Umschau
Das VNG-Hauptstadtgespräch
„Die Energiewende ist eine riesige Chance für Deutschland.“ Seit einem Jahr steht das Thema „Energiewende“ ganz oben auf der politischen Agenda. Im 3. Teil des VNGHauptstadtgesprächs spricht medium gas mit Oliver Krischer, Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecher für Energie- und Ressourceneffizienz der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über die notwendigen Maßnahmen im Nach-Atomzeitalter und die Vorbildfunktion Deutschlands in der Welt.
Fotos Michael Fahrig Herr Krischer, vor rund einem Jahr ebnete die Bundesregierung mit dem vorzeitigen Atomausstieg den Weg in Richtung Energiewende. Wie fällt Ihr Fazit über das bisher Erreichte aus? Eine Energiewende haben wir im Grunde seit mehr als zehn Jahren. Nach Abschaltung der acht Atomkraftwerke im letzten Jahr ist aber faktisch nichts mehr passiert. Dabei gibt es nun hunderte kleine Baustellen, an denen gearbeitet werden muss. Das heißt: Wir können nicht länger warten, sondern müssen gerade jetzt handeln. Es müssen Anreize geschaffen werden, um Speichertechnologien zu entwickeln, Transportnetze zu modernisieren und Investitionen in Gaskraftwerke aber auch bei der KWK-Technologie zu erleichtern. Ich weiß, das ist alles nicht so spektakulär, wie die Abschaltung von Atomkraftwerken. Dennoch ist es die Kernarbeit, die nach Beschluss der Energiewende notwendig ist. Aber daran hapert es im Moment, weil das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesumweltministerium in Sachfragen zerstritten sind und sich gegenseitig blockieren. Die Energiewende findet auch in Europa statt. Mit der Energieeffizienzrichtlinie will die EU-Kommission verbindliche Effizienzziele für die Mitgliedstaaten festlegen. Die Bundesregierung erwägt nun, der Richtlinie nicht zuzustimmen, da man sich den Weg der Zielerreichung nicht vorschreiben lassen möchte. Ist dieses Handeln konsistent? Das, was in Europa stattfindet, gleicht einem Stück aus dem Tollhaus. Die Bundesregierung selbst hat im Jahr 2007 die Effizi34
enzsteigerung von 20 Prozent bis 2020 auf europäischer Ebene durchgesetzt. Jetzt, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen umzusetzen, zieht man sich zurück und scheut verbindliche Zusagen. Ich mache seit mehr als 20 Jahren Energiepolitik. Dabei habe ich gelernt, dass die Energieeffizienzsteigerung das wichtigste energiepolitische Ziel ist. Jede Kilowattstunde, die wir nicht verbrauchen, trägt zur Klimaverbesserung bei. Daher müssen wir alles dafür tun, um in Zukunft nicht mehr, sondern weniger Energie zu verbrauchen. Die Senkung des Energieverbrauchs steht auch im Mittelpunkt des Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmeG) . Welche konkreten Maßnahmen sind hier besonders wichtig? Völlig klar ist, dass wir bei der Gebäudesanierung etwas tun müssen. Um den öffentlichen Gebäudebestand einmal komplett zu sanieren, braucht es eine jährliche Sanierungsrate von drei Prozent. Das ist für mich eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Zudem kann es nicht sein, dass es in einem Hochindustrieland heute noch Gebäude gibt, in denen Heizkessel aus den 1970er Jahren installiert sind. Hier muss dringend etwas passieren. Unser Ziel ist es, die Bereiche Gebäudesanierung und Heizungsmodernisierung zusammenzubringen und auf beiden Ebenen das Maximale herauszuholen. Das heißt aber nicht, dass wir aus dem kompletten Gebäudebestand Passivhäuser machen möchten. Das wäre illusorisch. Entscheidend ist, vorhandene Effizienzsteigerungspotenziale zu nutzen, ohne Kommunen und Privathaushalte zu überfordern.