Effilee 28 Frühjahr 2014

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Deutschland € 9,80 . EU € 11,00 . Schweiz sfr 20,00

Fermentieren  Peter Kubelka  Billy Wagner  Deutschstunde: Stint  Pastrami in Berlin

#28 Frühjahr 2014


WEINE VON

Frei xenet Da , wo das Le ben SPIELT. MIA TINTO. Vollmundig-fruchtig.


aus der Redaktion Wir haben es schon wieder getan: Haben sehr fein gekocht, feine Weine verkostet und Reisen unternommen, um uns mit feinen Menschen zu unterhalten. Was wir ­dabei gelernt und erfahren haben, steht in diesem feinen Heft. Viel Spaß damit!

ist einer der bekanntesten Sommeliers Deutschlands, eine angenehm schillernde Figur und immer für eine Überraschung gut. Jetzt will er ein eigenes Restaurant in Berlin eröffnen. Mit einem, wie zu erwarten, überraschenden Konzept (S. 59)

Fotos: Andrea Thode, Flickr/Caylan Larson

Billy wagner

Effilee #28 Frühjahr 2014

Der Österreicher Peter Kubelka war der Erste, der Kochen an einer Kunsthochschule als Kunst gelehrt hat. 2012 wurde er mit dem Eckart Witzigmann Preis geehrt. Uns gab er die Ehre eines ausführlichen Gesprächs (S. 64)

Kochkunst

Sie ist im Wortsinn in aller Munde, aber was ist das eigentlich genau? Mit dieser kurzen Frage haben wir uns an einen Professor der Biologie gewandt. Und wurden mit einer erstaunlich ausführlichen Antwort belohnt (S. 40) Fermentation

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Inhalt EDITORIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Mitwirkende .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Buffet .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 brief aus neufundland.. . . . . . . . . . . 36 getrunkene flasche . . . . . . . . . . 46/90 cartoon .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 gib mir 5 biere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 gegessener käse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Gib mir 5 bücher .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 impressum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 gib mir 5 was aufs brot.. . . . . . . . . . 86 Restaurantkritik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 gib mir 5 knabberkram.. . . . . . . . . . . 98 weintipps .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 gute adressen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Deutschstunde .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Das Letzte rezept .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 gewinnspiel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

journal des luxus und der moden Unsere Korrespondenten berichten aus aller Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

chefvisite Was passiert, wenn man sich mehrere Spitzenköche einlädt und die Küche zum Think Tank erklärt? Es beginnt zu gären. In unserem Fall aber mit sehr leckeren Ergebnissen . . . . . . . . . . 22

Free lunch Tischgespräch über die Muschel als Pilgersymbol und die Göttlichkeit einer Coquille Saint-Jaques gratinée .. . . . . . . 92 Billy und der Wein … Einer der besten Sommeliers Deutschlands macht sich selbstständig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 es blubbert überall Ein Professor der Biologie über das Wie und Warum der Gärung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Riesling challenge Wir haben 260 trockene Jahrgangsweine aus 2012 verkostet. 50 Flaschen haben es in die Endrunde geschafft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

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Schneller teller Schnell und lecker den Frühling begrüßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/20/38/48/60/79/88

operation pastrami Ein Sand­ wich-Klassiker in Berlin .. . . . . . . . . . . . . . . 80

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Riesling challenge 2014 Die besten 50 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Rezeptindex Bacalhau .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 2 0 Bulgogi mit Basmati-Sesam-Reis .. . . . . . . . . .  3 8 Die-Ostereier-müssen-weg-Salat. . . . . . . . . . . . 2 0 Fermentiertes Gemüse mit Schnittlauchöl, Jakobsmuschel und leicht geräuchertem Saibling   2 7

Geröstetes Milchbrötchen mit Heidelbeeren und Vanillejoghurt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4 8 Japanisches Rührei mit zweimal Spinat.. . .  8 8 Kartoffelsalat norddeutsch.. . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 1 8 Knusper-Auberginen-DoubleCheeseburger.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6 Langostino/Brokkoli/Mandel .. . . . . . . . . . . . . . .  3 2 Margarita .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  8 5 Muscheln in Wein mit geröstetem PaprikaFladenbrot.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 0 Pack Choi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  8 Saibling nach Matjes-Art mit Apfel-SellerieSaft und Anisjoghurt.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2 9 Stint. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1 1 8 Wantan-Suppe »dekonstruiert«.. . . . . . . . . . . . .  7 9 Wintergemüse milchsauer fermentiert, mit Apfel, Koriander und Dill... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2 8

Das müssen Sie haben!

kubelkas Verdichtung Von der Hierarchie der Sinne .. . . . . . . . . . . . . . 64

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Das braukasten prinzip Null Bock auf die Kneipe? Zu Hause bleiben und Selberbrauen! .. . . . 50

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Schneller Teller #1 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Knusper-AuberginenDouble-Cheeseburger für 4 Burger Knusprige Auberginenscheiben ruhen auf würziger französischer Senfmayonnaise, cremig schmelzen Cheddarkäse und Ziegengouda um die Wette, dazu grüner Salat und knackige Zwiebelringe auf ofenwarmem Sesam-Burgerbrötchen. Fehlt irgendwas? Nö. 1 kleine Aubergine (ca. 200 g) Salz 4 EL Mayonnaise 1 EL grober Dijonsenf 1 EL Röstzwiebeln Zucker Balsamessig 4 grüne Salatblätter

1 kleine rote Zwiebel 2 Eier (M) 200 g Semmelbrösel 6 EL Sonnenblumenöl 4 Scheiben Ziegengouda 4 Scheiben Cheddarkäse 1. Aubergine in 1 cm dicke Scheiben schneiden und salzen. Mayonnaise mit Senf und grob zerriebenen Röstzwiebeln verrühren. Mit Salz, einer Prise Zucker und einem Spritzer Balsamessig würzen. Salat waschen und trockenschleudern. Zwiebel in Ringe schneiden. Ofen auf 220 Grad erhitzen. 2. Eier verquirlen, die Auberginenscheiben darin wenden. In die Brösel legen, die Panierung leicht andrücken. Öl in einer großen, beschichteten Pfanne erhitzen, die Scheiben darin bei milder

Hitze von jeder Seite 2–3 Minuten braten. Leicht salzen und auf KüchenPapier abtropfen lassen. 3. Je 3–4 der Auberginenscheiben auf einem Blech mit Backpapier überlappend zusammenlegen. Den Käse auflegen. Die Sesambrötchen mit aufs Blech legen. In den Ofen schieben und warten bis der Käse schmilzt. 4. Herausnehmen, die Brötchenunterseiten mit der Senfsauce bestreichen, Salatblätter darauf anrichten. Auberginen mit einem Heber vom Blech auf die Brötchen geben. Zwiebelringe darauf verteilen und die Deckel aufsetzen. Sofort servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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sos-design

Mitwirkende

daniela haug kam in Stuttgart zur Welt und wuchs bei ihrer ungarischen Oma auf, die den Strudelteig so über den Tisch zog, dass man darunter Zeitung lesen konnte. Ihre Lieblingsbeschäftigung damals: Löcher in den Teig machen. Ihre Lieblingsbeschäftigung heute: Fotografieren, wie Leute Löcher in Teig machen. Da Daniela lieber isst, als dass sie kocht, sind fremde Küchen sowieso der ideale Aufenthaltsort für sie. Entsprechend groß war die Freude, als wir sie in die Küche des Deli Mogg & Melzer in Berlin schickten. Die Geschichte beginnt auf Seite 80.

Jens Hinrichs lebt in Hamburg-Wilhelmsburg und legt Wert auf die Feststellung, dass er das ausgesprochen gerne tut. Der Programmierer und Vater zweier Kinder nimmt die wesentlichen Dinge des Lebens gerne selbst in die Hand und macht nicht nur sein Bier, sondern auch sein Sauerkraut oder sein Kimchi einfach selber. Das Gemüse, das er dazu braucht, baut er im eigenen Kleingarten an. Jens hat noch mehr praktische Adern, kaputte Geräte aller Art werden bei ihm nicht entsorgt, sondern von eigener Hand repariert. Nur den Profifußball überlässt er anderen; Jens ist Fan des FC St. Pauli und verpasst kein Heimspiel. Für dieses Heft erlaubte Herr Hinrichs unserem Chefreporter, ihm beim Selberbrauen über die Schulter zu schauen. Wie das ausging, lesen Sie ab Seite 51.

Fotos: Privat

Jennifer Mira ackermann ließ sich in Berlin zur Köchin ausbilden und sorgte in den Küchen des Borchardts, des Alten Zollhauses und des 3 Minutes sur Mer für gute Laune. Essen, Schreiben und Fotografie sind die Sachen, die sie am meisten mag, am allerliebsten ist sie allerdings auf Reisen. Sie würde gerne auf einem Containerschiff, Schlepper oder Dreimaster arbeiten, nur nie und nimmer auf einem Kreuzfahrtschiff. Alternativ schwebt ihr vor, mit einem eigenen Stand auf dem Weihnachtsmarkt so lange selbstgemachte Maul­taschen zu verkaufen, bis sie sich vom Verdienten einen eigenen Dreimaster kaufen kann. Bei dieser Ausgabe sorgte Mira als Redaktionspraktikantin für gute Laune und noch einiges mehr.

Bio-Feinschmecker

Gewürze für die feine Bio-Küche

Raffiniert einfach Als es noch keine Kühlschränke gab, war es völlig üblich: ein gutes Stück Fleisch mit Hilfe von Salz, Gewürzen und Rauch länger haltbar zu machen und zu verfeinern. Und heute geht das klassische Beizen sogar richtig einfach und schnell – eine Entenbrust zum Beispiel schmeckt mit Graf Lax behandelt schon nach einem halben Tag Ruhezeit geradezu magisch gut.

Rezepte zu Graf Lax gibts unter:

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Erhältlich im Bio- und Feinkosthandel oder z.B. bei www.auwald-bio.de

DE-ÖKO-���

www.herbaria.de


buffet

Halbwissen: Pak Choi Pak Choi Gemüse 4 Portionen 3 EL Butter 1 Knoblauchzehe, zerdrückt 1 Lorbeerblatt 500 ml Brühe 240 ml Weißwein 500 g junger Pak Choi, geputzt und der Länge nach halbiert 1. Butter in einer großen Pfanne bei mittlerer Hitze zerlassen und Knoblauch

und Lorbeerblatt darin ca. 5 Minuten anbraten, bis der Knoblauch leicht gebräunt ist. Brühe und Weißwein zugießen und Hitze erhöhen, sodass die Flüssigkeit kocht. Unter häufigem Rühren Sauce ca. 15 Minuten kochen, bis sie auf ein Drittel reduziert ist. 2. Lorbeerblatt entfernen und den halbierten Pak Choi mit der Schnittseite nach unten hineinlegen. Hitze auf Simmern reduzieren und weitere 10 Minuten köcheln, bis der Pak Choi weich ist. Mit Sauce servieren.

Asiatischer Ursprung Die Hauptanbaugebiete sind China, Japan und Korea. Geerntet werden kann schon nach 6–8 Wochen, und die Köpfe wiegen zwischen 200 und 600 Gramm. Pak Choi enthält viel Eisen, Kalzium und Vitamin B, und 100 Gramm liefern immerhin ein Viertel unseres täglichen Solls an Vitamin C. Fett und Kalorien sind unterrepräsentiert, dafür enthält er Senföl, das eine antibiotische und reinigende Wirkung hat.

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vielseitig Pak Choi ist ideal für die schnelle Küche, zum Beispiel im Wok (wie Spinat) oder gedämpft. Das milde Blattgrün eignet sich roh für Salate oder Smoothies. Die Blätter sind reißfest und eignen sich hervorragend zum Auslegen von Terrinen oder zum Einwickeln von Rouladen. Obwohl Pak Choi aus der Familie Kohl stammt, ist er leicht verdaulich und wird von kohl­ empfindlichen Personen gut vertragen.

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Foto: Andrea thode

mildes grün Pak Choi, auch als Chinesischer Senfkohl bekannt, ist verwandt mit dem Chinakohl, dem die Blattstiele des Pak Choi geschmacklich am nächsten kommen. Das Blattgrün ist mild und erinnert nur entfernt an Kohl.


POPSTAHL IST HART IM NEHMEN UND SCHÖN IM GEBEN. Popstahl ist extrem robust, pflegeleicht und funktional, gleichzeitig erfüllt die pulverbeschichtete Metalloberfläche höchste Ansprüche an Design und Komfort. Popstahl ist in allen RAL-Farben erhältlich.

Fotos: Georg Grainer

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buffet

Das Merk ich mir Cornelia Poletto Das schlimmste Essen

Für mich ist jedes Essen, das ohne Liebe zubereitet worden ist, schlimm. Meistens erlebe ich das auf großen Veranstaltungen, bei denen ein Catering für bis zu tausend Gäste aufgebaut ist. Die Gerichte schmecken, nachdem sie über Stunden warm gehalten wurden, in den meisten Fällen einfach nur scheußlich. Neulich war ich bei einem Event, auf dem die Vorspeisen schon aufgetischt waren, bevor überhaupt der erste Gast den Saal betreten hatte – die Entenbrustscheiben darauf bogen sich schon nach oben, alles klebte am Teller fest und trocknete lieblos vor sich hin. Das Fleisch war grau und matschig, dazu gab es lauwarmes, zerkochtes Gemüse, und irgendwelche dicken Sahnesaucen sollten das Grauen kaschieren. Diese Massen-Verköstigungen sind eine große Herausforderung. Meistens gehen sie nach hinten los, weil jegliche Frische auf der Strecke bleibt. Das leckerste Essen

Ich schwelge immer noch in den schönsten, köstlichsten Erinnerungen an meinen Besuch bei Joachim Wissler auf Schloss Bensberg vor einigen Monaten. Sein Restaurant ist in meinen Augen völlig zu Recht zum besten Restaurant Deutschlands und

Ein schönes Lächeln! Spitzenköchin Cornelia Poletto

zu einem der zehn besten der Welt gekürt worden. Ich habe dort ein großes Menü gegessen, bei dem wirklich jeder Gang besser war als der andere. Asiatische Elemente wie zum Beispiel Pulpo und Langustine in einem japanischen Fischsud, ein grandioser Wildhase, handgemachte Schokoküsse – ausnahmslos alles war perfekt! So etwas habe ich selten erlebt und werde es garantiert nie vergessen.

Das finden wir GUT

Fotos: www.studiolassen.de)alienisch,

Die schonende Kaltpressung verleiht dem Five Extra Virgin Olive die sichtbare Reinheit. Der Geschmack der Oliven bleibt erhalten und schmeichelt jedem Salat. 12,90 Euro für 200 ml www.casa-deli.com

Irisches rindfleisch Die Wiesen sind saftig, das Gras ist grün, die Kühe sind glücklich und das Fleisch besonders lecker. Damit Letzteres und Vorletzeres auch so bleibt, halten sich bereits 80 % der irischen Rinderfarmer an die strengen Vorgaben des Qualitätssiegels BORD BIA, das unter anderem dafür sorgt, dass es bei Fütterung und Haltung nachhaltig zugeht. www.irishbeef.de

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Hersteller

Durchschaubar

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buffet


Oberkellner Robert Rant geht essen Im richtigen Leben arbeitet Robert Rant im Service eines sehr guten Restaurants. Höflich und formvollendet kümmert er sich um seine Gäste. Diesmal hatte er Urlaub und war selbst zum Essen. Was er sich dabei denkt, steht hier

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Illustration: Lechef

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ie Sterne-Gastronomie eignet sich selten für Dates. Die Sterne-Gastronomie ist für SnackChecker, Essens-Instagrammer und verkopfte Verkoster. Nichts für eine kleine intime Fresserei. Zu viele Barrieren, Verhaltensmuster und Regeln. Man könnte sich auch in Nordkorea am Strand verabreden. Das Korsett des Etablissements schnürt einem stets die Luft ab. Wir kommen zur avisierten Zeit im Restaurant an, ein Glas Champagner heißt uns willkommen. Der Empfang ist herzlich, nicht jovial, und meine Begleitung ist begeistert. Es geht zu Tisch und wir bekommen die Karte. Sie isst weder vegan noch habe ich irgendwelche Allergien oder Unverträglichkeiten. Den Service freut dies und wir freuen uns auch. Gläser klingen, Lachen, weiße Jacketts und schöne Frauen. Wir bekommen ausgezeichnete Häppchen zum Aperitif, bevor eine superbe Brotauswahl serviert wird. »Danke«, sage ich freundlich und wir werden ohne Annonce allein gelassen. »Sehr angenehm hier«, sagt meine Begleitung und ich freue mich. Sonst muss man eine fortwährende Brot-Litanei über sich ergehen lassen und den engagierten Service abwimmeln. Alle fünf Minuten kommt Service um Brot, Wasser oder Wein zu erklären. »Woran denkst du?«, fragt meine Begleitung, als ich über den Service sinniere, und ich lüge: »Nix!«, während ich an McDonald’s denke. Das beste Beispiel für die Misere. Man bestellt einen Cheeseburger ohne alles und wird gefragt, ob Menü oder nicht. »Nur einen Cheesie«, sagst du, und dann kommt die Frage: »Mit oder ohne Pommes?«. »Nur den Burger«, röchelst du, bis dich »Mit oder ohne Getränk?« niederstreckt. Sie lehnen es einfach ab, zu akzeptieren, was du sagst. Es ist letztlich egal, McDonald’s oder Sternebude. »Alles in Ordnung? Du wirkst so zerstreut.« »Nichts, nichts«, sage ich und komme zurück zu den Tatsachen. Du musst mal abschalten, sagt sie, und ich wiegele ab. Doch es ist alles gut. Wider Erwarten einfach gut. Ohne Einschränkungen. Die servierten Weine waren exzellent, und erst nach dem letzte Gang wurde gefragt, ob alles recht gewesen sei. Kein Terror am Tisch, keine Quizshow mit zwölf Beteiligten: Hat Ihnen dieses gefallen, war jenes recht? Ein warmes und willkommen heißendes Understatement. Ich zahle und gebe 750 % Tip. Als wir nach Hause gehen, sagt sie: »Mit dir kann man ja auch mal richtig ausgehen, ohne dass du entgleist.« Ich hole Bier am Kiosk und wir küssen uns. »Es ist halt alles eine Frage der Empathie«, sage ich, »des Service. Weißt du …«, ich suche nach Worten, aber halte inne. Sie schweigt auch, und wir gehen einfach nach Hause …


buffet

Das finden wir auch GUT Sprossen ohne ende

Skrei

Fotos: EDEKA, Hersteller

Norwegischer Skrei ist beliebt. Strenge Qualitätskontrollen und nachhaltiger Fang sind Standard. Jetzt durften sich sieben Köche aus aller Welt davon über­ zeugen, dass die Skrei­Fischerei auch heute noch ein wagemutiges Unterfangen ist. Hier holt Gerald Zogbaum von der Hamburger Küchenwerkstatt seinen Fang ein. www.norwegenfisch.de

Alfalfa-, Sonnenblumen-, Senf- oder Sojasprossen gibt es an bestimmten Tagen auf ausgesuchten Wochenmärkten in mehr oder weniger zugänglichen Ecken der Großstädte. Oder rund um die Uhr in Ihrer Küche! Das Grow Green Keimglas von Bodum macht‘s möglich. Für runde 30 Euro im besseren Fachgeschäft

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Was haben Sie gestern gegessen Marion Kracht? Die Bühnenpräsenz der Schauspielerin Marion Kracht ist enorm. Woher sie die Zeit nimmt, auch noch öffentlich zu kochen, bleibt ihr Geheimnis

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urzeit bin ich ständig unterwegs, da ist es immer etwas komplizierter, an gutes Essen zu kommen, und für eine Vegetarierin – die ich nun mal bin – ganz besonders. Das Erste, was ich gestern zu mir nahm, war ein Hotelfrühstück in Versmold. Ich habe mich auf einen Obstsalat und Haferflocken mit Sojamilch beschränkt. Kaffee hatte ich natürlich auch. Dann ging’s zum Glück zur VeggieWorld in Wiesbaden. Das ist eine Messe für Veganer und Vegetarier, dort hatte ich auch eine kleine Kochshow. Da hab ich dann kurzerhand das gegessen, was ich auch gekocht habe, schließlich stammt es aus der Vevenga Genusslinie, die ich selber entwickelt habe. Es gab einen Seitan-Burger mit Dinkel und Kamut und dazu einen lauwarmen Linsensalat mit winterlichem Gemüse, Kürbis­chutney

und Granatapfel. Danach saß ich wieder im Zug, und wenn ich dort Hunger bekomme, brauche ich nur in die Jackenta-

Die Frau kann schauen, spielen und kochen

sche zu greifen, eine Tüte Nussmix reist meistens mit. Abends war ich dann zum Essen eingeladen, das ging kulinarisch (für mich) leider ins Auge. Es ging zum Portugiesen, rein theoretisch kann ein Vegetarier in einem portugiesischen Restaurant Hungers sterben. Ich hatte einen Artischocken­salat aus dem Glas, der war mit einem Thousand Island Dressing aus dem Eimer verhunzt, ich musste es mit dem Messer abkratzen. Mein Hauptgang waren Kartoffeln mit Schale, die mit Knoblauch im Ofen gegart waren. Ich will’s mal milde ausdrücken: Eine Wiedergutmachung für den Artischockensalat waren die auch nicht. Hätte ich mittags keinen Linsensalat gehabt, wäre ich gestern tatsächlich verhungert!

Ist das Lecker? Blütenpollen

griechische Es geht doch! Fleißige, eit Arb Bienen bei der

Der Beutel ist schon die halbe Teestube. Die hochwertigen Vollblatt-Tees können ihre Düfte und Aromen in den handgear­ beiteten seidigen Teepyramiden würdig entfalten. Teekenner sind des Lobes voll. Und wer noch keiner ist, sieht sich vor dem Bestellen einfach die Video-Teeschulung auf www.teaforte.de an

pures glück aus dem wald Was die Bienen in den Pinienwäldern im Tal des griechischen EurotasFlusses so einsammeln, ist Gold wert: Die Blütenpollen von Melbee strotzen von Mineralien, Proteinen, Aminosäuren und überhaupt allem, was der Körper zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Immunsystem braucht. Und schmecken! Zum Beispiel in Honigmuffins mit Blütenpollen in einem Orangen-Ingwer-Smoothie oder ganz einfach auf einem Butterbrot. Das 250-ml-Glas gibt‘s für 16 Euro bei www.the-oliveoil.com

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Fotos: Dirk Bartling, Andrea thode, Hersteller

Tea forté


B A L A N C E V O N C A S T E L L OÂŽ

Geschmack in perfekter Harmonie: Nur Castello Blue ist wunderbar cremig wie ein Brie und charaktervoll aromatisch wie ein Edelpilz-Käse.


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Marmeladenmädchen Ihre Marmeladen heißen nicht nur Pfirsich Melba oder Erdbeerkörbchen, sie schmecken auch so. Und wenn das Marmeladenmädchen der Schalk reitet, steht auch schon mal Aperol Spritz auf dem Etikett. 3,20 Euro pro Glas oder auch im Abo bei www.marmeladenmädchen.com

Favoriten: Alexander Kasbohm Frisches Blut: Meiner Leidenschaft für viktorianische Geistergeschichten geschuldet und dem gegenwärtigen Boom subliterarischer Vampirgeschichten zum Trotz, habe ich mich in Kim Newmans Alternativwelt-Reihe Anno Dracula verloren. Ein schlaues Werk voller historischer und literarischer Anspielungen und ein großes Vergnügen. Ansonsten immer wieder: alles von Dorothy L. Sayers, die einfach eine wesentliche bessere Schriftstellerin war als ihre Zeit- und

Genregenossin Agatha Christie. DVD: Die dritte Staffel der BBC-Aktualisierung von Sherlock Holmes wurde mir gerade vom freundlichen Postbüdel vorbeigebracht. Sherlock wurde von dem grenzgenialen Autor Stephen Moffat und seinem kaum minder begabten Kollegen Mark Gattis ins heutige London versetzt. Hervorragende Plots und Dialoge, die ihresgleichen suchen. Ähnlich großartig ist Doctor Who seit Moffat da Showrunner ist.

Pro & Contra: Eierkocher

Vijay Sapre meint:  Vor vielen Jahren war einmal der Schriftsteller Bernt Engelmann (Ihr da oben – wir da unten) bei uns zum Frühstück. Ich war damals etwa 15. Auf die Frage, was meine Ziele im Leben seien, antwortete ich, ich würde gern herausfinden, wie Leute es schaffen, Eier zu kochen, ohne dass sie ständig platzen. Ich

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habe es mit dieser Antwort nicht in eines seiner Bücher geschafft. Eine Antwort wusste er auch nicht. Dabei ist es einfach: Ich habe seit vielen Jahren einen Eier­ kocher und seither – bei unerreicht geringem Energieverbrauch – immer perfekt gegarte Frühstückseier, die mich mit einem vertrauenerweckenden Trötgeräusch erinnern, dass es Zeit wird, sie zu köpfen.

Hans Kantereit kontert:  Der Einwurf ist sehr erwartbar, soll aber der Vollständigkeit halber trotzdem gemacht werden: Noch so ein teilzeitbeschäftigter, steckdosenblockierender Eckensteher in der Küche! Ansonsten: Die Handfertigkeit einen kleinen Topf Wasser auf den Herd zu stellen und zum Kochen zu bringen, hat man ja sowieso,

und eine Stopp- , Eier- oder sonstige Uhr findet sich auch in jedem Haushalt. Warum man dann für ein Fünfminutenei erst zehn Minuten mit einem Unding mit Kunststoffgehäuse, zwei Meter langem Kabel, Warmhaltefunktion, akustischem Warnton, Wasserdosierer, TÜV-Siegel, Kontrollleuchte und 350 Watt kämpfen muss, erschließt sich mir einfach nicht ganz.

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Fotos: PrivaT, Hersteller (2)

Eier kochen ist eine Aufgabe mit überschaubarem Schwierigkeitsgrad. Trotzdem gibt es Geräte, die uns dabei helfen. Brauchen wir die wirklich?


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Alexandra klobouk Die portugiesische küche Sie selbst nennt sich bescheiden Illustratorin. Ihre detailgenau und liebevoll gezeichneten Rezepte könnte man auch als große Kunst bezeichnen. Im Mai erscheint Alexandra Klobouks neuestes Buch

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kommen und nach Sonne, Meer, frischen Kräutern, Olivenöl, Zitrone und Zimt duften, und begann zu zeichen. Aus dieser Leidenschaft machte sie nun, zusammen mit der Co-Autorin Rita Cortes Valente de Oliveira ein Buch. In stimmungsvollen Fotografien und Alexandras hinreißenden, detailversessenen Illustrationen werden die Geschichten hinter den Gerichten erzählt, und es wird geschnippelt und gehäutet, eingesalzen, abgeschmeckt, blanchiert und püriert, wie es im äußersten Westen der iberischen Halbinsel nun mal so üblich ist. Das macht viel Freude, aber auch reichlich Appetit auf die portugiesische Küche. Keine Sorge, diese erwünschte Nebenwirkung haben die beiden Autorinnen einkalkuliert: Wer den Illustrationen von Alexandra brav folgt, kann die Gerichte auf der Stelle nachkochen.

Fotos: Alexandra Klobouk

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ahrhafte Suppen, Stockfisch in tausend Variationen, Muschel­ eintöpfe, gegrillte Sardinen, Ziege, Lamm, Innereien, Enten, Tauben, Rebhühner, dicke Schweinswürste, Kohl, Bohnenpasteten, Pasteis, die portugiesische Küche schöpft aus dem Vollen. Das ist der Illustratorin Alexandra Klobouk auf ihren Portugalreisen nicht entgangen. Die 1983 in Regensburg geborene Künstlerin probierte sich gemeinsam mit portugiesischen Freunden durch die traditionellen Rezepte. Sie lernte, wie man grüne Eier, ausgebackene Bohnen, kleine Vorspeisen, besoffene Hasen und die ganze Vielfalt der – teils deftigen – portugiesischen Süßspeisen herstellt. Sie erlag der Faszination eines bislang unentdeckten Schatzes an bodenständigen, oft erstaunlich leichten Gerichten, die meist mit wenigen Zutaten aus-

hlich. Rechts Gute Küche macht frö tes Valente Cor a Rit in tor Au Colacht Klobouk dra xan Ale s de Oliveira, link

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Jeannys süsse Rezepte Virginia Jeanny Horstmann backt und bloggt nicht nur, sie veranstaltet auch Fotoworkshops (wir berichteten), und daher sind in diesem sehr liebevollen Kochbuch nicht nur die Rezepte und Texte, sondern auch die Fotos von ihr. 24,95 Euro

« à la maison »

Im richtigen Leben arbeitet Pit vom Posten als Koch in einem sehr guten Restaurant. Was er sich dabei denkt, steht hier

Foto: Hersteller, Illustration: Effilee

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etzten Montag hab ich mir unsere Barchefin geschnappt und bin mit ihr bei einem besternten Kollegen zum Essen gegangen. Da wir gerne Neues ausprobieren, wählten wir eines dieser bio-regional-faschistischen Restaurants, welche sich in den letzten drei Jahren so stark vermehrten wie der Rost auf meinem ersten Mercedes. Versteht mich nicht falsch, ich bin ein großer Tierfreund, liebe die Natur und linke Politik, aber noch mehr begeistert bin ich von einem Gourmetrestaurantbesuch, bei dem ich nicht mit herzzerreißenden Geschichten über rohe Algen oder verschrumpelte Möhren

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gelangweilt werde. Man muss es sich so vorstellen: Nach einem ungenießbaren vegetarischen Zwischengang bekommt man den Hauptgang serviert, hört sich sieben Minuten lang die Lebensgeschichte des Bauern an, der diese gesunde Ente an dem Tümpel zwei Dörfer weiter nicht gefüttert hat, und wenn die Geschichte zu Ende ist, ist die Ente nicht nur kalt, sondern auch so gehypt, dass ihre Zähigkeit und Untergarung noch mehr enttäuschen. Mal ehrlich: Liebe Kollegen, ich verstehe, dass das Rumrennen in der Pampa und das Rübenausbuddeln viel Spaß macht, aber macht es nicht auch Spaß, in der Küche etwas zu kochen, was durch Geschmack überzeugt, ohne rührende Hintergrundgeschichten? Mit aufgeblähtem Bauch würgte ich den letzten Bissen übersäuertes KräuterDessert runter und blickte in die grünbraunen Augen meiner Begleitung und wusste, dass sie meine Gedanken teilt: Schnell raus hier, bevor wir an der Bar noch einen Bio-Lavendel-Heidelbeer-Gin mit Teeinfusion angedreht bekommen und ab nach Hause: Wir ertränken dieses Requiem des guten Geschmacks in drei Flaschen Rotwein und kaufen uns morgen zum Frühstück ein Kilo Mett!

www.asa-selection.com

Willkommen zu Hause. Die organische Geschirrserie überzeugt mit hochwertigem Craquelé in den Trendfarben Auster und Champagner.

simple things are beautiful 19


Schneller Teller #2 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Die-Ostereier-müssenweg-Salat für 6–8 Personen Mal wieder mehr gekochte, bunt gefärbte Ostereier gefunden als versteckt? Macht nichts! In diesem Eiersalat schmecken sie zum Osterbrunch besonders gut, delikat veredelt und auf Wunsch in drei Variationen mit Krabben, Lachs und Hähnchenfleisch. Für den Eiersalat 300 g Mayonnaise 150 g Joghurt 2 EL Dijonsenf 1 kleines Glas Perlzwiebeln 1 Bund Schnittlauch

1 Bund Dill 2 Stangen Staudensellerie 6–8 hartgekochte Ostereier Salz, Zucker Cayennepfeffer Für die Variationen 100 g Nordseekrabben 100 g Räucherlachs in Scheiben ½ Grillhähnchen (vom Imbiss, kalt) 1. Mayonnaise mit Joghurt, Senf und 3 Esslöffel Perlzwiebel-Gewürzsud verrühren. Schnittlauch in Röllchen schneiden, Dill fein schneiden und beides unterrühren. 2. Staudensellerie längs vierteln und fein schneiden, Selleriegrün hacken.

3 Esslöffel Perlzwiebeln grob hacken. Die Eier pellen und grob hacken. Alles unter die Sauce rühren. Eiersalat mit Salz, einer Prise Zucker und Cayennepfeffer würzen. 3. Für die Variationen den Salat dritteln. Ein Drittel Salat mit Krabben verrühren. Das nächste Drittel mit grob geschnittenem Räucherlachs ­verrühren. Das Hähnchenfleisch mundgerecht zupfen und mit dem übrigen Salat verrühren. Schmeckt toll auf Toastbrot, Toasties oder Frühstücksbrötchen. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Effilee #28 Frühjahr 2014


Effilee #28窶ェrテシhjahr 2014

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Fermentieren, das ist die Kunst, Dinge in die Ecke zu stellen und darauf zu warten, dass sie so richtig lecker werden. Das Ergebnis ist nicht immer zu hundert ­Prozent vorhersehbar, aber genau das macht diese Art zu kochen so interessant. Wir haben vier junge Köche eingeladen, um gemeinsam auszuloten, was dabei herauskommt, wenn Könner fermentieren Text: Vijay Sapre  Fotos: Andrea Thode

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Kochkunst

Diese Kiste mit Einma chglテ、sern begleitete Andre as Tuffentsammer woche nlang auf seinen Reisen

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Kann man das noch ess en? Ingolf Klinder prüft ­Andreas ­Tuffentsamm ers Rotkohl

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Patrick Büchel stellt sic h mit seinem Gang der Kritik der Kol legen

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Kochkunst

Erst mit dem Das ist was für Jungs: her gibt‘s ter hin und n ele Feuer spi en ess zu was Anständiges

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TuffentModerne trifft Tradition: Molteni vs. zyn cys sammer und Ma

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Kochkunst

Ingolf Klinder ist Küchenchef bei Mercier und Camier in Hamburg

Ingolf Klinder

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as Gute kann so einfach sein: Eine frische Jakobsmuschel, etwas gebeizter Saibling und milchsauer vergorenes Gemüse, mehr braucht Ingolf Klinder nicht. Klinder, der seit Herbst letzten Jahres die Küche im Mercier und Camier leitet (das zu Effilee gehört), experimentiert ständig mit Gärung und Fermentation. Beim Gemüse, bei dem übrigens verschiedene Sorten gemeinsam eingelegt werden, funktioniert das gut, ein Versuch mit Sardinen musste allerdings kürzlich abgebrochen werden, nachdem Gäste sich über den Geruch beschwerten …

Fermentiertes Gemüse mit Schnittlauchöl, Jakobsmuschel und leicht geräuchertem Saibling Gemüse 1 Bund Bundmöhren 1 Bund Radieschen 250 g Perlzwiebeln 200 g gelbe Bete 200 g weiße Bete 1 kleinen Rettich

Wacholder Kümmel 2 l Wasser 20 g Salz 1. Das Gemüse gründlich waschen und wenn nötig schälen. In etwa gleich große Stücke schneiden und mit den Gewürzen in einen Gärtopf legen. 2. Das Wasser mit dem Salz mischen und angießen. Mit Steinplatten beschweren und mit dem Deckel verschließen. Den Rand mit Wasser befüllen und immer wieder auffüllen. Nach ca. 2 Wochen das Gemüse entnehmen. Schnittlauchöl 2 Bund Schnittlauch 200 ml Olivenöl 1. Schnittlauch in Salzwasser blanchieren und in Eiswasser abschrecken. Gut ausdrücken und im Thermomix mit Olivenöl fein mixen. 2. Durch ein Haarsieb geben und in Weckgläsern kühl lagern. Jakobsmuscheln 2 frische Jakobsmuscheln Salz Butter

Rosmarin Thymian Jakobsmuscheln auslösen, putzen und leicht salzen. In einer Pfanne anbraten und mit Butter und Kräutern kurz ­arosieren. Saibling 1 Bachsaibling, 600–800 g Olivenöl Salz Räuchermehl Orangenschale Thymian Rosmarin Wacholderbeeren 1. Saibling filetieren, Gräten ziehen und von der Haut nehmen. Den Saibling portionieren und auf ein geöltes Blech legen. Mit Olivenöl bestreichen und leicht salzen. In einer Pfanne Räuchermehl mit der Orangenschale, Thymian, Rosmarin und den Wacholderbeeren stark erhitzen. 2. Den Saibling in den Ofen schieben und die Räucherpfanne dazustellen. Nach 6 Minuten den Saibling herausnehmen. Auskühlen lassen und in Vakuumbeutel füllen. Vakuumieren. 3. Im Wasserbad bei 42 Grad ca. 3 Minuten garen.

Probiert und für gut befunden: Der Fond, der bei der milchsauren Vergärung entsteht, ist die Basis für frische, aber sehr komplexe Saucen

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Kochkunst

Andreas Tuffentsammer

1. Gemüse und Fond mit etwas Zwiebel und einem kleinen Stück Katenschinken aufkochen und eine halbe Stunde simmern lassen. 2. Durch ein Haarsieb passieren und mit Nussbutter und Xanthan emulgieren.

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ie Ole Deele in Großburgwedel an der A7 kurz vor Hannover hat in den letzten Jahren für erstaunlich viel Aufsehen gesorgt. Das lag vor allem an Andreas Tuffentsammer, der hier mit Mut zur Individualität 2011 einen Stern erkocht und ihn in den folgenden Jahren auch gehalten hat. Jetzt zieht es ihn zurück in die Heimat nach Süddeutschland. Wie es dort weitergeht, wird sich zeigen, vielleicht wird er statt eines neuen Jobs in der Küche auch ein Studium angehen. Da er viel unterwegs war in den letzten Wochen, hat Tuffentsammer eine Plastikkiste zum mobilen Gärschrank umgewidmet. Das fermentierte Gemüse, das er mitbrachte, ist weit gereist. Auch der Rosenkohl auf dem Titel stammt übrigens von ihm.

Wintergemüse Milchsauer fermentiert, mit Apfel, Koriander und Dill Fermentiertes Gemüse 3 Kohlrabi 25 Rosenkohl 3 Chicorée 1 Rotkohl 3 Rote Bete Wasser Meersalz 7 Einmachgläser (1 l) 7 Gefrierbeutel

vollständig mit dem Salzfond bedecken. Etwas Wasser in jeden Gefrierbeutel füllen und diesen dicht verknoten. Den Beutel so auf das Salzwasser geben, dass das Gemüse vollständig beschwert ist. Es darf keine Luft mehr im Glas sein. Nun den Deckel auf das Glas geben und 3 Tage bei Zimmertemperatur stehen lassen. Danach je nach persönlichem Geschmack 1–3 Wochen an einem dunklen, kühlen Ort lagern. Je länger die Milchsäurebakterien die Glucose des Gemüses umwandeln können, desto intensiver und zarter wird es.

Anrichten 2 Scheiben Vollkornbrot 50 g Butter 2 säuerliche Äpfel Dillspitzen feine Korianderblätter 1. Das Vollkornbrot klein zupfen und in der Butter anschwitzen, jedoch nicht rösten. 2. Die Äpfel in feine Stifte schneiden. Nun das fermentierte Gemüse in dünne Scheiben schneiden und im Glas mit den restliche Zutaten anrichten. Zum Schluss den Fond angießen.

Fond je Glas 50 g fermentiertes Gemüse je Glas 80 ml des Fermentationsfonds 20 g Katenschinken 1 Haushaltszwiebel 50 g Nussbutter 1 Messerspitze Xanthan

Das Gemüse schälen und säubern und bis zu drei Viertel der Höhe in die Einmachgläser schichten. Das Wasser mit dem Meersalz wie Blanchierwasser abschmecken. Das Gemüse nimmt nach dem Fermentieren den Salzgeschmack des Wassers an. Hier können Sie also nach eigenem Geschmack würzen, mindestens aber 10 g auf 1 l. Das Gemüse

Andreas Tuffentsammer denkt zur Zeit über neue Herausforderungen nach

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Zutaten außer dem Öl kalt verrühren, mit dem Fisch einschweißen und 4–5 Tage reagieren lassen. 2. Idealerweise ist nach dieser Zeit der Saibling zu 90 % durchgereift und im Kern noch etwas roh. Den Fisch abwaschen und in Sonnenblumenöl einlegen. Dillgel 2 Bund Dill 600 g destilliertes Wasser ca. 12 g Iota-Caragenaan Patrick Büchel wird in den nächsten Jahren von sich reden machen

Patrick Büchel

P

atrick Büchel war bis 2013 Sous-Chef im Buddenbrooks in Travemünde. Er tritt demnächst – wo, ist noch geheim – seine erste Stelle als Chefkoch an. Er wird dort, so viel darf verraten werden, einen Stern zu verteidigen haben. Er beschäftigt sich ohne Berührungsängste mit den modernen Techniken der Küche und hat uns einen Gang mitgebracht, bei dem die Prozesse, die bei der Fermentation ablaufen, sehr kontrolliert eingesetzt werden.

Saibling nach Matjesart mit Apfel-selleriesaft und Anisjoghurt Apfel-Sellerie-Saft 3 kg Staudensellerie 3 kg Granny-Smith-Äpfel 5 g Ascorbinsäure ca. 50 g Zymex Color (Präparat aus Pektinase, Zellulase und ­Hemi­zellulase) Ethanol, Zitronensaft, Salz, Xanthan 1. Sellerie waschen, zerkleinern und im Mixer pürieren. Mit 2,5 g Ascorbinsäure und 12 g Zymex Color versetzen und 8 Stunden bei Raumtemperatur reagieren lassen. 2. Die Äpfel waschen, das Kerngehäuse herausschneiden und genauso verfahren. 3. Beide Flüssigkeiten durch ein Passiertuch geben und getrennt mit weiteren

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5 g Zymex Color pro Liter Saft versetzen. Nach ca. 2 Stunden haben sich die Trübstoffe abgesetzt und der klare Saft kann von oben abgesaugt werden. 4. Pro Liter Saft 3 g Ethanol (Alkohol) beigeben. Die Flüssigkeit wird in einem Plastikbeutel eingefroren, angetaut, wieder eingefroren anschließend zerschlagen, und zuletzt auf ein Sieb mit Passiertuch und Auffangbehältnis gesetzt. Der Alkohol sorgt dafür, dass der Saft schneller taut als das Wasser und sich konzentriert im Auffangbehälter sammelt. 5. Apfel- und Selleriesaft im Verhältnis 2 : 1 verschneiden, mit etwas Zitronensaft und Salz abschmecken, und mit etwas Xanthan binden. Beim Einmixen entstehen Luftbläschen, die den Saft trüb erscheinen lassen. Die können mit Hilfe eines Vakuumiergerätes wieder entzogen werden. Den fertigen Saft kalt stellen. Saibling nach Matjes-Art 1 Saibling (ca. 1,6 kg) 80 g Salz 1 l Wasser 50 g Matjesenzym (hauptsächlich Papain und Bromelain) 30 Korianderkörner 20 weiße Pfefferkörner 1 Lorbeerblatt 1 Sternanis 2 TL Senfsaat Sonnenblumenöl 1. Den Saibling filetieren, entgräten und von der Haut lösen. Die restlichen

1. Den Dill waschen, die Hälfte mit dem destillierten Wasser vakuumieren und 24 Stunden kühl stellen. 2. Am nächsten Tag den Beutelinhalt passieren, mit dem restlichen Dill in einem leistungsfähigem Mixer pürieren und erneut fein passieren. 3. Den entstandenen Fond schrittweise mit dem Iota-Caragenaan stark mixen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. 4. Mit Salz und Zitronensaft abschmecken und in eine Spritzflasche füllen. Kalt stellen. Anisjoghurt 1 l Kaffeesahne 20 g Glucose 200 g griechischer Joghurt 15 Sternanis 50 g Zucker Alle Zutaten vermischen und bei 50 Grad im Gärschrank einen Tag reifen lassen. Den fertigen Joghurt in einem Baumwolltuch abhängen um überschüssiges Wasser zu entziehen. Den Anis entfernen und den Joghurt mit Hilfe eines Mixers homogenisieren bis eine samtige, weiche Struktur erreicht wird. Kalt stellen. Anrichten Dünne Granny-Smith-Apfelspalten Sellerieblätter Dillspitzen Den Joghurt auf dem Teller verstreichen. Den Matjes pro Person in 4–5 gefällige Scheiben schneiden und auf dem Joghurt arrangieren. Dillgelpunkte, Apfelspalten und Kräuter verteilen. Den Saft in eine Sauciere füllen und angießen.

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Kochkunst

Despektierlich kテカnnte man sagen: Schwarzbrot mit Sauerkraut

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Die Jakobs muschel passt perfekt zur feinen Säure des Gemüses

Hier wird die Überraschung

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Gewürze e und Enzym n de en lass Saibling zum Matjes werden

angerichtet

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Kochkunst

Thomas Macyszyn ist Küchenchef im Restaurant Navette in Rüsselsheim

Thomas Macyszyn

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olfram Siebeck hat den Brokkoli einmal als das unnötigste aller Gemüse beschrieben. Thomas Macyszyn beweist uns das Gegenteil. Dabei verarbeitet er in erster Linie die Stiele, die andere verschmähen. Die Kombination aus fermentiertem und frischem Produkt, aus Schaum und Sorbet, ergibt einen sehr überraschenden, hochintelligenten Gang.

Langustino / Brokkoli / Mandel Brokkolistielsorbet 500 g Püree von Brokkolistielen 55 g Dextrose 50 g Glukose 50 ml Rapsöl 3 g Salz 1 g weißer Pfeffer 1 g Xanthan 5 ml Zitronensaft Die Zutaten miteinander mixen und anschließend pacossieren.

Fermentierter Brokkolistiel 4 Brokkoli Salz

2. Die Schalottenringe gut abtropfen, leicht mehlieren und in heißem Fett ausbacken, bis sie kross sind.

Brokkoli waschen und putzen. Die feinen Knospen sehr fein runterschneiden und beiseitestellen. Aus dem Stiel das Mittelstück schneiden und in 1 mm dünne Scheiben schneiden. Den Rest entsaften, 2 % Salz hinzufügen, gut verrühren und mit den Brokkolischeiben (die Scheiben müssen bedeckt sein) in einem Weckglas mindestens 1 Woche gären lassen.

Schalottenmelasse 1 l frischer Möhrensaft 100 g Püree von vergorenen ­Schalotten

Sud 100 ml frischer Brokkolisaft 100 ml vergorener Brokkolisaft feine Brokkoliknospen Salz, Pfeffer 50 g Nussbutter Die Säfte mit den feinen Knospen auf­ kochen, abschmecken und mit der Nussbutter montieren. Fermentierte Schalottenringe 5 Schalotten 500 ml frischer Zwiebelsaft 3 % Salz 2 % Zucker 1. Schalotten 1 mm dünn in Ringe schneiden und im Weckglas mit dem angerührtem Zwiebelwasser mindestens 4 Wochen bei 15–20 Grad gären lassen. Nach 2 Wochen alle 3–5 Tage das Glas öffnen, durchrühren und wieder verschließen.

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Püree und Saft langsam einkochen, bis eine toffeeartige Konsistenz erreicht ist. Langustino 3 Langostinos Salz, Pfeffer Langustinos säubern, mit dem vergorenen Brokkolisaft marinieren, die Schalottenmelasse aufdressieren, mit Salz und Pfeffer würzen und mit einem fermentierten Zwiebelring belegen. Mandelschaum 500 ml Milch 250 g geröstete Mandeln 3 Blatt Gelatine 1 g Xanthan Die Milch mit den Mandeln aufkochen, über Nacht ziehen lassen. Anschließend mixen, fein passieren, die Gelatine und Xanthan einrühren und in eine iSi-Flasche füllen. Kalt stellen. Garnitur grob gehackte Mandeln (geröstet) gepoppter Quinoa

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Für den enzymatisch geklärten und konzentrie rten Saft braucht man auch eine ­entsprechende Karaffe


Tellerrand

Journal des Luxus und der Moden Illustrationen: Roland Brückner, bitteschön.tv

Fahren wie auf Schienen ist wie Malen nach Zahlen

Der Hinterherfahrer Audi A6 Allroad quattro

Die freundliche Dame bei Europcar lacht mich an: »Audi A6 allroad quattro haben Sie bestellt und den kriegen Sie auch!« – sie scheint selbst ein wenig überrascht, dass das so gut geklappt hat. »Das ist aber ein Kombi«, frage ich. »Aaber ja!«, kommt die strahlende Antwort. Runter in die Tiefgarage mit der ganzen Familie, Frau, drei Kinder, Skiklamotten für zehn Tage. Aus dem Aufzug raus und gleich die Fernbedienung gedrückt: Da hinten rechts blinkt es! Die Kinder ins Auto, dann ran ans Gepäck. Kombis sind, machen wir uns nichts vor, nicht mehr das, was sie früher waren. Kofferraumdeckel auch nicht, dieser hier lässt sich nur noch per Knopfdruck betätigen und verweigert sich daher jedem Zwang. Alles nochmal raus, nachdenken. 3-D-Tangram. Drehen, schieben, ruckeln. Nochmal auf den Knopf gedrückt. Pffft – zu! Dankbar für die strengen Gepäckbestimmungen der

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Airline geht man nach vorn. Fahrerseite. Die Tür schließt satt. Willkommen zu Hause! Der Innenraum ist unaufgeregt, nüchtern, aber edel. Zündschlösser sind schon lange out, heute gibt es diese Startknöpfe. Das ist schick, allerdings wusste man früher noch, wohin mit dem Zündschlüssel. Aber dafür gibt es ja den Cupholder. Schon an diesen Kleinigkeiten zeigt sich, dass die Entscheidung für ein Auto mehr und mehr eine für ein bestimmtes Betriebssystem wird. Kein Mensch liest Manuals, also wird für den Wechsel der Marke die Frage wesentlich: »Wie schnell finde ich mich hier zurecht?« Nun, es geht. Das MMI-System, mit dem das Auto im Wesentlichen bedient wird, ist zwar durchaus verständlich, bei vielen Funktionen aber etwas umständlich. Man wünscht sich so etwas wie Bookmarks, um häufig genutzte Funktionen schnell wiederzufinden. Das Navi zeigt – jedenfalls in der Standardeinstellung – viele unnötige Nebensächlichkei-

ten an das macht das Display bunt und stört die Konzentration. Wirklich beeindruckt hat der RadarTempomat. Wenn man es nicht weiß, dauert es eine Weile, bis man versteht, was eigentlich passiert, dann aber ist es wirklich großartig. Kurz gesagt funktioniert das so, dass der Tempomat nicht nur die Geschwindigkeit hält, sondern auch den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Das funktioniert in diesem Audi atemberaubend geschmeidig, das Abbremsen ist in der Regel kaum spürbar, das System weiß, wann es in die Kurve geht, und es weiß auch (oder jedenfalls bilde ich mir das ein), dass es nicht abbremsen muss, wenn der Blinker zum Überholen gesetzt wurde. Gerade auf der Landstraße spart das ungeheuer viel Nerven, es ist tatsächlich so, dass sich die Wahrnehmung des Vorausfahrenden komplett verändert: Er ist nicht mehr ein rollendes Hindernis, sondern der, der mich führt. Das Ganze funktioniert bis runter zur Schrittgeschwindigkeit, beim Stop-and-go muss

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hin- und wieder das Gas kurz angetippt werden, damit man sich wieder wie am Gummiband angehängt vom Vordermann ziehen lassen kann. Das alles funktioniert so gut, dass man schnell Vertrauen fasst und sich bereitwillig in die Hände dieser Technik begibt. Das selbstfahrende Google-Auto kommt mir seither gar nicht mehr absurd vor. Marcus Hesemeier

gut mitgedacht weil nicht sein kann, was nicht sein darf

Einmal muss es einfach gesagt werden: Wir kleinen Leute von der abhängig tätigen Klasse erahnen oft gar nicht, was wir an unseren Führungskräften haben. Jenen, die im Hintergrund wirken und stets über das Große und Ganze (inklusive unseres persönlichen Wohlergehens) nachsinnen, statt sich an Details zu verschwenden. Vielleicht sollte man sogar einen Preis ausloben, GUT MITGEDACHT könnte er heißen, CHAPEAU oder HUT AB! Verliehen werden sollte er durchaus feierlich, Livemusik und ein

Flying Buffet sollten da die Mindestanforderungen sein. Der erste Preis könnte gehen, das hier aber jetzt nur als Beispiel, an die entzückende Verlagsleiterin eines Verlages dessen Name zu Wahrung des Betriebsfriedens (und weil sonst der Autor in größte Schwierigkeiten käme) auf keinen Fall genannt werden darf. Die Begründung der Jury könnte lauten: Frau Soundso wird heute mit dem HUT AB ausgezeichnet, für die Entscheidung den

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Verbandskasten des Verlages in einem abgeschlossenen Schrank zu verwahren, zu dem nur sie den Schlüssel hat. Weil auf diese Art und Weise sichergestellt ist, dass während ihrer Dienstreisen oder sonstigen Abwesenheiten auch garantiert nichts Schlimmes passiert. Ulf Wendelstein

WArum reist der mensch?

diskutiert wird: »An ’nem völlig faaalschen Bahnhof und das alles ooohne Geeld!« Hans Kantereit

Um so etwas erleben zu dürfen:

nicht winken! Südliches Frankreich, später Abend an einem vor den Toren der Stadt gelegenen Bahnhof für den Hochgeschwindigkeitszug. Ein Shuttlebus Richtung Zentrum steht wartend im Regen. Eine Mutter mit Kind steigt zu. Das vielleicht sechsjährige Mädchen singt hingebungsvoll ein französisches Kinderlied. Die Mutter telefoniert. Höchstwahrscheinlich mit dem Vater des Kindes: Vollkommen bescheuert sei das ja wohl, diese SMSKommunikation mit den ewig fehlenden Textteilen, … DAS HIER sei nun jedenfalls der Supergau, mitten in der Nacht … hier möchte man doch nicht tot überm Zaun hängen und so weiter. Das Kind singt ungerührt weiter und nimmt Platz. Die Mutter bleibt beim Fahrer stehen und spricht leise und gestikulierend auf ihn ein. Es scheint noch ein kleines Problem zu geben, und es scheint etwas mit der Busfahrkarte und ihrer Brieftasche zu tun zu haben. Das Kind, vielleicht ist ihm trotz seiner hingebungsvollen Singerei meine Neugierde nicht entgangen, dreht sich zu mir um und klärt mich auf, aber in einer so entzückenden und kunstfertigen Art und Weise, dass mir noch Tage danach das Wasser der Rührung in die Augen will, wenn ich daran denke. Der offenbar hochmusikalische Zwerg dreht sich also zu mir um, und singt mir, sich weiterhin streng an die Melodie des Liedes haltend, das er schon die ganze Zeit trällerte, vor, aus welchen Komponenten sich das Problem zusammensetzt, das da vorne beim Fahrer gerade

immer diese landeier

»Sie, nicht winken! Sie sind in einer Großstadt!«, wies der stets unlockere Moderator Hans Rosenthal bei Dalli Dalli in einem Land vor unserer Zeit mal einen Menschen zurecht, der verschüchtert in die Kamera winkte. Natürlich hatte er recht: Übers Fernsehen seinen lieben Verwandten zuzuwinken, ist selbstverständlich landeimäßig und unsouverän. Noch landeimäßiger und unsouveräner ist es jedoch, seine eigene vermeintliche Weltgewandtheit auf Kosten so einer armen Sau demonstrieren zu müssen. Wenn nach einer geglückten Flugzeuglandung (meiner Ansicht nach jedes Mal ein kleines Wunder, das auf der Stelle den Papst auf den Plan rufen sollte) der Pöbel klatscht, sagen solche Menschen laut, damit auch jeder mitbekommt, dass sie wissen, wie man sich in der Welt benimmt: »Ich klastsche ja auch nicht, wenn der Busfahrer hält.« Der Bus hat ihn vermutlich zu einer Party gebracht, auf der er sich umgehend über den von einem anderen Gast mitgebrachten Wein mokiert. Ihr eingebildetes Savoir-vivre beziehungsweise Savoir-boire ist hauchdünn angelesen und löst sich bei näherer Untersuchung in ein durchsichtiges Nebelwölkchen auf. Wogegen nichts einzuwenden wäre, trügen sie ihr Kennertum nicht so penetrant vor sich her. Hobbys sind eine schöne Sache. Privatgelehrtentum auch. Solange es privat bleibt. Alexander Kasbohm

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Brief aus Neufundland: Saint John’s Unsere Autorin hat getauscht – ein Sauerteigbrot gegen einen Robbeneintopf Text & Fotos: Jennifer Mira ackermann

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s ist noch immer ziemlich kalt in meiner Zufallsheimat St. John’s, Neufundland. Der Insel mit irischem Stammbaum, die berühmt ist für ihre ausufernde Elchpopulation, die Tragödie der Kabeljaufischerei und den Untergang der Titanic. Mit Kapuzenpulli sitze ich auf unserem Balkon und beobachte das portugiesische Fischerboot, das im Hafen gerade angelegt hat. Mein selbstgepflückter Labradortee dampft in der kalten Luft und ich frage mich, wie lange er warm bleiben wird. Es riecht nach Frühling, die Zeit der Stromausfälle ist vorerst vorbei. Seit ein paar Tagen bin ich wieder in meiner alten WG, auf dem Signal Hill in dem kleinen knallroten Haus, durch das der Wind pfeift und die Geister heulen. Als wir ankamen, saßen Freunde und Nachbarn um ein wunderbares Feuer, mit Schaukelstuhl, Bier und marinierten Elchsteaks auf dem Grill. Die Nacht haben wir auf der Veranda verbracht mit Schlafsack, Rettungsdecke, Banjo und einer Flasche Whiskey. Die Neufundländer sind stolz auf die lange Unabhängigkeit von Kanada und ihre irischen Vorfahren. Whiskey und Folksongs gehören dazu, auch die Flagge der ehemaligen Repub­l ik ziert noch immer viele Fassaden. Auf dem Herd taut langsam der Robbeneintopf

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auf, den ich vorhin von meinem Nachbarn Cory bekommen habe. Wir treffen uns jeden Tag auf der Straße, winken einander zu oder schnacken im Vorbeigehen. Heute über Elch und Robben … und schon hatte ich eine Tupperdose mit Seal-Stew in der Hand. Dafür bekommt er ein Sauerteigbrot von mir. Es wird lieber getauscht und geklönt als zum Supermarkt zu gehen. Das läuft hier immer so: Jeder kennt jeden, einen Fischer, Jäger, Farmer oder hat einen Kumpel, der jagen war. Seitdem es gesetzlich verboten ist, unverarbeitetes Wild zu

Eine enthäutete und entfettete Robbe kostet heute zwischen fünf und sechs Dollar verkaufen, gibt es Robbe, Elch und Möwe unter der Hand im Laden oder von Freunden. Der Eintopf riecht stark nach Fisch und ist dunkel wie Wild. Normalerweise werden nur die Flossen für einen Eintopf verwendet und der Rest als Steak gebraten oder in Pasteten verarbeitet, aber ­Corys Eintopf ist sogar aus dem saftigeren und viel fetteren Bauchfleisch zubereitet. Ganz nach Newfie-Art gibt es kaum Gemüse, das ablenken oder den Geschmack mildern könnte. Das fettige Fleisch wird scharf angebraten mit Zwiebel, Karotte

und Steckrübe, Kartoffeln dürfen natürlich auch nicht fehlen, anschließend abgelöscht mit einem dunklen Stout und den obligatorischen grünen Erbsen aus der Dose, die man in fast jedem klas­sischen Kochbuch aus Neufundland findet. Es ist eine Mischung aus irischer Küche und der frühen, sehr fetten und proteinreichen Ernährungs­weise der Beothuk, eines Stamms der Inuit, die hauptsächlich in Neufundland und Labrador lebten und sich vornehmlich von Eisbären, Robben, Fisch, und Walen ernährten. Heute kostet eine Robbe enthäutet und entfettet zwischen fünf und sechs Dollar, wenn man früh aufsteht, kann man sie auch direkt vom Fischer kaufen, unter der Hand. Wie auch mal den einen oder anderen Wildvogel oder Beifang. Es schmeckt eigentlich genau so, wie ich es mir vorgestellt habe, etwas fischig mit einem starken Wild­ geschmack, tranig und ein bisschen wie ­L eber, wonach der Eintopf auch streng riecht. Das Fleisch ist sehr faserig und heizt ganz schön ein und erinnert mich etwas an den Von-innen-heraus-wärmenden-Effekt von Haggis, perfekt für einen kalten Wintertag in Kanadas Norden. Kein Muss auf meiner permanenten Speise­k arte, definitiv gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. ­

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FÜR ALLE, DIE ROT SEHEN

SEIT 1924 | FEBRUAR 2014 | EURO 3,30

YOKO ONO ÜBER GLÜCK DENKT MAN NICHT NACH!

EINE AUSGABE ALS E-PAPER PROBELESEN? HIER ENTLANG:

STROMBERG-ERFINDER RALF HUSMANN DER DEUTSCHE WILL EINE GRUPPENREISE AUSSERDEM DIE LANGSAMSTE ROLLTREPPE & DAS BEKLOPPTESTE HOBBY DER WELT, PLUS »VITAMIN D« VON ALEX CAPUS

Zieh dich warm an! WAS MAN TRÄGT, IST DOCH NICHT JACKE WIE HOSE


Schneller Teller #3 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Bulgogi mit BasmatiSesam-reis für 4 Personen Bulgogi, »Feuerfleisch«, heißt diese unkomplizierte koreanische Festtags­ speise. Das mit Ingwer, Chilipaste, Knoblauch und Sojasauce marinierte Fleisch wird gegrillt oder gebraten und dann wahlweise mit Reis oder in Salatblätter gewickelt als Fingerfood serviert. 1 Zwiebel 20 g Ingwer 1 Knoblauchzehe 6 EL Sojasauce 1 EL Zucker

1 TL Sesamöl 1–2 Msp. Chilipaste 800 g Färsen-Entrecôte 150 g Basmatireis (z. B. von Oryza) Salz 4 EL Sesamsaat 4 EL ÖL 2 Frühlingszwiebeln 1. Zwiebel, Ingwer und Knoblauch fein würfeln und mit Sojasauce, Zucker, Sesamöl und Chilipaste glattrühren. Das Fleisch in dünne Minischnitzel schneiden und mit der Marinade vermengen. 2. Reis mit 500 ml Wasser und einer Prise Salz in einem kleinen Topf aufkochen. Zugedeckt bei milder Hitze 10 Minuten garziehen. Dann ein gefal-

tetes, sauberes Küchentuch zwischen Topf und Deckel legen und den Reis am Herdrand bis zum Servieren ziehen lassen. 3. Sesam in einer großen beschich­ teten Pfanne ohne Öl goldbraun rösten. Herausnehmen und beiseitestellen. Öl in die Pfanne geben und erhitzen. Das Fleisch hineingeben und 3–5 Minuten scharf braten. Frühlingszwiebeln schräg in feine Scheiben schneiden und über das Fleisch streuen. Sesam unter den Reis rühren und zum Fleisch servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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DIE KUNST DES FILETIERENS FLAGSHIP STORE DÜSSELDORF | KÖNIGSALLEE 88 | 40212 DÜSSELDORF I BRAND STORE KÖLN | WALLRAFPLATZ 2 | 50667 KÖLN Effilee #28 Frühjahr 2014

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Erzähltes Leben

Der Fermentation, heißt es, haben wir viel zu verdanken. Sie soll unsere Lebensmittel bekömmlicher, gesünder und aromatischer machen. ­Höchste Zeit für eine dumme Zwischenfrage: Was ist das überhaupt? Der Frankfurter Biologe Professor Thomas Junker hat geantwortet

Foto: Flickr/caylan larson

Interview: Hans Kantereit

Hefe: Ohne diesen Pilz wäre unsere Welt nicht wiederzuerkennen

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ewegt man sich in kulinarisch wachen Kreisen, hört man das Wort Fermentation derzeit an jeder Ecke. Wie erklärt ein Biologe einem Pferd, worum es dabei geht? Um viel. Ohne Fermentation gäbe es kein Leben. Zumindest nicht das, das wir kennen. Der Begriff steht für bestimmte Abbauprozesse von Mikroorganismen. Diese Mikroorganismen und ihr Tun sind für den gesamten Stoffwechsel verantwortlich. So klein und schon so wichtig? Sehr wichtig. Nebenbei gesagt auch für uns als Individuum. Wir tragen grob geschätzt ständig drei Kilo Mikroorganismen in unserem Körper mit uns herum. Im Darm in der Mundhöhle, auf der Haut. Unsere gesamte Haut ist mit einem Film von ihnen besetzt. Und zwar zum Glück mit denen, mit denen wir gut können, und wenn die weg wären, würden uns andere Mikroorganismen besiedeln, die uns Böses wollen. Dieser Bakterienrasen auf uns ist ein lebenswichtiger Schutz vor Angriffen von bösen Bakterien. Und was tun wir dafür, dass ausgerechnet die Guten uns bewohnen und die Schlechten draußen bleiben? Der Körper steuert das, indem er die Patogenen abtötet, so wie er sie erkennt, und die Guten behandelt wie nette Haustiere, an die er sich gewöhnt hat. Und sie leben lässt. Unser Immunsystem kann das unterscheiden, vorrausgesetzt das Immunsystem funktioniert. Beschützen die guten Mikroorganismen uns umsonst oder kriegen die was dafür? Die kriegen was. Durch die Schweißdrüsen, zum Beispiel, oder von der Haut, die werden gut gefüttert, schließlich brauchen wir sie zum Überleben. Deswegen war diese Idee mit der Keimfreiheit die in den Fünfzigern oder Sechzigern propagiert wurde ein völliger Unfug! Denn wenn man versucht, die guten Mikroorganismen wegzuwaschen, kommen

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die Bösen sogar verstärkt. Jede unbesetzte Stelle wird wieder besetzt, nur halt nicht mit netten Kollegen, sondern mit Stinkstiefeln. Ich denke mal, Sie wollten mit Ihrer Eingangsantwort andeuten, dass es ohne Fermentation nicht nur kein Sauerkraut gäbe, sondern die ganze Welt wie wir sie kennen nicht existierte? Ja. Weil die Fermentation der Stoffwechselprozess ist, der unser höherentwickeltes Leben möglich macht. Dabei geht es einfach um den Abbau organischer Substanzen. Und das, was wir Fermentation nennen, ist ein bakterieller oder von Pilzen veranstalteter Abbauprozess, bei dem nicht nur abgebaut, sondern auch andere Stoffe aufgebaut werden. Bei Früchten kann man das ganz einfach beobachten. Man legt ein Stück Obst hin, und es finden sich ziemlich bald Hefepilze ein, die sich daranmachen, die Frucht abzubauen. Das ist ein ganz einfacher Vorgang, die Pilze essen die Frucht auf und verstoffwechseln sie. Und ohne diesen Stoffwechsel gäbe es kein Leben. Dieser Vorgang Fermentation findet ähnlich auch permanent in unserem Körper statt. Wenn wir Zucker oder einen anderen energiereichen Stoff zu uns nehmen, wenn der in Energie umgewandelt wird, dann entspricht das chemisch relativ genau dem, was man Milchsäuregärung nennt, die im Übrigen auch als Fermentation bezeichnet wird. In den Muskeln passiert das. Das heißt, alle Organismen gewinnen ihre Energie aus dem Abbau energiereicher Stoffe, in diesem Fall hauptsächlich Zucker. Erst bauen die Pflanzen die energiereichen

Stoffe wie Zucker, Stärke, Kohlenhydrate oder Fette auf, indem sie Sonnenlicht absorbieren, und andere, nämlich Tiere, Pilze und Bakterien kommen her und ernähren sich davon. Fermentation ist im Prinzip ein Teil des Vorgangs, bei dem sich Tiere von dem ernähren, was die Pflanzen aufgebaut haben. Das heißt, die Hefe, die die Traube in Wein verwandelt, ernährt sich von dem Zucker in der Traube. Sie gewinnt daraus Energie, und wenn sie könnte, würde sie die Traube natürlich ratzekahl aufessen. Dann wär nichts mehr da und Schluss mit lustig. Das kann die Hefe aber nur, wenn sie genügend Sauerstoff hat. Den braucht sie, um die ganzen notwendigen Schritte durchzuführen, aus dem Zucker muss erst Kohlendioxyd gemacht werden und noch einiges mehr, von der Traube bliebe am Ende dieser Schritte nichts übrig als ein bisschen Wasser. Wenn der Sauerstoff knapp wird, dann kann sie in ein Notprogramm schalten. Dann baut sie den Zucker ein Stück weit ab und gewinnt ein bisschen Energie daraus. Sie verdaut ihn quasi nur teilweise. Und zwar bis zum Alkohol. Warum hört die Hefe ausgerechnet beim Alkohol auf? Weil sie nicht weiterkommt. Sie würde sich den Alkohol gerne einverleiben, so wie wir auch, der enthält ja jede Menge Energie, deshalb kann man vom Alkohol so gut zunehmen, für diese weiteren Stoffwechselschritte, es sind lauter kleine Zerlegeschritte, braucht sie unbedingt Sauerstoff. Und wenn sie keinen mehr hat hört der Zersetzungsprozess eben an genau der Stelle auf. Das heißt, der Verdauungsprozess der Hefe in der Traube

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Erzähltes Leben

Saurer schwedischer Hering – sein Gestank beschäftigt Gerichte

geschieht in zwei Schritten: Der erste, ohne Sauerstoff, geht bis zum Alkohol. Und der zweite würde bis zum Ende gehen, danach wäre auch der Alkohol verschwunden. Jetzt haben die Menschen irgendwann den Trick entdeckt, wahrscheinlich einfach in der Natur beobachtet, dass der Stoffwechselweg unterbrochen wird, wenn man zum Beispiel der gärenden Frucht den Sauerstoff entzieht. Diesen Zustand haben die Menschen dann künstlich, wahrscheinlich in Bottichen, die Winzer später in Fässern, simuliert. Gäbe es diesen Sauerstoffabschluss nicht, würden die Hefen den produzierten Alkohol wieder abbauen? Genau. Ratzekahl. Ich schätze jetzt mal, dass die Hefen bei den ersten Zersetzungsschritten zwanzig Prozent der Energie aus der Frucht kriegen. Und achtzig Prozent sind noch drin als Alkohol, an den sie aber nicht rankommen, weil sie dazu den erwähnten Sauerstoff bräuchten. Sie versuchen es natürlich,

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Kommt so der natürliche Alkoholgehalt von Getränken zu Stande? Circa fünf Prozent bei Bier, um die zwölf Prozent beim Wein und so weiter? Und bei zwölf Prozent ist Schluss. Ab da muss man künstlich weitermachen und destillieren. Sie können sich das der Einfachheit halber so vorstellen, dass die Hefe den Zucker frisst und Alkohol wieder auspinkelt. Den würde sie auch liebend gerne wieder zu sich nehmen, aber sie kann nicht, weil man ihr den Sauerstoffhahn abdreht. So entsteht Wein. Es gibt übrigens Menschen, die solche Hefen im Darm haben und selber ihren eigenen Alkohol produzieren, der Sauerstoffabschluss funktioniert da ja auch. Das heißt, sie sind, wenn sie Nahrung zu sich genommen haben, immer leicht betrunken. Die fermentieren sozusagen den ganzen Tag ein bisschen vor sich hin. Ist das eine Krankheit im medizinischen Sinn? Oder ein Geschenk Gottes? Nein, eine Krankheit nicht, (lacht) für einen Moslem wäre es vielleicht ein Geschenk Gottes. Für Leute, die sowieso gern Trinken, ist es einfach nur ein nettes Zubrot. Und irgendwie auch ein Wunschdefekt. Könnte man den theoretisch auch künstlich herbeiführen? Müsste theoretisch gehen. Wäre ein schönes Projekt. Aber Sie wären dann ja angetrunken, ohne in den Genuss des Weines gekommen zu sein. Das ist ja eigentlich das, was wir eher nicht wollen. In jedem Fall bräuchten Sie eine magen­ saftresistente Kapsel, die sich erst im

Darm auflöst und dort eine Dosis Weinhefe freigibt. Dann essen Sie ein paar Trauben oder etwas anderes Zuckerhaltiges und schon haben Sie Ihren persönlichen kleinen Rausch. Der selbsthergestellte Alkohol würde aber die Leber passieren, wir müssten ihn also zu unserem täglichen Pensum dazurechnen? Natürlich, Blutbahn ist Blutbahn, den müssten Sie dazurechnen. Er muss ja auch ins Gehirn, wir wollen ja nicht, dass die Hefepilze betrunken sind, sondern wir höchstpersönlich. Und wenn Sie nach dem Essen Auto fahren und ins Röhrchen pusten müssten, könnten Sie zwar wahrheitsgemäß sagen, Sie hätten keinen Tropfen getrunken, aber es würde Ihnen zu Recht niemand glauben. Was schätzen Sie, wie viel Promille Blutalkohol könnte man dabei, quasi am Finanzamt vorbei, im eigenen Darm erzeugen? (Lacht) Sie steigern sich da in etwas hinein, vielleicht sollten wir wieder zum eigentlichen Thema zurück. Stimmt der Eindruck, dass die Fermentation immer dann im Spiel ist, wenn besonders leckere Lebensmittel erzeugt werden sollen? Für Käse, Wein und Champagner ist sie schließlich auch verantwortlich. Beim Käse sind zwar andere Mikroorganismen am Werk als beim Wein, die auch etwas ganz anderes machen, aber es stimmt. Und wenn die Hefe den Zucker in Alkohol und Kohlendioxid umwandelt, der ja nichts anderes ist als Kohlensäure, dann haben wir auch noch perlenden Champagner. Ähnliches passiert im Hefeteig. Die Hefen machen dasselbe, sie nutzen die Stärke, die im Teig ist, und verwandeln sie in Alkohol plus Kohlendioxid. Das Kohlendioxid sorgt dafür, dass der Teig fluffig wird. Im frischen Teig selbst ist auch der Alkohol noch drin, der verschwindet aber später beim Backen. Beim Wein nehmen wir also das erste Zersetzungsprodukt, lassen das Kohlendioxid weg und freuen uns über den Alkohol, beim Champagner verwendet man

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Foto: Flickr/Islandet

und zwar so lange, bis sie an ihrem eigenen Alkohol ersticken, bei ungefähr zehn Prozent ist Schluss, dann können sie nicht mehr.


beide Zersetzungsprodukte und freut sich über perlenden Alkohol, nur beim Hefeteig verschwindet der Alkohol. Was schade ist, aber keine Katastrophe, man kann ihn sich ja künstlich wieder zusetzen, indem man den Kuchen mit einem Glas Champagner runterspült. Irgendwie hat die Natur für alles gesorgt.

Foto: Flickr/Funky Tee

Könnte man laienhaft sagen, dass man beim Fermentieren Lebensmittel haltbarer und wohlschmeckender macht, indem man sie ins Verderben schickt und kurz vor dem Abgrund die Bremse zieht? Verderben ist ein großes Wort. Die Mikroorganismen produzieren beim Verdauen halt auch ein paar Endprodukte, die wirklich nicht appetitlich und nichts für uns sind, andere wieder sind essbar und sehr gut und vorteilhaft für uns. Wir müssen den Bakterien aber in jedem Fall sehr dankbar sein, denn sie nehmen uns eine Arbeit ab, die wir selbst gar nicht leisten können. Die verdauen diese Lebensmittel nämlich für uns, Fermentation ist eine Art Vorverdaung. Man kann getrost sagen, dass wir dann Vorverdautes essen. Ich weiß nicht, ob Sie das Ihren Lesern zumuten wollen. Unterschätzen Sie unsere Leser nicht. Die sich übrigens und hoffentlich auch für diese Frage interessieren: Ein großer Teil der Fachwelt hält Lebensmittel, die per Fermentation haltbar gemacht wurden, für bekömmlicher und gesünder als frische. Wie kommt’s? Siehe oben. Sie sind schon vorverdaut. Wir haben verschiedene Möglichkeiten, um Rohkost ein wenig bekömmlicher zu machen. Rohkost ist ja mal ganz nett, man isst schon mal einen Salat und ’ne Möhre, wenn’s unbedingt sein muss, aber das Zeug liegt ja eigentlich vergleichsweise schwer im Magen. Und im Gegensatz zu den Gorillas, die nur Rohkost essen, sind wir daran nicht mehr gut genug angepasst. Wir müssen die Sachen bekömmlicher machen, ehe wir sie un-

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serem Verdauungsapparat zuführen. Im Prinzip machen wir nichts anderes als die Kuh, die das Gras frisst und im Pansen fermentieren lässt. Dann erst kommt es in den richtigen Magen. Und weil wir keinen Pansen haben, machen wir das in einem Gefäß außerhalb des Körpers. Wir sind auch nicht die einzigen Lebewesen, die damit Probleme haben. Termiten zum Beispiel essen sogar Holz und lassen es von Mikroorganismen im Darm vorverdauen. Und wir machen das halt außerhalb des Körpers, die Idee dabei ist, es bekömmlicher zu machen, und ganz nebenbei machen wir es auch haltbarer. Durch die Giftstoffe, die die Bakterien absondern. Die längere Haltbarkeit kommt durch Giftstoffe zustande? Alkohol oder Milchsäure. Alkohol tötet Bakterien ab, und Säure auch. Surströmming, saurer schwedischer Hering, stinkt teilweise so widerwärtig, dass die Nachbarn von Konsumenten Prozesse anstrengen. So eine Surströmming-Dose darf man nicht im Flugzeug transportieren, wenn sie dort detonieren würde, wäre die Maschine wegen Gestanks wahrscheinlich für immer unbrauchbar. In Island lässt man das Fleisch des Grönlandhais in einer Holzkiste vor sich hinfermentieren, die man weit entfernt von menschlichen Behausungen lagert, und isst es getrocknet in kleine Würfel geschnitten unter Zuhilfenahme von Unmengen Schnaps. In Asien macht man ganz erstaunliche Dinge mit erstaunlich lange gelagerten Eiern. In eingeweihten Kreisen gelten diese Produkte durchweg als Delikatessen. Ist dieser Hang zu Dingen an der Grenze zur Unverzehrbarkeit irgendein Sportsgeist oder könnte uns eine naturgegebene, in irgendeiner Art für uns biologisch nütz­ liche Lust auf diese Sachen innewohnen? Gifte wirken natürlich antibiotisch, ähnlich wie Alkohol. Wenn wir b ­ itter

oder scharf essen, profitieren wir in jedem Fall von der antibiotischen Wirkung. Theoretisch gilt das auch für die Gammelprodukte. Es ist eine Gratwanderung: Die Frage ist, wen man eher abtötet – sich selbst oder irgendeinen Krankheitserreger. Also wissen wir, wenn wir uns zum ­Beispiel auf einen extrem aromatischen Käse stürzen, dass wir uns damit im anti­biotischen Sinne etwas Gutes tun? Ich glaube nicht, dass wir es in dem Moment wissen, wir machen es instinktiv wie beim Scharfessen ja auch. Wir haben gelernt, dass wir damit Krankheitserreger abwehren können. Wahrscheinlich ist es so, dass diese Sachen wie stark riechender Käse oder Schnaps erstmal einen gewissen Widerwillen erzeugen, da sie uns ja auch ein klein wenig schädigen. Es ist eine Art Abwägung, eine KostenNutzen-Rechnung, ob der Verzehr uns selbst mehr Schaden zufügen wird oder dem Krankheitserreger. Wir nehmen den Schaden in Kauf, wenn der positive Effekt vermeintlich größer ist. So kommt diese seltsame Ambivalenz zustande, dass ein Lebensmittel objektiv seltsam riecht, aber trotzdem und gerade deshalb eine ziemliche Anziehungskraft auf uns hat. Wenn wir dann zugreifen, hat unser Körper im Hintergrund bereits eine Art Kalkül angestellt, ob mit einundfünfzig Prozent Nutzen und neunundvierzig

Stets weit weg von menschlichen Behausungen: isländischer Grönlandhai

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Erzähltes Leben

Mikroorganismen - 3 Kilo davon bewohnen jeden menschlichen Körper

Woher nimmt es die Erfahrungswerte? Aus Ihrem eigenen Leben und den Erfahrungen von vorigen Generationen. Dadurch gibt es natürlich kulturelle Unterschiede, jemand, der in einer Käsekultur aufgewachsen ist, hat bestimmt eine ganz andere Hemmschwelle als jemand, der am Meer groß geworden ist und eine Fischkultur verinnerlicht hat. Wir erleben eine Gemeinschaftsproduktion mit freundlicher Unterstützung von unseren Vorfahren, Geschmackssinn, Geruchssinn, Sehsinn und Ratio? Genau, das Hirn verrechnet all die Daten. Geruch und Geschmack sind sehr wichtig, die Optik weniger. Am besten schmecken uns ja scheinbar die Sachen, die vorverdaut sind. Und die sehen in der Regel nicht wirklich lecker aus. Deswegen ist Lebensmittelfotografie auch ganz hohe Kunst. Eine GANZ hohe Kunst, und das liegt meines Erachtens daran, dass die Sachen, die gut schmecken, oft objektiv betrachtet furchterregend aussehen. Das fällt uns aber nicht auf, wenn wir ihnen gegenübersitzen. Der Fotograf fotografiert das alles genau so, wie wir es auch sehen, das ist jetzt nicht das Problem. Aber erleben tun wir das Essen anders. Denn in dem Moment, wo wir vor dem Teller sitzen, wird unser optischer Sinn zurückgedrängt, der hat dann keine große Bedeutung mehr. Er wird überlagert vom Geruchs- und Geschmackssinn, die schalten den optischen Sinn geradezu weg. Deswegen finden wir

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ein Gulasch toll, obwohl es im Grunde so fürchterlich aussieht, dass man es noch nicht mal fotografieren kann. Weil es doch tatsächlich aussieht wie schon mal gegessen. Aber wenn wir es vor der Nase haben, dann werten wir das Aussehen komplett anders. Welchen Sinn macht das Überlagern unseres Sehsinns in diesem Fall? Wir sollen uns bei der Entscheidung, ob wir die Nahrung zu uns nehmen oder nicht, nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lassen. Wir sollen riechen, fühlen, schmecken. In dem Moment, wo wir das Essen bereits vor Augen haben, sind es die verlässlicheren Sinne. Außerdem sieht das bekömmliche Essen sowieso nicht gut aus, und offenbar haben wir keine zweite Ästhetik dafür entwickelt. Das war scheinbar nicht nötig. Es hätte ja sein können, dass wir während der Evolution noch einen zweiten Ästhetiksinn entwickelt hätten, der uns sagt: Das Gulasch sieht zwar aus wie schon mal gegessen, aber auf seine Art und im Sinne der Bekömmlichkeit dann irgendwie doch ganz toll. Diesen Sinn haben wir nicht, deshalb muss die visuelle Ästhetik eben rigoros abgeschaltet werden, wenn wir vor dem Teller sitzen. Ich glaube, dass da sogar ein biologischer Anpassungsmechanismus dahintersteckt. Diejenigen unserer Vorfahren, die nicht in der Lage waren, den Sehsinn wegzuschalten und stattdessen Igitt geschrien haben, die hatten Nachteile und konnten sehr viele Sachen nicht essen. Deswegen wird in Restaurants auch so häufig das Licht gedimmt. Beim Sex ist es übrigens ganz genauso. Auch da wird das Visuelle irgendwann mehr oder weniger ausgeschaltet und an-

dere Sinne wie die der Tastsinn oder der Geschmacksinn werden wichtiger. Das Prinzip ist genau dasselbe. Deswegen machen viele Menschen beim Sex das Licht aus, die Augen zu und so weiter. Man macht praktisch dieselben Dinge, um sich zu helfen, den Sex zu genießen, wie beim Essen. Weil, wie Sie in einem anderen Gespräch gesagt haben, der Geschlechtsakt sehr schwer ästhetisierbar ist? Das soll ich gesagt haben? In einem Gespräch, das wir vor ein paar Monaten geführt haben und das in unserer Zeitschrift abgedruckt war. Jedenfalls ist es richtig. In beiden Fällen haben wir es mit einer eigentlich unästhetischen Sache beziehungsweise schwer ästhetisierbaren Sache zu tun. Wenn wir unsere Lebensmittel fermentieren, machen wir nichts anderes als die Kuh im Pansen, nur tun wir’s außerhalb des Körpers. Im Grunde sind wir auch so eine Art Wiederkäuer, nur machen wir den ersten Kaudurchgang im Topf. Das Leben ist, so scheint’s, ein großer Gärvorgang. Und es blubbert überall.  Professor THOMAS JUNKer lehrt Geschichte der Biowissenschaften an der Uni Tübingen und ist unter anderem Mitherausgeber von Charles Darwins Briefwechsel. Der Biologe und Pharmazeut lebt, schreibt und forscht in Frankfurt am Main www.thomas-junker-evolution.de

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Foto: Flickr/IProyecto/Agua Water Projekt, Privat

Prozent Schaden zu rechnen ist, oder ob es sich eher umgekehrt verhält. Diese unterbewusste Risikorechnung mit Erfahrungswerten stellt das Gehirn ja unser ganzes Leben bei fast jeder Handlung an.


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Getrunkene Flasche


brauerei meister zwickl-Bier hefetrüb Text: Dirk Müller  Foto: Andrea Thode

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berfranken besitzt mit zweihundertundeiner Brauereien die größte Brauereidichte der Welt, vierundsiebzig davon befinden sich in der Fränkischen Schweiz. Für einen großen Bierfan ist es hier also ein kleines Paradies. Meistens ist der Brauerei auch noch ein Restaurant angeschlossen, und so kann man herrlich in Biergärten herumlungern, fränkische Spezialitäten genießen und die unterschiedlichsten Biere dazu verkosten. Der beste Ort, um Urlaub zu machen, wenn es einem gelingt, die Kinder davon zu überzeugen. Aber da bin ich eigentlich ganz gut drin. Als wir in Brügge vor der Wahl Biermuseum oder Schokoladenmuseum standen konnte ich sie doch glatt dazu überreden, zuerst das Biermuseum aufzusuchen. Leider war nach unserem ausgiebigen Besuch dort das Schokoladenmuseum schon geschlossen. Sie sind von mir bereits einiges gewohnt. Ich erzählte ihnen also von den Vorzügen der Fränkischen Schweiz, wie gut man dort klettern und Rad fahren kann, von einer Sommerrodelbahn und Naturschwimmbädern, tollen lokalen Schokoladensorten und dachte dabei an Bier. Ich hatte die naheliegende Idee, mit den Kindern ein paar Fahrradtouren zu unternehmen und dabei Station bei der ein oder anderen kleinen Brauerei zu machen, um den Elektrolythaushalt wieder auszugleichen. Als Hamburger ist man dann aber doch immer wieder überrascht, wie lang und steil Berge sein können, erst recht wenn man sie mit dem Rad hochfährt und dabei seinen fünfjährigen Sohn schieben muss. Und Berge gibt es einige in der Fränkischen Schweiz, wahrscheinlich mehr als Brauereien. Spannend wurde es aber bergab, wenn mein Kleiner sein Zwanzig-Zoll-Rad auf vierzig Stundenkilometer beschleunigte und der Lenker bedenklich zu schlingern begann. Nachdem wir noch gar nicht so viele Kilometer, dafür aber schon zwei anständige Berge hinter uns gebracht hatten, war

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ich daher extrem erleichtert, als am Ortsausgang von Unterzaunsbach die Brauerei Meister ins Bild kam, sehr unscheinbar an der Hauptstraße gelegen. Der Name klang schon mal vielversprechend, und im Biergarten gab es sogar eine kleine Spielplatzecke inklusive Schaukel. Allerdings waren die Kinder erst einmal so fix und fertig, dass sie davon nichts wissen wollten. Hinter dem Haus, neben dem Garten, fließt die Trubach, aus der auch die Forellen gefischt werden, die man als Forelle blau, geräuchert oder gebacken bestellen kann. Neben den Fischen aus heimischem Gewässer bietet die Speisekarte bodenständige fränkische Kost. An Sonntagen al-

Das Schlimmste, was man ­einem Bier nachsagen kann, ist, dass es Durst macht lerdings gibt es Braten und natürlich auch Schäuferle. Wir waren ja aber nicht wegen des Essens hier, die Kinder wollten sowieso nur Pommes frites. Ich plante, hier die Bierspezialitäten zu probieren. Zur Auswahl standen ein Vollbier und ein Zwickl. Ich entschied mich für das Zwickl, weil ich naturtrübe unfiltrierte Biere liebe. Sie sind so schön süffig, und süffig war genau das, was ich jetzt brauchte. Auf den Tisch kam ein herrlich dunkelbernsteinfarbenes Bier. Ich könnte jetzt von Karamell­a romen, dem angenehmen Duft frischer Gräser, dem bitteren Oberton, den deutlichen Röstmalz-Spuren und dem milden, leicht süßen Geschmack schreiben, aber Bier muss ja vor allem laufen. An diesem Sommernachmittag konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit meinen Kindern hier zu sitzen und dieses Bier zu trinken. Moderne Biere schmecken ja gern mal nach Mango oder nach Zitrusfrüchten und sind vor allem extrem hopfig. Mir ist das meistens zu anstrengend und außerdem bekomme ich davon Durst, was eigentlich das Schlimmste ist, was man ei-

nem Bier nachsagen kann. In Unterzaunsbach hat man eine sehr genaue Vorstellung, wie Bier schmecken muss. Immerhin besteht die Brauerei seit 1865. Verantwortlich für das Bier ist der Braumeister Georg Meister, der nun schon in sechster Generation Bier braut. Das Malz bezieht er von der Klostermalz Wirth GmbH in Frauen­ aurach, der Hopfen kommt aus Spalt und der Hollertau. Das Bier kann man in Kästen am Brauhaus kaufen. Man bezahlt es erst in der Wirtsstube und bekommt es dann hinten aus dem Kühlraum herausgereicht. Neben dem genannten Vollbier und dem Zwickl gibt es saisonal noch ein Festbier, dass nur im November und Dezember gebraut wird. Ich geriet nun allerdings in eine kleine Zwick(l)mühle. Sollte ich versuchen, einen Kasten auf dem Fahrrad mit über die zwei Berge zu schleppen? Das hätte ich wahrscheinlich sogar geschafft, aber dann hätte ich meinen Sohn nicht mehr mit hochziehen können. Und obwohl man sich zu Hause über das leckere Bier sehr gefreut hätte, habe ich mich dann doch für meinen Sohn entschieden. Mein Plan, sämtliche kleineren fränkischen Brauereien mit dem Rad zu besuchen, ging dann leider nicht auf. Die nächsten Tage verbrachten wir im Kletterwald und auf der Minigolf bahn. Auf der Rückfahrt nach Hamburg hielten wir aber noch einmal in Unterzaunsbach und so kam ich doch noch zu meinen Kasten. Und das Schöne daran ist, dass ich irgendwann zurückkommen muss, um mir mein Pfand abzuholen.  Brauerei Meister Unterzaunsbach 8 91362 Pretzfeld www.meisterbräu.de

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Schneller Teller #4 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Geröstetes Milchbrötchen mit Heidelbeeren und Vanillejoghurt für 4 Personen Bei dieser Variante des »Armen Ritters«, geht ein fluffiges Milchbrötchen erst in Vanillejoghurt und Ei baden und bräunt dann in der Pfanne. Dazu gibt‘s heiße Heidelbeeren! 1 Glas Heidelbeeren (540 g EW) 1 TL Speisestärke 1 EL Zitronensaft 4 EL Zucker

2 Eier (M) 400 ml Vanillejoghurt 4 Milchbrötchen 4 EL Sonnenblumenöl 1 EL Puderzucker 1 EL grüne Pistazienkerne, gehackt 1. Die Heidelbeeren durch ein Sieb ­gießen, den Saft in einem Topf auffangen. Saft mit Speisestärke, Zitronensaft und 2 Esslöffel Zucker glattrühren. Unter Rühren aufkochen und dicklich einkochen. 2. Eier mit 4 Esslöffel Vanillejoghurt und 2 Esslöffel Zucker glattrühren. Milchbrötchen längs halbieren, die

Hälften darin baden. Öl in einer großen beschichteten Pfanne erhitzen, die Michbrötchenhälften darin bei mittlerer Hitze von jeder Seite 2–3 Minuten goldbraun braten. Auf Küchenpapier abtropfen lassen. 3. Heidelbeeren in den eingekochten Sud geben. Übrigen Vanillejoghurt auf Teller verteilen, die Brötchenhälften mit Heidelbeeren anrichten und mit Puderzucker und Pistazienkernen bestreut servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Was tut ein Mann, der mit der Bierkultur vor seiner Haustür nicht zufrieden ist? ­Beleidigt den Konsum einstellen? Wir haben einen Herrn besucht, für den diese Lösung nie und nimmer in Frage käme. Jens Hinrichs tritt die Flucht nach vorne an und braut das Bier seiner Träume auf der eigenen Terrasse Text & Fotos: Alexander Kasbohm

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üdlich der Elbe bedeutet für viele Hamburger eine angstvolle Reise in ein unbekanntes Land voller Gefahren. Dass der alte Arbeiterstadtteil Wilhelmsburg nur ein paar S-BahnStationen von der Reeperbahn entfernt liegt, ist da immer wieder überraschend. Doch inzwischen sind viele, vor allem jüngere Menschen dort hingezogen, und es scheint sich hier tatsächlich um ein recht gelungenes Beispiel für das zu handeln, was im Allgemeinen als Gentrifizierung bezeichnet wird. Alte und neue Bewohner kommen ganz gut miteinander klar, und eventuelle Vorurteile konnten auf beiden Seiten schnell abgebaut werden. In einer Sackgasse ohne nennenswerten Verkehr reihen sich Niedrigenergiehäuser mit Holzverkleidung. Hier wohnen vorwiegend junge Familien, mein Freund Patrick, den ich kenne, seit unsere Mütter zusammen bei der Schwangerschaftsgymnastik waren, wohnt hier mit Frau und Zwillingen. Schräg gegenüber wohnt Jens Hinrichs. Auch er hat eine Frau und zwei Kinder. Darüber hinaus hat er noch ein Brau-Kit, mit dem er in seiner Frei-

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zeit sein eigenes Bier braut. Es ist nach einem laschen Winteranfang plötzlich spürbar kalt geworden in Hamburg. Seit gestern pendeln die Temperaturen um minus zehn Grad. Es liegt Schnee auf den Wilhelmsburger Straßen, der Wind lässt Gesicht und Hände gefrieren und pfeift durch jedes Knopfloch. Ich bin etwas zu früh da und klingele noch bei Patrick, um Hallo zu sagen und zu sehen, wie Tillmann und Paula in den letzten Wochen gewachsen sind. Wie sich überraschenderweise herausstellt, sind sie jetzt bereits acht Jahre alt, es muss also doch mehr als nur ein paar Wochen sein, dass ich zuletzt hier war. Patrick bringt mich bei Jens vorbei. »Hier im Projekt ist es eh alles ganz entspannt. Eigentlich sind alle Türen immer offen. Sozusagen. Und die Kinder können hier auch herumlaufen, wie sie wollen.« Jens und seine Frau Christin sitzen mit den Kindern Cleo und Jannes in der Küche und essen Mittag. In den Tellern asiatische Nudelsuppe, auf dem Tisch eine große Flasche Fischsauce. Die Kinder werden offenbar früh an den fortge-

schrittenen Geschmack gewöhnt. »Immerhin essen sie Gemüse«, meint Patrick, der für seine Kinder die Pflanzenteile immer unter Fleisch verstecken muss. Die Schwiegermutter ist da, um sich ein wenig um Tochter Cleo zu kümmern, die sich gerade eine Lungenentzündung geholt hat. Von der Küche fällt der Blick auf die Terrasse, auf der schon ein großer, in eine gelbe Isomatte eingewickelter Bottich auf einer Gasflamme steht. Zugedeckt ist er mit einem großen braunen Kissen. »Alles zur besseren Isolation, damit die Temperatur möglichst konstant bleibt.« Etwa fünfunddreißig Liter Maische werden in dem Topf erwärmt. Maische ist erstmal nur geschrotetes Malz mit Wasser. Sie verströmt einen sehr charakteristischen Geruch, den jeder kennt, der mal in der Nähe einer Brauerei

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Was ist das liebste Spielzeug eines Mannes mit Hang zum Vergorenen? Sein Heim-Braukit. Auf dem Foto ist es gegen die winterliche Kälte geschützt

gewohnt hat. Aber Jens hat seine Nachbarn vorgewarnt. Seine Heimbrauausrüstung hat Jens zu seinem dreißigsten Geburtstag bekommen, das ist jetzt fast fünf Jahre her. »Ich habe mit Malzextraktbrauen angefangen. Das ist so die schnelle Nummer für den Einstieg. Mehr Spaß macht das mit richtigem Malz.« Die Grundausrüstung kostet etwa vierhundert Euro, die Rohstoffe für vierzig Liter Selbstgebrautes nochmal dreißig Euro. Jens zeigt unter die Treppe, die von der Küche in den Wohnbereich führt. »Da stehen mehrere Säcke mit verschiedenen Malzsorten. Der hier vorne ist für Pilsener, der andere ist Münchener Malz.« Das Malz bestimmt den Charakter des Bieres. Unter anderem. »Die erste grobe Unterscheidung ist zwischen unter­gärigem Bier und obergärigem. Pils und Märzen sind untergärig. Die gären bei niedrigen Temperaturen und die Hefe sammelt sich unten. Hefeweizen und Ales sind obergärig.« Neben dem Braugerät stehen Blumentöpfe auf der Balustrade, die Erde in Eisblöcken eingefroren. Bei der Terrassentür ein Kasten Club-Mate. »Letzte Nacht bin ich von explodierenden Flaschen aufgewacht. Ich hatte mich schon gefragt, ob das die Nacht wohl noch gut geht. Ging nicht.« Er schaut auf die Nachbarterrasse hinüber. »Da sieht es auch nicht besser aus.«

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Ein paar geplatzte Glasflaschen und PETFlaschen gefrorenen Mineralwassers. »Ich versuche heute zum ersten Mal ein unter­ gäriges Bier zu brauen. Das geht bei diesen Temperaturen ganz gut. Früher konnte man das nur machen, wenn es draußen kalt war. Das Märzen war das letzte Untergärige, das man vor dem Sommer herstellen konnte. Danach wurde es zu warm.« Patrick geht wieder zur Familie zurück. Es ist Sonntag und die Kinder wachsen offenbar schneller, als man gucken kann, da ist jede Sekunde wertvoll. Jens und ich bleiben dick eingepackt in der Kälte zurück. Jens ist im Norden Schleswig-Holsteins aufgewachsen, in der Nähe von Niebüll, also klassisches Pilsterritorium. »In der Kneipe trinke ich auch immer noch am liebsten Pils. Aber es gibt beim Bier so viele interessante Sachen zu entdecken. Wenn ich die Möglichkeit habe, was auszuprobieren, dann probiere ich es auch.« Jens schaut auf das Thermometer, das die Temperatur der Maische anzeigt. »Es gibt verschiedene Schritte beim Brauen. Zuerst das Einmaischen von Wasser und Malz bei fünfunddreißig bis vierzig Grad für etwa zehn Minuten. Dann kommt für etwa zehn bis zwanzig Minuten die Eiweißrast bei dreiundfünfzig Grad, da werden unerwünschte Proteine abgebaut. So geht die Temperatur nach und nach rauf. Ganz

wichtig ist dann die Maltoserast. Da wird die Stärke zu Zucker abgebaut. Das bestimmt dann letztlich den Alkoholgehalt, da sich der Zucker ja in Alkohol umwandelt.« Er schöpft etwas Maische in ein Schälchen und tropft Jod darauf. »Zwischendurch muss man ab und zu eine Jodprobe machen, um den Zuckergehalt zu überprüfen. Wie du siehst, bleibt das Jod braun. Wenn es lila würde, wäre zu viel Stärke drin. Jetzt heize ich auf zweiundsiebzig Grad rauf, zur Verzuckerungsrast. Dabei werden Stärkereste in nicht vergärbaren Zucker umgewandelt. Das beeinflusst am Ende die Süße und die Vollmundigkeit.« Jens holt sein iPad aus der Küche. »Hier, das wollte ich dir mal zeigen: Es gibt etliche Brau-Apps, mit denen kannst du zwischendurch immer wieder überprüfen, ob alles im Lot ist.« Ich schau ihm über die Schulter. »Ich habe mal den Stand eingegeben. Idealerweise sollten die ganzen Flächen grün sein. Diese eine hier ist gelb. Das Bier wird vermutlich etwas dunkler als geplant.« Er bringt den Rechner, auf dessen Display sich durch unseren Atem eine Schicht Reif gebildet hat, schnell wieder in die Küche. Für elektronische Geräte sind die Temperaturen alles andere als ideal. Auch der Akku meiner Kamera entlädt sich schneller, als ich fotografieren kann. Wir wärmen uns für ein paar Minuten in der Küche auf. Wenn das so weitergeht, müssen wir uns alle zu Cleo mit Lungenentzündung ins Zimmer legen und von Jens’ Schwiegermutter gesundpflegen lassen. »Es gibt beim Brauen die 666-Regel. Sechs Stunden Brauen, sechs Stunden Gären, sechs Wochen lagern. Es ist mir auch schon mal passiert, dass nach den sechs Wochen nichts mehr übrig war, weil ich zwischendurch immer den Reifungsfortschritt überprüft habe.« 666 lässt sich hervorragend merken, der Teufel hat ja schließlich das Bier gemacht, aber sklavisch daran halten sollte man sich auch nicht. Jeder Schritt ist dann fertig, wenn er fertig ist. »Das hier …«, Jens hält einen sehr großen Kochlöffel hoch, »ist ein Maische­ paddel. Damit rührt man zwischendurch um, damit die Temperatur gleichmäßig verteilt ist und nichts ansetzt. Manche bauen sich auch mit Scheibenwischermotoren eine Rührvorrichtung.« Das ist sicher prak-

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tischer, nimmt aber auch etwas von der Heimbrauromantik. Wir gehen zurück zum werdenden Bier, Jens paddelt in der Maische und ich versuche mich – erwartet vergeblich – an einer Zigarette zu wärmen. Am Garten vorbeispazierende Nachbarn grüßen Jens. Seine Erwiderung kondensiert zu Eiskristallen in der Luft. »Für den Zeitaufwand, den ich mit dem Brauen habe, könnte ich mir auch zweihundert Kisten Öttinger kaufen.« »Gleich kommt noch eine Rast, also die Maische bleibt auf einer Temperaturstufe. Aber erstmal noch eine Jodprobe … Oha! – Eingefroren …« Jens schüttelt die Jodflasche. »Ich wusste gar nicht, dass Jod einfrieren kann…« Er geht in die Küche, um das Jod aufzutauen. »Schau mal, jetzt wird das so orange. Es ist also kaum noch Stärke drin.« Jens kriecht unter den Kübel, um die Flamme zu regulieren. »Jetzt müssen wir noch bei achtundsiebzig Grad abmaischen. Da muss man schon relativ präzise sein. Ab achtzig Grad entstehen Gerbstoffe, die wir nicht haben wollen.«

Er stellt einen Plastikeimer auf den Terrassentisch. Unten in dem Eimer ein Metallsieb unter dem wiederum ein Schlauch herausführt. »Das hier ist der Läutereimer. Damit filtern wir den Treber, also die Spelze vom Malz, heraus, und unten läuft dann die sogenannte Speise raus. Den Treber kann man als Viehfutter verwenden oder zum Brotbacken. Das habe ich aber ­beides noch nicht gemacht. Ich werde nebenbei mal etwas Wasser anheizen, als Nachguss.« Der Nachguss ist heißes Wasser, das nachher über die Maische im Läutereimer gegossen wird, um alles herauszuholen, was raus soll. Jens stellt einen kleineren, mit einer kleinen Isomatte umwickelten Topf auf die Gasflamme und einen großen Eimer auf den Boden, in den er den Schlauch des Läutereimers legt. Er wuch-

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tet den riesigen Braubottich neben den Tisch und schöpft in dichte Dampfschwaden gehüllt die Maische in den Läuter­ eimer. In den Geruch der Maische mischt sich eine Note versengten Plastiks. »Mist, jetzt brennt’s!« Die um den kleinen Topf gewickelte Isomatte hat Feuer gefangen. Jens löscht mit etwas Nachgusswasser. »Man soll immer aufpassen, dass die Maische beim Läutern nicht trockenläuft, also immer genug Flüssigkeit da ist. Deshalb kippe ich jetzt auch langsam den Nachguss rein.« Nach einer Weile ist im oberen Eimer nur noch Treber, im unteren wunderbar bierfarbene Flüssigkeit. Jens schöpft etwas von der Speise ab. »Die lasse ich jetzt auf etwa zwanzig Grad herunterkühlen, um die Stammwürze zu messen. Daran kann man schon erkennen, wie hoch später der Alkoholgehalt sein wird. Ich nehme an, die Stammwürze wird so bei fünfzehn Prozent liegen.« Bei diesen Außentemperaturen kühlt die Speise recht schnell von den knapp achtzig Grad auf die gewünschten zwanzig herunter. Jens steckt die sogenannte Spindel, einen Glaskolben mit einer Skala, in den Messbehälter mit der Flüssigkeit, die jetzt schon nach Bier aussieht. Eine schöne warme Bernsteinfarbe. »Dreizehn bis vierzehn Prozent. Das wird dann ein Bier mit etwa 5,3 Prozent Alkohol ergeben. Man kann sagen, dass etwa ein Drittel der Stammwürze zu Alkohol vergoren wird.« »Bier ist ja eigentlich ein ungeheuer nuancenreiches Getränk. Beim Wein hast du Traube, Boden und Lage. Beim Bier gibt es irre viele Möglichkeiten, den Geschmack zu beeinflussen. Hopfen, Hefe, Malzsorten. Man kann auch beim Gären noch Hopfendolden in die Speise geben, dann hat man einen viel fruchtigeren Geschmack.« Das nennt man dann Trockenhopfen, eine Methode, die bei englischen Bitters oder Pale Ales angewendet wird. »Das deutsche Reinheitsgebot ist ja nicht nur ein Segen. In anderen Ländern gibt es ja eine Tradition von Frucht- und Kräuter­ bieren, die zum Teil sehr lecker sind. Es ist natürlich schön, wenn man sicher sein kann, dass keine chemischen Zusatzstoffe im Bier

sind. Aber das Reinheitsgebot verbaut auch viele Möglichkeiten.« Das sehe ich ein. Bierbrauen ist wie Kochen eigentlich ein großes Experimentierfeld. Ein Heimlabor zum Ausloten von Geschmacksmöglichkeiten. Man stellt sich im Prinzip laufend die Frage Was passiert eigentlich, wenn ich jetzt das mache? In England, das jahrzehntelang als Heimat des schlechten warmen Bieres galt, gibt es inzwischen viele kleine Brauereien, deren Biere es auch schon in die großen Supermarktketten geschafft haben. Auf den Etiketten wird der Geschmack beschrieben und angegeben, welche Hopfensorten auf welche Weise verwendet wurden. »In Deutschland gibt es eigentlich keine Bierkultur, sondern nur eine Saufkultur. Was ein bisschen Schade ist. Wenn man sieht, dass Öttinger und Warsteiner zu den meistverkauften Bieren gehören, dann ist klar, dass da noch ein ganz weiter Weg vor uns liegt. Deutschland war lange ganz vorne, ist aber seit Jahrhunderten auf einem Stand geblieben. In anderen Ländern tut sich zum Teil deutlich mehr.« Aber auch hier gibt es Zeichen einer Veränderung zum Besseren. Braufactum zum Beispiel, die Bier von engagierten Kleinstbrauereien vertreiben und ein stetiges Wachstum zu verzeichnen haben. Oder den Craftbeer Store. »Auch bei gutem Bier kann man, wie bei Wein, wahnsinnig viele Geschmacknoten feststellen. Von Schokolade über Grapefruit bis Banane.« Wir sind jetzt schon einigen Stunden am Brauen und trinken in der Küche einen weiteren Kaffee, um uns aufzuwärmen. Durch das Fenster sehen wir Patrick und Tom, einen weiteren Nachbarn, vor der Terrasse stehen und den Vorgang beobachten. Wir packen uns wieder warm ein und stellen uns zu ihnen. Tom hat selbst Erfahrung mit der Alkoholherstellung: »Ich mache ab und zu Obstweine. Wenn ich Obst bekomme.« Er wendet sich an Jens. »Wo willst du das Bier nachher lagern, bei diesen Temperaturen?« Jens überlegt. »Das ist untergäriges Bier und muss bei so etwa acht Grad lagern. Ich dachte vielleicht in der Garage?« Tom schüttelt den Kopf. »Hab ich grad gemessen. Bei mir ist da minus eins.« Bei acht Grad würde sich natürlich eigentlich ein Kühlschrank anbieten, aber wer hat schon einen Kühlschrank, in dem Platz für ei-

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erzähltes Leben

Hopfen in Pelletform. Die Rohstoffe für vierzig Liter selbstgebrautes Bier koste n zusammen circa dreißig Euro. Der Rest ist Heimarbeit. Hier gießt Jens seine eigene Maische geradezu liebevoll in den eigenen Läutereimer

nen Vierzig-Liter-Eimer ist? »Vielleicht in der Nähe vom Lüftungsschacht?« Jens denkt weiter nach. Patrick und Tom ziehen sich in die Wärme ihrer Häuser zurück. »Jetzt kommen wir zum Hopfenkochen. Und in diesem Fall heißt das wirklich kochen, also über hundert Grad. Dafür heize ich die Speise jetzt nochmal auf. Und dann kommt der Hopfen dazu. Ich nehme heute Hallertauer Hopfen, weil das so eine Art Münchener Helles werden soll. Sonst mag ich die amerikanischen Hopfensorten sehr gerne, die sind nuancenreicher und fruchtiger.« Jens schneidet eine Tüte Hallertauer Hopfenpellets auf und gibt den Inhalt in den großen Brau­kübel, der jetzt mit der Speise gefüllt wieder auf der Flamme steht. Langsam wird es dunkel auf der Terrasse, die nur noch aus der Küche beleuchtet wird, und es wird immer kälter. Wir halten uns in Bewegung, um nicht festzufrieren. Im Sommer muss das Vergnügen deutlich größer sein. Jens hat offenbar den

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gleichen Gedanken. »Im Sommer in meiner Datscha mache ich das eher so nebenbei«, sagt er und schaut in den frostigen Wilhelmsburger Abendhimmel. »Da jäte ich dann zwischendurch Unkraut oder mähe den Rasen. Oder gieße Blumen.« Er setzt die pelzige Kapuze seiner Winterjacke auf. »In der Eiseskälte ist das was anderes. Hat aber auch was.« Sagt er ohne große Überzeugungskraft. Die Speise kocht jetzt und Jens schüttet den Hopfen hinein und rührt. Wir setzen uns wieder in die Küche. »Weil wir ja von unserem Bier heute noch nichts probieren können, habe ich hier eins von einem sogenannten ›Gypsy Brewer‹, das ist ein Brauer ohne Brauerei, der herumreist und in verschiedenen Brauereien braut. Der heißt Mikkel Borg Bjergsø und kommt aus Kopenhagen.« Jens zeigt auf die Terrasse. »Wenn alles fertig gekocht ist, dann wird nochmal gefiltert.« Er holt ein gebogenes Kupferrohr aus der Ecke. »Dazu habe ich mir diese Vorrichtung gebaut. Das ist ein sogenannter Schwanenhals. Damit werden die letzten Feststoffe herausgefiltert.« So einen Schwanenhals kann man auch kaufen, aber Jens ist ein Bastler. »Danach lagere ich das Bier über Nacht in den Eimern, bevor die Hefe dazukommt und es in Flaschen abgefüllt wird. Ich denke, ich werde mal sehen, ob es bei dem Luftschacht geht.«

In diesem Moment klopft Nachbar Tom noch mal an der Tür. »Dachboden!«, sagt er nahtlos, als hätte er die ganze Zeit am Gespräch teilgenommen. »Ich hab da grad gemessen, bei mir auf dem Dachboden sind etwa zehn Grad.« Er winkt und ist auch schon wieder verschwunden. »Dachboden ist eine gute Idee«, meint Jens. »Das werde ich mal ausprobieren.« Für mich ist es wieder an der Zeit, auf die andere Seite der Elbe zu kommen, bevor die Züge an den Gleisen festfrieren. »Hier passiert heute nichts Wesentliches mehr. Über Nacht lagert das gute Zeug in Eimern, um auf Gärtemperatur herunterzukühlen, und danach wird es auf Flaschen abgefüllt. Die wesentliche Arbeit erledigt dann die Hefe, da gibt es nicht viel zu sehen.« Ich wickle mich in Schal und Mantel ein. »Wie gesagt«, meint Jens zum Abschied, »sechs Wochen dauert das jetzt noch. Und eine Flasche ist auf jeden Fall für dich reserviert.« Und während ich gegen die Kälte anfluchend zum Bahnhof gehe, denke ich darüber nach, was für Biere ich gerne brauen würde. Vielleicht habe ich ein neues Hobby gefunden.

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Gib mir

Biere

Der kleine Hunger kommt im Durchschnitt dreimal am Tag. Der große Durst ist da schon erheblich unberechenbarer, man sollte gewappnet sein. Und vorsichtshalber immer ein Bier im Kühlschrank haben. 5 sind natürlich besser

1. schneider weisse porter Bayern trifft England. Was nun? Elfmeterschießen? Oder doch lieber ein Bier? Das Zusammentreffen von spritzig frischem Weißbier und röstigmalzigem englischem Porter ging in diesem Fall jedenfalls dunkel aus. Und ziemlich lecker! Mit 7 % Alkohol und einer feinen Bittere ist die Porter Weisse ein prima Partner, wenn’s darum geht, ein Stück salzigen Speck oder eine Wurst zu verputzen. Der Fachhandel möchte circa 9 Euro für 750 ml

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2. crew republic Escalation

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Fotos: Hersteller, Andrea Thode

Wenn ein Bier den Namen Feier­abendbier verdient, dann das. Mit seinen 8,3 % Alkohol trägt es einen nämlich schon in der Mittagspause aus der Kurve. Wer deutliche (!) Hopfen­ noten schätzt, sollte gleich in eine Kiste investieren und sich ein paar Tage frei nehmen. Das Bier ist in jeder Hinsicht eine Hauptmahlzeit, zwischendurch eingeworfene Zündkerzen wären rausgeworfenes Geld. Um die 2,20 Euro für 33 cl, z. B. bei www.crewale.de

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3. Rotblondes ­ uckstein original d Das Reifen auf Buchenholz scheint dem Duckstein gutzutun. Die Farbe im Glas könnte man als Kupfer, hochglanzpoliert beschreiben, die Hopfen­ aromen sind zurückhaltend, die malzigen etwas lauter. Das verleiht dem Getränk, zusammen mit den fröhlichen 4,9 %, etwas, was man sich von jedem Bier wünscht: herrliche Süffigkeit, da sitzt wirklich jeder Schluck. 0,5 l circa 1,70 Euro

4. progusta 4

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Die Idee stammt aus dem 18. Jahr­hundert. Man brauchte Bier, das den Seeweg nach Indien übersteht, und braute Pale Ale: Mehr Stammwürze als sonst, mehr Hopfen als üblich. So wird auch das Progusta von Braufactum angesetzt und das ist gut so! Dunkel malzig und feinperlig macht es einfach Spaß. Die 0,75-Liter-Flasche mit 6,8 Volumenprozenten ruft danach, zu einem scharfen Curry geleert zu werden. Im Fachhandel für circa 10 Euro

5. zwickelbier von Ratsherrn Wer an einem Abend die gleiche Flasche Bier sechs- bis achtmal aus dem Kühlschrank holt und wieder reinstellt, hat entweder einen an der Waffel oder die 2-Liter-Zwickelflasche von Ratsherrn. Letzteres ist erstrebenswerter, das leicht naturtrübe, malzige und dezent gehopfte Bier mit 5,4 % Alkohol trinkt sich wie von selbst. Steht für rund 16 Euro im Fachgeschäft für große Flaschen

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Mensch

Billy Wagner, Sommelier der neuen Schule


Billy Wagner Der Überzeugungstäter Text & Foto: Vijay Sapre

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eboren wurde er 1981 in Mittweida bei Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz. Billy ist übrigens kein Spitzname, er heißt wirklich so. Seine Großeltern und Eltern waren schon Gastronomen, das Kind wächst in der Wirtschaft auf, wird, damit es was lernt, ins Internat geschickt, kehrt zurück und macht eine Lehre im Herzogspark in Herzogenaurach. Spätestens die Entscheidung für das kleine, aber hochkreative Nürnberger Res­ taurant Essigbrätlein, damals mit einem, heute mit zwei Sternen ausgezeichnet, als zweite Station zeugt von Ehrgeiz. Bei Andrée Köthe und Yves Ollech lernt er kulinarische Zusammenhänge zu verstehen und natürlich auch, wie der Wein, guter Wein, dazu passt. Danach geht es Zur Traube nach Grevenbroich, nach Köln ins Vintage und die nächste Station, das Monkey’s in Düsseldorf bedeutete zum ersten Mal: Verantwortung übernehmen, einen Laden prägen. 2008 ereilte ihn der Ruf nach Berlin, ins Rutz. »Pass auf«, sagte Carsten Schmidt, der Inhaber, »der Berliner kann ein schwieriger Gast sein!« Aber Billy weiß offensichtlich, wie er ihn zu nehmen hat, den Berliner. »Es gibt eigentlich wenig Konventionen in der Stadt«, sagt er, »man kann fast alles machen!« Und Billy macht da weiter, wo er in Düsseldorf aufgehört hat, beim eigenen Look und den eigenen Weinen. »Dem Billy konntest du nie was zum Anziehen kaufen«, hatte seine Mutter einmal gesagt, »der hat es nicht getragen, wenn er es nicht selbst ausgesucht hat.« »Ich bin schon eitel«, gibt er zu, »die Kleidung ist auch eine Art, sich selbst darzustellen.« Man braucht ein gewisses Selbstbewusstsein dafür: Die Schuhe gern mal ungeschnürt, eine blaue Fliege, die seitlich am Kragen hängt, ein Yves-Klein-blauer Hut. Die Weste ungesäumt, aus alten Stücken zusammengenäht. Billy ist nicht der

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Einzige, der sowas trägt, aber die anderen erzählen einem immer schnell, wo sie die Sachen gekauft haben (New York, Tokio) und wie viel Geld sie ausgegeben haben (sehr viel). Billy bekommt sie von einem Freund aus Nürnberg, der seinen Laden am Weinmarkt hat, direkt neben dem Essig­brätlein. Bei den Weinen ist es ähnlich. Die meisten hat er selbst ausgesucht; in der

Wer unbedingt Bordeaux ­trinken will, soll den Wein ­selber mitbringen Regel kennt er den Winzer persönlich. Verkauft wird nur, was ihm selbst gefällt. Das ist, meint er, keineswegs arrogant. Im Gegenteil: »Arrogant wäre, zu sagen, der Gast versteht das sowieso nicht.« Billy leistet Überzeugungsarbeit, kauft Weine, die keiner kennt, lässt probieren, lässt noch einmal probieren und hat höchstens zur Not dann doch noch das da, was sein Gast kennt und wo er sich sicher fühlt. Solange es kein Bordeaux ist, den soll man sich bitte (gegen faires Korkgeld) selber mitbringen. Die kompromisslose Haltung beeindruckte auch den Gault Millau, der dafür die Auszeichnung Weinkarte des Jahres 2014 vergab. Mit dem klassischen Berufsbild des Sommeliers hat das nicht mehr viel zu tun. Aber das Phänomen tritt zeitgleich noch in anderen gastronomischen Hochburgen auf, in den USA wurde der Begriff des Somm geprägt, der dabei ist, den Sommelier zu verdrängen: nicht still und zurückhaltend, sondern eher schrill, aber enorm kenntnisreich und ständig auf der Suche nach Neuem, Ungewöhnlichem. Nicht die Politikertypen, mit Fliege und Smoking. »Einen guten Wein zu finden«, erklärt Billy, »ist heutzutage gar kein Problem mehr. Selbst im Supermarkt bekommt man ein Mindestmaß an Qualität. Interessant ist, unver-

wechselbar zu sein, etwas zu bieten, an dem man sich auch reiben kann.« Im Rutz gelang das und es hätte gut so weitergehen können, mit Marco Müller und dem übrigen Team. Trotzdem hat Billy Wagner beschlossen, das Rutz zu verlassen, um sein eigenes Restaurant zu eröffnen. Er geht dieses Projekt so an, wie alles andere, mit vollem Einsatz. Es gibt die Idee, einen Koch aber bisher weder Investor noch Location. Die Suche danach und die Planung, das war etwas, das er nicht mehr nebenbei erledigen wollte, an den freien Tagen oder vor der Schicht. Nobelhart und Schmutzig – Eine Mahlzeit soll das Restaurant heißen, eine offene, in den Gastraum integrierte Küche soll es geben, und das Essen wird »brutal lokal« sein. Denn Berlin ist für Billy nicht nur die Stadt, in der man – anders als zum Beispiel in Paris – auch um vier Uhr morgens noch gut essen und um zwei Uhr Nachmittag tanzen gehen kann. Das kommt seiner Art zu Leben zwar entgegen, aber noch wichtiger ist ihm das Umland, wo es viele kleine, ambitionierte Betriebe gibt, die sehr hochwertige Produkte herstellen. »Es wird auch keine Karte geben«, erklärt er, »ich finde, man muss auch bereit sein, sich etwas empfehlen zu lassen. Das gilt nicht nur für den Gast, auch der Koch sollte sich vom Bauern sagen lassen, was gerade gut ist. Der weiß es doch am besten!« »Einhundertfünfzig Jahre lang war gute Gastronomie mit Anzug und Etikette verbunden, das ändert sich jetzt gerade. Jetzt kannst du auch in einem trashigen Ambiente geilen Wein, ein gutes Stück Fleisch oder Gemüse bekommen. Das ist auch viel näher am Gast, wer hat schon Bedienstete zu Hause oder Silberbesteck?«  Billy Wagner trifft man in Berlin. Nachmittags beim Tanzen und morgens um vier beim Essen

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Schneller Teller #5 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Muscheln in Wein mit geröstetem PaprikaFladenbrot für 4–6 Personen Kleine Vorschau auf kommende Sommertage am Meer: duftende Muscheln aus dem Weinsud, dazu knusprige Fladenbrotstreifen mit Ajvar und Olivenöl – unbedingt ein gut gekühltes Gläschen des Kochweins dazu servieren!

150 g Crème fraîche 1 Döschen Safran, gemahlen (0,1 g) Salz 1 kg Miesmuscheln 1 kg Venusmuscheln

1 Zwiebel 1–2 Knoblauchzehen 80 g Butter 150 ml trockener Weißwein 1 Fladenbrot 6 EL Ajvar 1 Bund Petersilie 6 EL Olivenöl 1. Crème fraîche mit Safran glattrühren und leicht salzen. Die Muscheln in kaltem Wasser waschen und die Bärte an den Muschelseiten abziehen. Geöffnete Muscheln, die sich auf Nachdruck nicht mehr schließen, wegwerfen. 2. Zwiebel in feine Streifen schneiden, Knoblauch durchpressen und in der Butter glasig dünsten. Wein

zugießen und offen 2 Minuten kochen. 150 ml Wasser zugeben, leicht salzen und wieder aufkochen. Die Muscheln hinein­geben und zugedeckt 8 Minuten kochend dämpfen. 3. Fladenbrot halbieren, die Hälften mit Ajvar bestreichen. Petersilie hacken und drüberstreuen. Mit Olivenöl beträufeln und im heißen Ofen unter dem Grill 2–4 Minuten rösten. Das Röstbrot längs in Streifen schneiden und mit der Safran-Crème-fraîche und den Muscheln servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Effilee #27  Winter 2013


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Fermentieren Peter Kubelka Billy wagner Deutschstunde: stint Pastrami in Berlin

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gegessener K채se


Schweiz Vacherin Mont-d’Or Text: Ursula Heinzelmann  Foto: Andrea Thode

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unkel erinnere ich mich noch an eine Zeit, als meine Großmutter ein Kleidungsstück trug, das sie Übergangsmantel nannte, als das Wegpacken der Winter- und Einräumen der Sommergarderobe ein tagesfüllender Programmpunkt im mütterlichen Haushaltsleben war und die Erlaubnis zum ersten Kniestrümpfe-Tag des Jahres ein einschneidender Moment in meiner Kinderwelt (der selten vor dem 1. Mai stattfand). Oder kurz gesagt: als Jahreszeiten noch einen deutlich spürbaren Einfluss aufs Alltagsleben hatten. Heute hängt die Daunenjacke zwölf Monate lang über den Flipflops und im Supermarkt gibt es ganzjährig Tomaten und Mandarinen. Trotzdem trage ich Strandlatschen und Winter­jacke selten gleichzeitig und freue mich über den ersten Grünkohl; Abwechslung macht das Leben bunt und hält die Sinne wach. Beim Käse lässt der Vacherin die winterliche Jahreszeitenfahne flattern, und damit meine ich nicht etwa den Vacherin Fribourgeois, einen relativ weichen Schweizer Schnittkäse, der zum Frühstück oder in Stresssituationen passt (sprich: Wenn frau weder genug Nerven noch Aufmerksamkeit für den Käse hat). Nein, hier ist die Rede von den runden Spanschachteln, in denen mich hellbraunrote Rinde in anmutigen Dackelfalten ab September beinahe vorwurfsvoll anschaut und ruft: Küss mich, ich bin dein Winterprinz, es ist höchste Zeit für einen Fondue-Quickie … Nun gut, das mit der schnellen Nummer bezieht sich eher auf die Vorbereitung, denn wenn wir erstmal dabei sind, dann vergessen wir die Zeit, bis die Reserven endgültig erschöpft sind. Ganz konkret: Wir reden von dem runden Käse aus dem Jura, eine Autostunde nordwestlich von Lausanne, der nach dem Goldberg, dem Mont d’Or benannt ist (und natürlich nach seinen Urheberinnen, den Kühen; merci Mesdames les vaches!). Er erweitert von September bis März das regionale Käseangebot, das in dieser Ecke vor allem aus Comté beziehungsweise

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Gruyère besteht. Das Jura-Gebirge gehört (und das schreibe ich jetzt auf die Gefahr hin, es mir mit Nationalisten von beiden Seiten der Staatsgrenzen zu verderben) wie die Nordschweizer/Allgäuer/Bregenzerwälder Bergkäsewelt zu den Regionen, in denen die nationalen Grenzen nebensächlich sind und die Landschaft viel entscheidender für die große kulturelle (Käse-) Klammer. Natürlich machen sich die politischen Verhältnisse gelegentlich bemerkbar (auf der Schweizer Seite muss die

Ein weißer Flaum ist ein Hinweis auf Lebenslust und beste Laune in der Käseschachtel Milch für den Vacherin thermisiert werden, auf der französischen muss sie unbehandelt sein), aber ansonsten wachsen die Fichten hier wie dort, unterbrochen von Bergweiden und einsamen Gehöften mit niedrig gezogenen Dächern. Die Fichten spielen für unseren Prinzen eine entscheidende Rolle, denn der vollfette, cremige Kerl würde ohne ihre Stütze schlichtweg die Grätsche machen. Da ist nicht nur die Schachtel aus Fichtenspan, sondern auch das Korsett aus Fichtenrinde – eine Art Käse-Barrique. Es wird ihm denn auch oft ein Fichtenharz-Aroma nachgesagt, wogegen ich aber entweder sinnesblind bin oder aber bis jetzt immer das Glück hatte, dass es ganz ins große Geschmacksbild integriert war, etwa so, wie man bei den besten Weinen, die im neuen Holzfass lagen, gar kein Holz schmeckt. Reife hilft dabei zweifellos, und die ist gegeben, wenn die Rinde bei Zimmertemperatur auf leichten Druck nachgibt – in Dackelfalten legt sie sich bereits vorher, weil die jungen Käse nach der vorgeschriebenen dreiwöchentlichen Reifezeit in etwas kleinere Schachteln verpackt werden. Ein weißer Flaum auf dem Hellrotbraun ist übrigens kein Grund zur Besorgnis, sondern ein Hinweis auf Lebenslust und beste Laune in der Käseschachtel. Die packe ich mitsamt Deckel für fünf-

zehn bis dreißig Minuten in den nicht zu heißen Ofen – für unseren Quickie soll der Prinz nicht backen, sondern nur flüssig werden. In dieser Zeit koche ich Pellkartoffeln (wenn es noch schneller gehen soll, schneide ich ein krustiges Landbrot auf) und mache ein paar bittere Salatblätter, am liebsten Endivien, mit einer kräftig senfigen Vinaigrette an. Dann endlich: Mit einem kleinen spitzen Messer schneide ich die Rinde von oben dicht am Rand ein und hebe sie wie einen Deckel mit einem flachen Löffel ab. Das Innere ist es, was mich anmacht, ganz leicht säuerlich, dickflüssig, und lange nicht so fädenziehend wie ein herkömmliches Fondue, also ohne das Asterix-Risiko von Peitschenhieben oder gar einem ungewollten Bad im See, zumal ich diese Käsewonne am liebsten auf die Kartoffeln auf meinem Teller löffele. Es gibt übrigens auch große, bis zu drei Kilo schwere Prinzen mit einem drittel Meter Durchmesser, die dann klassisch wie eine Torte aufgeschnitten werden, aber das macht nur halb so viel Spaß. Ein Wort der Warnung: Die jahreszeitliche Bindung dieses Quickies hat zwei Implikationen. Die Spanschachteln sind nicht nur ein Zeichen dafür, dass die Flipflops momentan nur beim Saunabesuch zum Einsatz kommen sollten, es empfiehlt sich anders herum auch dringend, einen wirklich kalten Tag abzuwarten und sich dann tatsächlich auch in denselben hinauszubegeben, bevor so ein Vacherin in seiner ganzen Schönheit auf den Tisch kommt. Frühlingsgefühle, erste Gedanken an den Strand und die Vorstellung seiner selbst im Badekostüm passen ganz und gar nicht zum Prinzen – der ist wärmendes, nährendes Winterfutter in seiner reinsten Form. Und braucht vielleicht gerade deshalb Weißwein, am liebsten aus dem nahen Arbois oder Waadtland. Wer total ausgehungert ist, der mache Rösti dazu – aber da sollte dann vielleicht tatsächlich die Flasche mit dem Kirschwasser bereitstehen für den erlösenden Schluck danach.

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Kochkunst

Peter Kubelka, der österreichische Künstler und Experimentalfilmer unterrichtete von 1978 bis 2000 an der Städelschule, Frankfurt am Main. Er war der Erste, der das Kochen an einer Kunsthochschule als Kunst gelehrt hat. 2012 wurde er dafür mit dem Eckart Witzigmann Preis geehrt Der vorliegende Text ist bei einem öffentlichen Vortrag und einem persönlichen Gespräch entstanden. In dem Vortrag arbeitete Kubelka nicht nur mit dem Wort, sondern ließ die Zuhörer die Parabel von der Mutter und den Himbeeren eindrucksvoll erschmecken Text: Vijay Sapre  Fotos: Andrea Thode

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Kochkunst

H

err Kubelka, was hat es mit den Himbeeren und dem Obers auf sich? Fangen wir so an: Ich benütze Kochen als Informationsmaterial über die Entwicklung der Menschheit generell. Wir leben in einer Welt, die niemand erklären kann. Ich auch nicht. Und wenn man wissen will, wo jemand herkommt, dann muss man zurückgehen. Ich habe versucht, immer weiter zurückzuschauen, um herauszufinden, was das ist, das Menschentier. Dass wir Menschen Tiere sind, darüber will ich heute nicht mehr reden, denn das ist eine absolute Selbstverständlichkeit. Wenn ich normalerweise, als Historiker, als Naturgeschichtler etwas darüber wissen will, wie früher die Menschen gelebt haben, wo gehe ich da hin? Ich gehe zur geschriebenen Literatur und lese zum Beispiel bei Herodot, wie die Welt damals war. Ganz früh, griechisch. Da bin ich aber erst ein paar hundert Jahre vor Christus. Ich kann noch weiter zurückgehen, aber etwa 3500 vor Christus hört das Schreiben auf. Wo gehe ich hin? Zur bildlichen Darstellung, zur Malerei. Da komme ich auf ein Alter von höchstens vierzigtausend Jahren, das sind die Höhlenmalereien. Dann gehe ich noch weiter zurück und befrage die Skulptur, das Dreidimensionale. Hier kann ich fühlen, was die Menschen über den Körper gedacht haben. Ich habe eine maßstabgetreue Reproduktion der Venus von Willendorf. Die ist so klein, dass man sie in der Hand halten kann. Die Plastiken wurden damals nicht nur mit dem Auge, sondern mit der Hand gelesen. Diese Skulptur teilt uns wirklich etwas mit, wie man früher eine Frau gesehen hat. Aber das ist sechsundzwanzigtausend Jahre her, was ist das schon? Dann können wir noch weiter zurück, zu den Werkzeugen aus der Steinzeit. Ich habe hier ein Objekt, das stammt aus der Dordogne, in Frankreich, wo sich die Höhlenmalereien befinden. Das ist, wenn man sehen kann, ein Mammut: die Hinterbeine, die Vorderbeine, der Vorderteil.

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Und zugleich ist es ein Werkzeug. Das war ein Fleischschaber, mit dem man vom Knochen das Fleisch abgeschabt hat. Das gehört zu diesen ganz frühen Skulpturen, die schon so geformt waren, dass die Assoziation möglich war. Die Menschen haben das dann nur noch ein bisschen verbessert und auch ein Werkzeug draus gemacht. Da kommen wir schon ziemlich weit zurück, nämlich auf ungefähr drei Millionen Jahre Steinwerkzeuggebrauch. Um noch weiter zurückzugehen, hilft uns die Genetik. Die hat neue Resultate gebracht, nämlich die Tatsache, dass die Menschen den kürzesten Verdauungstrakt haben von allen Säugetieren. Wesentlich kürzer. Und dass der vor 3,9 Millionen Jahren genetisch geworden ist durch eine bereits sehr lange andauernde Speisenbereitung, die außerhalb des Körpers stattfindet. Wir haben sozusagen die Verdauung ausgelagert, nach vorn, zum Beispiel in diese Schüssel. Die werden wir heute benützen. Ein ausgelagerter Magen, in dem vorgearbeitet wird und von dem die Arbeit des tatsächlichen Magens und des Mundes erledigt wird. Das Hauptelement, um vorzuverdauen und um etwas essbar zu machen, ist Hitze, Feuergebrauch. Die Archäologen haben bis jetzt gesagt, 700 000 vor Christus waren die ersten überlieferten Feuerstellen, also bewusster Feuergebrauch. Und das wandert jetzt nach hinten um 3,2 Millionen Jahre. Und wozu diente das Feuer? Um zu kochen – um zu essen! Das heißt, über diese Tätigkeit, über das Kochen, nicht über die Musik, nicht über die Malerei, nicht über die Sprache, können wir zurückschauen in eine Zeit, wo es interessant wird, wo die Prozesse, die später die Gesellschaft und die Technik und alles bestimmen, im Grunde schon ans Licht treten. Kochen heißt nicht nur erhitzen, kochen ist unser deutsches Wort für Speisenbereitung: Also zur richtigen Zeit in den Wald zu gehen und den Himbeerstrauch zu finden, gehört zum Kochen dazu, zur Speisenbereitung. Zum Beispiel in Afrika, wenn sie ein Tier

erlegen, zerschneiden sie es in kleine Stücke und spießen die auf Dornensträucher. Ich habe einen Dornenstrauch gesehen, im Sudan, der hat ausgeschaut wie ein Rosenstrauch, weil lauter kleine Fleischstückchen überall aufgespießt waren. Und die müssen in einem Tag getrocknet sein, sonst verfaulen sie. Und man muss einen Hirten dazusetzen, der die Geier verscheucht. Und das Kochen beinhaltet das Verscheuchen der Geier. Aber jetzt kommen erstmal die ­H imbeeren? Ja, Sie sollten sie übrigens tatsächlich gleich kosten. Das wird etwas anderes sein, als bloß das Visuelle. Nach alter Überlieferung haben wir fünf Sinne. Sehen, Hören, Riechen, Tasten, ­Schmecken. Wenn man künstlich ernährt wird, weil man nicht in Ruhe sterben darf, dann geht das an den Sinnen vorbei. Nach Sprachmathematik ist das Leben dann sinn-los! Sinnvoll ist nur, was über die Sinne geht. Und unsere Sinne haben eine Hierarchie, das ist ganz wichtig zu wissen, wenn man über die größte Misere der heutigen Restauration spricht, Kultur kann man schon kaum sagen, wenn man also über das neue Kochen redet – denn das legt den Hauptwert auf das Visuelle. Und das ist falsch! Eigentlich lebt unser ganzer komplexer Organismus nur für die Gedärme. Denn die vollziehen diese innige Vereinigung mit dem Universum, die uns weiterleben lässt. Versuchen wir mal ins Tatsächliche zu gehen, eben nicht nur sehen, hören und riechen, sondern tatsächlich berühren, essen! Es beginnt damit, dass meine Mutter meine Hand nimmt. Ich bin noch sehr klein, ich gebe ihr die Hand, und meine Mutter führt mich. Zielbewusst, ich weiß nicht, wohin. Ich gehe aber mit und habe ihr die Hand gegeben. Ohne Sprache. Sie sagt nicht: »Willst du?« – sie nimmt meine Hand. Und ich gebe ihr meine Hand und lasse mich führen. Das ist absolute Vor-

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steinzeit. Ich nenne das Weidezeit. Also eine Zeit, als noch keine Werkzeuge verwendet wurden, als es keinerlei Kleidung gab, wo die Menschen existiert haben wie andere noch heute lebende Tiere, wie Reh und Fuchs, die auch nicht mit dem Auto fahren oder fliegen. Das ist das Symbol für die Religion. Man gibt die Hand aufgrund von Vertrauen, Glauben und lässt sich führen von dieser Hand, dieser sprechenden Hand. Das ist das Wichtigste für unseren Aufstieg, wenn man das so nennen will: nicht das Gehirn, sondern die Hand. ­A lles wächst aus der Hand heraus. In Laetoli hat man elf Stapfen von Mutter und Kind gefunden, die sich in der vulkanischen Asche abgedrückt haben und durch Zufall gleich durch einen neuen Ausbruch aufgefüllt wurden und erhalten blieben. Die sind 3,6 Millionen Jahre alt. So alt ist diese Situation: Meine Mutter geht mit mir Himbeerpflücken. Ich geb der Mutti die Hand, weil sie mich ernährt hat. Aus ihrem Körper bin ich gekommen, ihre Milch habe ich getrunken. Nie hat sie mich enttäuscht, ich weiß, da muss ich mitgehen. Mit dieser Situation beginnt es. Wir tanzen also, ich an der Hand meiner Mutter. Und die Mutti – jetzt gehen wir ein paar Millionen Jahre nach vorn – und meine Mutter spricht. Sie sagt: »Jetzt geh mer ins Lindert, Himbeerbrocken!« Himbeeren kannte ich, das Wort. Jetzt bin ich voller Erwartung. Wir kommen hin und pünktlich sind die Himbeeren dort reif. Meine Mutter, noch immer nackt wie ich, eine Nomadin, weiß genau: Jetzt sind dort die Himbeeren reif. Und das ist ein Kochprozess! Speisenbereitung. Wenn man weiß, wo man hingeht, um Nahrung zu finden, das ist Kochen. Wir kommen zum Platz und dort ist der Himbeerstrauch. Sie bekommen jetzt eine Schüssel … Danke … … die ist vorläufig keine Schüssel, sondern ein Schauspieler. Die ist der

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Eine einzelne Himbeere, das kennt jeder Vogel. Das Erlebnis von vier ­Himbeeren auf einmal – das kann nur die hohle Hand liefern

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Diese Frauenstatue, die auch einen Löffel darstellt, gehört zu Kubelkas didaktischer Sammlung

Himbeerstrauch. Und ich bitte Sie dann, jetzt nicht die Himbeeren einfach aufzuessen, sondern aufzudecken, was dann geschieht. Ich werde an diesem Beispiel versuchen, einige Begriffe zu klären, die für mich ungeheuer überraschend waren, als ich das entdeckt habe. Ich fange jetzt mit meinem Schauspieler hier an, mit dem gespielten Himbeerstrauch und erkläre, was kommt: Die Mutti hat gesagt: »So, da sind die Himbeeren, pass gut auf, stich dich nicht und pflücke die Himbeeren!« Und der Himbeerstrauch ist bewehrt mit Stacheln, denn er will nicht gegessen werden. Man muss sozusagen das Wild erlegen, auch wenn es sich nicht bewegt. Auch die Himbeere muss man dem Himbeerstrauch wegnehmen. Er ist dornenbewehrt und feindlich. Denn er will nicht die Menschen und andere Tiere haben, die seine Beeren essen, er will Vögel haben. Meine Mutter kennt die Technik genau und zeigt mir, wie es geht: Man nähert sich, vermeidet, gekratzt zu werden. Man benützt jetzt die Hand, unser wichtigstes Werkzeug, und wir greifen eine Himbeere heraus und nehmen sie dem Strauch weg. Und wir führen sie zum Mund. Mit dieser Technik nähere ich mich dem Himbeerstrauch. Das dürfen Sie jetzt nachvollziehen: Sie dürfen eine Himbeere pflücken. Wie es ja gar nicht anders möglich ist mit zwei Fingern. Und essen! Mhmm … Wissenschaftlich gesehen ist Folgendes passiert: Wir haben aus dem Gesamten des Himbeerstrauchs eine Himbeere herausanalysiert. Wir haben den Himbeerstrauch getrennt in Überbleibsel und in Himbeeren, in das Nützliche. Das ist das Prinzip der Analyse. Auseinandernehmen. Wir haben ihn auseinandergenommen. Wir haben getrennt, was in der Natur nicht getrennt ist. Ein ungeheurer Akt. Zielsicher: greifen und nehmen. Mir als kleinem Buben hat das geschmeckt. Eine zweite Himbeere darf

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g­ eerntet werden. Mit den beiden Fingern. Jetzt fühle ich mich schon sicher, ich nehme die dritte Himbeere virtuos, führe sie in Richtung Mund und die Mutti sagt: »Halt! Nicht in den Mund stecken!« »Mach mal eine hohle Hand, mit der anderen Hand, und lege die Himbeere dort hinein!« Weil ich religiös an die Mutti glaube mach ich das. Ohne Debatte, ohne Zögern. Jetzt sind wir bei Freud, beim Unbehagen in der Kultur. Ich habe gearbeitet, ich habe Erfolg gehabt und ich darf ihn nicht genießen. Ich muss ihn zur Seite legen, und verstehe nicht, warum. Jetzt sagt die Mutti: »Nimm noch eine Himbeere!« Bitte, folgen Sie meiner Mutter! Zweite Himbeere. Zum Mund … »Nein! Nicht essen! Leg sie zur anderen!« Eine dritte Himbeere. »Nicht essen!« Das Unbehagen wächst. »Zur anderen legen!« Und – machen wir vier – »noch eine! In die Hand!« So. Und jetzt sagt die Mutti: »Jetzt darfst das Ganze haben. Jetzt steck das Ganze in den Mund. Bitte!« Und jetzt vergleichen Sie mal eine einzelne Himbeere mit diesem Erlebnis! Das ist das Prinzip der Verdichtung. Das Prinzip der Verdichtung, welches die Raketen in den Weltraum schickt, welches die Flugzeuge beschleunigt, die berühmten Erfinder, die Boeings und all die Leute. Wer hat ihnen das erfunden? Meine Mutter! In der Weidezeit hat sie das erfunden. Das ist die klassische Verdichtung, und zwar: Zeit wird verdichtet, wenn ich einen einzelne Himbeere esse, dauert das – eins, zwei, drei – drei Sekunden! Jetzt hab ich zwölf Sekunden Arbeit verdichtet auf diesen Vorgang. Und am Himbeerstrauch befinden sich die Himbeeren räumlich auseinander und ich hab sie in das Gefäß der hohlen Hand verdichtet. Den Geschmack von einer Himbeere, das kennt jeder Vogel. Aber vier Himbeeren auf einmal kann außer der hohlen Hand niemand liefern. Nun, in der frühen Weidezeit wäre es damit beendet gewesen und wir wären

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gesättigt nach Hause gegangen. Oder wir wären mit der ganzen Familie dorthin gegangen, hätten dort übernachtet, und alle hätten diese wunderbaren verdichteten Himbeeren essen können. Aber wir überspringen jetzt Millionen Jahre und unsere Familie ist sesshaft geworden. Inzwischen wurde die künstliche Raumbegrenzung erfunden, also das Gefäß. Was meine Hand fasste, macht jetzt ein Gerät, das ersetzt die hohle Hand. Und meine Mutter, statt in den Mund zu pflücken, statt in die hohle Hand zu pflücken, pflückte in das Gefäß. Und bringt jetzt dieses Gefäß mit den Himbeeren nach Hause. Hier ist der Schauplatz der Welt. Ein Tisch. Auf den stellt meine Mutter die Hälfte der jetzt kommenden Metapher. Sie überträgt aus dem Stall gemolkene Milch ebenfalls auf den Tisch, auf die Bühne, wo das Ganze passiert. Was ich in der Hand habe, die Schüssel, das ist wie gesagt der ausgelagerte Magen. Der gehört zum Menschen dazu. Der hat den Verdauungstrakt verkürzt. Und dieses Gefäß mit der Milch ist die Kuh. Es enthält natürlich Muttermilch. Muttermilch ist etwas, das normalerweise das Tageslicht nie erblickt. Das geht von der Mutter in den Leib des Kindes, ohne dass es jemand sieht. Die Menschen haben die Methode der Trennung erfunden. Sie trennen das Kind von der Mutter und spielen der Mutter durch Handbewegung, man nennt das Melken, ein erotisches Erlebnis vor, welches sonst vom Kalb kommt. Und die Mutter gibt die Milch. Jeder, der einmal gemolken hat, weiß, dass man nicht einfach draufdrücken kann und dann kommt Milch, sondern man muss vorher ein erotisches Erlebnis erzeugen für die Kuh, dann gibt sie die Milch. Meine Mutter verwendet für ihre Metapher verdichtete Milch, wir sagen Obers. Verdichtet, parallel zu den Himbeeren. Genauso verdichtet: Raum und Zeit. Wenn man normal Milch stehen lässt, braucht es einen Tag, dann steigt das Obers zur Höhe, nach oben, und wird einfach abgeschöpft. Das ist die verdichtete Muttermilch.

Jetzt geben wir also zwei Löffel Obers über die Himbeeren. Nicht essen, warten! Frustrieren! Darf ich? Noch nicht, bitte! Ganz wichtig: Das Essen spricht. Es ist ein mitteilendes Medium. Was spricht es? Was sagt das Medium? Das Medium sagt dem Koch, wer er ist. Und der Koch sagt dem Benützer des Mediums, dem Esser, wer er, der Koch, ist. Ich kann nur essen, was in meiner Macht ist. Dass ein Schweinderl sich nicht hinlegt und gegessen wird, das ist klar. Aber auch die Himbeere, wie man gesehen hat, kommt nicht von selber. Das heißt, wenn ich Himbeeren in meinem Gefäß habe, bin ich der Herr des Waldes. Meine Mutter: die Königin des Waldes! Wir sind nicht zweimal gegangen, einmal! Sie wusste, wohin, und das war ohne Verletzung, es war ganz einfach, sie hatte die Himbeeren. Und auf der anderen Seite ist meine Mutter die Königin der Wiesen mit den Kühen drauf, denen gibt sie Obdach und sie melkt sie. Diese zwei Bereiche artikuliert meine Mutter, indem sie nicht die ganzen Himbeeren im Wald aufisst und dann in den Stall geht und das Obers holt, sondern sie vereinigt es in einer gemeinsamen Metapher. Das heißt: Du bist, was du isst? Wer bin ich? Da gibt es ein gutes Beispiel, den römischen Kaiser Vitelius, im ersten Jahrhundert, 69 nach Christus. Vitelius hat ein Essen gegeben, für das er eine riesige silberne Schüssel hat treiben lassen, und dann hat er die römische Flotte in alle Richtungen ausgeschickt und die mussten zurückbringen: die Lebern von Fischen, Gehirne von Fasanen, von Pfauen, Flamingozungen und Innereien von Muränen, und das aus dem ganzen Einzugsbereich des römischen Reiches. Und diese Suppe kostete so viel wie ein Krieg, weil er die ganze Flotte dafür in Bewegung gesetzt hat. Ja? Also die Kosten für diese Suppe waren ungeheuer. Und die mussten das ja alles

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in Behältern frisch bringen, sodass das an einem Tag dann alles gekocht werden konnte, frisch. Warum? Ganz einfach: Niemand außer dem römischen Kaiser konnte so eine Suppe machen. Und er hat damit gezeigt, dass er der römische Kaiser ist. Das war seine Identitätskarte, die ihm letzten Endes den Kopf gekostet hat, weil es war auch der Beginn der Auflehnung gegen ihn. Erklären Sie den Begriff Metapher! Metapher heißt Transport auf griechisch: Meta – Trans, portare – phoréo, tragen. Der Christo-phorus ist der den Christus trägt. Also das Übertragen ist die halbe Metapher. Meine Mutter begann, diese Metapher zu konstruieren, indem sie die Himbeeren überträgt. In der Sprache gibt es eine Metapher: Rosenmund, das geht so: Man hat dieses unendliche große Dictionnaire im Kopf, und da ist alles Mögliche drinnen, da kann ich mir aussuchen und Begriffe nebeneinander betrachten: Mund und Rose, wenn ich die nebeneinander betrachte, dann kommt heraus: »Du hast einen Rosenmund.« Und wem das gesagt wird, der freut sich! Weil er die Metapher versteht. So. Jetzt bitte ich, diesen Bissen zu machen, und Sie werden lesen mit dem Mund. Denn der Mund liest die Speisen. Sie werden lesen, wer meine Mutter war. Das, was wir hier jetzt hatten, ist die polyphone Version, musikalisch gesprochen. Wir hatten zwei Elemente, die ihre Form völlig behalten haben. Erst im Mund werden sie zusammen gelesen. Und werden miteinander verglichen, sprechen sie die Metapher aus. Und sind aber immer noch im Mund erkennbar als einzelne Elemente. Der Mund ist großartig, er ist geschaffen, jede Spur zu lesen. Der Mund kann nicht nur die verschiedensten Geschmäcker getrennt zur Kenntnis nehmen, er kann auch die verschiedensten Formen getrennt zur Kenntnis nehmen. Ich nehme hier die Form der einzelnen Himbeere und die Form der verdichteten Milch zur ­Kenntnis.

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Jetzt kommt der nächste Schritt – jetzt werden wir homophon, wie man musikalisch sagen würde. Ich bitte Sie, die Himbeeren zu zergatschen und ein Naturereignis zu veranstalten, mit dem Zucker. Hier benutzen wir ein Element aus der Meteorologie und aus der Geologie. Wir lassen es schneien. Mit der Schwerkraft lassen wir den Staubzucker fallen. Das hat dann auch in die Sprache gefunden, indem man sagt, der Wald war überzuckert. Aber zuerst wurde der Zucker auf Himbeeren gestreut. Bevor jemand sagen konnte, der Wald ist überzuckert! Darf man schon essen? Wenn gezuckert ist, darf das gegessen werden. Jetzt ist nicht mehr die Himbeere in der Form als Himbeere zu erkennen, noch ist das Obers zu erkennen. Sondern jetzt haben wir ein Gesamtereignis. Süßes Himbeeroberspüree. Erklären Sie nochmal die Prinzipien, die dazu verwendet wurden. Vor der Verdichtung stand das Trennen der Himbeere vom Himbeerstrauch, philosophisch ausgedrückt: Analyse. Das Auseinanderlösen. Wir lösen Dinge, die in der Natur zusammen sind, und erfinden dadurch auch das Prinzip von Gut und Böse: Der stechende Himbeerstrauch ist böse und die Himbeere ist das Gute. Und ich löse das Gute vom Bösen. Und jetzt, um die Metapher herzustellen, kommt die Synthese: Syn heißt zusammen, thesis heißt stellen. Ich stelle wieder zusammen, aber ich stelle etwas zusammen, das in der Natur nicht vorkommt. Das ist meine persönliche Schöpfung. Und hier sind wir wieder bei der Religion. Ich behaupte, dass man das Bild des schaffenden Gottes vom kochenden Menschen abgezogen hat. Denn der schaffende Gott erschafft die Welt nach seinem Ebenbild, nach seiner Vorstellung, er hat die Elemente zur Verfügung, Zeit und Raum. Und das macht alles der Koch in seinem kleinen Bereich: Er setzt neu zusammen. Da sind wir bei

der ­Poesie, Poesie ist ja Schöpfung, ist zusammenstellen. Sie sagen, Ihre Mutter ist die Herrin des Waldes und der Wiese. Wessen Herr bin ich denn, wenn ich heutzutage in den Supermarkt gehe, um meine Nahrung einzukaufen? Die Menschen sind ja zu einem hohen Grad Jäger und Sammler geblieben. Wir erlegen unsere Nahrung nicht mehr direkt mit Pfeil oder Gewehr oder mit der Hand – in meiner Jugend haben wir noch mit der Hand Fische gefangen, im Bach, von hinten mit der Hand in die Kiemen gefahren –, aber das kennen wir heute nicht mehr. Das hat sich gewandelt, wir jagen mit der Waffe Geld. Geld ist ja etwas Faszinierendes. Denn es ist wirklich wie ein Wunder, das sind papierene Zettel, die bewirken etwas. In diesen Zetteln ist Energie eingespeichert, die durch das Erkennen, durch das Lesen ausgelöst wird. Wenn ich jemandem einen HundertEuro-Schein gebe, dann entfache ich für hundert Euro Energie. Aber wenn’s wer nicht lesen kann, entfache ich gar nichts. Und mit dieser Waffe bezahle ich. Im Nachhinein mache ich die Energie möglich, die zum Erlegen des Fleisches oder der Beeren und zum Transport und allem benötigt wird. Mit dieser meiner Waffe, dem Geld, setze ich das in Bewegung. Der Supermarkt, der alles hat, was die Welt bietet, zu jeder Jahreszeit, ist ja wie ein künstliches Paradies angelegt. Die Jahreszeiten sind abgeschafft. Man wird auf der einen Seite immer reicher, indem man alles hat, andererseits aber ärmer, denn das, was man immer haben kann, hat nicht die Qualität dessen, was die Natur zu kurzen Zeiten selber bietet, zu den Reifezeiten. Eine Banane in Afrika zu essen, die normal gereift ist, das hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit den Bananen, die ich das ganze Jahr hindurch im Supermarkt erhalte. Das heißt, es ist zwar ein ewiges Paradies, aber eine langweilige Ewigkeit. Nun habe ich schon eine gewisse Möglichkeit, mit den Dingen aus dem

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lt Besonders wohl füh in h nsc sich der Me seiner Küche

Himbeersträucher, Werkzeuge und Skulpturen sHier wird nicht gege t. lär erk d wir r hie , sen mmi Das Steak ist aus Gu

Die Sammlung und der Alltag gehen ineinander über


kochkunst

Supermarkt meine Metaphern zu bauen. Aber die wirklich kostbaren Metaphern beruhen auf dem Aufspüren von Rohmaterial, welches noch dem entspricht, was es eigentlich ist, und wie es in der Natur gewachsen ist. Haben Sie ein Beispiel? Ich hatte in Frankfurt einen Kollegen, einen Professor, der hatte eine alte Bahnstation erworben und dort Kartoffeln angebaut. Und das kostbarste Geschenk für mich war, wenn er mir einen Sack Kartoffeln an die Tür gehängt hat, die er sozusagen mit der Hand gezogen hat. Gute Kartoffeln können durch nichts übertroffen werden. Die sind so, wie sie waren, als sie aus Südamerika kamen. Ludwig XIV. hat die allein aufgegessen und nicht einmal seinen Adeligen davon gegeben, weil sie so großartig waren. Oder ein anderer Freund aus Neapel, der schickt mir Knoblauch oder Pfefferoni, das ist durch nichts zu übertreffen. Und wenn man diese Dinge hat, wie bereitet man die zu? Man macht so wenig als irgend möglich! Das heißt, je schlechter die Ausgangsmaterialien, desto mehr muss man sie durch künstlerische Kombinationen, Kombinatorik essbar machen. Mit wirklich ausgezeichnetem Material komplexe Metaphern zu erfinden, ist ein völliger Blödsinn. Das ist aber genau das, was in der ­Gourmetküche passiert? Genau, das passiert und ich bin aber ganz dagegen und freiwillig ess ich das Zeug nicht. Ich nenn das Bemmerlküche oder Batzerlküche – das sind Collagen, die sich übrigens auch durch die Tatsache auszeichnen, dass sie trocken sind. Sie sind wie Bausteine und sie sind nicht ­vereinigt durch eine Sauce, die das Ganze bindet. Außerdem lassen sie nicht zu, dass man sich an einem wirklich guten Ding ergötzt, weil es immer nur ein kleiner Bissen ist, und dann kommen diese anderen Schmuckbeigaben, die vielleicht auch gut sein mögen, aber zu wenig.

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Für mich ist diese Art Küche eine Frustration. Ich genieße das überhaupt nicht. Wenn es ganz ausgezeichnet ist, wenn es wirklich großartig ist, dann geht es an, so ab und zu mal. Aber das meiste ist nicht großartig. Erstens einmal folgt es diesen idiotischen Moden wie Fettlosigkeit. Wenn es zum Fleisch kommt, da gibt es heute nur mehr Lungenbraten. Also Filet. Schweinsfilet, Rindsfilet, Kalbsfilet oder vielleicht Fischfilet und sonst nichts. Alles andere wird sozusagen weggeschmissen, gehört nicht mehr zur Welt dazu und das ist natürlich stinkfad. Dann kommen diese anderen Modeattribute wie: Der Reis muss Basmati sein, oder noch schlimmer der Balsamicoessig: ein Fluch der Küche, der alles kaputt macht! Dieser weltweite Balsamico, der hat halt diesen gewissen süßlichen Geschmack, den man dann plötzlich überall haben muss. Der alles einfärbt, das ist schrecklich. Wenn man heute in die Nobelsupermärkte geht, wie hier beim Meinl oder in Berlin das Kaufhaus des Westens, dann findet man dreißig verschiedene Sorten Balsamico und keine einzige von einem normalen guten sechsprozentigen Weinessig. Wenn man Glück hat, in irgendeinem Regal für Minderwertiges versteckt. Und diese Moden werden auch bedient durch die Haubenküche. Weil die Leute sagen, ich ess kein Fett, und dann müssen diese exotischen Verzierungen her. Aber die Menschheit war immer verwirrt. Auch wenn man zurückschaut in der Geschichte, wird die Menschheit nicht gesünder. Nicht geistig gesünder. Die Menschen waren immer verrückt. Es sind ja auch schon die Primaten sehr verrückt. Dagegen die Kühe, das sind ernsthafte Leute. Sie waren an der Kunsthochschule in Frankfurt, in der Städelschule, als Professor und Rektor und haben dort das Kochen als Unterrichtsfach eingeführt. Wie haben Ihre Kollegen und die Studenten damals darauf reagiert? In die Städelschule bin ich 1978 gekommen. Die suchten jemand, der alles

unterrichtet, Film und Video. Es gab dort einen Wettbewerb, da habe ich mitgetan und habe gewonnen. Ich habe aber gesagt, ich unterrichte nur Film, nicht Video, das ist ein anderes Medium. Dann haben sie gesagt, gut, machst halt Film. Das Kochen ist eigentlich gereift in der Zeit, in der ich in Amerika war von 1966 bis 1978. In den zwölf Jahren habe ich dort unterrichtet und habe dabei von der Filmtheorie zur Kunsttheorie erweitert und dann zur allgemeinen Kulturtheorie und dann sozusagen zur Theorie zur Weltbetrachtung. Und da ist das Kochen schon gekommen. Vorher sah ich mich als Filmmacher. Ich habe mit siebzehn Jahren begonnen, Filmmacher zu sein, und habe mich fünfzehn Jahre lang ausschließlich auf Film konzentriert. Und in Amerika habe ich sehr viel theoretisch gearbeitet und mich autodidaktisch erzogen. Dabei bin ich schon darauf gekommen, dass Kochen eine Kunstgattung ist, und dem bin ich weiter nachgegangen. Ich habe mich dann bewusst ent­ spezialisiert. Vom Filmmacher zu einem Menschen, einem ganzen Menschen. Das wollte ich wieder sein, so wie das in der Frühzeit der Menschheit jeder war. Jeder war Dichter, jeder war Bildhauer. Er hat halt essbare Skulpturen gemacht, was ja die normale Skulptur ist. Das, was ich hier habe, auf meinem Löffel, das ist eine Skulptur. Und sie ist essbar. In dieser Zeit waren alle Skulpturen essbar. Jeder Braten ist eine Skulptur. Dann erst kam die nicht essbare Skulptur. Die gilt heute als selbstverständlich, und wenn man eine essbare Skulptur präsentiert, wie einen Leberknödel oder einen Braten, dann erweckt das Erstaunen oder Ironie. Und von der nicht essbaren Skulptur, die noch begreifbar war, ging es zur Malerei, die man gar nicht mehr begreifen kann und darf, weil dann geht sie kaputt. Die Malerei ist flach, sie bedient nur das Auge. Dabei ist das Betasten ein wesentliches Merkmal zur Kenntnisnahme der Welt. Das Erste ist das Abschlecken, die Welterschleckung. Wenn Sie sich in meinem Raum hier umschauen, werden Sie

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nichts finden, keinen Gegenstand, von dem Sie nicht wissen, wie der schmeckt! Sie wissen genau, wie das Holz vom Tisch schmecken würde. Sie wissen, wie das Papier schmeckt, Sie wissen, wie das Porzellan schmeckt. Sie wissen nur nicht mehr, wann Sie es gekostet haben. Sie haben es aber gekostet. Das ist der Beruf der Kinder: Sie schlecken eben alles ab! Die Mutter sagt dann: Gib das aus dem Mund! Und das ist falsch, denn das Kind muss das tun, um die Welt kennenzulernen. So lernen wir die Welt kennen und können uns später auf das Augenbild verlassen Aber zunächst müssen wir es erschlecken. Wo sind wir jetzt abgeschweift? Von der Städelschule, wie Sie das Kochen als Unterrichtsfach eingeführt haben. Ja, ich wollte das Kochen aufnehmen in den Unterricht einer Hochschule. Ich wollte Kochen als Kunst, als Medium, als voll anerkanntes Medium haben und habe gesagt, ich möchte meine Klasse umbenennen in Film und Kochen. 1978 kam ich hin als Lehrbeauftragter, erst 1980 wurde ich Professor. Bei meiner Antrittsvorlesung habe ich nicht Film gezeigt, sondern gekocht. Für zweihundertfünfzig Leute auf kleinen Öfen, das war ein Abenteuer … Was hat es gegeben? Es gab Panadelsuppe, das ist eine Selchsuppe mit Brot, Ei und Rahm. Ein Gericht ist mir sauer geworden, eine Blanquette de Veau, die hatte be­ gonnen zu gären, da war ich furchtbar unglücklich. Ich wusste damals noch nicht so genau, dass es beginnt zu gären, wenn man so große Mengen in einem Topf hat und gewisse Dinge drinnen sind und man lässt es über Nacht in einem lauwarmen Raum. Aber es gab noch ­genug anderes. Ich hatte dem Rektor gesagt, ich will meinen Lehrstuhl umändern und Kochen unterrichten als künstlerisches Fach. Und alle waren dagegen.

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Auch die Studenten? Auch die Studenten waren dagegen! Die Studenten haben gesagt: Wir haben Raummangel und da würde ein Maler­ atelier verloren gehen und das geht nicht. Und dann habe ich einfach angefangen zu kochen. Und habe die Leute, die ich mit meinen Worten nicht überzeugen konnte, mit dem Kochen überzeugt. Ich habe sie, wie man bei uns sagt, eingebraten, eingekocht. So habe ich es durchgebracht im Rat, mit den Stimmen auch der Studenten. Sie haben es gegessen. Die Städelschule war ständig in Geldschwierigkeiten und hatte mit der Stadt zu kämpfen. Und der damalige Rektor, das war Reimer Jochims, der hat gesagt, wir machen eine Veranstaltung, da laden wir wichtige Leute ein von der Stadt und versuchen da, Goodwill zu machen. Er hat dann Leute eingeladen, und ich habe mit meinen Studenten gekocht. Da kamen Studenten aus allen Sparten, Grafiker, Bildhauer, Maler und meine Filmstudenten und haben als Team zusammengearbeitet. Wir haben gemeinsam gekocht und dann auch serviert. Jeder, der mitgearbeitet hat beim Kochen, war für alles verantwortlich. Wenn einer gesehen hat, da fehlt was, dann musste er das bereinigen, auch wenn er grad woanders war, es gab keine Spezialisten. Jeder war für alles verantwortlich, was er sieht. Es war eine unglaublich gute Gemeinschaft. Das kann man auch in der heutigen Hochküche noch sehen. Bei der Verleihung des Eckart Witzigmann Preises gab es anschließend ein großes Essen und das hat mich sehr beeindruckt. Die Teams, die servieren, und die Köche, das ist eine wunderbare Maschine, ein Organismus, da ist es eine Freude, zuzuschauen. Da ist sie noch da, diese Kochgemeinschaft. In der Küche kann man nicht eigen­ brötlerisch irgendetwas tun. Jeder muss zur Seite springen, wenn einer kommt, der was trägt. Die Speise diktiert den Ablauf. Wenn die Speise Präsenz braucht, muss man da sein, da kann man nicht sagen, ich komm gleich.

Alles das hab ich auch in der Städelschule verwertet. Bei dieser Veranstaltung haben wir die Leute wie in einem Gasthaus bedient, und das hat genauso geklappt wie bei den Profis. Und zusätzlich habe ich das erklärt, so ähnlich, wie ich es jetzt bei Ihnen mache. Ein Gast war da, so ein bisschen glatzköpfig, und der hat sich für alles sehr interessiert und immer wieder nachgefragt. Und ich habe ihm geduldig alles erklärt. Und dann sind wir später mit dem Rektor zu einer Besprechung gegangen, über das neue Budget und so, und wir kommen da hinein und dann sitzt dieser glatzige Mann dort und das war der Kämmerer. Von dem Tag an hatten wir keine Finanzschwierigkeiten mehr gehabt. Der hat gesagt, also ich war bei Ihnen und ich habe jetzt verstanden, dass das, was da vor sich geht, wirklich notwendig ist und Hand und Fuß hat. Solange er Kämmerer war, ging es der Städelschule gut. Ich habe mit Kochen Dinge erreicht, die ich mit verbaler Überzeugungskraft nie erreicht hätte. Und das ist auch klar, weil es tiefer geht. Das Kochen geht ins Innerste. Sie sagen, das Kochen ist eine Kunstform. Dann stellt sich auch die Frage, wo steht diese Kunstform heute? Jede Kunstform entwickelt sich ja weiter … Natürlich. Ich meine, die Kunst als solche ist heute in einer tiefen Krise. Woran liegt das? Ich habe in Amerika miterlebt, wie alle Leute eingestuft wurden, nach dem, was sie verdienen. Das war eisern. Ob man fünfzigtausend oder hundert­ tausend oder dreihunderttausend verdient, das hat die Gesellschaft geprägt. Und die einzige Art, das zu umgehen, war, wenn man Künstler war. Als Künstler war man überall hochgeschätzt und war gesellschaftlich sozusagen außerhalb der Wertung. Das hatte zur Folge, dass jeder Künstler werden wollte. Der typische Fall war dann, wenn man Taxi gefahren ist, dann hat der Taxifahrer

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gesagt: »Well, I’m driving a cab but I’m a painter.« Oder: »Well, I’m driving a cab but I’m a poet.« Die Leute hatten dann zwei Berufe, aber der eine, das war nicht wie er eingestuft werden wollte, sondern das war sein Broterwerb. Aber wirklich war er das und das. Und dann gab es plötzlich eine Million Künstler. Weil man das Gefühl hat, man gehört zur Masse der Menschen dazu und man ist nicht etwas Besonderes. Wie wird man etwas Besonderes? Und dann wird man Künstler. Und dann heißt es: »Ja, originell muss man sein!« Man muss etwas machen, wo man gleich weiß: Aha, das ist der. Und dazu gehört, dass man etwas macht, was noch niemand gemacht hat. Aber das ist nicht Kunst. Verstehen Sie, das ist das Zerrbild, zu dem die Kunst geworden ist. Das hat zur Vertausendfachung der Künstler geführt. Zur Verhundertfachung der Anzahl der Galerien. Wie ich nach Wien kam in den Fünfzigerjahren, gab es in der Stadt drei Galerien. Jetzt gibt es dreihundert. Und es gab vielleicht dreihundert Künstler und jetzt gibt es dreißigtausend. Und es ist nun nicht so, dass alle schlecht sind. Aber es sind auch nicht mehr gute dabei als damals. Aber die anderen bestimmen den Betrieb. Die bildende Kunst ist meiner Ansicht nach in einer großen Krise, sie wurde zu einer Art Dekoration. Das besonders Schlimme ist dieses Streben nach Originalität. Und das wird auch in den Kunstakademien jetzt gelehrt. Noch zu meiner Zeit, gegen meinen Protest, wurde das Handzeichnen abgeschafft. Und das ist ein Weg in die Oberflächlichkeit. Weil das Zeichnen lehrt eben das Sehen. Und wenn man sagt, das braucht man nicht mehr, dann stimmt etwas nicht. Ich sehe diesen Begriff Kunst in einer Ahnenreihe, in der stehen in der Steinzeit die weisen Männer oder Frauen, später dann die Propheten, in der biblischen Zeit. Das waren Leute, die sensibel waren, das waren Mahner, die sagten, so wie ihr das macht, so geht das nicht weiter, ihr müsst das anders machen. Die mussten dafür auch oft ihr Leben lassen.

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Das waren die Vorläufer der Künstler. Und aus der Kunst entstand die Philosophie und auch die Politik. Wenn man weit genug zurückgeht, verschmilzt Politik und Kunst. Das heißt, ein wirklicher Künstler ist jemand, der mit dem Status quo der Welt nicht zufrieden ist und der nach bestem Wissen und Gewissen versucht, einen besseren Weg aufzuzeigen. Das ist ein Künstler. Die Maler haben die Menschheit das Sehen gelehrt. Das Sehen lernt man nicht vom Hinschauen. Das Sehen muss man erlernen. Von Leuten, die das schon sehen, was ich noch nicht sehe. Ich hatte in meiner Kindheit ein Erlebnis mit dem Onkel Bruno. Onkel Bruno war Uhrmacher und Fotograf. Er war leidenschaftlicher Tierfotograf und ging immer in die Donauauen, um Tiere zu fotografieren. Da hat er mich einmal mitgenommen. Und ich bin mit ihm gegangen in die Auen. Und ich wusste, er fotografiert die Vögel. Und dann hat er gesagt: »Schau her, siehst, da sitzt a Hobe oben!« Habicht, ja? »Da sitzt a Hobe.« Nichts habe ich gesehen, was sitzt da? »Ja, da!« – seh ich nicht! – »Schau, geh da, schau noch einmal, noch einmal, da!« Dann sah ich den Vogel. Und wie der Spaziergang fertig war, da hatte ich ein Dutzend Vögel gesehen, die ich vorher nicht sah. Denn ich wusste nicht, wo ich hin­ schauen soll. Er hat jeden gesehen. Und diese Funktion, das Augenöffnen, das Sehen lehren von Dingen, die da sind, aber man sieht sie nicht, das macht die Kunst. Das hat die Malerei für die Augen getan. Und die Musik für die Ohren. Die Kunst ist der Versuch, die Welt besser zu machen, mehr zu sehen, als vorher sichtbar war. Und da ist natürlich das Essen und das Kochen voll gerechtfertigt. Denn ich arbeite mit dem essbaren Teil, mit den essbaren Dingen der Welt und die sind für unsere Tiergattung das Wichtigste. Wir sind nicht auf der Welt zur ­Unterhaltung. Wir wollen essen! Wir müssen essen! Die Menschheit war immer auf der Suche nach der essbaren Welt.

Das sind aber Dinge, die es auch in der avancierten Küche heutzutage gibt. Wenn man ins Noma geht, kommt man auch heraus und hat Dinge gelernt, die man vorher so noch nicht wusste. Weil das ja auch ganz reduziert ist und ganz aufs Wesentliche zurückführt. Wichtig ist mir, dass ich das keinesfalls in Bausch und Bogen verurteile oder sage, das kann nicht gut sein. Da gibt es ganz Großartiges. Zum Beispiel bei der diesjährigen Verleihung des Eckart Witzigmann Preises, da gab es am Schluss eine Nachspeise von einem deutschen Koch, das war großartig. (Buchweizen Pudding, Umeboshi-Pflaume, Schokolade von Andreas Vorbusch, d. Red.) Es hat wohl toll ausgeschaut, aber es war auch eine Speise für Mund und Magen und Kopf. Leider sind dies Ausnahmen. Wenn ich einen Schweinslungenbraten so sehe, als so ein Batzerl, und das Drumherum, dann hab ich genug davon. Das will ich nicht mehr sehen, ich mag keinen Lungenbraten mehr sehen. Und außerdem, das ist nicht mehr Fantasielosigkeit, das ist das Nachgeben gegenüber einem verblendeten Publikum. Aber das können Sie wahrscheinlich nicht schreiben. Das können wir schon schreiben. … Und die hauen natürlich den Sterne­köchen das Kochen zusammen. Na gut, wenn wir uns einig sind, dass auch die Mehrzahl der Leute, die in ­Galerien gehen, verblendet sind. So ist es! So ist es! Oder in die Oper … Ja, so ist es. So ist es! Und das ist eben dann dieser Balanceakt. Ich für meinen Teil habe gewählt, ich bin da einfach ausgestiegen. Ich tu bei diesen Systemen nicht mit. Dann hab ich zwar kein Publikum, aber ich habe meine Denkfreiheit und meine Aktionsfreiheit. Die habe ich mir erkauft. Teuer. Ich habe viele Jahre nichts verdient und hatte schon ­K inder und wusste nicht, wo ich am Abend schlafe. Das war teuer erkauft. Aber ich

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Kochkunst

Zur Person Peter Kubelka, geboren am 23. März 1934 in Wien, ist ein österreichischer Künstler. Am bekanntesten ist er für seine filmischen Arbeiten, es handelt sich um hoch verdichtete, experimentelle Filme, die vor allem in den 50er- und 60er-Jahren entstanden. Kubelka wollte den Film »aus der Knechtschaft des Erzählens« befreien. Ein wichtiges Beispiel ist der Film Arnulf Rainer, der aus vier Elementen komponiert wurde: Blankfilm, Schwarzfilm, weißes Rauschen und Stille. Als Metrik, den Rhythmus vorgebend, dienen die vierundzwanzig Bilder pro Sekunde, mit denen der Film projiziert wird. 2012 ergänzte Kubelka den Film um ein Gegenstück, Antiphon, bei dem Schwarz und Weiß, Stille und Rauschen genau umgekehrt wie bei Arnulf Rainer sind. Schon früh begann Kubelka sich mit der Bedeutung des Kochens zu beschäftigen. Während seiner Lehrtätigkeit an der Frankfurter Städelschule ließ er eine Küche bauen und führte Kochen als Kunst in den Unterricht ein. 2012 erhielt Kubelka den Eckart Witzigmann Preis.

habe das nicht bereut. Aber jetzt nochmal über das Kochen. Wenn ich über Kochen nachdenke, dann denke ich nicht an die Sterneköche, so talentiert und so großartig sie sein mögen, ich denke an die Haushaltsküche. Ich denke an die normalen Leute, die selber kochen. Die sollen wissen, dass sie Künstler sind. Dass sie nicht irgendeinen Schnickschnack malen müssen, damit sie Künstler werden, oder Performances machen. Sondern wenn sie kochen, üben sie eine Kunstgattung aus. So als ob sie malen würden oder Musik machen. Kochen ist um nichts inferiorer als jede andere hochgeehrte Kunstgattung. Das will ich durchbringen. Verstehen sie? So wie ich es für Film durchbringen wollte. Das Kochen ist noch dazu viel ergiebiger und wertvoller als Malerei und die anderen Sachen, weil es, wie ich gezeigt habe, bis in die Frühzeit der Menschheit zurückreicht. Weil es essbar ist, weil es also direkt wirkt. Nicht nur schmeckt es gut, es ernährt mich auch. Wer kocht, ist Künstler. Und diese Leute interessieren mich. Was geben Sie diesen Leuten mit? Ich hätte einige Postulate an die Küche. Zum Beispiel: Aufhören mit der Überbetonung des Optischen. Den Mund wieder einführen als das Lese­ organ. Zu erkennen, dass das Wichtige ist, was es im Mund macht. Aber den Mund kann man auch noch betrügen. Noch wichtiger ist, was der Magen, und das Wichtigste, was die Eingeweide damit tun. Denn die ernähren mich ja. Der Mund ist ja auch nur ein Prüforgan. Der Mund verdaut ja nicht. Das wirkliche Vereinen mit dem Universum, das wir ja durchführen, das ist hier, im Bauch. Deshalb haben früher die Leute die Seele im Bauch vermutet. Und was die Speise da tut, darauf kommt es an. Wer kocht, der hat Zugriff auf eine Mitteilung, die kein anderes Medium geben kann. Aber viele verstehen das nicht … Leider. Zum Beispiel in Amerika, wenn die Frauen zueinander sagen:

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»What, you’re cooking?« Als wollten sie sagen: Bist du wahnsinnig? »You’re cooking? Five hours toiling in the kitchen and five minutes to swallow it.« Und da kommen wir auf ein Thema, das sehr wichtig ist. Womit verbringt man am besten seine Zeit? Es gibt keine größere Quality Time als Kochen. Nicht essen, kochen! Wenn ich koche, dann habe ich eine Sensibilität, die in die Zehntelsekunden geht, wenn ich zum Beispiel drei Sachen am Herd stehen habe, deren Ablauf muss gespeichert sein im Gehirn und ich muss mit denen ­mitgehen: Jetzt braucht die das und braucht die das. Denken Sie an diese ­Gegensätze wie: Schinken, drei Jahre ­a lten luftgetrockneten Schinken und braune Butter. Den Schinken hängen Sie in die Luft, der Schinken ist so kostbar, da muss man da drei Jahre lang immer dransein und schauen, dass ihm nicht zu heiß wird und dass das Fenster offen ist oder, wenn es zu feucht wird, geschlossen wird. Verwettern lassen, und verteidigen. Die Braune Butter hingegen, die hat einen Ablauf, da ist man wie ein Rennfahrer. In dem Moment, wo die Bräune kommt, muss sie weg vom Feuer. Ich muss wissen, was meine Pfanne danach noch macht. Bin ich ein bisschen zu spät, ist die Butter schwarz. Bin ich zu früh, hat’s keinen Biss. Beim Kochen werden dauernd komplexe Entscheidungen getroffen. Der Koch ist wie der Pianist, der ein Konzert spielt. Das ist nicht weniger Quality Time als jede andere Kunstausübung. Feuer, Wasser, Luft, Erde – wer arbeitet mit diesen Dingen und schafft Neues draus, was es in der unbearbeiteten Natur nicht gab, zum Beispiel die volle hohle Hand mit Himbeeren? Der Koch! Der Koch ist das Modell für den Erschaffer der Welt, für die Schaffung des Paradieses. Der gedeckte Tisch, an dem man sitzt, ist die Realisation des Paradieses. So wie man sich’s erträumt hat. Man muss nicht mehr arbeiten. Man thront. Und man vereinigt sich mit dem essbar gemachten Universum!

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Auch von der Barbie kann man lernen Der gedeckte Tisch ist die Realisation des Paradieses


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Gib mir

Bücher Le grand Bordel Ein provenzalischer Koch und seine norddeutschen Freunde setzen sich zusammen, denken über die traditionelle südfranzösische Küche nach und haben einfach nur Spaß. Das Ergebnis: eine Augenweide, ein Lesebuch, Anekdoten über Dior, Picasso und die Windsors, Rezepte, Bilder, Fotos, eine kulinarische Reise durch Stile und Jahrzehnte, wie der Titel schon sagt: ein herrliches Durcheinander. 120 Fotos auf 247 Seiten, 37 Euro

Kombüsengold »Essen ist an Bord die letzte Verteidigungslinie«, brachte es ein erfahrener Seemann auf dem Frachter Barmbek mal auf den Punkt. Der Autor Kai Schächtele brachte es fertig, 32 Schiffsköchen aus aller Welt in die Töpfe zu schauen. Sie verrieten ihm ihre erprobtesten Rezepte von Lamm-Biryani bis Sauerbraten und erzählten ihm die Geschichten, die sie bewegen, vom CurryhuhnEklat bis zur Nahrungsaufnahme bei Windstärke 11. Alle Rezepte wurden von Sternekoch Michael Röhm auf ihre Landtauglichkeit getestet. 230 Seiten, 29,90 Euro

sacher statt zacherl

aus liebe zum kochen

Ein Buch wie eine Torte. Dick, großzügig ausgestattet und sehr, sehr fein. Wenn die klassische österreichische Küche ein Denkmal gebraucht hat – bitte schön, hier ist es. 380 nachkochbare Rezepte aus der Sacher-Küche, viele Fotos, 400 Seiten, 39,99 Euro

sind Yvonne Niewerth und Charlotte Schreiber durch ganz Europa gereist. Ergebnis: 25 einzigartige Küchenbesuche bei 25 leidenschaftlichen Köchen, die ihre Philosophie und ihr Lieblingsrezept preisgegeben haben. 208 Seiten 29,95 Euro

The Art of Fermentation Die Fachwelt meint, Sandor Ellix Katz’ Buch sei das umfassendste Werk zum Thema Fermentation in der eigenen Küche, das derzeit auf dem Markt ist. Katz erklärt die Prozesse, die hinter der Fermentation stehen, so bildhaft, dass der Leser, der seinen ersten Joghurt oder Sauerteig selbstmacht, sehr wohl versteht, WAS WANN WARUM geschieht. Katz hat, scheint’s, keinen Aspekt des Themas vergessen, nicht die Geschichte, nicht die gesundheitlichen und ökonomischen Aspekte, noch nicht mal das Troubleshooting. Die englische Originalausgabe ist für runde 30 Euro zum Beispiel bei Amazon zu haben.

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Schneller Teller #6 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Wantan-Suppe »Dekonstruiert« für 2-4 Personen In der Kulinarik ist die Dekonstruktion, das Auseinandernehmen und Verändern klassischer Rezepte, ein sehr praktisches Erbe der sogenannten molekularen Küche: Am Beispiel der Wantan-Suppe zeigt sich, dass es viel schneller geht, wenn Wantan-Teig und Hack­füllung getrennt voneinander gegart und serviert werden. 8 Wantan-Blätter 20 g Ingwerknolle 1 Knoblauchzehe 6 EL süße Sojasauce

400 g frische grobe Bratwurst 800 ml Hühnerbrühe 4 braune Champignons 2 Frühlingszwiebeln 1 TL Sesamöl 1. Wantan-Blätter auftauen lassen (siehe Tipp). Ingwer und Knoblauch fein hacken und mit 2 Esslöffel süßer Sojasauce und Bratwurstbrät verkneten. Hände mit Wasser benetzten und kleine Hackbällchen rollen. 2. Brühe mit 4 Esslöffel süßer Sojasauce aufkochen, die Bällchen hineingeben und bei mittlerer Hitze 2 Minuten leise köcheln. 3. Champignons und Frühlingszwiebeln fein scheiden. Wantan-Blätter überein-

anderlegen, diagonal vierteln und mit den Gemüsen zur Suppe geben. 2 Minuten leise köcheln lassen. Mit Sesamöl beträufeln und sofort servieren. Tipp: Wantan-Teig bekommt man tiefgefroren im Asialaden, als Block mit vielen Blättern. Lassen Sie den Block einfach etwas antauen, bis sich die gewünschte Zahl Blätter ablösen lässt. Übrige Blätter wieder einschlagen und ins Gefrierfach legen. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Stapelware erster Güte: 200 Gramm duftendes en ­warmes Rindfleisch lieg ich dw San dem auf e am End

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ERZÄHLTES LEBEN

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Was macht ein erfolgreicher DJ und Clubbesitzer der urplötzlich das Nachtleben satt hat? Ganz einfach: Er schnappt sich einen amerikanischen Koch, der sich urplötzlich in eine Deutsche verliebt hat, und eröffnet ein Deli in Berlin. Spezialität: New Yorker Sandwich-Klassiker Text: Stevan Paul  Fotos: Daniela Haug

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raußen wird langsam Schwarz zu Blau, Guten Morgen, Berlin, Hochbetrieb in der offenen Küche von Mogg & Melzer Delicatessen. An Wochentagen ist der Deli in der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule Berlin ab zehn Uhr in der Frühe geöffnet, warmes Essen ab halb Zwölf, die Zeit läuft. »Das ist Hip-Hop!«, sagt Joey Passarella und zeigt zu den Boxen an der Küchendecke: Gang Starr ist am Start, zurück aus den Eighties, und zum schwarzen Kaffee werden an diesem Morgen dicke Beats und perlende Jazzloops serviert. An der Aufschnittmaschine schneidet Joey für uns das erste Stück Pastrami-Fleisch in dünne Scheiben, unter dem Grill knistert Roggentoast, auf dem fünfzehn Monate gereifter Edamer langsam schmilzt. Kunstvoll faltet der Chefkoch die duftenden warmen Scheiben

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auf dem Toast zu einem imposanten Berg, ganze zweihundert Gramm Rindfleisch werden es am Ende sein. Dazu gibt es Krautsalat, Russian Dressing und knackig saure Gewürzgurken aus der Salzlake. Die Mogg & Melzer-Variation des klassischen Reuben Sandwiches (im Original mit Sauerkraut) schmeckt himmlisch, und das glänzende marinierte Pastrami-Fleisch ist saftig und würzig. Rumänische Auswanderer brachten das jüdische Traditionsrezept nach New York. Und auch der Name Pastrami leitet sich aus dem Rumänischen ab (pastrama von pastra = einmachen, konservieren). Das gewürzte, gepökelte und geräuchert gedämpfte Rindfleisch wurde schnell zum Sandwich-Klassiker in den New Yorker Delis (Delicatessen), die Anfang des 20. Jahrhunderts aus koscheren,

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1. Das Rindfleisch ist gepökelt und geräuchert. 2. In der Mogg & ­Melzer-Variation wird das Sauer­ kraut durch Krautsalat ersetzt. 3. Das Fleisch wird in feine Scheiben geschnitten. 4. Gleich ist das Reuben Sandwich fertig.

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erzähltes Leben

Links: Das Rindfleisch kommt aus Omaha, Nebraska  Rechts: Und wird nach einem Geheimrezept gewürzt und gepökelt

jüdischen Schlachterläden erwuchsen, die ihr Angebot um kleine, wohlschmeckende und sättigende Mahlzeiten gegen das Heimweh erweitert hatten. Oskar Melzer aß sein erstes Pastrami Sandwich im Alter von dreizehn Jahren während einer NewYork-Reise mit seinen Eltern zur Feier seiner Bar Mitzwa. Ausgerechnet in Katz’s Delicatessen, jenem Traditions-Deli, in dem seit der Eröffnung im Jahr 1888 gefühlt schon die ganze Welt Schlange stand für eins der berühmten Pastrami Sandwiches. Der würzige Berg aus butterzartem, salzigem Rindfleisch auf Alibi-Brot beeindruckte den Knaben Oskar nachhaltig. Knapp fünfundzwanzig Jahre später, will der international erfolgreiche DJ und Clubbesitzer Oskar Melzer raus aus dem Nachtleben, erinnert sich seiner kulinarischen Jugendliebe und entwickelt die

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Idee für einen Pastrami-Laden. Er sieht sich zunächst in Frankfurt am Main nach geeigneten Räumlichkeiten um und wird schließlich 2012 in der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule in Berlin fündig. Wenn nicht hier, wo dann, denkt sich Melzer. Er hat allerdings keine Ahnung, wie Pastrami gemacht wird, er isst es nur seit Jugendtagen gern und verpflichtet den New Yorker Koch Joey Passarella, den die Liebe zu einer Deutschen nach Berlin geführt hat. Passarella kennt sich aus in der Deli-Kultur seiner Heimatstadt und genoss zudem in New York eine überraschend klassische Ausbildung: »Ich hab am French Culinary Institute, Broadway, Ecke Grand Street, gelernt. Heute heißt das International Culinary Center, aber damals, 1997, als ich meinen Abschluss gemacht hab, war das rein französische Küche«. Gemein-

sam mit seinem Kompagnon, dem DJ und Musikproduzenten Paul Mogg und Chefkoch Joey Passarella, wagt sich Oskar Melzer ans Abenteuer Pastrami. »Das ist so ein New-York-Ding, und ich habe versucht ihnen zu helfen«, erinnert sich Joey an die Anfänge und lacht: » Die ersten Pastrami waren nicht genießbar, zu trocken, so süß. Hat nicht hingehauen.« Fast ein halbes Jahr wird experimentiert und ausprobiert, die Herstellung von Pastrami entpuppt sich als so trickreich wie zeitaufwendig. Bis zu vier Wochen nimmt allein der Produktions- und Reifeprozess in Anspruch, bereits die Qualität der verwendeten Rinderbrust ist entscheidend. Heikles Thema, Joey seufzt: »Es macht wenig Sinn, Rindfleisch um die Welt zu fliegen, aber wir suchen schon sehr lange in Deutschland und haben leider immer noch

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Alle Zutaten, sogar die Salzgurken, werden in der offenen ­Küche von Mogg & Melzer selbstgemacht

kein Fleisch gefunden, dass an die Qualität der amerikanischen Ochsenbrust heranreicht. Auch der spezielle Cut (Zuschnitt) ist sehr wichtig für uns. Darum beziehen wir Nebraska-Rind von Greater Omaha, es hat genau die Maserung und den Fettanteil, den wir für perfektes Pastrami brauchen.« Das Fleisch wird im Mogg & Melzer nach Geheimrezept gewürzt und gepökelt, dann fünf Stunden im Ofen im Innenhof geräuchert. Das verwendete Holz ist neutral, der Geschmack kommt über die spezielle Würzung. Abschließend werden die mächtigen Fleischstücke fünf Stunden lang bei achtzig Grad sous-vide gegart. Warm und saftig kommt die Tagesration an mächtigen Pastrami-Fleischstücken pünktlich zum Mittagsgeschäft aus dem Dämpfer. Im Mai 2012 eröffnen Oskar Melzer und Paul Mogg, ihr Deli in der Jüdischen

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Mädchenschule – mit Chefkoch Joey in der offenen Showküche. Aus der Beratertätigkeit in die Festanstellung. Joey lässt sich aber erstmal bitten: »Ich wollte kochen. Ich hab gesagt, ich hasse es, nur Sandwiches zu belegen, ich will richtig kochen, Catering auch … und ihr müsst mich bezahlen können, Joey ist nicht billig!«, er lacht. »Es war trotzdem eine Risikonummer, ich war gerade zum zweiten Mal Vater geworden.« Von Anfang an ist alles hausgemacht, das PastramiFleisch, die knackigen Salzgurken, der Krautsalat. Das luftig-lockere Roggenbrot für Pastrami Sandwich und Reuben Sand-

wich kommt täglich frisch aus der Backstube von Cynthia Barcomi, einer ebenfalls in Berlin lebenden Amerikanerin, die sich als Selfmade-Bäckerin, Unternehmerin und prominente Kochbuchautorin international einen Namen gemacht hat. Vom ersten Tag an ist das Publikum im Mogg & Melzer international, das Stimmengewirr mitunter babylonisch. Zeitungen und Magazine aus aller Welt berichten vom jüdischen Deli in Berlin-Mitte. Natürlich gibt es bei Mogg & Melzer auch andere Deli-Klassiker wie die Matzo Ball Soup oder den Smoked Salmon &

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erzähltes Leben

impressum Effilee GmbH Övelgönne 59 22605 Hamburg Telefon: +49 40 / 80 90 53 8-0 Fax: +49 40 / 80 90 53 8-22 info@effilee.de Herausgeber / Chefredakteur

Vijay Sapre Redaktion

Hans Kantereit Artdirektor

Andreas Pufal Grafik

Karen Sapre fotograf

Andrea Thode Online

Dirk Müller Schlussredaktion

Thomas Rach Mitarbeiter dieser Ausgabe

Jennifer Mira Ackermann, Axel Biesler, Sebastian Bordthäuser, Roland Brückner, Daniela Haug, Ursula Heinzelmann, Marcus Hesemeier, Christina Hilker, Kristian Ditlev Jensen, Alexander Kasbohm, Alexandra Klobouk, Kai Mihm, Dirk Müller, Norbert Müller, Stevan Paul, Pit vom Posten, Christoph Raffelt, Robert Rant, Rattelschneck, Stephan Reinhardt, Ingo Scheuermann, Nils Schiffhauer, Oliver Schubert, Eckhard Supp, Hendrik Thoma, Ulf Wendelstein Verlagsleitung

Selma Gürüz Vertrieb

stella distribution GmbH Frankenstraße 7 20097 Hamburg Telefon: +49 40 / 80 80 530 - 0

Oskar Melzer: Seine Pastrami Sandwiches, sagen Gäste, toppen die von Katz‘s Deli

Anzeigenvertrieb

Agentur für Vermarktung und Produkte Tina Gnauck Immermannstraße 1a 22765 Hamburg Telefon: +49 40 / 22 63 44 922 info@avundp.de Aboservice

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Neef + Stumme premium printing GmbH & Co. KG, Schillerstraße 2, 29378 Wittingen Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, jede Art der elektronischen Verarbeitung und sonstige Formen der Wiedergabe nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen Effilee erscheint viermal im Jahr

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Cream Cheese Bagel, Kerngeschäft und Verkaufsschlager sind und bleiben aber Pastrami Sandwich, Reuben Sandwich und Salt Beef Sandwich. Jede Woche gehen zweihundert Kilogramm Rinderbrust, dünn aufgeschnitten und noch warm, über den Tresen. Neulich war die New York Times zu Besuch, ein Kamerateam drehte für den Onlineauftritt der Zeitung einen kurzen Film über das Mogg & Melzer. Einen Tag nach Veröffentlichung des Videos, bildeten sich lange Schlangen vor der Eingangstür des Delis. Ein bisschen wie bei Katz’s in New York. Besser, erklärt ein Besucher des Mogg & Melzer in die Kamera der New York Times, er habe das Katz’s Sandwich schon probiert und, na ja: »I think this actually tops it, to be honest.«

Mogg & Melzer Augustsrasse 11-13, 10117 Berlin moggandmelzer.com

Maxie Eisen Gemeinsam mit den Gastronomen James und David Ardinast, eröffnete Oskar Melzer zum Jahreswechsel 2013/2014 im Frankfurter Bahnhofsviertel ein weiteres Deli, das »Maxie Eisen«, benannt nach einem jüdischen Mafioso aus der New Yorker Kosher Nostra der wilden Zwanzigerjahre. Das Rezept für das saftig-würzige Pastrami-Fleisch hat Melzer aus Berlin mitgebracht. Münchner Straße 18, 60329 Frankfurt maxie-eisen.de

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in großer Klassiker unter den Cocktails und der angeblich meistverkaufte der Welt. Über die Geburtsstunde- und Umstände des berühmten Drinks kursieren diverse Mythen. Eine Mär berichtet von einem mexikanischen Fischer, der in den 1930er-Jahren in die Stadt kam und sich unglücklich in ein Mädchen namens Margarita verliebte. Zurück im Dorf ertränkte er seinen Kummer angeblich in einer Mischung aus Tequila und Likör. Eine andere Legende erzählt, dass der Cocktail im Jahr 1938 zur Welt kam und nach einer Tänzerin namens Margarita de la Rosa aus Guadalajara benannt wurde. Leider ist die genaue Geschichte des Drinks etwas unklar. Beim Trinken sollte uns das allerdings nicht stören.

Margarita Für 1 cocktail 3,5 cl Blanco Tequila 2 cl Triple Sec 1,5 cl Limettensaft Glas: Martininglas oder spezielles Margaritaglas Garnitur: Salzrand 1. Alle Zutaten in einen Shaker geben, diesen mit Eiswürfeln füllen und kräftig 15–20 Sekunden shaken (ca. 15 x schütteln). Ohne Eiswürfel in das vorgekühlte Glas geben. 2. Für den klassischen Salzrand wird der Glasrand mit einer Limettenscheibe oder Triple Sec befeuchtet. Danach wird das Glas in das Salz gedrückt.

Foto: Andrea thode

Für eine Frozen Margarita: Alle Zutaten mit etwa 1 ½ Schaufeln Crushed Ice im Mixer zu Frozen Margarita mixen.

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Gib mir

mal was aufs Brot

Was kann man mit 5 Stück Brot anstellen? Zum Beispiel 5 fürstliche Snacks zaubern, wenn man einen leckeren Belag hat. Woher nehmen? Einfach auf www.effilee.de/torquato klicken und bringen lassen

Gänseleberparfait Keine Konservierungsstoffe, keine Geschmacksverstärker, nur beste Zutaten verwenden und die nur von ausgesuchten Lieferanten, in kleinen Mengen einkaufen und nach raffinierter Rezeptur verarbeiten, so sieht man die Sache beim Pastetenhersteller Anton Hink in Wien. Das mit Madeira verfeinerte Gänse­leberparfait ist denn auch eine absolute Besonderheit, es ist ohne Stopfleber hergestellt, die Gläser werden von Hand befüllt. Kenner meinen, eine solche Qualität habe es bisher außerhalb Frankreichs noch nicht gegeben. Diese Aussage lässt sich für 13,90 Euro pro 130 Gramm überprüfen

Die Wurstmacher von Saucissons Roches Blanches geben was auf Tradition, und auf dieses Meisterstück sind sie besonders stolz: Das gute Stück Schweinefleisch wird, wie bereits seit mehreren Generationen, im Kamin getrocknet und dann beherzt gesalzen. So machten es früher die normannischen Seeleute, damit sie auf ihren wochenlangen Touren zu den Fischgründen auch mal was zwischen die Zähne bekamen, das nach Land schmeckt. Das Ergebnis ist im Kühlschrank mehrere Wochen haltbar und schmeckt, in dünne Scheiben geschnitten auf herzhaftem Brot garantiert auch im Binnenland. Das köstliche Stück Seefahrerromantik aus dem Schweinestall kostet 12,20 Euro pro 200 Gramm-Stück

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Fotos: Hersteller

Seemannsspeck


Gib mir

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Hummerbutter

WildschweinTerrine

Hummer, Butter, Sahne, Fleur de Sel, Weißwein – es klingt wie ein rauschendes Fest und passt trotzdem in ein kleines Glas. In der Bretagne mit viel Liebe von Hand hergestellt, gehört diese Hummerbutter mit zum Besten, was man seinen Gästen auf einem Stückchen Toast zum Aperitif anbieten kann. Und zwar für 5,50 Euro pro 90-Gramm-Glas

Wenn eine Wildsau in der nordfranzösischen Picardie richtig Schwein hat, dann fällt sie den Häschern der Firma Conserverie St. Christophe in die Hände. Denn dann endet sie nicht irgendwie und irgendwo, sondern zusammen mit feinen Zwiebeln, edlen Gewürzen und einem guten Schuss Calvados in diesem original Weckglas. 15,50 Euro pro 270 Gramm

Jamon IbÉrico Der Schinken vom Ibérico-Schwein gehört zum Besten, was man sich gönnen kann. Dieser hier ist noch einen Tick besser, er stammt aus einem nachhaltig bewirtschafteten Familienbetrieb in der Extremadura, der – im Gegensatz zu anderen Züchtern – seine Schweine so früh wie möglich in die Wildnis entlässt und auf ein Zufüttern von herkömmlichem Futter verzichtet. Die Tiere leben von Eicheln und haben unbegrenzten Auslauf. Ihr stark marmoriertes Fleisch ist enorm geschmacksintensiv. Die Kellerreifung der gesalzenen und getrockneten Schinken dauert 18 Monate. Davon würden Sie sich gerne mal 100 Gramm ins Haus bringen lassen? Kostet 29,80 Euro

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Schneller Teller #7 Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

Japanisches Rührei mit zweimal Spinat für 2–4 Personen Die Hälfte des zarten Babysspinats fällt beim Braten mit dem sojagewürzten Rührei vornehm zusammen. Ein Wiedersehen mit der anderen Hälfte gibt’s auf dem Teller in Form von knackigem Spinatsalat in Sesam-Vinaigrette. 1 EL Sesamsaat 1 EL Reisessig (wahlweise Weißweinessig) 1 EL Honig 4 EL süße Sojasauce 2 EL Olivenöl 1 TL Sesamöl

Salz 150 g Baby-Blattspinatsalat 6 Eier (M) 1 Msp. Chilipaste 2–3 Frühlingszwiebeln 30 g Butter 40 g Erbsensprossen (wahlweise Sojasprossen) 1. Sesam in einer Pfanne ohne Fett goldbraun rösten und noch warm mit Reisessig, Honig, 2 Esslöffel süßer Sojasauce, Olivenöl und Sesamöl zu einer Vinaigrette verrühren und salzen. Babyspinat in lauwarmem Wasser ­waschen und trockenschleudern. 2. Eier mit 2 Esslöffel süßer ­Sojasauce und Chilipaste glattrühren und mit

Salz würzen. Frühlingszwiebeln in feine Scheiben schneiden. Butter in einer Pfanne schmelzen. Die Hälfte des Spinats mit den Frühlingszwiebeln darin andünsten, bis der Spinat zusammengefallen ist. Eimasse zugeben und in 2–3 Minuten zu Rührei braten. 3. Rührei auf vorgewärmte Teller verteilen. Übrigen Spinat mit der Vinaigrette mischen und über das Rührei geben. Auch die Erbsensprossen in der Vinaigrette wälzen und aufsetzen. Sofort servieren. Alle Rezepte des Heftes sowie Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen finden Sie unter www.effilee.de

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Getrunkene Flasche


Gut Oggau Mechthild Text: Vijay Sapre  Foto: Andrea Thode

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ie Atmosphäre, die an diesem Nachmittag im Herbst über Oggau liegt, ist eine Mischung aus High Noon und schwäbischer Vorstadt: Die Sonne brennt, es ist menschenleer, aber darüber hinaus ist auf den geteerten Straßen auch kein Stäubchen zu finden. Ausgerechnet hier soll eines der abgefahrensten Weingüter Österreichs residieren? In der Hauptstraße befindet sich Gut Oggau. Beziehungsweise der dazugehörige Heurige, der auf den etwas zeitgeistigen Namen Gut Drauf hört. Wobei einen das spätestens wenn man das Tor durchschritten hat nicht mehr irritieren kann: In der herbstlichen Mittagssonne strahlt hier tatsächlich alles eine fröhliche, reine Natürlichkeit aus, die den Anthroposophieskeptiker in mir sofort zum Schweigen bringt. Ruhe jetzt! Auf dem Dach nisten tatsächlich Störche, die Buschrosen blühen, die Tische sind grob behauen und echt. Ein altes Ruderboot dient als Blumenkübel. Über Generationen gehörte das Haus der Familie Wimmer, die mit hohem Anspruch hier großartige Weine gemacht hat, wobei der Ruhm schon etwas am Verblassen war. Die letzte Besitzerin, Mechthild Wimmer hatte keine Nachkommen und überließ das Gut dem Ehepaar Stephanie und Eduard Tscheppe-Eselböck. Eduard Tscheppe stammt aus einer steiermärkischen Winzerfamilie, Stephanie Eselböck stammt aus einer Familie, die die österreichische Gastronomie in den letzten Jahrzehnten ganz maßgeblich geprägt hat. Ihr Vater, Walter Eselböck, betreibt seit 1984 im Nachbardorf den Taubenkobel, der nicht ohne Grund zu den besten Restaurants Österreichs zählt. Das Haus wird heute von Stephanies Schwester Barbara im Service und in der Küche von ihrem Mann Alain Weissgerber geleitet. Der Unbekümmertheit und Modernität, mit der hier Tradition nicht nur fortgeführt, sondern ständig neu

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begründet wird, hat das keinen Abbruch getan. Und beides, der Zusammenhalt der Familie und ein Umgang mit Herkunft und Region, der sich der Einordnung in klassische Kategorien komplett entzieht, prägte auch die Herangehensweise von Stephanie und Eduard. »Es musste ein Bruch her, der Moderne und Tradition verbindet«, sagt Stephanie in einem Interview, und so begann man, alles neu zu machen, indem man aus Gut Oggau eben kein modernes, hoch technisiertes Weingut machte, sondern nachforschte, welche Weine früher hier angebaut wurden, sich konsequent auf eine biodynamische Wirtschaftsweise festlegte und auf die schwierige Spontanvergärung einließ. Ein wirklicher Geniestreich war das ganz eigene System zur Klassifizierung der Weine. Anders als nicht nur in Österreich heutzutage üblich, legen die beiden

Für das Konzept der Etiketten gab es in Cannes einen Goldenen Löwen keinen großen Wert auf reinsortige Weine. Sie versuchen aus den Lagen, die sie zur Verfügung haben, jeweils das Beste herauszuholen, und die Weine, die dabei herauskommen, passen nun mal nicht in das übliche Schema. Stattdessen werden alle Weine des Guts als große Familie betrachtet, die viel gemeinsam haben, aber alle über eine eigene, starke Persönlichkeit verfügen. Die drei Generationen, Kinder, Eltern und Großeltern, stehen dabei für die Qualitätsstufen, ein wenig auch für die Zugänglichkeit. Gemeinsam mit der Werbeagentur Jung von Matt wurden Etiketten entwickelt, die das Konzept konsequent umsetzen. Dafür gab es beim Festival in Cannes einen Goldenen Löwen. Insgesamt zehn Köpfe umfasst die Familie, und wenn man sich darauf einlässt, merkt man schnell, wie stimmig die Idee

ist. Beim Probieren darüber nachzusinnen, ob ein Wein zu der auf dem Etikett abgebildeten Person passt, kann jedenfalls sehr unterhaltsam sein. Einfach sind sie alle nicht, die Oggaus, aber »die interessanten Leute sind ja nicht die, die sofort alles preisgeben«, sagt Eduard Tscheppe. Mechthild natürlich schon gar nicht. Sie ist das Familienoberhaupt des Clans, eine Dame, die großen Wert auf Eleganz und Stil legt, die aber das Leben kennt und durchaus herzlich und direkt sein kann. Sie ist ein reinsortiger Grüner Veltliner, gibt aber auch dieses Geheimnis erst auf Nachfrage (beim Winzer) preis. Wir probieren im Taubenkobel – der im Übrigen unbedingt einen eigenen Besuch verdient hat – bei einem kleinen Mittagsmahl mit Blick auf den Teich. Wo das Konzept hinkt, wenn auch nur vordergründig, ist natürlich beim Alter. Denn der 2009er, den wir probieren, ist für einen Wein dieser Klasse noch recht jung. Aber Eduard Tscheppe setzt nur ganz am Schluss einen Hauch Schwefel ein, was dazu führt, dass der Sauerstoff im Keller arbeiten kann, und der sorgt dafür, dass die Frucht sich zurückhält und manche komplexe Aromen hervortreten, die einer First Lady durchaus zu Gesicht stehen. Die typische Pfeffrigkeit des Veltliners ist wunderbar eingebunden und der Wein ist lang wie ein erfülltes Leben. Das er noch vor sich haben könnte, wenn es nicht so schwer wäre, die Finger davon zu lassen. Ich bin sicher, Mechthild kann Klavier spielen.  Gut Oggau Hauptstraße 31 A-7063 Oggau Telefon: +43 664/2069298 www.gutoggau.com

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erzähltes Leben

Grüß Gott, Herr Pfarrer! Der Herr ist sein Hirte und das Lokal gegenüber der Kirche sein zweites Zuhause

Das Christentum und die Jakobsmuschel Wer Kristian Ditlev Jensen gute Geschichten erzählt, bekommt von ihm das Essen bezahlt. Diesmal: Rasmus Nøjgaard, Doktor der Theologie und Pfarrer in Kopenhagen Text & Fotos: Kristian Ditlev Jensen  Übersetzung: Traduset.de  Redaktion: Hans kantereit

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as Christentum hat die Namen und die Architektur vieler europäischer Städte geprägt. Und in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen gibt es einen Ort, der besonders viele Spuren eines bestimmten katholischen Heiligen trägt: die Gegend um die Sankt Jakobs Kirke im Stadtteil Østerbro. Hier sind die Kirche, der Platz davor und ein straff geführtes französisches Restaurant – Le Saint Jacques – nach diesem Heiligen benannt,

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der sich eigentlich eher nach einem Helden einer abgefahrenen Science-Fiction-Story als nach der Hauptfigur einer alten Legende um Glauben und Metaphysik anhört. Wie viele christliche Geschichten beginnt diese mit dem Tod des Protagonisten. Rasmus Nøjgaard, der einen Master in alten Sprachen, einen Master in Theologie und einen Doktor in Theologie hat, ist der örtliche Pfarrer der Kirche – und Stammgast im Res­taurant gegenüber.

Das Restaurant ist einfach und dennoch ungewöhnlich gehalten. Wenn man reinkommt, fällt einem sofort die riesige, hölzerne Jesus-Statue ins Auge, die über einem der Tische hängt. Die Kellnerin hat eine ganze Reihe Anekdoten darüber auf Lager. Der Besitzer, der bekannte katholische Koch Daniel Letz, hatte die Figur im Ausland entdeckt und zurück nach Dänemark mitgebracht.

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»Als er Jesus auf seinem Rücken über den Platz getragen hat, haben die Leute gedacht, er sei endgültig verrückt geworden«, kichert sie. »Einmal hatten wir einen Gast, der ganz normal wie alle anderen sein Essen gegessen hat. Aber auf dem Weg nach draußen hat er vor Jesus innegehalten und mehrere Minuten lang gebetet.« Und was denken Sie über diese Statue? »Ich finde es nicht gut, dass sie hier hängt. Ich geb das zwar ungern zu, aber ich finde Gott sollte hier nicht zwischen all diesen Leuten, all dem Essen, all dem Wein sein«, sagt die Kellnerin. Etwas komisch ist es schon. Und wie kommt es, dass ein katholischer Heiliger diese Beziehung zu Essen hat? Die Antwort darauf findet sich sowohl im Logo der Kirche als auch in dem des Restaurants: Beide führen das Bild einer Muschel. Rasmus Nøjgaard erklärt mir den Hintergrund. »Der Legende nach fahren der Apostel Jakobus und dessen Bruder Apostel Johannes, die als Donnersöhne bekannt sind, seit ihrem Martyrium in einem Schiff durch den Himmel. Bei einem Unwetter im Golf von Biskaya erlitt Jakobus Schiffbruch und wurde leblos an den Strand von Finisterre – was buchstäblich ›Ende der Welt‹ bedeutet – angespült. Hier fand er eine Jakobsmuschel, die das Meer immer zu Hunderten entlang der Strände Nordspaniens ausspuckt. Mit der Muschel und einem Pilgerstab in der Hand machte er sich also auf, Spanien von den heidnischen Mauren zurückzuerobern, die große Teile der iberischen Halbinsel besetzt hatten«, erklärt mir Rasmus Nøj­ gaard und macht sich über seine Vorspeise her – die hübsche Muschel auf seinem Teller ist eine coquille Saint-Jacques gratinée, crevettes et moules. Während wir essen, erzählt er weiter. »In der Kunst wird der heilige Jakobus oft hoch zu Ross und sein Schwert über den geköpften Mauren schwenkend dargestellt. Deswegen wird er auch häufig El Matamoros, der Mauren-Killer, genannt«, sagt der Pfarrer. Er erklärt mir, was das alles mit der Kirche zu tun hat. »Seitdem symbolisiert die Muschel die Taufe, da Jakobus mit der Jakobsmuschel, lateinisch Iacobaeus, Weihwasser über die Spanier gegossen hat. Die Muschel ist aufgrund

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ihrer wunderschönen Form sehr dekorativ, und mit ihrem salzigen und feinen Geschmack erinnert sie an die meerschaumgeborene Venus, die selbst auch Göttin der Fruchtbarkeit und der Liebe ist.« Wir plaudern weiter. Unser Gedankenstrom führt uns über Perlmutt und die Welt der Muscheln, bis wir zum schlüpfrigen, klebrigen, rosa Innenleben der Muscheln kommen, das so oft als erotisches Motiv in der Kunst auftaucht. Botticelli hat seine Venus nicht zufällig in einer riesigen Muschel stehend gemalt. Als wir die Beschaffenheit der Vagina nahezu anatomisch genau diskutieren, isst Rasmus Nøjgaard den nächsten Jakobsmuschelgang, während ich meine ­terrine de foie gras et sa gelée de fleur de surreau bekomme. »Die Muschel ist das Pilgersymbol für alle Wege, die von Europa aus nach Santiago de Compostela führen. Der Name der Stadt bedeutet: Heiliger Jakobus auf dem Sternenfeld«, sagt Rasmus Nøjgaard, bevor wir weiter über Verkehrsmittel und Roadtrips und Glauben reden. Plötzlich kommt mir ein Gedanke: Ist das Mineralölunternehmen Shell nach der Jakobsmuschel benannt? »Ich glaube, ja«, sagt der Pfarrer. »Die Jakobsmuschel steht in ganz Europa für den Weg nach Santiago. Also ist sie mehr als nur metaphorisch gesehen ein Zeichen dafür, dass man auf dem richtigen Weg ist. Und das ist nicht gerade ein schlechtes Symbol für eine Tankstelle.« Da Rasmus Nøjgaard die klassische Literatur studiert hat, kennt er sich gut mit klassischer Kultur vom alten Rom bis zur Neuzeit aus. Als wir darüber übereinkommen, dass Sünde und Schuld zwei unterschiedliche Dinge sind – der unvollkommene Mensch ist von sich aus sündig, während der Mensch, der gegen Regeln verstößt, durch seine Tat schuldig wird – kommen wir wieder auf das Thema Sex. Vielleicht hätten wir, wie die Römer, unser Essen im Liegen einnehmen sollen? »Die Sexualmoral der Römer ist sehr interessant«, sagt der Pfarrer. »Sie verbindet Macht mit Sexualität. Derjenige, der die Macht hat, kann so ziemlich alles machen, was er will. Es gibt da zum Beispiel recht erstaunliche und sehr spezifische Regeln, was den Analverkehr mit Sklaven angeht. Du kannst zwar mit deinem Sklaven Analverkehr ha-

ben, er aber nicht mit dir. Der anale Teil des Ganzen ist jedoch überhaupt nicht beschämend. Lediglich das Machtungleichgewicht ist das Problem.« Nach dem Jahr 200 werden die tierischen Triebe stärker kontrolliert. Lust wird als Gegensatz zu Rationalität und Vernunft gesehen. »Alles Körperliche gehört ins Diesseits, während das Rationale in die Welt des Göttlichen gehört. Die göttliche Welt wird befreit – im Gegensatz zu allem, was Schwerkraft enthält. Und das ist gleichbedeutend mit allen Dingen, die Kerne haben«, sagt der Pfarrer und nippt an seinem Glas. Kerne? »Ja. Die Manichäer, zu denen der heilige Augustinus ursprünglich gehörte, bevor er zum Christentum überwechselte, aßen absolut keine Früchte.« Das hört sich aber komisch an. Was ist denn an Kernen so schlecht? »Kerne sind der Anfang des Lebens, und sie wachsen. Sie vermehren Dinge und bringen mehr Schwerkraft in die Welt. Und deswegen ist Fruchtbarkeit Sünde. Das wiederum macht Nahrung – Essen – zur Sünde«, erklärt mir Rasmus Nøjgaard, der nun sein poussin isst, das laut Karte in einer feinen sauce diable serviert wird. Aber das Mahl als solches – das ist doch nichts Schlechtes im Christentum, oder? »Ganz im Gegenteil. Eine Mahlzeit ist immer gleichbedeutend mit Gastfreundschaft, Gemeinschaft und Frieden in der christlichen Kultur. Wo immer du Essen und Trinken angeboten bekommst, bist du sicher. In Tragödien

Als er Jesus auf dem Rücken über den Platz trug, dachten die Leute er sei verrückt … wird diese Ruhe, Geborgenheit und Sicherheit natürlich als Kontrast zu Mord und Verrat bei Tisch genutzt, so auch bei der Geschichte mit Judas. Im Rahmen kulturhistorischer Verständigung gibt es wohl keinen Brauch, der so bedeutend wie die Mahlzeit ist – als Opfergabe, als Danksagung und als Sühne. Konkret im christlichen Umfeld ist die Mahlzeit sowohl ein symbolisches Abendmahl, das letzte Mahl sozusagen, als auch ein Agapemahl – es füllt dich nicht nur mit Nahrung sondern auch mit himmlischer Liebe«, erklärt mir der Pfarrer.

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erzähltes Leben

Mahlzeit! Die Gäste des katholischen Kochs speisen unter den hölzernen Füßen des Erlösers

Das Abendmahl bezeichnet eine recht eigenartige Idee: eine Art Bar am Ende jeder protestantischen Kirche. Was hat es damit auf sich? »Beim Abendmahl symbolisieren das Brot und der Wein das gesamte Mahl. Hunger und Durst werden gestillt, auch im spirituellen Sinne. Es geht darum, in der Gemeinschaft zu geben und zu nehmen, zusammen zu essen und eins zu werden mit dem Verzehrten. Bei uns in

Das Abendmahl bezeichnet eine Art Bar am Ende jeder protestantischen Kirche der protestantischen Kirche wird das Abendmahl traditionellerweise kniend eingenommen, als Zeichen der Demut und im Bewusstsein dessen, dass man sündig ist. Dasselbe Motiv kennt man aus der nordischen Küche. Hier wird Bescheidenheit gegenüber heimischen Produkten oft auf die Spitze getrieben. In unverfälschten, einfachen Dingen wird das Extravagante entdeckt. So zum Beispiel in Zutaten, die normalerweise als lästiges Unkraut gelten – wie, sagen wir mal, der Sauerklee«, meint Rasmus Nøj­ gaard mit einem verschmitzten Grinsen.

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Zu dem Zeitpunkt ahnt er noch nicht wie höllisch es wenige Tage später den zweiundsiebzig Gästen des sagenumwobenen Nordic Cuisine Restaurants Noma gehen würde, die nach einem Mahl aus – unter anderem – Unkraut an Durchfall erkrankten. Aber es ist keinesfalls so, dass aus religiöser Sicht der Spaß beim Essen aufhört. Jedoch herrschen generell enorme Wissenslücken was die Geschichte und die Mythologie zwischen Essen und Religion betrifft. Was der amerikanische Stand-up-Come­ dian Jim Gaffigan im folgenden Dialog nur allzu herrlich bewiesen hat: »Ostern. Der Tag an dem Jesus von den Toten auferstanden ist … was wollen wir da machen?« »Wie wäre es mit Eiern!« »Was hat das mit Jesus zu tun?« »Okay, wir verstecken sie einfach!« »Ich kann deiner Logik nicht ganz folgen.« »Mach dir nichts draus – es gibt da ’nen Hasen.« Tatsächlich hat der Comedian aber nicht ganz Recht, erzählt mir der Pfarrer. »Das Ei ist ein altes christliches Symbol. Die leblose Schale außen herum symbolisiert

den Tod. Wer aber die Schale zerbricht, findet im Inneren neues Leben. Das Leben ist also voller Überraschungen. Dies wird traditionellerweise symbolisch gesehen: Das Ei ist wie Jesus, der von den Toten aufersteht, der das Leben im Tod ist. Außerdem symbolisiert das Ei die Heilige Dreifaltigkeit. Das helle, sonnige Eigelb ist Jesus Christus. Das Eiweiß, das Ihn umgibt, ist der nährende, fürsorgliche Gott. Und die Schale hält alles zusammen, genau wie der Heilige Geist alles im Universum zusammenhält. Das Ganze hört sich vielleicht nach einer recht modernen, aus dem Osten entlehnten Idee an, nach einer Art metaphysischen Spiritualität, die man nicht sehen kann. Eine Art Kraft – die Liebe.« Der Osterhase ist auch ein gutes Beispiel. Aber das hat mit sogenannter Inkulturation zu tun – einer kulturellen Einbindung. Man nimmt eine bekannte Figur, die eine bestimmte Bedeutung hat, und dann domestiziert man sie. Man macht sie sich zu eigen, erklärt mir der Pfarrer, bevor wir uns dem letzten Gang unseres Mahls widmen – einem Nachtisch mit einer Birne, die sündhaft viele Kerne enthält.

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Kochkunst

Bei uns ! n e l l e t s e b

Das Lebenswerk von Ferran Adrià in sieben Bänden 2011 schloss das bis dahin beste Restaurant der Welt für immer seine Türen. Nun liegt das kulinarische Vermächtnis des elBulli in Buchform vor 96

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1. Eine Entwicklung des Hauses: Parmesankristall  2. Übersichtlicher kann man Rezepte kaum präsentieren 3. Essbare Blüten. Alle Gerichte wurden aufwendig fotografiert  4. Der legendäre Kochkünstler und Mitbegründer der Molekularküche Ferran Adrià

Fotos: PR

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er Versuch, das elBulli ohne Superlative zu bescheiben, ist das aussichtsloseste Unterfangen, das man sich vornehmen kann. Bis zu seiner Schließung im Jahr 2011 galt es, von fünf hundert Fachleuten aus der Gastrowelt gekürt, als das beste Restaurant der Welt. Von 1997 bis 2011 hielt das Restaurant kontinuierlich drei Michelinsterne. Nur sechs Monate im Jahr öffnete Ferran Adrià seine Türen für die Öffentlichkeit, in den restlichen sechs wurden Rezepte für die neue Saison erprobt. In der extra dafür gebauten Küchenwerkstatt in Barcelona wurde an der Umsetzung jedes einzelnen dieser Gerichte gearbeitet. Die dabei entstandenen gastronomischen Kreationen und Innovationen haben Köche und Restaurants in der ganzen Welt inspiriert. Das Buch elBulli 2005-2011 ist quasi das Werkverzeichnis des Kochkünstlers Ferran Adrià. Es besteht aus sieben Tei-

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len, jeder steht für eine Saison zwischen den Jahren 2005 und 2011. Jeder Band beginnt mit Fotografien der Gerichte, gefolgt von detailgenauen Rezepten. Es wird auf schwer auffindbare Produkte eingegangen und nicht mit Tipps für die perfekte Präsentation gespart. Die sieben Bände gewähren mit ihren umfassenden Darstellungen einen

noch nie dagewesenen Einblick in die Welt von Ferran Adrià und die kulinarische Kreativität, die dem elBulli zu seinem Weltruhm verhalf. Ein absolutes Muss für jeden, der sich für die Neue Küche interessiert und die allerletzte Möglichkeit, die Geheimnisse des legendären Restaurants zu entdecken, dessen Türen nun für immer geschlossen sind.

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Gib mir

Knabberkram

Sich zwischen den Mahlzeiten an Knabberkram aller Art zu erfreuen … das soll man eigentlich nicht tun! Eigentlich, finden wir, kann man auf solche Ratschläge auch ganz gut pfeifen! Warum eigentlich nicht 5-mal?

lisa‘s

Kernenergie

Nur die besten Zutaten, die aber in Bio und alle­ samt im Kessel gebacken, so lauten die guten Vorsätze der Leute die Lisa’s Kartoffelchips backen. Das Ergebnis schmeckt frisch und beherzt gewürzt. Tüte leer, gute Vorsätze im Eimer? Eine neue liegt für rund 2 Euro bei Edeka

Nüsse aus den besten Anbaugebieten der Erde, naturbelassen oder mit edlen Gewürzen verfeinert, in der praktischen Aludose oder als selbstgemischte Nusskomposition, ja ist denn schon wieder Weihnachten? Nein, diesen Luxus gibt es ganzjährig ab 2,90 Euro unter www.kern-energie.com

Nach Feierabend die Füße hochlegen und eine Pizza nach der anderen verputzen? Mit den Bake Rolls von 7 DAYS kann man diesen paradiesischen Zustand wenigstens mal simulieren. Die gebackenen Brotscheiben in der Geschmacksrichtung Tomate, Olive & Oregano erinnern tatsächlich ein bisschen an den Italiener an der Ecke. Die herzhaften Spaßmacher gibt‘s ohne Reservierung ab 1 Euro aufwärts an fast jeder Ecke

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Fotos: Andrea Thode, Hersteller

Bake rolls


Terra blue chips Nicht die knusprigsten aber die buntesten! Die blaue Kar­ toffel aus Peru wird weltweit von Köchen und Feinschmeckern geschätzt. Jetzt kann man sie auch beim Fernsehen aus der Tüte mümmeln. Für den Fall, dass es mal zwei Beutel werden, bäckt der Hersteller sie mit weniger Fett und weniger Salz als herkömmliche Chips. Die easy-to-open Tüte liegt gut ­verschlossen für rund 3 Euro bei Edeka in der ­Knabberecke

goldgräber Diese Cashewkerne haben was drauf. Bei der fettarmen Röstung wird ein feiner Currymantel um die Kerne gelegt. Wer zugreift und sich durchbeißt, erlebt genau das, was auf der Packung steht: Erst ist es würzig und fruchtig und dann wird‘s nussig, knackig und süß. Garantiert ohne Konservierungsstoffe, künstliche Aromen oder künstliche Farbstoffe. Wer süchtig danach wird, hat gute Karten, die Tüte kostet 2,95 Euro, bei www.wellnuss.de kann man allerdings auch ein Abo abschließen

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Effilee #28 Frühjahr 2014


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Heiler Gastro & Hotel Betriebs GmbH Weingut, Gastronomie und Hotel Am Mühlberg 3 76684 Östringen Tiefenbach

di nunno * delikat essen wie in Italien Italienische Feinkost Kirchplatz 8 77704 Oberkirch +49 7802 / 70 60 470

Prohoga Ortenau GmbH & Co. KG Gastronomie Großhandel Gewerbestr. 11 77749 Hohberg +49 7808 / 94 92 23

Prohoga GmbH & Co. KG Gastronomie Großhandel Salinenstr. 56 78054 Schwenningen +49 7720 / 83 35 22

Zum Goldenen Ochsen Ringhotel Restaurant Bar Restaurant Zoznegger Str. 2 78333 Stockach +49 7771 / 91 840

Bacchus Vinothek Weinfachhandel Oberndorferstr. 2 78628 Rottweil +49 741 / 17 206

Confiserie Rafael Mutter Gmbh & Co. KG Confiserie Gerberau 5 79098 Freiburg +49 761 / 29 27 141

Walter & Benjamin Weinhandlung, Weinbar und Restaurant Rumfordstr. 1 80469 München +49 89 / 26 02 41 74

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Kolonial Feinkost, Küchenartikel und Kochbücher Jakobsplatz 13 86152 Augsburg +49 821 / 22 74 035

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Effilee #28 Frühjahr 2014

Feinkost Mühlstr. 4 a 86919 Utting a. Ammersee +49 8806 / 95 94 33

Buchladen und Café-Weinbar Friedrichstr. 53 88045 Friedrichshafen +49 7541 / 70 06 62

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Weinhandel Schützenstr. 1 88709 Meersburg +49 7532 / 49 450

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Wein

Auch in diesem Jahr führen wir gemeinsam mit dem Weinblog ENO WorldWine einen Wettbewerb für deutsche Rieslinge durch. Die große Zahl angestellter Weine war nur zum Teil der Tatsache geschuldet, dass wir mit reifen Rieslingen und Süßweinen zwei neue Kategorien eingeführt hatten: Auch die Zahl der trockenen Jahrgangsweine – diesmal war es der Jahrgang 2012 – lag mit etwa 260 deutlich höher als im Vorjahr. Die Gewinner werden auf der Prowein bekannt gegeben, 50 der trockenen Weine, die es in die Endausscheidung geschafft haben, präsentieren wir hier.

D

ieses Jahr kamen 23 Weine aus Baden, 29 aus Franken, 4 von der Hessischen Bergstraße, 3 vom Mittelrhein, 70 von der Mosel, 14 von der Nahe, 87 aus der Pfalz, 40 aus dem Rheingau, 48 aus Rheinhessen, 2 aus Sachsen und 27 aus Württemberg. Alles in allem zeigte der Jahrgang 2012 eine erstaunliche Qualitätsdichte. Wir haben 54 Weine in die Endausscheidung nehmen müssen, darunter einige ausgesprochene Traumweine, die in den Vorverkostungen Höchstnoten erhalten

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hatten. Erfreulich war die Tatsache, dass der Alkoholgehalt der trockenen Weine, der im Vorjahr noch 14,5 und mehr ­Vol.-% erreicht hatte, diesmal nicht über 13,5 Vol.-% stieg. Auch im Segment zwischen 11 und 12,5 Vol.-% waren tolle Weine dabei. Von den Top 50 (54) der trockenen 2012er, die in die Endausscheidung gelangten, waren 5 aus Baden, 3 aus Franken, 8 von der Mosel, 2 von der Nahe, 19 aus der Pfalz, 9 aus dem Rheingau, 6 aus Rheinhessen und je einer aus Sachsen und

Württemberg. Unter den teilnehmenden Betrieben waren viele renommierte VDPBetriebe, aber auch Genossenschaften und Staatsweingüter. An den Vorverkostungen waren Gerhard Retter, Elisabeth Füngers, Vijay Sapre, Norbert Müller, Anton Viehhauser, Eberhard Jourdan, Markus Ernst und Eckhard Supp beteiligt, die Schlussjury, die Anfang März die besten drei aus den verbliebenen 54 Weinen auswählen wird, wird voraussichtlich aus demselben Personenkreis zusammengesetzt sein.

Effilee #28 Frühjahr 2014

Foto: Andrea Thode  Weinfotos: Effilee  Verkostungsnotizen: Eckhard Supp

Zweite Deutsche Riesling Challenge


Forster Ungeheuer Riesling Georg Mosbacher, Pfalz Silbriges Strohgelb, tiefer, feiner Rieslingduft mit Zitrusnoten und Melisse, fest, kräftig, sehr gute Balance und Alterungsfähigkeit

Deidesheimer Riesling Kalkstein Georg Mosbacher, Pfalz Glänzendes Gelbsilber, im Duft noch sehr verschlossen, fest, mineralisch, mit guter Rieslingaromatik am Gaumen, Grapefruit­ aromen tragen sehr lange, schöner Wein, der noch Zeit braucht

Erbacher Siegelsberg Riesling Jakob Jung, Rheingau Strohgelb, feiner und tiefer Rieslingduft, gelbes Steinobst und Würze, auch etwas Brennnessel, dicht und fest am Gaumen, noch junge, klassische Säure, schöner Riesling

Dirmsteiner Mandelpfad Riesling Knipser, Pfalz Leuchtendes Grüngelb, tiefer, sehr feiner Duft, am Gaumen feste Frucht, Struktur, aromatischer Ausdruck, schöner Wein

Binger Riesling Quarzit Riffel, Nahe Schönes Grünstroh, sehr tiefes, würziges Aroma im Duft, dichter, fester und saftiger Körper, sehr schöner Wein, der im Finish noch ein wenig auster ist, aber reifen kann

Serriger Herrenberg Riesling Terra Saar Dr. Siemens, Mosel Helles Gelbsilber, feingliedriger Duft mit Zitrusnoten, Pfeffer, Melisse, am Gaumen fest, gutes Säurespiel, reifefähiger Wein

Windesheimer ­Römerberg Riesling R Sinß, Nahe Helles Stroh, Melisse und Pfeffer im Duft, schöne Zitrusnoten, dicht, mineralische Aromatik, schöne Tiefe und Länge, eleganter Wein, aber noch ein wenig grün im Finish

Trittenheimer ­Leiterchen Riesling Milz - Laurentiushof, Mosel Schönes Grüngelb, tiefer, aber noch etwas verhaltener Duft, burgundische Noten, Saft, Stoff, Aromatik, Länge im Abgang, sehr schöner Wein

Pfalz Riesling Steinreich Heiner Sauer, Pfalz Schönes Grüngelb, tiefer, würziger Rieslingduft, am Gaumen Kraft, Struktur, sehr schöne Aromatik, Länge im Abgang

Rheinhessen Riesling *** Dr. Heyden, Rheinhessen Grünsilber, im Duft sehr feingliedrig, Zitrus- und Melissenoten, am Gaumen große Frucht, Struktur und Säure stimmen, sehr feiner, eleganter Riesling

Effilee #28 Frühjahr 2014

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Wein

Wiltinger Braunfels Riesling Van Volxem, Mosel Leuchtendes Grüngelb, tiefer Duft nach gelbem Steinobst, stoffig und fest am Gaumen, schöner Riesling

Wiesenbronner Heller Berg Riesling G Roth, Franken Grünsilber, Melisse, Steinobst im Duft, feine Textur und gute Struktur, Aromatik gut

Brauneberger Kammer Riesling Paulinshof, Mosel Gutes Strohgelb, feiner und recht tiefer, aber auch noch verhaltener Duft, dicht, fest und saftig am Gaumen

Casteller Hohnart Riesling Fürstlich Castell‘sches Domänenamt, Franken Grünstroh, im Duft mit etwas Lüftung sehr würzig und tief, anregendes Aroma, dichter Körper mit üppiger Frucht, sehr schöner Wein

Oestricher Doosberg Riesling S August Eser, Rheingau Helles Grünstroh, Melisse und Zitrusfrucht, feiner, tiefer Duft, fruchtiger Charakter am Gaumen, schöner aromatischer Ausdruck

Oestricher Lenchen Riesling S August Eser, Rheingau Helles Strohgelb, viel Pfirsich und Aprikose im Duft, auch Rosenblätter, am Gaumen schlank, aber fest strukturiert, gute, noch junge Säure

Baden Riesling *** Alexander Laible, Baden Schönes Grünstroh, mineralischer Duft, dichter, fester Körper, gute Aromatik

Baden Riesling Alte Reben SG Alexander Laible, Baden Gutes Gelb, Nüsse, Mandarine, kandierte Früchte, dicht, fest am Gaumen, sehr schöner aromatischer Ausdruck, reifer Wein mit guter Länge im Abgang

Laumersheimer Riesling Alte Reben Philipp Kuhn, Pfalz Leuchtendes Grüngelb, tiefer Duft mit einer Spur überreifer Noten, mit der Lüftung immer würziger und mineralischer, dicht, fest, mit viel Kraft und schöner Säurestruktur, sehr schöner Riesling

Großkarlbacher ­Burgweg Riesling Philipp Kuhn, Pfalz Leuchtendes Strohgelb, feine und tiefe Würze in der Nase, dicht, fest, saftig, schöner, fruchtbetonter Wein

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Effilee #28 Frühjahr 2014


Laumersheimer ­Steinbuckel Riesling Philipp Kuhn, Pfalz Leuchtendes Grüngelb, feiner Duft von gelbem Steinobst, etwas Zitrus­ charakter und Melisse, schöne aromatische Tiefe, dichter, saftiger Körper, guter Wein

Rheingau Riesling Abtei St. Hildegard, Rheingau Helles Stroh, mineralischer, klassischer Rieslingduft, am Gaumen schöne Frucht, feste, fast stahlige Struktur, schöner Wein

Durbacher Bienengarten Klingelberger 1782 Andreas Männle, Baden Helles Stroh, Apfelschale, im Duft noch sehr verhalten, am Gaumen große Kraft und feste Säurestruktur, schöner Riesling, der noch Zeit braucht

Deidesheimer ­Grainhübel Riesling von Winning, Pfalz Gelbsilber, im Duft leichte Exotik, Birne und Banane, dahinter eine Spur Mineralik, am Gaumen geradlinig, aber wenig Struktur und Tiefe

Forster Ungeheuer Riesling von Winning, Pfalz Schönes Gelbstroh, gelbes Steinobst und Mineralik im Duft, am Gaumen Kraft und Dichte, aber auch gute Eleganz

Deidesheimer Kalkofen Riesling von Winning, Pfalz Schönes Grüngelb, gelbes Steinobst und Birne, am Gaumen fest, anfangs aber ohne viel aromatischen Ausdruck, braucht sehr lange, bis er sich öffnet

Rüdesheimer Berg ­Rottland Riesling Künstler, Rheingau Strohfarben, im Duft noch verschlossen, aber schon recht tief, fruchtige Säure am Gaumen, anfangs fehlen etwas Dichte und Tiefe, mit längerer Lüftung öffnet er sich aber sehr schön

Rüdesheimer Berg Schlossberg Riesling August Kesseler, Rheingau Helles Grüngelb, im Duft verhalten, aber reintönig, fest, saftig, eine Spur Restsüße, die gut eingebunden ist

Rödelseer Hoheleite Riesling Wolfgang Weltner, Franken Schönes Strohgelb, sehr tiefer, reicher Duft, mineralisch und mit gelbem Steinobst, dicht, kräftig, sehr schöner aromatischer Ausdruck

Ungsteiner Weilberg Riesling Oliver Zeter, Pfalz Leuchtendes Grüngelb, verhaltener, aber sehr tiefer Duft, leicht burgundische Note, am Gaumen kompakt, Reifepotenzial, großer Wein

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Wein

Haardter Bürgergarten Riesling Breumel in den Mauern Müller-Catoir, Pfalz Leuchtendes Strohgelb, im Duft sehr verschlossen, aber mit gelbem Steinobst und leichter Mineralität, großer Stoff am Gaumen, fest strukturierter, kompakter Riesling

Haardter Bürgergarten Riesling Müller-Catoir, Pfalz Schönes Grüngelb, tiefer, mineralischer Duft, Dichte, Kraft am Gaumen, sehr schöner Riesling

Sachsen Riesling Schloss Proschwitz - Prinz zur Lippe, Sachsen Helles Grünsilber, Booskopschale, dahinter feine Würze, gute aromatische Tiefe, am Gaumen viel Kraft, Struktur, Länge im Abgang, sehr klassischer Wein

Lorcher Bodental­Steinberg Riesling Mohr, Rheingau Glanzhelles Strohgelb, feiner Melisse- und Aprikosenduft, dicht, stoffig, saftig, schöner Wein

Deidesheimer Paradiesgarten Riesling Georg Siben Erben, Pfalz Leuchtendes Grünsilber, im Duft klassische Rieslingnoten, Zitrus, Melisse, Mineralik, am Gaumen fest strukturiert, schöne Säure, kann reifen

Westhofener Morstein Riesling Michel-Pfannebecker, Rheinhessen Helles Strohsilber, feiner Duft nach gelbem Steinobst, dicht, fest und stoffig, schöner Fruchtcharakter bis ins Finish, wird in der offenen Flasche immer besser

Westhofener Steingrube Riesling Michel-Pfannebecker, Rheinhessen Glanzhelles Grünsilber, Pfirsich, dichter, fester Körper mit viel Saft und schönem aromatischem Ausdruck

Flomborner Feuerberg Riesling Selection Rheinhessen Michel-Pfannebecker, Rheinhessen Glanzhelles Grünstroh, tiefer, sehr anregender Rieslingduft mit Melisse und Zitrusfrucht, dicht, saftig, fruchtig, sehr schöne Länge im Abgang

Forster Kirchenstück Riesling Heinrich Spindler, Pfalz Strohgelb, tiefer Duft mit leicht exotischen Fruchtnoten, dicht, fest, Restsüße gut eingebunden, am Gaumen fast stahliger Charakter, guter Riesling

Erbach Marcobrunn Riesling von Oetinger, Rheingau Silbriges Strohgelb, feiner, tiefer, aber noch verhaltener Duft, dicht und fest am Gaumen, schöner Wein

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Mülheimer Elisenberg Riesling Bauer, Mosel Schönes, leuchtendes Grüngelb, gelbes Steinobst und eine Spur süße Banane im Duft, am Gaumen dicht und kräftig, viel Stoff, gute Länge im Abgang

Bissersheimer Goldberg Riesling Schützenhaus *** Wageck-Pfaffmann GbR, Pfalz Schönes Grüngelb, feiner Aprikosenduft, dicht, fest, saftig, kann reifen

Bissersheimer Goldberg Riesling I. D.. H…. *** Wageck-Pfaffmann GbR, Pfalz Leuchtendes Gelbsilber, schöner Rieslingduft mit Zitrusnoten, Cassis und Pfeffer, dicht und saftig, Restsüße etwas spürbar, insgesamt schöner Wein

Rüdesheimer Berg Schlossberg Riesling Georg Breuer, Rheingau Leuchtendes Grüngelb, schöner Duft nach gelbem Steinobst, dichter Körper, viel Kraft, schöne Länge im Abgang

Winninger Röttgen Riesling Heymann-Löwenstein, Mosel Dichtes, leuchtendes Grüngelb, nussig-mineralischer Duft, großer Körper, feste Struktur, reifefähiger, sehr guter Riesling

Winninger Uhlen ­Riesling Laubach Heymann-Löwenstein, Mosel Leuchtendes, dichtes Grüngelb, verhalten im Duft, am Gaumen enorme Kraft, Tiefe und Länge

Baden Klingelberger (Riesling) SL Schloss Ortenberg, Baden Leuchtendes Grüngelb, Zitrusnoten und Mandarine, dichter, fester Körper, sehr schöner Wein, nur im Abgang etwas ungewöhn­ liche Aromen

Piesporter Gold­ tröpfchen Riesling *** Hain, Mosel Dichtes, intensiv leuchtendes Grüngelb, etwas Schwefel, dann schöne aromatische Entfaltung, am Gaumen große Kraft, fest strukturiert, fehlt noch etwas der aromatische Ausdruck, kann reifen

Deidesheimer Kalkofen Riesling Julius Ferdinand Kimich, Pfalz Dichtes Strohgelb, süßliche Frucht in der Nase, am Gaumen sehr dicht, leichte Restsüße gut eingebaut, sehr reicher Wein, dem noch etwas die aromatische Tiefe fehlt

Deidesheimer ­Kieselberg Riesling Julius Ferdinand Kimich, Pfalz Leuchtendes Strohgelb, im Duft noch sehr verschlossen, dafür umso mehr Kraft und Tiefe am Gaumen, großer, mineralischer und kompakter Riesling

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kritik: wein Parfum der Erde 48° 46’ 53’’ north oo9° 22’ 05’’ east Schillerwein 2012 Württemberg, Deutschland Dr. Rainer Scholz hat in Deutschland die Lkw-Maut installiert. Da der Hamburger Kaufmann nicht auf die Pkw-Maut warten wollte, begann er, nahe Stuttgart unter dem Namen Parfum der Erde Wein zu erzeugen. Inzwischen hat Scholz außer eigenen Trauben auch einen Weinmacher, der zugleich sein Geschäftspartner ist: Andi Knauß, eines der bemerkenswertesten Talente des Weinbaus in Stephan Württemberg. In Reinhardt Strümpfelbach ist Redakteur und Autor haben die beiden zuletzt eine schicke, topmoderne Kellerei hingestellt, in der sie beide – Knauß und Knauß/ Scholz – ihre Weine ausbauen. Einer der schönsten ist der Schillerwein, eine traditionelle, lachsfarbene Spezialität aus Württemberg, für die rote und weiße Trauben zusammen auf die Kelter kommen, gepresst und vergoren werden. Ein Drittel der aus Spätburgunder und Riesling komponierten Ode an die Trinkfreude wurde im Holz ausgebaut, der Rest im Edelstahl. Herausgekommen ist ein vollmundig-eleganter Rosé mit fülligem Körper, dessen vitale Säure dem Wein einen spannungsreichen und erstaunlich langen Nachhall verleiht.   Parfum der Erde? Wohl schon, denn der Charakter dieses delika-

Bodega Noemía A LISA 2011 Patagonien, Argentinien Patagonien? Ist das nicht die Region im Süden des Kontinents mit vielen Gletschern und der Pampa? Wo sollen den dort bitte, in dieser bizarren, unwirklichen und rauen Landschaft Weinreben wachsen? Zum Beispiel im Río-Negro-Tal, 620 Meilen südlich von Buenos Aires. Hier fanden die italienische Gräfin Noemi Cinzano und ihr Mann, der Däne Hans Vinding-Diers zwölf Hektar Weingärten mit uralten Malbec-Reben. Die wurzelechten Rebstöcke in einer größtenteils unberührten Natur werden biodynamisch gepflegt. So entstehen Weine mit einer Christina wunderbaren KlarHilker heit und tänzeriwar 2005 Sommelière des schen Frische, keiJahres und leitet ne holzüberladenen heute die AgenFruchtbomben. tur Sommelier A Lisa, eine Consult Cuvée aus überwiegend Malbec, etwas Merlot und Petit Verdot erinnert im Duft an helle rote Beeren, zum Beispiel Johannisbeeren, Waldhimbeeren und Josta. Dieser Beerenduft wir von floralen Anklängen begleitet, die an Veilchen und Buchsbaum denken lassen. Der Holzeinsatz ist gekonnt und bleibt elegant im Hintergrund. Er deutet sich lediglich mit einer zarten Würze an, die von einer feinen Duftnote von rosa Pfefferbeeren umrahmt wird.

ten Weines ist so einzigartig wie der seiner Herkunft, dessen Geokoordinaten das

Mit seiner erfrischenden

Etikett so poetisch wiedergibt, als sei der

Frucht, seiner anregenden Säure und der

Wein ein Lkw auf deutschen Autobahnen

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Charles Dufour Blanc de Blancs Avalon LR.10 Brut Nature Champagne, Frankreich Von den Teilgebieten der Champagne ist die Côte des Bar bis heute so etwas wie das Stiefkind. So hat man erst in den Sechzigern mit dem aufkommenden ChampagnerBoom alte Flächen rekultiviert. Einer der damaligen Pio­ niere war Robert Dufour, der Großvater des heutigen Christoph Weingutbesitzers Raffelt Charles Dufour. ist Texter und schreibt seit Der baut den Jahren unter Chardonnay im originalverkorkt. Falle des Avalon de über Wein reinsortig aus, erntet spät, vergärt mit wilden Hefen im großen Holzfass und setzt beim Degorgieren weder Schwefel noch Dosage hinzu. Entsprechend individuell ist dieser Champagner aus dem Jahrgang 2010. Er sollte über einen ganzen Abend hinweg genossen werden, denn er verändert sich ständig. Zunächst prägen Blüten, Butterkeks und ein leichter Holzton den Duft. Später sind es Quitten, Limetten, Brioche und Honig, während am Gaumen die salzige Mineralität im Zusammenspiel mit Noten von Grapefruit, weißem Obst und Trockenkräutern beeindruckt. Vor allem aber die straffe, doch balancierte Säure und das zunehmend Schmelzige geben einem das Gefühl, als balanciere man auf einer Messerschneide, während man gleichzeitig eine Crème brûlée verspeist. Dieser Blanc de Blancs ist weit entfernt vom Stil der großen Häuser und gleichzeitig Ausdruck einer höchst dynamischen Winzerszene, die sich an der Côte des Bar etabliert hat.   Blanc de Blancs, kompromiss-

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ne ho e t iP Si m er hn er en sa d t d ab te un rec Mi p h ezep ttel lum Ap e R ufze zah all nka nen che Ei rso Tas Pe der in

Stéphane Ogier 2011 Syrah d’Ogier Collines Rhodaniennes, Frankreich

Kayra Saraplari ˘ azkere 2010 Denizli Bog S¸is¸ li, Istanbul, Türkei

Der Beweis, dass viel Wein für einen angemessenen Preis möglich ist, beweist Stéphane Ogier mit diesem feinen Old World Syrah aus jungen Rebstöcken. Das Weingut hat seit zehn Jahren kontinuierlich seine Position unter den Spitzenerzeugern an der Côte-Rotie ausgebaut. Das schlägt sich auch in der Basisqualität des Hauses nieder. 1983 fing Michel Ogier mit bescheidenen drei Hektar an und verkaufte seine Trauben an solche Granden wie Guigal und Chapoutier. 1997 stieg sein Sohn Stéphane, ausgebildet im Burgund, mit in das Familienunternehmen ein. Heute bewirtschaften die Ogiers über elf Hektar auf den steilen Granitterrassen in einer der ältesten Wein­regionen Europas. Die Stilistik ihrer Weine neigt mit zunehmender Reife, sich zu pinoti­sieren, eine fiHendrik Thoma ligrane Duftigkeit, ist Master wie große BurgunSommelier und der sie haben, zu Gastgeber des Online Weinentwickeln. Videoportals Der Syrah Weinamlimit.de d’Ogier ist ein ehrlicher Wein, der nichts kaschiert. Mich begeistert der klassische Duft der Nord-Rhône, den dieser Stoff mit sich bringt: weißer Pfeffer, Sauerkirschen, Lakritz, Veilchen, schwarze Oliven und Kräuter, wie Thymian und Rosmarin. Sicherlich ist er nicht so dicht und komplex wie die großen Weine der nördlichen Rhône, aber dafür mit den gleichen Merkmalen ausgestattet. Ein frischer, mittelgewichtiger Wein, den ich mir leicht gekühlt zu einem Steak tartare wünschen würde.

Im Weinbau des östlichen Mittelmeers herrscht Aufbruchstimmung. Griechenland erzeugt schon seit ein oder zwei Jahrzehnten Weine von Weltklasse, im Libanon ist Château Musar seit Generationen Legende und auch von Zypern kommen in jüngster Zeit interessante Weine. Das gilt seit einigen Jahren auch für die Türkei, das Land mit der weltweit viert- oder fünftgrößten Rebfläche, das aber fast ausschließlich Rosinen produziert, oder besser: produzierte. Denn die Türken sind im Kommen. Und das nicht nur mit Weinen aus den französischen Rebsorten Chardonnay, Cabernet Sauvignon, Syrah oder Merlot, sondern auch mit einheimischen Rebsorten, von denen nun wirklich kaum jemand zuvor gehört haben dürfte. Oder kennen sie Narince, Eckhard Supp Kalecik Karası, gibt unter Öközgözü und ­enobooks.de ­ Boğazkere? Sind eine der wichihnen Karasakiz tigsten deutschen Onlineoder Yapıncak etwa Publikationen ein Begriff? zum Thema Aus einer dieWein heraus ser Rebsorten, der roten Boğazkere, wird auch dieser Wein des Weinguts Kayra, eines der besten des Landes, gekeltert: Mit seiner lebendigen, kirschroten Farbe, Sauerkirschen und Rauchnoten im Duft, in dem der Fruchtcharakter mit der Lüftung immer intensiver wird, mit viel Saft, guter Struktur im Mund, wobei die ungewöhnlichen Bonbonaromen im Finish der deutlichste Hinweise auf eine ungewöhnliche Rebsorte sind, dürfte der Wein auch hierzulande Liebhaber gewinnen.

Darf Wein Spaß machen? Welche Frage! Dieser tut es einfach ganz

Kein Schnäppchen, aber mit

unbekümmert

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Effilee #28 Frühjahr 2014


Jacques Lassaigne Les Vignes De Montgueux Montgueux, Champagne, Frankreich Zwischen der Côte des Blancs und der Côte des Bar liegt der Ort Montgueux im Süden der Champagne. Dort ist das Haus Jacques Lassaigne seit 1960 ansässig, seit 1999 leitet der Sohn Emmanuel den 4,5 Hektar großen Betrieb. Ein Négoce Manipulant ist das Haus, das heißt ein Betrieb, der Trauben oder Wein zukauft, um daraus Champagner nach seinen eigenen Vorstellungen herzustellen. Ein Gast aus den Niederlanden brachte mir vor zwei Jahren eine Flasche mit. »Der heiße Scheiß in Pariser Weinbars grade«, raunte er mir zu. »Hundert Prozent Chardonnay, null Frucht.« Ich ­erinnerte die Nase als wenig von Früchten ge­ tragen, sondern mehr durch Sekun­ där­a romen wie Brioche, aber auch nasse Steine, Kamille und feuchte Tafelkreide. Am Sebastian Gaumen deutlich Bordthäuser trocken dosiert, schreibt über keine von LassaigWein, Sake und Cocktails und nes Weinen bringt ist Sommelier mehr als drei in Steinheuers Gramm Zucker auf Restaurant die Flasche. Für die Rezension musste nachprobiert werden. Als ich die neue Flasche öffne, klingelt es und es schaut Besuch vorbei. Wir kosten zusammen. »Völlig trocken, kreidig mit griffiger Struktur und feinem Mousseux«, würde ich sagen, »drahtig kerniger Apéro«, sagte mein Besuch und goss freudig nach. Ruckzuck war die Flasche leer, zum Teil lag es bestimmt am vollreifen Langres sowie dem Roggenbrot, mit dem wir ihn aufwischten. Zum anderen am Wein, oder der völlig fehlenden Ehrfurcht davor.   Damit der Besuch nicht auf

Thibault Liger-Belair Moulin à Vent vieilles ­vignes 2011 Gamay, Beaujolais, Frankreich Seit hier vor ungefähr drei Jahren ein Wein von Thibault – ich glaube, es war der Les St. Georges – gewürdigt wurde, hat sich einiges auf der Domaine getan. Hinzugekommen zu seinem schon recht ansehnlichen Portfolio an der Côte d’Or sind einige Lagen in Moulin à Vent mit teilweise uralten, wurzelechten Reben. Schon immer ein Freund von guten Beaujolais-Weinen – ja, genau; die gab es schon immer, nicht erst seit der Journalismus das Beaujolais wieder für hip erklärt hat – beobachtete er genauestens, welche Parzellen mit interessantem Rebbestand zum Norbert Müller öffnet seinen Verkauf anstanWeinladen im den; und schlug Schanzenviertel 2008 zu. jeden DonnersDieser hier tag und Freitag ab 16 Uhr ist praktisch der Basiswein aus sechzig bis achtzig Jahre alten Reben aus fünf verschiedenen Lagen unterhalb der namensgebenden Windmühle auf mittlerer Höhe. Er zeigt das ganze Können des Winzers Thibault Liger-Belair: Obwohl in den ersten Lebensjahren eines Weines eigentlich unvermeidlich, wird hier in keinster Weise dem Wein irgendein Winzerstempel aufgedrückt. Thibaults Weine sind keine Modeweine. Sein Ansatz ist immer nur jener – im Unterschied zu geschmacklichen Vorlieben, die durch Kommerz und veröffentlichter Meinung entstehen –, die Identität der jeweiligen Lage sich im Wein widerspiegeln zu lassen.   Gehört zum Besten, was die

Weingut Balthasar Ress Blanc de Blanc 2011 Rheingau, Deutschland In einer Blindprobe neulich meinte ich einen Meursault im Glas zu haben, zumindest aber war ich mir sicher, dass es sich um einen Weißwein aus dem Burgund handeln musste. Denn es gibt nur wenige Weine, die ihre Herkunft derart eindeutig und eindrucksvoll widerzuspiegeln imstande sind. Dieser hier tat das, da gab es kein Vertun. Weil seine Mineralik den Einsatz von neuem und großzügig getoastetem Holz mühelos schluckte. Weil dieser Wein allenfalls einen Anflug von Quitte aufwies, sich aber ansonsten zutiefst mineralisch und kantig zeigte. Für den unverwechselbaren Charakter eines Weines kann doch nur sein einmaliger Unterboden, Axel Biesler das Terroir sorgen. ist gelernter Chardonnay und Winzer und Burgund, das sind Sommelier. Er lebt, schreibt Konstanten, auf und trinkt in die man sich auch Köln. heute noch blind www.diewein.de verlassen kann. Dachte ich. Tatsächlich sind die Trauben für diesen Wein auf der von Lösslehm geprägten Lage Hattenheimer Hassel im Rheingau gewachsen. Dass er aus Weißburgunder bereitet sei, sagt Betriebsleiter Dirk Würtz, sei dabei völlig unerheblich. Es hätte fast jede andere Sorte oder Lage sein können. Für den Geschmack dieses Weines sei einzig seine Machart verantwortlich: Lange Maischestandzeit, fünfzehn Monate Reifung in FünfhundertLiter-Fässern aus amerikanischer Eiche hätten seinen Charakter geformt. Das alles ist diesem burgundischen Rheingauer sehr gut bekommen, den Begriff Terroir gibt er köstlicher Lächerlichkeit preis.   Mehr Burgund aus dem

dem Trockenen sitzt

Appellation zu bieten hat

Rheingau gibt es nicht

Unter 30 Euro bei weine-visentin.de

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Effilee #28 Frühjahr 2014

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Kritik: Restaurants

Oslo, Norwegen Fauna Jo Bøe Klakegg, Bjørn Svensson

Stockholm, Schweden Frantzén Björn Frantzén

Oslo, Norwegen Ylajali Even Ramsvik

Oslo gehört zu den teuersten Städten der Welt. Selbst in mäßigen Restaurants kann man problemlos ein kleines Vermögen loswerden. Umso erfreulicher wirkt daher das kürzlich eröffnete Fauna, in dem raffiniertes Essen zu relativ günstigen Preisen serviert wird. Fünf Gänge kosten etwa 90, die Weinbegleitung rund 80 Euro – für Osloer Verhältnisse fast ein Schnäppchen. Entsprechend gut gefüllt war das Lokal bei unserem Besuch an einem Mittwochabend. Das Publikum ist hip, das Interieur nordisch gestylt, die Atmosphäre aber sehr locker. Die Küchenleitung haben Bjørn Svensson, vormals Oscarsgate, und der NomaAlumnus Jo Bøe Klakegg inne. So verspielt und herausfordernd wie in diesen Restaurants geht es im Fauna zwar nicht zu, aber ausgefeilt und wohlschmeckend sind die meisten Gerichte allemal: Ein köstliches Tatar vom Charolais-Rind mit Estragon und geriebenem VästerbottenKäse hat eine abwechslungsreiche Würze und bekommt durch knusprige Gerstensamen einen schönen Texturkontrast. Auch der Rochenflügel mit gegrillten Rüben und Verbene oder die sous-vide gegarte, butterzarte Lammbrust mit Topinambur und Zwiebelvariation gefallen durch ausgezeichnete Würze und bemerkenswert hohe Produktqualität. Hier und da gibt es noch kleine Stolperer, etwa wenn ein Hummersalat mit Kartoffeln zu kühl serviert wird oder ein Holundersorbet mit eingelegter Birne viel zu süß gerät. Aber das verzeiht man in diesem sympathischen Wohlfühl-Restaurant gerne. Kai Mihm, sternefresser.de

Vor genau einem Jahr wurde aus dem berühmten Stockholmer Restaurant Frantzén/Lindeberg das Restaurant Frantzén, weil Co-Inhaber Daniel Lindeberg eigene Wege gehen wollte. An der Qualität der Speisen änderte sich jedoch nichts. Björn Frantzén serviert eine produktorientierte Küche, deren nordische Prägung durch exotischere Zutaten wie Safran gebrochen wird. Bei allem Aufwand in der Zubereitung wirken die Gänge bisweilen so puristisch wie das Interieur des winzigen Eckrestaurants: Eine einzelne Spargelstange wird mit einer Nocke Pistazien-Chutney serviert, eine Tranche sensationellen Steinbutts lediglich von einer hochfeinen Misocreme aromatisch unterstützt. Andere Gerichte wiederum muten geradezu barock an, zum Beispiel ein Jakbosbmuschelgericht, das Frantzén in drei Stufen zelebriert: erst die in der Schale gegrillte Muschel mit flaumiger Dashi-Hollandaise und Trüffel, danach ein Dashi, das man aus der Muschel­ schale schlürft, und schließlich eine Nocke großartig gewürzten Jakobsmuscheltatars. Oder aber der Klassiker, ein Gemüsegang, der es in Sachen Wohlgeschmack und Spannung locker mit dem Vorbild von Michel Bras aufnehmen kann. Diese Mischung aus Reduktion und Üppigkeit macht einen Teil des Gesamterlebnisses aus. Manche Gäste schwören auf einen Thekenplatz an der offenen Küche, wo die Gerüche im Lauf das Abends aber recht intensiv werden. Wir würden nächstes Mal eher an einem der Tische Platz nehmen. Kai Mihm, sternefresser.de

In Norwegen tut sich was. Dank des viel gehypten Maaemo gehört Oslo inzwischen zu den Fixpunkten auf der kulinarischen Weltkarte. Weniger bekannt, aber kaum weniger gut, ist das Restaurant Ylajali, benannt nach einer Hauptfigur aus Knut Hamsuns Roman Hunger, deren (fiktive) Wohnung sich im gleichen Gebäude befand, wie das Restaurant. Küchenchef Even Ramsvik serviert eine New Nordic Cuisine, die auf angenehme Weise zwischen herausfordernder Experimentierfreude und aromatischer Gefälligkeit pendelt. Zur ersten Kategorie gehört unter anderem ein in Heu gebackener Steinbutt mit Heu-Bärlauch-Sauce, der im ersten Moment allzu lauchig-scharf und durch das Heu irritierend nach Stall schmeckt. Haben sich die Papillen aber erst einmal darauf eingestellt, wird daraus ein origineller Hochgenuss. Ähnlich verhält es sich mit einer Kreation aus norwegischem Höhlenkäse, dessen leicht muffige Intensität einem zunächst fast den Atem raubt – bis er von Sanddorn und brauner Butter gemildert und wunderbar harmonisiert wird. Dazwischen gibt es zugänglichere Gerichte wie Jakobsmuscheltatar mit Gurke und Seegras oder eine abwechslungsreiche Variation von Wurzelgemüsen mit Mandelkernen und einer Vinaigrette aus Løjrom-Kaviar. Gemein ist sämtlichen Gerichten eine große aromatische Wucht, ohne dass sie dadurch plump wirken. Ramsviks Kreationen schmecken kraftvoll, zugleich fein und vor allem individuell. Kai Mihm, sternefresser.de

Zu Recht eines der am   Bodenständige, aber trotz-

Eigenwillige Spitzenküche in

höchsten gelobten Restaurants in Skandi-

eleganter Atmosphäre: Auf nach Oslo!

dem raffinierte Küche zu fairen Preisen

navien

St. Olavs plass 2, 0165 Oslo

Solligata 2, 0254 Oslo

Lilla Nygatan 21, 111 28 Stockholm

www.ylajali.no

www.restaurantfauna.no

www.restaurantfrantzen.com

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• = Weniger empfehlenswert •• = Geht so ••• = Gut, mit Luft nach oben •••• = Unbedingt empfehlenswert ••••• = Göttlich


Basel, Schweiz Der Teufelhof – Atelier Teufelhof – das klingt dem Agnostiker doch gleich dreifach lecker! Die Gourmetabteilung Bel Étage ruhte, im Zweitrestaurant Atelier aber waren mit Hilfe des ebenso empathischen wie kompetenten Service Speisenfolge und Trinkbegleitung rasch zusammengestellt. Ein Winterlicher Salat mit HaselnussVinaigrette, Bündner Fleisch und Croûtons sollte den Anfang machen. Sollte, denn das Trockenfleisch fehlte gänzlich, die Vinaigrette war doch sehr säuerlich und ohne fassbaren Haselnussgeschmack, die Brotwürfel verdächtig vorfabriziert, die Salatauswahl wie eine Tütenmischung aus der Frischetheke. Teufel auch! Auftritt des legendären Kalbskoteletts von der Metzgerei Jenzer in Arlesheim, dessentwegen sie hierher pilgern. Aber aus welchen Löchern nur? Denn was kommt, ist eine Karikatur: dünn, blässlich, durch. Schönes Fett am Rand, doch dessen Geschmack verschwand unter Wildpfefferjus, mit dem es allzu großzügig glaciert worden war. Da hatten wir uns Helvetien großzügiger vorgestellt! Die Bratkartoffeln ein zum großen Teil bitterschwarztrockener Schmerz. Wie kommt ein solches Rezept von der mehr Lern- als Lehrküche für 49 Franken auf die Karte? Ein beschwichtigendes Schokoladentörtchen mit Feigen – aber eine Nocke Vanilleeis mit grobkristallin gefrorenem Kern (so) daneben, dass die 18,50 Franken für den Teller unverfroren wirkten. Genau 100 Franken kostete dieses Dreigangmenü. Plus gut 50 Euro für jene Getränke, die Ärgernis für Ärgernis herunterspülen sollten. Das überschreitet die Grenze zum gefühlten Betrug. Nils Schiffhauer

Ronnenberg bei Hannover, Deutschland Benther Berg Ethno-Food? Kannste haben: Auf zu Widukinds Stamm! Außerhalb der Saison ein Matjestörtchen mit matter Currycreme – vor allem außerhalb. Gänseleber im Aspikmantel, nicht nur phänotypisch an Heideschmaus erinnernd. Lachstatartörtchen roh, oben wie unten kurz angebraten: eine schöne Idee, die eine höhere Fischqualität gar zur Denkwürdigkeit erhoben hätte. Übergarte Seezunge um grünen Spargel gewickelt, wo, wenn überhaupt, vielleicht Queller zu erwarten stand, umhüllt von einem Noriblatt, durch das diese Sushi-Camouflage endgültig etwas muffig-heuartiges umwehte. Hirsch à la Hanovre, weil zwar mürbe, aber trocken wie der Staub im Staatsarchiv. Spätzle dazu, die vor allem nach Muskat schmeckten. Daneben Rote Bete, wie Rotkohl zurechtgemacht und auch so aussehend – wunderlich gewürzt. Ziegenkäse, bei dem Alter und Geschmack auseinanderstrebten, darauf knusperlose Brösel aus Trockenkraut, alles auf Rote-Bete-Carpaccio thronend. Champagnersabayone und geschmacklich intensives Mandarinensorbet beschließen das Überraschungsmenü, die Visitenkarte des Chefs. Gut zwanzig Couverts am Samstag­ mittag, Familien, demonstrativer Konsum. Für die Lokalpresse (nehmen die grundsätzlich nur ihre Kantine zum Maßstab?) eines der am besten benoteten Restaurants rund um die Landeshauptstadt. Ob hier die Gäste den Koch erziehen, statt umgekehrt? Von Produktqualität und Küchenleistung her düsseldorfmäßig entkoppelte Preise. Nils Schiffhauer

Shalun Village, Taiwan Blessing Restaurant Flackernde Leuchtstoffröhren, mehr gekachelte Halle als Gastraum, runde Resopaltische mit Drehteller, Einfachststühle aus den 1960ern. Personal: aus prallflämischen Marktszenen entsprungene Fischweiber. Rechts vom Eingang Becken und Aquarien mit Seefisch bis zu gigantischen Meerspinnen. Wenig toter Fisch, Köpfe für die Suppe (in der sie serviert werden). Um nicht zu deuten wie ein Kolonialbeamter, übe ich mein Plattdeutsch. Angemessen bei Seegetier, man versteht hier sonst nur Mandarin. Tief einatmen – jodige Frische, kein Fischgeruch. Schauen, zeigen, bestellen, setzen. Nach und nach füllt sich der Drehteller mit Schalen von Krabben, großen Krebsen, frittiertem Tintenfisch. »Greift zu: Wird kalt sonst!«, in die mit offenem Mund staunenden Gesichter, in die die nächste Stunde geradezu unanständig geschaufelt wird. Überwältigende Aromen, etwa die nussartige Süßfrische der vor zehn Minuten nur kurz in kochendes Wasser geworfenen lebenden Garnelen. Ein wenig Gemüse dazu, Salat, Chilischeibchen, Seetang, Sojasauce. Lärmend füllt sich der Laden, die Tische biegen sich, die Runden um die Tische werden nach Belieben erweitert. Sensationell. 15 Euro pro Person, einschließlich satt Taiwan Beer aus Flaschen, direkt an den Hals gesetzt. Nehmt das Blessing als Beispiel für eine Auffassung von Kochen und Essen, die den durchschnittlichen Mitteleuropäer als Barbaren erscheinen lässt. Angst macht mir die Vorstellung: Wohin führt man Chinesen bei einem Gegenbesuch? Nils Schiffhauer   Ich sage nur: China, China,

Reinfall in der Nähe von

»Selber Schuld!«, sagte eine

China!

Schaffhausen

Passantin, als wir fassungslos zum Spazier-

No. 7-3, Gangkou, Shalun Village, Dayuan

Leonhardsgraben 49, 4051 Basel

gang aufbrachen

Township, Tao­yuan County 337

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Vogelsangstr. 18, 30952 Ronnenberg www.hotel-benther-berg.de

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Kritik: Restaurants

Mannheim, Deutschland Opus V Tristan Brandt

Gravenbruch, Deutschland Sra Bua by Juan Amador Dennis Maier

Wien, Österreich Steirereck Heinz Reitbauer

In Zeiten des Wehklagens über die Gästesituation in der deutschen Spitzengastronomie beweist das Modehaus Engelhorn in Mannheim Mut. In der sechsten Etage des Hauses wurde ein regelrechtes Genießerrefugium in der Sternenklasse geschaffen und mit Tristan Brandt ein hoffnungsvoller Küchenchef gewonnen. Brandt kochte bei Jean-Georges Klein in der Arnsbourg und war danach SousChef bei Christian Bau, bevor er die Meisterschule in Heidelberg absolvierte. Es wird auf klassischem französischem Fundament gekocht, aber es gibt auch viele zündende Ideen: formidabel geriet die Variation von Kohl mit Trüffel und Quinoa, einmal kalt auf dem Deckel serviert mit Blumenkohl-Panna-Cotta, Eis von Rotkohl, gebratenen dünnen Blumenkohlscheiben und etwas Trüffelgelee – wunderbar intensiv, differenziert und haptisch in sich geschlossen. Nach Öffnen des Deckels dann die heiße Variante: Rotkohl, sehr fein geschnitten, Quinoa, Spitzkohl-Sushi und ein ingeniöser Trüffel-Schinken-Sud. Alles balanciert, bestens ineinandergreifend und geschmacklich hervorragend. Danach Carabinero mit Spinat und Nussbutter: Auf dem Hauptteller ein à point gebratener Carabinero mit Spinatcreme und Blattspinat, etwas Krustentierjus und Nussbutterschaum, à part ein Flan von Krustentieren mit Nussbutterespuma – zum Hineinlegen! Hervorragend der Skrei mit Paprika, Kartoffelpüree und Limonenöl (Arnsbourg lässt grüßen) – perfekte Balance zwischen Süße, Schärfe, Fruchtigkeit und Säure, und ein formidabler Winterkabeljau! Ingo Scheuermann, culinary-insights.de

Schon wenige Tage nach der Eröffnung läuft es bemerkenswert rund und die Kreationen von Amador überzeugen in der Umsetzung von Dennis Maier auf ganzer Linie – nicht plakativ asiatisch, sondern als Anreicherung der französischen Hochküche mit asiatischen Aromen und Elementen, die sensorische und geschmackliche Ausrufezeichen setzen. Wunderbar fruchtig-intensiv-tomatig zeigte sich die Jakobsmuschel mit Rettich (leicht gebeizt mit unterschwelliger Schärfe), Kaki und einem unglaublichen Tomatensud. Ebenso hervorragend schmeckte der Kaisergranat, roh mariniert zu leicht mit Wasabi aromatisiertem Tapioka und leicht gebraten in Verbindung mit Granny Smith, Gurke und Wasabi-Eis – beste Produktqualität eingewoben in ein stimmiges SüßSäure-Spiel! Den Höhepunkt markierte die Gänseleber (als Terrine und kleine abgeflämmte Würfel) mit Sepia, grünem Pfirsich und Mirin – eine eindrucksvolle Land-und-Meer-Kreation, die wir bei Amador seit jeher schätzen: die Interaktion der schmelzigen Terrine mit dem hauchdünn aufgeschnittenem Sepia funktionierte ausgezeichnet, wurde von dem grünen Pfirsich aufgelockert und von einem Mirinsud auf eine höhere Geschmacksebene katapultiert – dieses Gericht hätte auch in Mannheim Bestand! Nicht ganz dieses Niveau hatte das Flank Steak mit Süßkartoffel, schwarzem Knoblauch und Zwiebel: das Geschmacksbild war zu kompakt und zu wenig innovativ, als dass es ob des zuvor Gezeigten hätte punkten können. Ingo Scheuermann, culinary-insights.de

Die Familie Reitbauer hat mit dem Umzug in den Stadtpark Wiens und der radikalen Konzentration auf nachhaltig regionale Küche einen besonderen Ort der Einkehr geschaffen, unprätentiös, entspannt und dennoch aufregend ­anregend. Ein Saibling im Bienenwachs mit gelber Rübe, Pollen und Rahm zeigt großes Produktverständnis, der Fisch wird bei Tisch mit 95 Grad heißem Bienenwachs gegart, was den filigranen Charakter betont, dazu eine subtile Variation um das Thema Rübe und Bienenwachs, wobei saurer Rahm mit Cayenne-Pfeffer und etwas Limette ein zusätzliches SüßSäure-Spannungsfeld aufbaut – schlicht grandios. Von gleicher Qualität die Schwarzauer Bergforelle mit Melone, gebeizter Gurke und Triebspitzen von jungen Erbsen, formidable, subtil! Reitbauer kann aber auch vehemente Akkorde spielen, etwa beim Rehkitz mit wildem Brokkoli, Trompeten-Eier­ schwammerl und schwarzen Nüssen, das hervorragend den Dialog des zarten Kitzes mit verschiedenen Nussaromen spielt oder das Rehherz mit Purple-Haze­K arotte, Radieschen und Schwarznessel, bei dem sich Süße (Karotte), Schärfe (Kardamon sowie Kampotpfeffer) mit der Frische und Knackigkeit der Radieschen wie selbstverständlich vermählen. Bei diesem geballten Aromenfeuerwerk darf man die Nachtische keinesfalls verpassen – unvergesslich der süße Frischkäse (mit Anmutung einer Panna Cotta) mit Vanille, Physalis und einem sensationellem Getreideeis! Ingo Scheuermann, culinary-insights.de

Schon jetzt ein tolles Erleb-

Authentische Umsetzung der

Kreativ-nachhaltig intelligen-

nis mit klarer Tendenz nach oben!

Amador’schen Ideen mit Suchtfaktor

te Küche, die ungeheuer Spaß macht und

6. Etage, engelhorn Mode im Quadrat

Kempinski Hotel Gravenbruch Frankfurt

schmeckt!

O5, 9-12, 68161 Mannheim

Graf zu Ysenburg und Büdingen Platz 1

Am Heumarkt 2A, 1030 Wien

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63263 Frankfurt / Neu-Isenburg

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• = Weniger empfehlenswert •• = Geht so ••• = Gut, mit Luft nach oben •••• = Unbedingt empfehlenswert ••••• = Göttlich


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Eigener Herd

Herrn Paulsens Deutschstunde Stint Text, Rezept & Foodstyling: Stevan Paul  Foto: Andrea Thode

An der Küste überhaupt keine Frage: ­Einmal im Jahr gehört Stint auf den Tisch

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Effilee #28 Frühjahr 2014


R

egionalität ist eines dieser ganz großgeschriebenen kulinarischen Schlagwörter unserer Zeit, und insbesondere bei Fisch wird der Verzehr regionaler Süßwasserarten empfohlen, um die in Bedrängnis geratenen Edelfische aus allen sieben Weltmeeren zu schonen. Vor diesem Hintergrund darf der Stint als der politisch korrekteste Fisch der Republik gelten; er ist derart regional, dass er in allerhöchstens vier Bundesländern überhaupt gekannt und geschätzt wird. Einmal im Jahr verfallen Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und die elbnahen Teile Niedersachsens für sehr kurze Zeit in einen kollektiven Stint-Rausch, denn eine sehr saisonale Spezialität ist der Stint auch noch, er ist nur im Frühjahr und nur für wenige Wochen erhältlich. Bereits im Spätherbst beginnt die Wanderung der Stinte von der Nordsee in die Elbe. Der Meeresbewohner, der um zwei Ecken mit dem Lachs verwandt ist, wird zum Süßwasserfisch. Irgendwann zwischen Mitte Februar und Anfang März ziehen die großen Stint-Schwärme in die wärmeren Gewässer der Oberelbe, um dort zu laichen. Der Stint ist da! verkünden dann Schilder in den Schaufenstern norddeutscher Fischgeschäfte, und auf den Speisekarten der Restaurants werden ­Stinte satt! angeboten. Knappe vier Wochen dauert die Saison, dann aber gibt es den Salmoniden täglich frisch vom Kutter: Die zehn bis zwanzig Zentimeter großen, silbergrauen Fischchen duften appetitlich und intensiv nach Gurke! In Heimarbeit zubereitet, bedarf das Durcheinander in einer großen Tüte mit Stintfisch sorgfältigster Prüfung. Denn leider gibt es auch bei der Stint-­Fischerei Beifang. In der letzten Saison fanden sich im Hause Paul gleich zwei winzige Zanderfische mit extrem spitzen und harten Rückenflossen im Stintgewirr – gerade eben so sprangen wir dem Erstickungstod von der Schippe. Nicht unerwähnt bleiben soll hier auch die häufige Belastung mit Nematoden. Die winzigen Fadenwürmer fühlen sich, manchmal sichtbar, wohl im Stint (wie übrigens auch in Lachs, Kabeljau, Rotbarsch, Makrele und Hering), gut durchgebraten ist das allerdings nur noch ein persönliches Kopfproblem. Üblicher-

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weise werden lediglich größere Exemplare ausgenommen. Immer aber werden die Fische im Ganzen in Roggenmehl paniert und in Butterschmalz knusprig gebraten. Nicht verschwiegen werden darf an dieser Stelle die neuen Unsitte, die sich mittlerweile leider in einigen Hamburger Restaurants eingeschlichen hat: Die armen Fische wandern dort in die Fritteuse und schmecken anschließend leider auch, ganz genau: nach Fritteuse. Stint will in Butterschmalz, oder einer Butter-Öl-Mischung geschwenkt werden, bis er goldbraun ist. Gerne wird hier und da etwas Speck im Butterschmalz mitgebrutzelt, der übertönt allerdings schnell den zarten Geschmack des Fisches. Traditionell wird Stint mit Kartoffelsalat gereicht, auch hier ist oft knuspriger Speck die Beigabe der Wahl in norddeutschen Küchen, in der leichteren Version wird der Kartoffelsalat noch mit frischen Gurken gepimpt. Es ist aber nicht nur ein kulinarischer Glücksfall, wenn sich die Stinte einmal im Jahr zeigen. Noch im 19. Jahrhundert wurden die Silberlinge an der Elbe in Waschkörben an Land gezogen. Mit der zunehmenden Verschmutzung der Flussläufe verschwanden die Stinte beinahe völlig. Seit den 1990er-Jahren steigt die Wasserqualität der Elbe erfreulich und die Stinte sind zurück – ein doppelter Grund zur Freude. Den wenigen professionellen Flussfischern, die es noch gibt, bedeuten die kurzen Wochen mit dem Stint Knochenjob und Hochsaison: Mit jedem Niedrigwasser werden die Netze, Angeln und Reusen ausgebracht, bei Hochwasser wird gefischt, rund um die Uhr. Am Elbufer in Altengamme stehen die Hobby­angler während der Saison Schulter an Schulter und werfen den Heringspaternoster mit zwei Haken aus. Links und rechts der Ufer von Elbe und Weser danken es die Menschen, essen den Stint mit Genuss und freuen sich mit dem letzten Happen schon auf die nächste Saison.

Stint für 4 Personen Für den Kartoffelsalat 800 g festkochende Kartoffeln 1 Salatgurke

2 Zwiebeln 250 ml Gemüsebrühe Weißweinessig 1–2 TL scharfer Senf Salz Pfeffer 4 EL Sonnenblumenöl Für die Stinte 250–350 g Stinte pro Person 150 g Toastbrot 100 g Roggenmehl (Typ 1150) 2 Eier 2 EL Milch 6 EL Sonnenblumenöl 30 g Butter Zubereitungszeit: ca. 1 Stunde 1. Für den Kartoffelsalat die Kartoffeln mit Schale in Salzwasser bissfest garen. Die Gurke in Scheiben schneiden, salzen, mischen und beiseitestellen. Kartoffeln abgießen, ausdampfen lassen und warm pellen. Die Zwiebel fein würfeln, mit der Brühe aufkochen. 2. Die Kartoffeln noch warm in Scheiben schneiden, mit Brühe und einigen Spritzern Essig beträufeln, mischen. Dann in Abständen die restliche Brühe unterrühren, dabei den Salat zwischendurch zweimal 10 Minuten ruhen lassen. Gurkenscheiben trocken ausdrücken und untermengen. Den Salat mit Senf und Essig, Salz und Pfeffer würzen, dann erst das Öl unterrühren. 3. Für die Stinte die Fische gründlich in kaltem Wasser abspülen, größere Exemplare ausnehmen. Toastbrot entrinden und zu Bröseln pürieren. Brösel auf einem Backblech im 50 Grad warmen Ofen ca. 20 Minuten trocknen, dann mit 100 Gramm Roggenmehl mischen. 4. Eier mit Milch verquirlen, die Fische darin baden und anschließend im BröselMehlgemisch wälzen. Butter und Öl in einer großen Pfanne erhitzen und die erste Portion Stinte darin rundum goldbraun braten. Auf Küchenpapier abtropfen und mit Salz bestreut servieren. Wahlweise die schon gebratenen Fische im heißen Ofen bei 80 Grad warm stellen und auf diese Art alle Stinte braten. Mit KartoffelGurkensalat servieren.

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Illustration: Alexandra klobouk

Das letzte Rezept

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Gewinnspiel

Das kann doch nicht wahr sein! Dem Wein werden unzählige Eigenschaften zugeschrieben. Dass er das Leben schöner macht, ist bekannt, verlängern soll er es auch, und dass er die Wahrheit beherbergt, ist ein ganz alter Hut. Apropos: Eine der folgenden Aussagen ist unwahr. Nur welche?

2. Seit Kurzem ist es Winzern möglich, mithilfe einer App 218 Krankheiten und 232 Schädlinge im Rebstock zu bestimmen. 3. Seine Farbe erhält der Wein aus der Haut der Beeren. Für manche Roséweine gären die Trauben einige Stunden an, damit sich der Farbstoff aus der Beerenhaut absondert. 4. Weinstein war früher ein Wertstoff. Er wurde gesammelt und von den Winzern an die chemische Industrie verkauft. 5. Von den rund 48 000 Weinbetrieben in Deutschland vermarkten nur 9000 ihren Wein in Flaschen. 6. Für die Schönung, das Klären des Weins, um Trübstoffe zu beseitigen, werden meistens Gelatine, Eiklar oder das Enzym Lysozym eingesetzt, deswegen lehnen Veganer und Vegetarier Weingenuss ab. 7. Blanc de Noirs ist eine beliebte Variante: Weißwein aus roten Trauben. Diese werden sofort abgepresst und der helle Saft vergoren, ohne dass er mit der Beerenhaut in Berührung kommt. 8. Deutschland gilt neben Großbritannien als Hauptweinimporteur weltweit. 9. Sekt oder Champagner entsteht durch die zweite Vergärung des fertigen Weins nach Zusatz einer Zuckerlösung, mit der die Gärung erneut in Gang gebracht wird.

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10. Tannine entstehen bei der Maischegärung des Mostes. Sie sind wichtige organische Inhaltsstoffe des Weins.

Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir in Kooperation mit EDEKA einen Weinklimaschrank in edlem Schwarz mit zwei Temperaturzonen der Firma La Sommelière und ein Weinpaket im Gesamtwert von 800 Euro. Der Klimaschrank garantiert optimale Lagerbedingungen für den vollmundigen, 2013 bei der Berliner Wein Trophy mit Gold ausgezeichneten Bordeaux von Michel Rolland.

Die Lösung schicken Sie bitte per Post an: Effilee GmbH, Övelgönne 59, 22605 Hamburg oder per E-Mail an: info@effilee.de, Stichwort: Gewinnspiel Einsendeschluss ist der 23. April 2014. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Auflösung und der Gewinner werden im nächsten Heft bekannt gegeben. Die richtige Lösung des Gewinnspiels in Effilee #27 war Nummer 9. Gewonnen hat Hannes Fiala, Kriftel.

Die nächste Effilee erscheint am 23.05.2014

Effilee #28 Frühjahr 2014

Fotos: flickr_NathanF, EDEKA,www.weinwerk-klimascout.de

1. Bereits 1819 beobachtete der Mediziner Samuel Black, dass Franzosen trotz Weinkonsums länger leben als Amerikaner. 1992 benannte Serge Renaud dieses Phänomen als »das französische ­Paradox«.


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