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Zauber der Poesie
Die Wiener Symphoniker trugen wesentlich dazu bei, den Ruf von Johannes Brahms als Orchesterkomponist zu etablieren. Das »Deutsche Requiem« verbindet sie auch mit der Geschichte des Wiener Konzerthauses.
VON MEINHARD SAREMBA
Insgesamt tüftelte Johannes Brahms zwölf Jahre am Konzept und an der Musik seiner berühmtesten Komposition für Solist:innen, Chor und Orchester. Deswegen meinte er, »ich mag es auch nicht hören, dass ich das Requiem für meine Mutter geschrieben habe!« Es ist vor allem geprägt durch den intensiven Austausch mit Clara Schumann. »Ein deutscher Text kann dir doch so gut gefallen wie der gewohnte lateinische?«, schrieb er der Freundin und Ratgeberin. Als Grundlage für »Ein deutsches Requiem« verwendete Brahms die Luther-Übersetzung des Alten und Neuen Testaments.
»Was den Text betrifft, will ich bekennen, dass ich recht gern auch das ›Deutsch‹ fortließe und einfach den ›Menschen‹ setzte«, meinte er. Für Brahms zählten vor allem die Leidenden, die Zuspruch brauchen. Clara las die von ihm ausgewählten Bibelstellen
als protestantische Gläubige; er jedoch sah die Verse nicht wie ein Theologe als ›Wort Gottes‹, sondern als Passagen aus einer Anthologie. So wie Brahms Clara Schumann einst beim Tod ihres Mannes, ihren Depressionen und schweren Erkrankungen der Kinder zur Seite gestanden hatte, vertonte er für sie nun Trostund Erbauungsliteratur. Sie sprach in Bezug auf die für das »Deutsche Requiem« ausgewählten Texte vom »Zauber der Poesie«.
Mit dem Vorgänger der Wiener Symphoniker stellte der langjährige erste Chefdirigent Ferdinand Löwe im Dezember 1915 das »Deutsche Requiem« erstmals im Konzerthaus vor; ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg folgten weitere Aufführungen. Damit trug man wesentlich dazu bei, neben der Symphonik und den Klavierkonzerten dem Musikdramatiker Brahms und seiner universalen Botschaft Anerkennung zu verschaffen.
Brahms’ »Ein deutsches Requiem« stellt besondere Anforderungen an die Interpret:innen. »Wenn jemand einen Sterbenden auf der Bühne darstellt, dann geht es nicht darum, dass er schön singt, sondern dass er so nah, so wahrhaftig wie möglich diese Todesahnung darstellt«, meint die opernerfahrene Sopranistin Christiane Karg, die 2018 mit dem Brahms-Preis ausgezeichnet wurde.
»Es wird viel Wert auf Schönklang gelegt, aber das war mir immer zu langweilig.« Ein Werk wie »Ein deutsches Requiem« brauche Textverständnis und Ausdruck. »Künstlerischer Sinn überträgt sich auf Dauer«, glaubt der Bariton Matthias Goerne. »Ich erlebe ebenso, dass die Menschen abseits vom Streben nach Profit und Karriere einen Gehalt, einen anderen Sinn für ihr Leben suchen – in einer philosophischen Dimension.« Dies wäre ganz im Sinne von Brahms gewesen. Einem Freund gestand der Komponist, er finde »vieles in der Bibel echt heidnisch, aber auch echt menschlich«, denn »der Glaube allein ist nichts, alles herschenken ist auch nichts, den Leib als Märtyrer verbrennen lassen ist auch nichts, nur die Liebe!«
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Do & Fr, 29 & 30/09/22, 19.30 Uhr · Großer Saal
Johannes Brahms Ein deutsches Requiem op. 45
Wiener Symphoniker; Wiener Singakademie; Christiane Karg: Sopran; Matthias Goerne: Bariton; Dirigent:in wird nachgenannt
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Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59751