Börsianer 43. Ausgabe, Q2 2021

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FINANZPLATZ FONDS

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ie Zeiten, in denen Privatanleger auf Hauptversammlungen (HV) mit einem Buffet abgespeist

wurden, sind längst vorbei. Hier tum-

meln sich heute professionelle Stimmrechtsvertreter, die so manchen Aufsichtsrat und Vorstand Schweißperlen

„Stimmrechts­ ausübung über Proxy-­VotingAnbieter.“

menspolitik“, unterstreicht auch Dominik Varga, ESG-Analyst der Erste Asset Management, die im Vorjahr auf 498 Hauptversammlung für ein verwaltetes Vermögen von 3,9 Milliarden Euro abstimmte. Varga: „Es gibt genügend Beispiele, wo wir für sinnvolle Aktionärsan-

FLORIAN HAUER

träge gestimmt hatten, die dann durch-

auf die Stirn treiben. „Institutionelle wie Fondsgesellschaften üben auf den HVs

vestment, „daher stimmen wir jähr-

gegangen sind. Bei Procter & Gamble

aktiv Stimmrechte für ihre Anleger aus.

lich auf rund 2.000 Hauptversammlun-

zum Beispiel, die Palmöl und Zellstoffe

Sie tun dies vor allem über Proxy-Vo-

gen ab und melden uns regelmäßig auch

benutzen, die die Abwaldung vom Ama-

ting-Anbieter, also Stimmrechtsbera-

mit Redebeiträgen und über die Medien

zonas und anderen Regenwäldern ver-

ter“, erzählt Florian Hauer, zuständig für

zu Wort. Wir sind auch in Investoren-

ursachen. Mit einer Zweidrittelmehr-

Environmental Social Governance, kurz

vereinigungen wie Climate Action 100+

heit wurde der Aktionärsantrag, dies zu

ESG, bei der Kepler Fonds KAG. „Es gibt

aktiv und führen mit ausgewählten Un-

unterbinden, angenommen. Procter &

einen globalen Trend, die Ausübung von

ternehmen wie Bayer den Dialog zu Kli-

Gamble lenkte ein.“

Stimmrechten als Teil des ESG-Engage-

mafragen als Lead Investor. Dies hat

ments zu betrachten“, ergänzt Caroline

dazu geführt, dass Bayer eine ambitio-

kooperiert die Erste Asset Management

Le Meaux, Head of ESG Research, Enga-

nierte Klimastrategie verabschiedet hat

mit Climate Action 100+ oder auch mit

gement and Voting Policy bei Amundi,

und bis 2030 klimaneutral werden will.“

ISS ESG. Für solche Interessenzusam-

„dies wird von großen ESG-Organisa­

Auch die Kepler Fonds KAG will sich

menschlüsse übernimmt sie bei öster-

tionen wie UN Principles for Responsible

in der Firmenpolitik der investierten

reichischen Unternehmen den Lead.

Investment (UNPRI) und großen Asset-

Unternehmen noch stärker einbringen.

Varga: „Bei der OMV lag der Fokus unse-

Ownern vorangetrieben. Die Zunahme

„Wir haben uns heuer erstmals einem

res Engagements 2020 auf mehr Trans-

von Kooperationen bei umwelt- und so-

Engagement-Pool mit dem Nachhal-

parenz der Lobbyaktivitäten des Ölkon-

zialbezogenen Aktionärsbeschlüssen hat

tigkeits-Research-Institut ISS ESG an-

zerns. Zum anderen, dass die OMV Ernst

ebenso positiven Einfluss.“

geschlossen“, berichtet der Nachhal-

damit macht, Treibhausgase zu redu-

tigkeitsexperte Florian Hauer, „aktuell

zieren, und drittens, dass die Vergü-

Druck von Regulatorien und Anlegern

haben wir ein Proxy-Voting-Projekt in

tung des Managements auch an die Er-

Nicht zuletzt kommt der Duck auf

Umsetzung. Eine Stimmrechtsausübung

reichung von Nachhaltigkeitszielen ge-

­Ka­pitalanlagegesellschaften, Pensions-

ist vorerst einmal für unsere Ethikfonds

koppelt wird.“ Bei der Lenzing AG habe

kassen und Stiftungen, die Stimmrechte

ab 2022 geplant.“

man vermittelt, als man den heimi-

Bei

internationalen

Engagements

schen Zellstoffhersteller verdächtigte,

ihrer Kunden aktiv auszuüben, von außen. „Erstens gibt es mit der Umsetzung

Lenzing fliegt raus

geschmuggeltes Holz aus der Ukraine

der europäischen Aktionärsrechtericht-

„Durch die Stimmrechtsausübung hat

zu verarbeiten. Der Verdacht war halt-

linie unter ARUG II regulatorische Ver-

man direkt Einfluss auf die Unterneh-

los. Beim Maskenskandal der Lenzing-

pflichtungen. Zweitens werden die Anleger selbst immer anspruchsvoller und kritischer. Sie wollen wissen, was mit ihrem Geld passiert, und möchten, dass ihr Asset-Manager ihre Interessen auf Hauptversammlungen aktiv vertritt“, erklärt Janne Paul Werning, Nachhaltigkeitsverantwortlicher der Union In-

AG-Beteiligung Hygiene Austria, wo

„Anleger ­wollen wissen, was mit ­ihrem Geld ­passiert.“ JANNE PAUL WERNING

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Betrug und Schwarzarbeit im Raum stehen, kennt man hingegen kein Pardon. „Wir haben entschieden, dass die Lenzing für unsere Nachhaltigkeitsfonds nicht mehr investierbar ist“, so Varga, „wir werden hier das Management um Stellungnahme bitten. Denn nur aus-


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