Zeitung Welternährung 4/2011

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welternährung Die Zeitung der Welthungerhilfe

4. Quartal 2011 | 40. Jahrgang

peru

Mosambik

D   ossier

Bioanbau ermöglicht Bauern in einer Kokaregion ein ruhigeres Leben – und schont den Boden.

Eine Theaterregisseurin ­ kämpft für mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie.

Die 17. Klimakonferenz im südafrikanischen Durban kann armen Ländern nicht wirklich Hoffnung machen.

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Sonderseiten

50 Jahre Welthungerhilfe im Überblick: Die wichtigsten Etappen, die größten Erfolge, die neuen Aufgaben

© Zanetti

www.welthungerhilfe.de

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WeltHungerhilfe Aktuell

Welthungerhilfe ­ begeht 50. Jubiläum

© picture-alliance/dpa

bonn  |  Am 14. Dezember 2012 wird die Deutsche Welthungerhilfe e. V. 50 Jahre alt. Im Jubiläumsjahr wird es viele bundesweite Veranstaltungen, Aktionen und Kampagnen geben. Anfang Dezember 2011 eröffnete Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann das Jubiläumsjahr. 2012 werden unter anderem eine 10-Euro-Gedenkmünze und eine Sonderbriefmarke erscheinen. Die Kampagne unter dem Motto »Es ist möglich«, die 2012 startet, soll die Menschen aufrütteln. Experten und Querdenker wollen ab Februar neue Perspektiven der Entwicklungszusammenarbeit aufzeigen. pas

gefährliche Mission: Bundeswehrsoldaten befragen einen Mann im Distrikt Char Darreh bei Kundus.

Afghanistan braucht Hilfe Die 10. Internationale Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg Zehn Jahre nachdem die ­internationale Gemeinschaft nach den Anschlägen des 11. September im Jahr 2001 militärisch in Afghanistan ­intervenierte, fand Anfang ­Dezember auf dem Petersberg in Bonn die 10. Internationale Afghanistan-Konferenz unter Vorsitz der afghanischen ­Regierung statt. Es wurden Weichen für die Zeit nach dem Abzug der Truppen ­gestellt.

pflichteten sich, ihre Unterstützung für Afghanistan zu erhöhen. Für die meisten anderen Länder, darunter chon die erste Afghanistan-Konauch Deutschland, fehlen klare Verpflichtungen, wer sich wie ab 2014 ferenz kurz nach dem Einmarsch engagiert. Erst bei der Geberkonfeder Truppen war auf dem Petersberg abgehalten worden. Die Konferenz renz im Juli 2012 in Tokio ­sollen konendete mit der Verabschiedung des sokrete Zusagen folgen, und erst dann genannten Petersberger Abkommens, wird sich zeigen, wer trotz ­Finanzkrise das einen Stufenplan zur MachtüberGeld überweisen wird. gabe an eine demokratisch legitimierte Deutschland sollte, wie es der Regierung nach der Entmachtung der ­Sicherheitsberater des afghanischen Taliban vorsah. Präsidenten, Rangin Spanta, geforAuch auf der diesjährigen Konferenz dert hat, einen Teil der Mittel, die wurden Weichen gestellt. Die Konferenz durch den Abzug der Truppen frei fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem werden, für die wirtschaftliche und die Strategie der internationasoziale Entwicklung des Lanlen Gemeinschaft zu Afghanisdes bereitstellen. Das Land Mehr zum Thema tan vor einem gravierenden braucht ­unseren Beistand. Die Wendepunkt steht: Bis Ende afghanische Regierung muss Das Positionspapier der Welthungerhilfe zu weiterhin bei der Schaffung 2014 sollen die Afghanen nach Afghanistan können Sie im Internet lesen unter: und nach die Sicherheits­ von Arbeits- und Einkomwww.welthungerhilfe.de/venro-afghanistan.html verantwortung für ihr Land mensmöglichkeiten unterübernehmen. Bis zu diesem stützt werden, aber auch Zeitpunkt sollen auch alle NATO-Kampf- rungen zunehmend in Verhandlungen ­Basisdienste wie Schulen und Getruppen Afghanistan verlassen haben. einbezogen werden, ist ein Schritt in sundheitseinrichtungen müssen weiSchon Ende 2011 sollen insgesamt die richtige Richtung. terhin gefördert werden. Mechanis33 000 US-Soldaten abgezogen werden. Vor diesem Hintergrund ist es nur men müssen entwickelt werden, damit Bis Ende 2013 will auch die Bun­deswehr begrüßenswert, dass Bundeskanzle- die Hilfe in transparenter Weise geihre Truppe von aktuell 5350 ­Soldaten rin Angela Merkel auf der Konferenz leistet und Korruption unterbunden auf bis zu 4400 Soldaten ­ver­kleinern. ankündigte, Deutschland werde Af- wird. Angela Merkel und ihr AußenmiDie Gründe für diese Truppenreduzie- ghanistan auch nach dem Abzug der rung sind vielfältig. Zum einen hat sich Truppen nicht allein lassen. Doch was nister werden sich schon bald an ihoffensichtlich die Einsicht verbreitet, heißt das? Viele Afghanen befürch- ren Versprechungen messen lassen dass der Krieg in ­Afghanistan nicht mi- ten, dass mit dem Abzug der Trup- müssen. Die Welthungerhilfe jedenlitärisch zu gewinnen ist. Zum anderen pen das zivile Engagement in Afgha- falls wird sie daran erinnern. spielen innenpolitische Erwägungen, et- nistan sinken wird. Zu Recht. Auf der wa die Präsidentschaftswahlen 2012 in Konferenz setzten ­lediglich Schwe- Dr. Katrin Radtke ist Mitarbeiterin der den USA eine entscheidende Rolle. den und Finnland ein Signal und verWelthungerhilfe in Bonn. Von Katrin Radtke

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Die Bilanz des internationalen Engagements in Afghanistan ist ernüchternd. Die Sicherheitslage im Land hat sich eher verschlechtert als verbessert, und weiterhin gehört Afghanistan zu den ärmsten Ländern der Welt. Noch immer stirbt jedes fünfte Kind, bevor es seinen fünften Geburtstag erreicht. Die Analphabetenrate besonders unter Frauen ist nach wie vor extrem hoch. Weniger als 15 Prozent der Frauen können lesen und schreiben. Ob die afghanische Regierung in der Lage sein wird, die ­Sicherheit im Land herzustellen, ist äußerst ungewiss. Dass alle am Konflikt beteiligten Gruppie-

Schlechte Noten berlin  |  Die Hilfswerke terre des hommes und Welthungerhilfe haben im November ihren 19. Bericht »Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe« herausgegeben. Darin stellen die Organisationen der deutschen Entwicklungshilfe ein schlechtes Testat aus. Während für die Unterstützung von Banken und den EuroRettungsschirm innerhalb weniger Tage Millionenbeträge zur Verfügung stehen, sieht die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bis 2014 einen deutlichen Rückgang der Ausgaben für die Entwicklungshilfe vor. Bestellung des Berichtes: siehe Seite 15. pas

Ulrich Post wieder VENRO-Vorstand bonn  |  Auf der Mitgliederversammlung des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) wurde Ulrich Post von der Welthungerhilfe für weitere zwei Jahre in seinem Amt als Vorsitzender bestätigt. Zu seinen Stellvertretern wurden Dr. Bernd Bornhorst vom Bischöflichen Hilfswerk Misereor, Prof. Dr. h. c. Christa Randzio-Plath vom Marie-Schlei-Verein und Jürgen Reichel vom Evangelischen Entwicklungsdienst gewählt. Auf der Mitgliederversammlung wurde neben einer Bilanz des Jahres 2011 über den Aufbau der Servicestelle für bürgerschaftliches Engagement und das entwicklungspolitische Konzept des Bundes­ ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung diskutiert. pas

Die »Welternährung« wünscht allen ­ Leserinnen und Lesern ein frohes ­Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.

ONLINE SPENDEN: www.welthungerhilfe.de


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Nachrichten

WElternäHrung

Kurz notiert

50 Jahre BMZ

4. Quartal 2011

Auf schnelles Ergebnis aus Wie wirkt deutsche Entwicklungshilfe? Welthungerhilfe und terre des hommes bewerten die Politik

berlin | Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird 50 Jahre alt. Aus diesem Anlass hat das Ministerium die Zahlen & Fakten Kampagne »50 Jahre BMZ. Wir machen Zukunft. Machen Sie mit.« gestartet. Sie beschäftigt sich mit neuen Konzepten für die Zukunft der deutschen Entwicklungspolitik. Im Mittelpunkt der Kampagne ste- ODA-Quote 1960-2010 und Szenario 2011-2015 Deutsche hen 14 Veranstaltungen zu Fragen der deutschen Entwicklungspolitik. Als Geburtstag des BMZ gilt der Deutsche ODA1-Quote 1960 – 2010 und Szenario 2011 – 2015 (ODA in Prozent des Bruttonationaleinkommens) 14. November 1961, der Tag, an dem Walter Scheel Finanzielle, technische oder personelle Hilfsleistungen in Prozent des Bruttonationaleinkommens zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zu0,7 sammenarbeit ernannt wurde. Eine wirklich eigenständige Entwicklungspolitik gestalten konnte das BMZ, als es 1972 die Zuständigkeit für die ­finanzielle Zusammenarbeit mit Partnerländern und internati0,6 onalen Organisationen erhielt. Weitere ­Informationen unter: www.bmz.de/de/ministerium/50JahreBMZ/ jubilaeumskampagne/index.html cas 0,5

von Frauen? Doch für eine langfristig stabile und wirksame Entwicklung sind solche strukturellen Ergebnisse entscheidend. Und noch ein Problem zeigen die Welthungerhilfe und terre des hommes in ihrem Bericht: die fehlende Abstimmung zwischen den einzelnen deutschen Politikressorts. Dabei sind der Zusammenhang von Agrarpolitik, Energiepolitik, Klimapolitik, Finanzpolitik, Außenwirtschaftspolitik und den Entwicklungserfolgen der Entwicklungsländer lange bekannt. 2011 wurde er der globalen Öff­entlichkeit besonders deutlich: Da peitschten entfesselte Spekulanten die Preise für Nahrungsmittel an den internationalen Börsen in die Höhe. Veraltete Industrieanlagen stoßen weiterhin Unmengen an CO2 in die Luft, Grundnahrungsmittel fließen tonnenweise in den Tank europä­ ischer Autos. Das hat Auswirkungen auf die Menschen in den Entwicklungs­ ländern. Die Ursachen der Dürre in 2000 2005 2010 2015 ­Ostafrika sind nicht zuletzt hohe ­Nahrungsmittelpreise, der veränderte Quelle: OECD-Datenbank Quelle: OECD-Datenbank ­Klimawandel und das »Versagen der internationalen Gemeinschaft, auf die bewertet man sie? Das BMZ scheint Warnsignale der sich abzeichnenden der Meinung zu sein, dass nur schnell Krise frühzeitig zu reagieren«, so die erreichbare und zählbare Ergebnisse Autoren des Berichts. gute Ergebnisse sind. Wie sonst lässt sich der Trend zu Projekten mit mög- Klare Forderungen lichst einfachen und leicht überprüfbaren Resultaten erklären? Das Nach- Als Fazit haben die Welthungerhilfe sehen haben fast ausschließlich die und terre des hommes konkrete ForEmpfängerländer: Feste Zielvorgaben derungen an die deutsche Entwickverhindern die aktive Einbeziehung lungshilfepolitik: mehr Mittel im Entdemokratischer Akteure, die Erfolgs- wicklungsetat, weniger Lieferbindung kontrolle ist enorm aufwendig und zum Vorteil der deutschen Wirtschaft, ressourcenintensiv, und das Ausfall- mehr Engagement in multilateralen risiko der Projekte tragen die Regie- Programmen, Transparenz und eine rungen der (»Partner-«)Länder. kohärente Politik, die den Entwicklungsländern wirtschaftlich, sozial und ökologisch keinen Schaden zuWeiche Ziele unbeliebt fügten. Im jährlichen Abschlussbericht der Bundesregierung macht sich die Zahl Tanja Beck ist freie Journalistin gebohrter Brunnen oder neu erbauter in Hattingen. Schulgebäude gut. Projekte mit schwieriger zu erfassenden Zielen sind eher unbeliebt: Denn wie zeigt Weitere Informationen:

Auf halber Strecke

Bewusst essen schützt das Klima berlin | Ernährung ist bundesweit für 15 Prozent der jährlichen Emissionen an Treibhausgasen verantwortlich. Der neue KonsumCheck auf der ­Internetseite »Klima und Schutz« von co2online informiert über die Kohlendioxidbilanz von Lebensmitteln. Dort gibt es auch Tipps für eine nachhal­tige, gesunde und schmackhafte Ernährung. Weitere Informationen unter: www.klima-sucht-schutz. de/energiesparen/energiespar-ratgeber/konsumcheck. html cas

Schulwettbewerb berlin | »Was siehst du, was ich nicht sehe? – Perspektive wechseln!«, heißt der diesjährige Wettbewerb des Bundespräsidenten zum Thema Entwicklungspolitik. Kinder und Jugendliche sollen durch den Wettbewerb dazu angeregt werden, die Welt aus der Sicht des Gegenübers zu betrachten. Beteiligen können sich Schulklassen. Einsendeschluss ist der 7. März 2012. Weitere Informationen unter: www. eineweltfueralle.de cas

Zehn Jahre Bio-Siegel berlin | »Wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin« – mit dieser klaren Botschaft ging das Bio-Siegel nach EU-Öko-Verordnung 2001 in Deutschland an den Start. Zehn Jahre später tragen über 62 000 Produkte im Handel dieses Label. Mehr als 3900 Unternehmen verwenden es. Seit Sommer 2010 gibt es zusätzlich ein EU-Bio-Logo, das ein stilisiertes Blatt aus EU-Sternen zeigt. Neben dem EU-Siegel gibt es weitere Siegel von Anbauverbänden, die eigene, in der Regel strengere Richtlinien aufgestellt haben. Weitere Informationen unter: www.bio-siegel.de cas

Inhalt 1 Titel Die Zukunft Afghanistans nach 2014 2 Nachrichten 3 Reportage In den Minen im Ostkongo verbessern sich die Arbeitsbedingungen 4 Partner & Projekte Nassreis soll Laoten satt machen 5 Fotoreportage Kenias Regenfänger 6 Partner & Projekte Bio statt Koka in Peru 7 Interview In Mosambik kämpft eine Theater- regisseurin für mehr Gerechtigkeit 8 Kontrovers Entwicklung auf Pump ist eine Sackgasse 9 Dossier Klimawandel 13 Hintergrund Windkraftprojekte in Indien ­zerstören die Lebensgrundlage vieler Bauern 14 Medien & Informationen 16 Unterhaltung I–IV Beilage 50 Jahre Welthungerhilfe

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Official Development Assistance (Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit)

bericht | Wie soll Entwicklungszusammenarbeit aussehen? Welche Regeln, welche moralischen Grundsätze, welche Ziele soll sie verfolgen? In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder andere Antworten auf diese Fragen. Politische Interessen und die globale Wirklichkeit veränderten sich – und mit ihnen die Grundsätze der Entwicklungszusammenarbeit. Nun scheinen die Industrienationen wieder an einem Wendepunkt angekommen zu sein, an dem ihre Solidarität mit ärmeren Ländern auf der Probe steht und sie sich entscheiden müssen: Wie soll die Zusammenarbeit künftig aussehen?

Globalisierung ist überall Finanzkrise, Währungskrise, Nahrungsmittelkrise, Klimakrise: 2011 ist das Jahr der Schocks und der Erkenntnisse. Niemand kann mehr leugnen, dass sich die Welt gewandelt hat. Die Globalisierung ist überall: China investiert Milliardenbeträge in das krisengeplagte Griechenland, Brasilien hält mehr US-amerikanische Staatsanleihen als Deutschland und die Schweiz zusammen. Dabei ist der Wille zum Wandel da: Millionen Menschen überall auf der Welt protestieren gegen unmoralisches Verhalten von Finanzakteuren, die Mehrzahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag setzen sich öffentlich ­dafür ein, dass Deutschland das Ziel ­erreicht, 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens in Entwicklungs­hilfe zu investieren. Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) scheint sich Gedanken zu machen: In kaum einem anderen Jahr wurden so viele neue Strategie- und Positionspapiere veröffentlicht wie 2011. Doch wie sieht die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe aus? Welthungerhilfe und terre des hommes haben ihren alljährlichen Bericht zu dieser Frage veröffentlicht. Demnach folgt die deutsche Entwicklungspolitik mit der Unterzeichnung internationaler Abkommen wie der Pariser Erklärung

und dem Aktionsplan von Accra zwar dem allgemeinen Paradigmenwechsel hin zu einer verstärkten Wirksamkeit von Entwicklungshilfe. Doch gleichzeitig widerspricht sich die deutsche Politik in eben dieser Frage. Nämlich dann, wenn es um die Ausweitung der multilateralen als Alternative zur bilateralen Hilfe geht – also um die Frage, ob gemeinschaftlich oder ­allein gehandelt wird. Oder welche Mittel der Entwicklungshilfe in die eigene Wirtschaft fließen dürfen. Bei den Lieferbindungen ist Deutschland ­negativer Spitzenreiter: 2009 waren 27 Prozent der Entwicklungsprojekte Deutschlands liefergebunden, weit mehr als der Durchschnitt aller westlichen Geber. Im technischen Bereich waren es sogar 51 Prozent. Zudem scheint das BMZ einem neuen Trend zu folgen, der zu kurz greift: ergebnisorientierte Entwicklungsfinanzierung. Zwar muss Entwicklungshilfe, um wirksam zu sein, man, dass Entwicklungsprojekte die Ergebnisse erzielen – das liegt auf der Demokratie in einem Land gefördert Hand. Doch welche sind das? Und wie haben? Oder die Gleichberechtigung

www.welthungerhilfe.de/ wirklichkeit-entwicklungshilfe 19.html

Zahlen & Fakten

Wie viel Hilfe kommt im Süden an? Anteil der länderprogrammierbaren Hilfe1 an der g­ esamten bilateralen ODA Deutschlands 2003–2009 Bruttoauszahlungen, in Milliarden US-Dollar Anteil der länderprogrammierbaren Hilfe, in Prozent 11,04 10,0

8,96

9,44 8,65

8,36

7,5 5,29

5,24

5,0 4,25 2,5

0,0

3,25

2,55

2,78

2,67

2,63

2003

2004

2005

2006

Bilaterale ODA (brutto)

4,68

CPA

2007

38,5 48,2

2008

2009

2003

53,1

2004

29,8

2005

Bilaterale ODA (brutto)

30,4

2006

55,9

34,8

2007

2008

2009

CPA

Länderprogrammierbare Hilfe (Country Programmable Aid, CPA) ist ein neues Konzept des Entwicklungshilfe-Ausschusses (DAC) der OECD, um das Niveau der Hilfe zu messen. Es entspricht den ODA-Gesamtleistungen nach Abzug anderer Arten von Entwicklungszusammenarbeit wie Nothilfe, Schuldenerlass und sonstige Leistungen. Quelle: OECD-Datenbank und eigene Berechnungen

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4. Quartal 2011

Reportage

WElternäHrung

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Jeder ein Kleinunternehmer: In Kongos Minen (hier: Goldminen) schürfen häufig auch Kinder. Eine gefährliche Arbeit, wie Musoko Charles Mwenelambo (Foto unten rechts) weiß.

fentlichen Druck aufgebaut. Unter dem Motto »Kein Blut am Handy« wiesen Menschenrechtsgruppen in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Zusammenhang zwischen dem Verbraucherverhalten im Westen und dem Konflikt im Kongo hin. Mit Erfolg: Anfang 2012 tritt in den USA der Dodd–Frank Act in Kraft. Künftig müssen US-Unternehmen nachweisen, dass die von ihnen verwendeten Rohstoffe aus einer konfliktfreien Zone kommen. Händler in Nord- und Süd-Kivu berichten, dass ihre Geschäfte deutlich zurückgegangen seien. Viele Käufer achten offenbar schon heute darauf, keine Mineralien aus Konfliktgebieten in Umlauf zu bringen, weil die in Kürze nur noch schwer zu verkaufen sein werden. Weil das ­Gesetz auch für Endprodukte gilt, wird es voraussichtlich trotz der Tatsache greifen, dass derzeit die meisten kongolesischen Mineralien nach Asien ­exportiert werden. Und in der Europäischen Union wird über die Vorbereitung eines ähnlichen Gesetzes diskutiert.

© Rühl (3)

Exportverbot verhindern

Druck schafft Bewegung Ostkongo: Die Arbeitsbedingungen in den Minen sollen sich verbessern Grubenunglücke, Korruption, Überfälle – Minenarbeiter im zentralafrikanischen Bürgerkriegsland leben gefährlich. Experten aus Deutschland arbeiten seit zwei Jahren an der Einführung von Zertifizierungsstandards mit. Ob es helfen wird? Beobachter sind skeptisch. Von Bettina Rühl

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usoko Charles Mwenelambo steht am Rande einer Traube von Menschen. Seine Kollegen graben konzentriert an der Flanke des Berges. Vor ein paar Tagen hat es in dieser Goldmine im Osten der Demokratischen Republik Kongo einen Erdrutsch gegeben, vier Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Die Leichen sind immer noch in dem Stollen, der bei dem Unglück eingebrochen ist. »Hier passieren ständig Unfälle«, sagt der 25-jährige Goldgräber Mwenelambo. »Die Arbeit ist extrem gefährlich, das weiß jeder.« Er und Tausende andere arbeiten trotzdem weiter, mit Spitzhacke, Schaufel und Taschenlampe. Obwohl sie wissen, dass die Arbeit so gefährlich ist, haben Mwenelambo und seine Kollegen keinen Schutzhelm auf. Der 25-Jährige trägt eine Baseballkappe, ein lehmverschmiertes Hemd und Gummistiefel, Letztere, weil die Stollen zum Teil unter Wasser ­stehen.

»Ich mache das nur, weil es im Kongo keine andere Arbeit gibt«, sagt auch Mwenelambo. Dabei macht er mit der Schürferei im Moment sogar Schulden. Bei den Händlern der Gegend ist er schon mit umgerechnet 2400 US-Dollar im Minus: Geld, das er für Werkzeug investieren musste, in den vergangenen Monaten für das tägliche Überleben verbraucht hat und an Schmiergeld und Gebühren zahlen musste. Den meisten seiner Kollegen hier geht es nicht anders: Die Demokratische Republik Kongo ist zwar ein mit Bodenschätzen gesegnetes Land, dennoch lebt die Bevölkerung in absoluter Armut. In zwei Provinzen im Osten des Landes hält die Gewalt weiterhin an, obwohl der mehrjährige Krieg im Kongo seit 2002 offiziell beendet ist. Mehrere bewaffnete Gruppen kämpfen um die Kontrolle der wertvollen Minen in dieser Region, um den Zugriff auf Gold, Coltan, Kassiterit und andere Bodenschätze. Die Stadt Kamituga liegt auf einem reichhaltigen Goldgürtel in der Provinz Süd-Kivu und damit in einer der beiden Provinzen, in denen Gewalt bis heute weitverbreitet ist.

Die Arbeiter sind überschuldet »Mindestens 85 Prozent der Goldgräber sind völlig überschuldet«, sagt Léonard Kabungulu, der für die kongolesische Menschenrechtsorganisation RIO (Netzwerk für die Erneuerung der Institutionen) hier in Kamituga arbeitet. Das liege zum einen an der langen Kette der Zwischenhändler, die alle am Reichtum mitverdienen, zum anderen an den vie-

len, überwiegend illegalen »Steuern« und Abgaben, die jeder Goldgräber zahlen muss. »Vielen bleibt nichts zum Leben übrig«, bestätigt Thierry Babingua. Er ist der Vorsitzende der Genossenschaft, zu der sich 4800 Schürfer von Kamituga zusammengeschlossen haben. Während heftiger Regen auf das Wellblech prasselt, sitzt er mit einigen anderen Goldgräbern um den Tisch in einer Hütte aus Holzplanken, dem Büro der Genossenschaft. Wer schürfen will, muss sich hier und bei den lokalen Repräsentanten des Bergbauministeriums registrieren lassen und bekommt dann für insgesamt 75 US-Dollar im Jahr einen Goldgräberausweis. Laufende Abgaben gehen monatlich oder jährlich an mehrere regionale Vertretungen der staatlichen Bergbauaufsicht, traditionelle Autoritäten und Chefs, außerdem an ein Unternehmen, das Strom für die Wasserpumpen liefert, und vor allem an die Polizisten und Soldaten. Dabei haben die nach kongolesischem Gesetz in den Minen nichts zu suchen. »Aber sie kommen regelmäßig und fragen nach Essen«, erzählt Babingua. »Sie behaupten, sie könnten sonst nicht überleben.« Laut Babingua verlangen die Soldaten jeden Monat von jedem Goldgräber zehn Gramm des Edelmetalls – bei einem Verkaufswert von 50 US-Dollar. In den Provinzen Nord- und Süd-Kivu werden neben Gold vor allem Zinnerze, Coltan und Wolframit abgebaut, die beispielsweise bei der Produktion von Handys und Computern benötigt werden. Die Informationen über die Zustände in den kongolesischen Minen haben im Laufe der Jahre starken öf-

Um einem faktischen Exportverbot zuvorzukommen, bemüht sich die kongolesische Regierung inzwischen um mehr Transparenz im Bergbausektor. Dabei bekommt sie Hilfe von deutschen Experten. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist seit 2009 im Kongo, um der Regierung beim Aufbau eines Systems zur Zertifizierung der Mineralien zu helfen. »Vor einem Jahr habe ich noch relativ schwarzgesehen«, sagt Uwe Näher, der für die BGR im Kongo ist. »Aber jetzt bin ich recht optimistisch. Durch den internationalen Druck sind die Dinge hier sehr schnell in Bewegung geraten.« Das vom deutschen Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanzierte Projekt hat mehrere Komponenten. Der erste Schritt ist abgeschlossen: Der Kongo hat nun ein Zertifizierungssystem, anhand dessen Näher und seine Kollegen die Minen für Gold, Zinnerz, Coltan und Wolframit in der ­Pilotregion Süd-Kivu ­begutachten. Werden die insgesamt 21 Standards erfüllt, bekommt die Mine ein Zertifikat. »Die wichtigste Voraussetzung dafür ist natürlich, dass keine bewaffnete Gruppe in der Mine ist und illegale Abgaben eintreibt«, sagt Näher. Kamituga würde die Kriterien also nicht erfüllen. Die anderen Normen beziehen sich auf Transparenz, Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Umweltschutz und die Entwicklung der umgebenden Dörfer oder Städte.

Kontrollfahrten oft nicht möglich Angesichts der unübersichtlichen Sicherheitslage im Kongo hält mancher Beobachter das Vorhaben für geradezu naiv. Allein in Süd-Kivu gibt es viele Hundert Minen, von denen etliche schon mangels Straßen nicht zu erreichen sind. Und häufig ist die Fahrt schlicht zu gefährlich. Im vergangenen Jahr zum Beispiel wollte Näher mit Kollegen die Kassiteritmine Nyabibwe an der Grenze zwischen Nord- und SüdKivu besuchen. »Aber die dortigen Milizionäre ließen uns mitteilen, sie würden uns erschießen, sobald wir dort auftauchen.« In diesem Jahr sei der Besuch in Nyabibwe kein Problem mehr gewesen, die Bewaffneten hätten die Mine geräumt. Aus solchen Entwicklungen schöpft Näher Hoffnung für die Bergarbeiter vor Ort. Auch wenn sich die Verhältnisse im Kongo täglich wieder ändern können. Bettina Rühl ist freie Journalistin in Nairobi.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ kongo-hilfsprojekt-strassenbau.html

Welthunger-Index

Rang 81/122 Ländern 39,0 (gravierend)

0 wenig Hunger www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

gravierend 40


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Pa r t n e r & P r o j e k t e

WElternäHrung

4. Quartal 2011

In Khaysone wächst die Hoffnung Laos: Gerade ein halbes Jahr reicht der Reis für die Menschen im Bergdorf bisher. Doch bald soll niemand mehr hungern müssen

magerer Fang: Vor der Schule holt Adeu am Fluss das Netz ein. In der Nacht haben sich nur drei

© Haeberle (2)

Fische verfangen.

ein paar hände voll Reis: Die Familie von Adeu beim Abendessen in ihrer Hütte.

Zwischen Mai und Oktober herrscht in Laos Regenzeit. Für die Bauern im NongDistrikt bedeuten diese Monate Entbehrungen und Hunger. Denn die Reisernte vom Oktober reicht in den meisten Familien höchstens für sechs Monate. Nong liegt im Bergland der Provinz Savannakhet im südlichen Laos. Seine Dörfer gehören zur ärmsten Region in einem der ärmsten Länder der Erde. Von Christiane Zander

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rühmorgens um vier ist der Himmel über dem kleinen Dorf Khaysone im Nong-Distrikt noch tiefschwarz. Die junge Mutter Aleang steht als Erste auf. Sie erhitzt das Wasser, das sie am Abend zuvor mit Kalebassen aus dem Fluss geschöpft hat, um den Reis für den Tag zu dämpfen. Eine spärliche Tagesration muss vier Kinder und drei Erwachsene den ganzen Tag satt machen. Reis ist

das Hauptnahrungsmittel im Dorf Khaysone, doch Reis ist schon lange knapp. Gerade die Bergvölker leiden in Laos oft große Not. Sie leben weltabgewandt, und nur mühevoll lassen sich die Hänge bearbeiten. Die kleinen ethnischen Gruppen sind Minderheiten im eigenen Land. Nur wer das große Glück hat, ein paar Jahre zur Schule zu gehen, spricht neben seiner Stammessprache auch die Landessprache Laotisch. Aleang und ihr Mann Talong waren sich deshalb von Anfang an einig: Jedes ihrer Kinder soll die Schule besuchen. Adeu, der älteste Sohn, geht schon in die 4. Klasse. Er ist zehn Jahre alt, liebt Mathematik und Malen und will unbedingt Lehrer werden. Doch Adeu hat jeden Tag vor dem Unterricht noch zu tun, denn in den Bauernfamilien trägt jedes Kind so gut es geht zum Sattwerden bei. Adeu ist der Fischer in seiner Familie. Mit dem Paddel läuft er ein paar Hundert Meter zum Ufer des Selanong, wo schon das Boot auf ihn wartet. Es gehört nicht seiner Familie allein, sondern geht im Dorf von Hand zu Hand. Flussaufwärts holt der Zehnjährige schließlich sein Netz ein – drei winzige Fische haben sich während der Nacht verfangen. Doch

trotz der ­mageren Ausbeute ist Adeu zufrieden, denn die drei Fische reichen, um Fischpaste herzustellen. Am Ufer übergibt er das Boot dem nächsten Jungen und nimmt dann erst einmal sein Morgenbad.

Bergreis wirft wenig ab Nach dem Frühstück ruft die Schulglocke. Adeus Eltern machen sich mit Körben, Hacke und Sichel auf den zweieinhalbstündigen Fußweg zum Feld. Bergreis macht viel Arbeit. Denn schon bald nach der Aussaat im April sprießt auch das Unkraut, und wer nicht ständig jätet, büßt die Hälfte der Ernte ein. Nassreis dagegen ist mindestens doppelt so ertragreich wie Bergreis, und in den überfluteten Feldern gedeiht unerwünschtes Kraut eher selten. Nassreisfelder gehören deshalb zum Programm der Welthungerhilfe in Khaysone. Schon bald sollen die ertragreicheren Reissorten angebaut werden. Doch zuerst müssen die Experten von Handicap International das Land von versteckten Minen befreien. Die Hilfsorganisation hat T-Shirts im Dorf verteilt. Unter dem Aufdruck »Bei Berühren Lebensgefahr« sieht man

Wissenswertes

Länderinformation

Tod im Reisfeld

Den Hunger beenden: die Projekte der Welthungerhilfe

Mehr als drei Millionen Tonnen Bomben warfen die US-Amerikaner im Vietnamkrieg über Laos ab, einem Land, mit dem sie offiziell keinen Krieg führten. Es war ein heimlicher Krieg des Geheimdiensts CIA, um den Ho-Chi-Minh-Pfad im laotischen Grenzgebiet zu zerstören. Aus 2,4 Meter langen Bomben fielen jeweils 650 tennisballgroße »Bombies«. 30 Prozent dieser kleinen Bomben explodierten nicht und liegen nun als Blindgänger in der Erde. Durch Feuer oder Schläge mit Ackergeräten zünden sie. Die Hilfsorganisation Handicap International bildet für Räumung und Entschärfung einheimische Spezialisten aus. Erst wenn ein Gelände geräumt ist, gibt die Welthungerhilfe für ihre Projekte grünes Licht.

Die Welthungerhilfe hat gerade begonnen, den Menschen im bitterarmen Nong-Distrikt den Weg aus der Hungerkrise zu zeigen. Nassreisfelder und Fischteiche werden angelegt. Zudem soll sich die Ernährungssituation durch China den Anbau von Gemüse und Obst verbessern. Laos Die Menschen leben im Nong-Distrikt bislang Vientiane von der Hand in den Mund, haben kaum Geld, Myanmar Thailand sich Reis zu kaufen, wenn die Ernte nicht Vietnam reicht. Geplant ist auch eine »Reisbank«; dort Kambodscha können sich die Bauern in der Not Reis leihen und später wieder »einzahlen«. Ein Dorfkreditfonds soll den Familien ermöglichen, Saatgut oder Tiere zu kaufen. »Wir müssen uns im Nong-Distrikt langfristig engagieren«, sagt Welthunger-Index Rang 57/122 Ländern 20,2 (sehr ernst) Projektleiter Holger Grages. »Nur so können gravierend 40 wir den Bedürfnissen der Menschen in den 0 wenig Hunger Bergdörfern gerecht werden.« www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

kleine Bomben unterschiedlicher Gestalt. Damit sollen die Menschen vor der Gefahr gewarnt werden, denn viele sammeln die Blindgänger auf, weil Altmetall Geld bringt. Es sind amerikanische Blindgänger aus dem Vietnamkrieg, die noch vier Jahrzehnte später explodieren (siehe linken Kasten). Das Dorf Khaysone wird heute von ausgedehnten Kautschukplantagen gesäumt. Vietnamesische Firmen haben sie 2009 angelegt. Die große Eukalyptusplantage des schwedischen Papierkonzerns Stora Enso ist schon zwei Jahre älter. »Es gibt hier immer weniger Land, um Reis anzubauen«, klagt Bauer Talong. »Uns gehört gerade mal ein halber Hektar.« Zu wenig, um die ganze Familie bis zur nächsten Ernte zu versorgen: Der Vorratsspeicher am Dorfrand ist nach einem halben Jahr leer.

Zusatzverdienst im Kautschuk Talong und die meisten anderen Bauern in Khaysone sind deshalb auf Reishändler aus der Stadt ­angewiesen – und abhängig von ihren Preisen. »270 000 Kip [circa 24,20 Euro, Anmerkung der Redaktion] muss ich in diesem Jahr für einen 30-Kilo-Sack bezahlen«, sagt Talong. Auch das Benzin ist teurer geworden, und die Wege sind weit – die Provinzhauptstadt Savannakhet liegt 270 Kilometer entfernt. Talong verdient das Geld für den Reis als Arbeiter auf der vietnamesischen Kautschukplantage – 25 000 Kip am Tag, etwa 2,15 Euro. Erst am Nachmittag kehren Adeus Eltern zurück, in den Körben haben sie etwas Gemüse und Kräuter, die gut zwischen den Reispflanzen gedeihen, und ein paar wilde Mangos aus dem Wald. Wenn die untergehende Sonne den Dachrand berührt, setzt die junge Mutter Aleang wieder den Wassertopf aufs Feuer. Das letzte Licht des Tages reicht für das Abendessen in der Hütte. Einfache Solarsysteme zur Stromgewinnung können sich nur wenige Familien leisten. Aleang verteilt die Reste des Klebreises. Wie viele Mütter in Khaysone hofft Aleang, dass ihre ­Familie durch die Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe schon im nächsten Jahr mehr zu essen ­haben wird. Christiane Zander ist freie Journalistin in Hamburg.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ laos-frauenfoerderung.html


Fotoreportage

4. Quartal 2011

WElternäHrung

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Text: Katharina Philipps, Fotos: Jens Grossmann und Daniel Pilar

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Die Regenfänger In Kenia machen sich die Menschen Felsen und Dächer zunutze

ie Dürre im Jahr 2011 ist nicht die erste, mit der Kenia zu kämpfen hat: Zwischen 2004 und 2006 litt das Land unter einer anhaltenden Trockenheit. Auch 2007 und 2009 fiel der Regen in manchen Regionen nur spärlich. In Kajiado, wo die Welthungerhilfe besonders aktiv ist, haben die ansässigen Massai 2004 bis 2006 mehr als zwei Drittel ihres Viehbestands verloren und damit auch ihre Lebensgrundlage. Die Dürren kann die Welthungerhilfe zwar nicht stoppen, aber sie kann der Bevölkerung dabei helfen, sie besser zu überstehen. In den vergangenen Jahren hat die Welthungerhilfe gemeinsam mit den Massai Methoden entwickelt, wie sie einfach Regenwasser sammeln können. Dank dieser neuen Methoden haben 72 000 Menschen auch in der Dürre 2011 sauberes Trinkwasser für sich, ihre Tiere und die Bewässerung der Felder. Das Wasser wurde gesammelt mit sogenannten Felsregenfängen. Dieses System ist ebenso simpel wie effektiv: Ein hoher und kahler Felsen wird von einer Mauer eingefasst. Bei Regen läuft das Wasser den Stein hinab und fließt in ein Sammelbecken. Dort befindet sich ein Kiesfilter, durch den das Wasser in Rohren zu einem oder mehreren meist 150 Kubikmeter großen Speichertank geleitet wird. Ein anderer Teil fließt in die offenen Becken, an denen die Massai ihr Vieh tränken. So werden Trinkwasser für Mensch und Vieh hygienisch getrennt, und die Menschen werden nicht krank. Außer Felsregenfängen baut die Welthungerhilfe gemeinsam mit den Menschen vor Ort auch Dachregenfänge an Grundschulen, außerdem Brunnen und Dämme. Die Bevölkerung stellt nicht nur das Material zur Verfügung – Sand, Steine, Wasser -, sondern arbeitet auch selbst auf den Baustellen und verwaltet später die Einrichtungen. Für ihre Mitarbeit bekommen sie von der Welthungerhilfe einen Lohn ausgezahlt, mit dem sie während der Bauarbeiten ihre Familien ernähren können. Jeder, der mithilft, teilt den Nutzen der Wasserstellen.

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2 1 Massai vor einem Wassertank der Welthungerhilfe in Maparasha. 2 Blick auf die Tanks des Olivio Rock Catchments in Mtito Andei. 3 In Eimern bringen die Massai Wasser von Maparasha zu ihren Familien und ihren Tieren. 4 Massai vor einem Wassertank der Welthungerhilfe, der rund um einen Felsen in ­Maparasha gebaut wurde. 5 Teures Nass: Am ­Wasserkiosk lassen sich Kinder Kanister füllen.

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pa r t n e r & p r o j e k t e

WElternäHrung

4. Quartal 2011

Mit Bio besser leben als mit Koka

Im peruanischen Millenniumsdorf Riberas del Huallaga setzen Bauern auf den A ­ nbau von Biolebensmitteln und tun d ­ amit auch viel für die Umwelt

groSSe auswahl: Julia Daza Crisolo und ihr Mann Alberto Hilario Ribadeneira präsentieren verschiedene Kartoffel­ sorten auf dem »Festival der einheimischen Kartof© Welthungerhilfe

fel«. Dort treffen Produzenten der Region zusammen, um ihre Produkte auszustellen und untereinander zu tauschen.

Im peruanischen Millenniumsdorf Riberas del Huallaga bei Huánuco setzen Bauern auf den Anbau von Biolebensmitteln und leben seitdem besser, ruhiger und sicherer als mit der Droge Koka. Auch der Boden profitiert: Vielfalt ersetzt nun Monokul­ turen, die nur mit teurem Dünger Erträge brachten und die Erde auslaugten. Von Martina Hahn

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usebio Ruíz Tolentino benötigt in der Regel 20 Minuten, um morgens von seinem Lieblingsplatz neben dem Herd zu seinem Feld zu gelangen. An diesem Sonnabend allerdings braucht er länger für seinen Fußmarsch – auf dem Marktplatz von Vinchos, einem kleinen Weiler an der feuchten Rückseite der peruanischen Anden, herrscht dichtes Gedränge. Mehrere Dutzend Männer, Frauen und Kinder warten auf die vier Pickups, die sie nach Huánuco bringen sollen. Dort, in Kar ib is ches der Provinzhauptstadt der gleichnamigen Region,

Meer

einer der ärmsten im ganzen Land, ist einmal in der Woche Ökomarkt. Und die Bauern von Vinchos sind die wichtigsten Lieferanten der frischen Biokost. Aus den Lehmhütten rund um die Plaza dringen Salsarhythmen und das Geklimper kitschiger Andenschlager. An den rissigen Mauern lehnen ­Säcke mit der Ware für den Biomarkt: Kartoffeln, Mais, Bohnen, Avocados, Mangos oder Bananen. Eusebio, 60 Jahre alt, aber agil wie ein Mittdreißiger, grüßt nach links, lächelt nach rechts, klopft Schultern und greift nach ausgestreckten Händen, während er sich seinen Weg durch die Menge bahnt. Er kennt die anderen alle beim Namen. Sie sind seine Nachbarn. Viele auch seine Freunde. Und er ist ihr Mentor, ihr Vorbild. Er hat sie beraten – schließlich war er einer der ersten Bauern im Ort, die auf den Feldern den Sack mit synthetischem Dünger gegen Kompost tauschten und jetzt Obst und Gemüse in Bioqualität anbauen. Das Klima hier, auf 2600 Metern Höhe, gilt als eines der besten der Welt. Doch die Böden sind arm an Nährstoffen, die dichten Wälder längst abgeholzt, die Wege zu den Märkten der großen Städte weit. Rund 200 Familien leben in Vinchos. Die meisten von ihnen bauten Jahrzehnte lang nur Kar-

toffeln und Bohnen an. Das hat den Boden ausgelaugt. Zum Verkauf blieb wenig – man war froh, wenn die Kinder einigermaßen satt wurden. Bedrohte ein Schädling die Monokulturen, griff man zur Chemiekeule. Die Familien wurden damit noch ärmer, sagt der ­peruanische Agraringenieur Andrés Fernández Maldonado: »Pestizide und Kunstdünger sind so teuer, dass vom Einkommen durch die Ernte kaum etwas übrig blieb.«

Biosetzlinge sind robuster Dass es anders geht, dass sie mit Landwirtschaft auch zu Geld und gesunden Böden kommen können, haben die Bauern von Vinchos erst 2007 durch das von der Welthungerhilfe und der Europäischen Union finanzierte Programm »Rurandes« sowie die Ernennung zum Millenniumsdorf erfahren. ­Dadurch bekamen sie von Leuten wie Andrés, dem Koordinator des Projektpartners Institut für Entwicklung und Umwelt (IDMA), aber auch von Eusebio Rat und Hilfe. Denn nicht jede Familie kann an den ­IDMA-Workshops teilnehmen. Und so gibt Eusebio sein Wissen gern an seine Nachbarn weiter – auch aus Selbstschutz. »Früher wurden viele meiner Bio-

Wissenswertes PANAMA KOLUMBIEN

Hunger und Armut verringern

ECUADOR

PERU BRASILIEN Lima BOLIVIEN

Paz ifis c her O z e an

CHILE

Welthunger-Index

Rang 9/122 Ländern

5,9 (mäßig) 0 wenig Hunger www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

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Riberas del Huallaga in Peru gehört zu den Millenniumsdörfern der Welthungerhilfe. Diese weltweite Initiative leistet einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Millenniumsziele der Vereinten Nationen: Hunger und Armut sollen bis 2015 deutlich verringert werden, Bil­dung, Gesundheit und sauberes Trinkwasser keine Luxusgüter bleiben. Darauf haben sich­ 189 Staats- und Regierungschefs im Jahr 2000 geeinigt. In Afrika, Lateinamerika und Asien nehmen die Bewohner der Millenniumsdörfer ihr Leben selbst in die Hand, finanzielle und fachliche Unterstützung erhalten sie von der Welthungerhilfe. Das Millenniumsdorf Riberas del Huallaga in Peru umfasst 17 Dör-

fer. Etwa 600 Familien profitieren direkt, über 2000 Kleinbauern indirekt über die Workshops und Hilfen im Rahmen des Projektes. Ziel in Riberas del ­Huallaga sind die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Bioanbau, die optimierte Nutzung einheimischen Saatguts sowie eine bessere Gesundheitsvorsorge und Ernährungssituation in dem Millenniumsdorf. Die Umstellung auf Bio ist eine Investition in die Zukunft und lohnt sich: Peru hat sich zu einem wichtigen Lieferanten von Bioprodukten entwickelt. Um 20 Prozent sind allein 2011 die Exporte von Biolebensmitteln aus Peru gestiegen, so die Exportvereinigung ADEX.

setzlinge herausgerissen und gestohlen – sie waren ja robuster. Heute passiert das nicht mehr. Denn selbst Bauern, die nicht direkt am Projekt teilnehmen, achten nun darauf, eine Vielfalt anzubauen und keine Chemie und Insektizide einzusetzen.« Über das Projekt der Welthungerhilfe erhielten die Bauern auch Samen für die neuen, widerstandsfähigeren Biosorten. Denn einfach die Chemie wegzulassen – »damit ist es nicht getan«, sagt Herman Guerra, Andrés Kollege bei IDMA. »Es braucht für Bio auch bestimmte Techniken, um etwa Wasser ­effizient zu nutzen oder um Biodünger selbst herstellen zu können. Den zu kaufen, kann sich hier kein Mensch leisten.« Heute sorgt in Vinchos der Fruchtwechsel dafür, dass die Böden gesunden. ­Terrassen und Mauern verhindern, dass der Regen die wertvolle Erde ins Tal spült. Vor allem aber, sagt Herman, bedeute Bioanbau das Ende der jahrzehntelang praktizierten Monokulturen. »Unter nachhaltiger Landwirtschaft verstehen wir auch, dass die Bauern das ganze Jahr über Früchte ernten, sich damit gesund ernähren und auch Geld einnehmen können.«

Koka bringt sechsmal mehr Geld Auf die neue Biosaat und umweltfreundlichen Dünger setzt seit drei Jahren auch Mercedes Solorzano Falcón in Pacapucro, einem Nachbarort von Vinchos und ebenfalls Teil des Millenniumsdorfs. Seitdem, sagt sie, »plagen uns die Schädlinge seltener. Und die Früchte halten länger«. Bohnen baut sie, anders als ihr Vater und Großvater, nur noch in einer kleinen Ecke ihres Feldes an. Auf dem Gros des Landes erntet sie Biobananen, Biomais, Bioavocados oder Biomangos sowie Ökogras für ihre Meerschweinchenzucht. Die kleinen Tiere hält sie in einem durch Bambusstämme und Mauern vom Haus abgetrennten Gebäude. Das weiße Fleisch der Meerschweinchen ist extrem cholesterinarm, außerdem sind Meerschweinchen in Peru eine teure Delikatesse. Während Mercedes früher in fünf Monaten umgerechnet 60 Euro für ihre Bohnen bekam, verkauft sie heute pro Woche allein 40 Meerschweinchen – und verdient damit über 100 Euro. Mit dem Geld kann sie ihre beiden Enkel zur Universität schicken. »Ich selbst habe die Schule nur bis zur dritten Klasse geschafft«, sagt Mercedes. Doch der Weg hin zu Bio war schwer. Und gefährlich. Riberas del Huallaga liegt keine 200 Kilometer von Tingo Maria entfernt, einem Hauptanbaugebiet von Koka. Aus den Blättern wird Kokain hergestellt, und Peru gilt inzwischen als größter Produzent der Droge – noch vor Kolumbien. Der Anbau von Koka ist rentabel und leicht, die Blätter können fünfmal im Jahr geerntet werden – und die Preise sind so hoch wie noch nie. Für ein Kilogramm Kartoffeln bekommen die Bauern auf dem Markt umgerechnet zwei Euro, für ein Kilogramm Kokablätter das Sechsfache. »Damit«, sagt Andrés, »kann kein Gemüse konkurrieren.« Und doch kehren immer mehr Bauern aus Vinchos oder Pacapucro der Koka den Rücken zu – aus Angst um ihr Leben und das der Familie. »Viele Bauern aus unserer Region sind zwar in den Dschungel gegangen, um dort Koka anzubauen«, sagt Andrés. »Doch manche kehrten im Sarg zurück.« Denn im Dschungel haben bis heute die Narco-Mafia, Kriminelle und Terroristen des Leuch­ tenden Pfads das Sagen. Auch Eusebio baute jahrelang Koka an. »Ich hatte eine Höllenangst«, sagt Eusebio. »Jetzt lebe ich sicherer und ruhiger.« Entscheidend für den Erfolg der Umstellung von Koka auf Landwirtschaft sei die Unterstützung der Frauen. Und die lokale Vermarktung der Bioprodukte, denn viele Projekte des alternativen Anbaus in Peru, Bolivien oder Kolumbien scheitern daran, dass die Transportwege zu weit sind. Martina Hahn ist freie Journalistin in Berlin.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ millenniumsdoerfer.html


interview

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»Theater ist hier immer politisch«

© Pilar (4)

Mosambik: Über 35 Jahre nach der Unabhängigkeit arbeitet die Leiterin des Teatro Avenida weiter für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit

vielfalt: Neben vielen sozialkritischen Stücken werden am Teatro Avenida auch Klassiker von Henrik Ibsen oder Tennessee Williams aufgeführt.

Interview Manuela Soeiro (66) leitet das Teatro Avenida in Maputo, das durch die Kooperation mit dem schwedischen Bestsellerautor Henning Mankell zu Weltruhm gelangte. In diesem Jahr feiert ihr Ensemble ­Mutumbela Gogo sein 25-jähriges Bestehen. Ein Gespräch über den Verfall sozialistischer Werte, die gesellschaftspolitische Aufgabe von ­Theater und den Traum von Veränderung.

WELTERNÄHRUNG: In diesen Tagen feiert Mosambik den 25. Todestag des Nationalhelden Samora ­Machel. Was ist aus den Werten des Befreiungskampfes wie Gleichheit, Freiheit und Solidarität ­geworden? Manuela Soeiro: Samora Machel war ein Symbol gegen Korruption und Machtmissbrauch. Er hat gegen die Unterdrückung der Portugiesen gekämpft und sich für Freiheit und Gerechtigkeit eingesetzt. Seine Prinzipien haben sich aber leider nicht durchgesetzt. Es gibt heute sehr viel Ungleichheit und Armut in Mosambik. Die Korruption ist in unserem Land ­eine unbestrittene Tatsache. Viel Geld der internationalen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen ist in falsche Kanäle geflossen. Es läuft vieles schief, aber das ist kein Grund, nicht weiterzukämpfen. Welche Ziele verfolgen Sie? Ich kämpfe noch immer für Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft. Ich setze mich für die Gleichstellung der Frauen ein, für Bildung, für echte Chancengleichheit. Diesen Traum hatten wir schon während der portugiesischen Herrschaft. Mein Vater hatte sich bereits während der Kolonialzeit ­gegen die Ungerechtigkeiten der portugiesischen ­Beamten gestellt. Er war Schreiner in der Stadtverwaltung, und wenn der Bürgermeister ihn auf Portugiesisch angesprochen hatte, so antwortete er grundsätzlich in seiner Muttersprache. Ich habe also von Kind auf vorgelebt bekommen, sich aufzulehnen, und bin selbst immer rebellisch gewesen.

­Leben machen und sich für seine Visionen einsetzen. Jeder Mensch sollte seine eigene Mission verfolgen, das gibt dem Leben erst Farbe. Mein Leben leuchtet voller bunter Farben, denn ich verfolge meine eigene Mission: eine Welt voller Solidarität und Gerechtigkeit. Dieses Ziel motiviert mich weiterzumachen. Es treibt mich an. Ich mag keine Routine, es muss immer etwas Neues kommen, und so ist das Leben ein ständiger Fluss. Das Theater ist mein Leben, aber ich verfolge auch andere Projekte wie ein Kulturzentrum, das die verschiedenen Kulturen Mosambiks bewahrt und junge Künstler fördert.

Die Arbeitskräfte aus Mosambik haben das Geld in Südafrika erarbeitet, den Staatshaushalt aufgebessert. Natürlich thematisiert solch ein Stück auch die Frauen, die im Land zurückgeblieben sind und das Leben hier allein bewältigt haben.

Sie inszenieren aber auch klassische Stücke wie beispielsweise Ibsen. Die Stücke von Ibsen sind ganz klar ein Beitrag von Henning [Mankell, Anmerkung der Redaktion]. Wir haben uns 1987 über einen Bekannten kennengelernt. Er mochte meine Art, Theater zu spielen, und seitdem unterstützt er uns. Zurzeit Welche Aufgabe hat das Theater in Ihrem Land? proben wir gerade »Hedda Gabler« von Henrik IbTheater ist in diesem Land immer politisch. In Mo- sen für unsere 25-Jahr-Feier. Das Stück hat Hensambik leben viele Analphabeten, die kein Portugie- ning inszeniert, und ich bin in diesem Fall seine sisch können. In den Zeitungen und dem Fernsehen Assistentin. Wir haben auch schon Woyzeck aufherrscht jedoch das Portugiegeführt oder Ibsens Norma, sische vor. Das bedeutet, dass alles unter der Führung von viele Mosambikaner uninforHenning. Hedda Gabler ist »Wir brechen ein miert sind, nicht wissen, was die Tochter eines Generals. um sie herum geschieht. Wir Hier geht es um Korruption abstraktes Thema machen viel Straßentheater, und um die Rolle der Frau, auf den Alltag der gehen in die Stadtteile, treten beides eindeutig aktuelle ­Menschen herunter.« in Schulen und Gefängnissen Themen in Mosambik. Henauf. Wir wollen Inhalte über ning hat das Stück komplett das Theater vermitteln. Das transformiert und auf die geschieht auf unterhaltsame Art und Weise und be- mosambikanische Realität übertragen. Es hat kaum handelt Themen, die die Menschen bewegen. Es sind mehr etwas mit dem Original zu tun, aber das immer politische Stücke: gegen Korruption, gegen Hauptthema bleibt erhalten. Gewalt in der Familie, gegen Machtmissbrauch, viele Männer-Frauen-Themen. Wie sind Sie zum Theater gekommen? Mein Vater war ein Geschichtenerzähler – ich liebNach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Stücke aus? te diese Geschichten und konnte ihm stundenlang Aktualität ist für mich das wichtigste Kriterium. zuhören. Als ich dann in ein katholisches MädchenAIDS ist bei uns zum Beispiel allgegenwärtig, aber internat in Namaacha kam, erzählte ich meinen es ist schwierig, darüber zu informieren. Sexualität Freundinnen Geschichten. Dort bin ich auch zum ist in Mosambik sehr widersprüchlich: Auf der ei- ersten Mal in einem Theaterstück aufgetreten. Es nen Seite ist es ein absolutes Tabuthema, gerade, war »Quo Vadis«, und ich hatte überhaupt nicht verwenn es um HIV und AIDS geht. Auf der anderen standen, worum es in diesem Stück ging. Das ErlebSeite gibt es bei uns sehr viele Freiheiten. Diese Wi- nis war aber großartig, und dieses Gefühl kann ich dersprüche greifen wir auf, indem wir ein abstrak- noch heute spüren. tes Thema auf den Alltag der Menschen herunterbrechen, denn wir können sie nur erreichen, wenn Das Interview führte Constanze Bandowski, wir auch ihre Sprache sprechen. freie Journalistin in Hamburg.

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Welche Themen behandeln Ihre Stücke? Ich rede gerne über das alltägliche Leben und die mosambikanische Geschichte. Das große Problem meines Landes ist, dass wir über 500 Jahre lang portugiesische Kolonie waren. Während all dieser Jahre wurde die mosambikanische Geschichte nicht erzählt. Sie fand auch in den Schulbüchern nicht statt. Sind Sie heute noch immer kämpferisch? Absolut. Alles, was wir tun, muss eine Richtung Doch diese Geschichten müssen erzählt werden! ­haben. Jeder Mensch sollte das Beste aus seinem Zum Beispiel über die Minenarbeiter in Südafrika.

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WISSENSWERTES

Zur Person Manuela Soeiro wurde 1945 auf der Insel Ibo im Norden der portugiesischen Kolonie Mosambik geboren. Manuela ist eines von sechs Kindern. Ihr Vater konnte die große Familie als Schreiner kaum ernähren. So kam Manuela mit zwei Schwestern in den 50er-Jahren in ein Mädcheninternat des Salesianerinnen-Ordens in Namaacha, das heute als Waisenheim von der Welthungerhilfe unterstützt wird. Während des Unabhängigkeitskampfes (1964–1975) unterstützte sie die sozialistischen Freiheitskämpfer der Frente da Libertação de Moçambique. Sie gewannen 1975 die ersten freien Wahlen der unabhängigen Republik Mosambik. Nach der Unabhängigkeit arbeitete Soeiro als Sportlehrerin sowie in der staatlichen Frauenorganisation in der Hauptstadt Maputo. In ihrer Freizeit spielte sie Straßentheater in den armen Stadtteilen. 1986 gründete sie die erste profes­ sionelle Schauspielgruppe des Landes, ­Mutumbela Gogo. Heute reist die Theater­ direktorin mit ihrem Ensemble durch die ganze Welt.

Länderinformation

In d. Ozean TANSANIA MOSAMBIK SIMBABWE

Maputo

Zum Weiterlesen Henning Mankell: Der Chronist der Winde, dtv-Taschen­ buch, München 2007. Mankell beschreibt das Schicksal des Straßenjungen Nelio, der angeschossen wurde, auf dem Dach eines verfallenen ­Theaters Unterschlupf findet und von einem Bäcker gepflegt wird. Der ­Roman erzählt zugleich die Geschichte von ­Manuela Soeiro und ihrem Teatro Avenida.

MADAGASKAR

SÜDAFRIKA

Welthunger-Index Rang 65/122 Ländern 22,7 (sehr ernst) 0 wenig Hunger www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

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WElternäHrung

kontrovers

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Nord wie Süd leben auf Pump Bei der Entwicklung eines Landes massiv auf Kredite zu setzen, ist eine Sackgasse

Meinung Reinold E. Thiel ist freier Journalist und Autor. Von 1971 bis 1989 arbeitete er für ­Organisationen der Entwicklungs­zusammenarbeit in Afrika und Nahost. Von 1992 bis 2003 war er Chefredakteur der ­Zeitschrift »Entwicklung und Zusammen­arbeit«. In der »Welternährung« kommentiert er ­regelmäßig ­kontroverse Themen.

© REA/laif

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ie »Große Weltwirtschaftskrise« fing 1929 an und dauerte bis weit in die 30er-Jahre. 80 Jahre später sind wir in einer Krise, die alle Chancen hat, die von 1929 zu übertreffen. Sie begann 2007 mit der Immobilienkrise in den USA, als zwei Millionen Familien mit billigen Krediten Häuser kauften, die sie dann nicht abzahlen konnten. Dann kam die Bankenkrise, an deren Anfang die WestLB und Lehman Brothers standen, und die vor allem durch verantwortungslose Spekulationen ausgelöst wurde. Parallel dazu, heute fast schon wieder vergessen, die Krise der Autoindustrie. Die neueste Phase ist die Staatsverschuldungskrise. Jetzt geht es nicht mehr um Hauskäufer oder Banken oder einzelne Industriezweige, die bankrott gehen, jetzt geht es um ganze Staaten. Griechenland, Italien. Wer noch? Deutschland wird von allen Seiten als Anker, als die stabilste Volkswirtschaft Europas betrachtet. Aber auch wir sind verschuldet bis über beide Ohren, in einer Höhe von 2054 Milliarden Euro. Mehr als zwei Billionen. Es gab eine Zeit, in der die Bundeskasse nicht Schulden, sondern Überschüsse verbuchte: Fritz Schäffer, der Finanzminister Konrad Adenauers, hatte bis 1956 ein Guthaben von sieben Milliarden Mark angespart. »Juliusturm« nannte das der Volksmund – darin hatte einst das Kaiserreich seinen Kriegsschatz aufbewahrt. Nach Schäffer begann in der deutschen Politik das große Borgen. Die Schulden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erreichen zusammen unfassbare 9828 Billionen Euro. Auch die USA, der weltweit immer noch größte Wirtschaftsraum, haben auf Pump gelebt. Das war einfach, weil der US-Dollar die Weltreservewährung ist und von allen Staaten gebunkert wird. Man kann US-Dollars in beliebiger Menge neu drucken, sie verschwinden einfach in den Tresoren der staatlichen Zentralbanken. 87-mal seit dem Zweiten Weltkrieg hat der Kongress dem Präsidenten erlaubt, die Schuldenobergrenze heraufzusetzen, und nur die immensen Währungsreserven Chinas (in US-Dollar) haben bisher verhindert, dass die USA von den Wogen einer Inflation überschwemmt wurden. Überall Schulden. Aber vor gut einem Jahrzehnt gab es doch schon einmal eine große Debatte darü-

Unmut: Mit meinem kleinen Einkommen werde ich nicht die Schulden der Großen zahlen – schrieb diese Argentinierin bei einer Demonstration in Buenos Aires.

ber, erinnert sich noch jemand? Da ging es um die Entwicklungsländer. Ende der 90er-Jahre war eine große Zahl dieser Länder so stark in den roten Zahlen, dass sie zusammenzubrechen drohten. Der Weltkirchenrat kramte alttestamentarische Traditionen heraus, wonach in jedem 50. Jahr alle Schulden ­erlassen werden sollten. Showprominente unter Anführung von Bono und Bob Geldof sammelten 20 Millionen Unterschriften. 1997 schlossen sich in Deutschland 850 entwicklungspolitische Organisationen zur »Aktion Erlassjahr« zusammen. Das war auch der Name, auf den das Jahr 2000 getauft wurde. 1998 beliefen sich die Schulden, nach dem WEED-Schuldenreport, für alle Entwicklungsländer zusammen auf 2171 Milliarden US-Dollar. Unter dem Druck der Öffentlichkeit beschlossen Weltbank und Internationaler Währungsfonds eine Initiative zur Reduzierung der Schuldenlast. Auf dem G7-Gipfel in Köln 1999, angesichts einer Menschenkette mit 40 000 Teilnehmern, wurde die HIPC-Initiative beschlossen (HIPC steht für hoch verschuldete arme

gigantisch: Im Juli 2011 zeigte die Schuldenuhr in New York noch rund 14 Billionen

© Polaris/laif

US-Dollar Staatsverschuldung an. Mittlerweile ist die 15-Billionen-Grenze überschritten.

Länder). Von immerhin 80 Prozent der Schulden war könnte es schon beim Bau einer Straße liegen; aber die Rede, die erlassen werden sollten, anderswo nur das setzt voraus, dass man für deren Benutzung eivon 70 Milliarden US-Dollar, einer läppischen Sum- ne Maut erhebt. Das wäre vielleicht denkbar in Inme im Vergleich zu den Gesamtschulden. Heute dien mit seinem hohen Motorisierungsgrad, aber weiß niemand genau, wie hoch die Erlässe waren, nicht im autoleeren Kongo oder in Liberia. Diese Art aber Tatsache ist, dass viele arme Länder wieder so von Krediten für Infrastruktur, für Schulen und hoch verschuldet sind wie vorher. Sie haben neue Krankenhäuser, für alle nicht direkt produktiven Kredite aufgenommen. Schon 2002 hat der Wäh- ­Investitionen, sind es, die sich zu Schuldenbergen rungsfonds den Vorschlag aufgegriffen (der aus auftürmen. In Deutschland wie in Entwicklungs­ Richtung der Nichtregierungsorganisationen kam), ländern. Investitionskredite sind ein Instrument der Beein Insolvenzverfahren für Staaten einzurichten. triebswirtschaft. Der Glaube, es lasse sich auf das Heute wird wieder danach ­gefragt. Kann man mit Krediten eigentlich Entwicklungs- allgemeine Staatsbudget übertragen, ist ein sträflihilfe leisten, wenn so die Folgen sind? In der Wirt- ches Missverständnis. In der Entwicklungspolitik hat schaft ist der klassische Fall für einen Kredit, dass das zur Konsequenz, dass nur im engen wirtschaftlichen Bereich Hilfe durch man eine Investition tätigen Kredite geleistet werden sollwill, neue Maschinen kaufen te, alles andere ist nur sinnoder eine Fabrikhalle bauen, »Kredite für nicht direkt voll, wenn es durch verloreum die Produktion zu erweine Zuschüsse finanziert wird. tern. Da kann man vorausseproduktive Investitionen Die Bundesrepublik hat diehen, um wie viel die Produksind es, die zu Schulden­ ser Einsicht Rechnung ge­ tion und der Gewinn steigen bergen werden.« tragen, als sie 1978 für die werden, und entsprechend ärmsten Länder früher zugedie Tilgungsrate berechnen. sagte Kredite nachträglich in Das Gleiche ist sinnvoll in der Entwicklungshilfe. Wer Cashewnüsse oder Kup- Zuschüsse umwandelte. Aber weder taten wir dies fererz produziert und diese weiterverarbeiten will, mit der nötigen Konsequenz, noch taten es andere wer ein Elektrizitätswerk baut, der wird etwas pro- Geber: Die Überschuldung blieb ein Problem. Heute leben wir unter dem Druck der Schulden, duzieren, das er verkaufen kann. Er tätigt eine produktive Investition, er wird Erträge haben, aus de- hier wie dort. In Deutschland betrugen 1970 die nen er seine Kredite zurückzahlen kann. Und der Staatsschulden 20 Prozent des BruttoinlandsproKredit wird einen Beitrag zur Entwicklung des Lan- dukts, 2010 waren es 80 Prozent, und wer weiß, wie viel es heute sind. Wir brauchen den überwiegendes leisten. Was aber, wenn eine Schule gebaut werden soll? den Teil der jährlich neu aufgenommenen Schulden, Zweifellos sind Schulen eine Voraussetzung für die um die Schulden aus früheren Jahren zu tilgen. Die Wirtschaftsentwicklung, aber sind sie »produktive« HIPC-Initiative von 1999 hätte uns eine Warnung Investitionen? Schütten sie einen Gewinn aus, um für unseren eigenen Umgang mit Krediten geben die Rückzahlung eines Kredites zu erwirtschaften? können, aber seit die Zentralbanken keine GeldmenDer Finanzminister mag sagen, dass die Schule da- gensteuerung mehr betreiben und die Geldschöpzu beiträgt, die Wertschöpfung des Landes insge- fung den Privatbanken überlassen, haben wir nicht samt zu steigern, aber das ist langfristig und weni- mehr auf Warnungen gehört. Wie werden wir einger berechenbar als bei einer Fabrikhalle. Anders mal diese Krise nennen?

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Dossier

WElternäHrung

© Gebremedhin

Überlagert von der Europa-, Euro-, Griechenland- und Italienkrise hat im Dezem­ber zum 17. Mal die Vertrags­ staatenkonferenz der UNKlimarahmenkonvention stattgefunden. Über 190 Staaten waren diesmal in Durban (Südafrika) vertre­ten. Doch e­ ine garan­­tierte Beschränkung der Erwärmung der Erde bis 2100 auf unter zwei Grad Celsius ist nach wie vor in weiter Ferne. Für Entwicklungsländer ist dies eine Katastrophe. Denn sie leiden am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawandels und haben am wenigsten Mittel zur Verfügung, um ihre Einwohner vor den lebensbedrohlichen Folgen zu schützen.

auf hilfe angewiesen: Äthiopien ist eines der ärmsten Länder der Erde – auch diese Frau in Borena ist auf Lebensmittelhilfen angewiesen.

Geld oder Leben? Wenn Staaten beim Klimaschutz versagen, muss sich die Zivilgesellschaft stärker einmischen Unter den gegenwärtigen internationalen Rahmenbedingungen ist es eine Herkulesaufgabe, Armut und Hunger erfolgreich zu bekämpfen. Grund ist nicht nur, dass immer noch viele strukturelle Probleme im Wege ­stehen wie eine ungerechte Welthandelsordnung, fehlgeleitete Subven­tionen oder die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Vielmehr ­erschweren eine Vielzahl anderer ­globaler Bedrohungen wie der ­Klimawandel die Bekämpfung von Armut zusätzlich.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ klima-spezial.html

Von Michael Kühn

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er Klimawandel wird heute weltweit als das zentrale Umweltproblem wahrgenommen, das die Existenz, zumindest aber die gewohnte Lebensweise in den Gegenwartsgesellschaften in allen Regionen der Welt ernsthaft bedroht. Zu ernsthaften Klimaschutzmaßnahmen hat das aber bislang nicht geführt. Die Auswirkungen des Klimawandels verstärken den ohnehin hohen Druck auf die erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen des Planeten. Sieben Milliarden Menschen bevölkern inzwischen die Erde, und alle 14 Jahre kommt eine weitere Milliarde hinzu. 1,1 Milliarden Menschen haben heute noch keinen Zugang zu ausreichend sauberem Trinkwasser, über zwei Milliarden Menschen stehen keine ­Sanitäreinrichtungen zur Verfügung. Knapp eine Milliarde hungert. Trotz des Wissens um die Klimaschädlichkeit der Verbrennung von Öl und die Endlichkeit der Vorkommen ist die Nachfrage ungebrochen. Waren vor zehn Jahren die Industrieländer die Hauptemittenten (circa 80 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Kohlendioxid – CO2), sind es heute zunehmend die Schwellenländer, die durch stetig wachsenden Einsatz fossiler Energieträger die globalen Emissionen in die Höhe schnellen lassen. 2010 ist der Ausstoß von CO2 um insgesamt 512 Millionen Tonnen im Vergleich zu 2009 gestiegen. Das ist mehr als je zuvor und entspricht einem Plus von sechs Prozent. Hauptverursacher von Treibhausgasen (global, nicht pro Kopf) ist China, gefolgt von den USA und Indien. Allein die Treibhausgasemissionen, die 2010 durch Verbrennung von Kohle entstanden sind, stiegen um acht Prozent. Damit sind wir, was die Reduktion von CO2 betrifft, nicht »on track«, wie es in der Sprache der Klimadiplomaten heißt, und steuern bis zum Ende des Jahrhunderts auf eine Erd­ erwärmung um bis zu fünf Grad Celsius zu. Unter diesen Bedingungen steht nicht nur die Armuts­

bekämpfung vor enormen Herausforderungen: Es geht für viele Menschen um die Existenz. In den reichen Ländern kosten Unwetter Geld, in den armen Leben. Diese Ungerechtigkeit erfordert die besondere Verantwortung jener Länder, vor allem der ­reichen Industrieländer, die mit ihren nicht nachhaltigen Produktions- und Konsummustern die Klimaänderung verursacht und die Grenzen des Wachstums längst überschritten haben. An den vergeblichen Versuchen, den Klimawandel politisch zu regulieren, erkennt man nicht nur die Grenzen des Wachstums, sondern zunehmend auch die Grenzen des politischen Handels. Die Staatenwelt steckt in der Krise, die alten globalen Mächte verlieren an Einfluss, die neuen haben sich in der Welt noch nicht wirklich positioniert, viele aufstrebende Staaten wie China, Indien, aber auch Süd­ afrika, Brasilien und Südkorea sind dabei, ihr ­Terrain abzustecken. Wir werden uns an eine neue internationale Staatenarchitektur gewöhnen müssen.

Eigeninteresse geht vor Bei aller Dramatik ist es keine wirkliche Überraschung, dass bei den Klimaverhandlungen in Durban keine bahnbrechenden Ergebnisse zum Klimaschutz vorzuweisen sind. Zu sehr sind die einzelnen Staaten und Staatengruppen in ihren eigenen Interessen verfangen, und zu wenig übernehmen sie die Initiative, um – wie in diesem Fall – ernsthaften Klimaschutz zu betreiben. Zu weit entfernt sind wir noch davon, in großem Stile wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand abzukoppeln von dem Verbrauch fossiler Energien. Armuts- und Hunger­ bekämpfung unter diesen Bedingungen wird so zu einem sehr anspruchsvollen Unterfangen. Wenn aber auf die Entscheidungen der Staaten kein Verlass ist und eine globale Regelung zum Klimaschutz nicht in Reichweite ist, kommt der Arbeit der Zivilgesellschaft zwangsläufig eine zunehmend bedeutendere Rolle zu. Sie muss sich nicht nur bei internationalen Verhandlungen besonders stark en-

gagieren, sondern auch in ihrer alltäglichen Projekt­ arbeit. Die Welthungerhilfe als Organisation der Entwicklungszusammenarbeit sieht jeden Tag, wie gerade die ärmsten Länder der Welt von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffen sind. Ob durch Überschwemmungen Ernten vernichtet werden, die landwirtschaftliche Produktion durch ausfallenden Regen zurückgeht oder Fischer durch zunehmende Extremwetterereignisse ihre Boote verlieren – die Menschen in diesen Ländern werden zunehmend ihrer Lebensgrundlage beraubt und sehen sich zur Migration gezwungen. Für die Welthungerhilfe sind Klimawandel und Entwicklung zwei politische Handlungsfelder, die nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Daher setzt sich die Welthungerhilfe für effizient und sozial gerecht gestalteten Klimaschutz und die Durchsetzung von klimafreundlichen Entwicklungsmodellen, die zugleich die Bevölkerung einbinden, in allen Regionen der Erde ein. Damit die an Armut und Hunger leidenden Menschen mittelfristig ihre Ernährung sichern können, fördert die Welthungerhilfe deren Selbsthilfepotenzial und den Erhalt der natürlichen Ressourcen. Dabei konzentriert sie sich auf die ländlichen Gebiete und arbeitet mit der Bevölkerung und mit lokalen Partnerorganisationen zusammen. Die Welthungerhilfe selbst ist gefordert, ihre Aktivitäten mittel- und langfristig so zu gestalten, dass diese den neuen Herausforderungen in ihrer Vielfältigkeit gerecht werden. Sie müssen dazu beitragen, das Menschenrecht auf Nahrung für heutige und zukünftige Generationen zu sichern sowie demokratisierte Lebensmittelsysteme zu fördern und die Menschen darin zu unterstützen, Ernährungssouveränität zu entwickeln. Es ist nötig, einen systematischen Ansatz zur nachhaltigen Ernährungssicherung zu entwickeln und Programme und Projekte daran auszurichten. Michael Kühn ist Mitarbeiter der Welthungerhilfe in Bonn.

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Die Kleinbauern stärken Hohe Treibhausgasemissionen und Lebensmittelverschwendung durch lange Lieferwege könnten reduziert werden Höhere qualität: Im Millenniumsdorf Gandhiji Songha wird Reis nach dem System of Rice Intensification angebaut, die Qualität über Quantität stellt.

Welche Rolle sollten Kleinbauern spielen? Kleinbäuerliche Landwirtschaft mit ihrem geringen Treibhausgasausstoß kann beträchtlich zur Deckung des globalen Lebensmittelbedarfs beitragen. Aber die Kleinbauern brauchen viel Unterstützung, um sich entsprechend zu entwickeln und anzupassen. Das System of Rice Intensification ist ein Beispiel. Dabei wenden indische Bauern in mehreren Bundesstaaten von Bauern entwickelte Methoden an und erreichen mit weniger Wasser und Chemikalien bessere Ernten. Das funktioniert auch bei anderen Anbauprodukten. Andererseits: Senfbauern in Rajasthan waren nicht in der Lage, sich an den ungewöhnlichen Bodenfrost anzupassen und erlitten im ungewöhnlich kalten Winter 2009 große Verluste. © Boethling

Was könnte in den Industrieländern getan werden? Industrieländer und sich industrialisierende Gesellschaften müssen schnell den Wandel zu einer ­integrierten Landwirtschaft mit niedrigen Emissionen schaffen. Dabei gilt es, lokal angepasste Lösungen neu zu entdecken. Die hohen Subventionen für industrielle Landwirtschaft müssen jetzt aufhören. Der Konsum regionaler Produkte – dieser Trend beginnt ja schon – sollte vergrößert werden. Der Anteil industriell verarbeiteter Lebensmittel hingegen sollte drastisch gesenkt werden. Diese Maßnahmen werden große Mengen Lebensmittel freisetzen, die derzeit noch verschwendet werden.

WELTERNÄHRUNG: Auf die Landwirtschaft entfällt fast ein Drittel des vom Menschen verursachten Treibhauseffekts, wenn man die Entwaldung zur Land­nutzung berücksichtigt. Warum wird die Landwirtschaft in den internationalen Klimaverhandlungen vernachlässigt? Soumya Dutta: Die Angaben zu Treibhausgasemissionen von Landwirtschaft und Entwaldung sind etwas überhöht, und der positive Beitrag der Landwirtschaft zur Speicherung von Kohlenstoff wird nicht berücksichtigt. Die Landwirtschaft wurde in den Klimaverhandlungen vernachlässigt, weil die Chancen, durch die Eindämmung des Klimawandels Geld zu verdienen, nicht sehr klar waren. Nun, da landwirtschaftlich genutzter Boden als Klimaschutzinstrument im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) stärker berücksichtigt wird, verändert sich die Situation – zum Schlechteren. Kurz gesagt, erlaubt CDM den Industrie­ ländern und ihren Unternehmen, Klimaschutz­ projekte dort zu verwirklichen, wo es für sie am billigsten ist, zum Beispiel in Entwicklungsländern, ohne selbst Emissionen zu senken. Zudem waren die Entwicklungsländer, die zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Bauernorganisationen nicht in der Lage, klare Forderungen zur Finanzierung der Klimaanpassung in der Landwirtschaft zu formulieren.

Industrielle Landwirtschaft emittiert gewaltige Mengen Treibhausgase auf mehreren Wegen – indem sie viel energieintensiven synthetischen Dünger und Pestizide verbraucht und von fossilen Energien abhängige Maschinen einsetzt. Auch der Transport und die Verarbeitung von Lebensmitteln Interview sowie die Entwaldung in großem Stil, zum Beispiel für den Zuckerrohr- und Sojaanbau, spielen eine wichtige Rolle. Um eine Lebensmittelkalorie herSoumya Dutta ist Mitbegründer und Fühzustellen, verbraucht die industrielle Landwirt- Welche politischen Instrumente halten Sie für rungsmitglied des India People’s Science schaft sechs bis acht Kalorien aus überwiegend ­geeignet, welche nicht? ­Forums (Bharat Jan Vigyan Jatha, BJVJ), Der Emissionshandel in der fossiler Energie. Die bäuerli­einer Basisbewegung, die sich der Auf­ Landwirtschaft wird für die che Low-Input-Landwirtklärung vor allem in den Bereichen KlimaKleinbauern Unheil bedeuschaft wendet dafür nur wandel, Wasser, angepasste Technologien »Der Emissionshandel ten, weil die Märkte große 1,5 bis zwei Kalorien auf. und Gesundheit widmet. Das BJVJ trat – Kapazitäten und großes Geld wie die Welthungerhilfe – bei der UN-­ in der Landwirtschaft bevorzugen. EmissionssteuUnberechenbare KlimaschwanKlimakonferenz in Durban auf. Der frühere wird für die Kleinbauern ern auf alle energie- und kungen treffen Bauern in EntComputerspezialist und Wissenschafts­ Unheil bedeuten.« treibhausgasintensiven Prowicklungsländern viel härter journalist Soumya Dutta baute in ganz zesse sind ein richtiger als in Industrieländern ... Indien People’s-Science-Gruppen auf, Schritt. Aber auch hier muss ... zum Beispiel in Indien: Zu führte mehr als 100 Workshops für Lehrer hohe Nachttemperaturen führten im vergangenen der Entwicklungsstand eines Landes berücksichtigt durch und initiierte den jährlichen NatioJahr zu einem Ernteverlust bei Wintergetreide von werden. Kleinbäuerliche Landwirtschaft mit allen nal Children’s Science Congress mit. zwei Prozent, das waren 4,5 Millionen Tonnen. In Mitteln zu fördern – durch besser geeignete Meeiner unserer Studien berichteten Kleinbauern aus thoden und Technologien, Geld zur Anpassung an den Distrikten Kangra und Mandi im Bundesstaat den Klimawandel und politische Unterstützung –, Himachal Pradesh von Produktivitätsverlusten von wird zu höherer Ernährungssicherheit führen, mehr 20 Prozent in den letzten sechs Jahren. In Distrik- Einkommen schaffen und die Treibhausgasemissiten des Bundesstaats Uttarakhand wurde dieses onen reduzieren. Welche Rolle spielt die industrialisierte Landwirt- Jahr die Ernte von Kidneybohnen, die zum Verkauf schaft für den Klimawandel? gedacht sind, von ungewöhnlich starken Oktober- Verbraucher sind sich oft nicht bewusst, welchen regenfällen beeinflusst. Das ist verheerend für die- Klimaeffekt die Landwirtschaft hat. Würde Aufkläse Familien, die ohnehin kaum mehr erwirtschaf- rung etwas bewirken? Ein besseres Verbraucherbewusstsein und Aufkläten, als sie selbst verbrauchen. Wissenswertes rung werden helfen, aber nur unter förderlichen Auf der einen Seite zerstören extreme Wetterereig- politischen Rahmenbedingungen, sowohl wirtnisse Agrarland, auf der anderen Seite muss die Land- schaftlich als auch sozial. Die nationale und die inwirtschaft produktiver werden, um die wachsende ternationale Wirtschaftspolitik werden sich von der Methodenmix ist der Schlüssel Landwirtschaft als profitorientiertem Geschäftsfeld Weltbevölkerung zu sättigen. Wie soll das g­ ehen? Zuallererst muss die Ursache des Klimawandels – verabschieden und sie zu einem Bereich entwickeln Der Klimawandel bedroht die Nahrungsmit- zu dem sie gehören. Genauso funktionieren exzessive Treibhausgasemissionen – an der Quelle müssen, der die Lebensmittelversorgung und die telproduktion und damit die Ernährungssi- die Projekte der Welthungerhilfe: Sie schütbekämpft werden. Keine noch so große Klimaan- Einkommen für die Menschen in der Welt sichert. cherheit weltweit. Am verwundbarsten sind zen vorhandene Ackerflächen vor Wetterexpassung oder neue Farmtechnologie kann das leisKleinbauern. Die industrialisierte Agrarwirt- tremen und Erosion, ­sichern das Wasser, ten. Lebensmittelverschwendung, sowohl in Form schaft hingegen trägt maßgeblich zum setzen auf Diversifizierung und lokal angeDas Interview führte Elke Bieber, von Nachernteverlusten als auch durch lange Treibhausgasausstoß bei. Die Welthunger- passte Methoden wie integrierten Pflanzenfreie Journalistin in Troisdorf. ­Liefer- und Verarbeitungsketten in den Industriehilfe fordert deshalb, die Emissionen zu schutz, schonende Waldnutzung und Agroländern, muss minimiert werden. Die extrem unsenken, die durch die Landwirtschaft und forstwirtschaft. So steigen Erträge und gleiche Verteilung und der ungleiche Zugang zu durch die Gewinnung von Agrarflächen ent- Einkommen; Boden- und Wasser­verlust Lebensmitteln sind ein anderer wichtiger Punkt. Welthunger-Index stehen. Zugleich sollen Kleinbauern befä- werden gestoppt. Richtig gefördert sind Rang 67/122 Ländern 23,7 (sehr ernst) Bauern entwickeln und praktizieren zudem lokal higt werden, sich dem Klimawandel anzu- kleinbäuerliche Betriebe der Schlüssel zur gravierend 40 angepasste Methoden, um höhere Erträge mit we- 0 wenig Hunger passen und das Ökosystem zu stabilisieren, ­klimafreundlichen Entwicklung. niger Input zu erzielen. www.welthungerhilfe.de/whi2011.html

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»Wir sitzen alle im selben Boot« Nicaraguas Landbevölkerung rüstet sich gegen Naturkatastrophen – Messstationen und eine umfassende Datenbank wurden aufgebaut Nicaragua wird immer wieder von Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen, Erdbeben und Vulkanausbrüchen heimgesucht. Ein ­umfassendes Katastrophenfrühwarnsystem soll helfen, das Schlimmste zu verhindern.

irgendjemand, was zu tun sei. Um die ersten Lebensmittelpakete in Empfang zu nehmen, mussten die Dorfbewohner 22 Kilometer zu Fuß gehen. Das Nachbardorf hingegen, deutlich weniger zerstört, bekam ständig Unterstützung von diversen Organisationen – weil es näher an der Straße lag. Als ­Maria Gilma 2005 Bürgermeisterin von San Juan de Limay wurde, gehörte der Katastrophenschutz zu ihren Prioritäten. »In Nicaragua gibt es alles: Erdbeben, Vulkanausbrüche, Wirbelstürme, Dürreperioden und Überschwemmungen«, sagt sie. »Darauf muss man sich vorbereiten.« Sie tat sich mit der Welthungerhilfe zusammen, und gemeinsam bauten sie ein umfassendes Frühwarnsystem auf. Heute existieren Rettungsbrigaden mit über 7000 Mitgliedern, bestehend aus Sanitätern, Feuerwehrleuten, Polizisten und Freiwilligen, die für den Notfall ausgebildet wurden. Und entlang des Flusses gibt es von den Anwohnern betriebene Messstationen. Jeden Tag notieren Freiwillige den Pegel des Flusses und die Niederschlagsmenge und geben die Daten mittels eines solarbetriebenen Funkgeräts an den Katastrophenschutz der Regionalmetropole Estelí weiter. »Hier können wir die Daten auswerten und gefährdete Viertel evakuieren, bevor die Flutwelle kommt«, sagt Oberstleutnant Alvaro Rivas, der Leiter des Katastrophenstabs von Estelí.

Von Sandra Weiss

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ie viele Rettungssanitäter gibt es in León? Wohin evakuiere ich bei einer Naturkatastrophe die Menschen aus La Estanzuela? Wer ist der Leiter des Katastrophenstabs von Estelí? Welche Dörfer der Gemeinde Rivas an der Pazifikküste ­Nicaraguas sind besonders überschwemmungsgefährdet? Carlos Rodriguez Herrera hat auf alles eine Antwort – und das innerhalb von Sekunden. Ein paar Mausklicks, ein paar Eingaben ins Suchfeld auf der Internetseite des nicaraguanischen Katastrophenschutzes – und schon leuchtet die Antwort am Computerbildschirm auf. Seit zwei Jahren bastelt der Informatiker im Auftrag der Welthungerhilfe an einer Datenbank, die im Falle einer Katastrophe den Helfern und ­politischen Entscheidern so schnell wie möglich Informationen liefert. »Das ist ungemein wichtig, weil man nach einem Unglück rasch handeln muss. In den ersten 72 Stunden können noch Menschenleben gerettet werden«, weiß der junge Techniker. Deshalb werden die Daten gehütet wie ein Goldschatz. Zur Sicherheit steht ein zweiter Server bei der Regierung in der Hauptstadt Managua – angeschlossen an einen Notfallgenerator. Carlos Programm hat bereits Geschichte geschrieben. Anfänglich skeptisch wie bei jeder Neuerung, sind die Nutzer inzwischen begeistert. Der Wetterdienst, die Universitäten, staatliche Stellen in einem Land, in dem verlässliches statistisches ­Material sonst Mangelware ist, greifen alle gern auf die Datenbank zurück, die vor Ort von den Gemeinden gespeist und aktualisiert wird. Vorerst begrenzt auf 153 Gemeinden, soll mittelfristig ganz Nicaragua katalogisiert werden. Auch die Nachbarländer haben Interesse an dem Programm angemeldet.

Katastrophen nehmen zu Normalerweise ist der Estelí-Fluss ein flaches, träges Rinnsal, bequem zu durchwaten an den vielen Passagen, die von den Behörden mit Zement befestigt wurden. Brücken gibt es nur sehr wenige. Sie sind für das bitterarme Land zu teuer, ebenso wie Dämme. In der Regenzeit kann sich der Estelí innerhalb kürzester Zeit in ein reißendes Gewässer verwandeln, jede Überquerung wäre lebensgefährlich. Hinter der Mündung in den Coco-Fluss vervielfacht sich die Wassermenge. Rund 170 000 der 525 000 Einwohner sind laut Katastrophenschutz im Norden von Überschwemmungen gefährdet; 25 000 von Erdrutschen, hundert Dörfer von Waldbränden. Und die Katastrophen sind häufiger und extremer geworden, hat Alvaro Rivas festgestellt. Doch nicht nur Zahl und Stärke der Naturgewalten macht die Menschen so verletzlich, sondern die prekären Umstände, in denen sie leben: Häuser aus Spanplatten mit Zinkdächern, ohne Fundamente, errichtet auf gestampftem Lehmboden drängen sich irgendwo illegal am Flussufer oder an Hängen. 27 Prozent der Nicaraguaner verdienen weniger als einen US-Dollar am Tag und leben in absoluter ­Misere. Naturkatastrophen treffen die Allerärmsten besonders häufig.

1200 Millimeter Regen

Ablesen und funken Im Vergleich zu ihnen lebt Rosario Ruiz in bescheidenem Wohlstand. Ihr Steinhaus steht in Despoblado, dem letzten Ort an der Schlaglochpiste, die von Estelí in die Berge führt. Rosarios Haus liegt in der Nähe des friedlich dahinplätschernden Bergbachs. Überschwemmungen hat Rosario selten erlebt. Dennoch hat sie sich bereit erklärt, die Wetterstation der Welthungerhilfe in ihrem Vorgarten zu installieren. Jeden Morgen um sieben Uhr liest sie die Niederschlagsmenge ab und funkt den Stand nach Estelí. »Wenn ich damit den Menschen helfen kann, die weiter unten am Fluss leben, mache ich das gerne«, sagt die 43-Jährige. »Wir sitzen doch alle im selben Boot.« Sandra Weiss ist freie Journalistin in Brasilien. © Zanetti (3)

Was auf den ersten Blick anmutet wie die Spielerei eines Technikfans, ist für ein vom Klimawandel und von Naturkatastrophen besonders häufig betroffenes Land wie Nicaragua überlebenswichtig. Nicht nur Nothilfe kann so viel besser organisiert werden, auch die Erfassung der Schäden wird präziser und erleichtert Nichtregierungsorganisationen und der Regierung den Wiederaufbau und die effiziente Ver- im laufschritt: Mitglieder von Bürgerwehr, Feuerwehr, Militär, Rotem Kreuz und Polizei trainieren wendung von Ressourcen. Die Datenbank ist nur ein Notfallmaßnahmen im Fall einer Überschwemmung. Aspekt eines viel umfassenderen Konzepts des Katastrophenschutzes. Maria Gilma Rosales aus dem kleinen Bergdorf San Juan de Limay im Norden Nicaraguas ist eine zupackende, energische Frau. Sie hat 1998 den verheerenden Hurrikan Mitch miterlebt, der allein in ­Nicaragua 3800 Menschen in den Tod riss. In zehn Tagen, die die Hurrikanausläufer über der Region verharrten, ergossen sich 1200 Millimeter Niederschlag auf die von der Regenzeit längst gesättigten Böden. Berge rutschten ab, Flüsse schwollen zu reißenden Strömen an, Straßen, Brücken, Häuser wurden zerstört. Das traumatische Erlebnis und das völlige Versagen der staatlichen Institutionen prägten ­eine ganze Generation. »In Limay schwoll der Fluss enorm an, es war ein dumpfes Grollen. Er riss alles mit sich, auch eine Nachbarfamilie ertrank darin«, schildert die 59-Jährige. Noch Jahre später stehen ihr dabei die Tränen in den Augen. Das Dorf war tagelang von der Außenwelt abgeschnitten, es gab keine Verbindung, weder Strom noch Telefone funktionierten. Die Verletzten wurden von den Nachbarn notdürftig versorgt, es gab weder Rettungsbrigaden noch wusste Land unteR: Auch 2011 gab es im Norden Nicaraguas Überschwemmungen.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ nicaragua-hilfsprojekt-fruehwarn.html

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Goodbye Klimaschutz: Greenpeaceaktivisten verkleideten sich in Durban als Bäume und demons­ trierten für verbindliche Klimaziele. Leider brachte die Konferenz nicht die dringend

© picture-alliance/dpa

­nötigen Ergebnisse.

Feilschen im Namen des Klimas Die Ergebnisse von Durban schließen die großen Verursacher mit ein – aber der Inhalt fehlt und muss dringend nachgeliefert werden

© Welthungerhilfe

Standpunkt

Jasmin Arickal ist bei der Welthungerhilfe für das Projektland Pakistan zuständig und befasst sich im Rahmen ihrer Arbeit mit verschiedenen Klimafragen. Michael Kühn ist Klimareferent der Welthungerhilfe und hat bereits die vorherigen Klimagipfel für die Welthungerhilfe kritisch mitverfolgt. Beide ­waren in Durban als Vertreter der Welthungerhilfe vor Ort und haben von dort aus berichtet.

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enn du eine Ziege willst, musst du ein Kamel verlangen! So lautet das somalische Sprichwort, das Vertreter von über 190 Staaten zu einem gemeinsamen Nachfolgeabkommen rechtlich verbindlicher Klimaschutzziele in Durban verlocken sollte. Endlos zog sich die finale Phase des Klimagipfels hin. Das Ergebnis: eine schwächelnde und kränkelnde Ziege. Der bislang längste Klimagipfel wurde am Morgen des 11. Dezember 2011 abgeschlossen. Die südafrikanische Präsidentschaft hat es wider Erwarten geschafft, die internationale Staatengemeinschaft zu einem gemeinsamen Beschluss zu führen. Mit emotionalen Kernbotschaften und viel diplomatischer Körpersprache wurde ein Durban-Fahrplan verabschiedet, der unter anderem eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls nach 2012 vorsieht. Das war so nicht unbedingt erwartet worden. Neben Russland und Japan drohte auch die EU, einer zweiten Verpflichtungsperiode nicht zuzustimmen. Sie knüpfte ihre Zustimmung zu einer Verlängerung an die Bedingung, dass es mindestens ein Mandat für ein global verbindliches Abkommen zur Reduzierung von Treibhausgasen ge-

ben muss, das alle Emittenten erfasst. Bis zur letz- für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen in den ten Stunde war dieser Standpunkt für die EU Entwicklungsländern zur Verfügung stellen soll. Er unverhandelbar. Die indische Umweltministerin bleibt erst einmal leer. Daran ändern auch die von hingegen pochte darauf, dass die Industrieländer der deutschen Bundesregierung in Aussicht gestellihre historische Schuld an den Emissionen beglei- ten 40 Millionen Euro nichts. Sie sollen in erster chen müssen, während ihr Land noch das Recht auf ­Linie für den Aufbau von Kapazitäten zur Nutzung Entwicklung habe, und wies nebenbei darauf hin, des Fonds in Entwicklungsländern bereitgestellt dass ihr Land bereits erfolgreich und mit eigenen werden. Woher das Geld für den Fonds aber kommt, Mitteln Klimaschutz betreibe. Im Norden gehe es wie viel und wann der Fonds seine Arbeit aufnehum die Aufrechterhaltung des Lifestyles, in Indien men wird, ist noch völlig unklar. um die Nachhaltigkeit der Überlebenssicherung. Mit der Durchsetzung ihres VerhandlungspaStarke Worte, die auf das versammelte Plenum Ein- ketes haben die EU-Länder Erwartungen geschafdruck hinterließen. fen, an denen sie künftig gemessen werden. Das Trotzdem konnte die EU mit Unterstützung der betrifft vor allem die finanzielle Unterstützung bei weniger entwickelten Länder der Anpassung an den Klialler Kontinente sowie der mawandel in den EntwickGruppe der kleinen Inselstaalungsländern, aber auch die Ein Sprichwort besagt: ten (im UN-Jargon AOSISBereiche TechnologietransStaaten) letztlich ein globafer und Kapazitätenaufbau. »Wenn du eine Ziege les Abkommen durchsetzen. Werden sie nicht erfüllt, willst, musst du ein Bis zum Jahr 2015 soll ein war das mit Sicherheit die ­Kamel verlangen!« neues rechtlich verbindliches letzte Allianz der Willigen, Klimaabkommen erarbeitet und die Entwicklungsländer werden, das aber erst 2020 in werden sich für ihre BelanKraft tritt. Unmittelbar nach der Konferenz gab Ka- ge in Zukunft andere Alliierte suchen. nada seinen Rückzug vom Kyoto-Protokoll beIn Durban wurde vor allem über eine neue Laskannt. tenumverteilung gesprochen. Das ist neu und gut. Große Euphorie aufseiten der Zivilgesellschaft Dafür wurde die Hülle geschaffen. Das Wichtigste, und selbst der Entwicklungsländer stellt sich aus der verbindliche Inhalt, fehlt noch. Die Angst der zwei Gründen nicht ein. Zum einen enthält die zwei- internationalen Staatengemeinschaft vor einem te Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls noch Scheitern des Klimagipfels war letztlich größer als große Lücken und erfasst nur 15 Prozent der globa- der Wille zu einem erfolgreichen Beschluss. Nachlen Emissionen. Zum Zweiten gibt es für alle übri- teilig wirkt sich das mal wieder für die vom Klimagen Staaten bis 2020 keinerlei Verpflichtungen zum wandel am stärksten betroffenen EntwicklungslänKlimaschutz, und die freiwilligen Verpflichtungen der aus. Den Menschen im Pazifik, an den Küsten reichen bei Weitem nicht aus, das Zweigradziel auch Indiens oder Bangladeschs steht das Wasser sinnnur annähernd zu erreichen. Wir bewegen uns bis bildlich bereits bis zum Hals. Sie haben in Durban zum Ende des Jahrhunderts nach jetzigem Stand bunt und eindringlich demonstriert, wie dringend weiter auf eine Erderwärmung von drei bis vier Grad notwendig echter Klimaschutz und Anpassung zu. Selbst eine wirklich erfolgreiche Klimapolitik heute sind. wird das wohl kaum noch beeinflussen können. Dass aus der Ziege vielleicht einmal ein Kamel Da hilft es auch nicht, dass in Durban der Green wird, ist eher unwahrscheinlich, aber wenigstens geClimate Fund formal eingerichtet wurde, der Gelder sund sollte sie sein.

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LiteraturTipp

Klimawandel und ­Projektarbeit Der Klimawandel trifft die Menschen in Entwicklungsländern am stärksten. Denn klimatische Veränderungen wie zum Beispiel Dürren oder Überschwemmungen haben direkten Einfluss auf die Verfügbarkeit von Wasser und auf die Landwirtschaft. Nachhaltige Ernährungssicherung bedeutet, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. Die Broschüre zeigt, wie man schon in der Projektplanung Erfolg versprechende Strategien zur Anpassung an den Klimawandel definieren kann und was bei der Planung von Einzelprojekten berücksichtigt werden muss. Die Broschüre können Sie kostenlos bestellen unter: info@welthungerhilfe. de oder Telefon: (0228) 22 88-454.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/durbanabschluss-klimakonferenz.html


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Windräder statt Bäume Indien: Windkraftprojekte zerstören eine »grüne Lunge« und die Lebensgrundlage vieler Kleinbauern Indien will seinen Energiehunger auch mit erneuerbaren Energien stillen. Ein guter Plan, doch scheint er nicht immer sinnvoll umgesetzt zu werden. Nördlich von Mumbai wird Regenwald gerodet, Lastwagen wirbeln Staubschwaden auf die Felder, die die Ernte ersticken. Die Bewohner der anliegenden Dörfer versuchen sich zu wehren – bislang ohne Erfolg. Von Rainer Hörig

18 Bergdörfer sind betroffen

© Hörig (2)

Das Dorf Kude, nur wenige Kilometer außerhalb der Grenzen des Wildschutzgebietes wird von 15 schlanken Windkraftanlagen überragt, die entlang der Kuppe eines nahen Berges stehen. Kude ist einer von drei Standorten des Andhra-Lake-Windparks bei Bhima­ shankar. Die Firma Enercon India stellt hier 142 Wind-

protest: Ganpat Madage (links), einer der Dorfältesten im Adivasi-Dorf Karpud, und Journalist Atul Kale kämpfen gegen die Eingriffe in die Natur.

kraftanlagen auf. 18 Bergdörfer sind von dem Energieprojekt betroffen. Im März 2010 begannen die Bauarbeiten. Mit Dynamit und Bulldozern werden Zufahrtsstraßen in die Berghänge getrieben und Fundamente für die Windräder ausgehoben. Damit Schwertransporter die riesigen Rotorenblätter und Generatoren an entlegene Orte bringen können, mussten die Straßen verbreitert werden. Die Bauarbeiten machen der Bevölkerung das Leben schwer. »Der Straßenverkehr ist sprunghaft gewachsen«, klagt die Bäuerin Suman Kanaskar. »Tieflader, Betonmischer und Lastwagen brausen durch unser Dorf. Der Staub, den sie aufwirbeln, setzt sich auf den Feldern ab, behindert die Bestäubung und verdirbt die Ernte. Normalerweise kann ich fünf Säcke Hirse ernten, aber in diesem Jahr habe ich nicht einmal einen Sack bekommen!« Die Bauern von Kude protestierten gegen die Zerstörung ihrer Umwelt, aber der Bauherr habe

Wenn die indische Wirtschaft weiter wachsen sere Reisfelder. Bald wird der Monsun einsetzen, und hier in den Bergen regnet es sehr heftig. Wir be- soll, benötigt sie vor allem viel Energie. Heute wird fürchten, dass das lose Gestein dann bergab gespült das Gros der Stromproduktion aus heimischer Kohle gewonnen. Aber auch bei der Nutzung erneuerwird und unsere Felder begräbt.« barer Energiequellen mischt Indien ganz vorn mit. Bei der Nutzung von Windenergie beispielsweise Trotz Baustopp geht es weiter liegt In­dien weltweit auf Rang fünf. Aber macht es Die meisten der vom Windpark betroffenen Dorfbe- Sinn, schützenswerten Regenwald abzuholzen, um wohner sind Analphabeten, kennen kaum ihre Rech- umweltschonende Windkraftanlagen aufzustellen? te, können nicht auf Augenhöhe mit der einfluss- Atul ­Kale: »Ich bin natürlich auch für umweltschoreichen Windkraftfirma verhandeln. Das Unterneh- nende Energiegewinnung, wie beispielsweise durch men macht sich diesen Umstand zunutze, um den Windkraftanlagen. Aber warum muss man sie ausWiderstand zu brechen, meint der Aktivist Atul gerechnet hier, im dichten Regenwald, aufstellen? ­Kale. »Wer Einwände vorbringt, wird zum Schwei- Warum baut man sie nicht dort, wo das Land sowiegen gebracht. Lokale Politiker spielen dabei eine tra- so brachliegt?« gende Rolle. Wahrscheinlich sind sie in irgendeiner Form an dem Projekt ­beteiligt.« Atul Kale organiRainer Hörig ist freier Journalist in Indien. siert den Widerstand gegen das Kraftwerk, gibt den Dorfbewohnern eine Stimme. Im vergangenen Jahr reichte er Klage beim Hohen Gericht in Mumbai ein. Welthunger-Index Rang 67/122 Ländern 23,7 (sehr ernst) Die Richter ordneten im Dezember 2010 einen BauFünfmal so weit zum Wald gravierend 40 stopp an. Doch die Bauarbeiten gehen weiter, Ener- 0 wenig Hunger Ganpat Madage läuft zehn Minuten über abgeern- con India schafft Tatsachen. www.welthungerhilfe.de/whi2011.html tete Reisfelder zur Grenze des Gemeindelandes, dann steht er vor einer grünen Wand, der Grenze zum Bhimashankar-Wildschutzgebiet. Saftiges wissenswertes Grün erstreckt sich von hier einen benachbarten Hang hin­auf. Dort oben hüllen Staubwolken die Bäume ein. Auf einer neu angelegten, ungepflasterten Straße kriechen Betonmischer und schwere Das Andhra-Lake-Wind-Farm-Projekt Lastwagen bergauf. An vielen Stellen liegt die Vegetation unter Geröllhalden begraben, der Wald Die Andhra Lake Wind Farm ist auf 142 Wind- nach eigenen Angaben bereits 2008 die Kontlässt sich nur noch erahnen. »Die Firma hat bereits kraftanlagen mit einer Gesamtleistung von rolle über den indischen Ableger. Im Dezember sehr, sehr viele Bäume gefällt«, erklärt Ganpat Ma113 Megawatt projektiert. Die indische Forst- 2010 erklärte ein indisches Gericht einige dage. »Wir dürfen diesen Wald nicht mehr betrebehörde hat dafür 194 Hektar Waldland zur ­Patente der Mutterfirma Enercon für un­gültig. ten. Die Wachleute der Firma verweigern uns den Nutzung freigegeben. Der Investor China Light Zur Andhra Lake Wind Farm erklärt ­Enercon: Zutritt.« and Power, ein in Hongkong ansässiger Ener- »Enercon hat von diesem Thema selbst erst Die Frauen von Karpud müssten nun fünf statt gieriese, lässt in Indien Windkrafträder aufstel- aus den Medien Kenntnis erhalten ... Mangels einen Kilometer zurücklegen, um im Wald Feuerlen, die in Deutschland entwickelt und erprobt Einfluss auf Enercon Indias unternehmerische holz zu sammeln. Neben dem Verlust des Waldes wurden. Die ausführende Firma ist ein Tochter- ­Entscheidungen trägt Enercon keine Verantsorgen sich die Bewohner vor allem um die riesigen unternehmen des deutschen Windkraftherstel- wortung für das wirtschaftliche Handeln von Geröllhalden, die nun den Hang bedecken, sagt lers Enercon. Doch die Deutschen verloren Enercon India und dessen Folgen.« Ganpat Madage. »Am Fuße dieses Hanges liegen un-

den Protest erstickt, meint Atul Kale. Gegen einige der Aktivisten habe man konstruierte Anklagen vor ­Gericht eingereicht, um sie zum Schweigen zu zwingen. »Der Abgeordnete, der die Region im Landesparlament vertritt, trat zunächst vehement gegen die Windfarm auf, heute ist er ein glühender Befürworter. Alle politischen Parteien unterstützen das Windprojekt. Vielleicht werden sie von der Firma bezahlt?« Etwa zehn Kilometer von Kude entfernt liegt die 500-Seelen-Gemeinde Karpud auf einem windigen Hochplateau. Die Bevölkerung besteht fast ausschließlich aus Nachfahren indischer Ureinwohner, hier Adivasi genannt. Für sie stelle der nahe Wald eine lebenswichtige Ressource dar, sagt Ganpat Madage, ein Dorfältester. »Unsere Frauen gehen täglich zum Feuerholzsammeln in den Wald. Dort finden wir auch Heilkräuter, Wildfrüchte und Honig für den Eigenbedarf und zum Verkauf.«

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s ist kühl unter dem dichten Blätterdach, große Steine in einem trockenen Flussbett laden zur Rast ein. Die dichte Krone des immergrünen Regenwaldes bietet Schutz vor der sengenden Sonne. Grillen zirpen, Vögel rufen, lautes Rascheln und Schreie verraten eine Horde Affen im Kronendach. Das 130 Quadratkilometer große Wildschutzgebiet Bhimashankar, rund 100 Kilometer nördlich von Mumbai (früher: Bombay), liegt fast 1000 Meter hoch in den Bergen der Westghats. Es ist ein Refugium für die seltenen Rieseneichhörnchen, für Pfauen, Affen und Leoparden. Von einer Anhöhe schweift der Blick kilometerweit über eine braune, mit grünen Waldstücken gescheckte Berglandschaft. In der Ferne blitzen einige Dutzende Windkrafträder in der Sonne, die sich über die ­bewaldeten Bergkuppen erheben – eine Fata Mor­gana? »Was von Weitem so schön aussieht, ist bei näherem Hinsehen ein ausgewachsener Skandal«, sagt Atul Kale, Grundbesitzer und engagierter Journalist. »Die lokale Bevölkerung war von Anfang an gegen das Windkraftwerk. Die sind ganz schön wütend. Während die Forstbehörde zum Beispiel strikt ­da­rüber wacht, dass die Dorfbewohner keine Bäume fällen, zerstört die Windkraftfirma den Wald in das dorf kaRpud: Im Hintergrund der fast fertiggestellte Bauabschnitt des Andhra-Lake-Windparks bei Kude. großem Stil!«


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Medien & Informationen

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Buchbesprechung

Ein Blick in den Alltag des modernen Simbabwe

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Eine Idee macht Geschichte! 2012 feiert die Welthungerhilfe ihren 50. Geburtstag

© Welthungerhilfe

Roman | Im Frisiersalon von Mrs. Khumalo trifft sich alles, was Rang und Namen hat in Harare. Sogar die Ministerin schaut regelmäßig vorbei, um sich die Haare machen zu lassen – natürlich nur von Vindai, die mit ihren 26 Jahren die beste Friseurin der Stadt ist. Dann stellt sich Dumisani vor, ein charmanter junger Mann mit begnadeten Fähigkeiten als Friseur. Er schafft es, dass jede Frau sich schön und anerkannt fühlt, und so dreht sich im Frisiersalon von Mrs. Khumalo bald alles nur noch um ihn. Vindais Wut auf diesen Eindringling schwindet, als er auf der Suche nach einer Wohnung in ihrem Haus ein Zimmer mietet. Fast wäre eine Liebesgeschichte daraus geworden, doch Dumi ist homosexuell – etwas Undenkbares, Furchtbares, »Schweinisches« in Simbabwe. Als Vindai davon erfährt, ist sie außer sich. Sie macht einen Fehler, der Dumi fast das Leben kostet. Der Alltag in dieser chaotischen Stadt wird mit Leichtigkeit und Witz geschildert. Wer sich fragt, wie die Menschen in Harare mit Stromausfall, Nahrungsmittelknappheit und einer wahnwitzigen Inflation überleben können – hier findet er die Ant-

Fast eine liebes-

Wie es beganN: 1963 wurde die The Freedom from Hunger Campaign auf dem World Food Congress in Washington D. C. beschlossen. Teilnehmer waren unter anderem

geschichte:

(von links): der amerikanische Abgeordnete Orville L. Freeman, der indische Präsident Sarvepalli Radhakrishnan, der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy,

Dumisani, eine

UN-General­sekretär S. U. Thant und Dr. Binay Ranjan Sen, der indische Generaldirektor der Welternährungsorganisation.

Hauptfigur des Romans, ist homosexuell, ein Tabu – selbst in der Hauptstadt.

wort. Beschönigt wird nichts, weder die hochemotionalen Beziehungen in der Großfamilie noch der Konkurrenzkampf im Frisiersalon oder die obszönen Unterschiede zwischen der reichen Oberschicht und den normalen Stadtbewohnern, die nicht wissen, wie sie Miete, Strom und Nahrung bezahlen sollen. Trotzdem ist dieses Buch ein Lesevergnügen, eine Erzählung von Mut, Freundschaft und einem unbändigen Lebenswillen. rr Tendai Huchu, »Der Friseur von Harare«, Peter ­Hammer Verlag, Wuppertal 2011, 300 Seiten, ­gebunden, 19,90 Euro.

jubiläum | »Ein großer Teil der Menschheit lebt nur eine Dürre, eine Überflutung, einen Ernteausfall vom Hungertod entfernt.« Das sagte Dr. ­Binay Ranjan Sen (1898–1993), Generalsekretär der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Damit wollte er sich nicht abfinden und setzte alles daran, dem Kampf gegen den Hunger weltweit Vorrang zu geben. Im Jahr 1960 startete er deshalb die »Freedom from Hunger«-Kampagne. In Deutschland stieß diese Idee auf konkretes Interesse. Auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke wurde 1962 der »Deutsche Ausschuss für den Kampf gegen den

Hunger« als Teil der wegweisenden globalen Kampagne gegründet. Er nahm 1967 die Form eines Vereins an: die Deutsche Welthungerhilfe e. V. Seit dieser Zeit hat der Bundespräsident die Schirmherrschaft inne. Zu den Mitgliedern des Vereins gehören die Bundestagsfraktionen, die Kirchen und großen Verbände. Weltweit tragen nicht nur Regierungen, sondern auch Nichtregierungsorganisationen, Institutionen des öffentlichen Lebens, Vertreter der Religionen und engagierte Einzelpersonen die Kampagne. »Hilfe zur Selbsthilfe« ist 50 Jahre nach der Gründung noch immer der Gedanke, der die Arbeit der Welthungerhilfe prägt. Er ist zum Leitsatz der

statt. Unter dem Motto »Searchers Unlimited« diskutieren Kreative und Querdenker über neue Wege in der Entwicklungszusammenarbeit. Und was wird am Ende des Jahres bleiben? Enorm viel! Neben greifbaren Dingen wie einem Bildband, einer Gedenkmünze und einer Sonderbriefmarke zählen wir fest darauf, dass das Gefühl des Zusammenhalts und der Solidarität weiter erstarkt sein wird. Wir werden Sie in der »Welternährung« laufend über unsere Aktivitäten im Jubiläumsjahr informieren.

Projektarbeit geworden, und starke Partnerschaften mit den Menschen im Süden sind eine ihrer Grundfesten. Im Jubiläumsjahr möchte sich die Welthungerhilfe bei Freunden und Unterstützern bedanken. Das Zusammensein steht dabei im Mittelpunkt, und für ausreichend Gelegenheit dazu ist gesorgt! So kommen auf einer Fachtagung im Frühjahr 2012 Partner aus dem Süden und dem Norden zusammen und beschäftigen sich mit der Frage, wie soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung tatsächlich ­erreicht werden können. Neue Synergien und Ideen wird es auch während eines ganz besonderen Ereignisses geben: der Zukunftswerk-

Weitere Informationen zum Jubiläum finden Sie in der Sonderbeilage zu dieser Zeitung.

KINO | Krieg um Wasser IN BOLIVIEN

KINO | Komödie um Beinahekrieg im libanon

Kolumbus und andere Kolonialisten

Pfiffige Friedensstifter Komödie | Ein kleines Dorf im Libanon: muslimische und christliche Menschen leben friedlich zusammen – bis die Männer kurz davorstehen, in den Bürgerkrieg zu ziehen. Der Kirche und ihrem Glauben zum Trotz beschließen die Frauen des Dorfes, sich zu verbünden, um ihre Ehemänner und Väter mit unorthodoxen Mitteln von dem bevorstehenden Kampfeinsatz abzuhalten. Eine Komödie, eine Tragödie und ein musikalischer Film.

»También la lluvia – Und dann der Regen« Spanien, Frankreich, Mexiko 2010, Regie: Icíar Bollaín, Kinostart: 29. Dezember 2011.

© TOBIS FILM

© Piffl Medien

Drama | Als ein spanisches Filmteam in Bolivien ­einen Film über Christoph Kolumbus drehen will, gerät es in Schwierigkeiten: Die sozialen Unruhen in der Stadt Cochabamba weiten sich zu einer Rebellion aus, weil die Regierung die Wasserversorgung der Region an einen Multi verkauft hat. Der Regisseur erweist sich zudem als Ausbeuter. Ein Film über den Wasserkrieg im April 2000.

»Wer weiSS, wohin?« Frankreich 2012, Regie: Nadine Labaki, Kinostart: 22. März 2012.


Medien & Informationen

4. Quartal 2011

Neuerscheinungen | informationsmaterialien

Mai

M   aterialvorstellung

WElternäHrung

15

2012

Veranstaltungskalender januar

20.–29.01. Grüne Woche

Teure Nahrungsmittel

Jubiläums-­ Microsite

Wirklichkeit der Entwicklungshilfe

Unterricht | Ende Oktober erschien eine 30-seitige Unterrichtsbroschüre zum Welthunger-Index 2011. Das Heft richtet sich an Oberstufenschüler und die Erwachsenenbildung und behandelt den Einfluss von Nahrungsmittelspekulationen, Biosprit und Stromverbrauch auf die Nahrungsmittelpreise. Außerdem wird gefragt, ob Hungerbekämpfung aussichtslos ist. Als Beispiel für einen erfolgreichen Kampf gegen den Hunger wird Tadschikistan vorgestellt.

internet | Für das Jubiläumsjahr hat die Welthungerhilfe eine Microsite eingerichtet. Sie ist ein zentrales Informationsmedium für Aktionen und Veranstaltungen und stellt zudem Fakten zur Geschichte der Welthungerhilfe bereit. Ein ­Projektstrahl dokumentiert herausragende Projekte und Erfolge der letzten 20 Jahre. Videoclips, Facebook-Verlinkungen und Blogs bringen Mehrwert.

studie | Zusammen mit terre des hommes veröffentlicht die Welthungerhilfe jährlich den Bericht »Wirklichkeit der Entwicklungshilfe«. Er analysiert die Entwicklungspolitik der Bundesregierung und skizziert quantitative und qualitative Aspekte der Leistungen vor dem Hintergrund der Regierungsziele. Die Ausgabe 2011 befasst sich mit der Wirkung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, zieht Schlussfolgerungen und gibt Empfehlungen an die Politik.

www.50jahre.welthungerhilfe.de

28.01.

Bis 29.02.

© Welthungerhilfe

Stand der Welthungerhilfe.

Wettbewerb

Bonn | »Wie können wir im Alltag dazu beitragen, dass der Hunger in der Welt besiegt wird?« Unter diesem Motto steht der Schülerwettbewerb der Welthungerhilfe in Kooperation mit »ZEIT für die Schule«. Bis 29. Februar können Schüler Dokumentationen, Präsentationen, Blogs, Songs und andere Beiträge einreichen – wichtig ist, dass das Motto möglichst kreativ aufgegriffen wird. Das ­Siegerteam wird zur Fachtagung »Move! United for Sustainable Development« ­eingeladen, Entwicklungszusammenarbeit mit Teilnehmern aus aller Welt direkt zu diskutieren. Weitere Informationen: www.face-hunger.de

Minister lobt Projekt

­Ricardo Giesicke (Mitte) besucht den

2012–2013

sphärenreservaten im Amazonasgebiet befasst. Ziel des länderübergreifenden Projektes ist es, die fortschreitende Entwaldung in den Schutzzonen zu reduzieren. Der neu gewählte Umweltminister Perus Ricardo Giesicke und Perus EU-Botschafter Hans Allden besuchten den Stand der Welthungerhilfe. Giesicke hob die Bedeutung der innovativen Ansätze des Projektes für den Naturschutz und die nachhaltige Entwicklung der durch den Klimawandel besonders gefährdeten Regionen hervor. lap

Bis 23.06.2013 Erlebnisausstellung Berlin | In Kooperation mit der Welthungerhilfe ist für das JuniorMuseum des Ethnologischen Museums in Berlin-Dahlem die Ausstellung »Das essen wir. Wir essen Reis« entstanden. Zwei Journalistinnen waren Mitte 2011 zu einem Welt­ hungerhilfe-Projekt nach Laos gereist und porträtierten Adeu, einen Jungen aus einer Familie von Reisbauern. In Kürze wird eine Broschüre mit Texten zu Laos, Adeus Dorf und seiner Familie entstehen. Der Erlös aus dem Verkauf wird direkt dem Projekt in Laos zugutekommen. www.smb.museum

Alltag einer Familie

Die Hirten und die Gletscher

Dokumentation | Über ein halbes Jahrzehnt begleitete Regisseur Renato Martins die kubanische Familie Torres mit der Kamera. Er filmte den Alltag der Viergenerationenfamilie, teilweise in hochwertiger Qualität, teilweise mit amateurhaften Aufnahmen. So erzeugte er einen persönlichen, sympathischen und bewegenden Einblick in 50 Jahre Geschichte des sozialistischen und dem Westen weitgehend unbekannten Landes.

Reportage | Der kirgisische Hirte Bachit hat vom Klimawandel profitiert. Weil die Gletscher der bis 7000 Meter aufragenden Berge im Vergleich zu früher viel schneller tauen, treibt er seine Viehherde früher auf die ­Sommeralm. Doch auch Bachit denkt weiter und fragt sich, welche Auswirkungen das Fortschreiten der Gletscherschmelze zukünftig haben wird.

»Letter to the future« Kuba 2011, Regie: Renato Martins, Kinostart: 29. Dezember 2011.

© MedienKontor FFP/arte

Fernsehen | KLIMAWANDEL

© farbfilm verleih

KINO | LEBEN IN KUBA

»Die neuen Nomaden von Kirgisistan« Frankreich/Deutschland 2009, Regie: Wolfgang Mertin, ARTE, 23. Dezember 2011, 16.50 Uhr.

© Welthungerhi

februar

Peru | Welthungerhilfe auf der Umweltmesse

Hoher Besuch: Perus Umweltminister

Zitronenkrämerlauf

Bekond | Der Verein »Bekond aktiv e. V.« veranstaltet einen LebensLauf in der Nähe von Trier. Zwei Strecken werden angeboten: eine mittelschwere, sechs Kilometer lange Route, die auch für Walker geeignet ist, und eine schwierige, zwölf Kilometer lange Runde mit Berglaufcharakter. Der Lauf führt am historischen »Zitronenkrämerkreuz« vorbei. Das freiwillige Startgeld kommt der Welthungerhilfe zugute, die der Verein seit über 20 Jahren unterstützt. Weitere Informationen: www.bekond. wordpress.com/tag/zitronenkramer

Alle Materialien können Sie kostenlos bestellen unter: info@welthungerhilfe.de, Telefon: (0228) 22 88-454 oder per Post: Welthungerhilfe, Zentrale Informationsstelle, Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn.

präsentation | Ende November fand in Lima, der Hauptstadt Perus, die Umweltmesse »FIMA 2011« statt. Bei der dreitägigen Veranstaltung wurden anwendungsnahe Projekte und Produkte aus dem Bereich Umwelt, nachhaltiges Ressourcenmanagement und Biodiversität präsentiert. Neben nationalen und internationalen Ausstellern aus den ­Bereichen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft war auch die Welthunger­ hilfe präsent. Sie stellte ein Projekt vor, das sich mit dem Schutz von zwei Bio­

lfe

Berlin | Ende Januar findet die weltgrößte Messe zu Ernährungs- und Landwirtschaft sowie Gartenbau statt. Die Welthungerhilfe stellt ihre Arbeit in Gesprächen, bei Podiumsdiskussionen, Buchvorstellungen und an Verkaufs- und Informationsständen vor und fordert die Besucher auf, sich aktiv zu beteiligen.


16

Unterhaltung

WElternäHrung

Neulich in ... Indonesien

4. Quartal 2011

Rätsel & Verlosung

Bittere Medizin

Inselstaaten In dieser Buchstabensuppe sind die Namen von 13 Inselstaaten versteckt. Bei richtiger Lösung bleiben 13 Buchstaben übrig, aus denen die Namen zweier weiterer Inselstaaten gebildet werdet können.

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Verlosung und Lösung

G

karta eröffnete. Die Hoffnung war groß, dass endlich ausländische ­Patienten zur Behandlung hierher ­kommen und dem indonesischen Gesundheitssektor Devisen und Prestige bringen. Doch das gestaltet sich schwierig. Jedes Jahr reisen mehrere Hunderttausend indonesische Medizintouristen nach Malaysia und Singapur – darunter auch Politiker. Ich kann es ihnen nicht verdenken, nachdem ich bei einer Amöbenerkrankung meinen Blinddarm loswurde, bevor die Parasiten entdeckt wurden. Seither bin ich Stammkunde einer Jamu-Heilerin. Mit meditativer Ruhe mischt sie die frisch zerriebenen Kräuter und Wurzeln zusammen, während ihre Patienten manchmal stundenlang warten, weil der Andrang so groß ist. Angesichts der Beliebtheit sollte sich die indonesische Regierung überlegen, ob sie nicht lieber mehr in die traditionelle Medizin investiert statt in teure Elitekliniken, die hinterher halb leer stehen. Christina Schott ist freie Journalistin in Indonesien.

prominenten Frauen, unter anderen den Journalistinnen Marietta Slomka und Petra Gerster, der Sängerin Nicole und den Schaupielerinnen Barbara Auer und ­Ulrike Kriener. Senden Sie die Lösung bis zum 27. Januar 2012 an folgende Adresse (es gilt das Datum des Poststempels): Deutsche Welthungerhilfe e. V. Patricia Summa, Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn. Oder schicken Sie ein Fax: (0228) 22 88 99-429 oder eine E-Mail: ­patricia.summa@welt­hungerhilfe.de. Die Lösung finden Sie in der nächsten ­Ausgabe der »Welternährung«.

REden Sie Mit!

Klimawandel

© Kaufhold/Welthungerhilfe

Viele Indonesier schwören auf Jamu, schon weil sie sich eine Behandlung mit westlicher Medizin nicht eh bloß nicht zum Arzt«, sag- leisten können. Krankenversichert te meine indonesische Mitbe- sind in Indonesien nur Beamte oder wohnerin, als ich in Indonesi- Angestellte großer Unternehmen, been zum ersten Mal Bauchschmerzen sonders Arme bekommen eine staatbekam, »der verschreibt dir nur teure liche Gesundheitskarte. Wie viel dieMedikamente, die nichts helfen. Trink se Versicherungen wert sind, zeigt lieber Jamu und ruh dich aus!« Jamu, sich in der Notaufnahme: Oft geht die so viel wusste ich damals schon, ist die Tür erst auf, wenn eine Kreditkarte traditionelle javanische Medizin. Na- gezückt wird. Wer als zahlungsfähig türlich ging ich doch zum Arzt. Der eingestuft ist, wird allen möglichen verschrieb mir Antibiotika, ohne die und unmöglichen Tests unterzogen. Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Antibiotika gehören dazu, ob es sich Als ich diverse Packungen Antibiotika nun um einen Schnupfen oder Denguespäter immer noch nicht wusste, was fieber handelt. Wer es sich leisten kann, folgt eigentlich nicht stimmte (die Diagnosen reichten von Blasenentzündung deshalb – wie die Touristen – lieber bis Paratyphus), fand ich mich in der der Empfehlung in Indonesien-Reialtertümlichen Praxis eines Jamu-Hei- seführern, bei ernsthaften Erkranlers wieder. Er fühlte meinen Puls, be- kungen nach Singapur auszureisen – trachtete meine Zunge und verordne- eines der weltweit wichtigsten Ziele te mir Kräuterkapseln und Wurzeltees, für Medizintourismus. Dem Vorbild die er im eigenen Garten produzierte. möchte Indonesien nacheifern. Wenn Dazu ein bisschen Akupressur und vor ein neues Krankenhaus eröffnet wird, allem: Entspannung. Zwei Wochen schlagen die Herzen einiger Politiker später waren meine Bauchkrämpfe höher: etwa im Juli, als der indonedauerhaft verschwunden. Ob es an Ja- sische Präsident eine 140 Millionen US-Dollar teure Krebsklinik in Jamu lag, vermag ich nicht zu sagen. Von Christina Schott

Folgende 15 Grenzflüsse waren in der Ausgabe 3/2011 gesucht: Mekong, Okpara, Ubangui, Kongo, Senegal, Limpopo, Guapore, Uruguay, Yavarí, Orinoco, Putumayo, San Juan, Rio Grande, Coco, Pilcomayo. Und das richtige Lösungswort lautete: Jordan. Jeweils ein Kartenset haben gewonnen: Christa Becker (Dexheim), Marion Karmann (Bonn) und Marion Munz-Krines (Bamberg). Unter den richtigen Einsendungen des Rätsels »Inselstaaten« verlost die Welthungerhilfe dieses Mal die CD »MärchenWelten«. In Kooperation mit dem ZDF und dem Münchner Hörverlag entstand eine DoppelCD mit Märchen aus aller Welt, gelesen von

Nach dem Desaster der UN-Klimakonferenz 2009 besteht große Skepsis, dass die Erwärmung der Erde bis 2100 auf unter zwei Grad Celsius beschränkt werden kann. Dies wäre laut Klimawissenschaftlern aber nötig, um vor allem die Menschen in den armen Regionen der Welt vor den katastrophalen Folgen zu bewahren. Diskutieren Sie mit unseren Experten, was getan werden müsste, um das Schlimmste zu verhindern.

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Impressum Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e. V., Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn Redaktion: Patricia Summa (Leitung), Beate Schwarz, Camilla v. Heumen, Elke Weidenstraß (muehlhausmoers) V.i.S.d.P.: Simone Pott Telefon: (0228) 22 88-429 Telefax: (0228) 22 88-99 429 Internet: www.welthungerhilfe.de E-Mail: info@welthungerhilfe.de Gestaltungskonzept: querformat editorial design, ­Hamburg/Aline Hoffbauer, Ingrid Nündel Layout: muehlhausmoers kommunikation, Köln/ Tobias Heinrich, Sabine Schiemann Druck: Joh. Heider Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier Bestellnummer: 460-9385 Die »Welternährung« erscheint vierteljährlich. Die Herausgabe der Zeitung wird aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstützt. Namensbeiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Nachdruck erwünscht mit Quellenangaben und Belegexemplar. Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe ist der 16. Dezember 2011.


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