Schwerpunkt
Gastbeitrag
Erdgas im zukünftigen Energiemix Erdgas war in den letzten Dekaden der einzige fossile Energieträger, der im deutschen Energiemix Anteile gewonnen hat und dessen Verbrauch auch absolut gewachsen ist. Im Lichte der aktuellen Energie- und Klimapolitik stellt sich die Frage, welche Rolle Erdgas zukünftig spielen wird. Antworten darauf ergeben sich aus den zukünftigen Einsatzbereichen für Erdgas sowie der Anschlussfähigkeit zum aufkommenden Zeitalter der erneuerbaren Energien.
von Dr. Felix Christian Matthes, Öko-Institut Die zweifache Wende der deutschen Energiepolitik in den Jahren 2010 und 2011 schafft eine neue Ausgangsposition für die Energie- und Klimapolitik. So sollen mit den Beschlüssen vom Herbst 2010 die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % sowie bis zur Mitte dieses Jahrhunderts um 80 bis 95 % reduziert, die Stromversorgung soll bis 2020 zu 35 % und bis 2050 zu mindestens 80 % auf erneuerbare Energien umgestellt und der Gebäudebestand so saniert werden, dass die Gebäude in Deutschland bis 2050 praktisch CO2-neutral werden. Verbunden damit ist seit Frühsommer 2011 der beschleunigte Verzicht auf die Hochrisiko-Technologie Kernenergie. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle dem Energieträger Erdgas im zukünftigen Energiemix zukommen wird. Bei allen prognostischen Unsicherheiten zeigt sich dabei, dass sich die Einsatzfelder von Erdgas in den nächsten Jahren und Jahrzehnten im Kontext ambitionierter Energie- und Klimapolitik sehr deutlich ändern, wobei hier sehr gegenläufige Entwicklungen zu erwarten sind. Der erste Megatrend ergibt sich aus der abnehmenden Rolle von Erdgas im 30
Wärmemarkt. Nachdem Erdgas im Wärmemarkt seine Rolle während der letzten Dekaden stetig ausbauen konnte (aktuell werden fast drei Viertel des in Deutschland insgesamt gelieferten Erdgases im Wärmemarkt verbraucht), so zeigen sich seit einigen Jahren Sättigungstendenzen.
Dr. Felix Christian Matthes ist Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik am ÖkoInstitut, Berlin.
Zukünftig wird hier ein eher schrumpfender Markt erwartet. Besonders stark wird der Verbrauchsrückgang für die Raumwärmeerzeugung ausfallen. Hoch effiziente neue Gebäude und zunehmende Sanierungsanstrengungen (mit dem Langfrist-Ziel des CO2-neutralen Gebäudebestandes im Jahr 2050) werden hier
mittel- und langfristig zu einem deutlichen Rückgang des Gasabsatzes führen, auch und gerade weil durch moderne Erdgasanlagen noch erhebliche Energieeffizienzpotenziale gehoben werden können. Für den Bereich der Warmwasserbereitung wird Erdgas weniger dramatisch vom insgesamt schrumpfenden Markt betroffen sein, da mit Erdgas eine vergleichsweise flexible Ergänzungsoption zum Beispiel für die Warmwasserbereitung mit Solarkollektoren verfügbar ist. Für industrielle Wärmeanwendungen als das zweite große Absatzsegment für Erdgas wird der Verbrauch in der Tendenz ebenfalls abnehmen, wenn auch mit geringerer Dynamik bzw. im Zeitverlauf deutlich später. Der zweite Megatrend betrifft die Stromerzeugung. Heute werden in Deutschland auf der Basis von Erdgas derzeit nur 13 % des gesamten Stromaufkommens bereitgestellt, weniger als ein Fünftel des gesamten Erdgasverbrauchs in Deutschland entfällt auf diesen Sektor. Zukünftig wird die Rolle von Erdgas hier vor allem aus zwei Gründen deutlich zunehmen. Zunächst ist Erdgas ein geeigneter Brennstoff für die Stromerzeugung in Kraf t-Wärme-Kopplung (K WK ), eine Technologie, bei der die Abwärme der Stromerzeugung für Heiz- und Prozess-