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Remo Vetter

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Tibetische Medizin

Tibetische Medizin

Mit der Natur gärtnern

Es ist Spätherbst – und damit Zeit für Gärtner, den Garten aufzuräumen und winterdicht zu machen. Oft werden die Beete jetzt von Übertüchtigen umgegraben. Wieso ist vielen nicht klar. Vielleicht graben Sie gerne um? Doch lohnt sich die Müh? Wie macht es die Natur? Fragen über Fragen. Im Laufe unserer vielen Gärtnerjahre haben wir Antworten gefunden.

Text: Remo und Frances Vetter

Um es gleich vorwegzunehmen: Wir sind keine Freunde des Umgrabens, obwohl es vielleicht eine beruhigende, ja schon fast meditative Arbeit ist. Man kann sich dabei so richtig mit der Scholle auseinandersetzen. Aber ebenso wie im Meer, wo Fische in ganz spezifischen Tiefen heimisch sind, leben im Boden Kleinstlebewesen nur in bestimmten Schichten. Wenn wir diese Bodenschichten und -strukturen durch Umgraben oder mechanische Bearbeitung verändern, zwingen wir diese Wesen, die für einen gesunden Boden sorgen, zu einem Leben in einer für sie ungünstigen Umgebung. Deshalb graben wir nicht um. Stattdessen setzen wir auf permanente Bepflanzung, Gründüngung und «Bodenkosmetik» mit Brennnessel- und Beinwellauszügen. Diese einfache Art der Bodenpflege bewährt sich für uns seit Jahrzehnten. Doch wie kamen wir dazu?

Die Naturkreisläufe beachten

Wir haben natürliche Kreisläufe in der Natur intensiv beobachtet und studiert – und dabei sehr viel gelernt, nicht nur über den Garten und die Natur, sondern über – und fürs! – Leben allgemein. Früh haben wir erkannt, dass das Pflügen des Bodens widernatürlich ist. Der Verzicht darauf bringt mehrere Vorteile, nicht nur für die Kleinstlebewesen im Boden. So benötigt unsere Methode wenig Energie, keine fossilen Brennstoffe und verursacht keine Umweltverschmutzung. Gleichzeitig nimmt die Fruchtbarkeit des Bodens mit jeder Anbausaison kontinuierlich zu.

Wir sind generell der Überzeugung, dass wenn wir uns von der Natur leiten lassen, diese uns alles bereitstellt. Wir wissen, dass die Natur so wie sie ist ideal funktioniert und absolut reichhaltig ist: Natürlich ist Fülle, nicht Mangel. Mangel findet vor allem, wenn nicht ausschliesslich, beim Menschen statt. Und dennoch versuchen wir mit unserem begrenzten Verständnis, die Natur zu verbessern. Doch dabei treten praktisch immer unerwünschte Nebenwirkungen auf. Dann ergreifen wir – oft widernatürliche – Massnahmen, um diesen Nebenwirkungen Herr zu werden. Dabei entstehen anderswo meist noch grössere Probleme. Es ist ein Teufelskreis, der schon lange andauert, mindestens seit der Industrialisierung. Mittlerweile ist fast alles, was wir der Natur und dem Planeten antun, Schadensbegrenzung. Von Schäden, die in bester Absicht durch frühere Fehler und Falschverhalten verursacht wurde.

Die Gaben des Gärtner(n)s

Mein Grossvater pflegte zu sagen: «Die Natur braucht den Menschen nicht; die Natur reguliert sich selbst.» Erst durch das menschliche Eingreifen sind die Zusammenhänge und Selbstheilungsprozesse der Natur in den vergangenen Jahrzehnten aus den Fugen geraten. Können wir als Gärtner dem entgegenwirken? Zumindest im Kleinen allemal! Unser gärtnerisches Ziel und Ansatz ist es darum, der Natur wieder den ihr zustehenden Raum zu geben, und falsch erlernte Ansichten und Praktiken zu eliminieren.

Auf dem Feld und im Obstgarten greifen wir deshalb so wenig wie möglich in den Wachstumsprozess der Pflanzen ein. Auf Kunstdünger und insbesondere Insekten- und anderes Gift verzichten wir schon lange. Mit der Zeit stellten wir fest:

Die Natur braucht den Menschen nicht; die Natur reguliert sich selbst. »

Gartenarbeit im November

Ziergarten

•Wärmeliebende Kübelpflanzen, die Eis und Frost nicht ertragen, ins Winterquartier zügeln.

•Oleander nach den ersten Frösten ins Winterquartier zügeln, aber nicht zurückschneiden.

•Zimmerpflanzen wie Orchideen und Ficus in Fensternähe platzieren.

•Amaryllis eintopfen.

•Frühlingsblüher pflanzen und die letzten Blumenzwiebeln für die Frühlingsblüte in Garten und Balkongefässe stecken.

•Rasen wächst an milden Tagen, deshalb vor Winterbeginn auf ca. 4cm zurückschneiden. Moos und Laub abrechen und kompostieren.

•Laub auf Wegen und Rasenflächen zusammenrechen, unter Sträuchern aber liegen lassen. Da bietet es den Wurzeln Kälteschutz und Kleintieren Lebensraum.

•Ziergräser und Schilf stehen lassen.

•Gegen Ende Monat Wasserleitungen und Regentonnen entleeren.

•Gartengeräte pflegen und einwintern, Tongefässe vor

Frost schützen, Nistkästen reinigen.

Je weniger wir tun, desto produktiver die Pflanzen- und Tiergemeinschaft. Unsere Botschaft an alle Gärtner ist deshalb: Tut nicht mehr, sondern weniger! Denn je mehr wir tun, je mehr wir eingreifen in die Welt der Pflanzen und Tiere, desto mehr Probleme entstehen. Das gilt nicht nur in Garten und Landwirtschaft, sondern im Leben allgemein. Die zunehmende Verwüstung der Natur, die Erschöpfung der Ressourcen, das Unbehagen und der Zerfall der Umwelt, oft unter dem Deckmantel des Fortschritts, ist darauf zurückzuführen, dass die Menschheit versuchte, sich auf Kosten der Natur und künftigen Generationen zu bereichern.

Lasst uns wilder werden!

Unsere Botschaft ist beschämend einfach. Jedoch ist «einfach» kein Konzept, das in der heutigen Welt leicht verstanden oder auch nur geschätzt wird. Vielmehr ist alles (vermeintlich) furchtbar kompliziert. So wird unser Verstand systematisch vernebelt. Wir wollen die Nebel lüften und werden erklären, wie einfach natürliche Landwirtschaft und natürliches Gärtnern tatsächlich sein kann – und warum weniger statt mehr der Weg ist, um wieder eine gesunde Beziehung zur Erde herzustellen.

Wir leben in der schönen Schweiz, und in der Schweiz herrscht Ordnung. Auch im Garten. Und in der Landwirtschaft. «Going wild», eine grossflächige Rückeroberung der ausgelaugten und unproduktiven Böden durch die Natur, ist derzeit nicht möglich. Unser demokratisches System mit dem Fokus auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit lässt das nicht zu. Im Kleinen ist aber sehr wohl vieles möglich. Und wenn man sie lässt, erholt sich die Natur sehr schnell. Das zeigte sich in unserer langjährigen Tätigkeit als Gärtner im eher garstigen Appenzellerland: Gemüse, Obst, Kräuter und Beeren in grosser Zahl haben wir dort angebaut im Einklang mit der Natur. Unser über 36 Jahre gepflegter Garten hatte eine wunderbare Ausstrahlung bis weit über die Kantonsgrenze hinaus.

Auf einer Fläche von rund 400 Quadratmetern bauten wir Hügelbeete an und konnten damit unsere fünfköpfige Familie das ganze Jahr über mit frischem Gemüse versorgen. An die 50 alte Obstsorten, Beeren, englische Duft- und Pfingstrosen und etwa 120 verschiedene Heil- und Küchenkräuter machten den Garten zum Anziehungspunkt für gartenaffine Menschen, Heilkundige und eine grosse Vielzahl an Insekten, Vögeln und Reptilien.

Statt der üblichen Reihen von ordentlich beschnittenen Bäumen, die in kahlem Boden wuchsen, standen unsere Obstbäume verstreut auf einer üppigen Blumenwiese, die an den meisten Stellen hüfthoch stand. Bienen, Hummeln und Schmetterlinge schwirrten von Blüte zu Blüte, Marienkäfer und Schlupfwespen ergötzten sich an den hin und wieder auftretenden Läusen und abends räumten Igel, Glühwürmchen

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und Eidechsen mit den Schnecken und ihren Eiern auf. Auch Fledermäuse fühlten sich wohl bei uns, ebenso Hühner und Enten, die frei herumlaufen konnten. Zusammen mit den Milchschafen versorgten sie den Boden mit bestem Dünger. Ist das nicht ein Ansatz, um die heute angewendeten intensiven Anbaumethoden zu überdenken?

Warum wir alte Sorten kultivieren

Wir werden immer wieder gefragt, warum wir alte Gemüse- und Obstsorten pflegen. Müsste die Frage nicht vielmehr lauten, warum diese Sorten praktisch ausgestorben sind? Wir können diese Frage in Bezug zur Walderdbeere beantworten: Mit dem Auftreten der grossfruchtigen Gartenerdbeere wurde die kleine Walderdbeere weitgehend vom Markt und aus den Gärten verdrängt. So ging es vielen anderen Sorten: schön aussehen sollen sie, lagerfähig müssen sie sein und möglichst leicht zu ernten. Der Geschmack ist nicht einmal sekundär und bleibt so oft auf der Strecke.

Zeit ist nun einmal Geld in unserer Welt. Und da ist die Walderdbeere eindeutig im Nachteil: Um ein Kilogramm davon zu pflücken, braucht es viel mehr Zeit als für die gleiche Menge einer modernen grossfruchtigen Handelssorte. Und im Handel zählen die Kriterien aus Transport- und Lagerfähigkeit, sowie Gleichförmigkeit. Wir jedoch ziehen es vor, Zeit zu investieren und messen anderen Kriterien mehr Bedeutung zu: Geschmack, Vielfalt und Eignung zum Eigenanbau. Deshalb wählen wir biologisches, nicht manipuliertes Saatgut und entsprechende Jungpflanzen, wenn wir diese nicht selber ziehen. Damit behalten wir uns ein kleines Stück Unabhängigkeit und nehmen die Eigenverantwortung wahr, für unsere Umwelt und unsere eigene Gesundheit zu sorgen.

Ein weiterer Vorteil: Einheimische Wildobstarten sind in der Regel robuste, recht anspruchslose Bäume, Büsche und Sträucher, die kaum Dünger benötigen. Sie beschenken uns mit vielfältig nutzbaren Früchten und bieten zum Teil ungewöhnliche Geschmackserlebnisse. Zudem sind sie Bienenweide und Vogelnährgehölz sowie von hohem Zierwert. Nicht zu vergessen ist der weitaus geringere Pflegebedarf der robusten Wildobstarten, die man meist weitgehend sich selbst überlassen kann.

Unser Credo lautet: Möglichst viele Pflanzen im Herbst stehen lassen, damit die Insekten und Vögel im Winter Nahrung finden. Abschneiden sollte man alle Stauden, deren Laub oder Samenstände nach Frosteinbruch matschig und unansehnlich werden. Solche Pflanzen werden auch gerne von Schnecken als Unterschlupf aufgesucht. Darum schneiden wir im Kräutergarten Pfefferminze, Liebstöckel, Zitronenmelisse, Oregano, Johanniskraut und im Ziergarten Pflanzen wie Funkien, Sonnenhut und Herbstanemonen zurück.

Ungeschnitten schicken wir alle Gräser in den Winter. Für sie geht die Gefahr im Winter meistens von der Feuchtigkeit aus, die in die Mitte, also ins Herz des Horstes dringt und das Gras zum Faulen bringt. Deshalb empfehlen wir, die Wedel mittelhoher und hoher Gräser mit einem Strick zusammenzubinden, damit von oben keine Feuchtigkeit eindringen kann.

Gartenarbeit im November

Nutzgarten

•Lauch, Feder- und Rosenkohl anhäufeln. Möglichst erst nach den ersten Frösten ernten, denn danach schmecken sie milder.

•Winterportulak, Nüsslersalat und Winterspinat gedeihen in geschützten Lagen auch in Balkonkistchen. In 1–2 cm tiefe Rillen säen; die Sämlinge dann auf 2–3 cm Abstand ausdünnen.

•Im Kräutergarten Salbei, Minze, Zitronenverbene und

Stevia stark zurückschneiden und die Blätter trocknen.

Stevia und Verbene sind nicht winterhart; sie können in einem kühlen Raum überwintern.

•Die Beete erhalten jetzt etwas Algenkalk. Er verbessert die Bodenbeschaffenheit und beugt Bodenmüdigkeit vor.

•Obstbäume und Sträucher schneiden, wenn es noch nicht zu kalt ist. Wir geben ihnen dann eine Kompostgabe. Wenn es die Zeit zulässt, machen wir zudem einen

Lehm-Kalk-Stammanstrich, um Frostschäden und das

Eindringen von Schädlingen zu verhindern.

•Wurzelnackte Bäume und Sträucher pflanzen und mit genügend reifem Kompost und einer leichten Mistgabe versehen. So wachsen die Gehölze vor dem Wintereinbruch gut an.

•Wir lassen möglichst viele Pflanzen im Herbst stehen, damit Insekten und Vögel im Winter Nahrung finden.

Abschneiden sollte man alle Stauden, deren Laub oder

Samenstände nach Frosteinbruch matschig und unansehnlich werden.

•Frostgefährdete Pflanzen rechtzeitig mit Vlies oder Stroh schützen.

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