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Aarti Sivilaringam bekocht ihre Kollegen
(Donnerstag, 8. September)
Es gab in den letzten Monaten einige Veränderungen im bisherigen Team Ritter des Dezernats Leib und Leben der Kantonspolizei Bern zu vermelden. Joseph «J. R.» Ritter befindet sich im vorgezogenen Ruhestand. Sein Nachfolger, Peter Kläy, hatte Ritter und seine Mitarbeitenden in den letzten Jahren regelmässig unterstützt, als Verstärkung bei speziellen Fällen. Unvergesslich bleiben seine beiden Aufenthalte in Warschau, als er sich während Ermittlungen zu Autoschiebern und verbotenen Sportwetten in Eva – von der lokalen Warschauer Polizei – verliebte, sich jedoch nur mangelhaft mit ihr verständigen konnte, weil Eva ausser ihrer Muttersprache nur Französisch sprach. Kläy wiederum war in Englisch sattelfest, nicht aber in der Sprache Victor Hugos, sodass er sich daranmachte, seinen Mangel mit Online-Sprachkursen aufzuholen, nur um drei Jahre später festzustellen, dass Eva sich verlobt hatte. Und das sozusagen vor Ort im Restaurant Polka von Magda Gessler in der Warschauer Altstadt, wohin er Eva eingeladen hatte. Sie zeigte sich entzückt über diese Geste des Berners, schrieb ihm zuvor, dass sie «zu zweit» kommen würden. Dummerweise für Herrn Kläy erschien seine Angebetete aber nicht mit ihrer Kollegin Suzanna, die Kläy ebenfalls kannte, sondern mit ihrem Verlobten, mit Victor. Beinahe staatsmännisch überspielte Kläy die Situation, bezahlte sogar für alle drei. Obwohl er innerlich kollabierte, liess er sich überhaupt nichts anmerken. Diese Episode war nur dem Team bekannt.
Joseph Ritter seinerseits genoss die neu gewonnene Freiheit zusammen mit Stephanie Imboden, seit einigen Monaten mit ihr verheiratet. Und auch wenn er sich bewusst nicht aufdrängte: Seine bisherige Crew kam dann und wann gerne auf seine Erfahrungen zurück – und sei es nur mit einem Anruf –, übrigens auch auf die Einschätzungen seiner Frau, ein «kluges Köpfchen», wie sich Ritter jeweils auszudrücken pflegte.
Neu im Team: Aarti «Wusch» Sivilaringam, eine junge Seconda, deren Eltern vor 30 Jahren als verfolgte Tamilen aus Sri Lanka in die Schweiz
flüchteten. Sie stiess mehr oder weniger per Zufall zum Team, weil ihre Vorgängerin, Claudia Lüthi – heute im Backoffice-Bereich der Securitas in Zollikofen beschäftigt und happy mit ihrem Job –, letztes Jahr entführt wurde und aus diesem Grund aus eigenem Wunsch aus dem Polizeikorps ausschied. Es war denn auch Aarti, die für heute Abend nur das eigentliche Ermittlerteam zu sich nach Hause eingeladen hatte: Peter Kläy, Elias Brunner und Stephan Moser. Nicht dass sie etwas gegen Joseph Ritter, Claudia Lüthi oder Regula Wälchli einzuwenden hatte, aber die Platzverhältnisse liessen in der WG keine grossen Partys mit allen Leuten aus dem IRM, dem KTD, der Staatsanwaltschaft oder der Kommunikation zu, weshalb sie nur drei Gäste zu Besuch hatte.
Aarti Sivilaringam wohnte mit zwei Kolleginnen am Steckweg in der Berner Lorraine, nur einen Steinwurf von ihrem Arbeitsplatz im Ringhof entfernt. Auf Lebzeiten würde das jedoch nicht der Fall sein, lief doch bereits die Planung für eine neue Zentrale der Kantonspolizei Bern in Niederwangen, in der Nähe von Bauhaus und Fust. Vorgesehener Umzugstermin: 2027. Weil es heute nur einmal regnete, musste man die kulinarischen Spezialitäten aus dem Hause Sivilaringam – unter anderem Spiced Paneer, Kesari und Ladoo – im gemeinsamen Wohn-/Esszimmer geniessen, nicht auf der Terrasse. Ihre beiden WG-Partnerinnen sassen derweil beim Znacht im «Okra», einem Restaurant mit indischen Speisen, ebenfalls im Lorraine-Quartier.
«Sag mal, Wusch», fragte der Chef und erinnerte damit automatisch daran, dass die junge Polizeibeamtin, die Kläy sonst als Aarti ansprach, ihren Namen dank dem Erkennen von Windrädergeräuschen am Mont Crosin letztes Jahr erhalten hatte, «was hat dir bei uns bisher am meisten gefallen, was weniger?» Aarti Sivilaringam musste nicht lange überlegen. «Wie ihr mit mir umgeht, das ist schon grossartig, ich lerne viel. Und gerne. Weniger gefällt mir dieser administrative Kram, den es zu erledigen gibt. Ich frage mich halt schon, ob gewisse Leute damit ihre berufliche Existenz rechtfertigen wollen», was seitens der drei Kollegen keine Opposition provozierte, lediglich ein dreifaches Schmunzeln und ein «Karton im Säli!» von Stephan Moser.
Es war ein entspannter Abend – bei nur einer einzigen Flasche Epicuro Primitivo –, während dem nicht nur Stephan Moser einige seiner Witze
Das Westside, am 8. Oktober 2008 eröffnet.
loswerden konnte, zum Beispiel die Schilderung eines Brandes in der Philosophischen Fakultät einer Universität: Ein interessierter Professor tritt vor die Türe, schaut zu, wie die Feuerwehrmänner den Korridor entlang rennen. «Wohin des Weges, du Mann des Feuers?», will er wissen. Einer schaut kurz zurück: «Zum Herd des Brandes, du Loch des Arsches.» Elias Brunner widerlegte seinerseits auch die Behauptung seiner Ehefrau, nur Frauen könnten zwei Sachen gleichzeitig machen: «Wir Männer schaffen sogar drei gleichzeitig: Wir duschen, gleichzeitig singen wir und erledigen etwas, wofür mann durchaus absitzen könnte», mit Betonung auf «mann» mit zwei «n», was bei Aarti Sivilaringam zu einem eher mitleidigen Kopfschütteln führte, worauf die Herren ihre verbalen Drehzahlen auffallend zurückfallen liessen. Nicht lustig.
Gegen 22.30 Uhr verabschiedete man sich von der Gastgeberin, die nicht zulassen wollte, dass ihr jemand beim Abwasch hilft, das mache sie «noch so gerne in aller Ruhe nach diesem tollen Abend». Gerne wären die Mannen noch länger geblieben, weil aber nie absehbar, was der nächste Tag alles bringen konnte, entschieden sie sich für die Nachtruhe. Beim Verlassen der Wohnung trafen sie auf die beiden heimkehrenden WG-Kolleginnen, die sich begeistert über das Nachtessen äusserten. Die beiden Twens erfuhren ihrerseits auch, dass es den Ermittlern nicht anders ging.
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Knapp acht Stunden später stand das Team am nächsten Morgen bereits im Untergrund des Freizeit- und Einkaufszentrums Westside im Westen von Bern. Und mit dem Quartett das ganze «Rösslispiel» mit IRM, KTD, Staatsanwaltschaft und Kommunikation. Aber der Reihe nach.