Das Magazin 1/2014

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DAS MAGAZIN Ausgabe 1| 2014

KASCHMIR

Hunger kann nur bek채mpfen, wer in Frieden lebt SEITE 12 PHILIPPINEN

Schnelle Hilfe nach Taifun Haiyan SEITE 6 RUN 4 WASH

F체r sauberes Wasser starten SEITE 19


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Inhalt

Editorial Aktuell 4

Kochkurs im Tropenwald Im Millenniumsdorf Kanat Toch in Kambodscha muss niemand mehr hungern

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Der Taifun nahm vielen alles Nothilfeteam der Welthungerhilfe nach Sturm auf den Philippinen im Einsatz

Aktionen & Kooperationen 17 Spontan und kreativ: Hilfe für die Philippinen Schulen, Unternehmen und Künstler leisteten einen großen Beitrag 18 Philanthropie plus X: Mit Weitsicht helfen Fragen rund um das Thema Stiften an Marc Herbeck 19 Run 4 WASH – für sauberes Wasser starten Welthungerhilfe und Viva con Agua rufen zum großen Lauf auf 20 „Change“ – Ein Song für die Welthungerhilfe Karin Köster textete einen Song, dessen Erlös sie spendet 20 „Party in a Box“ feiert Premiere Das berufliche Gymnasium in Gaußig feierte einer rauschende Party und spendete den Erlös

9 Anders als geplant – trotzdem erfolgreich Architekt Daniel R. Becker berichtet über das fertiggestellte Gemeindezentrum in Nepal

Förderpartner 10 Handwerkszeug für ein selbstbestimmtes Leben Die Bauern von Korak sind einen Riesenschritt vorangekommen

Titelthema: Kaschmir

21 Essen gegen den Hunger anderer tischefrei.de spendet 5.000 Euro 21 Atlas Copco: 40.000 Euro für Schulen in Malawi Mit den Spenden werden Trinkwasserstellen und Toiletten an Schulen finanziert 22 Globales Lernen begeistert junge Menschen Die Welthungerhilfe macht sich stark, das Bewusstsein junger Menschen für weltweite Entwicklungszusammenarbeit zu fördern

12 Hunger kann nur bekämpfen, wer in Frieden lebt 16 Porträt: Lernen, die Angst zu verlernen

24 Entwicklung auf dem Land voranbringen Die Erbacher Stiftung feiert ihr 25-jähriges Bestehen 26 Blitzlichter 28 Die Anliegen der Frauen im Blick haben Susana Zschocke berichtet von ihrem Praktikum in Ruanda

Panorama 30 Myanmar-DVD 30 Preis für Manfred Sestendrup

Titelfoto: Afroza ist Schatz­meisterin der Selbst­hilfegruppe Nergis. Hier erfährt sie auch Wichtiges über die Ziegenzucht.

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30 Die Grüne Woche 31 Tirol Cross Mountain 31 Schülerflyer


Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser, als im vergangenen November Wirbelsturm Haiyan ganze Landstriche auf den Philippinen verwüstete, zeichnete sich schnell ab, dass die Welthungerhilfe hier gefragt sein würde. Unsere entsandten Kollegen des Nothilfe-Teams trafen schon in den ersten Tagen nach der Katastrophe zum Hilfseinsatz im zerstörten Gebiet ein. Lesen Sie in dieser Ausgabe, welchen Herausforderungen sie dort begegneten (S. 6). Unser Dank gilt allen, die spontan für die Opfer des Taifuns spendeten oder sich mit Aktionen für die Menschen auf den Philippinen engagierten (S. 17). In unserer Titelgeschichte lesen Sie diesmal, wie die Welthungerhilfe und ihre indische Partnerorganisation Familien in Kaschmir beistehen (S. 10). Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen Indien und Pakistan verursacht in Kaschmir nicht nur dramatische wirtschaftliche, sondern auch psychologische Schäden. So verleihen Selbsthilfekurse Frauen und vor allem Jugendlichen wieder Mut, für ihre Rechte und ihre Eigenständigkeit einzutreten – beispielsweise aus kleinen Krediten eine Existenz aufzubauen. Sie lernen, einander zu vertrauen und einen Weg der Versöhnung einzuschlagen. An ein friedliches Miteinander ist derzeit in Syrien nicht zu denken, und so steigt die Zahl der Flüchtlinge noch immer. Unsere Hilfe ist gerade in den harten Wintermonaten mit Schnee und Eiseskälte dringend gefragt. Wir verteilten Decken, Lebensmittel und Matratzen. Unser lokaler Kollege Juma Moussa berichtet in bewegenden Worten und Bildern, was dies für eine Familie in Manbij bedeutete (S. 27). Herzlich Ihr

Dr. Wolfgang Jamann Generalsekretär Vorstandsvorsitzender

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Aktuell: Kambodscha

Kochkurs im Tropenwald Hungern muss im Millenniumsdorf Kanat Toch niemand mehr. Dank frischem Trinkwasser, nährstoffreichem Speiseplan und einer alternativen Reisanbaumethode haben sich die Lebensbedingungen in den letzten Jahren deutlich gebessert. Nun aber bedrohen Kautschukfirmen die erfolgreiche Projektarbeit, indem sie das Land rauben und den Wald verwüsten. Erst nach stundenlanger Fahrt über holprige rote Lehmstraßen erreicht man Kanat Toch, eines der ersten Millenniumsdörfer der Welthungerhilfe. Die Betonung liegt auf Toch, also klein, denn es gibt auch das große Dorf Kanat-Tom. Beide bilden mit weiteren achtundzwanzig Siedlungen das Projekt-

Gemüse und Wald­ früchte – das macht nicht nur satt, sondern auch gesund. Foto unten: Jetzt gibt es sauberes Wasser mitten im Dorf.

gebiet in der Provinz Ratanakiri. Hier im Nordosten Kambodschas, nahe der Grenze zu Vietnam, leben hauptsächlich Menschen mehrerer indigener Völker. Eine Minderheit im Land, deren Rechte seit 2001 per Gesetz festgeschrieben sind – aber wie so oft nur auf dem Papier. Sauberes Wasser für alle Rund um einen zentralen Platz sind die Holzhäuser von Klein-Kanat angeordnet, ihre Bauart auf hohen Stelzen ist typisch für die an Überschwemmungen gewöhnten Kambodschaner. In der Mitte des Dorfplatzes blitzt ein Brunnen mit großer Pumpe, einer von mittlerweile über fünfzig in der Region, die seit Projektbeginn 2005 gebaut wurden. Mit beiden Händen betätigt eine junge Frau die Pumpe, und zwanzig Meter weiter schießt das frische Nass aus einem Betonzylinder mit zwei Wasserhähnen. „Früher haben wir das Wasser in Krügen aus dem nahen Fluss geholt, der aber in der Trockenzeit nur wenig bis gar kein Wasser führt“, erklärt der 58-jährige Sao Cheng.

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Er ist hier aufgewachsen. Von seinen vier Kindern lebt nur noch eins, die anderen sind an Malaria und Durchfällen gestorben. „Das Wasser haben wir gesammelt, wenn es welches gab, und es aufbewahrt, bis es klar war, um es zu kochen und zu trinken.“ Cheng ist so etwas wie der Hausmeister der Gemeinschaft. Er kümmert sich um kleine Reparaturen im Dorf und betreut den reibungslosen Betrieb der Pumpe. „Sie funktioniert gut, seit Jahren gab es keine größeren Probleme“, sagt er stolz. „Nur die Dichtung muss jährlich erneuert werden. Ich benutze dazu nicht das Gummi vom Markt, sondern von Schuhsohlen, das viel besser geeignet ist.“ Die beiden kambodschanischen Projektleiter der Welthungerhilfe und ihre Kollegen von der lokalen Partnerorganisation CEDAC sind im Dorf gern gesehen. Gemeinsam bespricht man einmal im Jahr intensiv den Stand und die weiteren Schritte der Projektarbeit. Sechs Zutaten verändern alles So schnell wie der Brunnen von den Bewohnern auch angenommen wurde, bei weiteren Neuerungen zog es sich doch gemächlicher dahin: Bei der Ernährung und den Anbaumethoden galt es, behutsam gewohnte Muster zu ändern und auch vergessenes traditionelles Wissen neu zu beleben. In regelmäßigen Kochkursen lernen Frauengruppen einfache Konservierungstechniken für Kohl, Bambussprossen und Chilis sowie, Mahlzeiten nährstoffreicher zu gestalten. Im Kursraum der Welthungerhilfe und CEDAC hängen Rollbanner, auf denen jeder Arbeitsschritt in Bildern erklärt wird. Auch für den Reisanbau gibt es Illustrationen: Statt vieler Samen in einem Loch und Flutung der Felder gilt es nach der


Aktuell: Kambodscha

heute von Sicherheitskräften bewachte Monokulturen bis hin zum Horizont. „Welchen Sinn macht unsere erfolgreiche Projektarbeit noch, wenn kein Raum mehr dafür gelassen wird?“, fragt sich Christina Warning, Regionaldirektorin der Welthungerhilfe. Doch so schnell geben sie und ihr Team nicht auf. Zusammen mit anderen Naturschutz- und Menschenrechtsorganisationen sowie den Dorfbewohnern kämpfen sie juristisch um die Anerkennung und den Schutz des Projektgebietes als Gemeinschaftsland. neuen Methode, nur ein bis zwei Setzlinge gezielt in klarer Anordnung zu pflanzen und nur wenig zu bewässern. Das „System zur Intensivierung des Reisanbaus“ hat sich in vielen Ländern bewährt, es führt zu deutlich größeren Pflanzen und mindestens einer Verdoppelung der Erträge. Und dies ganz ohne Einsatz von Pestiziden, künstlichem Dünger oder Gentechnik. Allerdings verlangt diese Methode mehr Handarbeit und regelmäßige Pflege. CEDAC-Programmdirektor Sam Vitou ist froh über den Erfolg. Zu bedenken gibt er aber: „Die übliche Reisernährung ist zu einseitig auf Kohlenhydrate ausgerichtet, wir werben daher für eine nährstoffreiche Abwechslung mit mindestens sechs Zutaten, insbesondere mehr Gemüse und Waldfrüchte.“ Gummibäume gegen Menschenrechte Doch den Wald gibt es zu großen Teilen schon nicht mehr. Seit ein paar Jahren pflegen große Kautschukfirmen aus Kambodscha, Vietnam und China ihre korrupten Beziehungen zur autoritären Regierungspartei und nutzen die nicht geklärten Landrechtsfragen aus. Sie pachten im großen Stil das fruchtbare Land, roden den Tropenwald und pflanzen Kautschukbäume. Wo sich vor kurzem noch ein artenreiches und für die animistische Religion der Dorfbewohner mystisches Refugium befand, ziehen sich

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Werden auch sie ihr Land verlieren? Auf Karten ist der Bestand an Wald und Feldern festgehalten. Foto links: Größere Pflanzen und mehr Ertrag, das bietet die neue Reisanbau­ methode.

Länderinformation

Hintergrund Kambodscha In der parlamentarischen Wahlmonarchie Kambodscha, halb so groß wie Deutschland, leben rund 14 Millionen Menschen – rund ein Drittel von ihnen unterhalb der Armutsgrenze. Steigende Preise für Grundnahrungsmittel machen es einem zunehmenden Teil der Bevölkerung immer schwerer, sich ausreichend zu ernähren. In der Provinz Ratanakiri weisen durchschnittlich 50 Prozent der Kinder Anzeichen von chronischer und akuter Unterernährung auf, über die Hälfte von ihnen ist untergewichtig und für ihr Alter zu klein. Landkonzessionen an ausländische LAOS Investoren rauben den Bauernfamilien ihre Anbauflächen und damit ihre Pazifischer Lebensgrundlage. Mehr als die Hälfte Ozean der landwirtschaftlich nutzbaren FläTHAILAND che wurde in den letzten zehn Jahren an ausländische Firmen zur Nutzung Kambodscha verpachtet. Phnom Penh

VIETNAM

Indischer Ozean

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Aktuell: Philippinen

Der Taifun nahm vielen alles Schon viele Stürme haben die Philippiner erlebt, aber nicht einmal die Ältesten unter ihnen können sich an eine solche Naturgewalt wie am 8. November 2013 erinnern. Taifun Haiyan verwüstete ganze Landstriche, mehr als 6.100 Menschen verloren ihr Leben, über vier Millionen ihr Heim. Umgehend entsendete die Welthungerhilfe drei Mitglieder ihres Nothilfeteams. Sie verteilen Werkzeug und Materialien, damit die Menschen wieder ein Dach über dem Kopf haben, und sorgen für sauberes Trinkwasser. Jürgen Mika steht verschwitzt vor dem kleinen Moped mit Kickstarter und schaut skeptisch. Der junge Philippiner lächelt ihm aufmunternd zu: „Come on!“. Jürgen Mika schaut ihn an – und steigt auf. Eng hintereinander geklemmt brettern sie über die Insel Gigantes, ein kleines Eiland, das zu den Philippinen gehört.

Im November jagte hier der Taifun Haiyan über die Insel, zerstörte die meisten Häuser und Felder. Jürgen Mika ist mit dem Nothilfeteam der Welthungerhilfe vor Ort, um die schlimmste Not zu lindern. Planen, Decken, Trinkwasser, Werkzeug – die Welthungerhilfe hat gut geplant, was die Menschen in diesem Stadium nach der Katastrophe am dringends-

Auf riesigen Arealen sind die Felder über­ schwemmt. Elisabeth Biber und ihre lokale Kollegin prüfen die Verteilungs­ liste für Hilfsgüter.

ten brauchen. Absprachen mit Regierungsstellen und anderen Hilfsorganisationen gehören dazu. In 48 Stunden vor Ort Wenn Jürgen Mika angerufen wird, dann muss es in der Regel schnell gehen – sehr schnell. „Wir versuchen, im Katastrophenfall innerhalb von 48 Stunden mit dem ersten Team vor Ort zu sein“, erklärt Andrea Padberg, die in der Bonner Zentrale der Welthungerhilfe das Nothilfeteam koordiniert, „meist klappt es auch, wir sind erfahren und haben Routine“. Für die fünf Mitglieder des Teams bedeutet das: ständige Bereitschaft, kein ausgeschaltetes Handy – der Koffer ist immer halb gepackt. Das Moped knattert durch die engen Dorfstraßen der Insel. Jürgen Mika hält sich an seinem Fahrer fest. Die Arbeit im Katastrophengebiet hat manchmal

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Aktuell: Philippinen

Die einfachen Häuser hielten dem Taifun nicht stand.

auch etwas Abenteuerliches. „Wir müssen flexibel sein und können oft wenig vorausplanen“, erzählt Mika. „Wir müssen mit dem klarkommen, was wir antreffen.“ Zum Beispiel ein Moped, dessen Haltbarkeitsdatum lange überschritten scheint. Während der Fahrt sieht Jürgen Mika winkende Kinder, Menschen, die versuchen ihren Alltag neu zu organisieren. Und drum herum? Zerstörung, Leid, Elend. Wie soll es hier weitergehen? Der 44-Jährige bleibt ruhig: „Eins nach dem anderen...“ Der Anfang ist gemacht Gut hundert Kilometer weiter östlich sitzt Birgit Zeitler in einer alten Sporthalle, die zu einer Schule gehört. Das Dach hat ein paar Löcher, ist aber im Großen und Ganzen heil geblieben. In diesem Dorf, eine Stunde von der Stadt Roxas entfernt, verteilt die Welthungerhilfe so genannte „Family-Kits“. Es sind Plastikboxen mit Werkzeug – ein Hammer, eine Zange, Nägel, Seile, eine Plane als provisorischer Dachersatz. Birgit Zeitler ist wie Jürgen Mika ein Nothilfe-Profi. Unzählige Einsätze in allen Krisengebieten der Welt hat sie hinter sich. Stumpft man irgendwann ab? „Ganz und gar nicht“, sagt die Leimenerin, „nicht, wenn es um Menschen geht.“ In zwanzig Minuten soll die Verteilung der Hilfsgüter beginnen. Vor dem Absperrband am Schuleingang warten Frauen und Männer geduldig. Es sind Hunderte, und die Werkzeugkisten werden sicher nicht für alle reichen. Das Nothilfeteam der Welthungerhilfe hat mit den lokalen Behörden zusammen Listen erstellt. Familien, die am härtesten betroffen sind, werden zuerst bedacht. Danach werden sie dann anderen helfen. „Das ist gerade in dieser Region gar

kein Problem“, erzählt Birgit Zeitler, „die Menschen sind es gewohnt, zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen.“ Birgit Zeitler bleibt gelassen. Die 48-Jährige hat schon Dutzende solcher Verteilungen organisiert. Ganz anders Elisabeth Biber. Die junge Österreicherin ist erst seit knapp zwei Jahren bei der Welthungerhilfe, und das hier ist ihr erster Einsatz mit dem Nothilfeteam. Biber läuft zwischen dem LKW, von dem gerade die Boxen abgeladen werden, und den Schreibtischen

Länderinformation

Hintergrund Philippinen Die Republik der Philippinen besteht aus über 7.100 Inseln und wird immer wieder von tropischen Wirbelstürmen getroffen oder von Erdbeben erschüttert. Von schätzungsweise 105 Millionen Menschen leben trotz des allmählichen wirtschaftlichen Aufschwungs 26 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Gerade die ländlichen Regionen sind besonders betroffen, da der landwirtschaftliche Sektor nur geringe Erträge erwirtschaftet. Haiyan gilt als der stärkste jemals gemessene Taifun und zog eine 100 Kilometer breite Schneise der VerwüsVIETNAM tung über die Inseln.

TAIWAN Pazifischer Ozean

Manila

Philippinen

MALAYSIA INDONESIEN

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Aktuell: Philippinen

sehr viel mehr brauchen als eine Kiste mit Werkzeug, aber ein Anfang ist gemacht. Unterdessen ist in Gigantes das Moped kurz davor, den Geist aufzugeben. Mit letzter Kraft quält sich das Zweirad einen steilen Hügel hinauf. Das Ziel ist ein kleiner Brunnen, die einzige Trinkwasserversorgung der Insel. Bis jetzt, denn das Nothilfeteam hat sechs neuartige Trinkwasserfilter mit auf die Insel gebracht. Mit den blauen Plastikbehältern, die den Namen „PAUL“ tragen, können die Bewohner mehrere Monate lang täglich über 600 Liter Wasser filtern. Eine erfüllende Arbeit Auch hier nutzt das Team ein Schulgebäude für seinen Einsatz. Interessiert drängen sich die Inselbewohner in dem vom Taifun verschonten Gebäudeteil zusammen. Eine lokale Mitarbeiterin der Welthungerhilfe erläutert, wie die Filter funktionieren. Etwa 2.520 Menschen erhalten auf diese Weise jeden Tag sauberes Trinkwasser und können Krankheiten durch Schmutzwasser vermeiden. Jürgen Mika erklärt: „Wir haben unseren Einsatzort bewusst hier in dieser abgelegenen Gegend gewählt. Die Familien sind so dankbar, dass sie nicht vergessen werden.“

Auf der Liste stehen Familien, die Werkzeug und Planen am drin­ gendsten benötigen. Foto oben: Die Kiste mit Werkzeugen ermöglicht es den Familien, ihre Häuser wieder aufzubauen.

hin und her. An den Tischen sitzen junge Männer und Frauen, Philippiner, die sich als Freiwillige für die Verteilung gemeldet haben. Elisabeth Biber ist nervös. „Ich habe letzte Nacht kein Auge zugetan“, erklärt sie, „hoffentlich klappt das alles.“ Die Welthungerhilfe ist eine Entwicklungsorganisation mit langfristigen Projekten. Doch Not- und Katastrophenhilfe gehören auch dazu. Das Nothilfeteam gibt es jetzt schon seit elf Jahren. Schnelligkeit und Effizienz sind seine wichtigsten Eigenschaften. Dass in Katastrophengebieten dann auch schon mal Dinge schief laufen, versteht sich von selbst. Aber nicht heute. Elisabeth Biber hat einen guten Job gemacht, alle sind vorbereitet, die Listen stimmen. Das Absperrband am Eingang wird gelöst und die Menschen gehen ruhig, aber zielstrebig zu den Tischen. Ein kurzes Gespräch, eine Unterschrift auf der Liste und dann ziehen sie mit ihrer WerkzeugKiste und der Plane davon. Serena Ramos ist eine von ihnen. Was bedeutet diese Hilfe für sie? „Damit werden wir unser Haus wieder aufbauen“, sagt die junge Frau, „alles, was wir einmal an Werkzeug hatten, wurde vom Taifun weggeschwemmt.“ Ihr Haus liegt 400 Meter weiter – besser gesagt die Stelle, an der ihr Haus früher gestanden hat. Hier wird es noch

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Jürgen Mika sieht in seinem Job eine große Verantwortung: „Wer der Welthungerhilfe seine Spenden anvertraut, der will auch sicher sein, dass das Geld am richtigen Ort eingesetzt wird. Und dafür sorgen wir, von Anfang an.“ Auch wenn er bei seiner Arbeit oft mit Leid und Elend konfrontiert wird, die Motivation und das Bewusstsein, hier wirklich helfen zu können, überwiegen. In der Sporthalle bei Roxas sind die letzten Werkzeugkisten verteilt. Elisabeth Biber atmet durch. Offensichtlich hat alles geklappt – keine Reibereien unter den Wartenden, die Freiwilligen haben alle Listen abgearbeitet. Für die junge Mitarbeiterin der Welthungerhilfe eine ganz besondere Erfahrung. „Ich glaube, heute Nacht werde ich wieder schlafen können“, sagt sie erleichtert. Nothilfe ist oft ein harter Job, aber auch eine sehr erfüllende Arbeit. Hilfe, die schnell, direkt und unmittelbar bei den Menschen ankommt. Das Nothilfeteam der Welthungerhilfe hofft immer, so selten wie möglich ausrücken zu müssen – aber im Falle eines Falles sind die Mitarbeiter bestens vorbereitet. Auf den Philippinen stehen nun neue Aufgaben an: Häuser und Schulen werden repariert und einfache Häuser neu gebaut. Eine Fachwerkkonstruktion wird dafür sorgen, dass die Bambushäuser künftig Stürmen besser standhalten.


Aktuell: Nepal

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Anders als geplant – trotzdem erfolgreich „Und wenn es dann doch nicht ganz so geworden ist wie geplant, ist auch das Teil eines partizipatorischen Prozesses.“ So lauteten Mitte letzten Jahres die abschließenden Worte des Artikels über das neue Gemeinschaftszentrum im nepalesischen Millenniumsdorf Korak. Nun ist es fertig, und von seinen Eindrücken berichtet Architekt Daniel R. Becker: Im letzten Winter war ich nach Korak gereist, um mit einer nepalesischen Kollegin ein Pilotprojekt zu starten: die Planung eines Gemeinschaftszentrums mit allen Beteiligten. Wir führten Interviews mit den Anwohnern, machten Bestands- und Materialanalysen, beobachteten die Korakis bei täglichen Arbeiten, wohnten unter ihren Dächern und aßen täglich mit ihnen das traditionelle nepalesische Essen Linsen und Reis. Nach drei Monaten verließ ich Korak mit ausführlichen Bauplänen, einer Kostenkalkulation sowie der Versicherung der Ingenieure von der lokalen Partnerorganisation Rural Reconstruction Nepal (RRN), für die Umsetzung Sorge zu tragen. Zwei Tage nach meiner Ausreise erhielt ich zwei Fotos. Zu sehen waren 30 Personen, die Steine und Baumaterialien herbeischaffen und die Fundamentgräben ausheben. Bei den Kleinsten beginnen Im Winter reiste ich für ein weiteres Pilotprojekt nach Korak: die Entwicklung von zwei „Grünen Schulen“. Zusammen mit den Friends of Nature Nepal arbeiten wir an Konzepten, um die Kinder in einer Grundschule und einer Gesamtschule stärker für ihre natürliche Umgebung zu sensibilisieren. Durch sogenannte junge „Green Leaders“, NaturClubs, Unterricht in den Wäldern, Gestaltung von Außenanlagen, Naturführungen und Lehrerfortbildungen werden die Schülerinnen und Schüler an die Themen herangeführt.

Bei dieser Gelegenheit fand ich das Community Centre im letzten Bauabschnitt vor. Es war tatsächlich „nicht ganz so geworden wie geplant“. Ein ungeplantes drittes Gebäude ist hinzugekommen, mein Entwurf wurde um 90 Grad gedreht und die Dächer sind aus blauem Wellblech. Ein Schock zunächst, und dann kam der Stolz. In fünf Monaten, trotz drei Monaten Regenzeit, hat die Gemeinschaft von Korak ihr Zentrum errichtet. Alle Arbeiten wurden von den Farmern und Farmerinnen selbst verrichtet – so bleibt das gespendete Geld für Arbeitskosten nun übrig für andere notwendige Dinge. Im Zentrum werden nicht nur Kurse für Organische Landwirtschaft, Bienenzucht und Businessplan­ erstellung stattfinden, sondern es wird auch als Kranken- und Entbindungsstation dienen, als Ort für Gemeinschaftstreffen und zum Lagern der genossenschaftlich erworbenen Saatgüter. Ein voller Erfolg! Das Zentrum, ebenso wie die Grünen Schulen, ist Teil eines ganzheitlichen Ansatzes in Korak. Auch landwirtschaftliche Schulungen und Ausbildungsprogramme für junge „Ökopreneure“ stärken die Menschen in der Region. Integrierte, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft soll gesunde Ernährung, Anpassung an den Klimawandel, Biodiversitätsschutz, ausreichend Energie und ein sicheres Einkommen gewährleisten. (Lesen Sie mehr über das Projekt in Korak ab Seite 10.)

Foto links: Daniel R. Becker und seine Kollegen beziehen auch die Kinder bei der Projektplanung ein. Das neue Gemein­ schaftszentrum haben die Familien von Korak selbst errichtet.

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Förderpartner

Handwerkszeug für ein selbstbestimmtes Leben Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Hälfte der Kinder leidet an Mangelernährung. Für weniger als ein Drittel der Bevölkerung gibt es eine sichergestellte Sanitärversorgung, und 3,5 Millionen Menschen leben ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bei ihrem Besuch im Millenniumsdorf Korak im vergangenen Oktober hat Welthungerhilfe-Mitarbeiterin Nora Korthals all dies selbst erfahren.

Foto S. 11: Früher sicherte Wurzelgemü­ se aus dem Wald das Überleben zwischen den Ernten. Heute gibt es das ganze Jahr über Gemüse. Foto rechts: Die neuen Latrinen waren erst ungewohnt, wurden aber dann schnell akzeptiert. Die Bauern laufen weite Strecken zu ihren Feldern.

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Bei meiner Ankunft zieht mich das Land sofort in seinen Bann. Selten habe ich mich in der Fremde so sicher, so willkommen und akzeptiert gefühlt. Ich begleite sieben ehrenamtliche Unterstützer des Vereins Viva con Agua. Sie nutzen ihre Freizeit, um Spendenaktionen wie Konzerte oder Events zu organisieren. Nun investieren sie zusätzlich Urlaub und Erspartes, um sich von den Ergebnissen ihres Einsatzes direkt vor Ort zu überzeugen. Beeindruckend. Ganzheitliche Lösungen finden In Nepal unterstützt Viva con Agua das WASHProjekt (Wasser, Sanitär und Hygiene) der Welthungerhilfe in Korak, einer abgelegenen Bergregion im Süden des Landes. Hier vermitteln Hygieneschulungen, wie man schwere Durchfallerkrankungen vermeiden kann. Gemeinsam mit den Bewohnern werden Toiletten errichtet, ebenso eine Trinkwasserversorgung und auch Bewässerungskanäle für die Felder. Aber auch landwirtschaftliche Schulungen und Weiterbildungen stärken die Menschen in der Region – es ist ein ganzheitlicher Ansatz.

Als es hieß, wir besuchen das Millenniumsdorf, stellte ich mir eben ein Dorf vor. Vielleicht eine Schule, ein Dorfplatz mit Brunnen, ein Gemeindehaus als Zentrum und dann einige Häuser darum. In Korak erwartet mich jedoch etwas völlig anderes. Streusiedlungen, in denen die Häuser einzeln oder zu zweit über kilometerweite Hügelketten verteilt sind. Selbst die Schule steht allein, sodass die Kinder teilweise bis zu zwei Stunden zu Fuß über die unwegsamen Hügelketten laufen müssen. Ich erlebe selbst, was die Arbeit der Kollegen hier ausmacht: Stundenlange Wanderungen sind nötig, um die Menschen zu erreichen, die unsere Hilfe benötigen. Wir passieren Familien, die im Einklang mit der Natur leben, ihre Nahrungsmittel nur biologisch und saisonal anbauen. Ein Traum, könnte man denken. Mit Romantikidylle hat all das jedoch wenig gemein, es ist gelebte Armut. Schlechte Hygienebedingungen, mangelnde medizinische Versorgung, beschwerliche Wege, kaum sauberes Trinkwasser und selten ausreichend Nahrung. Es gibt keinen Strom


Förderpartner

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und keine Möglichkeit, Einkommen zu erwirtschaften. Wir gelangen nach Siddhi, wo die Arbeit der Welthungerhilfe erst begonnen hat. Früher, so berichten die Bauernfamilien, habe die Reis- und Gemüseernte nur sechs Monate ausgereicht. Den Rest des Jahres ernährten sie sich von Wurzeln und Pilzen aus dem Wald. Seit Projektbeginn hat sich die Situation stark verbessert. Gerade blühen die Bohnen, und auf den Feldern entdecken wir viele verschiedene Gemüsesorten. Ein Riesenschritt zu neuen Ufern Am nächsten Tag erreichen wir Korak und sehen, was die Kollegen hier schon mit den Bewohnern erreicht haben. Blühende Felder, eine Straße, die eine Anbindung an die Märkte in der Umgebung ermöglicht, neue Toiletten sowie Bewässerungslösungen für die Felder. Eine Bauernkooperative hat sich gegründet, die überschüssige Erzeugnisse mit einem gemeinsam finanzierten Auto zum Markt transportiert. Die Menschen sind in Bewegung. Seit 2011 leitet Philippe Dresrüsse die Projekte in Nepal. Schon damals glaubte er fest an das große landwirtschaftliche Potenzial der Region. Es fehle den Menschen lediglich an Wissen, wie sie ihre Ernten steigern, verarbeiten und gewinnbringend vermarkten können. Drei Jahre später berichtet er: „Heute treffen sich die örtlichen Farmer mit den Hoteliers des nahegelegenen Nationalparks, um das Marketing der biologischen Erzeugnisse zu besprechen. Ein Riesenschritt!“ Innovative Ansätze und ganzheitliche Projektarbeit zeigen, was mit guten lokalen Partnern und bei überschaubarem Budget alles möglich ist. Immer wieder treffe ich auf beeindruckende Menschen. Wie den Ingenieur Rabindra Tamang. Stolz erklärt er uns eine neu errichtete Biotoilette, die durch eine Sickergrube rund 15 Jahre lang ohne Anbindung an ein Abwassersystem betrieben werden kann. Sein Wissen hat er in Schulungen der Welthungerhilfe erworben. Er trägt es weiter an seine Nachbarn. Oder die alte Chepang Frau, die uns eifrig die sechs Schritte des Händewaschens vorführt, die sie von ihrer Enkelin gelernt hat. Also funktioniert der Ansatz, über die Kinder in der Schule ganze Familien zu erreichen, ganz wunderbar. Und da ist der Bauer, der auf seiner Farm Tomaten anbaut und diese mit der Kooperative vertreibt. Er hat einen Wirtschaftsplan erstellt, um seine Ein- und Ausgaben im Blick zu haben und sein Leben und das seiner Kinder zu verbessern. Diese Menschen stehen für unglaubliche Tatkraft und ich bin dankbar dafür, sie kennengelernt zu haben. Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie viel bereits verändert wurde – und dank Ihrer Hilfe werden wir noch viel Geplantes in die Tat umsetzen können.

Förderpartner

Sie machen es möglich! Dank Ihrer regelmäßigen Unterstützung als Förderpartner oder Förderpartnerin können wir Familien wie der von Rabindra Tamang das Handwerkszeug für ein selbstbestimmtes Leben ohne Armut und Hunger geben. Wie in allen Projekten der Welthungerhilfe, wo es darum geht, schnell mit Überlebenshilfe zur Stelle zu sein oder langfristige Perspektiven zu schaffen. Damit die Welt ein Stück gerechter wird. Ich danke Ihnen herzlich dafür.

Service Sie möchten mehr über Förderpartnerschaften erfahren: Nora Korthals Förderpartnerbetreuung 0228/22 88-278 foerderpartner@welthungerhilfe.de

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Rubrik-Thama


Titelthema: Kaschmir

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Hunger kann nur bekämpfen, wer in Frieden lebt Viele Menschen in Kaschmir sind arm und machtlos. Doch ein Projekt der Welthungerhilfe verleiht ihnen eine Stimme – und trägt damit zur Versöhnung in einem Land bei, das seit langem unter Gewalt und Krieg leidet. Afroza Begum ist sauer. „Unsere Kinder sind noch immer hungrig, trotz des Schulessens“, schimpft sie. Ein Raunen geht durch die Gruppe, die Frauen sitzen auf Afrozas grün gemustertem Teppich, sie nicken. Einmal pro Woche steht den rund 450 Schülern im Ort Ziegenfleisch zu. Das hat die Regierung ihren Bürgern versprochen. Doch in Trikobal, einem Dorf nicht weit von der umstrittenen Grenzlinie zwischen Indien und Pakistan, kommt seit Wochen kein Gramm davon an. „Afroza, du musst einen Protestbrief schreiben“, sagt eine der Frauen. Ja, antwortet Afroza, die Schatzmeisterin. Sie kennt ihren Auftrag. Sie weiß, was zu tun ist. Sie weiß: „Das ist unser Recht“. Vor sieben Jahren war das noch anders. Damals haben die Mütter in Trikobal hingenommen, dass die Regierung den Kindern das Schulessen verwehrt. Mehr noch: Viele wussten gar nicht, dass ihnen diese Mahlzeit zusteht. Heute hingegen wissen sich die Mütter zu wehren. Vor sieben Jahren haben sie sich zusammengeschlossen. Sie haben der Gruppe den Namen Nagis gegeben, so heißt auch eine Blume auf ihren Feldern. „Und wie sie wachsen und blühen wir“, sagt Afroza stolz. Stolz, weil sie weiß, dass ihre Nöte heute gehört werden. Dass das Schulamt ihr eine Antwort geben und das Fleisch liefern wird – auch ohne Schmiergeld. Sie, die Frauen von Trikobal, würden sich sonst öffentlich beschweren. 60 solcher Gruppen existieren inzwischen in 50 Dörfern im indischen Teil Kaschmirs. Sie alle liegen in den Distrikten Baramulla und Bandipora und damit im Zentrum des Konflikts um die Region. Hier sind Arbeitslosigkeit, Analphabetentum, Hoffnungslosigkeit und Gewalt extrem hoch, hier liegt die Wirtschaft besonders am Boden, agieren Armee, Polizei und Aufständische brutal und willkürlicher. Hier sind die Menschen am verletzlichsten, ist auch das Misstrauen am größten: Den Nachbarn im Pferdekarren oder im Auto mitzunehmen oder zu sich nach Hause einzuladen, das passiert wegen des Konflikts vielerorts schon lange nicht mehr. An die 600 Männer und Frauen sind in diesen Gruppen organisiert. Auch Gemeinderäte und Jugendliche

sind eingebunden in die Projekte und Kurse, welche die Welthungerhilfe im Rahmen des Programms „Soziale Sicherung im ländlichen Raum“ unterstützt – ein in Kaschmir völlig neues Modell. Im Vordergrund steht die Stärkung der Zivilgesellschaft. „Armut und Hunger können nur bekämpft werden, wenn die Familien in einem sozial sicheren Umfeld und in Frieden leben – und wenn sie ihre Rechte kennen und auch einfordern können“, sagt Yasir Qureshi, Direktor der Indo-Global Social Service Society, kurz: IGSSS, der Partnerorganisation der Welthungerhilfe. Es ist ein neuer Fokus der Armutsbekämpfung, den die Welthungerhilfe seit 2004 in Kaschmir verfolgt. Er geht über die bisherige direkte Hilfe – Essen, Schulen, Ackerbau, Saatgut – hinaus, ist der logische nächste Schritt in einem Land, dessen Böden gute Ernten liefern, das aber durch einen bislang ungelösten internationalen Konflikt in einem Zustand der Not und Gesetzlosigkeit verharrt.

Trainerin Nusrat Ali spricht mit Webern des Dorfes über bessere Ar­ beitsbedingungen und Verkaufskonditionen. Sie wird respektiert. Foto links: Seit sich die Frauen zusammen­ schließen und Kurse besuchen, wächst ihr Selbstvertrauen, etwas eigenes auf die Beine zu stellen.

Jugendliche wollen mitgestalten Denn das Wissen und die Fähigkeiten, welche die Trainer Afroza und ihren Mitstreiterinnen in den Kursen vermitteln, stärken das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl der Frauen. Damit können sie sich entwickeln, ein besseres, gesünderes Leben führen. Ihren Kindern erstmals eine Chance bieten. Mitgestalten und Mitsprache – das fordert vor allem die junge Generation. Gerade für Jugendliche, die in einer Zeit der sozialen Unruhen aufwachsen, bedeu-

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Titelthema: Kaschmir

Interview

„Es gibt auch einen moderaten Weg“ Interview mit Yasir Qureshi, Programmchef der Indo-Global Social Service Society Wie wirkt sich der Konflikt auf die Menschen hier aus? In einer extrem hohen Gewaltrate in Familien, zwischen Militärs, Polizei und Zivilisten. Und unter Jugendlichen. Sie wachsen in einer Gesellschaft auf, in der sowohl der Staat als auch Einzelne die Menschenrechte immer wieder verletzen. Entsprechend explosiv ist die Stimmung. Viele der Jungen glauben, dass Gewalt nur mit Gegengewalt begegnet werden kann. Hinzu kommen die fehlenden Perspektiven: Selbst mit Schulabschluss bleiben viele arbeitslos. Wie helfen Sie den Jugendlichen? Zusammen mit der Welthungerhilfe versucht IGSSS, die Jugendlichen zu motivieren und auszubilden. Wir haben Klubs gegründet, in denen sich junge Männer und Frauen zwischen 18 und 20 Jahren treffen. Dort lernen sie, dass es auch einen moderaten Weg gibt. Dass sie ihre Rechte einfordern können, ohne nach einer Waffe zu greifen. Sie lernen, miteinander zu diskutieren, ohne Streit, selbst bei unterschiedlicher Meinung, das haben sie früher nicht gekonnt. Bekommen sie wirtschaftliche Hilfe? Indirekt. Die jungen Leute brauchen ein Auskommen, um sich selbst und oft auch ihre Eltern zu finanzieren. Das hat ganz viel mit Selbstwertgefühl zu tun und das stärken wir. Ein Beispiel: Wer ein eigenes Geschäft eröffnen möchte, kann Geld von einer Bank bekommen oder von der Regierung, es gibt Programme für Unternehmensgründer. Wie aber tritt man gegenüber einem Banker oder einem Amtsleiter auf? Das lernen die Jugendlichen in den Kursen. Entwicklung funktioniert nur, wenn die Leute ihre Rechte kennen und einfordern. Und wir sehen Erfolge: Die Behörden antworten unseren Teilnehmern. Sie wissen, wir lassen nicht locker.

Wie hier in Gunchipora leben die Menschen auch in den umliegen­ den Dörfern unter ein­ fachsten Bedingungen.

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tet das Projekt eine vielversprechende Perspektive. Sie organisieren sich in Jugendkomitees oder -clubs und erhalten die Möglichkeit zu einer Ausbildung. Auf Distriktebene sind selbstverwaltete Jugendzentren geplant. Gesetze nicht nur auf dem Papier In Kaschmir gibt es etliche staatliche Hilfsprogramme. Und es gibt es ein neues Gesetz, ein Recht auf Information. Das garantiert jedem Bürger innerhalb von 30 Tagen eine Antwort auf seine Anfrage – und die Workshops der Welthungerhilfe garantieren, dass das Gesetz nicht nur auf dem Papier besteht. Heute wissen die Menschen in Trikobal, dass jeder arme Haushalt 35 Kilo Reis im Monat oder jeder Bauer subventioniertes Saatgut vom Staat erhält. Dass 400 Rupien bekommt, wer sein Kind im Hospital zur Welt bringt. Seit sie sich in Selbsthilfegruppen organisiert und an den Kursen teilgenommen haben, wissen sie auch, dass der Mindestlohn für einen Achtstundentag 131 Rupies – etwa 1,50 Euro – beträgt. Dass ein Mann, der seine Frau schlägt, bestraft werden kann. Sie wissen jetzt auch, dass die Menschen in Trikobal das Recht haben zu erfahren, wohin man ihre von Soldaten oder Milizen getöteten Verwandten gebracht hat. „Früher“, sagt Afroza, „hätten wir Angst gehabt, danach zu fragen“. „Früher“, sagt sie auch, „hätten wir gar keine Antwort bekommen. Doch jetzt haben wir den Mut nachzuhaken“. „Jetzt“, sagt Yasir Qureshi, „hat der Staat keine Ausrede mehr, jetzt darf er die Antwort nicht mehr verweigern.“ In den Kursen lernen die Frauen zudem, sich selbst zu helfen. Etwa über Mikrokredite. Von einer Bank bekäme keine von ihnen ein Darlehen, sie sind alle arm, ohne Sicherheiten. Doch als Gruppe erhalten sie 25.000 Rupien von der Staatsbank, etwa 300 Euro. Dieses Geld verleihen die Frauen der Blumen-Gruppe nun zu einem Zins von drei Prozent an Mitglieder; eine Bank verlangt das Doppelte. Außerdem zahlt jede Frau monatlich ein paar Rupien in einen Fonds ein; auch dieses Geld verleihen sie untereinander weiter. Eine Familie hat sich mit dem Kredit ein Gewächshaus gebaut; die Auberginen und Tomaten, die darin wachsen, verkauft sie auf dem Markt. Andere haben mit dem Geld einen kleinen Dorfladen finanziert, einen Wagen, Webstuhl, Medikamente und Ziegen gekauft. „Bislang“, sagt Afroza, die Schatzmeisterin, „zahlten alle ihre Schulden zurück.“ Das überzeugte Frauen im Nachbardorf, ebenfalls eine Selbsthilfegruppe zu gründen und Mikrokredite zu vergeben. Und es überzeugte die Männer. Die zeigten anfangs den größten Widerstand, befürchteten, dass sich moderne Ideen in den Köpfen der Frau-


Titelthema: Kaschmir

en und Jugendlichen festsetzen. Trikobal ist ein traditionelles muslimisches Dorf. „Viele Frauen durften früher nicht mal ohne Begleitung zum Brunnen gehen“, sagt Nazia Nabi, eine der Trainerinnen. „Plötzlich verließen sie allein das Haus, das Dorf, machten Geschäfte, widersprachen auch mal – das gefiel nicht allen.“ Manche Männer fühlten sich bedroht, reagierten mit Schlägen. Nicht so Afrozas Mann. Er hat seine Frau von Anfang an unterstützt. Doch auch er, sagt Afroza, ist sich dessen bewusst, dass, „wenn er jetzt Brot kauft, er es von meinem Geld kauft“. Gemeinsame Arbeit verbindet Viele derer, die anfangs spotteten und kritisierten, die Gruppe treibe einen Keil in die Dorfgemeinschaft, fragen heute selbst nach einem Darlehen, wollen selbst eine Gruppe gründen. „Sie haben erkannt, dass die gemeinsame Arbeit verbindet, nicht trennt“, sagt Trainerin Nazia. Denn bei den Treffen geht es nicht nur um Kredite oder Rechte. In Afrozas Haus, einem einfachen Gebäude aus Backstein und Lehm, wo sie sich meist treffen, können sich die Frauen auch aussprechen. Über Gesundheit und die Bildung der Kinder reden, über Probleme in der Familie, als Paar. Manchmal schlichten sie auch Streit zwischen Eheleuten, Verwandten, Nachbarn. In Kaschmir herrscht zwar ein Klima der Angst und des Misstrauens, eine Folge des jahrzehntelangen Konflikts. Doch hier, auf dem grünen Teppich von Afroza, haben die Leute von Trikobal gelernt, sich wieder zu vertrauen. „Damit beginnt ein Prozess, der uns versöhnt und Kaschmir vielleicht endlich den Frieden bringt“, sagt Yasir Qureshi.

Länderinformation

Hintergrund Kaschmir Um den Himalaya-Staat Kaschmir wird seit Jahrzehnten gerungen: Indien erkennt den pakistanischen Teil nicht an, Pakistan nicht den indischen. Menschenrechte werden verletzt, die Wirtschaft liegt am Boden, entsprechend arm ist die Bevölkerung. Der Konflikt begann 1947, als die britische Kolonialmacht nach der Unabhängigkeit und Teilung des Subkontinents abzog. Denn sowohl Indien als auch das neu gegründete Pakistan beanspruchten Kaschmir, eine Region so groß wie Großbritannien, in der überwiegend Muslime leben.

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Weben bedeutet meist eine sichere Einnah­ mequelle. Dank eines Kleinkredites können sich Frauen für den Kauf eines Webstuhls zusammenschließen. Foto links: Traditio­ nelle Teppiche werden nach aufwendigen Musterblättern gewebt.

Drei Kriege wurden um Kaschmir geführt, zuletzt 1999. Unter internationaler Vermittlung beschlossen Indien und Pakistan 2003 erneut ein Ende der Gefechte. Doch beide Seiten verletzten das Abkommen immer wieder. Seit Beginn des Konfliktes sind Zehntausende Menschen ums Leben gekommen. Die Welthungerhilfe arbeitet im indischen Teil des Gebietes, dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir. Hier haben die früher so berühmte Seidenproduktion, die Wollverarbeitung sowie der traditionelle Obstanbau unter der angespannten Sicherheitslage schwer gelitten.

CHINA AFGHANISTAN

Kaschmir PAKISTAN INDIEN

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Titelthema: Porträt

Lernen, die Angst zu verlernen Man kann einer Frau den Mann rauben. Das Lächeln. Den Körper. Aber nicht die Würde. Nicht den Mut. Doch fast hätte Nazeena auch das verloren. nicht zurückkehrte. Dass sie zwei Tage wartete. Am dritten zu suchen begann. Am vierten zum Revier ging. Die Polizisten sagten ihr, dein Mann ist ein Aufständischer, er sitzt im Gefängnis. Dort hörte sie nur: hier ist keiner mit seinem Namen.

Als Halb-Witwe weiß Nazeena kaum, wie sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Toch­ ter Sazia bestreiten soll.

Nazeena sitzt auf dem Boden, in ihrer Hand das Foto ihres verschwundenen Mannes, und doch ist sie es, die nahezu verschwindet – so schmal und still ist die 30-Jährige. „Ich bin unsichtbar“, sagt sie und deutet mit der Hand zum Fenster, nach draußen, hin zu einer Gesellschaft, die Frauen wie sie ächtet statt sie zu achten. Denn Nazeena ist Halb-Witwe. So nennen sie in Kaschmir die Frauen, die ihren Mann verloren haben, aber keinen Leichnam vorweisen können. Es gibt viele solcher Hinterbliebener: Seit Jahrzehnten verschwinden hier Menschen. Werden Väter und Söhne von Soldaten und Polizisten inhaftiert, gefoltert, getötet, irgendwo vergraben. Werden damit Frauen und Kinder der geschätzt 10.000 Verschwundenen seit 1989 in noch tieferen Schmerz, in eine noch größere Armut geworfen. Auch Nazeenas Mann verschwand. Sie erinnert sich nicht an den letzten Morgen mit ihm. Sie weiß auch nicht, wie alt sie ist. Ihre Gedanken sind flüchtig, der Tag seines Verschwindens ist wie ein dunkles Loch. Folge eines Traumas, sagen die Ärzte. Was Nazeena dann mit leiser Stimme erzählt, das weiß sie selbst nur aus Erzählungen: Dass er, ein Maler, morgens um acht Uhr das Haus verließ. Er abends

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Das war vor sechs Jahren. Nazeenas Mann kam nie zurück, er wurde nie gefunden. Sein Tod gilt damit aus Sicht der Regierung als nicht bewiesen. Das macht Frauen wie Nazeena zu Menschen ohne jede Rechte, „zu einem Nichts“, wie Nazeena sagt. Mit dem Verschwinden des Mannes verlor die junge Frau Ansehen, Heim, Einkommen, Trost. Sie bekommt als Halb-Witwe weder die 300 Rupien – umgerechnet keine vier Euro – die einer Witwe in Kaschmir pro Monat zustehen, noch kann sie das Stück Land, das ihrem Mann gehörte, bewirtschaften oder verkaufen. Die Schwiegereltern haben sie aus dem Haus vertrieben. Auch bei ihrem Bruder war sie nicht willkommen – „er muss seine eigene Familie ernähren“, sagt Nazeena. Sie und die achtjährige Tochter Sazia leben nun bei den Großeltern, „doch auch ihnen sind wir eine Bürde“. Halb-Witwen leiden an einer Trauer, die nie endet, weil die Hoffnung auf die Rückkehr des Mannes bleibt. Sie leiden an einer Trauer, die niemand mit ihnen teilt. Die Ungewissheit macht sie krank, depressiv. Auch Nazeena dachte daran, sich das Leben zu nehmen, „aber dann wäre Sazia alleine“. Und sie leiden daran, dass sie zur Jagd freigegeben sind. Auch für andere Männer. Nie würde einer eine Halb-Witwe heiraten. Aber sie misshandeln, missbrauchen – dieses Los teilen viele Halb-Witwen mit Nazeena. Wieder Mut fassen Aber sie wehren sich. Schließen sich zusammen. Werden stark und sichtbar. Die Welthungerhilfe hilft ihnen dabei. Sie finanziert Selbsthilfekurse, in denen die Halb-Witwen lernen, wieder Mut zu fassen. Sich zu wehren und eine neue Existenz zu gründen. In den Workshops erfahren die Frauen, dass sie das Recht haben, von der Regierung und Armee zu erfahren, was mit ihren Männern passiert ist. Wo die Massengräber liegen. Nazeena traut sich heute zu fordern, dass eine unabhängige Kommission die Fälle untersucht. Ein Gericht die Täter bestraft. Dass, wie Nazeena sagt, „wir unsere Toten zurückbekommen“. Nazeena lernt gerade, die Angst zu verlernen.


Aktuell

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Spontan und kreativ: Hilfe für die Philippinen Als Taifun Haiyan auf den Philippinen eine Schneise der Verwüstung hinterließ, verloren bis zu 14 Millionen Menschen ihr Hab und Gut. Schnell wurden kleine und große Helfer aktiv, um die akute Nothilfe der Welthungerhilfe zu unterstützen. Denn die Menschen benötigten dringend Trinkwasser und Nahrung, Zelte, Decken und Medikamente. Mit bunten Spendenaktionen leisteten Schulen, Unternehmen und Künstler einen wichtigen Beitrag, um den Opfern des Taifuns einen normalen Alltag zurückzuschenken. So waren über 40 Künstler wie Ali Zülfikar, Stefan Noss oder Barbara Rapp der Einladung von Angelika Ehrhardt-Marschall vom Kunsthaus Rheinlicht in Remagen gefolgt und verwandelten dieses in ein Auktionshaus für den guten Zweck. Orientalische Klänge, Chansons und die mitreißenden Worte des Künstlers Andreas Loescher-Gronau, der selbst zehn Jahre auf den Philippinen gelebt hat, untermalten die Versteigerung. 2.600 Euro kamen hier für die Welthungerhilfe zusammen. In Berlin hingegen hatte Galeristin Katja Eckelmann eine spontane Ausstellung „Wanderlust“ getauft, auf der 55 Fotografen ihre Sicht auf die Welt zeigten. Dank der Gäste und über acht Millionen Followern von #shareforthephillippines fließen nun 4.550 Euro in das Hilfsprojekt. Fair Play für Taifun-Opfer „Alles ist weg. Da ist nichts mehr!“, erzählte Jennifer ihren Mitschülern der Graf-Salentin-Realschule in Jünkerath. Auf Initiative von Sportlehrer Herbert Ehlen hatten dort Jugendliche einen Sporttag auf die Beine gestellt. Fair Play hieß es bei Basketball, Hockey & Co. – und die Schüler glänzten mit stattlichen 3.200 Spendeneuro. Sportlich ging es auch im Abtei-Gymnasium in Brauweiler zu: Zwei Wochen lang kneteten Schüler wie Lehrer kräftig Teig, um auf dem Weihnachtsmarkt mit Selbstgebackenem für Notleidende zu sammeln.

Angelika ErhardtMarschall (re.) orga­ nisierte spontan eine Versteigerung. Foto Mitte: In der Graf-Salentin-Schule Jünkerath traten die Schüler beim Hockey für die Taifun-Opfer an. Foto unten: Peter Mar­ bach, Geschäftsführer der Marbach-Gruppe, überreicht Antje Blohm, Welthungerhil­ fe, den Spendenscheck.

Nicht nur beim Heilbronner Werkzeughersteller Marbach, der großzügig einen 6.000 Euro-Scheck übergab, hieß es in der Vorweihnachtszeit „Spenden statt schenken“. Das Unternehmen verzichtete auf den Versand von Weihnachtsgeschenken. Auch Reifenspezialist Continental unterstützte den Wiederaufbau mit stolzen 200.000 Dollar. Ebenso zeigten die Mitarbeiter der Otto-Group ihre Anteilnahme: Durch ihre Sammlung und eine Unternehmensspende kam die stattliche Summe von 37.000 Euro zustande. Das vereinte Mitmachen zeigt: Wir sind für einander da! Danke, für dieses großartige Engagement!

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Aktionen & Kooperationen: Philanthropie plus X

Mit Weitsicht helfen Im persönlichen Gespräch entwickelt Marc Herbeck maßge­ schneiderte Lösungen.

Zuhören und auf die Wünsche des Gegenübers eingehen, aber auch ganz klar sagen, was möglich ist und was nicht. Für Marc Herbeck, Mitglied des Teams Philanthropie plus X der Welthungerhilfe, ist dies die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Unterstützern. Gemeinsam wird so die passende Form eines Engagements als Stifter gefunden. Zuvor werden viele Fragen geklärt. Im Gespräch mit Marc Herbeck greifen wir einige davon auf: Welche Arten von Stiften gibt es?

Stifter helfen langfristig und können zwischen verschiedenen Formen, sich zu engagieren, wählen. Von der Zustiftung oder dem Stiftungsfonds bis hin zur eigenen Stiftung unter unserem Dach. Stifter binden häufig ihre Familie oder Freunde mit ein. Gerne wird auch bei Familienfeiern oder Geburtstagen für die eigene Stiftung gesammelt.

Bro-St-47/13

Gibt es typische Stifter – bzw. Stiftertypen?

Papier FSC zertifiziert

Wie funktioniert eigentlich Stiften?

Eine Spende wird direkt für die Arbeit der Welthungerhilfe verwendet. Beim Stiften bleibt der zugewendete Betrag in der Regel unangetastet und wirkt dauerhaft über die damit erwirtschafteten Zinsen. Das heißt kurz gesagt: Einmal stiften – langfristig und kontinuierlich helfen.

Stiften, wie Sie wollen Ihre Möglichkeiten, sich langfristig zu engagieren

aßgeschneidert

8-605, www.welthungerhilfe.de

08.11.13 14:32

Einen guten Überblick über die verschiedenen Arten, sich als Stifter zu engagieren, bietet unsere neue Stifter­ broschüre, die wir Ihnen gerne kostenlos zuschicken.

Ist Stiften nur etwas für Wohlhabende?

Keineswegs. Eine Zustiftung in das Kapital der Stiftung Welthungerhilfe ist mit jedem Betrag sinnvoll möglich. Einen Mindestbetrag gibt es dafür nicht. Individueller kann man mit einem Stiftungsfonds helfen, dort können die Stifter dem Engagement einen Namen geben und auch den Zweck, z. B. Ernährung, Wasser oder Bildung, bestimmen, der mit den Erträgen gefördert werden soll. Dies ist bereits ab 5.000 Euro möglich.

Service Sie möchten mehr über langfristiges Stiften erfahren: Marc Herbeck Stiftung Welthungerhilfe Tel. 0228/22 88-602 marc.herbeck@stiftung-welthungerhilfe.de

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Vor zehn Jahren waren unsere Stifter eher ältere Menschen. Heute engagieren sich Jung wie Alt, Einzelpersonen, Paare und Familien, Privatpersonen aber auch Unternehmen stifterisch. Jüngere Menschen möchten Vorbild für ihre Kinder sein oder pflegen mit einer Stiftung das Gedenken an Eltern oder Großeltern. Aber auch ganze Familien setzen sich generationsübergreifend zusammen für eine Welt ohne Hunger und Armut ein. Stiften ist doch immer für die Ewigkeit und bestimmt auch kompliziert?

Stifterisches Engagement muss nicht ewig sein. Bei einem Stifterdarlehen kann der Unterstützer sogar das uns anvertraute Geld wieder komplett zurückbekommen, wenn er es braucht. Und bei der Verbrauchsstiftung wird eine Laufzeit festgelegt, innerhalb dieser auch das Kapital für die Projekte verwendet wird. Wir übernehmen die Formalitäten und die Verwaltung – stiften ist daher viel einfacher als oft angenommen. Lohnt es sich eigentlich heute noch zu stiften bei den niedrigen Zinsen?

Niedrige Zinsen heißt nicht auch niedrige Wirkung! Beim Stiften zählt die langfristige Hilfe. Entscheidend ist, die Wirkung für die Menschen vor Ort zu betrachten. Mit den Erträgen aus 1.000 Euro Zustiftung kann zum Beispiel ein unterernährtes Kind in Indien Jahr für Jahr lebenswichtige Zusatznahrung bekommen. Saatgut und Setzlinge für einen eigenen Gemüsegarten für fünf Familien in Mosambik – dies kann mit den jährlichen Zinsen eines eigenen Stiftungsfonds in Höhe von 5.000 Euro bewirkt werden.


Aktionen & Kooperationen

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Run 4 WASH – für sauberes Wasser starten Raus aus dem Winterschlaf und rein in die Turnschuhe? Warum denn, wo es doch auf der Couch gerade so gemütlich ist?! Ganz klar: Für Schüler, Lehrer, Sportvereine und einzelne Sportskanonen heißt es fit machen für den großen Run 4 WASH. Noch bevor am 27. Juni der Startschuss für die sprudelnde Laufaktion fällt, rufen die Welthungerhilfe und ihr Partner Viva con Agua schon jetzt durchs Megafon zum Mitmachen auf. „Lauft für WASH“ lautet die Devise auf den Sportplätzen und Laufstrecken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dabei steht WASH für Wasser, Hygiene und sanitäre Versorgung. Denn noch immer leben über 2,5 Milliarden Menschen unter schlechtesten hygienischen Bedingungen, noch immer fehlt weltweit rund 768 Millionen Menschen der Zugang zu sauberem Wasser – als Durstlöscher genauso wie zum Händewaschen oder Zubereiten von Mahlzeiten. Damit sich das bald ändert, arbeiten die Welthungerhilfe und die Hamburger Wasserinitiative Viva con Agua bei ihren WASH-Projekten Hand in Hand. Gemeinsam möchten wir in Ländern wie Indien, Nepal und Uganda Brunnen und Latrinen bauen, Wissenswertes zum Thema Gesundheit weitergeben und damit die Not der Menschen lindern. Für all das brauchen wir hier Teamgeist und Unterstützung. Die kleinen und großen Läufer können beim Run 4 WASH fleißig Spenden erlaufen, die rund um den Globus jede Menge bewirken. Jeder kann mitmachen! Beim Run 4 WASH mit von der Partie zu sein, geht ganz einfach, und der Spaß bleibt keinesfalls auf der Strecke. So gilt es zunächst, mit vereinten Kräften die Klasse, den Verein oder gar die ganze Schule zum Mitmachen zusammenzutrommeln. Mit einem bunten Paket an Informationen besuchen lokale Unterstützer von Viva con Agua die Klassenzimmer und stehen Rede und Antwort, wer hinter den Organisatoren steckt und was mit den Spenden ganz konkret auf die Beine gestellt wird. Und weil für ein großartiges Ergebnis nicht unbedingt das Sparschwein der Schüler geschlachtet werden soll, geht es anschließend auf die Suche nach Sponsoren für jede gelaufene Runde. Ob Mama und Papa, die Großeltern oder der Bäcker von nebenan, die sportliche Leistung für den guten Zweck stößt bestimmt auf Begeisterung. Später auf der Rennbahn füllt sich die Laufkarte

Runde um Runde mit wasserblauen Stempeln. Bei den Sponsoren werden diese dann gegen den versprochenen Betrag eingelöst. Und weil die erlaufene Spendensumme gefeiert werden will, lassen es sich die Wasserbotschafter von Viva con Agua nicht nehmen und feiern zum krönenden Abschluss den gemeinschaftlichen Sieg ganz offiziell mit den Sportlern. Sie kommen sogar ein paar Wochen nach der Veranstaltung zur Scheckübergabe noch einmal an die Schule und berichten über die durchgeführten Projekte. Sollte der 27. Juni als offizieller Run 4 WASH-Tag nicht passen: Jedes andere Datum ist willkommen! Ganz egal, wann die Puste ausgeht – jeder Lauf zählt. Denn mit nur 30 Cent pro Tag kann zum Beispiel der Durst einer fünfköpfigen Familie in Uganda gestillt werden. Und rund 16 Euro genügen, ihr eine menschenwürdige sanitäre Grundversorgung zu schenken. Wer nun die Turnschuhe schon so gut wie geschnürt hat, der kann im Netz eine Checkliste herunterladen. Dort gibt es auch weitere Informationen rund um den großen Run 4 WASH. Fertig? Los! Auf www.welthungerhilfe.de/sportlich-aktiv

Service Sie möchten mehr über den Run 4 WASH erfahren: Anne-Catrin Hummel Team Aktive Schule Tel. 0228/22 88-258 annecatrin.hummel@welthungerhilfe.de

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Aktionen & Kooperationen

„Change“ – Ein Song für die Welthungerhilfe Change: Karin Köster textete, Marcus Friedeberg komponierte die Musik. Foto unten: Im Ton­ studio entstand ein gefühlvoller Song.

Sie organisierten die Party: Die Jahrgangs­ stufe 13 des Gymna­ siums in Gaußig.

Mit einer ganz besonders kreativen und originellen Aktion überraschte uns Karin Köster. Die leidenschaftliche Buchautorin spendet bereits seit Jahren, doch jetzt wollte sie mehr tun und nutzte ihr Talent, Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, und textete ein Lied für die Welthungerhilfe. Sänger und Gitarrist Marcus Friedeberg komponierte die Musik dazu und verbrachte mit einem Backgroundchor und einigen Musikern zwei Tage in einem professionellen Tonstudio. Entstanden ist ein eingängiger und gefühlvoller Popsong mit Hitpotenzial und einer klaren Botschaft: „Jeder von uns kann die Welt verändern! – Daher passt der Song ‚Change‘ perfekt zum Leitthema der Welthungerhilfe“, bringt es Karin Köster auf den Punkt. Nun hofft sie auf eine größtmögliche Verbreitung des Liedes: „Je mehr Menschen ‚Change’ hören und den Song auf den Musikportalen im Internet herunterladen, desto mehr Geld kommt für die Welthungerhilfe zusammen, da wir die Erlöse aus dem Verkauf spenden.“ Und das ist erst der Anfang. Das KünstlerDuo aus Oldenburg plant noch weitere Aktionen für den guten Zweck. Demnächst wollen sie Fan-Artikel

wie T-Shirts mit einem „Change“-Logo auf den Markt bringen, und bald gibt es neue Songs von ihnen zu hören. Derzeit arbeiten die beiden an ihrem ersten Album, das Mitte des Jahres erscheinen soll.

„Party in a Box“ feiert Premiere neue Format der Welthungerhilfe umsetzten. Marlen Beck überzeugte es sofort: „Wir können sozial aktiv werden, indem wir einen Teil der Einnahmen für die Welthungerhilfe spenden, unser Organisationstalent unter Beweis stellen und den Klassenzusammenhalt stärken. Außerdem lieben wir es zu feiern.“ Das Motto der Party lautete dann „Coloursplash“. So wurden beispielsweise Neonfarben für den Körper verkauft, die im Schwarzlicht des Partyraums voll zur Geltung kamen. Nachdem die Band Surronding Eucalyptus im Gewölbe des Jugendhauses Neukirch eingeheizt hatte, sorgten später verschiedene DJ‘s am Pult für Stimmung. Nach einer ausgelassenen Partynacht konnten die Gymnasiasten 100 Euro an die Welthungerhilfe überreichen.

Foto rechts: Die Neon­ farben kamen gut zur Geltung.

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Das Abi 2014 naht, das muss gefeiert werden! Für Marlen Beck, Schülerin der 13. Klasse und einige andere ihres Jahrgangs des beruflichen Gymnasiums in Gaußig war klar: Wir wollen eine Party der Ex­ traklasse bieten! Sie entschieden sich für eine „Party in a Box“ und waren damit die Ersten, die das

Wir danken den Beteiligten für diesen tollen Event! Für alle, die sich davon gern anstecken lassen: Bestellung einer Box mit Flyern, Plakaten, Spendenbox, Eintrittsbändchen, Strohhalmen und Cocktail-Rezept unter: http://www.welthungerhilfe.de/mitmachen/ jetzt-aktiv-werden/partybox.html


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Essen gegen den Hunger anderer Essen gehen und damit auch andere satt machen? Die Restaurant-Reservierungs-Plattform tischefrei.de macht dies in Kooperation mit der Welthungerhilfe möglich. Für jeden Gast, der seinen Tisch online bei tischefrei.de reserviert, zahlt das Restaurant einen Betrag an die Betreiber von tischefrei.de. Von dieser Gebühr werden 0,25 Euro an die Welthungerhilfe weitergegeben. So kamen 5.000 Euro als Spende zusammen – beteiligt waren 20.000 reservierende Gäste, die gemeinsam mit den Restaurants dafür sorgen, dass Projekte gegen den Hunger unterstützt werden. Michael Hofmann, Marketing-Vorstand Welthungerhilfe, bedankte sich bei allen beteiligten Gästen, Restaurants und den Organisatoren von tischefrei.de: „Auf ausreichende und gesunde Weise satt zu werden, ist ein Menschenrecht. Über die originelle Spen-

Michael Winterberg, Mitgründer von tische­ frei.de (links) freut sich mit Michael Hofmann, Marketing-Vorstand Welthungerhilfe, über den tollen Erfolg.

denaktion freuen wir uns besonders. Wir bedanken uns herzlich für das Engagement und das tolle Ergebnis, das in vielerlei Hinsicht nachhaltig Wirkung zeigen wird.“

Atlas Copco: 40.000 Euro für Schulen in Malawi Für die Schulkinder im afrikanischen Malawi zeigten die Mitarbeiter von Atlas Copco tatkräftigen Einsatz. So veranstalteten sie ein Golfturnier, versteigerten Möbel oder stellten bei Firmenläufen in Essen und Köln ihre sportlichen Qualitäten unter Beweis. Zehn Euro je gelaufenen Kilometer zahlte das Unternehmen je Teilnehmer, der hier das Ziel erreichte. Die Mühe hat sich gelohnt: 40.000 Euro für die Reparatur und den Neubau von Trinkwasserstellen und hygienischen Toiletten an malawischen Schulen konnten die Mitarbeiter jetzt überreichen. Das Engagement für Projekte im Bereich der Wasserversorgung hat bei Atlas Copco bereits Tradition.

Im Jahre 1984 gründeten die Mitarbeiter des schwedischen Mutterkonzerns die Initiative „Water for All“, vor fünf Jahren entstand der gleichnamige Verein in Deutschland, kurze Zeit später begann die Partnerschaft mit der Welthungerhilfe. Seitdem flossen rund 140.000 Euro in Projekte auf dem afrikanischen Kontinent. Piet Leys, Geschäftsführer der Atlas Copco Holding GmbH und Vorsitzender von „Water for All“, ist von den Projekten und der Arbeitsweise der Welthungerhilfe vor Ort beeindruckt: „Besonders gut gefällt mir die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und lokalen Organisationen in den Projektländern. Diese ist wichtig, um nachhaltige Veränderungen der Lebensbedingungen zu bewirken.“

Foto links: Beim Esse­ ner Firmenlauf starte­ ten die Mitarbeiter für den guten Zweck. Heinz Igel, Vorstands­ mitglied von Water for All, überreicht Antje Blohm den Spenden­ scheck.

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Beim WeltFrühstück – hier in der Düssel­dorfer Paulusschule – lernen Kinder unter Anleitung der Referentin Regina Riepe die Essgewohn­ heiten in anderen Län­ dern kennen.

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Globales Lernen begeistert junge Menschen Dinge, die für Erwachsene schwer verständlich sind, sind es für Kinder erst recht. Warum macht Papa sonntags ein herrliches Frühstück, während anderswo auf dem Globus Kinder hungern? Das Bewusstsein junger Menschen für die Chancen und Probleme weltweiter Entwicklung zu fördern, dafür macht sich die Welthungerhilfe stark. Das Bildungskonzept Globales Lernen bietet spannende Projekte, bei denen es um Neugierde gegenüber fremden Kulturen sowie den respektvollen Umgang miteinander und mit den Naturschätzen der Erde geht. „Unterrichten hat endlich wieder Spaß gemacht!“ Die Resonanz einer Münchener Lehrerin nach einer Projektwoche im Oktober zeigt: Komplexe Themen zu vermitteln, muss nicht trockene Theorie bedeuten. Denn viele fächerübergreifende Projektangebote der Welthungerhilfe nehmen Schüler wie Lehrer mit auf eine bunte Reise durch unsere Welt. Da gibt es den Afrika-Koffer, der allerhand entdecken lässt: Bilder, Spiele, Filme und Gegenstände, die zum Anfassen nah den Alltag auf dem Nachbarkontinent veranschaulichen. Ärmel hoch und aktiv werden heißt es zum Beispiel bei der Initiative „FOOD RIGHT NOW“,

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die sich die junge Revolution gegen den Hunger auf die Fahne geschrieben hat. Es sind frische Ideen, zu denen Lehrer viel Wissenswertes finden, um mitreißende Unterrichtsstunden zu gestalten. Das Team Bildung der Welthungerhilfe hat diese praktisch aufbereitet: Newsletter schlagen regelmäßig Schwerpunkte vor, fundierte Lernmedien warten auf der Website auf Download. Ein Konzept, das es sogar zum UN-Dekade-Projekt „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ geschafft hat, ist das WeltFrühstück der Welthungerhilfe. Den Aus-


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ruf eines Schülers einer teilnehmenden Schule aus Bielefeld –„Jetzt kann ich zeigen, was ich kann, nicht immer nur, was ich nicht kann!“ –, diesen Satz hat Angela Tamke noch immer motivierend im Ohr. Seit drei Jahrzehnten arbeitet sie bei der Welthungerhilfe zum Thema Bildung.

ben die Viertklässler ein Paket mit Informationen zum Alltag in Deutschland, Fotos und ihren Berichten nach Nepal geschickt. Wir sind gespannt: Vielleicht wird es mehr als ein Voneinander-Lernen und enge Freundschaften entstehen. Ihr Wunsch für die Zukunft?

Frau Tamke, wie erreicht man junge Menschen, ohne sie zu überfordern?

Wir wollen nicht schocken, sondern Empathie und Verständnis für globale Zusammenhänge wecken. Globales Lernen muss altersgerecht sein, mit vielfältigen Lehr- und Lernmethoden, die zum Mitmachen bewegen. Dabei gibt es Aufgaben für unterschiedliche Altersstufen entsprechend dem jeweiligen Lehrplan. Älteren Schülern bieten wir analytische Lernformen an, befassen uns mit dem Welthunger-Index oder arbeiten im Forschungsbereich. Wichtig sind Lernorte, mit denen die Schüler Städte und Natur unter bestimmten Aspekten erkunden. Authentische Begegnungen machen alles erlebbar. So erzählen Partner aus unseren Projektländern den Klassen persönlich aus ihrem Alltag.

...dass Globales Lernen, der Blick über den Tellerrand, in den Curricula aller Schulformen verankert und in allen Schulfächern selbstverständlich wird. Lernpartner mit direktem Kontakt in die Länder des globalen Südens zu sein, sollte das Markenzeichen der Welthungerhilfe bleiben!

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Foto unten: Regelmä­ ßig startet die Grund­ schule Höhenstraße in Düsseldorf Aktionen zum Thema Globales Lernen. Angela Tamke (Mi.) bei einer Lehrerfortbildung der Welthungerhilfe in Bonn.

Welche Stimmung erleben Sie in den Klassenzimmern?

Eindrucksvoll war die Begegnung zwischen Oscar Sawadogo von einer Bauernorganisation in Burkina Faso und Schülern eines Französisch-Leistungskurses in Düsseldorf. Es war beachtlich, wie die Schüler ernsthaft über Ursachen von Armut und Hunger diskutiert haben. Gerade die Frage nach Korruption hat sie nachdenklich gestimmt. Der Impuls durch Lehrer ist also sehr wertvoll. Dadurch entscheiden sich die Schüler selbst für Mitmachaktionen. Manche sehe ich dann als Praktikanten bei uns wieder! Was motiviert Sie, nachhaltige Bildung weiterzuentwickeln?

Mir liegt am Herzen, Brücken zu bauen zwischen Menschen dort und Menschen hier. Komplizierte Themen verständlich zu machen, Menschen zu berühren, durch Begegnungen zum Nachdenken und im Idealfall zum Handeln anzuregen. Treibende Kräfte waren tolle Erfahrungen mit unseren Partnern, spannende Themen und die feste Überzeugung, dass meine Arbeit Sinn macht. Wie wird die Eine Welt richtig erlebbar?

Besonders lebhaft geht es bei Lernpartnerschaften zu. Gerade haben wir eine neue gestartet – zwischen Düsseldorfer Schülern und Kindern aus dem Millenniumsdorf Korak in Nepal. Bei einem Besuch an der Grundschule Höhenstraße hatte Surenda Gautam aus Katmandu Porträts vom Leben dort im Gepäck: Völker, Sprachen, traditionelle Kleidung und Essen und vor allem Berichte von den Schülern. Begeistert ha-

Mitmachen beim Wett­bewerb! „Global und lokal denken und handeln – Die Welt beginnt vor deiner Tür!“ lautet das Motto des aktuellen Schulwettbewerbs des Bundespräsidenten. Schüler von Klasse 1 bis 13 können jetzt Kreatives einreichen: Texte, Filme, Kunstwerke, Theater- oder Musikstücke, Plakate oder digitale Arbeiten – alles ist erlaubt! Einsendeschluss ist der 15. März 2014. Zu gewinnen sind Geld- und Sachpreise im Gesamtwert von über 50.000 Euro.

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Entwicklung auf dem Land voranbringen Die Erbacher-Stiftung aus dem unterfränkischen Kleinheubach feiert am 16. Mai ihr 25-jähriges Bestehen. Im Jubiläumsjahr stellt sie ihr langjähriges Engagement im ländlichen Raum von Entwicklungsländern vor. Die Welthungerhilfe zählt mit drei gemeinsamen Projekten zu ihren bewährten Kooperationspartnern. Beide Organisationen tauschten sich kürzlich in Kleinheubach über ihre Arbeit aus

Mit einem Wasserspei­ cher in Kenia fördert die Erbacher-Stiftung zugleich Entwicklung und Gesundheit. Foto rechts: Genügend Wasser wird es auch durch Regenfänge an Schulen geben. Foto unten: Frank Erbacher (Geschäfts­ führung), Heidrun Zeug (Stiftungsleitung) mit Walburga Greiner und Jens Steuernagel von der Welthunger­ hilfe

Ergebnisse und Erfolge eines von der Erbacher-Stiftung geförderten Projektes sollen auf die ganze Region ausstrahlen. Das Schulprojekt der Welthungerhilfe für Waisenkinder in dem malawischen Dorf Mbira entspricht den Auswahlkriterien der Stiftung. In Mbira erfahren die meist mangelernährten Schulkinder nicht nur, welche Nährstoffe ihre Körper brauchen, um gesund aufzuwachsen und besser lernen zu können – ganz praktisch legen sie zusammen mit ihren Lehrern einen organischen Schulgarten, Hecken zum Schutz vor freilaufenden Nutz- und Wildtieren sowie Regenwassernutzungsanlagen an. Die Erträge aus dem Schulgarten kommen den besonders benachteiligten Waisenkindern zugute, doch Nutzen zieht die gesamte Dorfbevölkerung. Die Trainer der lokalen Partnerorganisation RESCOPE schulen zunächst alle Lehrer im organischen Gartenbau. Diese lernen, wie sie Dünger produzieren, Baumschulen anlegen und die Bodenfruchtbarkeit verbessern können. Gleichzeitig erfahren sie, dass Kräuter, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte wertvolle Proteine, Vitamine oder Spurenelemente enthalten und zu einer ausgewogenen Mahlzeit gehören. Dass Maisbrei alleine zwar satt macht, aber nicht zum Leben reicht, ist für die meisten Menschen in Mbira eine ganz neue Erkenntnis. Das erworbene Wissen vermitteln die Lehrer an ihre Schüler und

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interessierte Bauern weiter. Die wiederum legen vor ihren Hütten eigene Küchengärten an, die Nachbarn ahmen diese nach und so zieht das Projekt immer größere Kreise. Verantwortung für alle tragen Die Entwicklung des ländlichen Raums lag der Familie Erbacher schon immer am Herzen. 1941 legten Joseph und Pauline Erbacher den Grundstein für ihr erfolgreiches Familienunternehmen, das heute in dritter Generation unter dem Namen „Josera“ hochwertige Tiernahrung und unter dem Namen „Erbacher“ hochwertige Dinkelprodukte herstellt. 1989 gründete die Familie die Erbacher-Stiftung, um benachteiligten Menschen in Entwicklungsländern zu helfen. Josef Erbacher, der damalige Geschäftsführer der beiden Unternehmen und heutige Vorstand der


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Seit 1989 unterstützt die Erbacher-Stiftung weltweit Projekte in ländlichen Regionen. Das Spektrum der Maßnahmen ist breit: Maßnahmen im Bereich nachhaltige Viehwirtschaft, Pflanzenbau, Wissenstransfer, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln und Trinkwasserversorgung werden ebenso gefördert wie Projekte im Umwelt- und Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel. Ziel der Stiftung ist es, das Leben auf dem Land wieder lebenswert zu machen. (Im Foto: Sigrun und Josef Erbacher, Vorstand) Informationen unter: www.erbacher-stiftung.de

gründet Stiftungsleiterin Zeug. In Malawi liegt der Schwerpunkt der Zusammenarbeit in der langfristigen Ernährungssicherung der Bevölkerung, insbesondere der vielen Waisen und Halbwaisen.

Stiftung, erläutert: „Verantwortung tragen wir nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Nachkommen und für diejenigen Menschen in der Welt, die nicht in der glücklichen Lage sind, mit materiellen Gütern so reich gesegnet zu sein wie wir.“ Rund 500 Maßnahmen in über 30 Ländern hat die Erbacher-Stiftung seitdem weltweit unterstützt. Seit mehreren Jahren kooperiert sie mit der Welthungerhilfe, und das erste gemeinsame Projekt zur Förderung von benachteiligten Bäuerinnen in Tadschikistan konnte bereits erfolgreich abgeschlossen werden. „Die Trainingsmaßnahmen haben den Frauen dort umfassende Kenntnisse vermittelt“, sagt Stiftungsleiterin Heidrun Zeug. „Und zwar helfen diese nicht nur kurzfristig, sondern bedeuten Handwerkszeug, um eine Zukunft in Eigenverantwortung gestalten zu können.“ Heute haben die Frauen an Selbstbewusstsein gewonnen und sich in Gruppen organisiert. Sie konservieren ihre selbstangebauten Nahrungsmittel und können dadurch bessere Preise erwirtschaften. Seit 2013 unterstützt die ErbacherStiftung zwei weitere Projekte: In Kenia fließt das Stiftungsgeld in den Bau eines lebensnotwendigen Wasserspeichers sowie in den Bau von Dachregenfängen an einer Grundschule. Die Zusage für diese Kooperation war einfach: „Jeder Mensch sollte Zugang zu ausreichend sauberem Wasser haben“, be-

Foto links: Eingemach­ tes bedeutet für die Frauen in Tadschikistan einen guten Verdienst.

Auf erfahrene Partner bauen „Der Stiftungszweck ist eindeutig die Förderung der ländlichen Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern“, so Heidrun Zeug. „Wir sehen hier einen hohen Bedarf, denn mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben in extremer Armut. Viele haben weniger als einen Dollar am Tag, um eine ganze Familie durchzubringen.“ Ihre Vorgängerin Birgit Seeger, geborene Erbacher, ergänzt: „Unsere Überzeugung ist: Leben auf dem Land ist sinnvoll, lebenswert und zukunftsfähig. Nicht immer sind die Bedingungen ideal – doch wir möchten Menschen Hilfe zur sinnvollen Selbsthilfe ermöglichen, denen die Mittel fehlen, ihre Situation aus eigener Kraft zu verbessern. Deswegen setzen wir hier an – auf dem Land, wo Zukunft möglich ist.“ Für die Umsetzung ihres Engagements baut die Erbacher-Stiftung auf erfahrene Partner. „Die Arbeit der Welthungerhilfe überzeugt uns“, sagt Judith Erbacher aus dem Stiftungsrat. „Als Förderer sind wir auf gute Partner angewiesen, um vor Ort Wirkung erzielen zu können. Wir sind deshalb froh, dass wir mit einer so erfahrenen Organisation kooperieren.“ Dies soll auch in Zukunft so bleiben.

Service Sie möchten mehr über die Kooperation der Welthungerhilfe mit Stiftungen erfahren: Walburga Greiner Sitftungskooperationen Tel. 0228/ 22 88-304 walburga.greiner@welthungerhilfe.de

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B litzlichter Rubrik-Thama

Wann ... wird das stille Örtchen bunt? Diese Klodeckel sind fast zu schade zum Umklappen! Aber genau das ist der Clou der kreativen Kunst-Aktion von Viva con Agua. Vor drei Jahren entstand die Idee, Aufmerksamkeit für die schlechten sanitären Verhältnisse in Entwicklungsländern zu wecken, Künstler in einem außergewöhnlichen Rahmen zu präsentieren und einen Erlös zu erzielen, der hilft, dem Problem zu Leibe zu rücken. Unter dem Motto „Sanitary Art“ haben es namhafte Streetartists auf den Punkt gebracht. „Luxusproblem“ lautet beispielsweise der Schriftzug unter einem aufgespannten Regenschirm. Und eine Horde von Bakterien- und Pilz-Piraten verdeutlichen, worum es geht. Eine Woche lang waren Werke von Künstlern wie Malte Iwanicki oder Zeitwille in den Heidelberger Breidenbach Studios zu bestaunen, bevor sie über eBay Charity meistbietend unter den Hammer kamen. Der Erlös von rund 1.200 Euro fließt

Wie ... verwandelt PAUL Schmutzwasser in Trinkwasser?

nun in WASH-Projekte. Damit bald alle Menschen weltweit Zugang zu sauberem Wasser und menschenwürdigen sanitären Anlagen haben. Eine saubere Sache!

Guten Tag, PAUL mein Name. Im Pass steht eigentlich „Portable Aqua Unit for Lifesaving“, aber ich höre auch auf den Spitznamen „Wasserrucksack“. Ich bin schon viel durch die Welt getourt, mit dem Auswärtigen Amt und mit Hilfsorganisationen. In Länder, wo Menschen nach Katastrophen meine Hilfe dringend brauchen. Ich spende nämlich sauberes Trinkwasser. Mehrere Monate lang kann ich täglich mehr als 600 Liter Wasser filtern – auch wenn ich nur 20 Kilo wiege.

bringt mich zu Schulen, Krankenhäusern oder in abgelegene Dörfer, wo Trinkwasser fehlt. Mit großem Hallo umringt man mich dort und staunt über meine Fähigkeiten. Ich schlucke schmutziges Wasser aus Brunnen oder Flüssen und unten kommt es sauber wieder heraus. Damit helfe ich, dass Menschen nicht mehr an Krankheiten wie Typhus oder Cholera sterben: Die Filtermembran in meinem Bauch beseitigt 99 Prozent der Bakterien, Viren und Erreger ganz ohne Energie. Dazu brauche ich nicht mal Chemikalien!

Gerade bin ich mit der Welthungerhilfe auf den Philippinen unterwegs. Das Hilfswerk der Deutschen Lions hat mich und 83 meiner Geschwister gleich nach dem Taifun gespendet. In den Orten Tentay, Bato und Tadi wurden wir freudig empfangen. Am liebsten klettere ich auf den Rücken eines Mitarbeiters. Der

An manchen Orten bleibe ich länger, an anderen werde ich nur kurz gebraucht. Ich bekomme viel vom Leben der Menschen mit. Auch wenn ich ab und zu gereinigt werden muss, mein Job macht mich glücklich. Ich weiß ja, dass durch mich etwa 400 Menschen gut drei Liter am Tag zu trinken bekommen.

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Rubrik-Thama

Froh transportiert die Familie ihre Winterhilfe heim.

Blitzlichter

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Das Badezimmer des Hauses ...

Welche ... Bilder nimmt Juma Moussa von seiner Arbeit mit? Auf Minusgrade waren die syrischen Familien einfach nicht eingerichtet. Sie mussten aus ihrer Heimat flüchten mit dem, was sie auf dem Leib trugen, und dem Wenigen, was in eine Tasche passte. Für warme Kleidung gab es da keinen Platz. Bereits im Oktober 2013 begann die Welthungerhilfe deshalb mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes, warme Kleidung, Matratzen, Decken und Lebensmittel an Flüchtlinge zu verteilen. Welthungerhilfe-Mitarbeiter Juma Moussa erzählt von bewegenden Momenten: „Heute ist unsere Ration riesig“, höre ich einen Jungen flüstern. „Was meinst du damit?“, raunt sein Begleiter. „Diesmal sind es drei Lebensmittelpakete, zwei Matratzen und ein Paket mit anderen Dingen“, antwortet der erste. Ich werde misstrauisch und spreche sie an. „Wer seid ihr?“ „Flüchtlinge.“ „Und wo wohnt ihr?“ „In einem Haus.“ Nun will ich genau wissen, ob unsere Winterhilfe wirklich richtig ankommt, und lasse mich von den Jungen und ihren Eltern heimführen. Auf dem Weg erfahre ich Folgendes: Der junge Jalal und seine Familie flohen vor den Kämpfen in der Stadt Homs. Als sie nach Manbij gelangten, half ihnen für kurze Zeit eine lokale Organisation. Lange sei es aber schon her, dass sie von dort Hilfe bekamen. Als die Not immer größer wurde, habe sie sich verzweifelt an eine andere Organisation gewandt, die sie aber ablehnte, weil sie ja schon anderweitig registriert seien, erzählt die Mutter unter Tränen. Seit anderthalb Jahren leben sie nun schon hier. Unterdessen starb ihr Schwiegersohn bei einem Bombenangriff in Homs. Ihre Tochter zieht die beiden Kinder nun allein groß. Ein kleiner Junge und seine Schwester – entwurzelt und traumatisiert. Nichts wird sie je dafür entschädigen können, dass ihnen eine unbeschwerte Kindheit und der Besuch einer Schule verwehrt blieben. Was ich bei der Ankunft am „Haus“ der Familie vorfinde, sagen die Fotos besser als alle Worte. Von diesem Besuch nehme ich zwei Arten von Bildern mit – die einen sind auf der Speicherkarte der Kamera verewigt, die anderen in meinem Herzen. Als eine immerwährende Erinnerung an die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Menschen in Syrien heute leben.

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... und die Küche

Jamal, seine kleine Cousine und sein Cousin, deren Vater starb

Mit Matratzen und Decken wenigstens gegen die Kälte geschützt

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Bericht aus ...

Die Anliegen der Frauen im Blick haben Genau 20 Jahre ist es nun her, dass 1994 der Völkermord und die darauf folgende Flüchtlingskatastrophe Ruanda für einige Monate in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückten. Seither hört man wenig von dem kleinen Land im Herzen Afrikas. Daher war Susana Zschocke als Praktikantin bei der Welthungerhilfe sehr gespannt auf das, was sie dort erwartete: Vermitteln gehört zum Job Bevor wir auf Gras, Moos und Erdhügeln Platz nehmen, fahren wir eine Stunde über Buckelpisten. Während der Trockenzeit wird bei solchen Fahrten so viel Staub aufgewirbelt, dass helle Kleidung (die man zum Schutz gegen Moskitos trägt) nachher unwiderruflich erdbraun ist und man noch eine Woche später das Gefühl hat, Erde einzuatmen. Aber immerhin, man kommt ans Ziel, und ich bin erstaunt zu erfahren, dass dieses weit verzweigte und für die Region so wichtige Straßennetz mit Unterstützung der Welthungerhilfe entstanden ist.

Susana Zschocke und Emmanuel Nshungu­ yinka besuchen die Reisverarbeitungsan­ lage in Gafunzo, an deren Bau auch die Welthungerhilfe beteiligt war.

Zum einen beeindruckten mich die Zeichen des Aufschwunges, die sich durch zahlreiche Bauarbeiten im ganzen Land bemerkbar machten. Besonders berührt aber hat mich die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen, durch die ich mich stets als willkommen oder sogar „eine von ihnen“ gefühlt habe. Intensiv lernte ich die Arbeit der Welthungerhilfe kennen, vor allem Projekte mit den wichtigen Themen „Gleichberechtigung der Frau“ und „Sensibilisierung für die Gefahr von HIV/Aids“. Regelmäßige Trainings führen Frauen wie auch Männer an diese Themen heran. Das erste „Gender-Training“, das ich erlebe, bringt mich mitten in die Natur. Wir sitzen unter Bäumen auf einer Wiese in Hanglage, unter uns im Tal reiht sich Reisfeld an Reisfeld. Diese Kulisse ist typisch für Ruanda. Was angebaut wird, kann von Region zu Region variieren, aber Hügel sind überall und so nennt sich das Land selbst: „The land of a thousand hills“. Dass ein Training mitten im Grünen stattfindet, ist nicht üblich, doch für dieses spontane Treffen im Distrikt Muhanga versammeln wir uns im Freien, was einen zwanglosen, inoffiziellen Austausch der Frauen untereinander ermöglicht.

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Mitten im Wald treffen wir 40 Bäuerinnen, die mich nach ruandischer Art zur Begrüßung alle in die Arme schließen. Nach den Höflichkeiten folgen jedoch hitzige Diskussionen. Der Grund hierfür ist das Alter einer Bäuerin: Für die Bewirtschaftung der Reisfelder arbeiten jeweils fünf Frauen in einer Gruppe zusammen. Wird die körperlich anstrengende Feldarbeit


Bericht aus ...

altersbedingt für eine Frau zu schwer, nimmt optimaler Weise ihre Tochter ihren Platz ein, damit sie ihre Mutter im Anschluss mitversorgen kann. Eine ältere Dame weigerte sich nun, die Assoziation zu verlassen, obwohl ihr Platz schon durch ihre Tochter besetzt war. Die Gender-Beauftragte der Welthungerhilfe, Vénéranda Mukamuganga, hört sich aufmerksam alle Standpunkte an und schlichtet. Schließlich steht fest: Regel ist Regel. Anschließend sprechen die Frauen über Probleme in ihrem Arbeitsalltag. Viele berichten, sie seien kürzlich krank gewesen und hätten deshalb nicht arbeiten können. So ist die gesundheitliche Basisversorgung ein wichtiges Thema. Obwohl der Staat den Sektor stärkt, sind für die Bäuerinnen die Wege zum Arzt weit und Mobilität teuer. Dies ist auch ein Grund dafür, warum auf dem Land zum Beispiel der Zugang zu Verhütungsmitteln nach wie vor erschwert ist. In den Gesundheitszentren sind diese zwar kostenlos zu erhalten, jedoch würde es für die Frauen bedeuten, ihre Arbeit zu unterbrechen, um die nächste Station zu erreichen. Ein solcher Tagesausfall könnte für die gesamte Familie existenzbedrohend wirken, und so wird die Beschaffung auf den nächsten und wieder auf den nächsten Tag verschoben, bis dann die nächste Schwangerschaft einsetzt. Auch in dieser Thematik werden die Frauen von Vénéranda unterrichtet. Und zwar nicht nur sie, sondern auch ihre Männer, die sich in dieser Angelegenheit häufig der Verantwortung entziehen. Erfahrungsgemäß sind es die Frau-

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en, die sich um Verhütung, aber auch hauptverantwortlich um den Lebensunterhalt der gesamten Familie kümmern. Ein weiteres wichtiges Thema ist HIV/Aids und wird in Ruanda öffentlich angesprochen. In der Stadt und an großen Landstraßen weisen Plakate auf die Ansteckungsgefahr hin, und es werden kostenlose AidsTests zur Kontrolle empfohlen. Auch die Welthungerhilfe bietet in den Dörfern Kurse an. Wie wichtig solche Initiativen gerade auf dem Land sind, ist mir während meines Praktikums klar geworden. Denn was die gesundheitlich-medizinische Aufklärung betrifft, besteht ein deutliches Gefälle von der Stadt zum Land. Bedürfnisse berücksichtigen Zum Abschied werde ich erneut von allen Frauen umarmt. Bevor wir die Rückreise antreten, muss ich noch das „stille Örtchen“ aufsuchen und bin heilfroh, dass auch in dieser Hinsicht an die Bedürfnisse der Frauen gedacht wird. In unmittelbarer Nähe befinden sich zwei neu gebaute Toilettenhäuschen. Ohne diese ist eine Frau in Ruanda aufgeschmissen, denn das Land ist so dicht besiedelt, dass man sich nicht einfach unbemerkt hinter einem Bäumchen verstecken kann. Häufig denke ich noch an diese Frauen, die ich dort in Ruanda getroffen habe. So verschieden unsere Welten auch sein mögen – letztendlich haben wir doch so manches gemeinsam.

Foto links: Vénéranda Mukamuganga spricht mit den Frauen über Probleme und hilft bei Lösungen. Zumeist sind Frauen verantwortlich für den Lebensunterhalt der ganzen Familie.

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Panorama

Manfred Sestendrup reichte zum ersten Mal eines seiner lyrischen Werke bei einem Wettbewerb ein – und gewann sogleich einen Preis. Das Gedicht „der mai ist gekommen“ überzeugte die Jury des postpoetry.NRW 2013, der von der Gesellschaft für Literatur und dem Verband deutscher Schriftsteller in Nordrhein-Westfalen bereits zum vierten Mal ausgelobt wurde. Zusammen mit vier weiteren Preisträgern setzte sich Sestendrup in der Kategorie „Lyriker NRW“ gegen mehr als 200 Mitbewerber durch. Das Preisgeld in Höhe von 1.500 Euro investiert er in seinen neuen Gedichtband „Paul tageweise“, der im Herbst 2014 erscheint und dessen Verkaufserlöse zu 100 Prozent der Welthungerhilfe zugute kommen. Seit 1978 stellt der heute 61-Jährige sämtliche Einnahmen seines poetischen Schaffens, seiner Bücher und Lesungen für die Projektarbeit zur Verfügung.

Myanmar • Blick in die Zukunft

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Myanmar Blick in die Zukunft

In 2008 nahm der verheerende Sturm Nargis vielen Menschen in Myanmar die Lebensgrundlage - nicht aber ihren Willen, Zukunft zu gestalten. Gemeinsam mit der Welthungerhilfe und ihren Partnern konnte sich z.B. die Bäuerin Htay Htay Hlaing eine neue Existenz aufbauen. Auf dieser DVD werden in vier Kurzfilmen Geschichten von Menschen in Myanmar vorgestellt, die zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Eine Produktion von Roland Brockmann im Auftrag der Welthungerhilfe, 2013

Welthungerhilfe, Sparkasse KölnBonn, BLZ 370 501 98, Konto 1115

Friedrich-Ebert-Str. 1, D-53173 Bonn Tel. 0228 2288-0, Fax 0228 2288-333, www.welthungerhilfe.de

Die Grüne Woche in Berlin bot vom 17. bis 26. Januar viel Sportliches und Prominenz. So spurteten schon vor der offiziellen Eröffnung rund 100 Berliner Grundschüler durch den ErlebnisBauernhof. Denn die Deutsche Stiftung für den Schulsport hatte versprochen, jede Runde mit einem Euro zu sponsern – für ein Projekt der Welthungerhilfe in Kenia. Gemeinsam ließen Generalsekretär Dr. Wolfgang Jamann und der Geschäftsführer der FNL (Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e.V) Dr. Anton Kraus die Startklappe zuschnappen. Schlagersängerin Claudia Jung, die sich seit vielen Jahren für den Kampf gegen Hunger und Armut engagiert, unterstützte ebenfalls die Spendenaktionen. Eine Stunde lang verkaufte sie Milchshakes zugunsten der Welthungerhilfe. In der Agrarheute-Show sprachen dann Claudia Jung, Dr. Wolfgang Jamann und Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), über ihre Erfahrungen aus den Projektländern der Welthungerhilfe und über die Rolle der Landwirtschaft zur Hungerbekämpfung. Am Ende der Woche freuten sich alle gleichermaßen über 45.000 Euro Spenden für

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www.welthungerhilfe.de

Deutsche Fassung Gesamtlauflänge: ca 13 Min.

Film 1 (Bogale): 3:51 Min. Film 2 (Htan Tabin): 3:07 Min. Film 3 (Htan Tabin, Schulbau): 2:53 Min. Film 4 (Eden): 3:33 Min.

Myanmar

– ein Land im Wandel: Durch die Militärdiktatur fast 50 Jahre lang von der Welt nahezu völlig abgeschottet, öffnet sich das asiatische Land allmählich dem Fortschritt. Für alle, die mehr über Land, Leute und unsere Arbeit vor Ort erfahM YA N M A R ren möchten, gewährt jetzt ein Blick in die Zukunft 14-minütiger Film einen kleinen Einblick. Wir stellen vier Projekte vor und erzählen die Geschichten von Menschen, die heute zuversichtlich in die Zukunft schauen, wie beispielsweise die Bäuerin Htay Htay Hlaing, die sich eine neue Existenz aufbaute. Alle Materialien können Sie kostenlos bestellen unter info@welt­ hungerhilfe.de oder telefonisch unter 0228/22 88-134.

„Grün ist die Hilfe!“ – der höchste Spendenerlös, den es je auf dem ErlebnisBauernhof gegeben hat. Denn dazu gesellten sich weitere 45.000 Euro von Landmaschinenhersteller CASE IH. Geschäftsführer Andreas Klauser (im Foto unten) übergab den Scheck als Startschuss für eine umfassende Unternehmenskooperation mit der Welthungerhilfe.


Panorama

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Beim Tirol Cross Mountain,

einem Schlittenhunderennen mit anschließender Hüttengaudi, machte das Spendensammeln Spaß. Zahlreiche prominente Gäste waren der Einladung des Schauspielers Till Demtrøder zum sportlichen Outdoor-Wochenende ins österreichische Kühtai gefolgt. Hochmotiviert gingen die Gäste auf der fünf Kilometer langen Strecke mit 300 Huskys an den Start. Gedeon Burkhard gewann vor den Schauspielerkollegen Bernhard Bettermann und Eva Habermann. Bereits zum fünften Mal richtete Demtrøder sein Charity-Event aus. Am Ende eines ereignisreichen Tages durfte der Gastgeber eine Unternehmensspende der FineFood Enterprises über 20.222,22 Euro der Welthungerhilfe überreichen. Die Summe wurde von ARCADIA HOTELS und Vienna Hotels anschließend zu 25.000 Euro aufgerundet. Ein großartiges Ergebnis!

Schülerflyer: Warum muss der zehnjährige Adeu morgens Fische fangen? Wie viel Wasser steht der elfjährigen Elisa pro Tag zur Verfügung? Antworten auf diese und auf viele weitere Fragen geben Schülerflyer, die jetzt als Lehr- und Lernmaterial für den Unterricht erschienen sind. Anschaulich und informativ regen sie zum Nachdenken und Mitmachen an. Die Inhalte sind altersgerecht aufbereitet, die Flyer dementsprechend in zwei Versionen erhältlich: Während das Unterrichtsmaterial für Grundschüler spielerisch konzipiert ist, werden den Schülerinnen und Schülern ab Klasse fünf die Lerninhalte bereits vertiefend vermittelt. Anhand zahlreicher konkreter Beispiele und Aufgaben erfahren Kinder und Jugendliche nicht nur Wissenswertes zum Thema Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch über die Arbeit der Welthungerhilfe, unsere Projektländer und die Menschen, die dort leben. Und wer noch mehr wissen möchte: Per QR-Code gelangen Interessierte zu spannenden zusätzlichen Informationen.

Impressum Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e.V. Friedrich-Ebert-Straße 1 53173 Bonn E-Mail: spenden@welthungerhilfe.de

Autoren: Constanze Bandowski, Daniel R. Becker, Martina Hahn, Stefanie Koop, Nora Korthals, Stefan Kreuzberger, Bettina Leichtweis, Juma Moussa, Brigitte Schmitz, Laura Stillers, Ralph Weihermann

Redaktion: Stefanie Koop (Leitung) Katherin Longwe (Grafik)

Gestaltungskonzept / Layout: MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH

Verantwortlich: Mark Ankerstein

Fotonachweis: Atlas Copco (21), Dominique Ecken (22), Erbacher Stiftung (24/25), Thomas Grabka (30),

Jens Grossmann (24) Hacky Hagemeyer (4/5), David Klammer (23), Nora Korthals (10/11), Guido Ohlenbostel (25), Daniel Pilar (24), Spotlight Media Production (20), Ralph Weihermann (6/7/8), Silke Wernet (1/12/13/14/15/16), Welthungerhilfe (9/20/21/23/26/27) Nachdruck erwünscht mit Quellenangaben und Belegexemplar. Lagernummer: 460-9450

2012 betrugen die Aufwendungen der Welthungerhilfe für Verwaltung, Werbung und allgemeine Öffentlichkeitsarbeit insgesamt lediglich 7,9 Prozent. Jährlich erhalten wir das DZI Spenden-Siegel – für unseren effizienten und verantwortungsvollen Umgang mit uns anvertrauten Mitteln.

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Deutsche Welthungerhilfe e.V. | Friedrich-Ebert-Straße 1 | 53173 Bonn Postvertriebsstück, Deutsche Post AG, 76971, Entgelt bezahlt

Deutsche Welthungerhilfe e.V. Friedrich-Ebert-Straße 1 53173 Bonn Tel. 0228/22 88-0 Fax 0228/22 88-203 Internet: www.welthungerhilfe.de E-Mail: spenden@welthungerhilfe.de

Betrag:

Verwendungszweck:

1 0 EU R O

FUR ANNIE IST WASSER ENDLICH E I N E K L A R E S A C H E.

WER MONATLICH SPENDET, HILFT JEDEN TAG.

Konto 1115 • BLZ 370 501 98 • Tel. 0228-2288-176 • www.welthungerhilfe.de


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