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Der Gstaadbrand
«In der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 1898 ist ein Teil des Gstaaddorfes einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen. Gegen ein Uhr morgens am 19. Juli weckte der Ruf des Feuerhorns die Bewohner von Gstaad und Saanen aus dem Schlaf.»
Ein Brandausbruch im hinteren Teil des Hauses Bäckerei Steffen-von Siebenthal und des Eisenwarenladens von Gottfried von Siebenthal-Steffen hatte sich mit rasanter Geschwindigkeit auf die umliegenden Häuser ausgebreitet. Als die Feuerwehr von Saanen und Gstaad eintraf, brannte bereits die ganze Häuserreihe rechts der Dorfstrasse (vom heutigen «Brunnehuus» bis Tourismusbüro).
Nach kürzester Zeit griff das Feuer durch die ungeheure Wärmeentwicklung auf die Scheune des Zwahlen-Reichenbach-Hauses auf der linken Strassenseite über (Standort der heutigen Apotheke). Von dort griff das Feuer auf die danebenliegende Wirtschaft Sternen des Gottfried Kohli über, und somit war auch das wunderbare, stattliche Haus des Regierungsstatthalters Johann-Samuel Reichenbach auf der grossen Stützmauer verloren (heute steht dort die Drogerie von Grünigen).
Hier entbrannte der grosse Kampf der Feuerwehren von Gstaad, Saanen und Gsteig, um wenigstens das «Unterdorf» (den alten Dorfteil um den Cheseryplatz) retten zu können. In einem halbstündigen Kampf schütteten sie enorme Wassermengen auf die Fassaden des «Rössli» und auf das gegenüberliegende Haus (heute Ammannhaus). Das Wasser wurde in einer doppelten Wasserlinie vom Wuhr am Lauibach aus geführt.
Auf der Nordseite des «Rössli» kämpften die Feuerwehren von Rougemont, Flendruz und Lauenen und begossen die dortige «Rössli»-Fassade. Das Wasser wurde ebenfalls vom Lauibach über den Cheseryplatz geführt. Wegen der kolossalen Hitze mussten sich die Wendrohrführer gegenseitig mit Wasser übergiessen. Die Farbe der Balken am «Rössli» kochte, und manchem wurden die am Leib brennenden Kleider mit Wasser gelöscht. Als sich nach einem Kampf auf Leben und Tod der First des Zwahlen-Reichenbach-Hauses senkte, waren die Feuerwehrmannschaften erleichtert: «Gerettet ist das übrige Gstaad!» Die Kinder waren einge-
◀ Foto ca. 1904.
Gegenüber dem Rössli steht der Schopf, den Frau
Zwahlen-Reichenbach auf der Brandruine erstellen liess. Links im Bild ein Teil der Zwahlen-Matte. Im
Hintergrund die alte Lauenenstrasse. ▶ Foto 1896.
Das Bild gibt uns einen Einblick in die Geschichte von drei Gstaader Geschäften. Ganz rechts befindet sich das von Urgrossvater Gottfried von Siebenthal-Steffen 1872 gegründete Eisenwarengeschäft. Im
Mittelteil des Hauses die von seinem Schwager und seiner Schwester, Benz und Emilie Steffen-von Siebenthal, ebenfalls 1872 gegründete Bäckerei. Ganz links sieht man die Schusterwerkstatt von Niklaus
Würsten. Dieser ältere Hausteil gehörte der Familie
Reichenbach-von Grünigen in der Chäle (unter der heutigen Eisenbahnbrücke). Niklaus war darin Mieter, da sein eigenes Haus 1892 ebenfalls einem Brand zum Opfer gefallen war. Die Personen auf dem Bild v.l.: Niklaus Würsten an der Arbeit. Emilie Steffenvon Siebenthal, Knabe Walter von Siebenthal (der spätere Schlosser), Wildhüter Fritz Ryter aus dem
Trom. Der spätere Sek.-Lehrer und Palace-Erbauer
Robert Steffen. Wirtssohn Hans Hutzli vom Rössli.
Langjährige Gstaadlehrerin Aline Steffen. Im Fenster Urgrossmutter Luise von Siebenthal-Steffen. Im anderen Fenster der Verlobte der Tochter Emilie
Steffen, Sek.-Lehrer Walter Beck, späterer Schwiegervater von Bundesrat Feldmann. Das Haus rechts, von dem man nur eine Hausecke sieht, war früher die sogenannte «Pinte». Eigentümer war Hans-Jakob
«Kobi» Hutzli. Im Jahr 1896 kaufte Emilie
Steffen-von Siebenthal das Haus. Einen Teil der alten Wirtschaft vermietete sie an Witwe Luise von
Siebenthal-Raaflaub, welche dort ihr Modistengeschäft eröffnete, der andere Teil wurde als «Landjägerwohnung» umgebaut. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite sieht man den Gartenzaun vom
Zwahlen-Reichenbach-Haus.