Weinseller Journal Nr. 3

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N° 3 | 2016

CHANDRA KURT ’ S

WEIN SELLER

WEIN SELLER JOURNAL

JOURNAL

CHANDRA KURT ’ S

Momente mit Leidenschaft!

die reportage

Domäne Wachau – Genossenschaftliches Umdenken Das Tagebuch des Winzers Angelo Gaja in Südafrika

Der Weinkeller Wie unterschiedlich reifen Weine?

Exklusiv bei:

Lidl lohnt sich.

N° 3 | 2016

Juni 2016 Schweiz CHF 14.– Deutschland € 14.–

Aboservice weinseller.com werdverlag.ch


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Inhalt

die reportage

N° 3 | 2016

Wir haben den Master of Wine und Weingutschef Roman Horvath in der Wachau besucht und liessen uns von ihm die Geschichte der Genossenschaftskellerei Domäne Wachau erzählen.

8

68

128

Domäne Wachau – Handwerk im Kollektiv weinwissen

42 Das Weinbuch

Gambero Rosso – Weine Italiens 2016

64 Die Weinpublikation

Robert Parker’s Wine Advocate

76 Weinseller-Lexikon

Teil 3 – Von Adstringent bis Zucker

86 Das Weinglas

Teil 2 – Cabernet Sauvignon: Ein grosses Glas für Gerbstoffe

90 Der Weinkeller Teil 3 / 3 Wie unterschied­lich reifen Weine?

44

empfehlungen 44 Weinseller 2016

Die Rosé- und Schaumweine

68 Die Entdeckungen

Chandras Weinkühlschrank

124 Saisonale Rezepte Gerichte für den Sommer

128 Wein-Travel

Geheimadressen von Jan Schwarzenbach MW

stories 102 Weincomic

42

110

Die Legende vom Vet Rooi Olifant

110 Das Tagebuch des Winzers Angelo Gaja: Dynamisches Südafrika

114 Die Markenstory

Die Collection Chandra Kurt von Tamborini

132 Wine Tales – Die Kurzgeschichte N°3 Fläscher Pinot Noir 1999, Davaz

dies und das 3 Editorial 138 Impressum / Vorschau auf N°4 2016

Inhalt – Ausgabe N°3

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Die Reportage

Domäne Wachau – Handwerk im Kollektiv

In den grossen Kellern der Winzergenossenschaft werden die Trauben von 250 Winzerfamilien zentral verarbeitet. Das ist kein ein­faches Unterfangen und verlangt vom Keller­meister eine aufwendige Zusammenarbeit mit jedem Trauben­lieferanten, damit dieser die bestmögliche Qualität abliefert.

Die Wachau liegt an der Donau und zählt wegen ihrer einmalig schönen Kulturund Naturlandschaft zum UNESCOWeltkultur­erbe. Sie ist auch Terroir für Österreichs hochwertigste Interpretation des Grünen Veltliners. Am meisten Trauben verarbeitet die Domäne Wachau in Dürnstein. Text Chandra Kurt Fotos Philipp Rohner

Die Reportage – Domäne Wachau

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Wie gut Grüne-Veltliner-Weine aus

Ich besuchte die Wachau das erste

der Wachau wirklich schmecken

Mal etwa zehn Jahre nachdem der Ve-

und wie fantastisch sie zu exoti-

rein «Vinea Wachau Nobilis Districtus»

scher oder mediterraner Küche

(siehe Seite 28) gegründet worden

passen, habe ich vor vielen Jahren

war. Ein genialer Schachzug einer

in den USA gelernt. Denn auf jeder

damals noch relativ unbekannten Wein-

Weinkarte der modernen, neuen

region, die jedoch das Potenzial ihrer

und trendigen Lokale sind immer

einmaligen Lagen und ihrer Weine

ein paar «Grüne», wie sie von

visionär erkannte. Was die Wachauer

den Amerikanern liebevoll genannt

Winzer damals beschlossen haben,

werden, aufgelistet – und nicht

war der Start einer Qualitätsinitiative,

erst seit gestern.

die nicht nur einzelne Winzer individuell in Angriff nahmen, sondern das

Ich erinnere mich an die herrliche

ganze Gebiet vereint zusammen.

Kombination mit vietnamesischen

Und das lange bevor in Österreich die

Rezepten in The Slanted Door

Kreation der DAC (Districtus Austriae

(www.slanteddoor.com) in San Fran-

Controllatus), also geschützte Her-

cisco genauso wie an die mit ame­-

kunftsbezeichnung für regionaltypi-

rikanischen Gerichten in der Gramercy

sche Qualitätsweine, begann.

Die Gründung des Vereins «Vinea Wachau Nobilis Districtus» war visionär und ein genialer Schachzug für diese damals noch relativ unbekannte Weinregion.

Tavern (www.gramercytavern.com) in New York. Ich erwähne das, weil

Authentizität, Individualität, Natur­-

man manchmal viel mehr auf etwas

belassenheit und Handarbeit sind die

aufmerksam wird, wenn man es

Grundgedanken der Vinea Wachau.

ausserhalb seines Ursprungsterroirs

Primär werden die weissen Trauben-

entdeckt. Auch schätzt man es viel-

­ ies­sorten Grüner Veltliner und R

leicht mehr, ist man weit weg von

ling verarbeitet und Weine mit den Güte-

der eigentlichen Quelle, an der es

­siegeln «Steinfeder», «Feder­spiel»

immer verfügbar war und ist.

und «Smaragd» vinifiziert. Heute bewirtschaften 650 Winzer die 1350 Hektaren auf 124 teilweise ganz unter­schiedlichen Einzellagen mit Namen wie beispielsweise «Achleiten», «Kellerberg» oder «Loibenberg», mit dem Resultat, dass aus den zwei weissen Hauptsorten eine Fülle an unterschiedlichen Weinen zu ent­decken ist.

Das Wahrzeichen des Weinguts – das ­ barocke Kellerschlössle, das 1714–1719 erbaut wurde. Darin befinden sich zahlreiche Fresken und Wandmalereien mit teils ­äusserst humor­vollen Sujets aus der Zeit. Die Freske strahlt von der Decke des Hauptsaals und ist eine der zahlreichen Bebil­ derungen, dank denen das Gebäude auch den Übernamen «Lusthaus im Weinberg» oder «Lustschlösschen» erhalten hat.

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Die Reportage – Domäne Wachau

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Vom Weinshop des Weingutes geht ein Eingang direkt in den Weinkeller. Hier staunten wir alle, denn in den meisten Wein­kellern sind die Schimmelpilze an den Wänden schwarz-braun, nicht so hier. Wir konnten uns an dieser attraktiven orangeroten Farbenpracht kaum satt sehen.

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Wie Recht er doch hat, obschon die Domäne Wachau einen der modernsten Keller der Region besitzt, der Ein Drittel aller dieser Weine wird

übrigens Vorbild für die Schweizer

im Keller der Domäne Wachau produ-

Genossenschaftskellerei Provins im

ziert. «Egal, wo man hinschaut, ein

Wallis war. Heinz und sein Team

Drittel der Reben wird von uns verar-

kreieren mit jeder Ernte rund 60 ver-

beitet, gehört uns, beziehungsweise

schiedene Weine, wobei er betont,

einem unserer 250 Winzer», erklärt

dass er aufgehört hat zu zählen. Denn

Roman Horvath, Master of Wine und

manchmal hat man eine jahrgangs-

Weingutsleiter der Domäne.

spezifische Idee, die zu einer Neu-

Zusammen mit Heinz Frischengruber,

kreation führt. Spannend daran ist, dass

dem technischen Direktor, hat er in

man durch dieses System die Mög-

den letzten Jahren aus einer etwas in

lichkeit besitzt, auch kleine Mengen

die Jahre gekommenen Genossen­-

von einem Wein zu produzieren,

schaft (die damals noch Freie Wein-

und natürlich durch ganz strenge

gärtner Wachau hiess) die innovative

Selektion die Qualität generell

und dynamische Domäne Wachau

steigern kann.

aufgebaut. In einem konservativen Gebiet wie der Wachau ist das gar nicht so einfach. Doch die beiden blasen seit ein paar Jahren eine vorbildlich ansteckende Marschmusik, mit dem Resultat, dass die Domäne innert kurzer Zeit in die Liga der Top­wein­güter der Region aufgestiegen ist. Dazu erklärt Heinz Frischengruber: «Wir haben ein exaktes Weingartenprogramm ausgearbeitet, das akribische Qualitätsarbeit verlangt. Der Steilheit und Höhe der Terrassen

«Egal wo man hinschaut, ein Drittel der Reben wird von uns verarbeitet, gehört uns, beziehungsweise einem unserer 250 Winzer.»

wird Tribut gezollt. Einzellagen werden separat verarbeitet. Handlese und gezielte Selektion sind Basis für perfektes Traubenmaterial. Denn Topweine entstehen nur im Weingarten und nicht im Keller.»

Als die Burg Dürnstein noch keine Ruine war, machte sie Geschichte, die bis heute Besucher anzieht. Denn kein geringerer als Richard Löwenherz sass hier zwei Jahre in Gefangenschaft, als er während seiner Heimreise vom Dritten Kreuzzug 1192 vom Babenberger Herzog Leopold V. gefangen genommen wurde.

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Die Reportage – Domäne Wachau

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Weinseller 2016

Die aktuellen Schaumweine Im diesjährigen Weinseller 2016 werden 550 Weine aus dem Schweizer Detailhandel bewertet und beschrieben. Davon sind 300 Rotweine, 169 Weissweine, 45 Schaumweine, 26 Roséweine und 10 Süssweine. Die Weine stammen aus 14 Ländern der Alten und der Neuen Welt. Preislich ist die Bandbreite von Fr. 2.79 bis Fr. 47.90, wobei die Mehrheit der Weine zwischen Fr. 10.– und Fr. 15.– kostet.

Im Weinseller habe ich 45 Schaumweine verkostet. Sie stammen aus der Schweiz, Deutschland, England, Frankreich, Italien und Spanien. Die bekanntesten Produkte sind natürlich Prosecco und Champagner, es hat aber auch spannende ­Entdeckungen aus Spanien oder der Schweiz. Die Bewertungsskala inklusive Zeichenerklärung finden Sie am Schluss dieses Kapitels.

ALDI

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I TA L I E N

Prosecco Frizzante

1

DEU T SC H L A N D

Herzog Alba, Feiner Sekt, Trocken

Der Name lässt an Italien denken, aber der Wein stammt aus D ­ eutschland. Ich habe diesen Schaumwein verkos­tet, ohne seinen Preis zu kennen – und hätte den Preis auf mindestens das Doppelte geschätzt. Erfrischt den Gaumen delikat und gibt nichts vor, was er nicht ist. Noten von Rhabarber und Aprikosen sind zu erkennen. All­tagsSchaumwein für Budget-­Genies­ser. Auch on the rocks oder in der Bowle perfekt. TRINKREIFE    Jetzt geniessen PASST ZU   Apéro, Antipasti,
 geselliger Runde SERVICETIPPS   Bei 6–8 °C servieren ALKOHOLWERT   11 % PREIS   Fr. 3.99 BEWERTUNG   14,75 Punkte B 2

FR A N K R E IC H

Champagne Offenbach Brut

Der Haus-Champagner von Aldi ist mit diesem Jahrgang ganz anders in der Art. Er gefällt mir auf jeden Fall viel bes­ser. Noten von Brioche und Kara­mell stehen mehr im Vordergrund. Er ist eine Spur rustikaler und muskulöser. Die Mousse ist eher voluminös, aber dennoch schön sanft. Nicht mehr so leichtfüssig wie noch vor einem Jahr – er ist erwachsen geworden und kann gut auch zum Genuss einer ­Zigarre serviert werden. Für einen Cham­pag­ner eher günstig oder anders ­ausgedrückt ein top Preis-Leistungs-­ Verhältnis. Im Vergleich zu den an­de­ren Schaumweinen des Aldi-Kapitels der komplexeste mit Struktur und Länge im Abgang. TRINKREIFE  Jetzt geniessen PASST ZU  Apéro, Häppchen, Antipasti, Gebäck, Gemüsewähe, Terrine, ­Geflügel SERVICETIPPS  Bei 6–8 °C servieren ALKOHOLWERT  12,5 % PREIS  Fr. 17.95 BEWERTUNG  16,5 Punkte

Es ist nicht ganz einfach, den Korken aus diesem Kassenschlager zu ziehen. Der günstigste Prosecco bei Aldi ist trocken und zeigt eine blumige Aroma­tik mit dezenten Honigaromen. Die Mousse ist feinperlig und prickelt ganz leicht. Nicht zum Lagern gedacht. Ich würde ihn on the rocks servieren oder als Basis für eine Bowle ver­wenden. Kein Prosecco für das roman­tische Date, sondern für die wilde Party. Ist sogar noch etwas günstiger geworden. Notvorrats-Prosecco. TRINKREIFE  Jetzt geniessen PASST ZU  Apéro, Antipasti, geselliger Runde SERVICETIPPS  Bei 6–8 °C servieren ALKOHOLWERT  11 % PREIS  Fr. 4.49 BEWERTUNG  14,25 Punkte 4

5

I TA L I EN

Prosecco Spumante, Extra Dry, Superiore

Ein Verkaufshit bei Aldi – was ich v­ erstehen kann. Dieser Prosecco kostet nicht viel und schmeckt absolut okay. Noten von weissen Blüten, Holunder, Ho­nig und Limetten sind zu erkennen. Die Mousse ist mittelkräftig und kitzelt den Gaumen wunderbar wach. Im Finale eine dezent exotische Note. Der richtige Tropfen, wenn der Prosecco etwas aromatischer sein darf. Mit ihm kann man sich perfekt auf die sams­tägliche Shoppingtour einstimmen. Ein paar gekühlte Flaschen davon am Lager schaden nicht. TRINKREIFE  Jetzt geniessen PASST ZU  Apéro, Antipasti, Satay-­ Spiesschen, geselliger Runde SERVICETIPPS  Bei 6–8 °C servieren ALKOHOLWERT  11 % PREIS  Fr. 6.95 BEWERTUNG  15,5 Punkte B

I TA L I E N

Prosecco DOC Danti, Extra Dry

6

I TA L I EN

Kleine Weinflaschen werden immer ­trendiger. Verständlich, denn m ­ anchmal will man für sich allein nicht gleich eine grosse Flasche entkorken – oder nach Hause tragen. Dieser Prosecco schmeckt nussig, trocken und erfrischt den Gaumen delikat mit Aromen von Honig, weissen Blüten und Linden­blüten. Er ist nicht weiter aufregend, aber perfekt, wenn man sich einen Apéro gönnt und den Tag Revue pas­sieren lässt. Ideal auch zum Genuss während eines duftenden Schaumbades. Easy drinking ohne grosse Worte aus Norditalien. Warum nicht einmal on the rocks aus dem grossen ­Weinglas. TRINKREIFE  Jetzt geniessen PASST ZU  Apéro, Antipasti, geselliger Runde SERVICETIPPS  Bei 6–8 °C servieren ALKOHOLWERT  11 % PREIS  Fr. 4.49 (3,75 dl) BEWERTUNG  14,75 Punkte

Der Premium-Prosecco des Aldi-­S ortiments hat im Gegensatz zu den anderen einen Jahrgang. Er duftet deli­k at und leicht blumig. Im Gaumen kernig und mit einer rustikalen Mousse. Aromatisch tauchen auch hier blumige Nuancen auf. Im Finale Noten von Mandarinen und Melonen. Etwas komplexer und trockener als der Prosecco Spumante, Extra Dry, Superiore und daher ideal, wenn man etwas mehr ­T iefe sucht. Easy drinking mit exotischer Aro­matik – und das immer noch für we­niger als 10 Franken. TRINKREIFE  Jetzt geniessen PASST ZU  Apéro, Antipasti, geselliger Runde SERVICETIPPS  Bei 6–8 °C servieren ALKOHOLWERT  11,5 % PREIS  Fr. 9.99 BEWERTUNG  15,75 Punkte

Weinseller 2016 – Die Schaumweine

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Prosecco Millesimato Superiore DOCG Oroperla 2014, Extra Dry


Die Entdeckungen

1

Rouge Mémoire 2014, Urbain Germanier Die Neukreation für Denner

2 3

Cava Vilarnau Brut Rosado Limitierte Edition mit katalanischem Mosaik-Design

4 5

Vet Rooi Olifant 2012 Der Wein zum Comic

Loimer Extra Brut 2014 Biodynamische Bollicine aus Langenlois

Arzak 2015, Chivite, Las Fincas Rosado Der Rosé für den Michelin-Chef

6

Chandras Weinkühlschrank Folgende sechs Weine habe ich in den letzten Monaten neu entdeckt. Die meisten sind das Resultat einer Zusammenarbeit. Entweder von zwei Winzerfreunden, einem Chef und einem Weingutsbesitzer oder einem Weineinkäufer und einem Weinhaus. Alle haben eines gemeinsam: Sie sind jetzt wunderbar schön zu trinken.

Vogelsang 2011, Gromann & Söhne Top-Pinot-Noir vom Bielersee

Chandras Weinkühlschrank – Entdeckungen

69


G

Auch Weissweine und Schaumweine werden in Grossformate abgefüllt. Hier stellt sich die Frage des Kühlens. Im Winter ist dies kein Problem. Man stellt die Flaschen ganz einfach über Nacht auf den Balkon, wobei darauf zu achten ist, dass die Temperaturen nicht in zweistellige Minusgrade fallen.  W ill man im Sommer eine Grossflasche kühlen, braucht man entweder einen grossen Kühlschrank oder einen Kübel. Das muss nicht unbedingt ein Eiskübel sein, ein einfacher ­Eimer tut es auch. Diesen füllt man zu einem Drittel mit ­kaltem Wasser und gibt etwa 50 Eiswürfel dazu. Darin lässt sich der Wein in 15 Minuten perfekt kühlen. Und was macht man, wenn man eine Grossflasche nicht ­ausgetrunken hat? Ich persönlich fülle den Inhalt in eine kleinere Flasche um, meist in eine 7,5-dl-Flasche. Damit redu­ ziere ich die Oxidation des Weins, die stattfindet, wenn er in Kontakt mit zu viel Sauerstoff kommt. Ein Format, das ich in den letzten Jahren immer lieber gewonnen habe, ist die kleine 3,75-dl-Flasche. Sie ist interessant, wenn man für sich alleine kocht und zum Essen gerne etwas Wein geniesst oder wenn man im Restaurant zuerst einen Schluck Weissen und dann einen Roten trinken ­möchte. Zwei normalgrosse Flaschen sind zu viel und gehen auch ins Geld. Zwei kleine sind die perfekte Alternative.

H

Es gibt nicht gerade so viele Flaschenformate wie Weine, aber ihre Anzahl ist beträchtlich. Die wichtigsten Flaschengrössen sind: ▸ 0,187 Liter: Dinky, Split ▸ 0,25 Liter: Piccolo, Viertelflasche ▸ 0,375 Liter: Halbe Flasche, Demi / Fillette (Frankreich), Half Bottle (USA / UK), Stifterl (Österreich), Dreiachtel (Schweiz) ▸ 0,7 Liter: fast ausschliesslich Spirituosen vorbehalten, manchmal in der Schweiz anzutreffen ▸ 0,75 Liter: Flasche, Normalflasche ▸ 1 Liter: Literflasche ▸ 1,5 Liter: Magnumflasche = 2 Normalflaschen ▸ 3 Liter: Doppelmagnum (Bordeaux), Jeroboam (­Champagner) = 4 Normalflaschen ▸ 4,5 Liter: Jeroboam (Bordeaux), Rehoboam (Champagner, Burgunder) = 6 Normalflaschen ▸ 5 Liter: Jeroboam (moderne Grösse, seit zirka 1978 ausschliesslich für dieses Format benutzt) ▸ 6 Liter: Methusalem (Champagner, Burgunder) = 8 Normalflaschen ▸ 6,4 Liter: Imperiale (Bordeaux) ▸ 9 Liter: Salmanazar (nur für Champagner, Burgunder) = 12 Normalflaschen ▸ 12 Liter: Balthazar (nur für Champagner, Burgunder) = 16 Normalflaschen ▸ 15 Liter: Nebukadnezar (in der Regel für Champagner, manchmal Burgunder) = 20 Normalflaschen Natürlich gibt es auch ein paar noch grössere Formate!

I

80

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Grün Wird im Zusammenhang mit Wein das Wort «grün» ver­ wendet, hat dies nichts mit seiner optischen Erscheinung zu tun. Vielmehr bezieht man sich dabei auf den Reifezustand. Grün ist ein Indiz für Unreife. Werden die Trauben in noch unreifem Zustand geerntet, ist die Säure markanter und die Gerbstoffe sind herber. Ist ein Wein grün, wird er auch mit langer Lagerung nicht wirklich besser.

Hefe Ohne Hefen entsteht kein Wein. Hefen zählen mikrobio­ logisch gesehen zu den Pilzen. Sie sind dafür verantwortlich, dass die alkoholische Gärung einsetzt. Hefen sind bereits im Weinberg vorhanden, sie befinden sich auf den Beeren­ häuten oder können dem Most zusätzlich beigefügt werden. Kellermeister verwenden heute in der Regel Reinzuchthefen, um den Gärverlauf besser steuern zu können. Es gibt eine Vielzahl verschiedenster Hefekulturen, von denen einige bei geringeren Temperaturen aktiv werden als andere. Sie ­unterscheiden sich durch die vielfältigsten Eigenschaften ­voneinander und beeinflussen je nach Art den Charakter und den Geschmack des Weins. Bei zahlreichen günstigeren ­Weinen werden ganz bestimmte Hefen eingesetzt, die dem Wein einen auf seine Zielgruppe ausgerichteten Geschmack verleihen. Ich will damit nicht sagen, dass mit dem Wein ­etwas Ähnliches passiert wie mit Coca-Cola (das ja je nach Land etwas anders schmeckt), aber Hefen sind heute bei ­einer Vielzahl von Weinen auch für die Geschmacks­ bildung wichtig geworden. Weingüter, die einen grossen Wert auf Terroir legen, setzen eher auf die Spontangärung – bei ihr kommt einzig die natürlich vorhandene Hefe zum ­Einsatz.

Internationaler Stil Ein Begriff, der in den letzten 20 Jahren sehr populär ge­ worden ist, zumal plötzlich Wein aus aller Welt erhältlich war. Im Zuge der Ausbreitung von internationalen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay oder Sauvignon Blanc und auch ihrer gefälligen, eher expressiven aroma­ tischen Stilistiken, die Vanille-, Röst- und Schokoladearomen beinhalten können sowie in der Regel einen hohen Alkoholgehalt, entstand der Begriff «internationaler Stil». Er bezog sich weniger auf die Herkunft eines Weins als wirklich seinen Geschmack, der wie ein Passepartout überall gut ­ankam.

An internationalen Weinwettbewerben gewinnen oftmals Weine mit «internationalem Stil» höhere Auszeichnungen, da sie wiedererkennbar sind und man sie gut untereinander vergleichen kann. Inzwischen ist der Trend nach solchen ­Weinen wieder etwas am Retourgehen, aber sie sind nach wie vor überall anzutreffen.

K Kalorien Als passionierter Weingeniesser will man das vielleicht nicht wissen, denn sobald von Kalorien die Rede ist, kann die ­Sünde nicht mehr weit weg sein. Wie dem auch sei: Wer abnehmen möchte, sollte auf Wein verzichten, denn ein Gramm Alkohol besitzt einen Brennwert von 7 Kalorien. 10 Prozent Alkohol in einem Liter Wein haben einen Nährwert von 560 Kalorien. Zusätzlich ist der Nährwert des Wein­e xtraktes bei einem trockenen Wein mit etwa 100 Kalorien pro Liter in Rechnung zu stellen. Ein Liter trockener Wein mit durchschnittlich 10 Prozent Alkohol enthält also rund 660 Kalorien. Zum Vergleich: Ein Gramm Fett hat 9 Kalorien, ein Gramm Eiweiss oder Kohlenhydrate je 4 Kalorien. Ein grosses Bier (5 dl) enthält 250 Kalorien und ein Whisky von 4 cl etwa 100 Kalorien. Mit knapp 700 Kalorien pro Liter (Rotwein und Dessertwein haben sogar noch etwas mehr) enthält Wein also relativ ­viele Kalorien. Dies ist vor allem auf den Alkohol- und Restzuckergehalt (Anteil unvergorenen Zuckers im fertigen Wein) zurückzuführen. Je höher die beiden sind, desto mehr Kalo­r ien hat es im Glas. Wer Gewicht verlieren möchte, sollte den Alkohol weglassen und auf kalorienfreie Getränke wie Mineralwasser (ohne Kohlensäure) oder ungesüssten Tee umsteigen. Trinkt man an einem Abend ungehemmt Wein, hat man schnell einmal 1000 Kalorien zu sich genommen. Süsswein hat am meisten Restzucker – und damit am ­meisten Kalorien. Durchschnittswerte: ▸ 2 dl Schaumwein: ca. 162 Kcal ▸ 2 dl Weisswein: ca. 140 Kcal ▸ 2 dl Rotwein: ca. 134 Kcal ▸ 2 dl schwerer Rotwein: ca. 160 Kcal ▸ 3 dl Bier: ca. 129 Kcal

L Lagerwein Nicht alle Weine haben das Potenzial, die Struktur oder den Charakter, um sie zu lagern. Meist sind sehr günstige Weine keine Lagerweine – im Gegenteil. Die Zahl der trinkreifen, jung zu geniessenden Weine aus aller Welt hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Ein Lagerwein kostet meist etwas mehr und hat auch mehr Struktur (Gerbstoffe). Es gibt Traubensorten, die prädestiniert dafür sind, Lagerweine hervorzubringen. So etwa Nebbiolo (Barolo, Barba­ resco), Sangiovese (Chianti Classico), Cabernet Sauvignon (Bor­deaux), Syrah (Hermitage), Pinot Noir (Burgunder), Chardon­nay (Burgunder) oder Riesling. Nur durch Verkosten und ­Vergleichen findet man heraus, wann der Wein seinen Genusshöhepunkt erreicht hat.

M Méthode Traditionnelle «Méthode Traditionnelle» heisst so viel wie traditionelle Flaschen­gärung und bezeichnet das traditionelle Herstel­lungs­­ ver­f ahren für Schaumweine, insbesondere Cham­pagner. In der verschlossenen Flasche findet eine zweite Gärung statt, dank der auch die Mousse in den Wein kommt. Nur Weine aus der Champagne dürfen den Begriff «Méthode Champenoise» verwenden, alle anderen Regionen müssen auf dem Etikett «Méthode Traditionnelle» verwenden. Meist sind nach dieser Methode vinifizierte Weine komplexer und länger lagerbar als Schaumweine, denen das CO₂ direkt zugefügt w ­ orden ist (Kohlensäure) oder die aus dem Autoklav stammen. Crémant, Champagner, Cava, Franciacorta und noch viele andere Schaumweine wenden die traditionelle Flaschengärung an. Sie kann – muss aber nicht – Jahre bis Jahrzehnte dauern.

N Non-Filtré Das bedeutet so viel wie unfiltriert. In der Schweiz ist der Non-Filtré eine Chasselas-Spezialität aus Neuenburg, deren Ursprung im Jahr 1974 liegt. Damals mangelte es im Kanton infolge einer kleinen Ernte an Weisswein. Auf Drängen der «durstigen» Kunden füllte eine Kellerei einen Teil des neuen Weins unfiltriert ab. Dieser trübe Wein kam so gut an, dass der Non-Filtré inzwischen 10 Prozent der ganzen Produktion des Kantons Neuenburg ausmacht. Er wird jedes Jahr am dritten Mittwoch im Januar vorgestellt. Ein Neuenburger NonFiltré besteht aus 100 Prozent Chasselas. Die Hefen werden nach der Gärung im Wein belassen und verleihen ihm einen ganz typischen Charakter.

Weinseller-Lexikon – Teil 3

81


Das Weinglas

Ein grosses Glas für Gerbstoffe Gläser sind wichtige Partner des Weins. Und nicht jedes Glas passt zu jedem Wein. Tanninreiche Weine, wie etwa ein Cabernet Sauvignon, benötigen ein grösseres Glas, da sie sonst nicht sonderlich gut zur Geltung kommen.

Die positive Entfaltung des

Wir nehmen im Wein aromatische

Es bedarf besonderer Formen, um die

Weinaromas ist stark von der Glas-

Eigenschaften wie fruchtig, blumig,

intensive Frucht der Weine, die aus

grösse abhängig. Je mehr die

erdig, animalisch, süss, sauer, bitter,

den dunklen, reifen Trauben wie etwa

Oberfläche des Weines mit Sauer-

salzig, alkoholreich, tanninreich,

Cabernet Sauvignon gekeltert wer-

stoff in Berührung kommt,

reif oder unreif wahr, um nur gerade

den, am Gaumen so vollkommen wie

desto besser ist die Entfaltung

ein paar zu nennen.

seines Bouquets.

möglich zu erleben. Das richtige Glas ­erlaubt es, die jungen, dichten,

Je nach Traubensorte schmeckt der Wein ­anders und zeigt auch eine ganz andere ­Struktur auf.

alkoholreichen Weine mit beträcht­lichem Tannin genussvoll wahrzunehmen und schlussendlich auch zu trinken.

Cabernet /  Merlot-Glas Riedel Veritas Weine mit viel Gerbstoffen (Tanninen) benötigen ein grösseres Glas, damit sich der Wein darin richtig entfalten kann. Dieses Glas passt perfekt zu roten Bordeauxweinen (Graves rouge, Listrac, Margaux, Médoc, Merlot, Moulis, Pauillac, rotem Pessac Leognan, Pomerol, St.-Emilion, St.-Estèphe und St.-Julien), Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon aber auch Sangiovese (ChiantiWeine) und Merlot. Abbildung in Originalgrösse: Höhe: 235 mm, Durchmesser 95 mm, Volumen 625 ml www.riedel.com

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