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KONJUNKTUR

KONJUNKTUR

Die Zeiten, in denen Privatanleger auf Hauptversammlungen (HV) mit einem Buffet abgespeist wurden, sind längst vorbei. Hier tummeln sich heute professionelle Stimmrechtsvertreter, die so manchen Aufsichtsrat und Vorstand Schweißperlen auf die Stirn treiben. „Institutionelle wie Fondsgesellschaften üben auf den HVs aktiv Stimmrechte für ihre Anleger aus. Sie tun dies vor allem über Proxy-Voting-Anbieter, also Stimmrechtsberater“, erzählt Florian Hauer, zuständig für Environmental Social Governance, kurz ESG, bei der Kepler Fonds KAG. „Es gibt einen globalen Trend, die Ausübung von Stimmrechten als Teil des ESG-Engagements zu betrachten“, ergänzt Caroline Le Meaux, Head of ESG Research, Engagement and Voting Policy bei Amundi, „dies wird von großen ESG-Organisationen wie UN Principles for Responsible Investment (UNPRI) und großen AssetOwnern vorangetrieben. Die Zunahme von Kooperationen bei umwelt- und sozialbezogenen Aktionärsbeschlüssen hat ebenso positiven Einfluss.“

Druck von Regulatorien und Anlegern

Nicht zuletzt kommt der Duck auf Kapitalanlagegesellschaften, Pensionskassen und Stiftungen, die Stimmrechte ihrer Kunden aktiv auszuüben, von außen. „Erstens gibt es mit der Umsetzung der europäischen Aktionärsrechterichtlinie unter ARUG II regulatorische Verpflichtungen. Zweitens werden die Anleger selbst immer anspruchsvoller und kritischer. Sie wollen wissen, was mit ihrem Geld passiert, und möchten, dass ihr Asset-Manager ihre Interessen auf Hauptversammlungen aktiv vertritt“, erklärt Janne Paul Werning, Nachhaltigkeitsverantwortlicher der Union Investment, „daher stimmen wir jährlich auf rund 2.000 Hauptversammlungen ab und melden uns regelmäßig auch mit Redebeiträgen und über die Medien zu Wort. Wir sind auch in Investorenvereinigungen wie Climate Action 100+ aktiv und führen mit ausgewählten Unternehmen wie Bayer den Dialog zu Klimafragen als Lead Investor. Dies hat dazu geführt, dass Bayer eine ambitionierte Klimastrategie verabschiedet hat und bis 2030 klimaneutral werden will.“

Auch die Kepler Fonds KAG will sich in der Firmenpolitik der investierten Unternehmen noch stärker einbringen. „Wir haben uns heuer erstmals einem Engagement-Pool mit dem Nachhaltigkeits-Research-Institut ISS ESG angeschlossen“, berichtet der Nachhaltigkeitsexperte Florian Hauer, „aktuell haben wir ein Proxy-Voting-Projekt in Umsetzung. Eine Stimmrechtsausübung ist vorerst einmal für unsere Ethikfonds ab 2022 geplant.“

„Stimmrechtsausübung über Proxy-VotingAnbieter.“

FLORIAN HAUER

Lenzing fliegt raus

„Durch die Stimmrechtsausübung hat man direkt Einfluss auf die Unternehmenspolitik“, unterstreicht auch Dominik Varga, ESG-Analyst der Erste Asset Management, die im Vorjahr auf 498 Hauptversammlung für ein verwaltetes Vermögen von 3,9 Milliarden Euro abstimmte. Varga: „Es gibt genügend Beispiele, wo wir für sinnvolle Aktionärsanträge gestimmt hatten, die dann durchgegangen sind. Bei Procter & Gamble zum Beispiel, die Palmöl und Zellstoffe benutzen, die die Abwaldung vom Amazonas und anderen Regenwäldern verursachen. Mit einer Zweidrittelmehrheit wurde der Aktionärsantrag, dies zu unterbinden, angenommen. Procter & Gamble lenkte ein.“

Bei internationalen Engagements kooperiert die Erste Asset Management mit Climate Action 100+ oder auch mit ISS ESG. Für solche Interessenzusammenschlüsse übernimmt sie bei österreichischen Unternehmen den Lead. Varga: „Bei der OMV lag der Fokus unseres Engagements 2020 auf mehr Transparenz der Lobbyaktivitäten des Ölkonzerns. Zum anderen, dass die OMV Ernst damit macht, Treibhausgase zu reduzieren, und drittens, dass die Vergütung des Managements auch an die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen gekoppelt wird.“ Bei der Lenzing AG habe man vermittelt, als man den heimischen Zellstoffhersteller verdächtigte, geschmuggeltes Holz aus der Ukraine zu verarbeiten. Der Verdacht war haltlos. Beim Maskenskandal der LenzingAG-Beteiligung Hygiene Austria, wo Betrug und Schwarzarbeit im Raum stehen, kennt man hingegen kein Pardon. „Wir haben entschieden, dass die Lenzing für unsere Nachhaltigkeitsfonds nicht mehr investierbar ist“, so Varga, „wir werden hier das Management um Stellungnahme bitten. Denn nur aus-

„Anleger wollen wissen, was mit ihrem Geld passiert.“

„Ausübung von Stimmrechten als Teil des ESGEngagements.“

CAROLINE LE MEAUX

„Haben direkt Einfluss auf die Unternehmenspolitik.“

DOMINIK VARGA

„Durch Resolutionen werden größere Veränderungen angestoßen.“

WOLFGANG PINNER

schließen bringt nichts, wir wollen natürlich auch, dass sich die Sache aufklärt und ein Umdenken dort stattfindet.“ So werde auch weiterhin mit ausgeschlossenen deutschen Autobauern BMW, Daimler und VW über Lösungen im Abgasskandal gesprochen.

Typische Kritikpunkte

Sehr populär ist es aktuell auch, durch Aktionärsanträge bei Unternehmen auf den Kohleausstieg zu drängen. Erste Group Bank AG und Raiffeisen Bank International AG wollen ihre Finanzierungen im Bereich Kraftwerkskohle bis 2030 beenden. Es geht aber keinesfalls „nur“ um die Einforderungen von Umwelt- und Sozialstandards. „Anlassfälle, bei denen wir immer wieder gegen die Vorschläge des Managements stimmen, betreffen oftmals Corporate-GovernanceThemen wie die fehlende Unabhängigkeit von Mitgliedern des Aufsichtsgremiums oder die fehlende Trennung von Management und Aufsichtsposition im Rahmen der Unternehmensführung“, unterstreicht Wolfgang Pinner, Leiter Nachhaltige Investments in der Raiffeisen KAG die Wichtigkeit eines unabhängigen Kontrollrats. Pinner: „Den Investoren ist ein gutes Zusammenspiel zwischen Management, Aufsichtsgremium und Shareholdern wichtig. Denn dieses ist für eine langfristig positive Entwicklung eines Unternehmens essenziell.“

Auch bei der Investmentgesellschaft T. Rowe Price, die 2020 auf Hauptversammlungen insgesamt 1.431-mal für ihre Anleger abgestimmt hat, ging es am häufigsten um Fragen der Corporate Governance, 500-mal um Vorstandsbesetzungen. Denn die Aktionärsrichtline II brachte den Aktionären vor allem eines: Mitspracherechte bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand. Aktionäre können jetzt jährlich über den Vergütungsbericht abstimmen.

Eine Übersicht über das gesamte Engagement der Fondsgesellschaften findet der Anleger in den jährlich verfassten Voting-Reports und auf den Webseiten. „Asset-Manager veröffentlichen Reports zu den von ihnen getätigten Unternehmensdialogen und zur Nutzung ihrer Stimmrechte. Darin werden meist die betroffenen Unternehmen und Emittenten aufgeführt und Beispiele gegeben“, erklärt Wolfgang Pinner von der Raiffeisen KAG. Aus dem letzten veröffentlichten Voting-Report 2019 der Ersten Asset Management kann man beispielsweise herauslesen, dass in den entwickelten Staaten vor allem Unternehmen aus dem Finanz- und Real-Estate-Bereich im Fokus der ESG-Dialoge standen. In den Emerging Markets waren es neben Finanzwerten Unternehmen aus dem Versorgersektor.

#REGULIERUNG

AKTIONÄRSRICHTLINIE II

Die Aktionärsrichtlinie II brachte 2019 die Stärkung der Aktionärsrechte in vier Punkten:

1. Transparenzpflichten für institutionelle

Anleger, Stimmrechtsvertreter und

Vermögensverwalter: Sie müssen ihre

Anlagestrategie, Mitwirkungspolitik,

Interessenkonflikte und die Ausübung ihrer

Stimmrechte offenlegen. 2. Mitsprache der Aktionäre bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand. Jährliche

Abstimmung der Aktionäre über den

Vergütungsbericht. 3. Bekanntmachungspflicht von Geschäften mit nahestehenden Personen und Unternehmen. 4. Erleichterung der Ausübung von

Aktionärsrechten.

Teure Nebenwirkung

Wer zahlt, schafft an. Daher können aktive Vertreter von Pensionskassen, Stiftungen, Versicherungen oder Kapitalanlagegesellschaften durchaus etwas bewirken. Wie viel, „das hängt von der Konstellation der Eigentümerstruktur ab. Je größer der Streubesitz, desto mehr Möglichkeiten bieten sich“, meint Wolfgang Pinner, „durch Resolutionen vonseiten der Aktionäre, deren Einbringung jedoch eine gewisse Beteiligungsquote bedingen, können größere Veränderungen angestoßen werden. Stimmrechtsausübungen benötigten jedoch auch Ressourcen für Analyse und den gesamten Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit dem Voting“, weist der Nachhaltigkeitsexperte auch auf die Kosten für die Fondsgesellschaften hin. Daher muss am Ende auch der Fondsanleger für den nicht ganz unerheblichen Zusatzaufwand für seine Stimmrechtsvertretung und für die Erstellung des jährlichen Voting-Reports aufkommen. Und der muss irgendwie durch die Managementgebühren gedeckt werden. „Im Jahr 2020 stimmten wir bei mehr als 4.200 Aktiengesellschaften rund 50.000 Beschlüsse ab. Wir haben fünf Corporate-Governance-Analysten, die für diese Abstimmungen zuständig sind“, berichtet Caroline Le Meaux, ESG-Expertin bei Amundi. Auch die Erste Asset Management hat drei Mitarbeiter für das Engagement abbestellt, die für rund 16,5 Milliarden Euro nachhaltig veranlagtes Vermögen abstimmten, das ist knapp ein Viertel der gesamten von der Gesellschaft verwalteten Assets. n

„Social-Media-Präsenz ist authentischer als klassische Pressearbeit.“

THOMAS ARNOLDNER, 1. PLATZ

Ranking. Der Spitzenreiter im Ranking der ATX-CEOs postet und kommentiert auf Linkedin mehrmals pro Woche zu Aktuellem der Telekom Austria.

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