8 minute read
KONJUNKTUR
Wegen des von der Corona-Pandemie ausgelösten Konjunkturknicks steht Österreich schlecht da. Das Austro-BIP ist im vierten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorquartal laut Eurostat um 2,7 Prozent geschrumpft. Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International AG (RBI): „Österreich war damit europaweit nur Vorletzter. In den EU 27 war nur Irland mit minus 5,1 Prozent schlechter.“ Auch im Gesamtjahr 2020 kam Österreich nicht gut weg und lag laut EurostatZahlen vom 16. März 2021 mit einem BIPMinus von 6,6 Prozent unter den 27 EUStaaten im unteren Drittel. Aber warum entwickelt sich die Wirtschaft hierzulande schaumgebremst? Was ist nötig, um das Werkel wieder zum Laufen zu bringen? Antworten auf diese Fragen geben von Börsianer befragte Experten.
Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft IFW: „Als erster und quantitativ wichtigster Punkt ist die sektorale Aufstellung Österreichs zu nennen. Gerade die von Schließungen besonders negativ betroffenen Sektoren haben in Österreich besonders hohe Anteile am BIP und an der Beschäftigung, allen voran der Tourismus- und der Kulturbereich.“ Die Branchen, die in der zweiten Welle laut Felbermayr sehr gut gelaufen seien, dazu zählen vor allem die Industrie und das Baugewerbe, seien in Österreich im Vergleich mit Deutschland merklich schwächer ausgeprägt. Felbermayr: „Ab Mitte Oktober waren die Eindämmungsmaßnahmen in Österreich härter als etwa in Deutschland. Das hat die Wirtschaft und speziell soziale Dienstleister belastet.“ Ähnlich denkt Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria: „Der Tourismus hat einen hohen Anteil an der Wertschöpfung. Das dürfte für die ersten drei Quartale 2020 etwa zwei Drittel des BIP-Rückgangs erklären. Zweitens ist die Variation zwischen den EU-Ländern durch die Intensität der Lockdowns erklärbar. Insbesondere im vierten Quartal setzte Österreich strengere Maßnahmen.“ Ins gleiche Horn stößt Brezinschek: „Die Konjunktur war im Vorjahr im Würgegriff der Shutdowns. Im Schlussquartal waren die politischen Entscheidungen der ausschlaggebende Strukturtreiber.“
Geringe Effizienz
Die Krise verursache bei Unternehmen große Erlösausfälle und damit Verluste, sagt Christian Keuschnigg, Leiter des Wirtschaftspolitischen Zentrums (WPZ) Wien: „Mit weniger Eigenkapital sind Unternehmen weniger widerstandsfähig. Das dürfte die politischen Maßnahmen für die Krisenbekämpfung für Österreich eher teurer und weniger erfolgreich machen.“ Markus Marterbauer, Leiter Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer (AK) Wien meint indes, dass Subventionen von Bund, Land, Kommunen oder Sozialversicherung zu stark in den Tourismus geflossen sind: „Die Bewältigung der Pandemie in der zweiten Welle im Herbst 2020 war relativ schlecht. Die Effizienz der Hilfsmaßnahmen war gering, weil das Interesse starker Lobbys im Mittelpunkt stand.“
Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Unicredit Bank Austria AG, verweist auf Unterschiede zu Deutschland: „Österreich erzielt 15 Prozent der Wirtschaftsleistung mit Gastronomie, Beherbergung, Einzelhandel und Verkehr. In Deutschland sind es nicht einmal zehn Prozent. Besonders Gastronomie und Beherbergung mit fast 5,5 Prozent BIPAnteil in Österreich und nur 1,6 Prozent in Deutschland macht sich negativ bemerkbar. Die Industrie überstand die Lage besser als in Deutschland. Der Industrieoutput sank in Österreich 2020 um 5,6 Prozent, in Deutschland waren es 10,6 Prozent.“
Tourismus und Einzelhandel
Wie groß der Schaden ist, skizziert Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung: „Die wirtschaftlichen Schäden lagen in Österreich, gemessen an entgangener Wertschöpfung, also an jenem Betrag, der zur Entlohnung aller Produktionsfaktoren aufgewendet wird, im Vorjahr über 30 Milliarden Euro. Vor allem Segmente der Tourismuswirtschaft und des Einzelhandels verzeichnen enorme Einbußen. Der Tourismus hat einen Anteil von 7,3 Prozent an Österreichs Wirtschaftsleistung. Jeder 14. verdiente Euro hat also einen Bezug zum Tourismus.“ Für Harald Oberhofer, VWL-Professor an der WU Wien und Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), waren die Lockdowns das Zünglein an der Waage: „Die Notwendigkeit von vergleichsweise langen und restriktiven Lockdown-Maßnahmen hat zum starken Einbruch der Wirtschaft maßgeblich beigetragen.“
Die Experten haben viele gute Ideen, die Österreich zu neuer Stärke verhelfen können. RBI-Chefanalyst Brezinschek: „Es ist entscheidend, Unternehmen und Arbeitnehmern Perspektiven zu geben und geplante Öffnungsschritte nicht vom Zeitpunkt, sondern vom Ablauf her zu kommunizieren. Damit kann Vertrauen und Zuversicht aufgebaut werden. Jetzt besteht die Chance, viel über Transferleistungen hinaus zu bewegen. Das ist über Investitionsanreize, Unterstützung bei Innovationen und Digitalisierung, einen Strukturwandel oder auch mit dem Fokus auf die Bekämpfung des Klimawandels möglich. Darüber hinaus ist der Faktor Arbeit zu entlasten und die Armutsbekämpfung über Ausbildungsoffensive ernst zu nehmen. Bei vielen Reglementierungen, die Investitionen erschweren oder verhindern, ist eine Entrümpelung nötig, um einen Investitionsschub auszulösen, der nicht von öffentlichem Geld getragen ist.“
Arbeitsmarkt belastet
Für IFW-Kiel-Präsident Felbermayr ist kurzfristig die „Beherrschung der Pandemie trivialerweise am wichtigsten. Dennoch kann auch nach dem Abflauen der Pandemie der Rückprall beim BIP in Österreich stärker ausfallen als anderswo. Das haben wir bereits nach der ersten Welle erlebt.“ Felbermayr geht davon aus, dass Österreich mittelfristig mit einer höheren Belastung auf dem Arbeitsmarkt kämpfen wird: „Auf lange
Sicht braucht es für einen Spitzenplatz in Europa Maßnahmen, die das Wachstum des Produktionspotenzials, das seit Jahren ständig abgerutscht ist, beleben. Eine Investitions- und Innovationsoffensive ist unumgänglich. Besonders wichtig ist, sich der schleichenden Erosion des EUBinnenmarktes entgegenzustemmen.“
Dass eine Haushaltssanierung nötig ist, meint Eco-Austria-Direktorin Köppl-Turyna: „Die Anpassung der gesetzlichen Pensionseintrittsalter würde das Budget entlasten und die Konsolidierung erleichtern. Wichtig ist auch, Neugründungen und das Wachstum von Unternehmen zu unterstützen. Das ist über die diskutierte neue Gesellschaftsform Austrian Limited oder die Reform der Gewerbeordnung möglich.“
Eigenkapital gesucht
Entscheidend ist auch, wie viele Unternehmenspleiten nahen. Uni-Professor Keuschnigg: „Es kommt darauf an, wie stark die Insolvenzwelle und wie hoch der Verzehr von Eigenkapital in der Wirtschaft und damit der Schuldenüberhang nach der Krise ausfallen wird und wie viel Staatsschulden angehäuft wurden. Die notwendige Budgetkonsolidierung könnte das Wachstum für längere Zeit dämpfen. Die Eigenkapitalfinanzierung muss rasch in Schwung kommen, sonst wird es mit der zusätzlichen Kreditfinanzierung von Investitionen schwierig. Jetzt hat die Stunde der Beteiligungsfinanzierung geschlagen, mit der der Wirtschaft Eigenkapital schnell und in großen Schüben zugeführt wird. Es müsste endlich ein Politikwechsel und ein Kulturwandel bezüglich Risikokapitalfinanzierung her.“
Mit der Konsolidierung werde es schwierig, wenn es nicht zu investiven Ausgaben für Bildung, Innovation und Grundlagenforschung kommt. Uni-Professor Keuschnigg: „Das Wachstum der Sozialausgaben sollte mit einem Vorrang für Arbeit reduziert werden. Steuermehreinnahmen sind durch die Streichung von Ausnahmebestimmungen, die Schließung von Schlupflöchern oder die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage erzielbar.“ Auch IV-Experte Helmenstein hat Ideen parat, sobald die Lockdown-Maßnahmen aufgehoben werden: „Investive Vorhaben wie ein Ausbau der Verkehrs-, Daten- und Energienetze, raschere Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung bis zu Verbesserungen beim Bildungserfolg sind entscheidend.“
Schwächen des Regelwerks
Darüber hinaus ist der europäische Binnenmarkt krisenfest zu gestalten. Helmenstein: „Die Pandemie hat die Schwächen des Regelwerks schonungslos offengelegt. Mit dem freien Kapitalverkehr blieb nur eine der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes unbeschränkt. PostCovid besteht erheblicher europapolitischer Reparaturbedarf. Die EU muss besser werden, um nicht den Anschluss an einen globalen Aufschwung zu verpassen, der längst eingesetzt hat.“
Vor der Pandemie stand Österreich gut da. Bank-Austria-Volkswirt Bruckbauer: „Österreich belegt beim Realeinkommen pro Kopf einen Spitzenplatz in Europa. Nur Luxemburg, Irland und die Niederlande erzielen bessere Werte. Um diese Position zu verteidigen, braucht es politische Impulse bei Digitalisierung und Ökologisierung, Entlastung des Faktors Arbeit und mehr Anstrengungen bei der Eigenkapitalbeschaffung für junge und wachsende Unternehmen.“ Für den AK-Wien-Experten Marterbauer sind Sofortmaßnahmen nötig, um Arbeitslosigkeit und Armut zu bekämpfen. Das ist laut Marterbauer über eine Anhebung des Arbeitslosengelds auf 70 Prozent des Arbeitseinkommens, die Wiedereinführung bedarfsorientierter Mindestsicherung, den Ausbau von Sozialarbeit, eine Garantie gemeinnütziger Jobs für Langzeitarbeitslose, eine Pflegeoffensive sowie mit Bildung und Qualifizierung mit großem Jobpotenzial möglich. Dazu kommen umfangreiche öffentliche Investitionen in Klima, öffentlichen Verkehr, Digitalisierung, in sozialen Wohnbau oder kommunale Infrastruktur. n
PETER BREZINSCHEK
MARKUS MARTERBAUER
CHRISTIAN KEUSCHNIGG
GABRIEL FELBERMAYER
„Es braucht eine Entlastung des Faktors Arbeit.“
STEFAN BRUCKBAUER
MONIKA KÖPPL-TURYNA
Ökonomen. Österreichische Spitzenökonomen liefern Vorschläge, wie man die Wirtschaft ankurbeln kann.
Helvetia Versicherungen AG – ÖSTERREICH –
Mit Stabilität durch herausfordernde Zeiten
v.l. Werner Panhauser (Vorstand Vertrieb & Marketing), Mag. Andreas Bayerle (Vorstand Leben & Finanzen), Mag. Thomas Neusiedler (CEO Helvetia Österreich) und Dr. Kaspar Hartmann (Vorstand Schaden-Unfall)
Gerade in Krisenzeiten ist Sicherheit ein zentrales Bedürfnis. Die in St. Gallen (Schweiz) ansässige Helvetia Gruppe ist eine verlässliche Partnerin in Versicherungsfragen - ganz im Sinne ihrer über 160-jährigen Schweizer Tradition.
Österreich zählt zu den Kernmärkten des europaweit tätigen Versicherers mit Fokus auf Schaden-Unfall und Lebensversicherungs-Geschäft.
Geschäftsergebnis 2020
Helvetia Österreich kann auch für das vergangene Geschäftsjahr ein erfreuliches Ergebnis präsentieren. Mit einem Prämienzuwachs von 4,4 Prozent wird erstmals in der Unternehmensgeschichte die EUR 500 Mio.-Marke überschritten. Das Schaden-Unfall-Geschäft zeigt mit einer Combined Ratio (IFRS netto) von 89,7 Prozent solide Profitabilität. Auch im Segment der Lebensversicherung, in dem Helvetia seit Jahren zu einem der führenden Anbieter fondsgebundener Produkte am österreichischen Markt zählt, konnte im Jahr 2020 ein stabiler Zuwachs verzeichnet werden. Letztlich resultiert dies in einer Gesamtsolvenz von 189,2 Prozent und einem IFRS Net Profit after tax von EUR 26,2 Mio. Über 850 Mitarbeitende erfüllen bei Helvetia Österreich täglich die Ansprüche von Kunden und Vertriebspartnern. Das Einhalten von Service- und Leistungsversprechen mit kundennahen Geschäftsprozessen und eine attraktive Produktlandschaft machen den Unterschied in einem kompetitiven Marktumfeld. Auch im Krisenjahr 2020 war Helvetia uneingeschränkt für Kunden und Vertriebspartner erreichbar.
Nachhaltig Verantwortung übernehmen
Neben ihrem wirtschaftlichen Auftrag nimmt Helvetia ihre unternehmerische Verantwortung gegenüber der Umwelt, den Mitarbeitenden und der Gesellschaft wahr - mit Engagements in Umwelt, Bildung, Kunst und Sport. Dazu zählen die Schutzwald-Initiative in Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesforsten mit 95.000 aufgeforsteten Bäumen österreichweit und die Stiftung Helvetia Patria Jeunesse mit 15 unterstützten Projekten im Jahr 2020.
Neue Strategieperiode – helvetia 20.25
Mit mehr als 530.000 Kundenverbindungen und über 3.000 aktiven Vertriebspartnerschaften ist Helvetia eine stabile Partnerin in Versicherungsfragen.
In der neuen Unternehmensstrategie helvetia 20.25 wird der Fokus im Bereich der Schaden-Unfall-Versicherung vermehrt auf dem Gewerbesegment liegen. Darüber hinaus sind der Vertriebsausbau, die produktseitige Marktführerschaft in der fondsgebundenen Lebensversicherung und Positionierung als attraktive Arbeitgeberin Schlüsselelemente von helvetia 20.25.
Neues Anlagespielzeug. Mehr als 180.000 Österreich besitzen bereits Bitcoin und Co – trotz hoher Kursschwankungen.