Die Briefmarke 02/2010

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DIE DIE

BRIEFMARKE

58. Jahrgang Februar 2010 Einzelpreis EUR 3,50 Sponsoring Post, Entgelt bezahlt, Verlagspostamt 1060 Wien, GZ: 02 Z 031235 S Foto: Anna Rieger

Post und Philatelie in Österreich

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„KLEINBAHN“, DER NEUE WERT AUS DER SERIE „KLASSISCHE MARKENZEICHEN“ INKLUSIVE „ALBUM“, DEN NEU GESTALTETEN POSTSEITEN


Thema im Februar: Hieroglyphen

Die Schrift im Reich der Pharaonen Es gibt kaum jemanden, der nicht von den altägyptischen Hieroglyphen fasziniert ist. Egal, ob er als Tourist ins Land der Pharaonen kommt, oder ob er sie auf Fotos oder auch Briefmarken sieht. Mir ergeht es ebenso. Ich werde lediglich dadurch irritiert, dass in FachbĂźchern widersprĂźchliche Angaben gemacht werden, die mir die Erstellung des nachfolgenden Aufsatzes nicht erleichterten. Das Wort „Hieroglyphen“ bedeutet im Griechischen „heilige Zeichen“. Es handelt sich dabei um eine Bilderschrift, die zumeist in Stein gemeiĂ&#x;elt wurde (Abb. 1). Irgendwann um 3200 vor Christus dĂźrften die ersten Aufzeichnungen entstanden sein, fortlaufende Texte ca. ab 2700 v. Chr. Ob diese Zeichen eigenständig aufkamen, oder von auĂ&#x;en eingefĂźhrt wurden, wird noch diskutiert. Anfangs war die Hieroglyphenschrift noch nicht besonders gut ausgebildet, die symbolische Bedeutung hatte Vorrang. Das bekannteste Beispiel dafĂźr ist die „Narmer-Palette“ (Abb. 2), eine 60 cm hohe Schiefertafel, die auf Vorder- und RĂźckseite historische Darstellungen zeigt. Die Briefmarken lassen lediglich KĂśnig Narmer erkennen, wie er mit einer Keule einen besiegten Gegner erschlägt. Etliche kleinere Abbildungen auf dieser Tafel sind nach dem System eines Bilderrätsels zu lesen. Ihre hĂśchste Entwicklungsstufe erlangte die Ă„gyptische Hieroglyphenschrift im zweiten Jahrtausend vor Christus, wovon unzählige Bilddenkmäler zeugen (Abb. 3).

Als Napoleon 1798 Ă„gypten eroberte, wurden seine Soldaten mit den beeindruckenden Bildzeichen konfrontiert, welche vorher weder von den antiken Genies wie Sokrates (Abb. 4) noch von den zeitgenĂśssischen Wissenschaftlern gelesen werden konnten. Zu dieser Zeit trat jedoch der GlĂźcksfall ein, dass man den Stein von Rosetta (Abb. 5) fand, welcher die Thronbesteigung des KĂśnigs Ptolemaios V. Epiphanes, (2. Jh. v. C h r. )

zum Gegenstand hatte und in drei Schriften abgefasst war – in Hieroglyphen, demotischer (siehe später) und griechischer Schrift. Es sollte wohl so sein, dass Kopien dieser Tafel und von Tempelinschriften dem engagierten franzĂśsischen Ă„gyptologen Jean-Francois Champollion (Abb. 6) Ăźbergeben wurden. Dieser kam dahinter, dass die in länglich-ovalen Feldern eingeschlossenen Zeichengruppen die Namen von KĂśnigen darstellten, und entwickelte aus diesen Tatsachen sein System der Lesbarkeit ägyptischer Hieroglyphen. Solch ein ovaler Einschluss symbolisiert eine verknĂźpfte Schnur und wird als Kartusche bezeichnet, weil er einem militärischen Pulversack (franz. „cartouche“) ähnelt. Hier sehen Sie Kartuschen mit den Namen der bekannten KĂśnige Tutanchamun (Abb. 7 und 7a) und Ramses II. (Abb. 8). Die Niederschrift eines Namens war auch dazu gedacht, den Inhaber desselben unsterblich zu machen. Doch nun zurĂźck zur „Hochzeit“ der ägyptischen Hieroglyphen. Geschrieben und gelesen wurde ohne Satzzeichen, in Kolonnen, die entweder senkrecht (Abb. 9) oder waagrecht (Abb. 10) angebracht wurden. Ob von links nach rechts oder umgekehrt zu lesen war, ergab sich aus der %OLFNULFKWXQJ GHU 0HQVFKHQ RGHU 7LHUÂżJXUHQ (V ZXUGH eine schwankende Zahl von Konsonanten (>25) und eine groĂ&#x;e Menge Silbenzeichen verwendet. Anscheinend hatte man schon in der altägyptischen Zeit Probleme, die WĂśrter richtig zu entziffern, denn diese wurden oft mit Zusatzzeichen versehen, welche die Verständlichkeit fĂśrderten. Ob den Lesern der Bilderschrift die GĂśttin Seschat (Abb. 11) EHKLOĂ€LFK ZDU ZHOche man fĂźr die Bereiche Buchhaltung, Schreiben und Ahnenkult als zuständig betrachtete? Sogar in unserer Zeit tauchen ägyptischen Hieroglyphen in Amulettform auf. Das „geheilte Auge des Horus“ (Abb. 12 und 13)

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Philatelie Abb. 1: Jägergott Arensnuphis mit Hieroglyphen aus dem Löwentempel von Musawwarat.

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¤ Abb. 3: Wandmalerei (Darstellung des Pharaos Ramses II.) mit Hieroglyphenschrift.

Abb. 4: Büste des Sokrates, ¤ römische Kopie eines griechischen Originals (1.Jh.), Louvre, Paris. Sokrates publizierte falsche Übersetzungen. £

Abb. 2: Beide Seiten der Prunk-Palette des Narmer.

£ Abb. 5: Stein von Rosetta Höhe 112,3 cm, Breite 75,7 cm, Tiefe 28, 4 cm, Gewicht 782 kg.

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Abb. 6: Jean-François Champollion (1790-1832).

Abb. 8: Kartusche von Ramses II.

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Abb. 7: Kartuschen des Tutanchamun.

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£ Abb. 9: Darstellung einer Opfergabenträgerin mit senkrechten Kolonnen.

Abb. 10: Teil eines altägyptischen Wandbildes mit waagrechter Kolonne – von rechts zu lesen.

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Abb. 11: Seschat, u.A. Göttin des Schreibens.

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Abb. 7a: König Tutanchamun, ca. 1332-1323 v. Chr.

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Abb. 12 und 13: Hieroglyphe „UDJAT“ – „Auge des Horus“.

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Thematik im Februar: Hieroglyphen symbolisierte bei den alten Ă„gyptern die Harmonie des UniverVXPV XQG VROOWH YRU 8QIlOOHQ VFK W]HQ $QGHUHUVHLWV ÂżQGHW VLFK DXFK LPPHU KlXÂżJHU GDV VRJHQDQQWH Ă„+HQNHONUHX]Âł (Abb. 14), das in Wirklichkeit die Hieroglyphe „anch“ veranschaulicht, und bei den alten Ă„gyptern ein Lebenssymbol darstellte. Die Hieroglyphen machten, ebenso wie die altägyptische Sprache, im Laufe der Jahrtausende eine ständige Veränderung mit – zumeist in Richtung Vereinfachung und leichterer Schreibbarkeit. Denn es gab ja nicht nur die in Stein gehauenen Prunkaufschriften, sondern auch Dokumente, die von beamteten Schreibern (Abb. 15 und 16) ab ca. 2600 vor Christus auf 3DS\UXVUROOHQ Âż[LHUW ZXUGHQ $XI GLHVHU JODWWHQ 2EHUĂ€lFKH YHUwendete man die „Hieratische Schrift“. Der Papyrus Ebers (Abb. 17), welcher in einem Leipziger Museum aufbewahrt wird, ist 20 Meter lang! Ungefähr 700 v. Chr. gab es eine weitere Vereinfachung der Schrift, es entstand die Demotische Schrift (Abb. 18), die schlieĂ&#x;lich durch das Alphabet der griechischen Eroberer verdrängt wurde.

Abb. 14: Hieroglyphe „ANCH“ „das Leben“.

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Abb. 16: Zwei Schreiber; der linke mit Papyrusrolle und KĂścher fĂźr Schreibbinsen, der rechte mit Schreibpalette. Ganz rechts Papyrusstaude.

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Abb. 15: Statue eines Schreibers in der charakteristischen Schreiberhaltung.

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£ Abb. 17: Papyrus Ebers, Universitätsbibliothek Leipzig.

Ausstellungstipp Die Ă„gyptisch-Orientalische Sammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien zählt zu den bedeutendsten Sammlungen ägyptischer AltertĂźmer der Welt. Die mehr als 12.000 Objekte umspannen einen Zeitraum von fast viertausend Jahren, von der ägyptischen Vor- und FrĂźhzeit (um 3500 v. &KU ELV LQ GLH IU KFKULVWOLFKH (SRFKH *HRJUDÂżVFK reicht ihre Herkunft von Ă„gypten, Nubien, dem Ăśstlichen Mittelmeerraum und Mesopotamien bis auf die arabische Halbinsel. Die Sammlung ist in vier groĂ&#x;e Bereiche gegliedert: Totenkult, Kulturgeschichte, bildende Kunst und die Entwicklung der Schrift. Zu den HĂśhepunkten zählen unter anderem die reich verzierte Kultkammer des Ka-ni-nisut aus dem Alten Reich, zahlreiche Sarkophage, Särge und Tiermumien, 7RWHQE FKHU *UDEVWHOHQ *|WWHUÂżJXUHQ 2EMHNWH des täglichen Lebens wie Kleidung und Toilettegegenstände, Meisterwerke der Rundplastik wie der Reservekopf aus Giza, Grabstatuen, Gesichtsstelen aus SĂźdarabien, aber auch eine LĂśwendarstellung vom Ischtartor aus Babylon. Das Kunsthistorische Museum ist seit 27. April 2009 mit einer groĂ&#x;en Ausstellung in Seoul / Korea zu Gast und präsentiert erstmals 230 Objekte der Ă„gyptisch-Orientalischen Sammlung in einer Ausstellung mit dem Titel „Egypt, the Great Civilization. Pharaoh and Mummy“. Da eine groĂ&#x;e Zahl dieser Objekte aus dem Saal IX der Dauerausstellung stammt, wurde dieser gesperrt und die verbliebenen Objekte des Saales werden in Saal VII und VIII präsentiert. Die Ausstellung wird nach Seoul noch in Sydney und Singapur zu sehen sein. Im FrĂźhjahr 2010 ist der Saal IX wieder zugänglich.

Abb. 18: Demotische Schrift.

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Abb. 19: Weiterentwicklung eines ägyptischen Schriftzeichens.

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Sollten Sie sich jetzt fĂźr dieses Fachgebiet näher interessieren (Abb. 19) – hier konnte ja nur ein kurzer Streifzug durch die Thematik präsentiert werden – gibt es interessante Literatur, um diesen Bereich näher kennen zu lernen (siehe z.B. im Internet unter www.amazon.at). Max Fink

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