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Königsdisziplin. Der IPO ist beim Investmentbanking immer noch die Königsdisziplin. In Deutschland vollführte die Siemens Energy 2020 einen der größten Börsengänge. In Österreich gab es 2020 keinen.

Dreamteam. Der Börsengang der Marinomed Biotech AG gilt als einer der erfolgreisten IPOs der vergangenen Jahre an der Wiener Börse. Begleitet wurde die Transaktion von der Erste Group Bank AG.

© WIENER BÖRSE AG / APA-FOTOSERVICE / HÖRMANDINGER

Manchmal leben Totgesagte auch länger. So geschehen im Fall des Investmentbanking. Nach der Finanzkrise 2008 und dem Fall von Lehman Brothers in den USA galten Investmentbanker als Persona non grata, der Ruf war zerstört. 13 Jahre später hat sich der Markt längst bereinigt. Die Zeiten, in denen Investmentbanker die halbe Welt verzockt haben, gehören mittlerweile der Vergangenheit an. „Neue Regulierungen haben ihr Übriges getan, mittlerweile erlebt das Investmentbanking wieder durch konsequentes Ausrichten des Angebots auf die eigentlichen Bedürfnisse der Kunden eine Renaissance“, sagt Günther Blaha vom Beratungsinstitut ZEB. US-Banken verdienen immer noch sehr viel Geld damit, auch in Europa läuft das Geschäft besser als gedacht. In Österreich sind vor allem die Erste Group Bank AG (Erste Group), Raiffeisen Bank International AG (RBI) und die Unicredit Bank Austria AG (Bank Austria) aktiv. Wobei das Investmentbanking in der Erste Group im Bereich Corporate Banking & Markets, bei der RBI unter Markets & Investment Banking und bei der Bank Austria unter Corporate & Investmentbanking (CIB) angesiedelt ist und traditionell das Eigenkapital- und Fremdkapitalgeschäft sowie das M&A-Geschäft umfasst. In Österreich definiert jede Bank jedoch unterschiedlich, welche Bereiche ins Investmentbanking fallen.

„Einen Gordon Gekko werden Sie bei uns nicht finden“, stellt Vorstand Lukasz Januszewski zum Börsianer klar und lacht. Er ist bei der RBI fürs Investmentbanking verantwortlich. „Unsere Aufgabe ist es, unseren Kunden genau zuzuhören, ihre Wünsche zu antizipieren und dann eine Brücke zwischen den Bedürfnissen unserer Kunden und dem Kapitalmarkt zu bauen. Das Ziel ist immer die Zufriedenheit unserer Kunden. So definieren wir bei uns Investmentbanking.“ Die RBI ist eine der aktivsten Banken am Anleihenmarkt. „Der Fremdkapitalmarkt hatte 2020 ein sehr starkes Momentum und war getrieben durch die tiefen Zinsen und die Zukäufe der EZB“, sagt Januszewski. Die Bank begleitet ihre Klientel durch ihr starkes Engagement in Osteuropa bei grenzüberschreitenden Deals und bietet etwa Hedging-Lösungen sowie Fremdwährungsgeschäfte an.

GÜNTER SCHUBERT

„Aktivitäten am M&A-Markt nehmen zu.“

Nur keine Interessenkonflikte

„Im engeren Sinn betrifft das Investmentbanking bei uns das Mandatsgeschäft. Wir arrangieren für unsere Kunden Anleihen- und Aktienemissionen, finanzieren Übernahmen und beraten im Wesentlichen bei allen Kapitalstrukturmaßnahmen. Die Hauptbeschäftigung ist auf der Kapitalmarktseite. Wir haben im Vorjahr Emissionen im Umfang von 100 Milliarden Euro begleitet“, sagt Ingo Bleier, zuständiger Vorstand bei der Erste Group, zum Börsianer. Das Beratungsgeschäft bei M&A-Transaktionen hat die Bank wegen Interessenkonflikten praktisch ad acta gelegt, weil es bei Übernahmen meist mehrere Bieter gibt, mit denen die Bank Geschäftsbeziehungen hat. „Die reine Beratung bei der Übernahme verbaut uns wegen möglicher Interessenkonflikte mehr, als sie bringt. Das Ziel ist immer, das Unternehmen, das übernommen wird, und den Käufer langfristig mit Finanzierungen und Transaction-Banking zu begleiten, also Factoring, Trade- und Supply-Chain-Finance und die laufende Working-Capital-Finanzierungen“, sagt Bleier. Das Investmentbanking ist somit nur ein Anfang, das nachfolgende Geschäft die eigentliche Cash-Cow. „Vor ein paar Jahren hat

Advent Private Equity das Rennen um die Tiroler GE Jenbacher, einer Tochter General Electrics, gewonnen. Wir haben nicht im M&A beraten, aber die Übernahme mitfinanziert. Jetzt machen wir weltweit das Supplychain-Finance-Geschäft für sie.“ Es gehe nie um „One-off-Deals“, sondern um langfristige Beziehungen zu den Kunden, die dann laufende Erträge bringen. Regional gebe es kaum Unterschiede, sagt Januszewski. „Kunden haben das Bedürfnis, anorganisch durch M&A zu wachsen und dieses Wachstum mit Eigenkapital oder Fremdkapital zu finanzieren.“

Starkes Österreich-Geschäft

Die wichtige Beziehung zu Firmenkunden hebt auch Bank-Austria-Vorstand Günter Schubert hervor. „Wir betreiben Investmentbanking ausschließlich im Auftrag und im Interesse unserer Firmenkunden, dazu zählen auch unsere breite Kapitalmarktexpertise und die Strukturierung von Finanzierungen. Wir begleiten nicht nur Kunden in Österreich, sondern auch in den skandinavischen Ländern. Wir haben mit sieben von zehn großen Unternehmen in Österreich langjährige Geschäftsbeziehungen und sind in der Regel bei den wichtigsten Deals als strategischer Finanzpartner dabei“, sagt Schubert. Kürzlich hat die Bank Austria gemeinsam mit der Erste Group die Schuldscheinemission der Mayr-Melnhof Karton AG in der Höhe von einer Milliarde Euro begleitet. „Wir waren Active Bookrunner“, sagt Schubert stolz. Zum Verständnis: An einer Emission verdienen vor allem Bookrunner und Coordinators, die haben die meiste Arbeit und Verantwortung, Lead-Manager sind am untersten Ende der Hackordnung. Auch bei der 800-MillionenEuro-Übernahme der Aegon durch die Vienna Insurance Group AG war die Bank Austria federführend mit dabei. „Seit dem zweiten Halbjahr 2020 gibt es wieder mehr Aktivität am M&AMarkt, es gibt sehr erfolgreiche Unternehmen, die investieren und sich bietende Chancen nutzen wollen“, sagt Schubert.

Gute Beziehungen

Der Markt in Österreich ist hart umkämpft. Das Anleihengeschäft läuft auf Hochtouren, ist aber weit weniger profitabel als etwa IPOs oder Kapitalerhöhungen. Laut ZEB liegen die Margen beim Eigenkapitalgeschäft je nach Größe des Deals bei 1,5 bis vier Prozent, im Fremdkapitalgeschäft bei 0,20 bis 1,25 Prozent. „Wenn Sie einen Schuldschein oder eine Anleihe arrangieren, sind Sie weit unter einem Prozent bei den Fees. Bei einem Börsengang über einer Milliarde Euro sind Sie weit über einem Prozent“, sagt Ingo Bleier. Die Erste Group emittiert derzeit wöchentlich Anleihen, die größten Deals sind Staatsemissionen, meist über einer Milliarde Euro. Das Verhältnis zu IPOs ist zehn zu eins. „Wir haben leider nicht sehr viele Börsengänge in unserem Kernmarkt. Im Vorjahr waren wir zum Beispiel beim IPO des Onlinehändlers Allegra in Polen mit dabei. Einer der Shareholder, Mid Europa Partners, ist einer unser wichtigsten Private-Equity-Fonds-Kunden“, erklärt Bleier den Zuschlag für seine Bank. Und: „Von Polen bis Belgrad sind wir am Kapitalmarkt bei Übernahmefinanzierungen und den nachgelagerten Geschäften dabei, da sehen wir alles.“ Die Erste Group findet ihr Auslangen außerdem als Partner großer US-Banken. Derzeit ist sie neben Morgan Stanley und Goldman Sachs dritter Global Coordinator beim laufenden Börsengang von CTP in Amsterdam, einer der größten Kunden in der Immobilienwirtschaft der Bank. Hier kommt der Erste Group zugute, dass ein früherer Kollege jetzt CTP-Finanzvorstand ist.

„Fremdkapitalmarkt hatte 2020 starkes Momentum.“

Guter Kunde. Die Mayr-Melnhof Karton AG holte sich zuletzt von der Unicredit Bank Austria AG und der Erste Group AG Schuldscheinexpertise.

Der Kampf ums grüne Leiberl

Ein weiterer Trend des Investmentbankings ist der zunehmende Fokus auf Nachhaltigkeit. „Banken bekommen von der Aufsicht und der Gesellschaft Druck, bei Finanzierungen stärker Richtung ESG durchzugreifen. Schmutzige Finanzierungen werden aktuell noch nicht durch freie Kräfte am Markt teurer, sondern durch die Politik und Gesellschaft“, meint ZEB-Experte Blaha. Die Bank Austria hatte 2007 in Europa den ersten Green Bond strukturiert. „Das Thema Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, für uns als Bank, aber auch für unsere Kunden. ESG-Kriterien werden für immer mehr Unternehmen auch bei Strukturierung

von Finanzierungen interessant, da bieten wir eine breite Expertise“, sagt Günter Schubert, dessen Team 2020 auch einige Social Bonds arrangiert hat. Für Daimler Benz hat die Bank den ersten Green Bond in der Höhe von einer Milliarde Euro begleitet. Das Geld wird in die Elektrifizierung der Modellpalette fließen, also in die Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks. Den Banken kommt so in Zukunft ein starker Hebel bei grünen Investments zu. „Der Preiszettel sollte nicht die Motivation für einen Green Bond sein. Doch durch die hohe Nachfrage der Investoren, die ihr Geld bewusst nachhaltig investieren wollen, und die Überzeichnung wurde es automatisch auch günstiger für den Emittenten. Unsere Beratung geht aber in erster Linie dahin, dass Kunden ihre Finanzierungsstruktur mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie in Einklang bringen sollten“, meint Schubert. Für RBI-Vorstand Januszewski ist das Thema ESG – bedeutet übersetzt Umwelt, soziale Aspekte und Unternehmensführung – schon jetzt ein Hebel bei vielen Produkten im Investmentbanking. „Der Markt ist sehr liquid, ESG ist ein Incentive. Das kann richtig groß werden. Wir stecken sehr viel Arbeit in den Research, um Kunden bei ihren geplanten grünen Assets zu beraten.“ Ingo Bleier sieht zukünftig einen richtigen Run auf grüne Finanzierungen, „weil Banken eine Green Asset-Ratio veröffentlichen müssen. Wir haben das aktuell bei einem Fall in Rumänien gesehen. Der lokale Wasserkraftbetreiber hatte eine mittelfristige Finanzierung ausgeschrieben, da sind die Banken übereinander gefallen, um das Mandat zu bekommen.“

Gutes Standing

Die Rolle des Buhmanns haben die Investmentbanker längst abgelegt. In der Öffentlichkeit agieren sie aber immer noch sehr zurückhaltend. Die Mitarbeiter im Kapitalmarktgeschäft haben ein sehr gutes Standing in der Gruppe, sagt Bleier. „Gerade in der Pandemie konnten wir zeigen, dass wir zu den Guten gehören“, sagt Schubert und verweist auf die vielen Milliarden, die die Banken der Realwirtschaft zur Verfügung gestellt haben. Egos gebe es aber immer noch, meint Bleier. „Nirgendwo finden Sie so viele Titel und Eitelkeiten.“ n

„Das Ziel ist immer das Follow-up- Geschäft.“

VITA DANI ZULAUF

Korrespondent Schweiz „Börsianer“

Der studierte Wirtschaftswissenschaftler und Betriebswirt (59) hört am liebsten Schallplatten oder konzentriert sich gern beim Schach. Seine Familie ist sein größte Karriereerfolg.

GELDWÄSCHE

DIE SCHWEIZ WÄSCHT WEISSER

Die Schweiz als „wichtigste Drehscheibe für schmutzige Gelder“? Ein veraltetes Vorurteil und überdies ein billiger Vorwurf der Sensationspresse und einiger Erfolgsautoren, befand einmal ein gewisser Jean-Paul Chapuis, zu seiner Zeit Präsident der Schweizerischen Bankier„Anwälte wollen vereinigung. Das war vor 30 Verschleierung Jahren. Der linke Soziolonicht einsehen“ gieprofessor und langjährige Parlamentsabgeordnete Jean Ziegler hatte soeben

DANI ZULAUF

seine große Abrechnung mit dem Finanzplatz publiziert: „La Suisse lave plus blanc“ wurde über Nacht zum internationalen Bestseller. Das Buch stellte eine Vielzahl von bekannten Namen an den Pranger und zwang das Land, mit der Stipulierung einer Gesetzesnorm zur Bekämpfung der Geldwäsche endlich voranzukommen.

Die Norm ist nun 25 Jahre alt, und sie braucht dringend eine Revision. Im Unterschied zu Chapuis’ Zeiten haben die Bankiers erkannt, dass sie es bei der Pflege ihres Gartens nicht nur bei der Rhetorik belassen können. Ihre Vereinigung unterstützt die Revision aktiv. Doch ihr Einfluss auf Politik ist nicht mehr so groß wie damals. Es war die Lobby der Rechtsanwälte und Notare, welche die Gesetzesrevision während drei Jahren in eigener Regie verzögern und im März die Ausweitung der Sorgfaltspflicht auf den eigenen Berufsstand im Parlament erfolgreich verhindern konnte. „Die Anwälte wollen nicht einsehen, dass Verstöße gegen die Geldwäschereigesetzgebung durch das Anwaltsgeheimnis verschleiert werden können. Dabei ist dieser blinde Fleck ein großes Risiko für die Reputation des Finanzplatzes“, sagt eine Compliance-Spezialistin im Hinblick auf große Korruptionsskandale wie Petrobras, 1MDB oder Fifa, die das Schweizer Bankensystem unlängst heftig durchgeschüttelt haben. n

AKTIONÄRE AN DIE MACHT

Unter Aufsicht. Aufsichtsratschef Paul Achleitner bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank AG im Jahr 2019. Zuletzt standen bei den Aktionären Fragen bezüglich der Boni auf der Tagesordnung.

Die europäische Aktionärsrichtlinie, das steigende Fondskapital und der Trend, nachhaltiger zu investieren, sorgen wieder für lebendigere Hauptversammlungen. Kapitalsammelstellen und deren Stimmrechtsvertreter, die Proxys, mischen für ihre Anlagekunden kräftig bei der Firmenpolitik mit.

TEXT JULIA KISTNER

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