8 minute read

Blickpunkt: Expedition Mozart

Expedition Mozart

Kit Armstrong erkundet das musikalische Universum Wolfgang Amadeus Mozarts, insbesondere zentrale Klavier- und andere Solokonzerte. Zusätzlich zu Simply, Hermès und Minetti Quartett gehören Konzertmeister:innen und Stimmführer:innen aus namhaften Orchestern zum sorgfältig ausgewählten Expeditionsteam. Im Interview gibt Kit Armstrong Einblicke in das Projekt

Das Gespräch führte ALEXANDRA ZIANE

Kit Armstrong, Sie sind in Los Angeles geboren, Ihre Mutter stammt aus Taiwan. Sie haben in den USA, London und Paris studiert, u. a. Musik, also Komposition und Klavier, Mathematik, Chemie und Physik. Woher können Sie so hervorragend Deutsch?

Es hat damit angefangen, dass ich ein großes Interesse für das Kunstlied hatte. Ich wollte diese Lieder begleiten, mit Sänger:innen zusammenarbeiten. Ich bewundere die menschliche Stimme viel mehr als alle anderen Instrumente, weil es etwas Besonderes ist, mit der eigenen Stimme, mit dem eigenen Körper Musik zu machen. Als Kind habe ich mich für Naturwissenschaften interessiert, dazu kam die Musik, als ich etwa fünf Jahre alt war. Über die Musik habe ich den Zugang zur Literatur gefunden. Weil ich in diese Welt eintauchen wollte, habe ich mich für die deutsche Sprache interessiert.

Sie sind erstmals im Jahr 2010 im Wiener Konzerthaus aufgetreten, als Sie in einem Gesprächskonzert von Alfred Brendel gespielt haben. Was verbindet Sie mit ihm?

Wir sind uns 2004 erstmals persönlich begegnet, als er in Philadelphia, wo ich damals wohnte, ein Rezital gegeben hat. Ich saß zufälligerweise neben einer Dame, die mit Herrn Brendel befreundet war. Sie hat in meine Richtung geschaut. Nun hatte sie endlich die Gelegenheit, den großen Pianisten live zu erleben, und saß neben einem Knaben, der vermutlich nach einem Satz anfangen würde, Geräusche zu machen. Um dem vorzubeugen, begann sie ein Gespräch mit mir. Am Ende des Konzerts stellte sie mich Alfred Brendel vor. Das war der erste Kontakt. Herr Brendel hat mir beigebracht, was wesentlich und was unwesentlich ist. Wir haben auch einfach so Zeit miteinander verbracht, das war sehr bereichernd.

Sie haben schon mehrere Konzerte bei uns gegeben, Rezitale, auch Klavierkonzerte von Mozart und Beethoven gespielt. Im letzten Jahr waren sie mit dem Minetti Quartett zu Gast, das bei der »Expedition Mozart« dabei sein wird, sowie mit Werken von Ligeti, Bach und Chopin. Mit »Expedition Mozart« widmen Sie sich in drei Konzerten ganz Mozart.

»Expedition Mozart« ist ein ganz besonderes Projekt. Es ist auf der Grundlage entstanden, dass wir Musik spielen wollen, die wir alle kennen und lieben. Wir wollen schauen, wie es ist, wenn wir zusammenkommen und spielen, ohne dass uns jemand sagen muss, wie das eine oder andere geht. Wir bewundern Mozart nicht nur sehr, sondern haben auch den Eindruck, dass uns seine Musik erlaubt, alles zum Ausdruck zu bringen, was in uns ist.

Wenn Sie sagen »wir«, heißt das, dass die Auswahl gemeinsam erfolgt ist? Ist es also ein Gemeinschaftsprojekt?

Ja, es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Wir Musiker:innen sind untereinander nicht nur bekannt, sondern in vielen Fällen auch befreundet, und wir haben sehr viele Gespräche geführt, natürlich auch mit dem Wiener Konzerthaus. Zwei Dinge machen dieses Projekt so besonders: erstens die Musik, zweitens die Besetzung. Es war uns allen ein großes Anliegen, kammermusikalisch zu spielen und alle Stimmen mit kammermusikalisch denkenden Musiker:innen zu besetzen.

Das unterscheidet das Projekt schon einmal grundsätzlich von einem normalem Orchester.

So ist es. Das Orchester, wie es heutzutage existiert, ist wirklich etwas Wunderbares, aber es ist eher ein Produkt des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese Idee eines Orchester, in dem alle Personen einen kleinen persönlichen Beitrag zum Kollektivklang leisten, ist eine andere als die der Kammermusik. Deshalb setzen sich die Streicher:innen bei »Expedition Mozart« aus Streichquartetten zusammen. Wenn man Mozart in einer Streichquartettbesetzung hört, mit einem richtig guten Streichquartett, hört man ab dem ersten Ton eine andere Welt. Ich sehe eine Chance in den Partituren von Mozart, weil sie uns allen derart bekannt sind, dass wir sie nicht in der Probe auseinandernehmen müssen, dass wir einfach spielen und mit unseren Fertigkeiten einzelne Stimmen beleben können, um so etwas wirklich anderes zu schaffen.

Interview mit Kit Armstrong
© Antonia Wechner
›Expedition Mozart‹ ist ein ganz besonderes Projekt. Es ist auf der Grundlage entstanden, dass wir Musik spielen wollen, die wir alle kennen und lieben.

KIT ARMSTRONG

Auf dem Programm stehen weniger bekannte Werke wie die »Maurerische Trauermusik«, aber auch sehr populäre wie die »Kleine Nachtmusik«.

Es ist ein großes Glück, dass diese Musik, die uns so viel gibt, auch aufgrund von Romanen oder Filmen so berühmt geworden ist und dem Publikum bekannt. Das ist uns sehr wichtig. Denn es ist nicht nur eine Expedition in eine unbekannte Welt, sondern auch in eine, die man kennt. Musik ist Kommunikation, und für jede bedeutungsvolle Kommunikation braucht es eine gemeinsame Grundlage.

Die Besetzungen der einzelnen Werke sind sehr verschieden. Manche Werke sind im Original sehr groß besetzt, etwa das Klavierkonzert in c-moll. Wie funktioniert das bei »Expedition Mozart«?

Wir haben zuerst ans Publikum gedacht. Nachdem wir erfahrene Kammermusiker:innen sind, wollen wir auch Kammermusik spielen, und das war in jedem dieser Programme eine Art Leitfaden. Wir wollen zeigen, dass Mozarts Partituren, seine Gedanken nicht anders waren, wenn er für kleine oder eben für große Besetzung geschrieben hat wie beim c-moll Konzert, bei dem alle auf der Bühne sind, drei Streichquartette und die volle Bläserbesetzung. Die Interaktionen auf der Ebene des Zwischenmenschlichen und die kammermusikalischen Zusammenhänge sind nicht wesentlich anders als bei einer kleinen Besetzung mit zum Beispiel fünf Leuten.

Sie sagten, Sie sind zum großen Teil auch befreundet. Denken Sie, das macht einen Unterschied beim Zusammenspielen?

Diese Frage könnte man ganz einfach mit Ja beantworten, aber ich bin zu sehr Naturwissenschaftler, um diesen leichten Weg zu akzeptieren. Ich kann es nicht beweisen und ich wüsste auch nicht, wie man so etwas untersucht, aber man glaubt bei dieser Art des Musizierens mehr zu spüren als bei einem normalen Konzert. Selbst wenn man sich persönlich nicht kennt – man fühlt sich ab dem Moment, in dem man miteinander spielt, irgendwie befreundet. Wenn dann noch eine tiefere persönliche Ebene hinzukommt, macht es, so glaube ich, einen Unterschied.

Sie sind in zwei Welten zu Hause, in den Naturwissenschaften und in der Musik. Haben diese beiden für Sie etwas miteinander zu tun oder sind es getrennte Welten?

Es gibt die naheliegende Tendenz, als Naturwissenschaftler nichts anderes akzeptieren zu wollen als das Belegbare, das, was man vom vorherigen Wissen herleiten kann. Die klassische Musik ist erst einmal ein Vorgang, der dem nicht entspricht, denn man spielt Noten, ohne sie zu hinterfragen. Es ist einfach so, der Komponist hat es vor zweihundert Jahren so niedergeschrieben und wir müssen es akzeptieren. Aber irgendwann führt uns dieser Vorgang an einen Punkt, an dem wir so unglaublich Berührendes und Wertvolles erleben. Dann erscheint die Welt plötzlich größer. Ich habe sicherlich neue Perspektiven kennengelernt durch die Auseinandersetzung mit Musik. Da passiert viel, was man nicht beweisen kann und was trotzdem wertvoll ist.

Sie haben sich gerade intensiv mit künstlicher Intelligenz beschäftigt. Denken Sie, dass sich Mozart, hätte er sie zur Verfügung gehabt, ihrer bedient hätte?

Was ist denn künstliche Intelligenz? Ist nicht Musiktheorie schon eine künstliche Intelligenz? Die heutige künstliche Intelligenz kann sehr vieles, was ein auf Papier geschriebenes Regelwerk nicht kann. Und das ist eben auch das Spannende. Eine Maschine wird erst in dem Moment als intelligent bezeichnet, in dem sie etwas produzieren kann, was nicht vorhersehbar ist. Ich denke jedenfalls, ein Komponist wie Mozart hätte sicherlich seinen Spaß daran gehabt, mit solchen Systemen zu konversieren.

Kit Armstrong
© Antonia Wechner

::::::::::::::::::

Do, 25/04/24, 19.30 Uhr · Großer Saal

Expedition Mozart #1

Kit Armstrong, Klavier
Amihai Grosz, Viola
Noah Bendix-Balgley, Violine, Konzertmeister
& Ensemble

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonia concertante Es-Dur K 320 d für Violine, Viola und Orchester · Konzert für Klavier und Orchester A-Dur K 488 · Maurerische Trauermusik c-moll K 479a · Konzert für Klavier und Orchester c-moll K 491

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60928

::::::::::::::::::

Fr, 26/04/24, 18.30 Uhr · Großer Saal

Expedition Mozart #2

Kit Armstrong, Klavier
Céline Moinet, Oboe
Noah Bendix-Balgley, Violine, Konzertmeister
& Ensemble

Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur K 271 »Jeunehomme« · Symphonie g-moll K 173 dB · Konzert für Oboe und Orchester D-Dur K 285 d · Konzert für Klavier und Orchester C-Dur K 467

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60930

::::::::::::::::::

Fr, 26/04/24, 21.00 Uhr · Mozart-Saal

Expedition Mozart #3

»Eine kleine Nachtmusik«

Kit Armstrong, Klavier
Jasmine Choi, Flöte
Céline Moinet, Oboe
Noah Bendix-Balgley, Violine
& Ensemble

Wolfgang Amadeus Mozart: Eine kleine Nachtmusik G-Dur K 525 · Sonate Es-Dur K 293 b für Violine und Klavier · Adagio h-moll K 540 · Adagio h-moll K 540 · Adagio und Rondo C-Dur K 617 für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello (Bearbeitung für Flöte, Oboe, Viola, Violoncello und Klavier) · Adagio und Fuge für Streicher c-moll K 546

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60931

::::::::::::::::::

This article is from: