MuseumsMagazin 10

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Das hidden museum Nikolaus Walter Herbert Sauerwein im Gespräch Kunst und Bau in Tschagguns

Herausgegeben vom Vorarlberger Landesmuseumsverein


2 Editorial

museum magazin ausgabe 10 / 2015

Inhalt Editorial

Editorial 2

Inhalt Editorial Coverstory

Unter uns 3

Unter uns Information im ‚neuen Kleid‘

Ausstellung 4 5 6

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ach neun Ausgaben des Museums­ magazins, die in den vergan­genen drei Jahren erschienen sind, haben wir uns zu Beginn des Jahres 2015 für eine Überarbeitung des Erscheinungs­ bildes entschieden. Dieses lehnt sich nunmehr noch stärker als bisher jenem des vorarlberg museums an. Es ist uns ein Bedürfnis, die Ver­bindung von Verein und Museum auch auf diese Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. Für die Neukonzeptionierung wurde eine Einladung an drei Grafikbüros ausgeschrieben. Aus den vorgeschlagenen Entwürfen haben wir uns für eine zukünftige Zusammenarbeit mit Verena Petrasch entschieden. Wir hoffen, dass das neue Layout bei den Mitglieder sowie interessierten Lese­rinnen und Lesern Gefallen finden wird, freuen uns aber natürlich auch über jede Form der Rückmeldung und Kritik. An der inhaltlichen Ausrichtung ändert sich nichts, weiterhin stehen die Aktivitäten des Vorarlberger Landesmuseumsvereins, des vorarlberg museums und der Museen des Landes sowie die Kulturlandschaft Vorarlbergs im Mittelpunkt. Andreas Rudigier, Christof Thöny

Ich bin für den Zauber Das hidden museum Jukebox – Jewkbox! Jüdische Musik Nikolaus Walter Retrospektive an zwei Orten

Hinter der Fassade 8

Abenteuer im Innendienst Traude Pregetter

Kunst und Bau 9

Das unsichtbare Kunstwerk

Museen 10 Weidmannsheil! Das Vorarlberger Jagdmuseum

Im Gespräch 11 12 13

Forschen unter Tage Der karst- und höhlenkundliche Ausschuss In der Stube des Vorstehers Das Tabakmuseum in Frastanz Vom Walsermuseum zum Lechmuseum Ein biografischer Rückblick

Geschichte 14 Leihgaben und Leihnamen 15 1914 / 15 – Trauma an der Ostfront

In Erinnerung 16 Karl Heinz Burmeister Zum Gedenken

Coverstory

hidden museum

Verein 17 Numismatischer Fachausschuss Gesellschaft Vorarlberger Münzfreunde

Literatur 18 Literaturtipps

Exkursionen 19

Sehen und Erleben Exkursionen 2015 Werden Sie Mitglied beim Vorarlberger Landesmuseumsverein Impressum

Foto oben: Petra Rainer Foto unten: Bernhard Kathan

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in Leichentuch aus dem 17. Jahrhundert: Die historische Textilie ist erhalten im Rätischen Museum in Chur, der Tiroler Künstler und Grafiker Günter Gstrein hat die Vorlage 2012 neu interpretiert. Für den „Raum des Todes“ (hidden museum, Fraxern, 2012) ist das Muster Bezug – wörtlich und symbolisch – geworden. hidden museum-Betreiber Bernhard Kathan erzählt im Gespräch mit dem Museumsmagazin auf Seite 4, wie in seiner Arbeit zum Thema Tod und Sterbehilfe auch der Geruchs­sinn mit einbezogen war und warum seine minutiös durchdachten sowie ausgeformten Projekte nicht zu viel Publikum auf einmal vertragen. Entsprechend kritisch verhält sich der bekennende Freund des Experiments zum Phänomen des „Kulturkonsums“. Die Themen, an die er sich wagt, sind existenziell, bisweilen auch politisch unbequem. Kunst und Gesellschaft sind in Kathans Anspruch verquickt. Er sucht und ermöglicht Auseinandersetzung, denn: „Ich muss glauben, dass ein Rest Leben in den Menschen steckt.“ Petra Nachbaur


Unter uns 3

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Unter uns Wir freuen uns, unsere Mitglieder im Jahr 2015 in einem ‚neuen Kleid‘ über die Vereinsangelegenheiten und Vereinsaktivitäten informieren zu können.

Mitgliedschaft nach Maß

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eit Jänner 2015 bietet Ihnen der VLMV zwei zusätzliche Formen der Mitgliedschaft an, die es Ihnen ermöglichen, die für Sie optimale Mitgliedschaft zu wählen: Die Partnermitgliedschaft sichert zusätzlich einem namentlich genannten Partner bzw. einer Partnerin die Vorteile einer Mitgliedschaft beim Vorarlberger Lan­ des­museumsverein und die Mitgliedschaft für Studierende kann alle Vorteile zum ermäßigten Jahresbeitrag anbieten. Dass Sie übrigens die erste Aussendung 2015 (inkl. Exkursionsprogramm) bereits Ende 2014 erhalten haben, verdanken wir einer tatkräftigen Gruppe von Helferinnen und Helfern, die bei der Faltung und Kuvertierung des Infor­mationsmaterials für die große Aussendung unserer Kassierin Edeltraud Wirth gut gelaunt und hilfreich zur Seite gestanden ist. Ein herzliches Dankeschön an sie an dieser Stelle!

Leinen los … heißt es im übertragenen Sinne auch 2015 wieder. Das spannende und vielseitige Veranstaltungsprogramm, das Ihnen die Möglichkeit zu Ein- und Mehrtagesex­kur­ sionen bietet, haben Sie ja bereits per Post erhalten. Darüber hinaus finden Sie das gesamte Jahresprogramm auf unserer Home­­ page. Schon gleich zu Jahresbeginn stand ein Besuch der Ausstellung zu Gustave Courbet in der Fondation Beyeler in Basel auf dem Programm. Dem werden in der ersten Jahreshälfte 2015 Tagesexkur­sionen in die nähere Nachbarschaft auf den Spuren der Grafen von Werden­berg sowie auf die Insel Reichenau und im Mai eine ein­ wöchige Reise nach Madrid und Kastilien folgen. Beachten Sie dazu vor allem die Veranstaltungsan­kündigungen hier auf Seite 19. Unser Dank dafür geht wie immer an Baldur Hämmerle für die exzellente Organi­ sation der Veranstaltungen, die mit einem hohen Vorbereitungsaufwand verbunden ist. Sollten Sie selbst möglicher­­­weise Interesse haben, bei der Organi­sa­tion von Exkur­ sionen mitzuwirken, darf ich Sie bitten, uns zu kontaktieren (T: +43 699 10981911, T: +43 664 1637100). Wir würden uns über Ihre Unterstützung sehr freuen!

Information und Austausch Nachdem unsere Generalversammlung in den letzten beiden Jahren im neuen vorarlberg museum in Bregenz stattgefunden hat, möchten wir uns heuer gerne – einer langen Tradition folgend – an einem anderen Ort im Land versammeln. Diesmal werden wir bei unserem Kooperationspartner, dem Kloster­tal Museum in Wald am Arlberg, zu Gast sein. Kurz nach dem Start der dortigen Museumssaison werden wir am 9. Mai 2015 unsere Generalversammlung nützen, die Mitglieder über die Vereinsaktivitäten und -projekte zu informieren. Sie erhalten dazu

noch eine eigene Einladung. Damit die An­reise für Sie entspannt verläuft, wird Sie ein Bus ins Klostertal und wieder zurück fahren. Anmeldungen für den Bus können wie immer an Baldur Hämmerle gerich­tet werden: E: baldur.hämmerle@vlmv.at oder T: +43 664 1637100. Wir freuen uns darauf, dass möglichst viele von Ihnen die Gelegenheit wahrnehmen, den sogenannten Thönyhof besser kennenzulernen und die Zeit zur Information und zum Austausch mit dem Vereinsvorstand und anderen Vereinsmitgliedern nutzen werden.

Sie haben Fragen, Anregungen? Wir freuen uns über Ihre Fragen oder Anregungen, die Sie jederzeit entweder schriftlich an E: geschaeftsstelle@vlmv.at beziehungsweise Vorarlberger Landesmuseumsverein, Geschäftsstelle, Kornmarktplatz 1, 6900 Bregenz oder telefonisch (+43 5574 46050545) an uns richten können. Brigitte Truschnegg

Bild oben: „Leinen los“. Foto: Petra Rainer Bild unten: Klostertal Museum. Foto: Christof Thöny


4 Ausstellung

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Ich bin für den Zauber Ein Experimentierraum, der zeitweise Zutritt gewährt: Das hidden museum besteht ungerührt von Trends der Museumsszene. Ein Gespräch mit dem Betreiber Bernhard Kathan.

mich das Schöne und nicht das Gefällige. Im Gegensatz zum Gefälligen ist das Schöne in der Regel irritierend, nie mehrheitsfähig, sondern mit Konflikten verbunden. L’art pour l’art, das genügt nicht. Kunst muss sich gesellschaftlichen Fragen stellen, und deren gibt es viele. Manchmal, wenn ich ins Rheintal hinunterschaue, dann stelle ich mir vor, wie diese Welt in dreißig oder vierzig Jahren aussehen wird. Stichworte: Klimawandel, Glo­ balisierung, Biotechnologie, Technisierung des Alltags und so weiter. Arbeitet man zu diesbezüglichen Fragen, dann muss man inhaltlich genau sein. Es reicht nicht, Alltags­­theorien mit Kunst zu illustrieren. In manchen Projekten bin ich nahe an meine Vorstellungen gekommen.

Informationen und Termin­verein­ barung per E-Mail über

www.hiddenmuseum.net

Bild oben: „Raum des Todes“, 2012 Foto: Bernhard Kathan Bild unten: „Serbe 3009 ist auch mitbeteiligt“, 2011. Foto: Bernhard Kathan

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m: Glückwunsch zum großen Literaturstipendium der Stadt Innsbruck! Wird sich dadurch der Schwerpunkt deines Schaffens verschieben? Kathan: Überhaupt nicht. Bei der Verleihung war die Rede davon, dass meine ganze Arbeit damit gewürdigt wird. Ich bin ja kein wirklicher Schriftsteller: Ich arbeite mit Text-, Bild- und Tonmaterial. Die Ausgangsfrage ist immer: In welchem gesellschaftlichen Kontext lebe ich? Und dann suche ich das geeignete Mittel für die Übersetzungsarbeit. Das ist manchmal Text, das ist sehr oft Raum im weitesten Sinn.

Kathan: Ach, die Seite ist eigentlich ganz konventionell. Sie dient zum einen der Dokumentation, zum anderen sollen auch Leute die Möglichkeit haben, sich ein Projekt „anzuschauen“, die weiter weg wohnen. Ich habe ein sehr verstreutes Publikum. In Vorarlberg interessieren sich nur ganz wenige Leute für meine Arbeit.

mm: Und der ganz konkrete Ort für solche Räume ist dann das hidden museum in Fraxern? Kathan: Das hat sich so ergeben. Dass es in diesem Bergdorf in Vorarlberg liegt, hat mit meiner Herkunft zu tun und mit einigen Zufällen. Es könnte woanders sein. Aber solche Projekte brauchen einen konkreten Referenz­raum. Das Internet allein genügt nicht. Wobei mich der Ort nur im Sinne eines Modells interessiert.

mm: Woran liegt das? An den Themen und Inhalten? Oder doch einfach an der Abgelegenheit? Kathan: Es ist nicht so entlegen. Man muss eine gewisse Mühe auf sich nehmen, sich anmelden. Und es gibt Projekte, bei denen immer nur eine einzige Person anwesend sein kann. Außerdem meide ich alles, was auch nur den Geruch von einem Event hat. Ich habe auch schon erlebt, dass 30, 40 Leute da waren: Dann kippt es von einem Augenblick zum anderen. Der Alkoholkonsum steigt, der eine fängt an, Holz zu hacken, dem muss ich die Axt wegnehmen, ab einer gewissen Besucheranzahl ist kein Gespräch mehr möglich. Nicht passiver Konsum, son­ dern Auseinander­setzung ist Sinn der ganzen Ange­legenheit.

mm: Du betreibst die gleich­­namige Website, die anders ist als der Internetauftritt her­ kömm­licher Museen und die viel Lesestoff bietet.

mm: Womit warst du im Laufe der Jahre besonders zufrieden? Kathan: Womit kann man schon zufrieden sein? Im Sinne von Diderot interessiert

mm: Nämlich? Kathan: Das gilt zum Beispiel für den Raum des Todes, in dem ich Fragen der Sterbe­ hilfe durchgespielt habe, oder auch für das Zwangsarbeiterprojekt. Es gibt in letzter Zeit errichtete Mahnmale, die mich überzeugen, allerdings nur wenige. Das Entscheidende, und das gilt für all meine Projekte, liegt im sozialen Feld. Etwas aufstellen ist einfach. Viel schwieriger dagegen ist es, Menschen in Prozesse einzubinden. Mit Zwangsarbeit hab ich mich lange beschäftigt. Die ersten Tonbandaufnahmen habe ich in den 1970er Jahren gemacht. Da hat man noch von Kriegsgefangenen gesprochen, von Serben. Der Zukunftsfonds, der das Projekt gefördert hat, wollte etwas aufgestellt haben, am besten auf dem Dorfplatz. Aber so arbeite ich nicht. Ich habe bei der eigenen Familiengeschichte angefangen und versucht, andere zu gewin­ nen, sich mit der NS-Vergangenheit zu beschäftigen. Was ein Mahnmal betrifft, bin ich der Meinung, dass man den „Kugelweg“ in „Straße der Zwangsarbeiter“ umbenennen sollte. Das wäre finanzierbar und genau. mm: Du platzierst in einem deiner Texte eine Spitze gegen die Vereinnahmung des jungen und jüngsten Publikums: „Uterine Museumspädagogik“ werde nicht mehr lang auf sich warten lassen. Kathan: Wenn Kunst eine mediale Funktion zukommt, dann macht es keinen Sinn, Kunst zu erklären. Im hidden museum wird Kunst nicht erklärt. Es gibt manchmal eine Gebrauchsanweisung, ja, aber ansonsten sind die Besucher sich selbst überlassen. Ich will nicht generalisieren, aber bei dem Wort „Dialogführung“ dreht sich mir der

Bernhard Kathan Foto: Ruth Kathan

Magen um. Mich interessieren Erfahrungsräume. Entscheidend ist das, was Besucher ein­bringen. Man muss sich selbst aussetzen, nicht zuletzt solchen Fragen, die man sich sonst nicht stellen würde. Meine Frau und ich, wir gehen sehr viel in Museen. Um uns dort Sachen zu erarbeiten. Auch, um Museen neu zu nutzen. Im Moment lesen wir zum Beispiel Thukydides. Laut. An Orten, die inhaltlich passen, etwa im Bergiselmuseum oder in der Rüstungskammer von Schloss Ambras. mm: Hat sich das hidden museum auf gewisse Weise etabliert? Kathan: Klar, i hab an Fanclub [lacht]. Ich bin vernetzt mit Leuten, die ähnlich arbeiten. In der Praxis und vor Ort ist dann vieles trotzdem hidden-hidden. Natürlich gibt es auch immer Missverständnisse. Manche kommen mit Taschen und Mappen und hätten gern, dass ich ihre Sachen ausstelle. Dabei war von Anfang an klar, dass ich kein Galerist bin. I spiel net Kunsthalle. Ich experimentiere immer. Mit einem erweiterten Raumverständnis, auch im Sinne von Setting. mm: Was darf man sich da vorstellen? Kathan: Wichtig ist schon einmal die Frage, wie kommt jemand hin: Wie öffnet sich ein asso­ziatives Feld? Dann befindet man sich da allein im Raum, folgt den Anweisungen, legt sich – ein Beispiel – hin und wird von einer Stimme in den Tod gesprochen. Den Zeitplan für dieses Projekt hatte ich auf die Blüte der Nachtviolen abgestimmt. Ich hab geschaut, dass viele Nachtviolen blühen. Dieser süße zwie­spältige Geruch bei Einbruch der Dunkel­heit spielte dann auch eine Rolle in der Wahrnehmung, wie die Vorhänge, die Farben, das Licht. mm: Bezeichnest du das dann als Installa­tion? Kathan: Installation mache ich keine, nein. Ich mache auch keine Performance. Ich betrachte es als große Ressource, eigene Erfahrungen wieder Raum gewinnen zu lassen. Das ist eine mühsame Angelegenheit in unserer überreizten Welt. Alles ist heute so Wikipedia-mäßig. Ich bin für den Zauber. Ich muss ja immer noch glauben, dass sich nicht alle nur noch bewirtschaften lassen, als Konsumenten, im Krankenhaus wie im Kaufhaus wie im Museum. Ich muss glauben, dass ein Rest Leben in den Menschen steckt. Petra Nachbaur

Bernhard Kathan Jg. 1953, lebt in Innsbruck. Seit 1989 zahlreiche Publikationen, in Buchform zuletzt: „Wir sehen Tiere an“ (Limbus 2014). Für das hidden museum bereitet Kathan derzeit ein Projekt zum Thema „Wasser“ vor, mit Arbeiten von Martin Breindl und Katrin Hornek. Der Kriegsschauplatz Finnland ist Ausgangspunkt seiner übernächsten Arbeit, bei der Kathan wieder anhand von mündlich oder brieflich über­ liefertem Material vorgehen wird.


Ausstellung 5

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Jukebox. Jewkbox! Ein jüdisches Jahrhundert auf Schellack & Vinyl Kurator

Hanno Loewy Ausstellung ab Mai 2015

im Jüdischen Museum München

Fotos: Dietmar Walser

Jukebox – Jewkbox!

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orbei an einer gut sortierten und funktionstüchtigen Jukebox im Foyer hinunter ins Untergeschoss, dessen Räumlichkeiten sich in einen Schallplattenladen verwandelt haben: Von den ersten Grammophonen und Schellackplatten, bunten LP-Covern aus mehreren Jahrzehnten bis zum World Wide Web reichte der Bogen der von Direktor Hanno Loewy kuratierten Sonderausstellung „Juke­ box – Jewk­­box! Ein jüdisches Jahrhundert auf Schellack und Vinyl“ im Jüdischen Museum Hohenems, die bis 8. März 2015 zu sehen war.

dem Broadway bis zum rebellischen Punk ist es ein weites Feld, das durch jüdische Superstars wie den legendären Kantor Josef Rosenblatt („der jüdische Caruso“) bis zu den zeitgenössischen Musikergrößen à la Barbra Streisand, Bob Dylan und Leonard Cohen abgedeckt wird. Neben diesen Einblicken in verschiedene Genres begleiten den Besucher persönliche Erzählungen über Platten, die manches Leben verändert haben und Zeitgeschichte widerspiegeln: in einer „JewTube“Lounge können unter anderem Soundbeispiele und zeitgenössische Videos entdeckt werden.

Erstes Plattencover

Ein Lied geht um die Welt

1939 überzeugte der Grafiker Alex Stein­weiss – wiederum ein jüdischer Migrant – die Chefs bei Columbia, die Schellackplatte nicht mehr in neutralen Hüllen, sondern in indi­ viduell gestalteten Covers zu verkaufen. Und auch die Erfindung der Schallplatte aus Vinyl, die sich mit 33,5 Umdrehungen pro Minute abspielen lässt und damit längere Aufnahmen ermöglicht, geht auf Peter Carl – einen ungarisch-jüdischen Ingenieur – zurück.

Der bekannte Schlager „Ein Lied geht um die Welt“ ist ein Beispiel dafür. Joseph Schmidt hieß der jüdische Interpret dieses populären Songs. 1925 absolvierte er in Berlin ein Gesangstudium und war bald durch die gängigen Medien – Schallplatte und Radio – allgegenwärtig vertreten. Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 endete seine erfolgreiche Laufbahn abrupt: wurden zwischen 1929 und 1933 noch 38 Rundfunkopern mit ihm eingespielt, durfte Schmidt ab dem 20. Februar 1933 keinen „deutschen Sender“ mehr betreten. Gastspiele in allen Teilen Europas, auch in Palästina brachten sein „Lied in die Welt“ bevor er 1938 von Österreich nach Belgien und zwei Jahre später nach Frankreich flüchtete und durch das Vichy-Regime interveniert wird. Nach mehren vergeblichen Versuchen glückt die Flucht in die Schweiz – doch die

Der Sound des 20. Jahrhunderts Die Geschichte der Schallplatte ist also neben der Geschichte ihrer jüdischen Erfinder auch eine Geschichte jüdischer Musiker, Komponisten, Musikproduzenten und Songwriter. Über die synagogale Musik bis zur Neuerfindung der „Klezmer“-Musik, in Musicals auf

Strapazen der Flucht haben ihre Spuren hinterlassen. Nach einem Zusammenbruch auf offener Straße stirbt Schmidt an Herz­­ ver­sagen im Auffanglager Girenbad.

Was ist „jüdische Musik“? Die Frage nach der Definition „jüdischer Musik“ bleibt offen, denn es gibt keine eindeutigen Kriterien dafür. So sind Songs, Musicals und Filmsoundtracks nicht immer als „jüdische Musik“ zu definieren, aber doch

ein Produkt jüdischer Geschichte und Erfahrung: Die Musik von Bob Dylan (geboren als Robert Allen Zimmerman als Kind jüdischer Emigranten) kann nicht per se als jüdisch bezeichnet werden, aber ist doch durch seine persönlichen familiären Erfahrungen stark geprägt. Dem Besucher der Ausstellung bleibt die Erkenntnis, wieviel schöpferischer Reichtum und großes Potenzial von Menschen jüdischer Herkunft in der Musikgeschichte ihre Spuren hinterlassen hat. Susanne Emerich


6 Ausstellung

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Fotos: Nikolaus Walter

Nikolaus Walter Retrospektive an zwei Orten

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nlässlich des 70. Geburtstags von Nikolaus Walter zeigt das vorarlberg museum in Kooperation mit der Vorarlberger Landesbibliothek eine Retrospektive des fotografischen Werks, die Einblick in die Arbeit des Vorarlberger Foto­ grafen gibt. Während die Ausstellung im vorarlberg museum fotografische Serien aus allen Schaffensphasen zeigt, widmet sich die Vorarlberger Landesbibliothek der bis heute andauernden Langzeitdokumentation des Fotografen: „Steiles Erbe. Das Große Walsertal“.

Vom „Ländle“ in die weite Welt 1945 in Rankweil geboren, zog es Nikolaus Walter nach der Ausbildung an der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien nach Großbritannien und Irland, wo in Manchester und später in Dublin seine ersten größeren Serien entstehen. In London arbeitet Walter in der Serviceabteilung des Fotografen Wallace Heaton. Bald darauf folgt der Wechsel als Ansichtskartenfotograf zu Francis Frith & Co., nebenher publiziert er seine Foto­ strecken in renommierten Magazinen. Seit 1970 als freier Fotograf tätig, gelingt Nikolaus Walter die Entwicklung eines eigenen Stils, der sich an der Street Photography orientiert, einem Genre in der Fotografie, das zahlreiche Stile umfasst und dem die Darstellung des öffentlichen Raums – Straßen, Einblicke in Geschäfte oder Cafés, Passantengruppen oder Einzelne herausgreifend – oftmals als Momentaufnahme, aber auch in essayhafter Abfolge und als Milieustudie gemeinsam ist. Zu seinen Vertretern zählen unter anderem Henri Cartier-Bresson und Robert Frank. Nach der Rückkehr Nikolaus Walters nach Vorarlberg im Jahr 1973 entstehen im „Ländle“ und auf zahlreichen Reisen (Langzeit-) Dokumentationen, Momentaufnahmen, Serien.

Menschen und Orte

Nikolaus Walter zur Ausstellungseröffnung, 16. Jänner 2015

Die Bilder Nikolaus Walters zeigen keine reinen Por­ träts, die „Menschenbilder“ erzählen Geschichten. Der Fotograf mutiert zum Geschichtenerzähler und vereint in seinen Fotografien den Zufall und den Moment, dem Recherche und Anteilnahme vorausgehen. Die daraus entstehenden Bilderserien sind – so die Ansicht der Kunsthistorikerin Margit Zuckriegl – als „Intuitive Sozio­ logie“ zu werten, die es „Nikolaus Walter immer wieder ermöglicht, hinzuschauen, wo andere wegschauen, oder stehenzubleiben, wo andere vorbeilaufen, und Geschichten zu erzählen, die niemandem einfallen könnten, wenn nicht seinen unbewusst agierenden Protagonisten selbst.“

Umfangreiches Werk Einen Überblick über das umfangreiche Werk Nikolaus Walters bietet die Ausstellung im vorarlberg museum – Begegnungen mit Kindern, Toronto Cowboy, Gute Nacht. Gegen die Betten fotografiert von Bregenz bis Tschagguns, Vernähte Zeit – in der der Künstler ein Kunstprojekt mit bosnischen Flüchtlingsfrauen fotografisch begleitet. Die Titel veranschaulichen den Ansatz des Fotografen: oft auch Menschen in Randsituationen zu dokumentieren, ohne Wertung und Interpretation und in einer möglichst realistischen Darstellung. Susanne Emerich

„Es waren viele Begegnungen in vielen Jahren, schöne, berührende, kuriose, ergrei­fende, lustige, erschütternde und viele andere. Wenn ich an die kleine Betty denke, dann würde ich gerne wissen, wie sie das Leben behandelt hat, ob die Damen die Meistersinger auf der Festspielwiese doch noch gefunden haben, ob der Hund noch gelernt hat über das Hindernis zu springen, wie es dem türkischen Bauarbeiter Haci Tuna geht, dem Kokosnussver­ käufer in Kalkutta, dem Leuchtturmwärter von Burgeo und der Redda Johnson in Omaha, Nebraska. Ob Arthur Wigley, der Toronto Cowboy sein Stück Paradies gefunden hat, das ihn gut behandelt und dass der Pepi Gamper mit dem richtigen Hut im himmlischen Tourismus­büro die Neuankömm­ linge singend begrüßt. Es waren und sind zu viele Begegnungen, um im Kontakt bleiben zu können und so kann ich den Vielen nur wünschen, dass sie es gut haben im Hier und wo immer.“

Bild oben: Zementwerk, Lorüns, 1983 Bild links: Albertina Nigsch Blons, Großes Walsertal, 1978 Bild rechts: Straßenkinder, Dublin, 1967 Bild Mitte: Cox's Cove, Neufundland, 1971


Nikolaus Walter. Begegnungen Eine Ausstellung an zwei Orten, in Kooperation mit der Vorarlberger Landesbibliothek Ausstellungsdauer

17. Jänner bis 3. Mai 2015 Projektleitung: Andreas Rudigier, Theresia Anwander, Norbert Schnetzer, Kuratorin: Petra Zudrell, Architektur: HansjÜrg Thum, Grafisches Konzept und Gestaltung: Sarah Schlatter


8 Hinter der Fassade

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Foto: Darko Todorovic

Abenteuer im Innendienst Die Sekretärin der Direktion, Traude Pregetter, blickt mit Humor auf ein bewegtes Leben zurück. Von den verschiedenen Berufen und der Abenteuerlust der gebürtigen Leobnerin.

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raude Pregetter kommt ursprünglich aus Leoben, wo sie 1957 geboren wurde, die Handelsschule besuchte und anschließend in den Verwaltungsdienst bei der Polizei trat. Sie legte verschiedene Dienstprüfungen ab, um in den Status einer österreichischen Beamtin aufzusteigen, übersiedelte mit ihrem Ehemann 1986 nach Vorarlberg und begann ihre Arbeit bei der hiesigen Sicherheitsdirektion.

Lebenslanges Weiterbilden Traude Pregetter besuchte ihr ganzes Leben lang Fortbildungen. Neben Beruf und Fami­lie – Pregetter ist Mutter einer Tochter – holte sie die Matura in der Abendschule nach, legte abermals einige Dienstprüfungen im Innenministerium ab und stieg dadurch in den sogenannten „gehobenen Dienst“ auf. Von 2004 bis 2006 absolvierte sie schließlich den Universitätslehrgang „Politische Bildung“ in Schloss Hofen.

Zellenkontrolle, Archäologie Die Wahlbregenzerin Traude Pregetter verfügt über die seltene Gabe, vielen Herausforderungen des Lebens mit Humor zu begegnen. Auf ihre Zeit bei der Polizei angesprochen, berichtet sie, es sei „oft amüsant“ gewesen. Ob bei der Antragsstelle für Vereine oder auf Zellenkontrolle im Bludenzer Arrest – Pregetter scheint ihrem Beruf vor allem die positiven Seiten abgewonnen zu haben. 2003 wechselte sie schließlich vom Polizei­ dienst in das Vorarlberger Landesmuseum unter Leitung von Helmut Swozilek, als dessen Sekretärin sie arbeitete. Sie kümmerte sich um verschiedenste Aufgaben des Museums, vom Buchverkauf über den Leihverkehr bis zum Ausstellungsaufbau. „Von Helmut Swozilek habe ich viel gelernt, er informierte mich auch stets über die archäologischen und kunsthistorischen Hintergründe“, erzählt sie. Mitunter langten auch kuriose Anrufe bei Pregetter ein, die sie mit viel Feingefühl bearbeiten musste. „Es gab Leute, die uns ein Biedermeierbett übergeben wollten, in dem angeblich Napoleon übernachtet haben soll, oder hinterlassene Manuskripte.“ Pregetters Aufgabe bestand darin, diese Anfragen an die Kuratoren oder entsprechenden Mitarbeiter des Museums weiterzuleiten – oder sie nach Rücksprache höflich abzulehnen.

Reiselust Nach 25 Jahren Polizeidienst und über einem Jahrzehnt in der Museumsarbeit wird Traude Pregetter noch bis 2015 Direktor Andreas Rudigier im Sekretariat unterstützen und dann mit 1. April in Pension gehen. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass sie danach weniger aktiv sein wird als zuvor. Sie fürchte zwar ein wenig, ihr könne „fad“ werden.

„Aber ich werde mich weiterhin fortbilden und meiner zweiten großen Leidenschaft nachgehen: dem Reisen.“ Denn Traude Pregetter ist bereits viel in der Welt herumgekommen. Ihr Ehemann war Logistiker beim Roten Kreuz, sein Beruf hatte ihn mehrmals nach Afrika geführt. Mit ihm reiste sie durch Tansania, Kenia, Uganda, machte Safaris, lernte den Urwald und die Wüste kennen. Nach dem tragischen Verlust ihres Ehemannes, der 2008 auf einer Erkundungsfahrt starb, setzte sie ihre Reisetätigkeit später mit einer neuen Urlaubspartnerin fort – ihrer Tochter.

Kennerin der Musikszene So besuchten die beiden als Rucksacktouristinnen schon Vietnam und Kambodscha. Auch an den Wochenenden geht es immer wieder in die Ferne, etwa auf Städtetrips quer durch Europa. Tochter Tanja führte ihre Mutter in die zeitgenössische Musik von Talking Heads, Depeche Mode oder The Cure ein. Ihre Offenheit und Entdeckungslust machten Traude Pregetter schließlich noch mit einer etwas ungewöhnlichen Musik­ szene bekannt, als sie vor vielen Jahren nach Leipzig fuhr, um auf den Wunsch ihrer Tochter ein Gothic-Festival zu besuchen. In Vorarlberg fühlt sich Traude Pregetter sehr wohl, ihre Reisen in ferne Länder werden sie immer wieder nach Bregenz zurück­ bringen. Der unternehmungslustigen Leobnerin steht dann auch ihre Privatbibliothek zur Verfügung, für die sie in der Pension mehr Zeit haben wird, um von zuhause aus auf Leseabenteuer zu gehen. Max Lang

„Es gab Leute, die uns ein Biedermeierbett übergeben wollten, in dem angeblich Napo­leon übernachtet haben soll, oder hinterlassene Manuskripte.“


Kunst und Bau 9

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des Geschäftsführers der Schanzenanlage Elmar Egg, das neben der mobilen Kloanlage befindliche Objekt durch eine Werbeplane zu „schützen“ beziehungsweise die (mittlerweile) unter einer Tribüne versteckte Kapsel mit Hilfe zweier Strahler wenigstens nächtens zu illuminieren.

Kunst ohne alle In geradezu exemplarischer Weise verdeutlicht dieser Fall die Schwierigkeiten, mit denen Kunst im öffentlichen Raum seit jeher zu kämpfen hat. In einem 2013 anlässlich des Symposiums „Kunst am Bau II“ gehaltenen Vortrag stellte Martin Seidel treffend fest, dass „[…] Kunst am Bau an der Vermittlung scheitert, nicht aber an ihren Ansprüchen und der Akzeptanz. Solange man ‚Kunst am Bau‘ nicht vermittelt, ist sie ‚Kunst gegen alle‘, oder ‚Kunst ohne alle‘“. Das heißt also, solange von Seiten des Landes nicht mit Erläute­ rungstafeln, durch Internetpräsen­tation und umfangreiches Briefing der Schanzenmitar­ bei­terinnen und -mitarbeiter die Wahrneh­ mung geschärft wird, solange wird von Seiten der Betreiber der Anlage in allen offiziellen Informationsmedien mit keinem (!) Wort oder Bild das Kunstwerk als Teil der Anlage anerkannt. Oder umgekehrt. Schade allemal…

Bild oben: Philipp Leissing, Aufbau der Zeitkapsel, Mai 2014, Schanzenanlage Tschagguns. Foto: Edgar Leissing Bild unten: Philipp Leissing, Zeitkapsel 2013, das Innenleben, mit luftdicht und feuerfest verpackter Kunst. Foto: Philipp Leissing

Das unsichtbare Kunstwerk

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ls im Sommer 2014 das Nordic Schanzenzentrum in Tschagguns eröffnet wurde, galt die gesamte Aufmerksamkeit der Festredner und des Publikums der sich spektakulär in den Hang schmiegenden Schanzenanlage und weniger der am Fuße der Anlage platzier­ten Zeitkapsel von Philipp Leissing. Aus einem Wettbewerb des Landes als Siegerprojekt hervorgegangen, verdeutlicht dessen bisherige Rezeption in geradezu exemplarischer Weise die Schwierigkeiten, mit denen Kunst im öffentlichen Raum zu kämpfen hat. Mitten unter den Zuschauern, exakt in der Blickachse der zweitgrößten Schanze mit der Hillsize von 66 Metern, steht sie. Verankert durch vier (unsichtbare) Füße und tief verwurzelt in der Tschaggunser Erde. Dem traditionsreichen Ort, an dem bereits 1938 mit der Zelfenschanze die größte Sprungschanze Österreichs in Betrieb genommen wurde. Eine Zeitkapsel aus leuchtend orange lackiertem Stahl. Mit einer Höhe von 2,40 Metern an ein überdimensioniertes Kinder­ überraschungsei erinnernd ist sie allein deshalb (von der Verfasserin) a priori positiv

konnotiert. Das Innere randvoll gefüllt mit 20 luftdicht und feuerfest verpackten Kunstwerken aus den Bereichen Malerei, Film und Fotografie – erschaffen und angekauft von jungen deutschsprachigen Künstlerinnen und Künstlern. Für die Optimisten unter uns eine Investition in die Zukunft, für alle anderen ein interessantes Projekt, zumal die Kapsel im Jahr 2043 wieder geöffnet werden soll. Bis dahin hätte Philipp Leissing seine Lebens­­­ zeit verdoppelt und wir würden Zeugen dessen, was aus den vielverspre­chenden KünstlerInnen von heute geworden ist. Ruhm und Ehre oder der Fall in die Bedeu­tungs­ losigkeit? Das Spiel mit Träumen als ambitioniertes Konzept für ein Kunstwerk, das, unverrückbar mitten unter den Zuschauern verortet, eine Brücke zu den Hoffnungen und Schicksalen des dort trainierenden Springernachwuchses schlägt. Eine schöne Idee.

Des Finders Glück Der aus Vorarlberg stammende und an der Wiener Akademie für Bildende Künste bei Peter Kogler (Video- und Computerkunst) und

Artikel-Empfehlung

Peter Freiberger, „Abgehoben, Für die Schanzen rollt der Rubel“ in: Thema Vorarlberg, Ausgabe 3, November 2014, S. 36

Mona Hahn (Kunst im öffentlichen Raum) ausgebildete Philipp Leissing hatte sich dies alles sehr genau überlegt, als er 2013 an der „Kunst und Bau“-Ausschreibung teilnahm und sein Projekt beim Land Vorarlberg einreichte. Das Konzept überzeugte die Jury, und so wurde am 12. Mai 2014 die Zeitkapsel feierlich in dem extra dafür geschaffenen Fundament am Fuße der Schanzen verankert. Die mangelnde Kommunikation zwischen allen Beteiligten trat zum ersten Mal deutlich zutage, als Leissing samt mit­gereister Helfer vergeblich nach dem (zwar vorbildlich vorbereiteten, jedoch durch nichts gekennzeichneten) unterirdischen (!) Fundament suchen musste. Eine unglückliche Fügung, dachte man da noch. Die aufgrund der stattlichen Kosten von über 15 Mio. Euro mit viel Pomp und allerlei Politprominenz veredelte Eröffnungsfeier des Schanzenzentrums Tschagguns fand dann am 27. Juni 2014 statt. Eine schlechte Inszenierung setzte nicht nur die standesgemäße Enthüllung des Kunstwerks in den Sand, sondern führte in weiterer Folge von der kabarettreifen Verhüllung hin zum vorläufigen Höhepunkt, der tempo­ rären Verbauung anlässlich der Europäischen Olympischen Jugendspiele 2015 (EYOF). Dass mitnichten Böses beabsichtigt war, verdeutlicht die schnelle Reaktion der Kulturabteilung des Landes, die sich nach Sichtung vorliegender Fotos der Sache annahm. Ebenso der hilflose, doch gut gemeinte Versuch

Ende gut Ob die vom Land geplanten Beschriftungen aller Kunstwerke im öffentlichen Raum in diesem Fall ausreichen, oder ob der Standort der Zeitkapsel neu überdacht werden muss, bleibt vorerst offen. Zum Glück nimmt es der junge Künstler sportlich und schmunzelt aus der Ferne über diverse Bemühungen, sein Werk aus dem Schanzenkonzept auszublenden. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass trotz aller Widrigkeiten Harald Märk, ein engagierter Pädagoge aus dem Montafon, die didaktische Stärke des Konzepts begriffen und mit Schülern der Ski-Mittelschule Schruns umgesetzt hat. In der künstlerischen Auseinandersetzung mit Philipp Leissings Zeitkapsel wurden von den Kindern werkimmanente Fragen wie „Was ist mir wichtig?“, „Was soll die Zeit überdauern?“, „Wie stellt sich mein Kosmos dar?“ behandelt und gestalterisch umgesetzt. Das Ergebnis konnte bis Mitte Februar in den Räumen der MAP Kellergalerie in Schruns bestaunt werden. Kathrin Dünser


10 Museen

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Weidmannsheil!

Fotos: VMW / Albrecht Schnabel Einblicke in das Vorarlberger Jagdmuseum

Zur Eröffnung des Vorarlberger Jagdmuseums in Frastanz

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ie Vorarlberger Museumswelt in Frastanz ist seit der Langen Nacht der Museen im Oktober 2014 um eine Attraktion reicher geworden. Als drittes von insgesamt sieben Museen, die in den kommenden Jahren dort ihren Platz finden werden, konnte das Vorarlberger Jagd­museum seiner Bestimmung übergeben werden. Aus der Kooperation der Vorarlberger Jägerschaft mit der Museumswelt ist eine überzeugende Schau entstanden, wie bei einem Besuch vor Ort für das Museumsmagazin festgestellt werden konnte.

Keine Trophäensammlung

Im Bewusstsein um die eigene Geschichte begann die Vorarlberger Jägerschaft 2009 mit der kontinuierlichen Sammlung von Archiv-, Bibliotheks- und Museumsgut. Durch Schenkungen, Nachlässe und Leih­ gaben konnte diese beständig erweitert werden, wobei grundsätzlich auf Ankäufe jeder Art verzichtet wird. Für die Koordination ist der Fachausschuss für Geschichte zuständig, der sich die Bewusstseinsbildung für die Vergangenheit und gegenwärtige Heraus­ forderungen der Jägerschaft zum Ziel gesetzt hat. Ihm gehört auch Monika Raggl an, die aufgrund ihrer Herkunft aus Frastanz dafür prädestiniert war, als Schnittstelle zur Vorarlberger Museumswelt aufzutreten und jeweils entsprechende Kontakte zu vermitteln. Das Depot in Hohenems, so berichtet sie im Gespräch, sei längst aus allen Nähten geplatzt, weshalb man nach einer dauer­ haften Möglichkeit der Präsentation Ausschau hielt. Eine solche konnte in Frastanz gefunden werden, womit die Jägerschaft 2012 neues Mitglied der Vorarlberger Museums­ welt wurde.

Ein Jagdmuseum weckt bei vielen bis heute vermutlich die Assoziation einer gewaltigen Ansammlung von Trophäen, die von zahl­ reichen geschossenen Tieren im Laufe der Zeit gesammelt wurden. An solchen finden sich in der neuen Schau in Frastanz nur wenige. Ebenso an traditionelle Darstellungsweisen erinnert das zur Eröffnung aufgebaute „Diorama“, das eine große Auswahl an Tieren der Vorarlberger Wälder und Aulandschaften präsentiert. Dieses wird im Frühjahr jedoch beim Aufbau der neuen Grammophon­ ausstellung weichen müssen. Das Herzstück der Ausstellung bilden jene 20 modernen Säulen, die vom Berliner Szeno­grafie-Büro chezweitz konzipiert und durch die Bregenzer Architektin Heike Schlauch vom Büro raumhochrosen gemein­ sam mit dem Rankweiler Fotografen Albrecht Schnabel in gelungener Art und Weise umgesetzt wurden. In ihrer Anordnung und Gestaltung erinnern sie an einen imposanten Wald und je nach Betrachtungswinkel bieten sie auffallend variable Einblicke, wobei jeweils Bildmotive, Objekte oder Infor­ma­ tionen den Rahmen bilden. Zwei Exponate wurden anlässlich der Eröffnung besonders hervorgehoben: es sind dies die Magensteinsammlung von Josef Henrich, des zweiten Obmanns der Vorarlberger Jägerschaft, sowie zwei Perkussionsvorderlader, die aus dem frühen 19. Jahrhundert stammen und im Bregenzerwald eingesetzt wurden. Als Magen­­ steine werden jene Kiesel bezeichnet, die Raufußhühner zur Unterstützung der Verdauung aufnehmen. Diese hatte Henrich gesammelt und ausgewertet. Die beiden Beispiele illustrieren auch das Vorhaben des Jagdmuseums, nämlich die Regionalität der Jagd in den Vordergrund zu stellen.

Ein neues Museum entsteht

Mittwoch ist Museumstag

Zwei Schwerpunkte wurden vorab als we­sent­­liche Elemente des neuen Jagd­ museums herausgearbeitet. Einerseits sollten die Geschichte der Jagd im Lande und jene der Vorarlberger Jägerschaft seit 1919 thema­ tisiert werden. Andererseits werden die Herausforderungen, denen sich das Jagd­ wesen aktuell zu stellen hat, dargelegt. Derzeit sind in dieser Hinsicht die Wald- und Wildproblematik sowie das Thema „TBC“ präsent. Dieser Teil der Ausstellung soll in den kommenden Jahren zu unterschied­ lichen Entwicklungen jeweils adaptiert werden. Im Hinblick auf den historischen Part wurde das Ziel verfolgt, die Bauern- und Bürgerjagd in den Mittelpunkt zu stellen, die sich im 19. Jahrhundert als Erbe der feudalen Tradition durchsetzen konnte. Wenngleich sich auch an der Wende zum 20. Jahrhundert noch immer hochadelige Jäger wie der preußische Kronprinz in Vorarlberger Revieren aufhielten, so bildeten diese doch die Ausnahme und waren größtenteils von wohl­ habenden Bürgern – besonders Industriellen, wie das Beispiel der Familie Douglass aufzeigt – abgelöst worden. Zu ihnen gesellten sich Bauern, die ihren Grundbesitz ebenso für jagdliche Zwecke zu nutzen wussten.

Bereits bei der Langen Nacht der Museen konnten rund 500 Gäste im neuen Jagd­­­­ museum begrüßt werden. Dieses hat sicher­ lich dazu beigetragen, das Publikums­­­­­inte­ resse an der Vorarlberger Museumswelt und ihrer Arbeit weiter zu steigern. Dies zeigt sich besonders bei den Besucher­gruppen, die – wie Kurt Moll von der Museumswelt betont – stets von fachlich ausgebildeten Personen durch die einzelnen Ausstellungen begleitet werden. „Seiner Tat­­kraft und seinem guten Geist“ war es, wie Reinhard Bösch als Ob­mann der Vor­arl­­berger Jägerschaft be­tonte, zu verdanken, dass das neue Museum recht­zeitig eröffnet werden konnte. Die Ausstellungen in der Vorarlberger Muse­ums­­welt – neben dem neuen Jagd­­­ museum zählen das Elektro­museum und das Landes-Feuerwehr­museum im „Wolla­schopf“ dazu – können jeden Mitt­woch von 16 bis 19 Uhr besucht werden. Indi­viduelle Füh­run­ gen für Gruppen sind gegen Vor­an­­meldung jederzeit mög­lich. Im Laufe des Jahres 2015 wird die Museumswelt um die Grammophon­ ausstel­lung und das Tabak­museum (siehe auch Beitrag auf Seite 13) bereichert werden.

Intensive Sammlungstätigkeit

Christof Thöny

Vorarlberger Museumswelt Obere Lände 3b, 6820 Frastanz T: +43 5522 51816, M: +43 664 2118999 E: office@museumswelt.com www.museumswelt.com Öffnungszeiten

Jeweils Mittwoch, 16 – 19 Uhr


Im Gespräch 11

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Forschen unter Tage Der karst- und höhlenkundliche Ausschuss des Vorarlberger Landesmuseumsvereins

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um Vorarlberger Landesmuseumsverein, der auf eine über 150 Jahre lange Tradition zurückblicken kann, gehören zahlreiche Ausschüsse: Neben dem Burgenausschuss (Fachausschuss für Archäologie, Denkmalschutz und historische Bauforschung) und dem numisma­ tischen Ausschuss (Gesellschaft Vorarlberger Münz­freunde) zählt dazu der karst- und höhlenkundliche Ausschuss, der sich mit der Erforschung und Vermessung der Vorarl­ berger Höhlen und Karstobjekte befasst. Alexander Klampfer, Mitglied des Karst- und Höhlenausschusses, im Gespräch mit dem Museumsmagazin: mm: Wann und mit welcher Intention wurde der Karst- und Höhlenausschuss gegründet? Klampfer: Die Gründung erfolgte im Jahr 1956 durch Walter Krieg, einen der Pioniere des Geotopschutzes in Österreich und von 1967 bis 1993 Direktor der Vorarlberger Naturschau, der heutigen inatura. Bereits im Jahre 1922 erarbeitete Josef Blumrich eine Aufstellung, die 18 Höhlen in Vorarlberg und dem unmittelbaren Grenzbereich umfasste. Dies war die Ausgangslage, als Walter Krieg im Jahre 1956 seine höhlenkundliche Arbeit in Vorarlberg begann. Drei Jahre später bein­haltete der österreichische Höhlenka­ taster bereits 114 Objekte in Vorarlberg, darunter zwei Groß- und sechs Mittelhöhlen. Allerdings existierten nur von 19 dieser 114 Höhlen genauere Unterlagen oder Skizzen. Der Rest musste noch genauer erforscht werden und sollte auch der Öffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben: So wurden öffent­ liche Exkursionen in Vorarlbergs größte Höhle, das sogenannte Schneckenloch, vom

karst- und höhlenkundlichen Ausschuss regelmäßig in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverein Bizau durchgeführt. Die Forschungstätigkeit umfasst neben den geologischen Aspekten der Höhlenforschung auch Bereiche der Biologie oder der Klimatologie. Österreichweit wird diese Forschungsarbeit vom Verband der Österreichischen Höhlenforscher (VÖH) koordiniert. Wir sind daher auch Mitglied im VÖH. Die Grundlage der Forschungen bildet der Höhlenkataster, der ganz Österreich in verschiedene Zonen einteilt. In Absprache mit den verschiedenen Höhlenvereinen ist die Zuständigkeit für die jeweiligen Forschungsgebiete festgelegt. Die Forschungsergebnisse werden in Form von Beschreibungen, Berichten und Plänen im Höhlenkataster sowie in Fachzeitschriften publiziert. mm: Besteht eine Zusammenarbeit mit den Museen im Land? Klampfer: Speziell in geologischen und biologischen Fragen ist die inatura ein wichtiger Ansprechpartner. Einen weiteren Schwerpunkt bildet u. a. die Kooperation mit den Montafoner Museen, Ansprechpartner ist Michael Kasper, der Obmann des Heimatschutzvereins Montafon. Hier werden im Rahmen des einzigartigen Vermittlungsprogramms „septimo“ seit fünf Jahren jeweils im September neue Maßstäbe in der Präsen­ tation der regionalen Kulturgeschichte gesetzt, die laufend weiter erforscht und auf­­­gearbeitet wird. Mit einer Vielfalt von Ver­anstaltungsformaten werden die unter­ schiedlichsten Altersgruppen angesprochen und sind eingeladen, sich mit Themen wie der traditionellen Bewirtschaftung des

In der erst 2014 entdeckten Gelbeck­höhle an der Drusenfluh können neo­tektonische Verschiebungen im Gestein – wie hier an der abgebildeten Sanduhr – gut beobachtet werden. Die mehrere hundert Meter lange Höhle ist erst ansatzweise vermessen und Ziel aktueller Forschungen. Foto: Alexander Klampfer

Kleinsinterformen im sogenannten Stufengang der Gauerblickhöhle an der Sulzfluh. Die Höhle wurde 2014 komplett neu vermessen und ist über einen Kilometer lang. Foto: Alexander Klampfer

Mon­­ta­fons, verschiedensten Aspekten des kultu­rellen Erbes, der Architektur und derRegionalentwicklung im Montafon auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang bieten wir Exkursionen und Vorträge an. Im Jahr 2014 führte ich gemeinsam mit Forschern der Ostschweizer Gesellschaft unter dem Titel „Auf den Spuren des Höhlenbären“ eine Exkursion in die Apollohöhle, der zweitlängsten Höhle im Rätikon, durch. In der Gemeinde St. Antönien, im Kanton Graubünden

Der sogenannte Bretterschuf in der Ferolars-Riese-Höhle am Hirschberg. Die meist kleinräumige teilweise wasserführende Höhle zählt mit knapp 800 m Ganglänge zu den größten derzeit bekannten Höhlen im Bregenzerwald. Foto: Alexander Klampfer

in der Schweiz gelegen, ist die Apollohöhle eine alpine, weitgehend fossile Karsthöhle, die an der Ostflanke der 2818 Meter hohen Sulzfluh liegt und eine vermessene Länge von über drei Kilometer aufweist. Zusammen mit anderen Höhlen in der Sulzfluh – der Oberen und Unteren Seehöhle, der Pfingsthöhle und dem Mondgang – bildet sie ver­ mut­lich den Teil eines einst zusammengehörigen großen Höhlensystems. Bekannt wurde die Apollohöhle vor allem durch den Fund von Knochen des Höhlenbären sowie durch ihre eindrucksvollen Gangsysteme. Am Tag vor der Exkursion bot ein Vortrag unter dem Motto „Bergsteigen unter Tage“ eine Übersicht über die aktuelle Höhlenforschung an der Weißplatte und der Sulzfluh. Das sogenannte Weißplatten-Höhlensystem, eine von rund 150 dokumentierten Höhlen im Gebiet, weist nicht nur einen der größten natür­ lichen Hohlräume des Landes auf, sondern ist mit rund 500 Meter Tiefe und über drei Kilometer Ganglänge eine der größten Höhlen Vorarlbergs und die Längste des Rätikons. mm: Welche aktuellen Forschungspro­jekte sind derzeit am Laufen und in welchem Rahmen werden neue Forschungsergebnisse publiziert? Klampfer: Die Veröffentlichungen erfolgen unregelmäßig, hauptsächlich in der Zeitschrift des Vorarlberger Höhlenvereins, dem „Höhlenblättle“, sowie in diversen Fachzeitschriften, wie etwa „Die Höhle – Zeitschrift für Karst- und Höhlenkunde“. Sie ist das Publi­ka­ tionsmedium des Verbandes Österreichischer Höhlenforscher und des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Jährlich erscheinen auch Berichte in diversen Jahrbüchern, wie etwa jenem der Montafoner Museen. Für das Jahr 2015 haben wir natürlich wieder unser Hauptforschungsgebiet, den Rätikon, im Visier, aber auch Höhlen am Hirschberg, dem Gottesacker und am Hohen Freschen stehen im Fokus. Susanne Emerich


12 Im Gespräch

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In der Stube des Vorstehers Ein Gespräch über das Tabakmuseum in Frastanz mit Harald Ludescher

Ludescher: In der Tat kaufte Ganahl u. a. die Tabakgründe, um sein Firmenimperium zu gründen. Das müsste im neuen Tabakmu­ seum auch entspre­chend dargestellt werden. Historische Bilder zeigen ja auch den Tabak­ anbau, nur wurden diese Bilder manches Mal falsch inter­­­­pretiert und aus dem Tabak wurde in der rück­­blickenden Betrachtung Türken, also Mais. mm: Das Tabakmuseum ist derzeit im Gemein­deamt untergebracht und soll künf­tig in der Museumswelt in einem anderen, moder­neren Erscheinungsbild gezeigt werden. Ludescher: Ja, das Konzept der Museumswelt sieht vor, dass wir mit dem Tabakmuseum als eigen­ständige Einheit im Verbund mit den anderen Ausstellungen präsentiert werden. Das Jagdmuseum wurde zuletzt eröffnet. Ein Jahr vorher war schon das Feuerwehrmuseum im Wollaschopf fertig gestellt worden. Detail der Krippe im Wohnzimmer von Harald Ludescher in Frastanz. Foto: Arno Schmidle

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ie Stube des Vorstehers, der früheren Bezeichnung für den Bürger­ meister, war einst in allen Gemein­ den das Zentrum der Macht – der Ort, an dem Politik gemacht wurde, auch der Ort, an welchem die kommunalen Geschehnisse verhandelt und oft auch als Geheim­ nisse bewahrt wurden. Und es gibt sie noch, die Stube des Vorstehers – sie befindet sich in Frastanz und wenn hier auch nicht mehr Politik gemacht wird, so schwebt doch die Aura der Geschichte über jenem Ort, vor allem wenn man seinem Gesprächspartner Harald Ludescher gegenüber sitzt – Ludescher war von 1974 bis 2004 30 Jahre Bürger­­­ meister von Frastanz. Und Harald Ludescher ist treibende Kraft des Tabakmuseums, das als Teil der Vorarlberger Museumswelt in Frastanz eingerichtet werden soll. mm: Wir sind hier in Ihrem Haus in Frastanz zu Gast und sitzen in einer Stube, wie sie die historischen Gebäude gerne – meist am schön­ sten Eck des Hauses gelegen – zeigen. Derzeit wird der Raum von der Darstellung einer Krippe dominiert, die gleich an zwei Stellen aufgebaut ist. Das weihnachtliche Geschehen wird von viel Tannengrün begleitet, ein großes Hintergrundbild zeigt Frastanz und seitlich vom Glaskasten schauen wei­tere Figuren, darunter ein Kapuziner, auf die Krippe. Ludescher: Die Krippe ist ein wichtiger Bestand­teil von Weihnachten. Sie wird sehr geschätzt und auch immer wieder von Menschen aus dem Ort besucht und betrachtet. Das Hintergrundbild zeigt eine winterliche Perspektive des Walgaus, mit Frastanz im Zen­­trum. Es wurde von einem Dornbirner Gymnasial­lehrer nach dem Krieg gemalt, ich habe es restaurieren lassen und es dient nun schon seit vielen Jahren als Kulisse meiner Krippe.

mm: Das Thema „Krippen“ verbindet Sie auch mit dem alten Vorarlberger Landesmuseum? Ludescher: Ja, genau. Es war wohl so um die Mitte der 90er Jahre, als ich eines Tages meinen elsässischen Freunden zusagte, eine Ausstellung zu Vorarlberger Krippen in Riquewihr zu organisieren. Ich sprach mit unserem

Pfarrer, dem Dompfarrer, den Kapuziner­ klöstern und auch mit dem damaligen Direktor des Landesmuseums, Helmut Swozilek. Ich war mir alles andere als sicher, aus dem Museum etwas zu bekommen, aber Herr Swozilek meinte nur: Hier sind die Krippen, was wollen Sie? Und ich nahm auch die Meschacher Krippenfiguren von Erasmus Kern mit, das heißt, wir versicherten das ganze Ladegut und fuhren mit einem vom Möbelhaus Thurnwalder zur Verfügung gestellten Transporter in das Elsass. Chauffeur war der Gemeindegärtner, den hl. Nikolaus vom Feldkircher Dom drapierten wir mit Äpfeln. Mit 11500 Besucherinnen und Besuchern wurde die Ausstellung ein Riesenerfolg. mm: Das ist heute alles wesentlich kompli­ zierter und teurer geworden. Wenn Sie an den Anfang ihrer beruflichen Laufbahn als Bürgermeister zurückdenken, war die Kommunalpolitik damals auch um so vieles einfacher als heute? Ludescher: Das kann ich in meinem Fall nicht bestä­tigen. Bürgermeister zu werden war nicht mein Lebensziel. Wäre ich nicht als junger Mann mit der Musik ins Elsass gefahren und hätte ich dort nicht meine Frau kennen­ gelernt, ich wäre wohl in den Kapuzinerorden eingetreten. Da war eigentlich alles vorbereitet. Aber noch heute habe ich intensiven Kontakt mit den letzten in Vorarlberg ver­ blie­benen Kapuzinern in Feldkirch, ich unterstütze sie, wo ich kann. Meinem Vorgänger als Bürgermeister, Egon Tiefenthaler, verdankte ich schließlich den Schritt in die Politik. Er hatte mich in die Gemeindever­ tretung geholt. Ich wurde dann auch sein Nachfolger, aber ich war noch nicht lange im Amt, da schloss die Firma Ganahl ihre Pforten und über Nacht musste ich mich mit dem Thema Arbeitslosigkeit auseinandersetzen. Da musste ich alle meine Möglichkeiten nutzen, um diesen Menschen wenn schon nicht die Arbeit so zumindest den Wohnort zu sichern. mm: Der Firmengründer Ganahl steht irgend­ wie auch am Ende der Tabakgeschichte in Frastanz?

mm: Das Land Vorarlberg unterstützt die Museumswelt vor allem durch die Beigabe einer professionellen Begleitung in Form der architektonischen und szenografischen Gestal­­tung der einzelnen Museen. Heike Schlauch, Architektin in Bregenz, zeichnet zum Beispiel auch für das neue Tabak­ museum verantwortlich. Ludescher: Heike Schlauch bevorzugt ein­ fache klare Linien, ich habe leider ein wenig das Gefühl, dass wir zuwenig vorkommen. Der Bezug zu Frastanz fehlt leider. mm: Frastanz verfügt in der Tat über eine spannende Geschichte zum Tabakanbau, aber die Spuren sind längst aus der Kulturland­ schaft verschwunden. Wie stellen Sie sich da die Einbindung der Bezüge zur Gemeinde in die Ausstellung vor? Ludescher: Der Tabak wurde hier ange­baut, spätestens aber nach der Einführung des staatlichen Tabakmonopols war es vor allem ein poli­tischer Balanceakt, der mit dem Gubernium in Innsbruck auszufechten war. Ich würde mir die Darstellung der Stube des Vorstehers oder zumindest eines Teils davon wünschen, die genau diesen Aspekt zeigt. Dazu gehören ein Schreibtisch und ein paar Originale, die auf die Tabakgeschichte verweisen. mm: Das erinnert mich an den Spucknapf, der einer großen Kehrschaufel gleich in der Stube des Montafoner Heimatmuseums steht. Ich glaube, die Montafoner nennen dies „Speutrökli“. Ludescher: Bei uns heißt es ganz ähnlich „Spöztrükli“. Das gibt es noch und auch ein Tabakkasten, den ich als junger Mann in Frastanz gekauft habe, wäre ein interessantes Objekt. Aber ich gebe schon zu, die Darstellung der Tabakpflanzerei in Frastanz ist in erster Linie eine nostalgische Angelegenheit. mm: Eine nostalgische Angelegenheit, zu der man alles erforscht hat? Ludescher: Nein, das wäre ein wichtiges Begleitprojekt. Vor allem die Saisonarbeiter, die etwa in das Elsass zogen, müssten näher erforscht werden. Durch meine Elsässer Freun­de und Verwandte meiner Frau habe ich ganz interessante Beobachtungen

gemacht, die auch als Zeugnis für den Klima­ wandel stehen dürften. Ich habe hinter meinem Haus in Frastanz in Erinnerung an die alte Tradition vor etwa 30 Jahren ver­­suchs­ weise wieder begonnen, Tabak anzu­bauen. Beim tele­fo­ni­schen Jahreszeitenvergleich ergab sich, dass die Pflanzen dort zur gleichen Zeit weitaus höher gediehen waren, als bei uns. Das hat sich geändert. Heute wachsen sie gleichzeitig und gleich schnell wie jene im Elsass. mm: Sie haben die Tabakgeschichte des Ortes gegenwärtig gemacht oder zumindest die museale Darstellung stark angetrieben. Wann haben Sie erstmals von der Bedeutung des Tabaks für die Ortsgeschichte gehört? Ludescher: Ich bin Jahrgang 1943, in Frastanz aufgewachsen. In der Schule fiel schon der Hinweis auf den früheren Tabakanbau – zu­ mindest in der Volksschule, im Gymnasium war es dann kein Thema mehr. Später, als ich schon beruflich bei der Landesversicherung in Bregenz tätig war, hatte ich dann viele schöne Begegnungen mit meinem väterlichen Freund Meinrad Tiefenthaler [Vorarlberger Landesarchivar, aus Frastanz stammend, Bruder des oben erwähnten Bürgermeisters Egon Tiefenthaler]. Er hatte ein Haus auf der Bazora, aber kein Auto, und so war es mir immer wieder vergönnt, Herrn und Frau Tiefenthaler dorthin zu fahren. Da gab es für mich ein ums andere Mal historischen Nachhilfeunterricht, Tiefenthaler brachte ja auch das Frastanzer Gemeindearchiv in Ordnung und wir verdanken ihm sehr viel Wissen zu unserer Gemeindegeschichte. Und er entfachte ­­in mir das Feuer für das Thema Tabak! mm: Stammen von Tiefenthaler die heute bekann­ten Kenntnisse zum Tabakanbau in Frastanz? Ludescher: Es gibt vereinzelte Aufsätze zum Tabak­anbau, die auch von Meinrad Tiefen­­ thaler geschrieben wurden. Aber ich war damit nicht zufrieden und habe dann Anfang der 80er Jahre auf Empfehlung den inzwischen verstorbenen Feldkircher His­to­ riker Christoph Vallaster mit der Bearbeitung des Themas beauftragt. Diese ist unter dem Titel „Das Vorarlberger Tabakbuch“ als schöne Übersicht zur bestehenden Literatur veröffentlicht worden. Dazu hat Vallaster wichtige Archive des Landes und der Region gesichtet und einiges an Material zu Tage gefördert. Andreas Rudigier

Harald Ludescher. Foto: Christa Engstler


Im Gespräch 13

museum magazin ausgabe 10 / 2015

Vom Walser­museum zum Lechmuseum

„Gerne hätte ich studiert, ich wollte eigentlich Priester werden, aber das Zölibat war nichts für mich: I hon halt Meiggana gära gsaha.“

Ein biografischer Rückblick

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er Heimatpflege- und Museumsverein Lech-Tannberg feierte im vergangenen Herbst sein 30-jähriges Bestehen. Der Verein ist vor allem um die Betreuung des Walsermuseums Lech-Tannberg sowie um die Pflege, den Erhalt und die Weitergabe des kulturellen Erbes bemüht. Dazu gibt es Einrichtungen wie das Walsermuseum, das Huber-Hus sowie das Ge­mein­dearchiv Lech, die künftig im neuen Lechmuseum vereint werden. Es dient in Zukunft als kulturgeschichtliches Zentrum des Ortes, als Ort der kulturellen Begegnung und Auseinandersetzung, als Ort der Wissens­ vermittlung, der Forschung, als Gedächtnis der Region. Das Lechmuseum beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Phänomen Sprache. Sprache und Dialekt sollen mehr Raum erhalten und der Bevölkerung am Tannberg nähergebracht werden. Im folgenden Beitrag wird die Geschichte dieser Institution am Beispiel der Biografie von Herbert Sauerwein gestreift, der über viele Jahrzehnte die Geschichte des Museums, des Vereins und überhaupt den Umgang mit der Ortsgeschichte in Lech geprägt hat.

Herbert Sauerwein. Foto: Christa Engstler

Ausbildung zum Lehrer Es mag der Herkunft des Verfassers dieses Beitrags geschuldet sein, dass Herbert Sauer­wein zunächst einmal feststellt, er sei „Muntafuner“. Tatsächlich verbrachte der 1923 als ältester Sohn einer Arbeiterfamilie in Innsbruck geborene Herbert Sauerwein seine achtjährige Volksschulzeit in St. Anton – nein, eben nicht am Arlberg, sondern in jenem im Montafon. Der anschließende Besuch der landwirtschaftlichen Schule in Vandans sollte den traditionellen Weg eines bäuerlichen Berufes ebnen, wenn da nicht das Talent des Schülers und die Vorbilder seiner Lehrer gewesen wären, die Sauerwein zum Wechsel an die Lehrerbildungsanstalt in Feldkirch bewogen, wo er bis zu seiner kriegsbedingten Einberufung 1942 bleiben sollte. Der Krieg führte Sauerwein nach Jugoslawien und in die Normandie und schließlich im August 1944 in die amerikanische Gefangenschaft: „Da ich gut Englisch sprach, wurde ich verschiedentlich als Dolmetscher bei Arbeitskommandos verwendet, was meine

Lage wesentlich verbesserte. Überhaupt haben mir meine Sprachbegabung, die mich auch während der Besatzungszeit Französisch lernen ließ, viel im Leben genützt.“ Die erste Stelle als Lehrer brachte Herbert Sauerwein nach Fontanella („Sie kommen ins Walsertal!“). Hier lernte er nicht nur seine Frau Hilda Nigsch („Aus dem Walsertal ist kaum einer ohne Frau gekommen!“), sondern auch das Walsertum und seine Wertschätzung daran kennen. Die Zuteilung des Junglehrers an eine kleine Schule weit im Tal drin, hatte nicht nur mit hierarchischen Prinzipien einer Laufbahn zu tun, sondern auch mit dem Umstand, die ledigen Männer dorthin zu schicken, wo der Männermangel nach dem Krieg besonders eklatant war. Hilda Nigsch war die Schwester des Pfarrers und Teil einer durchaus wohlhabenden Familie im Walsertal („Es ging uns gut.“). Die Sommerferien in dieser bäuerlichen Region dauerten im Übrigen vom 1. Juni bis 31. Oktober, und so suchte der ehrgeizige und sprachgewandte Sauerwein in diesen Monaten die Tourismusgemeinden auf, wo er etwa als Empfangschef im Hotel Hämmerle in Brand arbeitete. Im nächsten Sommer säumte Sauerwein den Weg vom Hotel zur Douglass­ hütte am Lünersee, drei Sommer war er dort („Die Tochter hätte ich auch bekommen, aber das war nichts für einen armen Lehrer ... und so heiratete ich meine Walserin.“). 1949 heirateten die Sauerweins. Die Hochzeitsreise führte in die Vergangenheit (nach Innsbruck, ins Theater) und in die Zukunft, denn bei der Rückfahrt ging es gleich nach Lech, wo die neue Arbeitsstelle auf den Lehrer wartete. Der Einstand war ein guter, anfangs war er Kostgänger beim Bürgermeister, im Sommer arbeitete Sauerwein bei den Bauern und lernte so die Menschen und ihre Ge­ schichte in Lech kennen und schätzen („Ich war nicht der Gescheiteste, aber der Bestinformierte!“). Lech legte angesichts der aufstrebenden Tourismuswirtschaft seine landwirtschaftlich geprägten Fesseln ab und blühte schnell auf. Sauerwein unterrichtete die Buben in Englisch („Als Schulleiter ver­ diente ich nämlich im Tag so viel wie ein Skilehrer in einer Stunde.“) und baute vor allem seiner Frau wegen ein Einfamilienhaus in Feldkirch. Herbert Sauerwein diente Lech bis 1983 als Lehrer, die letzten Jahre als Leiter der neu errichteten Hauptschule. Aber auch als Organist (50 Jahre lang! „Spielt der Lehrer wieder Flügaschiss statt Nota!“), als Mitar­bei­ter im Verkehrsamt (in Spitzenzeiten bis zu 16 Lichtbildervorträge im Monat über „Lech im Wechsel der Jahreszeiten“), im Trachten­ verein, als Ortschronist, als offizieller Wetter­ beobachter, als Autor zahlreicher Beiträge zu Lech, die auch in Buchform erschienen.

Das Museum Und dann war da noch das Museum. Schon früh baute Herbert Sauerwein einen Kontakt zum Direktor des Vorarlberger Landes-

museums Elmar Vonbank auf. 20 Jahre lang urlaubte Vonbank bei Sauerwein, er fühlte sich sehr wohl in der Schule – aufgrund einer Kriegsverletzung an der Lunge konnte Vonbank nur den Langlaufsport ausüben. Kontakt gab es auch mit Karl Ilg, der sich zu den Walsern in Vorarlberg habilitierte und als Universitätsprofessor in Innsbruck mit den Heimatforschern in Vorarlberg Arbeitskreise aufbaute, in denen unter anderem auch Eugen Dobler, ein entfernt mit der Frau Sauerwein Verwandter, mitarbeitete. Weitere interessante Ansprechpartner waren die eben­­falls aus Vorarlberg stammenden Sprach­­wissenschaftler Guntram Plangg und Eugen Thurnher. Es ergaben sich sehr gute Netzwerke zwischen der Heimatforschung und den universitären Zugängen. Herbert Sauerwein erarbeitete auch immer wieder mit seinen Schülerinnen und Schülern histo­ rische Inhalte, sichtbar etwa am Wappen von Lech, das unter professioneller Mithilfe des Grafikers Markus Bachmann schließlich umgesetzt wurde. „Hie und da hatte ich auch einen Geistesblitz“, meint Sauerwein, wenn er auf seine Rolle als Mittler historischer Inhalte im gegenwärtigen touristischen Umfeld angesprochen wird. So zum Beispiel als es einmal um ein Geschenk für die niederländische Königin Juliane ging. Sauerwein erinnerte sich an einen überkommenen Brauch, der sich früher zwischen den jungen Lecherinnen und Lechern abspielte. Wenn ein Werber beim „Hengert“ willkommen war, erhielt er von der Angebeteten ein Birnenbrot („Biera­ zibbl“), den er sich deutlich sichtbar an seinen Hut steckte. Sauerwein empfahl dem Bürgermeister, der Königin genau so einen „Bierazibbl“ zu überreichen. Verbunden mit der Geschichte handelte es sich um ein Geschenk, das zum einen als besonderes Zeichen der Zuneigung gewertet werden durfte und zum anderen mit keinem Geld der Welt zu erwerben war. Die Idee für ein Walsermuseum kam von Elmar Vonbank. Kleinwalsertal, Großwalser­ tal, Lech ... jedes Tal sollte sein Museum haben, so die Auffassung Vonbanks. Für Lech sollte neben der Landwirtschaft und dem bergbäuerlichen Leben natürlich auch der Tourismus zur Sprache kommen. Und Vonbank hatte auch schon ein Gebäude im Auge, zunächst 1972 das zum Abbruch freige­ gebene Gasthaus Sonneck in Stubenbach, dann jenes der Huber, das 1982 von der Gemeinde angekauft und Jahrzehnte später (2005) tatsächlich ein Museum werden sollte. Vonbank setzte sich bei den politisch Verant­ wortlichen für die Umsetzung seiner Idee ein, keine einfache Sache „als Rucksäckler“ aus Bregenz, wie Sauerwein rückblickend festhält. Es begann mit einer Ausstellung in der Bank, Inhalt war die Ortsgeschichte („Lech einst und heute“) vor allem anhand historischer Bilder und mit Unterstützung der Walservereinigung, allen voran der Familie Walch. Martin Strolz und Vinzenz Walch müssen als wichtige Mitstreiter und Begleiter

des Walsermuseums an dieser Stelle genannt werden. Damit war dem Museum der Boden bereitet, auch wenn der fehlende „Boda“ einen eigenen Museumsbau verhindern sollte.

„War immer Sammler!“ Die Sammlung machte Fortschritte, man­ ches musste gekauft werden, vieles wurde geschenkt, eine ganze Schuhmacherei, eine Schaffreite, die Milchwirtschaft gab es von Huber in Zug als Leihgabe, die Jagdausstellung von Johann Schneider, viele Bilder ... eine historische Heimatschau mit viel Flachware. 27 Jahre Sammeln, rund 1200 Exponate aus den Bereichen Ski- und Wintersport, bäuerliches Handwerk, bergbäuerliche Landwirtschaft, Wohnkultur, Milchwirtschaft, Tracht, Jagd, textiles Schaffen, religiöse Volks­­kunst – das war am Ende das Ergebnis der Aktivitäten der Lecher Museumspioniere. Das Museum wurde schließlich im Feuerwehrhaus unter professioneller Begleitung des Vorarlberger Landesmuseums einge­ richtet und im Dezember 1984, kurz nach der Vereinsgründung, eröffnet. Damals war es verhältnismäßig klar, welche Sammlungsschwerpunkte zu setzen waren. Das hat sich geändert. Heute wären es wohl vorwiegend Objekte aus dem Tourismus, die zu sammeln wären, wie die aktuell verantwortlichen Personen unter der Leitung von Veronika Walch anführen: Gästebücher, Karten, Lite­ ra­tur, Bekleidungen (etwa im Service oder beim Skifahren), Hüte, Schirmkappen, Ruck­säcke, Werbeträger, Jubiläumsnadeln, Speise­karten, Hotelinformationen, Aschenbecher ... Witze zu den Walsern?, Geschichten sammeln ... auch „Hanf“ wurde genannt und damit der Fokus auf aktuelle Probleme des gesellschaftlichen Lebens in Lech gerichtet. Ein Thema, das eines Heimatmuseums in jedem Fall würdig wäre ... Herbert Sauerwein wurde 1997 zum Ehren­­ mitglied des Vorarlberger Landesmuseumsvereins ernannt. Sauerwein führt nun seit 30 Jahren durch das Museum („Ich bin im 92. Lebensjahr und mache immer noch Dienst – jetzt aber nur noch einmal pro Woche.“). Die Frage nach dem Walsertum (Sauerwein ist Gründungsmitglied der Vorarlberger Walservereinigung), nach der Heimat, ist vor allem eine Gefühlsfrage. Als Herbert Sauerwein anlässlich einer Beerdigung in seinem Jugendort St. Anton weilte, kannte ihn niemand mehr. Lech ist die Heimat von Herbert Sauerwein geworden. Andreas Rudigier

Kontakt

Museumsverein Lech Obfrau Veronika Walch T: +43 664 2423580 E: museumsverein.lech@aon.at


14 Geschichte

museum magazin ausgabe 10 / 2015

Johann Kaspar Rick, Bildnis der Frau von Johann Kaspar Rick

Leihgaben, Leihnahmen

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in Museum, gleichgültig ob im Eigentum der öffentlichen Hand, eines Vereines, oder – wie im Falle des vorarlberg museums – einer Gesell­schaft mit beschränkter Haftung, ist von zahlreichen Rechtsverhältnissen geprägt. Was die LeiterInnen und MitarbeiterInnen eines Museums tun oder lassen, berührt alle möglichen Gesetzesmaterien. Eine besonders wichtige Arbeit im Alltag eines mittleren oder größeren Museums ist der Leihverkehr. Regelmäßig müssen für Ausstellungen Objekte von anderen Museen oder privaten Eigentümern ausgeliehen und hinterher wieder zurückgegeben werden. Und umgekehrt kommen immer wieder Leihansuchen, die sich auf Gegenstände in den eigenen Depots oder Schauräumen beziehen. Zu diesem Zwecke werden befristete Leihverträge mit speziellen, dem Objekt entsprechenden Bedin­ gungen vereinbart, und Versicherungen abgeschlossen, im Falle des vorarlberg museums etwa regelmäßig mit dem Angelika Kauffmann Museum in Schwarzenberg. Gemälde der hauptsächlich in London und Rom tätigen Künstlerin, die aufgrund veränderter Anforderungen nicht mehr permanent in den Ausstellungen des Bregenzer Museums gezeigt werden können, erhöhen nun die Attrakti­vität des Schwarzenberger Museums.

Zuweilen ist das Gerücht zu hören, das vorarlberg museum dürfe statutengemäß seine Sammlung nicht außerhalb von Bregenz zeigen. Wie die meisten Gerüchte beruht auch dieses auf problematischem Halbwissen. Es existiert zwar ein Vertrag, der die Frage des Standortes berührt, doch geht es darin um etwas anderes. Das zwischen dem Vorarlberger Landesmuseumsverein und dem Land Vorarlberg im Jahr 1947 getroffene „Übereinkommen“, mit dem die 1942 erfolgte Übertragung der Sammlungen an den Reichsgau Tirol-Vorarlberg bzw. das Land Vorarlberg als Rechtsnachfolger bestätig wurde, enthielt unter Punkt IV. b den Passus, die Landesregierung werde ohne Zustimmung des Museumsvereines „keine Verlegung der Sammlungen samt Anhang ausserhalb des Stadtgebietes von Bregenz verfügen.“ Der Unterschied zwischen der Verlegung einer Sammlung – die ja nur dauerhaft Sinn machen würde – und einer befristeten Leihgabe ist klar. Über die befristeten Leihgaben hinaus stößt man bei der Recherche in den Inventaren von fast jedem Museen auf viele Gegen­stände, die sich seit vielen Jahren, oftmals auch seit vielen Jahrzehnten als sog. „Dauerleih­ gaben“ bzw. „Leihgaben“ im Depot befinden.

Die dem vorarlberg museum anvertrauten Objekte haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Meist jedoch konnte der Eigentümer die Gemälde oder Skulpturen nicht mehr sachgemäß aufbewahren, sah sich jedoch – aus unterschiedlichen Gründen – nicht in der Lage, das Kunstwerk dem Museum zu schenken. Das Museum wiederum war über viele Jahrzehnte nicht in der Lage, Kunstwerke zum Marktwert anzukaufen. So kam es oft zu einem Leihvertrag als Provisorium. Die Befürchtung, dass nach ausreichend langer Zeit „Dauerleihgaben“ ins Eigentum des Museums übergehen könnten, ist unbegründet. Der Paragraf 1462 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz­ buches formuliert ganz klar: „Verpfändete, geliehene, in Verwahrung, oder zur Fruchtnießung gegebene Sachen können von Gläubigern, Entlehnern und Verwahrern oder Fruchtnießern, aus Mangel eines recht­ mäßigen Titels, niemahls ersessen werden.“ Auf Verlangen müssen also Leihgaben vom Museum an die ursprünglichen Eigentümer, rechtmäßige Erben oder Rechtsnachfolger zurückgegeben werden. Am 20. Oktober 1917 schrieb das k.k. Bezirksgericht Dornbirn an das Landes­ museum: „Die Malerin Angelika Rick [1838 –  1923] von Dornbirn musste wegen Altersblödsinn entmündigt & in der Wohltätigkeitsanstalt Valduna untergebracht werden. Die Kuratel über sie wird beim gefertigten Gerichte geführt. […] Es wurde nun vorgebracht, dass sich von ihr herrührende & noch in ihrem Eigentume stehende Bilder im Museum in Bregenz befinden sollen.“ Das Gericht ersuchte um Mitteilung, wie viele Bilder, und ob nicht auch Werke des Vaters der Kurandin, des Kunstmalers Johann Kaspar Rick (1808–1888), die im Eigentum der Angelika Rick stehen, in Aufbewahrung seien. Zweck sei die „Verwertung“ der Kunstwerke, um die Kosten der Unterbringung zu decken. Der Museumsverein wurde aufgefordert, ein Anbot zu stellen, falls ein Interesse bestehe, die Bilder zu erwerben. Der Fabriksbesitzer Karl Rüsch erwarb schließlich einige der Bilder und schenkte sie dem Museum. Ein historisch interessanter Sachverhalt ist mit dem Gemälde „Die Landstraße“ des Malers Herbert Reyl-Hanisch (1898 – 1937) verbunden. Das Bild wurde 2013 dem vorarlberg museum von privater Seite angeboten. Ein Blick ins Inventar ergab, dass sich das Gemälde ab Dezember 1939 als „Dauerleihgabe“ im Museum befand, jedoch schon bald darauf, am 9. Jänner, an die „Gebäudeverwaltung der Landeshauptmannschaft Vor­ arlberg“ herausgeben wurde. Eigentümer war das Land Vor­ arlberg, das das Bild 1938 in einer Verkaufsausstellung der „Vorarlberger Kunstgemeinde“ erworben hatte. Wie Recherchen von Ulrich Nachbaur im Vorarlberger Landesarchiv er­ga­ben, machte der Landes­ hauptmann Anton Planken­ steiner anlässlich der Auf­­lösung der Landeshauptmann­ schaft Vorarlberg, deren Agen­den im Jänner 1940 auf den „Reichsstatthalter in Tirol und Vorarlberg“ übergingen, einigen ausscheidenden Beam­ ten Kunstwerke für „treue Dienste“ zum Geschenk. Lan­ des­­rat Alfons Mäser erhielt das Bild „Die Landstraße“ von Reyl-Hanisch. Landesstatthalter Rudolf Kopf erhielt ein Bild von Bartle Kleber und

Regierungsdirektor Hans Lardscheider ein Gemälde von Karl Eyth. Diese Beamten waren „Opfer“ in einem Machtkampf zwischen Anton Plankensteiner und Franz Hofer, dem Landeshauptmann von Tirol und dem NSDAP-Gauleiter von Tirol und Vorarlberg. Dabei ging es um die Frage, ob Vorarlberg an Tirol oder an „Schwaben“ angegliedert werden, oder ob es selbständig bleiben sollte. Zu dem Zeitpunkt als Planken­ steiner seine Beamten mit Eigentum des Landes Vorarlberg beschenkte, war der Macht­kampf entschieden. Ob der scheidende Landeshauptmann sich seine Verfügung höheren Orts „bewilligen“ ließ, ist nicht bekannt. Der zuständige Leiter der Finanzabteilung, konstatiert Nachbaur, „stellte die Rechtmäßigkeit dieser Schenkung“ nicht in Frage. Wer der SS-Mann Alfons Mäser (1899  –  1978) war, ist bei Ulrich Nachbaur (Österreich als Opfer Hitlerdeutschlands, 2009, S. 452) und bei Meinrad Pichler (Nationalsozialismus in Vorarlberg, 2012, S. 67 – 71) nachzulesen. Auf seine Initiative hin wurde in Dornbirn am Zanzenberg eine Siedlung errichtet, die noch heute im Volksmund SS-Siedlung genannt wird. Nach dem Kriegsende wurde vom Volksgericht in Innsbruck der Verfall seines gesamten Vermögens angeordnet. Wie in den allermeisten Fällen wurde das Vermögen nach einiger Zeit wieder zurückgegeben. Die Vorarlberger Landesregierung hat das Gemälde ­von Mäser vermutlich nie zurück­ gefordert. Abgesehen von der schwierigen Klärung der Rechtlichkeit der Schenkung wären Ansprüche heute verjährt. Das vorarlberg museum hat in diesem Fall entschieden, von einem Ankauf des ange­bo­ tenen Gemäldes Abstand zu nehmen. Auch wenn die Erben weder für die politische Gesinnung ihrer Vorfahren noch für deren Taten verantwortlich gemacht werden kön­nen, sollte durch eine Erwerbung dieses Bildes ein zweifelhafter und bedenklicher Schenkungsvorgang unter Nazifreunden nicht einen wohl­gefälligen Abschluss finden und dadurch vielleicht in den Augen mancher sanktioniert werden. Auch wenn damit jene „Dauerleihgabe“ zurückgeholt worden wäre, die am wenigsten Zeit im Museum verbrachte: nach nicht einmal zwei Monaten wurde sie wieder „rückgestellt“. Peter Melichar Johann Kaspar Rick, Bildnis des Johann Rick gest. im 85 Jahre / Vater des Malers


Geschichte 15

museum magazin ausgabe 10 / 2015

Fotos: Andreas Schnetzer Urheber: Museumsverein Klostertal

1914 / 15 – Trauma an der Ostfront

Die Kaiserjäger, in deren Reihen viele Vorarlberger kämpften, verbluteten gleich in den ersten Monaten des Ersten Weltkrieges zu Tausenden in Galizien: Ein Schock, von dem sich nicht nur die Armee nicht mehr erholte. Auch die Stimmung an der ‚Heimatfront‘ kippte bald. Insbesondere, als 1914/15 der erste Kriegswinter über die völlig mangelhaft ausgerüsteten k.k. Truppen hereinbrach, setzte eine breite Desillusionierung bei den Soldaten sowie im Hinterland ein. Über Feldpostbriefe, die Erzählungen von Verwundeten und die immer häufigeren Todesnachrichten war bald klar, was der Krieg wirklich bedeutete.

I

m August 1914 war ein Großteil der Vorarlberger Soldaten nach Galizien ver­frachtet worden, um gegen Russland zu kämpfen. Dieses Galizien, ein histo­risches habsburgisches Kronland auf dem Gebiet des heutigen Südpolen und der westlichen Ukraine, sollte durch strategische Fehler des Generalstabes, sinnlose Offensiven und einen immens hohen Blutzoll zu einem Trauma für Österreich-Ungarn werden. Mit rund 800.000 Soldaten stellte sich die österreichische Armee 1914 gegen Russland. Nach etwas mehr als einem Monat sollten bereits 200.000 tot oder schwer verwundet, weitere 100.000 in Gefangenschaft geraten sein. Auch die Kaiserjägerregimenter sowie die Landesschützen – jene Einheiten mit hohem Vorarlberger Anteil – waren arg dezimiert und demoralisiert worden, denn sie wurden für „Siege“ verheizt, die zwar von der Propa­ ganda aufgebauscht, strategisch jedoch kaum von Bedeutung waren. Zwei Auszüge aus zeitgenössischen Medien ermöglichen Einblicke in die offizielle Bericht­ erstattung vor 100 Jahren:

Gortipohl, 6. Dez. (Aus Kriegstagen.) Vom gali­zischen Kriegsschauplatz ist die amtliche Meldung eingelangt, daß der Ersatzreservejäger Emil Marlin laut Mitteilung des k. u. k. Feld­spitales 8/14 am 25. Oktober infolge eines Kopfschusses gestorben sei. Das ist bereits der 2. aus unserem kleinen Orte, der für Österreichs Ehr und Wehr den Heldentod gefunden hat. Sein Bruder Erwin, der als Sanitäter nach Galizien kam, hat schon lange nichts mehr von sich hören lassen. Wer weiß etwas von ihm?

Nachrichten sind erbeten an die Kuratie Gortipohl. (Vorarlberger Volksblatt v. 10.12.1914, S. 4) Schruns, 20. Dez. (Aus Kriegstagen.) Auf dem nördlichen Kriegsschauplatze bei Wasylow ist im Kampfe für das Vaterland Jakob Tagwercher im 27. Lebensjahre gefallen. Der Verstorbene hinterläßt die Witwe mit einem kleinen Kinde. – Sein Bruder, der 21jährige Josef Tagwercher, erhielt für sein tapferes Verhalten vor dem Feinde die silberne Tapferkeitsmedaille. – Die 97jährige Witwe Anna Maria Fitsch, geborene Kieber, deren Ableben bereits gemeldet wurde, war noch am Vorabend des Todestages mit Strumpfstricken für die Soldaten beschäftigt. Noch drei Schrunser Frauen haben das 90. Lebensjahr überschritten. (Vorarl­berger Volksblatt v. 22.12.1914, S. 6) Ein Tagebuchauszug vom Frühjahr 1915 verdeutlicht den Alltag der einfachen Vorarlberger Soldaten: Am 24. M[ärz] sind wir mit der Regimentz Musik zum Bahhof Trient begleitet worden um 12 Uhr 30 Abgefahren. Direkt nah Wien. Dort fasten wir noh Minarsch und viele liebesgaben Orangen Schoko­ laden Zigareten. Das war am 28 März nahts 11 Uhr 20 von Wien abgefahren Es ging direkt Galiezen zu leste Stastion mit der Eisenbahn war Gribo1. Bei naht und Nebel musten wir hier austeigen Das ganze Dorf war schon Demolirt gewesen. Die Heuser waren zusamen geshossen Zerrisene Geschüze Treinwagen samt den Pferden liegen am Boden. Die Sarnitäten Tragen Tothe und verwun­ dete zusamen. wir musten am Boden liegen bis Morgen 3 Uhr. Dan heist es auf Alarm. Von Dort musten wir noh 3 Stunden laufen vorwärz nah

Roppen2. Dort bekamen die Ofezieren den befehl sofort retur zu unserem Regiment nah Karpathens Den ganzen Tage und die halbe Naht musten wir Mashiren dur alle Zusamene Geschossene Strasse und Wäldern Endlich kamen wir in ein kleines Dörflein wo wir unterkunft bekomen habe. Das Dörflein hies […]. Da waren wir 3 Tagelang als Reserfe. Das war 29. März 1915. Dan ein Marsh von 3 Stunden u[n]d shon waren wir in der Feüertaufe angelangt. Da kamen shon die Sanitaz mit den Verwundeten die Toten liegen shon hageldik umher. Nun hier kann es lustig werden. Damals haten wir noh Model 88 Gewehre gehabt Da liegen shon die Neuen Gewehre N. 95 sofort warfen wir unsere Alte Modelen weg u[n]d nahmen von den Tothen die neüen Gewehren ab. Kaum waren wir in der Stellung am vordersten Schwarmliene wurden wir von den Schrapnelben u[n]d Attalleri beschossen. Der Feind liegt Zirka ein ½ Kilometer von uns entfernt. Zirka 800 m liegt ein kleines Dörflein vor uns wo noh Vieh u[n]d Schweine u[nd] Hühner umanander renen vor Hunger u[nd] Durst. Ohne lange besinen gingen einige Kameraden auf Schweine u[nd] Hühner los. Ohne feüergefeht ging das Bratten u[n]d Kohen lose, mit groser [Wuht] verschlingen wir die Hühner samt Feder so leben wir bis am 24 April 1915 Das war der Heilige Ostertag. (Kriegstagebuch M.B. aus Übersaxen, Montafon Archiv)

Gegen Abend wurden wir abgelöst u. konnten etwas zurück. Einige Kameraden u. ich lagen in ein Loch hinein u. schliefen. Mitternachts wurde ich aber geweckt, denn ich mußte hinaus Posten stehen. Ich war aber kaum 20 Schritte von diesem Loche entfernt, als eine russische Granate dort einschlug u. alle tötete, die dort drinnen schliefen. (Kriegserlebnisse nach Aufzeichnungen von Anton Fritz, Heft 36, Montafon Archiv) Nach den ersten Kriegsmonaten folgte dann im Mai 1915 mit dem Kriegseintritt Italiens eine neuerliche Änderung der Lage. Ein Großteil der aus Tirol und Vorarlberg stammenden Soldaten wurde nunmehr an der neuen Südwestfront eingesetzt. Neben dem Feind forderte nun der Krieg im Hochgebirge erhebliche Verluste. Zudem rückte die Front bedrohlich nahe an das „Hinterland“ heran, sodass aus dem Montafon immer wieder Berichte vom Kanonendonner der Front in den Medien zu lesen waren. Außerdem wurde nun auch an der Grenze zur Schweiz Militär stationiert. Zugleich verschlimmerte sich mit der Nähe zur Front und der Dauer des Krieges die Versorgungslage drastisch. Michael Kasper

Der Montafoner Heimatforscher Anton Fritz zeichnete zahlreiche Erinnerungen von Kriegs­ teilnehmern auf. Unter anderem findet sich dabei auch die folgende Passage: Josef Märk v. Gortipohl 30 erzählt: Wir standen in einem Graben in Bukowina dem Russen gegenüber. Wir schossen beide wacker gegeneinander.

1 2

Wahrscheinlich das heute in Südpolen gelegene Grybów. Eventuell das im heutigen Südpolen gelegene Ropa.


16 In Erinnerung

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Fotos: Vorarlberger Landesarchiv

Karl Heinz Burmeister zum Gedenken Am 12. Dezember 2014 verstarb – 78-jährig – Alt-Landesarchivar Prof. DDr. Karl Heinz Burmeister nach kurzer schwerer Krankheit. Mit ihm verlor das Land Vorarlberg einen bedeutenden, außergewöhnlich schaffenskräftigen Geschichtsforscher, dessen Œuvre mehr als 800 Titel zählt.

A

m 21. November 1936 in Krefeld geboren, mütterlicherseits aber aus Vorarlberg stammend, trat Karl Heinz Burmeister nach dem an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit der Dissertation „Sebastian Münster. Versuch eines biographischen Gesamtbildes“ abgeschlossenen Studium der Geschichte 1967 in den Dienst des Vorarlberger Landesarchiv, dessen Leitung er 1970 übernahm. Den Histo­ riker komplettierte der Jurist, der nach Studien

in Köln, Genf, Wien und Innsbruck 1969 in Tübingen das Doktorat erwarb. Thema der rechtsgeschichtlichen Dissertation waren „Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung“. Zunächst galt Burmeisters wissenschaftliches Interesse vorrangig dem Zeitalter des Huma­ nismus und der Renaissance, es blieb dem homo trilinguius, der neben dem Lateini­­ schen und dem Griechischen das Hebräische

beherrschte, aber auch später ein wesent­ liches Segment seines Forschens. Mit der beruflichen Tätigkeit kam ein weiteres Betä­ tigungsfeld quasi von Amts wegen hinzu: Die Vorarlberger Landesgeschichte, die ihm viel mehr als eine Pflicht war, rasch zur Leidenschaft wurde. Es gibt kaum ein Gebiet, auf dem er nicht Pionierarbeit leistete – ob Verwaltung oder Schifffahrt, Rechtsaltertümer oder Wappen, Stadtgeschichte oder Buchdruck, Reformation oder Notariats­ wesen, Alpinismus oder Frauengeschichte: Karl Heinz Burmeister bestellte das Feld, wobei ihn der Blickwinkel des Univer­salisten befähigte, örtliche Befunde im Spiegel des Großen zu sehen. Mit zahlreichen Forschungen und Publikationen legte er die wissenschaftliche Basis für die Einrichtung des jüdischen Museums in Hohenems. Besonders intensiv und fruchtbar war auch die Zusam­ menarbeit mit dem Vorarlberger Landesmuseum, mit seinen damaligen Direktoren Univ.-Prof. Dr. Elmar Vonbank und Dr. Helmut Swozilek. Zahlreiche Ausstellungs­ kataloge zeugen davon.

Zum neuen Profil des Archivs trug Bur­ meisters universitäres Engagement bei. 1974 habilitiert er sich an der Universität Zürich für „Schweizerische und Deutsche Rechts­ geschichte“. Von 1975 an folgten Lehraufträge am damaligen Historischen Institut der Universität Innsbruck, 1984 ernannte ihn die Universität Zürich zum Titularprofessor, 1995 erfolgte die Wahl zum außerordentlichen Professor für „Allgemeine Europäische und Schweizerische Rechtsgeschichte“ an der Universität St. Gallen. Sowohl als Landesarchi­ var wie auch als akademischem Lehrer war ihm die Förderung junger Fachkolleginnen und -kollegen stets ein großes Anliegen.

Mit der Übernahme der Leitung des Landesarchivs forcierte Karl Heinz Burmeister dessen Öffnung als zeitgemäße Servicestelle für die Forschung. 1986 gelang der Erwerb der als „Hohenemser Archiv“ bezeichneten Überlieferung der Herrschaft und Reichsgrafschaft Hohenems, eines Bestands, der durch seinen Umfang, seine Dichte und die Qualität der Unterlagen besticht. Zu einem seiner eifrigsten Benutzer wurde der Landesarchivdirektor selbst.

Der Übertritt in den Ruhestand Ende des Jahres 2001 ließ weder sein Publikationsvo­ lumen schrumpfen, noch veränderte er seine Forschungsinteressen. Die Fertigstel­lung sei­­­ nes jüngsten Buches, einer groß angelegten Arbeit über das personelle Umfeld des berühm­ ten, aus Feldkirch stammenden Huma­nisten und Naturforschers Georg Joachim Rheticus zu erleben, war Karl Heinz Burmeister leider nicht mehr vergönnt. Alois Niederstätter

Ein Vielzahl von Auszeichnungen und Preisen würdigten Karl Heinz Burmeisters Wirken, darunter die Ehrengabe des Landes Vorarlberg für Wissenschaft und Kunst, der Ehrenpreis des Vorarlberger Buchhandels, der Anerkennungspreis der St. Gallischen Kulturstiftung, die Kopernikus-Medaille sowie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.


Verein 17

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Numismatischer Fachausschuss Gesellschaft Vorarlberger Münzfreunde

W

ussten Sie …

… dass vor über 2000 Jahren die Kelten in unserer Gegend bereits das Geld kannten? … dass von den Römern bis heute ganz ver­ schiedene Geldsorten benutzt wurden und mehrfachen Inflationen unter­worfen waren? … dass die einzige Münzprägestätte in Vorarlberg vermutlich in Feldkirch war? … dass es auch in unserer Gegend eindrucks­ volle Münzschatzfunde gegeben hat, wie zum Beispiel den Münzschatzfund vom Schlösschen Sonderberg bei Götzis, der der­zeit im vorarlberg museum ausgestellt ist? … dass sich die Gesellschaft Vorarlberger Münz­freunde mit der Geldgeschichte und mit den geschichtlichen Hintergründen befasst? … dass die Gesellschaft Münzbestimmungen und Bewertungen vornimmt? … dass Medaillen einen wichtigen Platz in der Geschichte Vorarlbergs einnehmen. Als Beispiel möchten wir Ihnen heute eine aus Vorarlberger Sicht besondere Medaille vor­ stellen:

Jakob Hannibal (1530 – 1587) Avers: JACOB HANIBAL VON EMBS ZW DER HOHEN EMBS, Brustbild mit Hut nach links Revers: Wappenschild (Steinbock) mit Helm, 1557, BD Durchmesser: 36 mm Gewicht: keine Angabe Material: AE Gussmedaille Jahreszahl: 1557 Künstler: signiert BD

Interesse? Wenn Sie Interesse an der Arbeit des numismatischen Ausschusses des Vorarlberger Landesmuseumsvereins gefunden haben, sich näher informieren oder sich selbst engagieren möchten, können Sie sich mit dem Obmann Karl Fischer unter T: +43 664 3579594 bzw. E: karl_fischer@gmx.at in Verbindung setzen.

Im 94. Auktionskatalog (H. D. Rauch Ges.m. b.H. 9. bis 11. April 2014, Katalog II, Nr. 4168) wird die Münze wie folgt beschrieben: Der Söldnerführer Jakob Hannibal war der Bruder des Kardinals Markus Sitticus II von Hohenems, Bischof von Konstanz. Jakob Hannibal kämpfte in den Heeren Karls V. und Phillips II. im Schmalkaldischen Krieg in Italien, Frankreich und in den Nieder­ landen. Seit 1560 durfte er den Titel Reichsgraf führen. Sein Onkel, Papst Pius IV., Giovanni Angelo de Medici, ernannte ihn 1565 zum Oberbefehlshaber der päpst­ lichen Truppen, deren Aufgabe es war, die türkischen und arabischen Piraten an den Grenzen des Kirchenstaates abzuwehren. Ab 1567 zog sich Jakob Hannibal zeitweise auf seinen Sitz in Hohenems zurück, den er wesentlich ausbaute und mit einer bedeutenden Kunstsammlung versah. Von Ferdinand I. wurde Jakob Hannibal zum Obersten Hauptmann in Vorarlberg ernannt und erhielt die Vogteien Bregenz und Feldkirch. Außerdem erwarb er die Grafschaft Gallarte in der Lombardei sowie 1577 Grande in Spanien. Jakob Hannibal verstarb in Hohenems und ist in der Familiengruft begraben. Über dem Haupteingang der Kirche befindet sich sein Standbild in Feldherrentracht. Bei einem Ausrufpreis von 1.500 Euro erhielt die Medaille den Zuschlag bei 2.700 Euro. Karl Fischer

Personenmedaille Bild oben: Rückseite (Revers) Bild unten: Vorderseite (Avers) Bildrechte: H.D. Rauch GmbH Wien


18 Literatur

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Literaturtipps vorarlberg museum, Bregenz

Petra Zudrell, vorarlberg museum, Vorarlberger Landesbibliothek (Hg.)

Baukulturführer 87

Nikolaus Walter Begegnungen

31 Seiten Büro Wilhelm.Verlag 3,50 Euro ISBN: 978-3943242409

224 Seiten, 250 S/W-Abb. 23 x 30 cm, Halbleinen Kehrer Verlag 34,90 Euro im Museumsshop 44,90 Euro im Buchhandel ISBN: 978-3-86828-545-1

Alois Niederstätter

Vorarlberg – und darüber hinaus. 41 Vorträge zu Geschichte und Gegenwart 472 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag Universitätsverlag Wagner 29,90 Euro ISBN: 978-3-7030-0863-4

Guntram Plangg

Alte Montafoner Flurnamen 1 Bartholomäberg, Schruns, Silbertal 303 Seiten Montafoner Schriftenreihe Sonderband 21, 2014 24,00 Euro ISBN: 978-3-902225-62-7

Ulrike Längle, Jürgen Thaler und vorarlberg museum (Hg.)

Ich, Felder. Dichter und Rebell 336 Seiten, ca. 100 Abbildungen, 16,5 x 23,5 cm, gebunden Libelle Verlag 29,80 Euro ISBN: 978-3-905707-57-1 Wieder erhältlich ab Ende März 2015!


Exkursionen 19

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Sehen und Erleben Das Exkursionsprogramm 2015 bietet den Mitgliedern des VLMV wieder eine interessante Auswahl von Reisen und Exkursionen zu den verschiedensten Kulturstätten. Sa. 25. April 2015

Auf den Spuren der Grafen von Werdenberg Auf den Spuren der Grafen von Werdenberg führt die nächste Tagesfahrt des Vereins in die unmittel­bare Nachbarschaft zu den Stammsitzen Werdenberg und Sargans, deren Besichti­gung mit den Experten unseres Burgenausschusses (Harald Rhom­ berg, Raimund Rhomberg) die Bedeutung dieser Grafen für die Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung unterstreicht. Fr. 1. Mai 2015

Reichenau – eine Insel der besonderen Art Anfang Mai haben Sie die Gelegenheit, die Insel Reichenau jen­ seits von Gemüse und Gartenbau kennenzulernen. Die Tagesreise stellt Ihnen Kirchen und Kapellen der Insel vor, auf der sich einst eine der größten mittelalterlichen Abteien befand. So. 24. Mai bis So. 31. Mai 2015

Madrid und Kastilien Die erste längere Reise führt in das Herz Spaniens nach Madrid mit seinen prächtigen Baudenkmälern, dem Königspalast und dem berühmten Prado Museum. Unter fachkundiger Leitung (Christian Jochum) verschaffen die historisch bedeutsamen Städte wie Toledo, Aranjuez, Segovia und Salamanca nach­ haltige Eindrücke von Kastilien.

Detaillierte Informationen

Exkursionsprogramm, http://www.vlmv.at/exkursionen Anmeldungen

Baldur Hämmerle, E: exkursionen@vlmv.at, T: +43 664 1637100

Fotos: Petra Rainer

Werden Sie Mitglied! Mit Ihrer Mitgliedschaft unterstützen Sie nicht nur die Arbeit der Museen im Land, sondern Sie tragen auch zum Erhalt der Kulturlandschaft Vorarlberg bei. Zusätzlich genießen Sie folgende Vorteile:

Vorarlberger Landesmuseumsverein

– Kostenloses Abo des Museumsmagazins (3x jährlich) – Anspruch auf ein Freiexemplar des wissenschaftlichen Jahrbuches – Nutzung des Veranstaltungs- und Exkursionsprogramms des VLMV und des vorarlberg museums – Detaillierte Informationen über Vereinsveranstaltungen – Freier Eintritt in das vorarlberg museum Bregenz, in die inatura Dornbirn und in die Partner­museen (Klostertal Museum Wald am Arlberg und ALLE Montafoner Museen)

Kontakt / Anschrift: Vorarlberger Landesmuseumsverein Geschäftsstelle, Kornmarktplatz 1, A-6900 Bregenz E: geschaeftsstelle@vlmv.at, T: +43 5574 46050545

Seit 2015 bietet Ihnen der Vorarlberger Landesmuseums­ verein drei Formen der Mitgliedschaft an: Neben der Einzelmitgliedschaft zu 36,00 Euro (Studierende zu 20,00 Euro) ermöglicht Ihnen eine Doppelmitgliedschaft zu 50,00 Euro jederzeit mit einer Person Ihrer Wahl oder eine Partnermitgliedschaft zu 50,00 Euro mit einem namentlich genannten Partner bzw. einer Partnerin das vorarlberg museum und die verschiedenen Partnermuseen zu besuchen.

Präsidentin: Brigitte Truschnegg Vizepräsident: Thomas Klagian Geschäftsführer: Christof Thöny Kassierin: Edeltraud Wirth

Impressum Herausgeber: Vorarlberger Landesmuseums­­verein, Kornmarktplatz 1, A-6900 Bregenz. Für den Inhalt sind die angeführten Autorinnen und Autoren verantwortlich. / Idee und inhaltliches Konzept: Andreas Rudigier, Christof Thöny / Redaktion: Eva Fichtner / Beiträge: Kathrin Dünser, Susanne Emerich, Karl Fischer, Michael Kasper, Max Lang, Peter Melichar, Petra Nachbaur, Alois Niederstätter, Andreas Rudigier, Christof Thöny, Brigitte Truschnegg / Gestaltung: Verena Petrasch / Druck: Buchdruckerei Lustenau / Lithografie: Günter König / Auflage: 3000 / Gedruckt mit Unterstützung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und des vorarlberg museums



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