirk. Was die Köche in der großen offenen Küche produzieren, ist internationale Küche im besten Sinne, also kulinarische Spezialitäten aus allen Ecken der Welt, durchaus witzig variiert und kombiniert, die meisten aus Fernost: Eine thailändische Tom Yam Kung ist feiner, doch nicht weniger hot als in Bangkok; köstlich-knusprige Crevetten werden von einem getrüffelten Häuptelsalat begleitet; ein Tatar kommt stereo, fleischig-fischig, klassisch-asiatisch. Nur der Service ist wienerisch: liebreizend und charmant. B. Haller   Amüsant, nicht selten origi­

gebot der Region deutlich auf!

von Klischees. Eine der vielen Bereicherun­

nell, und zu fairen Preisen

Bahnhofstr. 2, 72202 Nagold

gen in Berlin! Oder um es mit den Worten

Stephansplatz 12, 1010 Wien

www.altepost-nagold.de

des Inhabers zu sagen: Grandi vini – piccola

www.doco.com

cucina Karl-Marx-Allee 99, 10243 Berlin www.briefmarkenweine.de

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• = Weniger empfehlenswert •• = Geht so ••• = Gut, mit Luft nach oben •••• = Unbedingt empfehlenswert ••••• = Göttlich


Larrabetzu, Spanien Azurmendi Eneko Atxa

Kopenhagen, Dänemark Kadeau Nicolai Nørregaard

Saint-Tropez, Frankreich Rivea Vincent Maillard

Eneko Atxa ist der neue Superstar der baskischen Avantgarde: Innerhalb von nur fünf Jahren stieg er in die Liga der Drei-Sterne-Köche auf. Sein Restaurant Azurmendi befindet sich in einer ländlichen Gegend, etwa zwanzig Autominuten von Bilbao entfernt. Die Atmosphäre in dem imposanten, ultramodernen Glasbau ist sehr elegant und gediegen, erst im Lauf des Abends lockerte der Service ein klein wenig auf. Gut gefällt uns die Idee, die zahlreichen Amuses während einer Führung durch das hauseigene Gewächshaus in den Gemüsebeeten zu verstecken. Das eigentliche Menü hingegen wirkt leider weit weniger spielerisch und innovativ als erwartet: Der Hummer mit OlivenölEmulsion und Schnittlauch ist zwar tadellos zubereitet und schmeckt sehr gut, aber recht konventionell. Auch der Hauptgang, eine geröstete Taubenbrust mit kräftiger Champignon-­Duxelles, Trüffel und Kressesalat, lässt jenseits makellosen Handwerks den kreativen Kick vermissen. Origineller ist die exzellent gewürzte, samtige Gänselebercreme mit Asche, aber dafür verströmt das gebratene Rotbarbenfilet mit einer gänzlich aromafreien Blumenkohlvariation ebenso Langeweile wie ein Dessert aus Kirschsorbet, Karamellcreme und beinharten Zuckersteinen. Als Gesamterlebnis mag das Azurmendi dank des Zusammenspiels aus toller Lage, eindrucksvollem Gebäude und wohlschmeckenden Gerichten funktionieren. Allein für die Küche aber lohnt die Anreise kaum. Kai Mihm, sternefresser.de

Gerade als man dachte, die Facetten der Neuen Nordischen Küche seien gänzlich ausgereizt, ist plötzlich das Kopenhagener Kadeau in aller Munde, ein Ableger des gleichnamigen Restaurants auf der Insel Bornholm. Die Kopenhagener Dependance befindet sich im beschaulichen Stadteil Christianshavn, man sitzt an blanken Holztischen, die Atmosphäre ist locker und lebendig. Und tatsächlich muss die stark vom ländlichen Terroir geprägte Küche den Vergleich mit den angesagtesten Lokalen Skandinaviens nicht scheuen. Originell die Idee, als Amuses verschiedene Teile von der Ente zu servieren: zunächst mildwürzige Streifen gepökelter Entenbrust mit fruchtigsäuerlichem Johannisbeerpuder, danach ein großes Stück köstlich-knuspriger Entenhaut mit einer intensiven Pilzcreme und schließlich ein mit Heu geröstetes Entenherz samt einer Kresse-Schnittlauch-Emulsion – ein unglaublich vollmundiger Wuchthappen. Beim Kalmar mit Auster, Petersilie und Wildkräutern bekommen die zarten Kalmarstreifen durch die Austernstücke und die diversen Kräuter eine ungeahnte Geschmacks­ fülle – simpel, aber begeisternd. Auch die gegrillten Hühnerkeulen mit einer Creme aus Lauch, Bärlauch, Stachelbeersaft und gebräunter Butter oder das ­Dessert aus Rhabarber, Pinie, Schlagsahne und Butter­milch überzeugen durch eine genialische Verbindung rustikaler und ­fi ligraner Komponenten. Es ist im ­K adeau vielleicht alles einen Tick deftiger als bei den üblichen Verdächtigen. Weniger stimmig ist es aber nicht. Kai Mihm, sternefresser.de

Vor Kurzem erst hat Alain Ducasse für Aufsehen gesorgt, weil er in seinem neuen Pariser Restaurant Menüs zu satten dreihundertachtzig Euro anbietet. Dabei wird gerne übersehen, dass der Meister auch eine ganze Reihe sehr viel günstigerer Lokale im Portfolio hat. Zum Beispiel das Rivea in Saint-Tropez. Das Restaurant ist zwar an das sündteure Hotel Byblos angegliedert, verfügt jedoch über einen eigenen Eingang und wirkt angenehm autark. Die Atmosphäre ist schick, aber leger, auf der Karte stehen mediterran geprägte, bodenständige Gerichte zu relativ moderaten Preisen (Vorspeisen ab vierzehn, Hauptgänge ab neunundzwanzig Euro). Die Kaninchen­ terrine fällt leider etwas trocken und fad aus, auch die gratinierten Kräutercannelloni könnten mehr Pep haben. Dafür schmeckt das Vitello tonnato mustergültig: butterzartes Fleisch, würzige Sauce und exzellente Kapern für den Säurekick. Große Klasse auch die geröstete, saftige Tranche vom Wolfsbarsch mit Oliven und einer abwechslungsreichen, hervorragend abgeschmeckten Fenchelvaria­tion. Oder die knusprigen Lammkoteletts mit Kichererbsenpüree und perfekten, fluffig-krossen Panisses. Nicht zuletzt die Desserts, hier vor allem eine Kreation aus Vanillecreme und Rhabarber, würden auch deutlich höher bewerteten Restaurants zur Ehre gereichen. Im schicken, aber kulinarisch nicht sonderlich spannenden Saint-Tropez ist das Rivea eine echte Bereicherung. Kai Mihm, sternefresser.de

»Schmeckt gut« ist in dieser Kategorie einfach zu wenig

Der neue Star unter Kopen­

Legina Auzoa s/n, 48195 Larrabetzu

hagens Toprestaurants

­Bizkaia

Wildersgade 10A, 1408 København K

www.azurmendi.biz

www.kadeau.dk

Effilee #31  Winter 2014/2015

In Saint-Tropez gibt es für das Geld kaum etwas Besseres 27 avenue Foch, 83990 Saint-Tropez www.byblos.com

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Kritik: Restaurants

Dierhagen, Deutschland Ostseelounge im Strand­ hotel Fischland Pierre Nippkow Rau brunften Hirsche auf dem sterndunklen Darß, als wir die Ostseelounge nach einem fabulösen Überraschungs­ diner verlassen, zu dessen Anfang noch sich der Sonnenuntergang im Champagner fing. Kochtechnisch und texturmäßig mit China-Assoziationen, dennoch fest in MVP verwurzelt: denkwürdig. Schollenfilet in glasiger Garung, so dass es von seiner Frische berichten kann und knusprige Wasabi-Elemente zuvorkommend bewirtet. Ein zarter Gang, selbst Safran in der Sauce nur angedeutet; dünne Radieschenscheiben blanchiert, Pulpo gekocht. Lass dich hineinziehen, spricht der Teller: Genaues Hinschmecken öffnet den Vorhang! Saalower Schweinebauch mit Auster, der Bauch von einer Qualität, die sogar meinen neidisch macht, leichte Röstnoten. Eine Sauce verbindet Fleisch mit Muschel, die dem straffen Fett vor allem Würze und Meer hinzufügt. Darßer Rehrücken – im Vorgriff aufs Heimradeln sozusagen der Brüller. Sousvide gegart, eine Konsistenz wie Wackelpudding, federleicht koloriert. Zwei ordentliche Stücke, die beim langsamen Kauen Terroir freigeben. Sautierte Ministeinpilze, eine Pfirsichessigjus sprüht komplexe Fruchtsäure hinzu, und geröstete Brioche vollendet diesen Teller. Birnen in Ingwersud, dazu blanchierte, von ihren adstringierenden Häuten befreite Wal- und Haselnüsse, duftfein gehobelt; Muskatnote so zart wie anfangs der Safran. Herbst. Nils Schiffhauer

Shanghai, China Whampoa Club im »Three on the Bund«

Stockholm/Schweden Frantzén Björn Kent Mikael Frantzén

Einzeltisch mit atemberaubendem Blick vom Bund aus über den Huangpu-Fluss auf Pudong. Direkt voraus vierhundert­ achtundsechzig Meter Fernsehturm. Das mag zweihundertdreißig Euro der Rechnung für das Whampoa Club Tasting Menu wert sein. Aber ob selbst die restlichen zwanzig Euro (zwei, drei Flakons Tsingtao inklusive) für die zwölf Teller, die da kamen, angemessen waren? Marinierte Rinderwade, mittenmang aus der Kühlung. Das ist doch überall auf der Welt ein handwerklicher Fehler, oder? Regenbogenqualle, bei der selbst Chinesen Geschmack von Meer nur qua Sozialisation wahrnehmen. Consommé von Wellhornschnecke mit geschmacklich nicht wahrnehmbaren Morcheln und Schwimmblasen. Seegurke vom Ausmaß einer Schmorgurke, ein einziger öder Knubbelmarathon. Gedämpfter Zackenbarsch in Sojasauce – ein Geschmacksfriedhof. Vorzügliches australisches M9-Rindfleisch (Wagyu), ertränkt in einer pampigen Pfeffersauce. Saisongemüse, darunter Spargel im Herbst, sautiert in nicht spürbarem Olivenöl. Der Stolz Shanghais: Schweinehack in Teigtasche (baozi), würzlos. Das Dessert: Schwalbenspucke mit Mandelmilch. Ich habe das unter dem Aspekt Variationen von Knubbeltexturen verstanden und sämtliche Nuancen zwischen Katjes und weichem Dotter bemümmelt. Das war keinesfalls wie angekündigt modernisierte chinesische Spitzenküche. Und wir wissen ja gar nicht genug zu schätzen, wie preiswert, say, Joachim Wissler wirklich ist. Nils Schiffhauer

»Nils?«, fragt vor der Tür eine liebenswerte Mischung aus Wiener Fiakerfahrer und Hamburger Koberer. Es folgt ein dicht gewebter, rasant geschnittener Lebensfilm voller äußerer Überraschungen und innerer Logik in siebzehn spannungsreichen Einstellungen, wobei allein die abschließende Dessertbox aus wiederum sieben Preziosen wie der Pastille aus Teerhonig und Ingwer mit einer Chrysanthemenblüte oder dem Toffee aus fermentiertem Knoblauch besteht. Die Speisefolge in ungezwungener Atmosphäre lässt uns im Flow sein: ganz bei uns, jederzeit gefordert, nie überfordert. Die Produktauffassung japanisch, die makellos frischgetauchten Langustinen präsentiert der Service erst lebend, bevor ihr Fleisch roh und von betörenden Aromen auf dem Teller landet. Epochal der vegetarische Teller mit dreiundfünfzig Gemüsen – von roh über fermentiert bis getrocknet. Als Satio tempestas selbst dem Verehrer Hoffmann’scher Geniestreiche einen Kniefall wert. Was nach Muskelspiel klingt, hat auch hier wieder einen lebensdurchstreifenden Verlauf – bis hin zum Grün, das das Kind mal am Wegesrand probierte. Schwedisches Wagyu mit Nussbutter: Schwelgen in der Idee des Fleischgeschmackes, variierend fortgesetzt von: Knochenmark mit fermentiertem Champignonsaft, Ossietrakaviar und geräucherter Kastanie. Saure Roggensuppe macht die Zunge frisch für langsamgegarten Kabeljau und die Umamibombe Hot Pot mit Lamm. Gebackene HefeEiscreme und getrocknete Blätter vom Eigelb künden vom Herbst des Dinners. Nils Schiffhauer

»Mehr, mehr«, ruft da der kleine (und große) Häwelmann. Von P ­ ierre

Ausblick spektakulär aus

Jetzt kann ich beruhigt

Nippkow wird man ebenfalls Weiteres hören

dem Fenster, kantinenmäßig auf den Tellern

­sterben; ich war im Frantzén

Ernst-Moritz-Arndt-Str. 6, 18347 Dierhagen

No. 3 The Bund (3 Zhongshan Dong Yi Lu)

Lilla Nygatan 21, S-111 28 Stockholm

Strand

Shanghai 20002

www.restaurantfrantzen.com

www.strandhotel-fischland.de

www.threeonthebund.com

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• = Weniger empfehlenswert •• = Geht so ••• = Gut, mit Luft nach oben •••• = Unbedingt empfehlenswert ••••• = Göttlich


Neustadt, Deutschland Urgestein Benjamin Pfeifer

Berlin, Deutschland Facil Michael Kempf

Berlin, Deutschland Tim Raue Tim Raue

Bemerkenswert, angesichts der Zweipersonenbrigade, welche Qualität und Kreativität hier waltet: Sockeye-Lachs und Sevruga Kaviar wird eingerahmt von einer Mizunacreme (ein Senfgewächs mit leichter Pfeffernote), Bergamotte, komprimierter Wassermelone und koreanischer Minze. Herrlich tanzen die süßsauren Aromen auf der Zunge und der Lachs thront majestätisch über allem. Beim Gemüse rekurriert Pfeifer auf Pfälzer Gewächse, was uns bei der bretonischen Makrele mit Martins Tomaten (der Hauslieferant), Aubergine, Parmesan und Ricotta sowie der ersten Pfälzer Artischocke zu spontanen Beifallsbekundungen veranlasste – selten haben wir so authentisch schmeckendes Gemüse verkosten dürfen! Dass es sich mit der Makrele bestens vertrug, brauchen wir nicht hinzuzufügen. Besonders vielschichtig wird Peifer, wenn er sich auf mehreren Tellern austobt: So reicht er zum Kaisergranat mit Herzmuscheln, Kürbistexturen, Sanddorncreme und Dashi/ Yuzu-Boullion eine Tarte mit Kaisergranat-Carpaccio, Kürbis und Sanddorn, um einen Temperaturkontrast zu erreichen, und parfümiert dies mit einer herrlichen Krustentierbisque. Auf keinen Fall verpassen darf man auch das Urlamm in drei Varianten, wobei er verschiedene Lammelemente in Streetfood-Manier wie in Japan, Singapur, Thailand und Korea serviert. Die Nachtische sind überwiegend Neuinterpretationen vertrauter Akkorde – unvergessen bleibt seit ehedem seine Twix-Variante mit dem bis dato wohl besten Mürbeteig. Ingo Scheuermann, culinary-insights.de

Gerade mittags lohnt die Einkehr – es gibt ein überragendes Preis-LeistungErlebnis, wenn auch die Amuses bewusst etwas einfacher ausfallen. Hervorragend die Lachsforelle, sanft gegart mit grünen und schwarzen Oliven und Navetten. Kempf schafft es, das Maximum aus den verwendeten Produkten herauszuholen. Grandios die Suppe von der Urtomate mit Calamaretti und Mirepoix mit Tandoori und Sepiacreme – ein nahtloses Ineinandergreifen herzhafter intensiver Noten – schön, dass es solche Genussmomente noch gibt! Im Fleischbereich finden sich Kalbsmilz und Hirn in verschiedenen Gerichten wieder, das Wollschwein von Bauer Beuthe kombiniert er auf neuartige und unkonventionelle Weise mit gegrillter Avocado, Wassermelone, und einem herrlichen Kreuzkümmeljus mit Zitrone, Avocadocreme, Erdnüssen und leicht angegrillten Zwiebeln. Daraus entsteht ein tiefgründiges, doch extrem plastisches und leichtes Aromengebilde mit Frucht und Säurespiel, in dessen Zentrum das wunderbar saftige und zarte Schmorstück steht. Beim normalen Abendmenü geht Kempf elaborierter ans Werk und arbeitet noch mehr mit texturellen Nuancen wie beim herrlichen Steinpilzgang mit gebratenen Steinpilzen, Steinpilzcreme und -crumble, gebackenem Wachtelei, Petersilien-/Basilikumpesto und hauchdünn gehobeltem Bergkäse – immer bleibt der Steinpilz präsent, wirkt aber nie dicht oder buttrig, sondern durch die herbale Note leicht. So einfach, so wunderbar pointiert! Ingo Scheuermann, culinary-insights.de

Es scheint, als gebe der Erfolg der neuen Konzepte Raue die Rückendeckung und Selbstsicherheit, seine Stilistik zu perfektionieren. Im Mittelpunkt steht nach wie vor die Assemblage chinesischer Süffigkeit, thailändischer Aromenwelt und japanischer Produktphilosophie, die er auf einem zeitgemäß-französischem Fundament aufbaut, aber es wird noch pointierter mit verschiedenen Schärfe­ arten gearbeitet, die eingängiger und nachhalliger sind. Raue erzeugt völlig neuartige Aromensynergien wie etwa bei der Gänseleber, die mit Matchatee marmoriert und mit Norialgen in einem völlig neuen Kontext erscheint. Raue arbeitet den Dialog von Tee- und Algensäure mit Schmelzigkeit und hintergründiger Süße der Gänseleber bestens heraus und setzt ihn in mit einem Gelee von weißen Trauben, eingelegten und angetrockneten Trauben und Wasabipaste beherzt fort. Den eigentlichen Clou beschert uns Raue dann mit Jiaogulan-Kraut, das zunächst an Ginseng erinnert, dann noch etwas Schärfe beisteuert und letztlich herballeicht dem Gericht Tiefe verleiht. Ein Meisterstück! Ebenso herausragend die durch Weglassen optimierte Kombination von gedämpftem wildem Steinbutt, der lediglich von Lauchstücken und -creme und eingelegtem jungem Ingwer begleitet wird, bevor ein ungeheuer intensiver Sud aus zehnjährigem ­K amebishi-Soja wie aus Aladins Wunderlampe angegossen wird. Göttlich! Erwähnenswert auch der unkomplizierte Service und die kongeniale Weinbegleitung, beides verantwortet von André Macionga. Ingo Scheuermann, culinary-insights.de

Weiter sooooooo, young

Michael Kempf ist eine feste

Vielleicht die eigenständigs­

Jedi – the force is strong in you!

Größe an der Berliner Spitze!

te Küche in deutschen Landen, begeisternd!

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www.facil.de

www.tim-raue.com

Effilee #31  Winter 2014/2015

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Kritik: Wein

Der erste Bottletank Am 12. Oktober trafen sich Sommeliers, Journalisten und Winzer zum ersten Bottletank, zu dem die Sternefresser in Kooperation mit Effilee eingeladen hatten. Die Idee ist, ähnlich wie beim Cooktank, den Erfahrungsaustausch zu fördern unter Leuten, die sich aus Profession und Leidenschaft mit dem Thema befassen. Zugleich sollte der geilste Deutsche Spätburgunder 2012 gekürt werden. Von Vijay Sapre

V

ierzehn Teilnehmer hatten sich – sofern sie nicht sowieso schon da waren – auf den Weg nach Berlin ins Rutz gemacht, um den geilsten deutschen Spätburgunder des Jahres 2012 zu küren. Üblicherweise geht so ein Wettbewerb so vor sich, dass die Winzer angefragt werden, ihren Wein (oft gegen Gebühr) einzustellen, aus diesen Weinen wird dann eine Vorauswahl getroffen und die Jury wählt aus der Vorauswahl den Ge-

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winner. Wir beschlossen, stattdessen auf die Kompetenz der Teilnehmer zu setzen, und so war jeder aufgefordert, den Wein mitzubringen, den er selbst für den geilsten hielt. Das führte dann zwar dazu, dass etliche der ganz großen Namen fehlten, andererseits gab schon mit der Weinauswahl jeder Teilnehmer ein gewisses Statement über seine Vorlieben ab. Verkostet wurde blind, in sieben Flights mit je zwei Weinen, außer seinem

eigenen Wein wusste keiner, welche Weine noch eingestellt waren. Die Flights stellte freundlicherweise Christoph Schlee von der Weinhalle in Nürnberg zusammen. Zum Avinieren der Verkoster wurde Cave Privée 1990 von Veuve Cliquot gereicht, dann ging es zur Sache. Es wurde durchaus hitzig diskutiert, erst über den Bewertungsmodus, dann über die Weine. Gerade die Tatsache, dass auch drei aktive Winzer am Tisch waren, trug dazu bei.

Effilee #31  Winter 2014/2015

Fotos: Effilee

Wenn bei so einer Veranstaltung etwas klappt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Daniela Heykes die Finger im Spiel hatte


Teilnehmer BottleTank No. 1 im Rutz, Berlin Nina Mann (Schlossgarten, Stuttgart)

Bönnigheimer Sonnenberg, Weingut Dautel 2012 Steve Hartzsch (Fischers Fritz) Ursula Heinzelmann braucht keine Quote, um sich durchzusetzen

2012 PN Weingut Enderle & Moll »Bundsandstein« Gerhard Retter (Cordobar)

Insgesamt war jedoch eine recht klare Linie zu erkennen, die besten Bewertungen erhielten Weine, die eher leichtfüßig elegant daherkamen, die Zeit der Wuchtbrummen scheint endgültig vorbei. Nach ausführlicher Verkostung und aufopferungsvoller Arbeit am Laptop durch Christian Stromann standen die Gewinner fest: Der geilste deutsche Spätburgunder war für die Runde der Pinot Noir Reserve, Baden, 2012, von Holger Koch, der von Christoph Geyler, dem Sommelier des Rutz eingestellt wurde. Bereits das durchscheinende Ziegelrot lässt erahnen, dass die Eleganz sich vor die pure Konzentration stellt. In diesem Sinne zieht sich die Filigranität weiter. Neben klarster Pinotfrucht im Bukett, überzeugt der 2012er Pinot Noir ob seiner Ausgewogenheit, einer knackigen Frucht und einer feinen Säure, die den jugendlichen Rotwein über den Gaumen spannt. Ein durch und durch gelungener Vertreter der kühleren Spätburgunderstilistik. Platz zwei belegte der Spätburgunder Sonnenberg, Württemberg, 2012, von Dautel. Er zeigt, wie sehr die Weinszene die stille Rotweinrevolution Württembergs verschlafen hat. Dautels Spätburgunder vom Sonnenberg bietet mächtig Substanz. Der Weintipp stammte von Sommelière Nina Mann (Schlossgarten, Stuttgart), die sich innerhalb kürzester Zeit offenbar ganz gut ins Schwabenländle eingelebt hat. Platz drei wurde von Gerhard Retter ins Spiel gebracht: Fellbacher Lämmler Spätburgunder Bergmandel GG, Württemberg, 2012 von Schnaitmann ebenfalls aus Württemberg.

Effilee #31  Winter 2014/2015

Der Wein besticht durch eine vielschichtige Frucht, die daneben auch mit Brennnessel und feinen Kräutern nuanciert wird. Ein präziser und äußerst kraftvoller Spätburgunder. Einig waren sich die Teilnehmer darüber, dass der Bottletank fortgesetzt werden sollte, dabei wurde vor allem die Frage diskutiert, ob man für den einen oder anderen sehr namhaften Wein der hier vielleicht fehlte (und von denen die Veranstalter eher befürchtet hätten, dass sie mehrfach eingestellt werden) Wildcards vergeben sollten. Nachdem einige sich zurückzogen, weil entweder die Ernte noch voll im Gang war (Ziereisen) oder der Vorabend in der Cordobar noch in den Knochen steckte (Teibert), traf man sich zum Abschluss bei Herrn Wu im Hot Spot, um alle offenen Fragen zu besprechen, ein maßgeschneidertes Menü zu teilen und die eine oder andere Flasche zu leeren.

Simonroth R GG von Rainer Schnaitmann aus Württemberg Jürgen Hammer (Deutsche Sommelierschule)

Spätburgunder, Frank John, Hirschhorner Hof, Pfalz Jan Konetzki (Gordon Ramsay)

Fürst Centgrafenberg GG 2012 Ursula Heinzelmann

2012 Köppel von Wehrheim Thomas Teibert (Domaine de l‘Horizon)

Peter-Jakob Kühn Frühenberg 2012 Paul Schumacher (Weingut Paul Schumacher)

2012 Walporzheimer Kräuterberg Spätburgunder Qba, Schumacher Hanspeter Ziereisen (Weingut Ziereisen)

Ziereisen Schulen 2012 & Jaspis Vijay Sapre (Effilee)

Künstler Reichestal 2012 Sebastian Bordthäuser

2012 Kallstadter Saumagen, Weingut Rings Billy Wagner (Nobelhart & Schmutzig)

2012 Koepfle von Henrik Möbitz Christoph Geyler (Rutz)

2012 Pinot Noir Reserve, Holger Koch Markus Budai (Sternefresser)

Morgen scheint die Sonne in Berlin

Klingenberger GG von Benedikt Baltes vom Weingut der Stadt Klingenberg in Franken


kritik: wein Lesehof Stagård Riesling Steinzeug 2013 Kremstal, Österreich

Spioenkop Wines 1900 Pinotage 2011 Western Cape, Südafrika

Weingut Gres Patriarch 2011 Rheinhessen, Deutschland

Urban Stagård trägt einen schwedischen Namen, spricht (nieder-)österreichisch und erzeugt österreichischen Wein, allerdings in ziemlich deutscher Bauart: raffiniert, balanciert, couragiert. »Mit weniger als fünf Gramm Restsüße auf den Liter will ich meine Weine eigentlich nicht«, sagt der Sechsunddreißigjährige. Im Gegensatz zu den meisten Winzern des Donautals favorisieren Urban, Schwede in zweiter Generation, und seine Frau Dominique einen schlanken, eleganStephan ten, feinfruchtigen ­Reinhardt Rieslingstil, wie ist u. a. Loire-Kor­ er vor allem an der respondent für Mosel kultiviert Robert Parkers Wine Advocate wird. Nehmen wir hier den 2013er Riesling Steinzeug Limited Edition. Nur sechshundert Liter gibt es von diesem im Steinzeug vergorenen Wein, seine Komplexität reicht anderen Winzern für zwei Weine. Er wurde aus hochreifen Trauben erzeugt, die bis zum 1. November 2013 am Stock hingen. Eine Traube pro Trieb. Bis zur Füllung lag der Wein auf der Vollhefe, der Mutter aller Weine, so wie früher. So wird der Wein erst richtig Wein, erhält eine Generosität, Intensität und Balance, die selten ist. Der vollreife Riesling kommt mit knapp dreizehn anstatt fünfzehn Prozent auf die Alkoholwaage, ist überaus bekömmlich, subtil und schlichtweg ein Highlight der Rieslingkultur. Vorwarnung: »Wir verkaufen nur gegen Vorkasse.« Ohnehin ist gerade noch der 2011er im Verkauf, der 13er kommt erst, wenn ihn jemand will.

Winterzeit ist Grünkohlzeit. Getrunken wird traditionell Bier und im Anschluss ein Verdauerli. Begibt man sich jedoch auf die Suche nach einem passenden Wein, wird es schwierig. Zwei befreundete Weinliebhaber kamen zu dem Ergebnis: Es kann nur dieser Pinotage sein! Wie bitte? Das musste überprüft werden! Und was soll ich sagen? Ja! Perfect match! In der Nase zeigt sich der Wein mit einer kühlen Frische, die europäisch wirkt, fast wie ein geschmeidiger Bordeaux aus dem Médoc. Die rauchig-speckigen Aromen betonen die Kohlwurst, aber potenzieren sie nicht, sie schmeicheln den glacierten Kartoffeln. Schwarze Johannisbeeren, Veilchen, Tabak und Beverly Ann Thoma ätherische Aromen ist Gastronomin – die Stilistik ist und betreibt seit eher untypisch 2013 den Calis­ für einen Pinotatoga Wine Sa­ loon in Hamburgge, elegant, feine Eppendorf Tannine und mit dreizehn Volumenprozent gehört der 1900 zu den leichteren Kandidaten. Die Holzaromatik vom Barrique veredelt diesen Wein. Pinotage ist eine Kreuzung aus Cinsault und Spätburgunder, stellt keine hohen Ansprüche an den Anbau, bringt füllige, würzige Weine hervor und ist fast ausschließlich in der warmen Sonne Südafrikas beheimatet. Regionalität ist hier also unser Zauberwort: westfälischer Grünkohl und südafrikanischer Pinotage.

Das Weingut Gres blickt auf eine gut fünfhundertjährige Weinbau­tradition zurück und baut heute rund um die rheinhessische Gemeinde Appenheim auf vierzehn Hektar Rebfläche circa siebzigtausend Reben an. Die geologische Vielfalt des Mainzer Beckens stellt für jede der angebauten Rebsorten das ideale Terroir zur Verfügung. Zusammen mit dem milden Klima bildet es die Grundlage für die vielfach ausgezeichneten kraftvollen Weine. Der Patriarch, nominell ein Deutscher Qualitäts­ wein, Guts­abfüllung, ist die Selektion aus den besten Rotweintrauben des besonderen Jahrgangs Matthias Baum verantwortet den 2011. Er wurde er Warenbereich zu achtzig Prozent des EDEKA aus Cabernet-SauWeinkontors und vignon-, die Strukleitet die EDEKAeigene Rhein­ tur verleihen, und berg Kellerei, zwanzig Prozent die zweitgrößte Merlot-Trauben, Kellerei Deutsch­ die ihm die Fülle lands und Rasse geben, kreiert. Nach achtwöchiger Maischegärung reifte der Wein über achtundzwanzig Monate in neuen Barrique-Fässern. Im Glas begeistert der Patriarch mit tiefrubinroter Farbe, violetten Reflexen bis hin zu schwarzen Nuancen. Herzhafter Duft von Brombeeren, Schokolade und Kaffee, saftige Dichte mit gut eingebundenem Holz und kräftiger Tanninstruktur verzaubern die Sinne. Der Patriarch ist ein wahrhaft historischer Wein.   Es ist Klaus Gres gelungen, die Besonderheiten eines Jahrgangs in

Eine Flasche für jeden

Großes Trinkvergnügen an

einem rheinhessischen Rotwein zu verei­

Effilee-Leser und schon bekommt er Liefer­

kalten Winterabenden, auch wenn kein

nen, der keinen internationalen Vergleich

schwierigkeiten, der Urban Stagård

Grünkohl auf dem Herd steht

scheuen muss und aufgrund seiner Dichte

33 Euro bei www.stagard.at

23 Euro bei www.ewine.eu

ein enormes Lagerpotenzial aufweist 18,50 Euro, Bezug ab Weingut

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• = Weniger empfehlenswert •• = Geht so ••• = Gut, mit Luft nach oben •••• = Unbedingt empfehlenswert ••••• = Göttlich


Vignobles Arbeau On lʹ‘appelle Négrette 2010 Fronton, Frankreich Anne und ihr Bruder Géraud Arbeau führen ein weitverzweigtes Unternehmen aus Brennerei, Honorar-Produktion und einem ganzen Arsenal bunter Weinmarken, darunter der ehrfurchtgebietende Name Château Coutinel. Coutinel-Weine habe ich dann und wann einmal probiert und sofort wieder vergessen. Anne Arbeau ist eine sympathische und attraktive Dame, mit der ich mich, falls wir auf ihre Weine zu sprechen kommen, nur über einen, dann jedoch mit ehrlicher Begeisterung unterhalte möchte. Die Arbeaus sind im Fronton zu Hause, einer rund zweitausenddreihundert Hektar großen Rot- und Roséwein-AppelAxel Biesler lation unweit von ist gelernter Winzer und Toulouse. Sommelier. Er Bevor die lebt, schreibt und weltweite Invasion trinkt in Köln. von Cabernet & ww.diewein.de Co. als Universalweichspüler einsetzte, dürfte ein Fronton aus der heimischen Négrette bestanden haben. Und zwar in Totale. Da die Weine aus dieser Sorte jedoch die sympathische Eigenschaft haben, einen eigenständigen, oft beherzt pfefferwürzigen Geschmack zu entwickeln, reduzierte man den gesetzlichen Mindestanteil der Leitsorte am Ende auf nur noch fünfzig Prozent, was zu ziemlich langweiligen Ergebnissen wie Coutinel führen kann. 2010 wurden die Négrette-Trauben der Arbeaus knackig reif und die Geschwister entschieden, Fronton wie anno dazumal zu keltern. Aus Négrette und sonst nix. Kein Holz, taufrisch, pfefferwürzig und mit Aufruf im Namen. Merci, Anne et Géraud!

Elvio Cogno ‫‏‬Mandorlo, Dolcetto d‘Alba 2013 Novello, Piemont/Italien Beim Piemont sprechen wir in der Regel über Barolo oder Barbaresco. Da wir den aber sonn- oder feiertags trinken, lohnt für Montagmittag bis Freitagnachmittag der Blick in die zweite Reihe: der Dol­cetto steht zu Unrecht im Schatten des Nebbiolo. Die früh reifende Sorte kann bei Ertrags­reduzierung zur Delikatesse Sebastian werden. Mit feiner Bordthäuser dunkler Kirsche, schreibt über Wein, Sake und vibrirendem SäuCocktails und ist renerv und zartem freischaffender Bitterton ist er Sommelier perfekt für das tägliche Mahl, sei es italienischer oder heimischer Prägung. Valter Fissore und Nadia Cogno gelingt der Spagat zwischen traditionellem piemontesischem Ausbau und moderner Weinbereitung. Fissore übernahm 1990 das Weingut von seinem Schwiegervater, der bis dahin die Trauben an Marcarini in La Morra verkaufte, und setzte auf Selbstvermarktung der hervorragenden Lagen. Nächstes Jahr wird die Zertifizierung zum biologischen Weingut abgeschlossen. Vom Einstiegswein bis zum Spitzenbarolo bestechen seine Weine allesamt durch delikate Frucht, feine Extraktion und ungeheuer trinkige Frische. Und da man ungern mit dem dicksten Auto in der Garage anfängt, empfiehlt sich als Einstiegsticket Mandorlo, der einzige Dolcetto des Weinguts. Trinkig, saftig und einfach, ohne jegliche Banalität oder intellektuelles Gehabe: Stulle auf den Tisch, etwas Schinken und Wurst dazu. Wer mag, darf auch Käse.

Domaine des Enfants, Tabula Rasa 2012 Roussillon, Frankreich Der Schweizer Marcel Bühler gehört zur immer größer werdenden Gruppe nichtfranzösischer Winzer, die im Roussillon ihr Glück finden. Man kann dort facettenreich arbeiten. Denn neben dem schwarzen Schiefer, der auch das Priorat auszeichnet, finden sich oft auf wenigen Quadratkilometern ein Dutzend weiterer Gesteinsformen, die das Roussillon zu einem der spannendsten Weinbaugebiete überhaupt machen. Bühler ist 2005 mit Sack und Pack nach Maury gezogen und hat dort einige verwilderte Weinberge rekultiviert. Das Ergebnis ist unter anderem dieser Weißwein namens Tabula Rasa, der aus Stöcken von Carignan Blanc, Grenache Gris, Grenache Blanc und Macabeu Christoph entstanden ist, Raffelt die dort zwischen ist Texter und schreibt seit den roten Reben Jahren unter stehen. originalverkorkt. So ungezähmt de über Wein wie die Landschaft, wirkt auch der Wein. Der Tabula Rasa ist cremig. Im Vordergrund steht nicht die Frucht, sondern Stein, Süßholz, Fenchel und Blüten, daneben Grapefruit und Birne, leicht geröstete Haselnuss und eine Spur Karamell. Die lange Maische­ standzeit führt zu orangener Farbe, während am Gaumen der Ausbau in gebrauchtem und neuem Holz offensichtlich wird. Neben den roten Crus der Region werden die Weißen selten beachtet – zu Unrecht, denn sie können, wie in diesem Fall, von beeindruckender, ursprünglicher Schönheit sein.   Ein orangener Wein, der die

Es ist so: Früher war natür­

Lupenreiner, hedonistischer

wilde Landschaft des Roussillon noch deut­

lich vieles besser!

Dolcetto für jede Gelegenheit

licher in sich trägt als die meisten Roten

9,90 Euro bei www.calistoga.eu

11,50 Euro bei koelner-weinkeller.de

22,50 Euro bei vins-vivants.de

Effilee #31  Winter 2014/2015

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Hier gibt’s Effilee und andere Gute Sachen

Salon du Cacao Inmitten der Altstadt von Oberursel im Tau­ nus liegt der Salon du Cacao. Die Chocolaterie führt Besonderes von Chocolatiers aus Italien, Frankreich, Österreich, Belgien, Deutschland und Spanien. Neben erlesenen Tafeln traditi­ onsreicher Familienunternehmen, Trinkscho­ koladen kleiner Manufakturen und Kostproben seltener Kakao-Sorten gibt es zusammenge­ stellte Geschenkboxen, die auch über den On­ lineshop bestellt werden können. Oder darf es direkt ein Schokoladenbuffet inklusive Ser­ vicepersonal und Verkostung sein? Für die Lektüre zum Stück Schokolade ist in Oberursel jedenfalls gesorgt: die neusten Ausgaben der Effilee gibt es nämlich auch.

00000 Lust und Laune Käse, Delikatessen und Wein Bautzner Landstr. 8 01324 Dresden +49 0351 / 31 41 03 74

Feinkost Dreißig Äußere Zwickauer Str. 23 08064 Zwickau-Planitz +49 375 / 78 62 76

Ambiente Marktstr. 2 08523 Plauen +49 37 41 / 17 000

10000 Kochtail Küchenladen Invalidenstr. 150 10115 Berlin +49 30 / 28 40 69 74

fruko Presse & Tabakwarenvertrieb Hausvogteiplatz GmbH Presse- und Tabakwaren Hausvogteiplatz 13 10117 Berlin +49 173 / 49 67 326

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do you read me?! Buchhandlung Auguststr. 28 10117 Berlin +49 30 / 69 54 96 95

Ocelot GmbH & Co. KG Buchhandlung Brunnenstr. 181 10119 Berlin +49 30 / 97 89 45 92

Küchenliebe Einzelhandel und Küchenaccessoires Gärtnerstr. 28 10245 Berlin +49 30 / 77 90 11 83

Goldhahn & Sampson GmbH Foodboutique, Kochbücher und Kochkurse Dunckerstr. 9 10437 Berlin +49 30 / 41 19 83 66

ubs e.v. Kochschule Palladin Restaurant und Kochschule Pallasstr. 14 10781 Berlin +49 30 / 66 64 54 20

Herrlich Männergeschenke Geschenk- und Küchenartikel Bergmannstr. 2 10961 Berlin +49 30 / 78 45 395

playing with eels Buchhandlung, Bio-Café und Galerie Urbanstr. 32 10967 Berlin +49 175 /  98 29 536

Fleischwolf und Lotte GbR Küchenartikel Körtestrasse 2 10967 Berlin +49 30 / 610 76 916

Passion Vin Weinhandel Köpenicker Str. 18 - 20 10997 Berlin +49 30 / 61 78 96 05

Weinladen Ahlbeck Feinkost, Tischkultur und Wein Seestr. 1 17419 Seebad Ahlbeck +49 38378 / 47 118

Torhaus Bad Doberaner Klosterladen

Poletto alimentari GmbH Restaurant, Feinkost und Küchenzubehör Eppendorfer Landstr. 80 20249 Hamburg +49 40 / 48 02 159

Klosterprodukte, Kunsthandwerk, Delikatessen, Café, Ausstellung und Kochen Klosterstr. 1a 18209 Bad Doberan +49 170 / 43 27710

Beisser GmbH & Co. KG Handel, Feinkost, Fleisch und Catering Eppendorfer Baum 4 20249 Hamburg +49 40 / 48 00 558

FeinkostBistro Tillmann Hahn

Koch Kontor

Ostseeallee 2 18225 Kühlungsborn

20000 Oliviers & Co. Olivenöle und mediterrane Spezialitäten Europa Passage Ballindamm 40 20095 Hamburg +49 40 / 33 47 52 56

Kaufhaus Hamburg Lange Reihe 70 20099 Hamburg +49 40 / 28 05 66 16

Kochbücher, Kochkurse und Mittagstisch Karolinenstr. 27 20357 Hamburg +49 40 / 43 21 60 36

Genussladen Sohl Delikatessen Sand 15 21073 Hamburg +49 40 /  38 67 06 46

Sandpassage Lüneburg Delikatessen und Feinkost Am Sande 8 21335 Lüneburg +49 4131 / 73 75 17

Effilee #31  Winter 2014/2015


SchlemmerManufaktur Onlineshop und Kochschule Mozartstr. 32 22085 Hamburg

Bio Feinkost und Online Handel Carl-Gauß-Str. 5 23562 Lübeck +49 0451 / 31 72 35 20

Buchhandlung Samtleben

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Buchhandlung Schwanenwik 38 22087 Hamburg +49 40 / 22 05 145

Mangia e Bevi Delikatessen, Bistro und Catering Siereichstr. 42 - 44 22301 Hamburg +49 40 / 27 00 620

Zigarren Voß Tabakwarenfachgeschäft Wiesenhöfen 2 22359 Hamburg +49 40 / 60 35 327

RAVENBORG pan y vino Wein und Gastronomie Elbchaussee 520 22587 Hamburg +49 40 / 39 33 44

Buchhandlung Nienstedten Nienstedtener Marktplatz 28 22609 Hamburg +49 40 / 82 96 35

Kühne Lage Weinhandlung und Bistro Schützenstr. 39 22761 Hamburg +49 40 / 32 51 24 04

Beisser GmbH & Co. KG

Foto: Salon du cacao

Konsumgut.net

Handel, Feinkost, Fleisch und Catering Ottenser Hauptstr. 9 22765 Hamburg +49 40 / 48 00 558

quartier - feine Künste Galerie mit kleinem Café Fleischhauerstr. 67 23552 Lübeck +49 451 / 70 73 58 68

Knooper Weg 39 24103 Kiel +49 431 / 88 81 923

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30000 Panama Kaffee Kaffee Bödekerstr. 85 30161 Hannover +49 511 / 59 06 185

Moss Delikatessen Dammstr. 10 30938 Burgwedel +49 5139 / 23 45

Fleischerei Scheller

Holtenauer Str. 85 24105 Kiel +49 431 / 64 73 46 50

Fleischerei Nenndorfer Str. 66 30952 Ronneberg +49 511 / 46 41 65

Stenkamp‘s Schokoladen

iL Matterello Nudelfabrikation

Schokolade und Kaffee Lübecker Str. 14 24306 Plön

Feinkost Senkingstr. 8 a 31137 Hildesheim +49 5121 / 13 27 10

Die Feinschmeckerei Delikatessen und Gastronomie Frau Clara Str. 26 24340 Eckernförde +49 4351 / 88 34 499

A-ROSA Sylt Hotellerie Listlandstr. 11 25992 List /  Sylt +49 46519 / 96 75 08 86

Das Kontor Weine, Feinkost, Bistro, Küchen und Geschenkartikel Große Neustr. 8 - 9 26506 Norden +49 4931 / 16 87 30

Koch Kunst Ostertorsteinweg 78 28203 Bremen +49 421 / 74 353

SansiBar Michael Sondermann Catering und Delikatessen Straßburger Str. 84 28211 Bremen +49 421 / 43 09 865

Der Schnuckenhof Hofladen, Café und Restaurant Wesseloher Str. 44a 29640 Schneverdingen +49 4265 / 82 74

Effilee #31  Winter 2014/2015

WeinSinn Nr. 4 Feinkost und Wein Bahnhofstr. 13 33790 Halle +49 5201 / 15 89 421

Dinses Culinarium Delikatessenversand Hasselborner Str. 19 - 21 35647 Waldsolms +49 6004 / 91 59 600

Weindepot Vinum Delikatessen, Feinkost und Wein Königstr. 3 36037 Fulda +49 661 / 90 14 518

Genussschule Jo & Co Genussschule Fellenweg 36 36093 Künzell +49 661 / 93 37 371

Ölmühle Solling GmbH Feinkost Höxtersche Str. 1 37691 Boffzen +49 5271 / 96 66 60

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Genusshandwerker GmbH & Co. KG Feinkost und Wein Hoffeldstr. 31 40235 Düsseldorf +49 211 / 60 08 54 78

Butch GmbH Tussmannstr. 63 40477 Düsseldorf +49 211 / 44 73 390

Domus KGW.GmbH Haushaltswaren Luegallee 103 40545 Düsseldorf +49 211 / 56 38 68 20

Bos Food GmbH Online Delikatessen Versand Grünstr. 24 c 40667 Meerbusch +49 2132 / 13 90

Wohnkost Feinkost, Geschenke und Deko Bommershöferweg 5 40670 Meerbusch +49 2159 / 82 90 446

Homberg & Budnik & Co. EH oHG Lebensmittel Pfarrer-Rüter-Weg 2 44267 Dortmund +49 231 / 48 89 48

Biometzgerei Scharun Bio-Metzgerei Hauptstr. 47 a 46244 Bottrop +49 2045 / 74 71

Kiosk am St. Bernhard Hospital BürgermeisterSchmelzing-Str. 90 47475 Kamp-Lintfort +49 2842 / 70 82 70

124

Das Auto – Der Wein Kochmesser, Gewürze, Wein und alles rund ums Kochen Großer Markt 5 47495 Rheinberg +49 2843 / 99 08 15

Bittersüß GbR Confiserie Viktorstr. 10 48249 Dülmen +49 2594 / 29 44 247

Genussland Delikatessen, Weine und Präsente Niedersachsenstr. 1 48529 Nordhorn +49 5921 / 30 27 90

Restaurant la vie Restaurant Krahnstr. 1 - 2 49074 Osnabrück +49 541 / 33 11 50

50000 Fassbender Genussmanufaktur GmbH Konditorei- und Cafebetrieb Mittelstr. 12 - 14 50672 Köln +49 221 / 92 59 990

Hoffmann und Horstmann Weinhandel Weinhandel Antwerpener Str. 9 - 11 50672 Köln +49 221 / 97 62 166

Essers Gasthaus Gastronomie GmbH Gastronomie Ottostr. 72 50823 Köln +49 221 / 42 59 54

La Vincaillerie Weinhandel, Vin Naturel Leostr. 57 50823 Köln

Erlebniskochen Raue & Kramer GbR Kochschule Marien Eck Marienstr. 1 c 50825 Köln +49 221 / 58 91 94 92

Feinkost Jutta Ackermann

60000 Tia Emma

Delikatessen und Feinkost Plittersdorferstr. 32b 53173 Bonn +49 228 / 85 46 65 44

Conceptstore Alte Gasse 4 60313 Frankfurt +49 69 / 80 03 940

delikat essen & schenken

Naschwerkstatt

Delikatessen, Feinkost, Geschenke und Rösle Küchenaccessoires Hauptstr. 14 53819 Neunkirchen +49 2247 / 90 00 980

Neuerburg WeinKultur & Tourismus GmbH Vinothek, Weinstube und Feinkost Bahnhofstr. 2 54317 Kasel +49 651 / 52 123

Weinkontor Keßler Wein, Delikatessen und Zubehör Heiliggrabgasse 9 55116 Mainz +49 6131 / 14 31 143

Weinkontor Keßler Wein, Delikatessen und Zubehör Friedrich-Ebert-Str. 14 55276 Oppenheim +49 6133 / 92 51 41

Meisenheimer Hof GmbH & Co. KG Obergasse 33 55590 Meisenheim +49 6753 / 12 37 780

Wein Keller

Das Schokoladenhaus in der Limburger Altstadt Schokoladenfachgeschäft Fischmarkt 18 - 19 65549 Limburg +49 6431 / 58 48 881

Feinkost Alte Gasse 27 60313 Frankfurt +49 69 / 15 62 99 80

Weinkellerei Höchst GmbH

Die Weinhandlung Eschersheimer Landstr. 428 60433 Frankfurt +49 69 / 52 47 93

K&M Gutsweine

Wein und Feinkost Bolongarostr. 88 65929 Frankfurt +49 69 / 26 01 25 21

CHRIST Party & Catering GmbH Catering Röntgenstr. 2 66763 Dillingen +49 6831 / 50 07 517

Weinhandel Hamburger Allee 37 60486 Frankfurt +49 69 / 71 71 34 30

Peter Raisch GmbH

Das Tortenatelier Patisserie Audenstr. 1 61348 Bad Homburg +49 6172 / 12 36 404

Metzgerei, Hotel, Restaurant und Catering Moorstr. 40 66879 Steinwenden +49 6371 / 590 60

Salon Du Cacao Chocolaterie

Blank Roast GmbH

Schokoladen, Gebäck und Präsente Ackergasse 28 / Altstadt 61440 Oberursel / Taunus +49 6171 / 20 86 12

Kaffee Rösterei, Feinkost und Delikatessen Mussbacher Landstr. 21 67433 Neustadt / Weinstr. +49 6321 / 93 78 80

Weinladen Seckenheim

Adrian Küchenprofis mit Herz

Weinhandel Seckenheimer Hauptstr. 80 68239 Mannheim +49 621 / 49 60 07 40

Küchenstudio Hanauer Str. 28 63739 Aschaffenburg +49 6021 / 35 050

marché Gewürze und Feinkost Hauptstr. 110 69469 Weinheim +49 6201 / 87 58 58

Weinfachhandel Triftstr. 30 57258 Freudenberg +49 2734 / 89 81

Straub. Das Fachgeschäft

Godita - italienisch genießen

Lacker und Wagner GbR

Bio-Feinkost aus Italien Freiherr-vom-Stein-Str. 53 58511 Lüdenscheid +49 2351 / 37 99 315

Kaffee und Feinkost Graben 17 64646 Heppenheim +49 6252 / 79 53 250

Wein Bukett

Metzgerei Hornung

Aromakost

Weinhandel Bahnhofstr. 47 b 59423 Unna +49 2303 / 22 409

Metzgerei Nibelungenstr. 243 64686 Lautertal +49 6254 / 12 41

Wein, Deli und Bar Eberhardstr. 10 71634 Ludwigsburg +49 7141 / 23 91 371

Graben 18 64646 Heppenheim

70000 Speisemeisterei GmbH Schloß Hohenheim 70599 Stuttgart +49 711 / 63 37 79 93

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SpezialitätenCompagnie Feinkost und Kaffeerösterei Stegstr. 8 72116 Mössingen +49 7473 / 94 110

Oberensinger Märktle Exoten, Feinkost, Obst und Gemüse Stuttgarter Str. 70 72622 NürtingenOberensingen +49 7022 / 59 963

Pfeffer Lebensmittel – Feinkostversand Feinkostversand Kramstr. 1 74072 Heilbronn +49 7131 / 39 00 997

Diem GmbH Küchenaccessoires, Glas und Porzellan Heilbronner Str. 50 74211 Leingarten +49 7131 / 40 937

Weingut Heitlinger Weingut, Gastronomie und Hotel Am Mühlberg 3 76684 Östringen Tiefenbach

Prohoga Ortenau GmbH & Co. KG Gastronomie Großhandel Gewerbestr. 11 77749 Hohberg +49 7808 / 94 92 23

Prohoga GmbH & Co. KG Gastronomie Großhandel Salinenstr. 56 78054 VS-Schwenningen +49 7720 / 83 35 22

Zum Goldenen Ochsen Ringhotel Restaurant Bar Restaurant Zoznegger Str. 2 78333 Stockach +49 7771 / 91 840

Bacchus Vinothek Weinfachhandel Oberndorferstr. 2 78628 Rottweil +49 741 / 17 206

Confiserie Rafael Mutter

Schindler Delikatessen

Confiserie Gerberau 5 79098 Freiburg +49 761 / 29 27 141

Delikatessenladen mit Bistro und Catering Maximilianstr. 1 82319 Starnberg +49 8151 / 44 68 89-20

Metzgerei Brunner & Rüdlin GmbH

Sembritzki

Höllbergstr. 2 79379 Müllheim +49 7631 / 23 25

Auslese. Bücher und Schönes für Freunde e.K. Hauptstr. 36 a 79423 Heitersheim +49 7634 / 55 34 91

80000 BERGWEIN

Feinkost, Tagesbar und Küchenzubehör Tutzinger-Hof-Platz 4 82319 Starnberg +49 8151 / 55 09 526

Abt Käse Käse, Wein und Delikatessen Am Wehr 9 82362 Weilheim +49 881 / 14 14

Lebensart... alles Küche

Wein aus Südtirol Corneliusstr. 18 80469 München +49 89 / 20 20 68 08

Küchen, Küchenartikel und Kochraum Kirchhofplatz 9 83512 Wasserburg am Inn +49 8071 / 44 47

Walter & Benjamin

Kolonial

Weinhandlung, Weinbar und Restaurant Rumfordstr. 1 80469 München +49 89 / 26 02 41 74

Ludwig Sechs GmbH Ludwigstr. 6 80539 München +49 089 / 28 66 800

Biervana Bierspezialitäten Bierspezialitäten Hohenzollernstr. 61 80796 München

Gundelinde Feinkost Feinkost und Mittagstisch Gundelindenstr. 11 80805 München +49 89 / 95 44 60 15

Magazinivini Feinkost, Outlet und Wein Martin-Kollar-Str. 11 81829 München +49 89 / 42 00 90 90

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Feinkost, Küchenartikel und Kochbücher Jakobsplatz 13 86152 Augsburg +49 821 / 22 74 035

Gessler 1862 Buch und Laden Café und Weinbar Friedrichstr. 53 88045 Friedrichshafen +49 7541 / 70 06 62

Giuseppe & Fratelli Wiesenweg 16 88074 Meckenbeuren +49 7541 / 70 06 62

Weinhalt am Weberberg Wein und Spezereien Engelgasse 8 88400 Biberach + 49 7351 / 80 20 339

Georg Hack - Haus der guten Weine GmbH & Co. KG Weinhandel Schützenstr. 1 88709 Meersburg +49 7532 / 49 450

Albholz Küchen e.K.

Dictum GmbH

Küchenmanufaktur Beim Kreuzstein 5 89160 Dornstadt +49 7336 / 57 61

Versandhandel Handwerkzeuge und Küchenmesser Donaustr. 51 94526 Metten +49 991 / 91 09 901

Schwarz Coffee Shop GmbH Kaffeerösterei, Feinkost und Kaffeespezialitäten Hintere Gasse 16 89522 Heidenheim +49 7321 / 31 56 66

90000 delikatEssen Delikatessen und Einzelhandel Weinmarkt 14 90403 Nürnberg +49 911 / 20 29 132

Restaurant Lönneberga Restaurant Uhlandstr. 21 90408 Nürnberg +49 911 / 36 68 896

Feinkosteria Schuster und Reck Feinkost, Frischfisch, Meeresdelikatessen und Wildfleisch Theresienstr. 26 a 90762 Fürth +49 911 / 77 48 01

eseo Biomarkt Bioladen Professor Stahlstr. 6 92637 Weiden i. d. Opf. +49 9656 / 17 46

Michael Schmid GmbH Feinkost und Metzgerei Theodor-Storm-Str. 7 93051 Regensburg +49 941 / 90 216

Luxemburg Kaempff-Kohler Feinkost 18, place Guillaume L-1648 Luxemburg +352 / 26 86 861

Österreich Göttfried im Gasthof Schrot Restaurant Alte Hauptstr. 38 4072 Alkoven +43 7274 / 71 400

Braun. Candies, Desserts + Lemonades Schokoladenhandel Pfeiffergassee 2 5020 Salzburg +43 662 / 84 78 31

Zum Kochen Küchenutensilien, Gewürze, Delikatessen und Kochkurse Theodor-Körner-Str. 37 8010 Graz +43 664 / 84 18 080

Schweiz Cascade GmbH Tischkultur und Küchenartikel Bundesstr. 38 6003 Luzern +41 41 / 21 05 770

Vinoversum A. Gatti AG Weinhandel Tösswiesenstr. 8 8413 Neftenbach +41 52 / 21 30 020

Spanien jfk Privatkoch Privatkoch C / Convent 31, 7200 Felanitx / Mallorca +34 620 / 63 28 61

Wein & Mehr Weinhandels GmbH Wein, Feinkost und Kochschule Ziegetsdorferstr. 117 93051 Regensburg +49 941 / 46 68 00

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Eigener Herd

Herrn Paulsens Deutschstunde Soljanka Text, Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

»Wir hatten nichts, das aber reichlich und von bester Qualität!« Man sieht es

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N

ichts hatten die!«, weiß noch heute der gemeine Wessi, wenn er der real existierenden Küche der ehemaligen DDR gedenkt. Und selbst die Schwestern und Brüder aus Ostdeutschland bemerken zum Thema lakonisch: »Wir hatten nüscht, das aber reichlich und von bester Qualität!« So erklärte mir jüngst ein Freund aus Berlin. Vorurteile natürlich, versöhnliche Stimmen sprechen im Zusammenhang mit ostdeutscher Küche lieber von marktlagenorientierter Kulinarik. Fakt ist, dass sich im Arbeiter- und Bauernstaat eine ganz eigene Küche entwickelt hatte, die zunehmend in Vergessenheit zu geraten droht. Angefangen mit Affenfett auf Brot über Tempolinsen und Topfenhalluschka gab es Einflüsse aus den Bruderstaaten Polen, Bulgarien, Ungarn, Kuba und der ehemaligen Sowjetunion. Hier und da ist diese Küche aber noch zu finden. Ein freundlicher Wind wehte mich neulich in den Spreewald. Die traumhaft schöne, pittoreske Auenlandschaft vor den Toren Berlins ist Unesco-Weltnaturerbe und Biosphärenreservat. Die Spreewälder leben überwiegend vom berechtigt guten Ruf der berühmten Spreewaldgurken – und eher betagten Ausflüglern, die sich von Kahnfährmännern und -frauen in Spreewaldtrachten durch die dschungel­ artigen Waldflussläufe staken lassen. Die Jugend sitzt in Leihkanus, paddelt und rudert selbst – ein Riesenvergnügen, das hungrig macht, auch wenn man einfach nur zusieht. Und die Gaststätten und Wirtschaften im Spreewald pflegen noch die alten kulinarischen Traditionen, servieren Klassiker der ostdeutschen Küche wie Würzfleisch (S. 84), Schmorgurken mit Speck oder süße Plinsen, eine Art Hefeteig-Pfannkuchen, der pfannenwarm mit Marmelade und Schlagsahne gereicht wird. Und hier im Spreewald, im HafenStädtchen Lübbenau, löffelte ich abends eine wirklich ungemein würzige und reiche Soljanka, klassisch serviert mit knackigen Spreewälder Salzgurkenscheiben. Eine Offenbarung! Gleich nach meiner Rückkehr begab ich mich auf Spurensuche. Im lesenswerten Kochbuch Alles ­Soljanka, oder wie? (BuchVerlag für die

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Frau, Leipzig 2000) findet sich unter anderem ein erstes sehr einfaches Rezept der Eintopfsuppe von 1953, deren Zutatenliste überschaubar ist: Filetfleisch wird mit Zwiebeln in Butter gebraten, gewürfelte saure Gurke dazu, Knoblauch, Tomatenmark und etwas Wein, Wasser drauf und vierzig Minuten schmoren lassen. In vielen weiteren Rezepten bilden streifig geschnittenes Kraut zusätzlich die Einlage sowie (gesalzene) Pilze, Kapern und/oder Gemüse- und Jagdwurststreifen. Doch die Soljanka ist, was die Einlage betrifft, geduldig, war gerne und immer schon auch ein Resteessen zum Weglöffeln. Charakteristisch ist ihr salzig-saurer Grundgeschmack, der durch die beherzte Verwendung von Zitronensaft, Salzgurken und Gurkenlake entsteht. Inspiriert ist sie von der Rassolnik, einer russisch-ukrainischen Rindersuppe mit Gemüsestreifen, die ebenfalls mit Gurkenlake und Salzgurken gekocht wird. Nur Rote Bete gehört keinesfalls in die Soljanka, dann nämlich wird sie zum eng verwandten BorschtschEintopf. Die Soljanka gibt es auch in einer vegetarischen Variante, zum Gemüse gesellen sich dann noch hartgekochte und gehackte Eier. Ganz besonders gut schmeckt auch die Fischsoljanka, die sich zu DDRZeiten auf den Speisekarte von Gaststätten fand, die sich der Fischküche verschrieben hatten. Stolz durften sie den Titel Gastmahl der Meere tragen – ein Aushängeschild, das mit strengen Auflagen verbunden war: Spezielle Mitarbeiterschulung und Kühlausstattungen waren Voraussetzung für die staatlich verliehene Auszeichnung. Für eine Fischsoljanka werden Fisch­w ürfel in der kochend heißen, tomatisierten Brühe gargezogen und die Suppe mit frischem Dill gewürzt. Doch egal, ob mit Rindfleisch, Ringwurststreifen oder Fisch – immer dabei ist ein ordentlicher Löffel Sauerrahm oder Joghurt, der mit Sauerrahm verrührt wird und die Suppe leicht cremig macht. Es lohnt sich, diesen Klassiker der ohnehin überraschungs­ reichen ostdeutschen Küche wiederzuentdecken.

Soljanka für 4–6 Personen 150 g durchwachsener Speck 2 Zwiebeln 2 Knoblauchzehen 6 EL Öl 1 TL Kümmel, 1 TL Majoran 1 EL Paprikapulver, edelsüß 1 Lorbeerblatt 2 EL brauner Zucker 2 EL Tomatenmark 100 ml Gurkenessigwasser 800 ml Gemüsebrühe 1 Dose stückiges Tomatenragout (425 g EW) Salz, Pfeffer 250 g Möhren 400 g Spitzkohl 300 g braune Champignons 3 Essiggurken 1 Bund Dill 250 g Sahnejoghurt Zubereitungszeit: ca. 35 Minuten 1. Speck in Streifen, Zwiebeln in ­Spalten, Knoblauch in Scheiben schneiden und in einem Topf in 2 Esslöffel Öl hell­braun anbraten. Kümmel, Majoran und Paprika­ pulver unterrühren. Mit Zucker bestreuen und Tomatenmark unterrühren. 1 Minute schmoren. Mit Gurkenwasser ab­löschen, Brühe zugießen. Tomatenragout unter­ rühren, Lorbeer zugeben. Salzen, pfeffern und zugedeckt 15 Minuten kochen. 2. Möhren schälen und in dünne Schei­ ben schneiden. In einer großen Pfanne in 4 Esslöffel Öl 4 Minuten braten. Spitzkohl entstrunken und fein schneiden, die Pilze vierteln. Spitzkohl zu den Möhren geben, salzen und weitere 5 Minuten braten. Die Gemüse zum Eintopf geben und weiter­ kochen. Die Pilze in der Pfanne goldbraun braten, zum Eintopf geben und nochmals aufkochen. 3. Essiggurken fein schneiden und zum Eintopf geben. Dill fein zupfen und zwei Drittel davon unterrühren. Die Soljanka mit Salz und Pfeffer würzen, auf vor­ gewärmten tiefen Tellern mit Joghurt servieren und mit übrigem Dill bestreuen.

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Das letzte Rezept

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Gewinnspiel

Das kann doch nicht wahr sein! Die Stadt Meran in Südtirol ist ein beliebtes Reiseziel. Zur Entspannung und der guten Luft wegen. Apropos Luft: Eine der folgenden Aussagen ist aus der Luft gegriffen. Welche? 1. Im 16. Jahrhundert wurden in Südtirol Feldmäuse vor Gericht gestellt. Sie hätten die Ernte geschädigt. Obwohl der Anwalt der Mäuse die Schuld den Feldpolizisten zuschob, verloren sie und wurden vom Richter der Felder verwiesen. 2. Die 12 Zimmer des Kunsthotels wurden von den Künstlern Elisabeth Hölzl, Alfred Strohmer und Marcello Jori entworfen. 3. Ein Teil des Heilprogramms im Kurort Meran war das tägliche Kurkonzert. 4. Das ehemalige Spezereiwaren- und Delikatessengeschäft Schreyögg röstet jetzt Kaffee für das Kaffeehaus CoffeeArt. 5. Der Sternekoch Andrea Fenoglio vom Restaurant Sissi offeriert seinen Gästen flüssige Pizza als Vorspeise.

Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir zwei Übernachtungen für zwei Personen im Kunsthotel ImperialArt (www.kunsthotel.it) im Wert von etwa 800 Euro. Im Preis enthalten ist das Frühstück im hauseigenen Kaffeehaus CoffeeArt, VIPEintritt in die Design Therme von Meran, ein 4-Gänge-Degustationsmenü in dem mit einem Stern ausgezeichneten Restaurant Sissi (www. sissi.andreafenoglio. com) und eine Führung durch dessen Küche.

6. Tisch 11 des Restaurants gibt es, weil einmal ein bekannter Architekt keinen freien Platz mehr bekam und daraufhin einen Wandschirm zeichnete.

8. In der Design Therme werden Südtiroler Produkte wie Äpfel, Trauben, Molke, Wolle, Kastanien und Heu für die Behandlungen verwendet. 9. Die Genesung der Tochter von Elisabeth (Sissi) Amalie Eugenie von Wittelsbach auf Schloss Trauttmansdorff brachte der Stadt Meran den Ruf des Kurortes.

Die Lösung schicken Sie bitte per Post an: Effilee-Redaktion, Övelgönne 59, 22605 Hamburg oder per E-Mail an: info@effilee. de, Stichwort: Gewinnspiel Einsendeschluss ist der 26. Januar 2015. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Auflösung und der Gewinner werden im nächsten Heft bekannt gegeben. Das Gewinnspiel in Effilee #30 hat gewonnen G. Pfau aus Stuttgart. Herzlichen Glückwunsch!

Die nächste Effilee erscheint am 06.03.2015

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Fotos: Shutterstock/EMKA74, PR

7. 2010 haben mehr als zehnmal so viele Besucher die Gärten von Schloss Trautmansdorff besichtigt, als Meran Einwohner hat.




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