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Schwerpunkt

Interview

Die Energiewende als deutsches Gemeinschaftswerk Die tragischen Ereignisse in Japan führten in Deutschland zu einer energiepolitischen Zäsur. Binnen weniger Monate wurde das erreicht, was vorher in mehr als einem Jahrzehnt nicht gelang. Deutschland steigt endgültig aus der Kernenergie aus. medium gas sprach mit dem Vorsitzenden der Ethik-Kommission, Prof. Dr. Klaus Töpfer, über die deutsche Vorreiterrolle in Sachen Energieversorgung und die Bedeutung von Erdgas im zukünftigen Energiemix.

Herr Professor Töpfer, der Bundestag hat den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Lässt sich rückblickend sagen, dass die Vorschläge der Ethik-Kommission die richtigen waren? Wir haben einen Beitrag zu einer wohl nicht nur aus meiner Sicht sehr wichtigen Entscheidung geleistet. Die Probleme lagen und liegen aber nicht nur in der Grundsatzentscheidung Atomkraft ja oder nein und bis wann der Ausstieg zu erfolgen hat, sondern auch in vielen Details. Für die Ethik-Kommission war es besonders wichtig, den Umsetzungsprozess in den Mittelpunkt zu stellen mit einem unabhängigen Beauftragten für die Energiewende und einem breitem Forum Energiewende. Die Entscheidung über die weitere Ausgestaltung liegt selbstverständlich beim Parlament und bei der Bundesregierung. Sie sprechen im Abschlussbericht vom „Gemeinschaftswerk Energiezukunft Deutschland“. Was ist darunter zu verstehen? Ich glaube, dass es eine ganz große Herausforderung ist, sowohl in Deutschland als auch weltweit, aus der Kernenergie auszusteigen. In vielen Ländern wird Kernenergie als die Zukunftsenergie gesehen, aus der man nicht hinausgeht, sondern in die man noch stärker einsteigt. Deswegen ist es umso wichtiger, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppierungen, also Parteien, Verbände, NGOs, die Wirtschaft und Verbraucher, im Klaren darüber sind, dass man die zukünftige Energieversorgung Deutschlands nur gemeinsam gestalten kann. Ein Gemeinschaftswerk ermöglicht Investitionssicherheit und eröffnet damit große Chancen auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland. 28

Es deuten sich bereits heute politische Grabenkämpfe über den Weg der Zielerreichung einer Energiewende an. Was muss getan werden, damit die Energiewende auch tatsächlich gelingt? Um zu gewährleisten, dass die Energiewende auch verbrauchergerecht umgesetzt werden kann, hat die Ethik-Kommission einen Begleitprozess empfohlen. So soll jährlich evaluiert werden, wo wir stehen, was gemacht worden ist und was noch gemacht werden muss. Dies ist ein riesiges Langzeitprojekt. Es bedarf eines klaren Projektmanagements. Wir schlagen deshalb den Einsatz eines Projektmanagers vor, der sich mit den Umsetzungsfragen intensiv auseinandersetzt. Wir dürfen nicht abwarten, sondern müssen gemeinsam aktiv handeln, um die Energiewende zu schaffen. Daher nochmals der Hinweis, dass das Gemeinschaftswerk nur über die Parteigrenzen hinweg gelingen kann. Ist trotz Kernenergieausstieg die Stabilität des energiepolitischen Zieldreiecks auch zukünftig gewährleistet? Deutschland ist die viertstärkste Wirtschaftsnation der Welt. Der Wohlstand in Deutschland hängt entscheidend von der Wettbewerbsfähigkeit unserer Exportindustrie ab. Daher muss alles dafür getan werden, dass die Energieversorgung auch in Zukunft wettbewerbsfähig, sozial ausgewogen, verlässlich und ökologisch verantwortbar ist. Die Vorschläge der Ethik-Kommission machen den Erhalt des energiepolitischen Zieldreiecks zu einer Grundvoraussetzung der Energiewende.


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