Programmheft »Daphne«

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DAPHNE Richard Strauss


INHALT

Die Handlung 4 Über dieses Programmbuch 6 Musik ist immer die Sprache des Unbewussten → Sebastian Weigle im Gespräch

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Daphne – ein intimes Kammerstück → Nicolas Joel und Pet Halmen im Gespräch

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Die Geschichte der Daphne → Michael Köhlmeier 20 Unterschiedliche Erscheinungsformen der Daphne → Andreas Láng

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Entstehungsgeschichte der Oper Daphne → Maria Publig 28

Strauss’ Daphne – ein Spätwerk? → Michael Walter

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Wenn Götter lieben → Oliver Láng

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Notizen zu Daphne → Joseph Gregor

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Briefe rund um Daphne

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Es hätte ihm ungemein gefallen... → Margot Th. Brandlhuber

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Daphne, ein großes Küchengewürz → Günther Nenning 60 Trieb oder Trauma? → Felix de Mendelssohn 68 Daphne an der Wiener Staatsoper → Andreas Láng

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Ich komme – ich komme – grünende Brüder… Daphne, Schlussgesang


DAPHNE → Bukolische Tragödie in einem Aufzug Musik Richard Strauss Text Joseph Gregor

Orchesterbesetzung 3 Flöten, 2 Oboen, 1 Englischhorn, 3 Klarinetten, 1 Bassklarinette, 1 Bassetthorn, 3 Fagotte, 1 Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, 1 Tuba, Pauken, Schlagwerk, 2 Harfen, Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass Bühnenmusik Orgel, Alphorn Spieldauer 1 Stunde 45 Minuten (keine Pause) Autograph Richard-Strauss-Archiv Garmisch-Partenkirchen Uraufführung 15. Oktober 1938, Opernhaus Dresden Erstaufführung an der Wiener Staatsoper 25. April 1940




DIE HANDLUNG

Die Bühne stellt einen Salon »à la grec« dar. Im dunklen Dämmer auf einer Liege in der Mitte des Salons liegt in träumerischer Pose eine junge Frau. Der Salon wird von zwei großen antiken Statuen beherrscht; zu Füßen des Apollo, in einem Stuhl sitzend, ahnt man eine dunkle Gestalt. Die junge Frau bewegt sich unruhig im Schlaf. Träumt sie? Der sie beobachtende Mann – ist es ihr Gatte? Eine einsame Oboe ertönt. Die Figuren der Wandmalereien scheinen zu leben. Die Dionysos-Statue, deren Blick auf die Schlafende gerichtet ist, leuchtet im Dunkeln. Stimmen dringen durch die Wände an das Ohr der Frau. Sie richtet sich auf, die gemalten Bäume ziehen sie magisch an, sehnsuchtsvoll klagt sie: »O bleib geliebter Tag«. Sie fürchtet die Nacht, insbesonders die nun anbrechende. Die Wand wird transparent. Ein junger Mann liegt im Laub, er erhebt sich plötzlich und kommt auf die Singende zu. Der Schleier zwischen ihnen fällt, von nun an vermischen sich die beiden Ebenen. Die Frau wird Daphne, der junge Mann ist Leukippos, die Mutter wird zu Gaea, der Vater zu Peneios, der Gatte verwandelt sich in Apollo. Als Leukippos zudringlich wird, entflieht Daphne der Realität des Salons. Leukippos beklagt sich bei ↑ den eintretenden Zofen. Diese raten ihm, Daphnes Kleider anzuziehen, um Vorherige Seiten: Szenenbild, 2017 sich ihr zu nähern. DIE H A N DLU NG

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Peneios kommt mit seinen Hirten und besingt die Schönheit des Olymp. Gestört wird das Idyll durch die Erscheinung eines Fremden. Es ist der verkleidete Apollo. Erschreckt flüchten alle. Als er einen Augenblick lang alleine bleibt, macht er sich Vorwürfe, sich selbst erniedrigt zu haben. Daphne erhebt sich von ihrer Liege. Im magischen Licht des Mondes erinnert ihr Anblick Apollo an seine Schwester Artemis. Es erfasst ihn eine große Zuneigung zu ihr. Daphne aber steht diesem Manne ein wenig misstrauisch gegenüber. Der Fremde gesteht ihr, er kenne sie sehr wohl und wiederholt einige Worte, die sie (bei ihrem ersten Auftreten) an das Tageslicht gerichtet hatte. Im Glauben, in Apollo eine verwandte Seele gefunden zu haben, sinkt sie an seine Brust. Als er sie jedoch verlangend küsst, will sie fliehen. Das Fest zu Ehren des Gottes Dionysos beginnt. Eine große Maske wird sichtbar. Aus ihrem Maul springen Faune und Nymphen, ein großer Weinbrunnen wird gebracht, alle betrinken sich. Unter ihnen der verkleidete Leukippos, der sich schmeichelnd Daphne nähert. In tiefer Verbundenheit zieht es sie zu diesem »Mädchen« hin. Sie beginnen zu tanzen. Als Daphne der Fremden die Maske vom Gesicht nehmen will, wehrt sich Leukippos brutal, wirft Daphne zu Boden, um sie zu vergewaltigen. In diesem Augenblick durchschaut Apollo Leukippos Verkleidung und bricht in einen Wutschrei aus. Er beschwört ein Gewitter, alle laufen davon, nur Daphne, Apollo und Leukippos bleiben zurück. Leukippos verlangt von Apollo, er möge seine Identität offenbaren. Als Daphne dasselbe fordert, gibt er sich zu erkennen: »Ich bin Apollo, der Gott der Sonne und des Tageslichts«. Leukippos verflucht den Gott, worauf dieser ihn tötet. Daphne, die den Leichnam ihres einstigen Spielgefährten beklagt, begreift nun, dass sie zu ihm gehört. Bitter weist sie Apollos Werbung zurück. Tief bewegt fleht er die Götter an, ihm seinen Betrug an diesen Sterblichen zu vergeben. Seinen Vater Zeus bittet er, Daphne in einen Lorbeerbaum zu verwandeln. Dessen Zweige sollen die Stirn der edelsten Männer schmücken und als Schwester soll sie Apollo verbunden sein. Daphnes Verwandlung beginnt. Eine zeitlang noch hört man ihre Stimme. Die Wand schließt sich. Im dunklen Zimmer sitzt der Mann, die Liege aber ist leer. Pet Halmen / Nicolas Joel

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DIE H A N DLU NG


ÜBER DIESES PROGRAMMBUCH

Im Jahr 1935 begann sich Richard Strauss intensiver mit dem griechischen Daphne-Mythos auseinanderzusetzen. Und obwohl sein kongenialer Libretto-Partner Hugo von Hofmannsthal inzwischen verstorben und eine Zusammenarbeit mit dessen ebenbürtigem Nachfolger Stefan Zweig aufgrund des nationalsozialistischen Terrors nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland beendet war, wollte und konnte Strauss auf das Komponieren neuer Opern nicht verzichten. Mehr schlecht als recht behalf er sich daher mit Joseph Gregor als Librettisten, einem anerkannten Theaterwissenschaftler, der aber literarisch Hofmannsthal und Zweig nicht das Wasser reichen konnte. Gemeinsam mit ihm entwickelte Strauss seine bukolische Tragödie Daphne, die schließlich 1938 in Dresden zur Uraufführung gelangte. ÜBER DIESES PROGR A M MBUCH

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Über Francis die Partitur Poulenc an an sichPierre sowieBernac, über die22. Einbettung August 1953 des Werkes im Gesamtœuvre Strauss’ spricht Sebastian Weigle, der Dirigent der Wiederaufnahme vom September 2023 ab Seite 10. Das Inszenierungsduo Nicolas Joel und Pet Halmen beschreibt seinerseits die hohe Qualität der Musik, die es inspiriert hat, in dieser Produktion ein modernes tragisches Frauenschicksal auf die Bühne zu stellen (siehe Gespräch ab Seite 14). Der bedeutende Musikwissenschaftler Michael Walter hebt ab Seite 33 anhand zahlreicher Details Besonderheiten der Daphne-Partitur hervor, und belegt, wie sehr sich Strauss in diesem Werk sowohl auf seine symphonischen Schöpfungen als auch auf die frühen Opern Salome und Elektra zurückbesinnt. Der bekannte Autor Michael Köhlmeier erzählt ab Seite 20 auf gewohnt stringente und poetische Weise die griechische Sage, auf der die Geschichte dieser Oper basiert, wohingegen Oliver Láng ab Seite 40 den Affären antiker Götter mit den Sterblichen auf der Erde nachgeht – nicht zuletzt in diversen Werken der Operngeschichte. Andreas Láng schildert einerseits den hohen Stellenwert der Daphne-Sage in der 400jährigen Gattung Oper und zeigt andererseits auf, dass Strauss seine Inspiration nichtsdestotrotz zunächst aus Daphne-Darstellungen der Kunstgeschichte schöpfte (ab Seite 24). Die Entstehungsgeschichte der Daphne erzählt Maria Publig ab Seite 28, ausgewählte Briefe ab Seite 48 zeichnen die Atmosphäre der Autorenwerkstatt Strauss-Gregor. Der Librettist Joseph Gregor selbst beschreibt die Grundintentionen der Schöpfer des Werkes, die dieser Oper zugrunde liegen ab Seite 45 und Günther Nenning verschränkt in einem pointierten Essay Überlegungen über die Pflanze Daphne, die entsprechende Mythologie sowie Strauss’ Oper (ab Seite 60). Basierend auf dem Inszenierungskonzept der aktuellen Produktion geht Felix de Mendelssohn ab Seite 68 den Ursachen des Tagtraumes nach und Margot Th. Brandlhuber der künstlerischen Welt Franz von Stucks (ab Seite 54.) Abschließend fasst Andreas Láng die Daphne-Rezeption ab Seite 74 an der Wiener Staatsoper zusammen.

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ÜBER DIESES PROGR A M MBUCH




MUSIK IST IMMER DIE SPRACHE DES UNBEWUSSTEN

WiederaufnahmenDirigent Sebastian Weigle im Gespräch


Der Daphne-Librettist Joseph Gregor meinte, er habe beim Schreiben Elektra und Salome im Ohr gehabt. Inwiefern haben Sie beim Dirigieren der Daphne diese beiden Werke im Ohr? Sind das überhaupt (noch) Bezugspunkte? Es ist ja die Grundvoraussetzung, wenn man auch nur ein Werk eines Komponisten leitet, sein Schaffen möglichst umfänglich zu kennen. Ich hatte nun das Glück, nahezu alle Hauptwerke von Strauss in meiner Laufbahn, zuerst als Hornist und dann als Dirigent – zumeist wiederholt – musizieren zu dürfen. Es ist also für mich selbstverständlich, die Daphne im Gesamtkontext seines Schaffens zu sehen.

SW

Mit Daphne haben wir einen mythologischen Stoff. Ist dieses Mythologische musikalisch nachvollziehbar? Natürlich – das Mythologische spielt ja bei Strauss immer wieder eine entscheidende Rolle und er hat dafür musikalisch jeweils den ganz spezifischen Ausdruck geschaffen.

SW

Inwiefern betonen Sie als Dirigent die in der Oper auskomponierten Bilder wie die »stampfenden Hufen«, den Wind etc., damit sie noch deutlicher zu hören sind? Es muss nichts extra betont werden. Wenn man die Partitur nach bestem musikalischem Gewissen so umsetzt wie sie geschrieben ist und wie ich sie lese, ergeben sich die Effekte von ganz alleine und auf die natürlichste Art und Weise.

SW

Differenziert Strauss in Daphne musikalisch zwischen einer irdischen und einer göttlichen Welt? Das versucht er immer wieder und natürlich findet er zum Beispiel für Apollo eine Musiksprache, die sich von den »irdischen« Figuren durch Stil und Ausdruck ganz offensichtlich abhebt und auch – z.B. in seinem großen Monolog »Jeden heiligen Morgen« – zu einem echten Höhepunkt der Partitur führt.

SW

↑ Vorherige Seiten: Szenenbild, 2017

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Sowohl der Librettist Gregor als auch Strauss haben sich auf Daphne-Darstellungen aus der bildenden Kunst bezogen bzw. auf diese verwiesen. In welchem Maße sind diese auch »Material« für den Dirigenten? Was kann einem ein Bild sagen, was die Partitur vielleicht verschweigt?

W IEDER AU FNA HMEN-DIR IGEN T SEBAST I A N W EIGLE IM GE SPR ÄCH


Keine Erkenntnis ist je umsonst, und umso mehr man weiß und forscht – umso besser. Trotzdem bleibt für den Musiker die Partitur die primäre und entscheidende Quelle.

SW

Die Transformation ist schlechterdings das Thema in Straussʼ Schaffen. Muss man die finale Transformation der Daphne als einen Zentralpunkt in seinem Schaffen sehen? Um Transformation geht es, wie Sie richtig anmerken, in mehreren seiner Werke, sowohl in den Tondichtungen (siehe als nur ein Beispiel Tod und Verklärung) oder als Beispiel im Opernschaffen: Ariadne auf Naxos. Die Dinge sind nicht losgelöst voneinander zu beurteilen und zu betrachten, sondern alle stets im Zusammenhang.

SW

Daphne ist ein Spätwerk von Strauss. Bringt er noch etwas Neues ein? Oder schöpft er aus dem, was er bisher geschaffen hat? Er baut auf dem ganzen Reichtum seiner Erfahrung auf, und zumindest der Orchestersatz in seiner Leuchtkraft ist noch einmal ein wahrer Höhepunkt.

SW

Die Oper Daphne zeigt auch eine starke psychologische Unterfütterung. Ist die Musik auch in diesem Sinne zu hören? Also als ein Sprechen des Unbewussten? SW

Musik ist immer die Sprache des Unbewussten. Wenn nicht, ist es schlechte Musik. Das Instrumentarium ist groß und farbig, vom Bassetthorn bis zum Alphorn in der Bühnenmusik. Welche Funktion hat diese große Palette? Geht es um ein Herauskitzeln von noch mehr Farben und Schattierungen?

Strauss benutzt das Orchester, das er zumeist seit der Salome benutzt hat. Er verwendet ja kaum je alle Instrumente gleichzeitig, aber verschafft sich mit dieser Palette die größtmögliche Freiheit in der Gestaltung, und für einen der größten Meister der Instrumentationskunst in der Musikgeschichte, wofür Daphne wieder ein glänzender Beweis ist, ist so eine Voraussetzung nur richtig und selbstverständlich.

SW

Die Uraufführung leitete Karl Böhm, ein Dirigent, den etliche des heutigen Publikums noch live erlebt haben. Man kann daher von einer undurchbrochenen Strauss-Traditionslinie sprechen. Muss W IEDER AU FNA HMEN-DIR IGEN T SEBAST I A N W EIGLE IM GE SPR ÄCH

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man sich als Dirigent in eine solche stellen? Ist man Karl Böhms Strauss-Interpretation verpflichtet? Es gibt leider keine durchgehende Daphne-Tradition in Wien, wie man sie so wunderbar in Rosenkavalier, Salome, Elektra oder Ariadne auf Naxos kennt. Ich habe mir erlaubt, mich, bevor ich die Einladung Daphne in Wien zu dirigieren angenommen habe, kundig zu machen: Karl Böhm hat Daphne in Wien das letzte Mal 1965 dirigiert. Also vor fast 60 Jahren. Es werden nicht viele im Publikum sitzen oder nur sitzen können, die das erleben durften und sich noch erinnern können. Nach 1972 wurde Daphne in Wien bis 2004 – also ganze 32 Jahre! – kein einziges Mal gespielt. Und seit 2004 gab es nur 23 Daphne-Vorstellungen, die letzte 2017 (also schon wieder vor sechs Jahren), und es waren nur drei Kollegen, die diese leiteten, wovon höchstens einer Böhm theoretisch als sehr junger Mensch gehört haben konnte. Es gibt allerdings ein Orchester mit enormer Strauss-Erfahrung, auf das man immer zählen kann. Dass die existierenden Aufnahmen Karl Böhms, Ausschnitte vor dem 2. Weltkrieg und die Aufführung 1944 aus Wien und 1965 mit den Wiener Symphonikern, jeder Daphne-Dirigent genau studieren muss, ist ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Jede Strauss-Aufnahme von Böhm (oder wenn vorhanden von Clemens Krauss) sollte man unbedingt studieren, im Falle von Daphne besonders, da Böhm nicht nur Uraufführungsdirigent, sondern auch Widmungsträger war.

SW

Uraufführungsort war Dresden, neben Dresden sieht sich Wien gerne als zentrale Strauss-Stadt. Hören Sie Unterschiede im Dresdner, im Münchner und im Wiener Strauss-Klang? SW

Jedes große Orchester hat seinen individuellen Klang. Das macht es ja erst zu einem großen Orchester. Wenn Sie Strauss zu einer Stelle der Oper befragen dürften: Welche wäre das? Wie lautete die Frage?

Oh, da sind viel zu viele Fragen. Am besten, man dirigiert das Werk wieder und wieder. Ein wenig näher kommt man da der Wahrheit immer.

SW

Oliver Láng stellte die Fragen anlässlich der Wiederaufnahme 2023.

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MUSIK IST IM MER DIE SPR ACHE DE S U N BEW US ST EN


» DAPHNE « – EIN INTIMES KAMMERSTÜCK

Nicolas Joel und Pet Halmen im Gespräch


Richard Straus’ Daphne ist niemals so populär geworden wie seine beiden anderen Frauen-Einakter Salome und Elektra. Woran liegt das? PH

Daphne ist nicht so gut wie die beiden anderen Stücke.

Der Text ist nicht so gut! Die Musik ist großartig! Salome basiert auf einem Drama von Oscar Wilde, Elektra auf einem Text von Hugo von Hofmannsthal, mit dem Strauss in Folge noch etliche andere Opern geschaffen hat. Bei der Schweigsamen Frau war Stefan Zweig sein Librettist. Mit allem Respekt vor Joseph Gregor, aber sein Libretto zur Daphne erreicht nicht die Qualität eines Hugo von Hofmannsthal oder eines Stefan Zweig.

NJ

Warum inszenieren Sie Daphne, wenn Sie von der Oper nicht überzeugt sind? Weil es trotz allem ein höchst interessantes Stück ist. Was wir uns dafür ausgedacht haben ist eine Art Vision, der Traum einer unglücklichen Frau. Dadurch lösen wir die Geschichte von dem bukolischen Hintergrund, der Daphne sonst zumeist umgibt.

PH

Wir wollen mit unserer Inszenierung ein tragisches Frauenschicksal zeigen, ähnlich dem von Ariadne. Ariadne auf Naxos wird in Daphne ja zitiert. In unserer Inszenierung ist Peneios eine Art Bürger als Edelmann. Dadurch gewinnt das Ganze eine Art Distanz, die uns sehr wichtig ist, eben weil wir von der Qualität des Textes nicht so überzeugt sind.

NJ

Strauss wollte mit der Daphne eine zweite Ariadne schreiben. Deswegen steht sie bei ihm ganz im Mittelpunkt der Handlung. Das Rundherum ist mehr oder weniger Beiwerk. Es geht um diese Frau.

PH

In diesem Zusammenhang ist mir etwas sehr wichtig: Die Klage der Daphne nach dem Tod des Leukippos ist ein unglaublich starker und berührender Moment, vielleicht sogar noch stärker als die Klage der Ariadne, echter, tiefer gehend. Schon allein dieser Klage wegen lohnt es sich, dieses Stück aufzuführen. Daphne ist nämlich wirklich einsam, während Ariadne eine ganze Equipage um sich herum hat.

NJ

Spielt auf Ariadne auf Naxos auch das Bühnenbild an? Es gibt da ein der griechischen Antike nachempfundenes Bühnenportal, durchaus vorstellbar im Palais des »reichsten Mannes von Wien«, wie es im Vorspiel der Ariadne heißt und dahinter eine Bühne auf der Bühne.

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»DA PHN E« – EIN IN T IME S K A M MERST ÜCK


Nein, das hat einen anderen Bezug. Strauss wurde in München geboren, dort steht die Villa Stuck. Wir kannten sie beide sehr gut und fanden, daß die imitierte Antike dieser Villa sich sehr gut für Daphne eignen würde, in der ja auch die Antike auf eine recht ähnliche Art nachgeahmt wird, mit Faunen, Nymphen und Schäfern. Das passt sehr gut als Rahmen für diese Oper, die immer noch das Parfum des Fin de siècle atmet, auch wenn Daphne etwas später, nämlich in den dreißiger Jahren, komponiert wurde.

PH

Welcher Art ist das Frauenschicksal, das Sie erzählen? Es ist ein privates, sehr persönliches Schicksal, das viele Frauen des späten 19. Jahrhunderts erlitten haben. Wenn man so will, kann man natürlich auch einen Bezug zu Sigmund Freud herstellen. Das ist in dem Stück gewiss auch drin. Im Leben dieser Frau stimmt etwas nicht...

PH

Es stimmt etwas nicht in ihrer Ehe, in ihrer Beziehung zu Männern und in ihrer Sexualität. Wenn man das Stück von daher aufrollt, mit dem Mann, der zu Beginn im Dunkeln neben dem Sofa sitzt, auf dem diese Frau von Alpträumen geplagt wird, dann erzählt sich das Stück als eine Flucht in die Natur. Es ist eine Flucht weg von der Liebe und weg von der Sexualität.

NJ

Das lässt sich mit Hilfe von Leukippos sehr schön zeigen. Das ist eine höchst interessante Figur. Es ist dies ein Mann, der sich als Frau verkleidet Daphne nähert. Es ist eine Art umgekehrter Hosenrolle. Zwei Frauen tanzen und plötzlich reißt eine der Frauen, die aber eigentlich ein Mann ist, der anderen Frau das Kleid vom Körper und vergewaltigt sie vor den Augen aller. Das ist schon ein sehr schockierender Moment.

PH

Welchen Einfluss hatte die Premierenbesetzung mit Ricarda Merbeth als Daphne auf Ihr Konzept? Es ist interessant: Wenn man sich die Rezeptionsgeschichte der Daphne ansieht, so wurde zwar nicht schon bei der Uraufführung, aber später die Titel­partie mit eher leichten Sopranen besetzt. Da hat es natürlich wunderbare Interpretinnen wie Hilde Güden und Lucia Popp gegeben. Aber dadurch wird es etwas zu mädchenhaft, es fehlt der tragische Unterton, der uns gerade so interessiert. Wenn man eine Sängerin wie Ricarda Merbeth zur Verfügung hat, sind wir näher an etwas dran, was mit Sicherheit in dem Stück liegt. Von daher gesehen ist unsere Hauptdarstellerin natürlich ein Geschenk.

NJ

N ICOLAS JOEL U N D PET H A LMEN IM GE SPR ÄCH

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Das gab uns auch die Möglichkeit, den Chor ins Off zu verbannen, so, als würde sich alles nur in Daphnes Kopf abspielen. Dadurch kommt viel stärker zum Ausdruck, das es sich bei Daphne um ein intimes Kammerstück handelt.

PH

NJ

Das ist uns sehr wichtig. Daphne soll ein Kammerstück bleiben und nicht zur großen Oper mutieren. Man hat Strauss zum Vorwurf gemacht, er hätte sich zur Zeit des Nazi-Terrors von der politischen Realität abgewandt und mit Daphne die Flucht in eine antike Idylle vollzogen.

Das hat er auch. Eines ist für mich klar: Man kann mit einem Stück machen, was man will. Die künstlerische Freiheit des Interpreten darf nicht angetastet werden. Aber die Biographie des Autors auf die Bühne zu bringen, ist sinnlos. Dass Strauss kein Nazi war, ist bekannt. Wie er sich in jener Zeit verhalten hat, weiß man. Aber dass man das in einer Daphne-Inszenierung zeigen sollte, diese Meinung teile ich nicht. Das Stück hat mit Psychologie zu tun, nicht mit Biographie. Ein Haus wie die Wiener Staatsoper hat es mit einem kultivierten und gebildeten Publikum zu tun. Seine Hausaufgaben hat das Publikum gemacht. Zum Thema »Strauss und Politik« gibt es genug Literatur, das muss man nicht auch noch auf der Bühne zeigen.

NJ

Nun geht es in Daphne zwar nicht um Politik, aber doch auch um den Gegensatz von dionysischem und apollinischem Prinzip. Wie sehr hat das in Ihre Überlegungen Eingang gefunden? Es klingt in Daphne zwar an, aber wirklich tief greift dieser Gegensatz in die Dramaturgie des Stückes nicht ein. Im Vordergrund steht die Situation dieser Frau, das Private. Das Apollinische und Dionysische ist zweifellos da, wir zeigen es auch, und zwar durch die beiden Statuen. Eine stellt Apollo, die andere Dionysos dar. Auch Leukippos verkörpert in der Szene, in der er Daphne vergewaltigt, das dionysische Prinzip. Viel wichtiger ist uns aber der private Konflikt dieser Frau. Daphne verlässt bei uns ja keinen Augenblick die Bühne, weil sich alles in ihrem Kopf abspielt.

NJ

Welche Rolle spielt Apollo in dieser Geschichte? Macht er im Laufe des Stücks eine Entwicklung durch? NJ Nein. In ihrem Tagtraum ist es ihr Ehemann. Zu Beginn sitzt er neben Daphne, in der Hand hält er einen Lorbeerkranz. Man sieht ihn aufstehen, beobachten und irgendwann in diese Rolle einstiegen. Er spielt eine Rolle für sie. 17

»DA PHN E« – EIN IN T IME S K A M MERST ÜCK



Lorbeer verweist auf die Kunst. Ist Daphne auch ein Stück über Kunst? Ich sehe Daphne nicht als ein Stück über künstlerisch-ästhetische Probleme. Es erzählt ein privates Schicksal. Die Klage ist natürlich das Herzstück der Partie. Diese Klage muss man aber viel allgemeiner sehen. Das kann die Klage einer Mutter über das verstorbene Kind sein, es kann die Klage über eine verlorene Liebe sein, über den Verlust eines Menschen, über eigenes Verschulden. Das geht sehr weit, ist im Prinzip völlig offen. Das hat Strauss sogar mit Gregors Worten zeigen können, und das ist eine Meisterleistung.

NJ

Sie Herr Joel sind nominell der Regisseur, Sie Herr Halmen der Ausstatter. Wenn man Ihnen aber bei den Proben zusieht, fällt sofort auf, dass es diese strikte Trennung nicht gibt. Wir sind ein Team. Wir haben zusammen mehr als dreißig Stücke auf die Bühne gebracht, darunter zwei Mal den gesamten Ring des Nibelungen, einmal in Straßburg, einmal in Wiesbaden. In Zürich haben wir La traviata zusammen gemacht, in Chicago die Aida. Wir haben des gesamte Opernrepertoire von den kleinsten Häusern bis zu den größten Bühnen inszeniert.

NJ

Dann habe ich mich allmählich gelöst und führe nun seit einigen Jahren selber Regie. Diese Daphne ist unser Comeback als Team, weil es uns beiden sehr viel Spaß macht. Ich sollte schon früher einmal Daphne für Jean-Pierre Ponnelle ausstatten. Er hatte aber Schwierigkeiten mit dem Stück und hat es abgelehnt. Von damals kannte ich aber diese Oper schon sehr gut. Nicolas rief mich an, dass ihm die Wiener Staatsoper Daphne angeboten hätte. Ich sagte nur Stuck-Villa und er sagte sofort ja. Wir waren uns von Anfang an einig über dieses Stück und deshalb haben wir es zusammen gemacht.

PH

Das Interview führte Peter Blaha im Jahr 2004.

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»DA PHN E« – EIN IN T IME S K A M MERST ÜCK


Michael Köhlmeier

DIE GESCHICHTE DER DAPHNE

Das Problem hat einen Namen: Apoll. Vor allem die Römer und in der Folge die gesamte abendländische Phantasie haben aus Apoll jenen strahlenden Gott gemacht, als der er uns heute noch immer erscheint. In Wahrheit ist er ein Neurotiker. Unter einem quälenden Vaterkomplex leidet er. Zeus misstraut diesem Sohn. Er liebt ihn nicht. Er fürchtet ihn, weil er in ihm zu viel Eigenes vermutet. Zeus hat seinen Vater Kronos gestürzt; Kronos wiederum hat Uranos, seinen Erzeuger, gestürzt. Dass die Söhne ihre Väter aus der Herrschaft verjagen, ist olympische Tradition. Diese Gefahr droht ihm von Apoll. Apoll ist ein Zwilling, seine Schwester Artemis gilt als der Liebling ihres Vaters. An der großen Tafel der Götter sitzt sie neben ihm. Sie scheint ihrem Vater verziehen zu haben, wie er ihre Mutter behandelt hat. Apoll hat es nicht vergessen. Als Leto mit ihren Kindern schwanger war, hat sich Zeus nicht um sie gekümmert, hat sie dem Hass seiner Gattin Hera überlassen. Apoll fühlt sich in erster Linie als der Titanin Leto Sohn. Zweimal gab es im Olymp einen Aufstand gegen Zeus, beide Male war Apoll der Aufwiegler. Zeus hat ihn drakonisch bestraft. MICH A EL KÖHLMEIER

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Apoll ist ein Liebender, und seine Liebe zeigt die uns vertrauten Begleiterscheinungen – Eifersucht, schlechtes Gewissen, Seelenqualen, Rachsucht, Selbstvergessenheit. Aber der Strahlende, der Herrliche, er, der durch seine Schönheit die Götter zum Schweigen bringt, wenn er den Olymp betritt – er ist der unglücklichste Liebende, den die antike Mythologie kennt. Es gelingt ihm zwar meistens, sein Begehren zu befriedigen; aber Liebe, wirkliche Liebe, die Liebe, nach der er sich sehnt, erfährt er nie. Es gibt viele Geschichten, die uns vom unglücklich Liebenden Apoll erzählen – die Geschichte von Koronis, von Kassandra, von der Cumäischen Sibylle, von Marpessa, aber auch von den Jünglingen Hyakinthos und Kyparissos; und eben auch die Geschichte von Daphne. Daphne, die Tochter eines heiligen Flusses, hatte Jungfräulichkeit geschworen, sie wollte eine Jägerin sein wie Artemis. Sie scharte Gleichgesinnte um sich, mit ihnen zog sie durch die Wälder. Nicht zuletzt, weil sie seiner Schwester so ähnlich sah, verliebte sich Apoll in sie. Nach allen Missgeschicken, die ihm widerfahren waren, wollte er diesmal besonders behutsam vorgehen. Ein schüchterner Gott! Ja, auch diese Eigenschaft teilt er mit den Menschen. Apoll beobachtet das Treiben Daphnes und ihrer Freundinnen von weitem, begleitet ihre Jagdzüge, versteckt sich hinter Bäumen und Felsvorsprüngen. Da hört er eines Tages neben sich ein Kichern. Es ist Eros, der kleine, nervöse, naseweise Gott der Liebe. Eros lacht Apoll aus. »Du, so einer Musterbild von einem Mann, traust dich nicht? Soll ich dir helfen?« Apoll ist beschämt, und er ärgert sich. Und er ist hilflos. Es fällt ihm nichts anderes ein, als vor dem kleinen Gott anzugeben. Dass er sich nur mit einem Gleichwertigen messe, sagt er, nicht aber mit so einem quäkenden Quälgeist. Schließlich sei er der bedeutendste Bogenschütze, der je auf der Erde gewandelt sei. Pfeil und Bogen von Eros seien doch nur Spielzeug. Eros lässt sich von Apolls Angeberei nicht beeindrucken. »Aber wirkungsvolles Spielzeug«, sagt er. »Du wirst sehen.« Schon flattert er davon. In der Nähe lebt ein junger Mann, Leukippos, Sohn des unglücklichen Königs Oinomaos, der in einem Wettstreit mit seinem künftigen Schwiegersohn Pelops das Leben hatte lassen müssen. An ihm will Eros seine Macht demonstrieren. In seinem Köcher bewahrt er zwei Arten von Pfeilen auf, solche mit einer goldenen Spitze und solche mit einer bleiernen Spitze. Wer von einem goldenen Pfeil getroffen wird, verliebt sich; wen die bleierne Spitze sticht, empfindet Abscheu vor allem Erotischen, als wäre es die Pest. Leukippos soll sich verlieben, und er verliebt sich, und er verliebt sich in Daphne. Ein naiver, ehrlicher Mann ist er. Er tritt vor Daphne hin, öffnet sein Herz. Daphne – noch ist sie vom bleiernen Pfeil nicht getroffen – gibt dem jungen Mann freundlich, aber bestimmt zu verstehen, dass sie Jungfrau bleiben will und dass er verschwinden soll. 21

DIE GE SCHICH T E DER DA PHN E


Leukippos ist krank vor Liebe. Er gibt Ehrlichkeit und Naivität auf, verkleidet sich als Frau, schminkt sein Gesicht, nennt sich von nun an Oino und mischt sich unter die Freundinnen der Geliebten. Er will wenigstens in ihrer Nähe sein. Er darf tun, was die Mädchen tun, und das ist immerhin ein bisschen etwas: Man umarmt einander, küsst, streichelt, tollt herum. Apoll beobachtet. Er ist eifersüchtig. Er, der Strahlende, beneidet diesen törichten Burschen. Er bittet seine Schwester Artemis, den Mädchen zu erscheinen. Welch eine Ehre, das göttliche Vorbild ist da! Wie ihr Bruder ihr aufgetragen hat, überredet sie Daphne und die anderen, mit ihr gemeinsam in einem Waldsee zu baden. Leukippos – Oino – ziert sich, will sich nicht ausziehen. Da reißen ihm die Mädchen die Kleider vom Leib, sehen nun, dass ihre Freundin ein Mann ist. »Was sollen wir mit ihm tun?« fragen sie Artemis. »Tötet ihn!« Apoll ist nicht mehr eifersüchtig, dafür hat er ein schlechtes Gewissen. Eros ist ein kleiner, rachsüchtiger Gott; in Wahrheit ein böses Wesen. Apoll hat ihn beleidigt. Dass er ihn mit Leukippos eifersüchtig gemacht hat, genügt ihm nicht. Das war doch nur eine bescheidene Demonstration seiner Macht. Da hat er noch mehr auf Lager! Eros schießt einen zweiten goldenen Pfeil ab, durchbohrt Apolls Herz. Und dann schießt er einen bleiernen Pfeil ab, der durchbohrt Daphnes Herz. Apoll kann sich nicht mehr zurückhalten. Er wollte ein feiner Verführer sein, jetzt wird er ein derber. Er verfolgt Daphne durch die Wälder, die Gier springt aus seinen Augen. Und Daphne ist von Abscheu erfüllt, und sie läuft um ihr Leben, als wär die Pest hinter ihr her. Und dann gerät sie in die Enge. Vor ihr Felsen, die sind zu steil, um über sie zu entkommen. Es ist der Ort, wo der heilige Fluss Peneios entspringt, Daphnes Vater. »Hilf mir!« ruft sie. Und ihr Vater verwandelt sie in eine andere Gestalt, gibt seiner Tochter noch einmal Leben. Wo sie stand und die Arme zu den Felsen erhoben hatte, wächst nun ein Lorbeerbaum. Apoll kommt zur Besinnung. Und wieder hat er ein schlechtes Gewissen. »Der Lorbeer«, sagt er, »soll von nun an mein Haupt krönen.«

→ Jakob Auer (1646-1706), Daphne und Apollo

DIE GE SCHICH T E DER DA PHN E

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Andreas Láng

UNTERSCHIEDLICHE ERSCHEINUNGSFORMEN DER DAPHNE

Der Weg einer mythologischen Figur aus dem griechischen Tempe-Tal bis nach Dresden


»Primus amor Phoebi Daphne Peneia.« (Ovid) Apollos (Phoebus’) erste Liebe war Daphne, Peneios’ Tochter. So bekannt und beliebt die Sage von der Liebe Apollos zu der jungen, unverheirateten Daphne auch sein mag, tatsächliche literarische Quellen sind erstaunlich jung. Natürlich existieren schon sehr früh nachweisbare mythologische und kultische Bausteine – so etwa der als heilig verehrte Lorbeerbaum im südlich des Olymp gelegenen Tempe-Tal –, doch schriftliche Zeugnisse res­pektive bildliche Darstellungen lassen sich erst in der hellenistischen Zeit ausmachen. Aber selbst in diesen Fällen weichen einige Details wesentlich voneinander ab: So ist Daphne entweder die Tochter des Heros Amyklas, des Ladon oder aber des durch das Tempe-Tal strömenden Flussgottes Peneios. Der Hilferuf vor der Zudringlichkeit Apollos ergeht an Zeus, an Peneios oder an die Urmutter Gaea. Auch die Verwandlung Daphnes in den Lorbeerbaum ist nicht überall zu finden. In der deutlich später entstandenen, aber vermutlich prominentesten Version, in den Metamorphosen des Ovid, ist ein weiterer Gedanke klar herausgestrichen: die aus dieser Episode abgeleitete rückwirkende Erklärung für den tradierten Brauch, Sieger – in erster Linie jener der Dichtkunst, im weiteren Sinne jeglicher Meisterschaft bis hin zur »Kriegskunst« – mit dem Lorbeerkranz auszuzeichnen. Sinngemäß findet sich Apollo damit ab, Daphne zwar nicht als Geliebte zu bekommen, aber sie immerhin als Baum zu besitzen und mit ihren immergrünen Blättern die Besten (der Dichtkunst, deren Schutzgott er ja war) zu kränzen. Aus der naturverbundenen Sagengestalt war zusätzlich der allegorische Lohn der Sieger geworden. Doch Daphne wurde noch etwas ganz anderes! Sie wurde die Mutter, die Aller­erste einer ganz neuen Kunstgattung, die seither zwar oft totgesagt, aber aller Unkenrufe zum Trotz erfolgreich immer neue Blüten treibt. Gemeint ist die nun bereits mehr als 400 Jahre alte Kunstform Oper. Der Versuch der italienischen Gelehrten der Renaissance, die Antike wiedererstehen zu lassen, musste zwangsläufig auch eine der ganz wichtigen Errungenschaften der Griechen, das Thea­ter, insbesondere die Tragödie, inkludieren. Und so wurde im Karneval des Jahres 1598 im Haus des Florentiners Jacopo Corsi etwas aufgeführt, was zwar mit der antiken Tragödie, wie sich später herausstellte, herzlich wenig zu tun hatte, dafür aber als erste Opernvorstellung der Welt in die Geschichte einging. Der Untertitel des Produktes lautete »dramma per musica«, der eigentliche Werktitel Dafne. Ist auch die Musik des Komponisten Jacopo Peri verloren, so ist glücklicherweise das Textbuch Ottavio Rinuccinis nicht nur erhalten geblieben, sondern als Basis für weitere Opern oftmalig herangezogen worden. (Die Handlung geht im Grunde auf Ovid zurück und lässt den römischen Dichter quasi als Prolog sogar selbst zu Wort kommen und die nicht zu unterschätzende Macht der Liebe besingen.) So nahm beispielsweise Marco da Gagliano eine erweiterte Version des Rinuccini-Librettos als Vorlage für seine 1608 uraufgeführte Dafne. 25

A N DR EAS LÁ NG


Knapp dreißig Jahre danach wurde sogar eine deutsche Übersetzung erstellt, zu der Heinrich Schütz die Musik lieferte. Die Uraufführung dieser Fassung war zugleich auch die Geburtsstunde der deutschsprachigen Oper. Daphne ist somit die erste Oper überhaupt und zugleich auch die erste deutsche Oper. Folgten auch noch zahlreiche weitere Vertonungen, u.a. von Georg Friedrich Händel, so geht allerdings das Strauss’sche Opus auf eine ganz andere Erscheinungsform der Kunst zurück: Die ersten bildlichen Darstellungen des Daphne-Themas stammen, wie eingangs erwähnt, aus der hellenistischen Zeit, um dann in verstärktem Maße in der römischen Epoche als beliebtes Sujet aufgegriffen zu werden. Auf geradezu inflationäre Weise wurde dann das Daphne/Apollo-Motiv in der späteren Renaissance und im Barock verwendet. Besonders für die Bildhauerei bot der Moment der Flucht und der erfolgenden Verwandlung Daphnes ein aufregendes Betätigungsfeld. Giovanni Lorenzo Berninis Beispiel in Rom gehört zu den wohl populärsten Schöpfungen dieser Art. Kein Wunder also, dass für den ehemaligen Kunstgeschichte-Studenten Richard Strauss die Bernini-Plastik – neben Werken von Botticelli – wenn auch nicht als einzige Inspirationsquelle, so doch als beeinflussendes Element beim Schaffensprozess seiner Oper diente. Den eigentlichen Anstoß, den Daphne-Stoff als Opernthema aufzugreifen, ging aber weniger von Strauss als von dem Textdichter Joseph Gregor aus. Der Theaterwissenschaftler, der neben der in Dresden uraufgeführten Daphne auch für zwei weitere Strauss-Opern Libretti schuf, empfing seine Anregung von einer Daphne/Apollo-Lithographie des französischen Romantikers Theodore Chassériau. So diente also primär keine mythologische Quelle, keine musikalische und nicht einmal eine skulpturelle Darstellung als Inspirationsgrundlage, sondern eine Grafik aus dem 19. Jahrhundert. Inhaltlich orientierten sich Gregor und Strauss allerdings in der Folge nicht nur an Ovids Fassung, sondern auch an der späteren von Plutarch, die die Handlung um die Figur des Leukippos bereicherte. Dadurch ergab sich für die Geschichte und die agierenden Personen eine etwas komplexere und interessantere Situation. Die (notwendig gewordene) Ermordung des Nebenbuhlers durch den eifersüchtigen Apollo vergrößert dessen Schuld und macht zugleich auch Daphne in gewisser Weise mitschuldig – die Verwandlung in den Lorbeerbaum ist hier nicht mehr eine bloße Schutzfunktion, sondern als Flucht in die Natur (in doppeltem Sinne auch die Flucht in die wahre seelische Natur der Daphne) ein Weg aus einer psychologisch ausweglosen Situation der Beteiligten.

U N T ERSCHIEDLICHE ERSCHEIN U NGSFOR MEN DER DA PHN E

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Richard Strauss / Joseph Gregor

O BLEIB, GELIEBTER TAG, NIMM NOCH NICHT ABSCHIED! UMGIB NOCH NICHT MIT ROT DER WEHMUT MEIN GESICHT, KÜSS MEINEN FINGER NICHT MIT SÜSSER TRAUER ABSCHIEDSGLANZ! ICH LIEBE DICH, SO GEH NICHT FORT VON MIR! Daphne


Maria Publig

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER OPER » DAPHNE « » ...auch die Säge des Chirurgen schmerzt, wenn sie ohne Narkose arbeitet... « Als sich Richard Strauss im Sommer 1935 erstmals mit Joseph Gregors Opernvorschlag Daphne auseinandersetzte, war der Komponist bereits einundsiebzig Jahre alt. Seine großen musikdramatischen Erfolge mit Salome, Elektra, Rosenkavalier, Ariadne auf Naxos und Arabella lagen bereits hinter ihm. Die wirtschaftliche Depression des Ersten Weltkriegs hatte sein gesamtes Vermögen aufgezehrt, und London konfiszierte den Rest seiner ausländischen Reserven mit dem Eintritt Deutschlands in den Krieg. Strauss war daher finanziell auf ausgiebige Konzerttätigkeit und die weitere Produktion von Werken angewiesen. Nachdem die Nationalsozialisten Stefan Zweig als Librettisten der gemeinsamen Oper Die schweigsame Frau denunziert hatten – was bis zum öffentlichen Boykott durch das Weglassen seines Namens auf dem Theaterzettel (Uraufführung am 24. Juni 1935 an der Dresdner Staatsoper) und im Zuge dessen zur Absetzung von Richard Strauss als Präsidenten der Reichsmusikkammer ging – sah Zweig sich dazu veranlasst, Strauss, den er sehr bewunderte, einen anderen Textdichter für weitere Tätigkeiten vorzuschlagen. Er fand diese Person in seinem engen Freund, dem allseits geschätzten sowie renommierten Wiener Philologen und Theaterwissenschafter Joseph Gregor. Strauss war vorerst keineswegs damit einverstanden. Er sträubte sich vehement dagegen. Nach dem Tod von Hugo von Hofmannsthal hatte er endlich Zweig als künstlerisch verwandte Seele gefunden und nun sollte er ihn wieder entbehren müssen? Doch die kulturpolitische Stimmung, mit der das Nazi-Regime die Einführung der »Nürnberger Rassengesetze« für September 1935 vorbereitete, erlaubte das gemeinsame Wirken nicht mehr. So gab es jetzt den »guten Gregor« (Zweig), der in enger Absprache und Zusammenarbeit mit Stefan Zweig, den Text zur Oper Friedenstag erarbeitet hatte. Am 21. Juni setzte sich Gregor über die Konzeption der Daphne, die er in nur einem Tag »ohne eine einzige Ausbesserung« niederschrieb. M A R I A PU BLIG

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Im Gegensatz zum Friedenstag, worin es um die Aussöhnung der Menschen untereinander ging, war Daphne das mythologische Gegenstück, das die Versöhnung der Menschen mit der Natur und ihrer Stellung gegenüber den Göttern bearbeitete.

Zusammenarbeit Der mittlerweile durch die äußeren politischen und künstlerischen Umstände missgestimmte Strauss las Gregors erste Fassung und antwortete ihm unumwunden: »Inzwischen habe ich mich noch intensiver mit Daphne beschäftigt und muss, entgegen der Meinung unseres Freundes (Stefan Zweig), leider gestehen, dass, je öfter ich sie lese, sie mir desto weniger gefällt«. Joseph Gregor, vom künstlerischen Nimbus her kein versierter Weltliterat, worin Strauss verwöhnt war, legte dennoch solide Arbeit vor. Nach der Zusammenarbeit am Friedenstag war Gregor inzwischen härter im Nehmen geworden, reagierte aber dennoch betroffen: »Ich habe dieses Stück in einer wahren und echten Begeisterung geschrieben, und es hat ebenso den begeisterten Beifall nicht nur unseres Freundes, sondern auch einer Reihe sehr ernster Menschen gefunden, die zu schätzen ich Anlass habe. Und da muss ich Ihnen doch sagen, dass Ihr Urteil, das mir nichts anderes gesagt hat als: ›schlecht imitierter Homerjargon’ und ›Weltanschauungsbanalitäten‹ – mich aber schon sehr geschmerzt hat«. Weder bei Hofmannsthal noch bei Zweig hatte es sich Strauss je angemaßt, ähnlich beleidigend zu sein. Joseph Gregor dürfte allen Schmerz Richard Strauss’ über das Schwinden des eigenen musikalischen Einfalls abbekommen haben, der sich seit dem Tod Hofmannsthals nicht mehr im entsprechenden Ausmaß bei ihm einstellen wollte. Wie wichtig Strauss der künstlerische Impuls durch ein inspirierendes Libretto war, wusste er jetzt. Einsichtig antwortete er deshalb Gregor: »Es tut mir natürlich leid, dass ich Ihnen weh getan habe: aber auch die Säge des Chirurgen schmerzt, wenn sie ohne Narkose arbeitet. Darum lassen Sie es (sich) nicht verdrießen, wenn ich Ihre Daphne in der jetzigen Form für unbrauchbar, vor allem für untheatralisch und kein Publikum der Welt interessierend halte. Damit ist nicht gesagt, dass aus dem hübschen Sujet und manchen hübschen Details der Bearbeitung nicht doch noch ein netter Einakter werden kann«, denn komponieren wollte Richard Strauss unbeirrt.

Textfassungen Strauss blieb also nichts anderes übrig, als selbst seinen untrüglichen Theater­ instinkt einzusetzen, Joseph Gregors Textfassung zu bearbeiten und drama 29

EN TST EH U NGSGE SCHICH T E DER OPER »DA PHN E«


turgisch zu formen. Der inhaltlichen Belanglosigkeit Gregors, dem eine mystisch-festliche Oper mit Tanz zur Verherrlichung des Apollos vorschwebte, setzte Richard Strauss nun seine Vorstellungen entgegen. Ihm war der ganze Opernstoff in der vorliegenden Ausführung zu simpel. Ob es sich um die Charakterisierung und Symbolik der Figuren handelte oder um die »noch straffere dramaturgische Conzentration in Handlung und Sprache«. So regte Strauss an, Zeus, den er als »verunglückten Wotan« bezeichnete, und den Götterboten Hermes wegzulassen. Gregor sammelte sich und macht sich geduldig über die vorgeschlagenen Änderungen. Zwischendurch gab es dann auch manche Ermunterung von Richard Strauss: »Daphne ist vortrefflich – nur so fort!«. Nach dramaturgischen Beratungen mit dem Regisseur Lothar Wallerstein, die Strauss und Gregor im März gesondert führten, wurde am 16. April 1936 die zweite Fassung nach Garmisch geschickt. Clemens Krauss war es schließlich, der für das Finale der dritten Fassung den einsamen Schlussgesang der Daphne vorschlug. Diese endgültige Fassung erarbeiteten Strauss und Gregor gemeinsam in Garmisch und Italien. Am 24. Dezember 1937 vollendete Strauss in Taormina die Partitur. Die Premiere des Einakters fand am 15. Oktober 1938 in Dresden statt.

Daphne-Mythos Diese Verwandlung der Daphne in den Lorbeerbaum erwirkt Apollo von seinem Göttervater Zeus. Er nimmt im hellenistischen Sinn die eigene Schuld an und entsagt der Liebe, die für Apollo in diesem Fall Leidenschaft bedeutet hat. Dennoch: Die Grenzen des erotischen Begehrens verschwimmen. Denn der Daphne-Mythos ist hier durch Gregor und Strauss in einer sehr späten Überlieferung durch den Römer Ovid (Metamorphosen) verwendet worden. In frühen Nachweisen, die aus der noch stärker matriarchal ausgerichteten griechischen Gesellschaft stammen, flüchtet Daphne vor Apollo und beschwört hilfesuchend ihre Mutter Gaea, die sie in den Lorbeerbaum verwandelt. Oder in einer anderen Fassung erbittet sie in höchster Not die Unterstützung von Apollos Zwillingsschwester Artemis, deren Kämpferin und Dienerin sie ist. Oder in Richtung späterer, patriarchal-griechischer Gesellschaft fleht sie ihren Vater Peneios, den Flussgott, um Verwandlung an. Immer entflieht sie Apollo. Und immer ist sie selbst es, die um Transformation ersucht und dadurch Apollos Gewalttätigkeit entgeht. Es verwundert also nicht, dass der »Bruder«-Kuss Apollos, womit er Daphne anfänglich täuscht, ohne Bedeutung für sie bleibt. Die »höchste Innerlichkeit und Verfeinerung«, auf die Richard Strauss bei Joseph Gregor im Libretto hinaus will, sollte Daphne in dieser Szene zumindest sinnlich irritieren und vom Gott »zu dem Menschen Leukippos (...) flüchten« lassen. Gregor hinM A R I A PU BLIG

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gegen interessierte ein konkretes Liebespaar in dieser Form nicht. Ihm schwebte mehr die nach allen Zwischenstufen menschlicher Empfindungen offene Sexualität vor, wie sie nicht nur im alten Griechenland zur gesellschaftlichen Vollkommenheit zählte, sondern deren grundlegender Thematik sich zahlreiche Studien seit der Jahrhundertwende widmeten. Die breit in der Fachwelt diskutierten Forschungsergebnisse von Sigmund Freud und dem Sexulaforscher Magnus Hirschfeld fanden letztlich auch in vielen Theaterund Musikwerken jener Tage ihre Ausformung. Auch die Nationalsozialisten standen diesen Wissenschaftstheorien anfänglich durchaus interessiert gegenüber. War ihnen doch jedes Mittel recht, sich vom katholischen Konservativismus zu unterscheiden.

Konservativismus Richard Strauss konnte damit nicht mehr viel anfangen. In seinen früheren Werken Salome, Elektra, Rosenkavalier, Ariadne auf Naxos war er durchaus bereit gewesen, sich ganz der erotischen Triebkraft in unterschiedlicher Weise anzunähern. Doch in den letzten Jahren hatte er sich in seinen Werken Intermezzo, Frau ohne Schatten, Die Ägyptische Helena, Arabella, Die schweigsame Frau ausschließlich der Idealisierung des Ehelebens und der Ausformung kunsttheoretischer Fragen gewidmet. Das einstige bürgerliche Enfant terrible war konservativ geworden. Eine politische Kategorie, womit Strauss auch für die Nationalsozialisten letztlich unbrauchbar geworden war und Joseph Goebbels ihm bei seiner Entlassung als Präsident der Reichsmusikkammer zurief: »Sie, Herr Strauss, sind von gestern!«. Immer wieder wollte Richard Strauss Joseph Gregor dazu überreden, die Verkleidungsszene Leukippos zum Mädchen, der dadurch Daphnes Interesse gewinnen möchte, wegzulassen. Gregor bestand darauf. Strauss zeigte sich verunsichert. Er suchte dramaturgischen Rat und ließ sich zu Joseph Gregors Gunsten überzeugen: »Bevor Sie mit der Arbeit beginnen: ich habe es mir überlegt und auch Clemens Krauss, dem ich hier Daphne zu lesen (gab), ist der Ansicht, dass der als Mädchen verkleidete Leukippos nicht geändert werden darf. ... Natürlich darf Leukippos als Mädchen kein Wort sprechen, da ihn dann doch alle, nicht zuletzt Daphne, augenblicklich erraten würden«. Gregor verwirklichte in dieser Szene nur Strauss’ anfänglich an ihn gerichtete Anregung: »Sie sehen, es muss psychologisch alles viel subtiler und verwickelter werden!«. Infolge hatte auch Richard Strauss der Einbindung dieses Abschnitts gedanklich während der Entstehungszeit viel Zeit gewidmet. »(A)m ›Bruder‹-kuss des Apollo merkt Daphne sofort die Erotik, warum nicht auch am ›Schwester‹-kuss des Leukippos?«, fragte er schließlich Gregor. Letztlich war dann der ›Schwester’-Kuss dramaturgisch entbehrlich und man ließ ihn weg. 31

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Der ›Bruder‹-Kuss Apollo-Daphne war Strauss – auch in Anlehnung an Wagners Walküre und die Assoziation zur inzestösen Sinnlichkeit in der Mythologie – wichtig; und wenn es in weiterer Folge nur um den Augenkontakt Apollos und Daphnes ging: »Daphne abseits, ihr gegenüber Apollo, dessen Blick sie gleichsam in Bann hält, so dass sie jedes Mal, wenn die Mädchen und auch Leukippos sie in den Tanz hereinziehen oder auch ihr eine Schale Weins reichen wollen, (...) schaudert und zögernd abweist. Endlich aber wird auch sie vom Geiste des Festes so weit ergriffen, dass sie, als Leukippos zum zweiten Male ihr die Schale reicht, dennoch trinkt und nun mit ihm in den Tanz eintritt! Vielleicht könnte man nach einigen Tanzbewegungen Leukippos dann nur die Worte sprechen: ›Folge mir, Schwester!‹ «. Doch Daphne wird von beiden Werbern vorsätzlich getäuscht: »Sie ist von Beiden betrogen, von ›Bruder Apollo‹, von ›Schwester‹ Leukippos! Und kann auch nicht weiter leben, nachdem sie einmal durch Dionysostrank ihrer wahren Natur untreu geworden. Da findet der Gott zu seiner eigenen Läuterung in den Lorbeer! Wie gefällt Ihnen das?«, fragt Richard Strauss, inzwischen zufrieden am Fortgang der Oper.

Entsagung und Verwandlung Im Schlussgesang entfaltet Daphne bei Richard Strauss nun ihre eigentlich sinnliche Hingabe. Es wird darin an die großen einsamen Strauss-Heroinen Salome und Elektra angeknüpft, worüber Joseph Gregor berichtet: » (Die) Verwandlung der Daphne, ein besonders bezeichneter musikalischer Abschnitt, ihre Natur erfüllend, aber unendlich hinausgehend über die Natur, wie Salome sich einst in ihrer Leidenschaft erst musikalisch erfüllte, hier in völligem Einswerden mit der Musik, so dass die Worte abgestoßen werden können und Daphne nur noch Stimme ist, aus dem vom Mondlicht voll erleuchteten Wipfel ertönend.« So wird das Eigenständige im Individuum der vermeintlich funktionierenden Gemeinschaft geopfert. Die Ordnung scheint so wieder hergestellt.

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Michael Walter

STRAUSS’ » DAPHNE « – EIN SPÄTWERK?

Joseph Gregor, der Librettist der Daphne, hatte Strauss am 7. Juli 1935 in Berchtesgaden verschiedene Opernprojekte vorgeschlagen, darunter auch den Daphne-Stoff. Im Oktober des Jahres legte Gregor Strauss eine erste Skizze des Daphne-Librettos vor. Strauss erwog zunächst einige Änderungen, meinte aber dann zu Gregor, er solle das Libretto so lassen, wie es sei. Gegenüber Stefan Zweig, dem er dies erfreut berichtete, meinte Gregor, er habe schon die Musik zu Salome und Elektra in seinen (Gregors) Ohren gehabt. Zweig seinerseits hatte diese Verbindung von Daphne zu Strauss’ frühen Erfolgsopern bereits in einem Brief an Gregor vom 3. September 1935 hergestellt, als er schrieb: »Daphne halte ich für einen absoluten Glücksfall. Ehe ich mehr kannte als den Titel, war mein Instinkt stark dagegen. Ich hielt alles Mythologische für zu abstrakt in unserer unbelehrten Welt und fürchtete einen Text, ähn 33

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lich dem alt­italienischer Opern. Aber was Du gemacht hast, ist wahrhaftig moderne Musik, da ist alles darin, die richtige Verteilung der Stimmen, Kunst und Natur, scharf akzentuiert die Charaktere [...], da ist Landschaft und der Aufruhr der Elemente, Tanz und Pantomime, die obere göttliche und die untere irdische Welt. Und wie herrlich die Möglichkeiten für den Meister! Die stampfenden Pferde, die Marschmusik, die Reigen und schließlich die verklärende Atmos­phäre des Wunders, das ist wirklich für die besonders koleristische Art seiner Kunst gedacht und auch rein räumlich richtig ausgewogen, ein Einakter, aber abendfüllend, gleich lang oder vielleicht etwas länger als Elektra.« Obwohl sie die Grundstruktur des Librettos für geeignet hielten, waren jedoch weder Strauss noch Zweig von der Ausführung des Textes überzeugt. Nachdem Zweig in seinem Brief eingangs das Libretto gelobt hatte, machte er Gregor anschließend in langen Ausführungen auf die Defekte aufmerksam, und Strauss selbst verlangte in einem Ausmaß Veränderungen, die zu drei unterschiedlichen Libretto-Fassungen führten. Gregor war zumindest für die Zwecke von Strauss kein guter Librettist, was sich insbesondere während der Genese der Daphne zeigte, die das einzige ganz allein von Gregor für Strauss verfasste Originallibretto war, sieht man vom Einfluss Lothar Wallersteins und Clemens Krauss’ auf die Endfassung des Librettos ab (bei Friedenstag hatte Zweig nicht nur das Szenario verfasst, sondern war auch an der Bearbeitung des Librettos beteiligt gewesen; die Liebe der Danae ging auf eine Skizze Hofmannsthals zurück). Umso bemerkenswerter ist, dass Strauss dennoch sowohl das Sujet wie den ersten Librettoentwurf spontan akzeptierte und auch Zweig aufgrund seiner Erfahrungen als Strauss-Librettist das Potenzial der musikalischen Umsetzung von Gregors Text positiv einschätzte. Zweig wie Gregor gingen dabei implizit von einer retrospektiven musikalischen Gestaltung durch Strauss aus. Es ist weniger der dezidierte Hinweis auf Elektra bei Zweig, der aufgrund der Einaktigkeit und des griechischen Sujets nahelag, als vielmehr die Nennung jener Elemente, an die Strauss’ »koleristische Art« anknüpfen konnte, die das deutlich machen. Denn eben jene »koleristische Art«, also Strauss’ illustrative Kompositionskunst, war es, die er aus den Tondichtungen in die beiden Erfolgsopern Salome und Elektra übernommen hatte, wobei er in Elektra nur auf die Spitze trieb, was in Salome schon Kompositionsprinzip geworden war. Insofern war es nicht ganz richtig, sondern eher in Kurt Weills Affinität zur Musik der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts begründet, wenn dieser 1926 davon sprach, dass »der rein untermalende, handlungsstützende Charakter der Musik in der Elektra« eines der beiden »wesentlichsten Ereignisse auf dem Gebiet der Oper in der Vorkriegszeit« gewesen seien (das andere Ereignis war für Weill die »Musizieroper« Ariadne auf Naxos). Weills Charakterisierung der Elektra, Zweigs Hinweise auf die für Strauss geeigneten Libretto-Elemente, Gregors Imagination der Musik der Salome MICH A EL WA LT ER

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und Elektra weisen in der Tat auf jenen Zug der beiden Opern, die wesentlich Strauss’ Neukonzeption der Oper ausgemacht hatten, weil Strauss im – manchmal groben, manchmal subtilen – Illustrativen etwas Neues geboten hatte, das sich kompositionstechnisch von den kommentierenden Leitmotiven und der unendlichen Melodie Wagners abhob und eine kurzschrittigere und schlagkräftigere musikalische Dramaturgie als bei Wagner ebenso erlaubte wie eine neue dramatische Unmittelbarkeit. Während sich die Dramaturgie zumindest der späteren musiktheatralischen Werke Wagners, vor allem des Ring des Nibelungen, an der Dramaturgie des Schauspiels orientierte, was einer der Gründe für ihre Länge wie für den um 1900 immer wieder beklagten Mangel an Melodie in Wagners Werken war, gelang es Strauss in Salome und Elektra, die Opernhandlungen wieder einer Dramaturgie zu unterwerfen, die spezifisch für die Oper und insofern eine musikalische war, ohne jedoch dass er auf Modelle der Oper des 19. Jahrhunderts oder die von den Veristen bevorzugten kleinen Formen (wie das Einlagelied) zurückgriff. Nichts kann dies so sehr verdeutlichen wie der knappe Klarinettenaufgang, mit dem Salome eröffnet wird und der allein musikalisch die schwüle Atmosphäre der Oper exponiert. Das Wort war für Strauss weniger Anlass der Vertonung als Anlass einer in Musik ausgedrückten szenischen Handlung. In der Salome verzichtete er folgerichtig auf jene Stellen des von Hedwig Lachmann übersetzten Wilde-Textes, die erklärenden oder duplizierenden und die szenische Aktion hemmenden Charakter hatten (der Erfolg der dadurch erreichten Musikalisierung der Handlung zeigt sich darin, dass niemand sich über Jochanaans Beschimpfungen der Herodias wundert, obwohl aus dem Operntext der Anlass dieser Beschimpfungen nicht ersichtlich ist). Und die häufig kolportierten Anekdoten über das versehentliche Mitvertonen von Regieanweisungen etwa im Rosenkavalier weisen ebenso wie die von Strauss übersehenen Textdetails in Libretti von Hofmannsthal darauf hin, dass für den Komponisten nicht Details des Textsinns maßgeblich waren, sondern die in Musik zu fassende szenische Aktion. Die Probleme, die bei der Komposition der Frau ohne Schatten für Strauss auftraten, hingen denn auch in erster Linie damit zusammen, dass der Komponist größte Schwierigkeiten hatte, Hofmannsthals für ein Opernlibretto überliterarisierten Text und vor allem die symbolistischen Textpassagen in Musik zu kleiden. Als Strauss im Jänner 1935 an Gregor schrieb, »ahnungslose Kritiker« hätten Salome und Elektra »Sinfonien mit begleitenden Singstimmen genannt« und monierte, dass gerade diese »Sinfonien« den »Kern des dramatischen Inhalts« bewegten und dass »nur ein sinfonisches Orchester (statt des in der Oper meist nur den Gesang begleitenden) eine Handlung bis zum letzten Ende entwickeln« könne, meinte er – ebenso wie mit dem im gleichen Zusammenhang gegebenen Hinweis auf die Zwischenspiele im Intermezzo –, dass die theatralische Aktion sich vornehmlich in der Musik entwickelte, was die veräußerlichende musikalische Umsetzung ›innerer‹ Handlungselemente 35

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einschloss. Insofern griff Zweigs Ansicht von der »koleristischen« Kunst Strauss’ etwas zu kurz, denn das Illustrative erstreckte sich keineswegs nur auf die offensichtliche Kolorierung von Textdetails, obschon diese die am deutlichsten wahrnehmbaren musikalischen Effekte von Strauss sind. In der Partitur der Daphne finden sich solche durchaus vordergründig ›kolorierenden‹ Elemente häufig. So imitieren die Flöten nach der Unterhaltung von Leukippos mit den beiden Mägden deren »loses Gelächter«. Zu Apollos Worten »Mit stampfenden Hufen die Steine zerspellend« hört man das Stampfen der Hufe im Orchester. Weitere Beispiele dieser Art von »untermalender« Musik, die tatsächlich an die Opern Salome und Elektra gemahnen, finden sich in auffallender Menge in der Daphne-Partitur, von der Gewitter-Musik nach Apollos »Mag euch die Fremde beschützen!« bis zur an Leukippos erinnernden Flötenmelodie zu Daphnes Worten »Wieder erklingt mir die trauernde Flöte«. Am Ende der Oper stellt Strauss jedoch Daphnes Verwandlung in einen Baum in einem dichten kontrapunktischen Orchestergewebe dar, dessen Motiv­geflecht die auf der Szene zu sehende Verwandlung nicht realistisch ›koloriert‹, sondern vielmehr die Idee der Verwandlung selbst musikalisiert. Dieser bis auf die letzten Worte Daphnes und ihre Vokalisen instrumentale Orchesterschluss, den Gregor zunächst nicht vorgesehen hatte (sondern einen Hymnus der Hirten während der Verwandlung), ging wohl auf eine Idee von Strauss selbst zurück, die er dann mit Clemens Krauss beraten hatte. Das durch seine Punktierungen und chromatisch aufsteigenden melodischen Schritte bestimmte Anfangsmotiv der Verwandlungsszene im ersten Fagott (das Motiv ist das früher Daphnes Worten »So wenig wie der Kiesel unten am Fluss vor der Sonne Auge, so wenig verberg ich mich dir!« in der Liebesszene mit Apollo unterlegte Violinmotiv) über dem Orgelpunkt der beiden anderen Fagotte, der Bassklarinette und des vierten Horns wird durch rhythmische und melodische Variantenbildung oder durch die Bildung von Gegenstimmen weitergesponnen, wodurch sich der Klangcharakter der Musik insgesamt sehr langsam wandelt, weil einzelne Motive ein Eigenleben entwickeln und sich nach und nach von der ursprünglichen Bindung an den Beginn der Verwandlungsmusik lösen. Strauss nimmt am Anfang der Verwandlungsmusik sowohl das Daphne-Motiv wie ein punktiertes Motiv von großer Flöte, Oboe und Englischhorn aus der instrumentalen Einleitung der Oper auf, das in Daphnes Eingangsmonolog im Orchester erneut aufgegriffen worden war (»...stärkeres Lied als die Lieder der Menschen – o geliebter Baum!«) und Daphnes Natursehnsucht repräsentierte. Es ist jedoch bezeichnend für die Geschlossenheit der Verwandlungsmusik, dass Strauss diese Motive gewissermaßen neu erfindet. So erwächst das Daphne-Motiv in der Verwandlungsmusik langsam aus dem Orgelpunkt der tiefen Bläser und das Bläsermotiv des Anfangs stellt sich nun als Gegenstimme zum Daphne-Motiv dar, das ebenfalls aus dem Orgelpunkt erwächst und mit diesem wiederum MICH A EL WA LT ER

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die charakteristische, durch zwei mit einem Bindebogen verbundene Noten verursachte Verunklarung des punktierten Rhythmus gemeinsam hat. Zudem wird vom ursprünglichen Motiv nur der Themenkopf gebracht, an den sich sechs Achtel anschließen, die nichts anderes als die Umkehrung jener sechs Achtel sind, mit denen Strauss das Daphne-Motiv in der Verwandlung weiterspinnt. (Ohne dass hier weiter auf kompositorische Details der Verwandlungsmusik eingegangen werden soll, sei doch darauf hingewiesen, dass auch andere Motive der Opern aufgenommen werden, die jedoch alle keinen Zitatcharakter haben, sondern den Eindruck sukzessiv entstehender Motiventwicklungen vermitteln, was der Verwandlungsmusik eine musikalische Geschlossenheit verleiht, die an jene einzelner Abschnitte in den Tondichtungen von Strauss erinnert.) Schließlich breitet sich das Mondlicht »über den ganzen« Baum aus und die Verwandlung ist szenisch wie musikalisch vollzogen worden, ohne dass es der Hilfe eines Textes bedurft hätte, aber auch – und das macht die musikalische Magie der Verwandlung aus – ohne dass im Orchestergraben der Bühnenvorgang nur verdoppelt worden wäre. Auf der anderen Seite verzichtet Straus auch in der Verwandlungsmusik scheinbar nicht auf zusätzliche vordergründige Illustrationen, wenn er den Wind durch Glissandi in der Harfe und den beiden ersten Pulten der ersten Violine (»Wind ... spiele mit mir!«) darstellt und anschließend bei »Selige Vögel, wohnet in mir ...« den Vogelgesang in der zweiten und dritten Flöte imitiert. Doch sind gerade diese Elemente, die auf das Aufgehen Daphnes in der Natur alludieren, nur eine Station im Prozess der Verwandlung und darum ganz gegen Strauss’ sonstige Gewohnheit nicht plakativ verwandt, sondern werden dem verhaltenen Charakter der Verwandlungsmusik entsprechend nur angedeutet. Die Integration der musikalischen Darstellung des Windes und der Vögel in die Verwandlungsmusik sind Vorgriffe auf die völlige Naturwerdung Daphnes, die sich musikalisch in der vokalisierenden Aufnahme der Oboenmelodie am Ende der Oper manifestiert. Die Verwandlungsmusik zeigt, zu welch sublimem Orchestereinsatz Strauss noch in hohem Alter fähig war, denn Daphnes szenische Verwandlung hätte auch durch ein ›malendes‹ Orchesterstück umgesetzt werden können. Gerade dies aber, die simple musikalische Naturdarstellung, vermeidet Strauss und komponiert stattdessen eine hochartifizielle Musik, die keine konkret-programmatische Umsetzung des Bühnenvorgangs ist. Dies aber entspricht dem Konzept der frühen Tondichtungen, in denen Strauss eine »poetische Idee«, wie er es nannte, auskomponierte, nicht aber ein reales Programm (alle Versuche, etwa dem Don Juan oder Zarathustra ein reales Handlungsprogramm zu unterlegen, sind bei näherer Betrachtung darum bislang gescheitert). Strauss greift in der Daphne eher auf Merkmale seines Stils der frühen Erfolgskompositionen zurück, das heißt der frühen Tondichtungen und der beiden Erfolgseinakter des Beginns seiner Karriere als Opernkomponist,

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als dass er einen spezifischen Stil für ein Spätwerk im Sinne eines Stils entwickeln würde, der sich von einer frühen und mittleren Schaffensperiode abgrenzen ließe. Generell entzieht sich das Werk Strauss’ der musikgeschichtlichen Periodisierung in unterschiedliche Schaffensperioden, denn im Gegensatz zu Beethoven, dessen kompositorische Technik sich vom Frühwerk zur mittleren Periode und von dieser wiederum zum Spätwerk wandelte, addierte Strauss seine einmal neu gewonnenen stilistischen und kompositionstechnischen Errungenschaften, wobei deren Einzelelemente in den verschiedenen Werken in unterschiedlicher Weise in den Vordergrund traten, den Erfordernissen des Sujets oder der Komposition entsprechend. Strauss sammelte gewissermaßen seine im Laufe der Zeit erarbeiteten kompositorischen Fähigkeiten und Methoden in einem bis zur Frau ohne Schatten anwachsenden ›Pool‹, auf den er je nach Notwendigkeit selektiv zurückgreifen konnte. Die Libretti mussten so abgefasst sein, dass sich für Strauss die Möglichkeit ergab, Elemente dieses ›Pools‹ abzurufen. Insofern ist Daphne zwar ein Alterswerk, aber kein Spätwerk.

→ Szenenbild, 2004

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Oliver Láng

WENN GÖTTER LIEBEN

»Aphrodite, Aglaja, Euphrosyne und Thalia sahen einst in das irdische Helldunkel hernieder und, müde des ewig heitern, aber kalten Olympos, sehnten sich herein unter die Wolken unserer Erde, wo die Seele mehr liebt, weil sie mehr leidet, und wo sie trüber, aber wärmer ist. Sie hörten die heiligen Töne heraufsteigen, mit welchen Polyhymnia unsichtbar die tiefe bange Erde durchwandelt, um uns zu erquicken und zu erheben.« So der berühmte Beginn von Jean Pauls epochalem Titan-Roman, und es muss, so ist anzunehmen, schon etwas an der liebenden Welt der Menschen sein, wenn sich gleich vier Göttinnen auf die Erde niederlassen und fortan die sehr bürgerlichen Namen Luise, Charlotte, Therese und Friederike tragen, um sich an diesen wärmeren Gefilden zu delektieren. OLI V ER LÁ NG

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Dabei ist Liebe freilich durchaus und vor allem auch eine göttliche Eigenschaft; monotheistisch gesehen die Grundlage alles Seins, alldurchdringend und omnipräsent, von geistlich-geistiger liebender Urkraft, Sinn und Ziel der Schöpfung. In unserem Kulturraum bleibend, aber einige Stockwerke darunter angesiedelt das bunte Wirken der antiken und mythologischen höheren Wesen: Mit einem deutlich geringeren Absolutheitsanspruch, dafür in ihren Wandlungen und Handlungen leichter zu verstehen, weil auch menschheitsverwandter – waren sie doch das, was für Feuerbach der Obengenannte zu sein schien – eine Spiegelung beziehungsweise Projektion des Menschen und Menschlichen. Daher auch die Allzu-Menschlichkeit in allen erotischen und amourösen Belangen. Wunschdenken? Fantasie-Auslebungen? Erweiterte Erfahrungsberichte? Die mythologischen Götter, allen voran Zeus, gaben sich gerne nicht nur mit einer, wenn auch noch so eifersüchtig wachenden, Ehefrau zufrieden, sondern suchten ihr erotisches Glück in mannigfaltigen Beziehungen. Bei Zeus: Göttinnen wie Themis, Nymphen und – verstärkt und in komplexesten Verkleidungen – menschliche Frauen. Es scheint also, dass es Götter, seltener: Göttinnen, immer wieder gereizt hat, sich mit Affären unterhalb ihrer Stellung abzugeben. Die Operngeschichte beginnt gleich mit einer solchen Episode, eben jener von Dafne. Mit Jacopo Peris gleichnamigem Werk aus dem Jahr 1598 wird der Beginn des europäischen Musiktheaters markiert, und Zeus’ Liebe zur Nymphe Daphne sollte immer wieder, so auch bei Richard Strauss, den Weg auf die Bühne finden. Doch auch Orfeo, oftmals als die erste »richtige« Oper bezeichnet, handelt von göttlicher Liebe, wenn auch gänzlich anderer Façon: Orfeo und Eurydike, beide nicht ganz menschlich, sondern (halb-)göttlicher Art (Orfeos Vater war nach manchen Quellen Apollo, Eurydike eine Nymphe), rühren mit ihrer Liebe und mit der der Liebe entspringenden Musik die Herzen der Götter, sodass Eurydike, je nach Ausgestaltung, zumindest kurzzeitig wieder die Geliebte Orpheus’ werden darf. Die spätrenaissance/frühbarocke Hinwendung zu den Stoffen der Antike ist freilich kein Zufall: In der Bestrebung, das antike Theater wieder auferstehen zu lassen, waren es natürlich gerade die mythologischen Handlungen und Inhalte, die zum Zug kamen. Die Barockoper ist geschwängert mit eben diesen thematischen Verknüpfungen, göttliche Liebe in den unterschiedlichsten Spielarten ist zu finden. Jean-Philippe Rameaus Castor et Pollux etwa: Einerseits ist es wieder das Erstaunen über eine große Liebe, die eine Rolle spielt, andererseits die wechselhafte Liebe zu einer Frau – Télaire, Tochter der Sonne – seitens der Halbbrüder: einmal von Pollux, dem Halbgott, einmal von Castor, dem Menschen. Interessant ist dabei, dass Télaire den Menschen Castor dem Halbgott Pollux vorzieht... Unterm Strich gleichen einander die Liebe des Menschen wie auch des Halbgottes, sei es im geschwisterlichen Zusammenhang, sei es jene zu Télaire. 41

W EN N GÖT T ER LIEBEN


Doch auch Göttinnen waren nicht gefeit vor nicht standesgemäßer Hingabe: In Cavallis La Calisto verliebt sich im Rahmen der komplexen Handlung die Göttin Diana in einen einfachen Schäfer und ist bereit, ob ihm den Kopf zu verlieren. Die Wiederliebe ist dabei inklusive. Dass Lieben auch in antik-göttlichen Beziehungen oftmals mit Leid, Enttäuschung und Irrungen verbunden sind, unterstreicht nur die Analogie zur Menschenwelt. Die Geschichte von Acis und Galatea (nach Händel) beweist, dass Menschen sich in Bezug auf höhere Wesen in Vorsicht üben sollten. Galatea, eine Nymphe, liebt zwar den Hirten Acis, doch hat dieser einen Konkurrenten: Polyphem, ein Riese. Gestärkt von der Kraft des Gottes Amor glaubt Acis, sich Polyphem stellen zu können, unterliegt aber. Ihm bleibt nur noch die Gewissheit, für Galatea der Richtige gewesen zu sein, und seine anschließende Verwandlung in einen perlenden Bach. Zwei Paradebeispiele göttlicher, sinnlicher Liebe zu einem Menschen bietet Richard Wagner, einmal im Ring des Nibelungen, ein zweites Mal im Tannhäuser. Im Ring: Wenn auch nur aus der Erzählung, so erfährt man doch, dass der oberste Gott Wotan, kein Kostverächter in Sachen Seitensprung, neben seiner Ehefrau Fricka sich einst mit einer Menschenfrau eingelassen hat. Sie bleibt unbekannt, doch entspringt dieser Verbindung eines der bekanntesten Geschwisterpaare der Operngeschichte: Siegmund und Sieglinde. Im Tannhäuser tritt nun der Fall einer Verbindung Göttin-Mensch ein, und das auf körperlichster Ebene. Ja, in der Oper wird gerade der Gegensatz zwischen sinnlich-schwülstiger und geistig-reiner Liebe abgehandelt, wobei das Geistige dem Menschen (Elisabeth) überlassen bleibt, während die Liebesgöttin Venus sich um das Erotische kümmert. Ein wahrhaft romantisches Thema, war doch gerade der Zwiespalt zwischen diesen beiden Polen, vor allem aber das Hin-und-Hergerissensein zwischen den Extremen, ja, auch das Scheitern, ein sujettechnisches Leibstück der Kunst dieser Epoche. Wie aber steht es mit der christlichen Religion? Der christliche Gott ist kaum auf der Opernbühne präsent, wenn fallweise durchaus Engel und himmlische Heerscharen in Vertretung erklingen dürfen; wohingegen Satan auf der Bühne durchaus – man denke nur an die unterschiedlichen Ausformungen des Faust-Stoffes – seinen Auftritt haben darf. Man war bei religiösen Themen sehr vorsichtig, die Zensur schritt schnell ein: Um noch einmal den Tannhäuser heranzuziehen – in früher Wiener Aufführungszeit an der Hofoper musste in dieser Oper sogar das Wort Rom, als das Zentrum der Christenheit, aus dem Libretto gestrichen werden. Hier Gott als handelnde Person auf die Opernbühne zu bringen, war damit keine leichte Aufgabe. Ein wichtiges Beispiel aus der Antike ist am Schluss, gerade bei Richard Strauss, freilich nachzureichen: Ariadne auf Naxos. Ariadne, von Theseus verlassen, findet ihre Liebe wieder bei Bacchus, dem Gott. Wobei es hier gar nicht erst um den Stand der Göttlichkeit geht. Denn, so wissen wir dank ZerOLI V ER LÁ NG

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binetta, durch und durch weltlich, und gerade darum so sympathisch, die aus ihrem reichen amourösen Erfahrungsschatz über Männerbekanntschaften berichtet: »Als ein Gott kam jeder gegangen / Jeder wandelte mich um / Küsste er mir Mund und Wangen / Hingegeben war ich stumm!« Man lernt: Gott, Göttin, Nymphe, Halbgott oder doch ein Mensch: Kommt der oder die Richtige gegangen, ist’s auf alle Fälle ein Gott. Zumindest ein antiker.

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W EN N GÖT T ER LIEBEN


Richard Strauss / Joseph Gregor

SIND WIR NOCH GÖTTER? ODER LÄNGST SCHON BESCHATTET VON MENSCHLICHEN HERZEN?

Apollo


Joseph Gregor

NOTIZEN ZU » DAPHNE « Dass die »erste Oper« diesen Namen trug, ist ganz gewiss ebenso wenig zufällig wie die lange währende Beliebtheit jenes Opernstoffes, der historisch in unmittelbarer Nachbarschaft steht, des Orfeo. In beiden Fällen Metamorphosen, die nur die Musik aussprechen kann: Vom Menschen zur Natur, und vom Totenreich zum Reich der Lebenden. Die Allegorik der Wandlung zum Baume musste alle barocken Kräfte entfesseln, die andere ist sogar im Mittelalter verwurzelt, reicht von den Teufeln des Mysteriums bis zu den derben Vorstellungen des Barocktheaters vom Jenseits. Shakespeare fluktuiert von Baum zu Geist und zum Baum zurück, und in Festzügen des Barockzeitalters sehen wir Baumwesen schreiten, wie die Dryas ein vielen Kulturen umspinnender mythenbildender Begriff ist. Daphne wird nicht nur zum Baum, sie kommt auch vom Baum, aus der Natur. Sie ist Dryas, die sich nur für kurze Zeit unter Menschen verirrte, sie hat die eine tragische Metamorphose schon hinter sich, aus der ihr die Sehnsucht nach den Brüdern, den Bäumen, nach der Schwester, der Quelle, nach Schmetterling, Blumen, Sonne geblieben ist. Ich glaube nicht, dass diese Sehnsucht notwendig romantisch sein müsse; sie ist nur kindlich. Franziskus ist gleichfalls frei von Romantik, wenn er die ganze Natur, einschließlich der Sonne, brüderlich anredet – Franziskus spricht von der Höhe entsagenden Menschentums herab, Daphne vom ahnungsvollen Kindtum zu einer Welt empor, die sich selbst wie ein riesengroßer Baum über sie wölbt. Die entzauberte Daphne tritt in eine Welt, die selbst in Wandlung begriffen ist. Peneios ist dreigestaltig: der Gott des Flusses, der Fluss und der Fischer am Flusse. Auch ihm ist in der neuen Existenz durchaus die Sehnsucht nach der früheren geblieben, der er männlichen, oder, wie Richard Strauss sich 45

JOSEPH GR EGOR


ausdrückt, künstlerischen Ausdruck verleiht. Er wünschte die Götter herabzuziehen und sich mit ihnen, wie ehedem, wieder an einen Tisch zu setzen. Die gleiche Sehnsucht nimmt bei Gaea (Erde – Göttin der Erde – Mutter der Dryas) frauenhaften Ablauf: sie wünscht die reine, restlose Verwandlung der Tochter ins Menschentum und begünstigt Leukippos. Eine mit Leukippos verbundene Daphne hat die göttliche Natur verloren, sie könnte die zweite Metamorphose nicht mehr erleben, nicht mehr zu den Brüdern und Schwestern zurückkehren. Strauss sah dies klarer als ich, in dessen erstem Entwurf Leukippos Daphne raubte und dafür von Apollo bestraft ward. Davon ist nur ein kurzer hieratischer Tanz und der Trank zurückgeblieben. Die Tötung des Leukippos steigt vielmehr aus anderen Quellen. Die in Wandlung begriffene Götterwelt hat auch beim Flussgott nicht halt gemacht. Die Wandlung Apollos ist derb, vom Gott zum Rinderhirten, oder wie er selbst es bezeichnet, zum »brünstigen Tier«. Schon der blaue Mantel allein vermag ihm ein Stück Göttertum zurückzugeben, vor dem Daphne erschrickt, sie erschrickt aber noch mehr vor seiner Wandlung im Kusse. Auch er verwandelt sich, Daphne gleich, ein zweitesmal; nicht zur Natur: zurück zum Gotte. Das außerordentliche Verhalten Apollos hat seinen dunklen Gegenspieler wachgerufen, dessen Verwandlung hier noch höchst einfach ist: von der Blüte der Rebe bis zum Blute der Rebe. Ein noch ganz naturhafter Dionysos; von seiner umständlichen Wandlung im Mysterium, Zerreißung und Wiedergeburt, weiß das Stück nichts. Es tritt in den Beginn des Kults, ein primitiver mänadischer Aufzug, an dem die Hirten in Widdermasken Frauenraub vollführen (wie es ursprünglich auch Leukippos sollte!). Die apollinisch-dionysische Theomachie wird auf menschlicher Ebene ausgetragen, wie dies in der Tragödie Regel ist, Leukippos muss fallen und auch Daphne ihr Ende finden, soviel an ihr menschlich geworden war. Gestalten, die schon ihre neue Wandlungsform gefunden haben, Peneios, Gaea verschwinden völlig, gleichfalls eine von Strauss erdachte Abkürzung, während es mich im ersten Entwurfe noch verlockt hat, ihre tragische Ergriffenheit vor dem Baume Daphne zu zeigen und damit auch in diesen beiden das volle Menschentum zu erreichen. Strauss aber drang dorthin, wo wirklich die volle Domäne der Musik liegt, nämlich zur »Verwandlung der Daphne«, zu ihrer (zweiten) Metamorphose. Ich finde, dass die »Verschwörung der Natur«, die hier vollzogen ist, in der Musik nicht ihresgleichen hat, und ich nehme davon selbst die Verschwörung des Feuers nicht aus, da die Walküre in den Schlaf gesunken ist. Denn Daphne ist unendlich glücklich und unendlich wehmütig zugleich, die Natur aber in aller antiken Größe, in erhabener Herbheit gänzlich unromantisch. Wie Goethe beklagte, dass ihm nach Michelangelo selbst die → als Natur nicht »schmecke«, weil ihm die »großen« Augen Michelangelos fehlten, Daphne Trinkgefäß so wird eine größere Darstellung der Natur als durch das Gehör und die Kunst von Abraham Jamnitzer, unseres Meisters niemals aufzufinden sein. Nürnberg, Ende 16. Jahrhundert

NOT IZEN Z U »DA PHN E«

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BRIEFE RUND UM » DAPHNE « Joseph Gregor an Richard Strauss Wien, 3. September 1935 Verehrtester Herr Doktor! Ich danke Ihnen herzlich für Ihren gütigen Brief aus Garmisch und bin sehr glücklich, dass Ihnen der Friedenstag nun im Großen und Ganzen entspricht. Ich bitte mir nur zu sagen, was Sie noch geändert wünschen, ebenso habe ich ja selbst noch einige Retouchen anzubringen. Ich habe unterdessen auch noch die Daphne geschrieben und sende Ihnen den Text gleichzeitig. Stefan Zweig, der sich gegenwärtig in Wien aufhält, war von diesem Text geradezu begeistert und schrieb mir darüber einen langen Brief, den ich Ihnen hier beilege. Ich selbst habe schon im Manuskript der Daphne die Stelle vermerkt, die Zweig noch ausgedehnter haben möchte. Auch für den Friedenstag hat Zweig noch einige Wünsche, die leicht auszuführen sind. Sonst aber sind wir im besten Einvernehmen, wie Sie sehen, zieht er die Daphne dem Friedenstag bei weitem vor. Ich bin nun außerordentlich gespannt auf Ihr Urteil, und Zweig ist es auch. Auch mündlich hat er mir noch aufgetragen, Ihnen seine verehrungsvollsten Grüße zu bestellen. Er ist noch bis etwa Mitte dieses Monates hier und ich wäre daher in der Lage, es ihm mitzuteilen, falls Herr Doktor etwas wünschen. Ich müsste nur bald eine Nachricht von Ihnen bekommen. Ich hoffe, dass Sie sich in Vichy wohl befinden und bitte, der verehrten Frau Gemahlin meine Handküsse übermitteln zu wollen. In aller Verehrung bin ich Ihr ergebenster Joseph Gregor JOSEPH GR EGOR U N D R ICH A R D ST R AUS S


Richard Strauss an Joseph Gregor Paris, 15. September 1935 Lieber Doktor! Daphne gefällt mir recht gut, wenn ich auch noch straffere dramatische Konzentration in Handlung und Sprache gewünscht hätte. Wir sprechen darüber (hoffentlich erste Hälfte Oktober in Garmisch) mündlich. Die Vorschläge unsres Freundes bitte dringend zu beachten. Die Figur des Schweinehirten Zeus ist nicht gut: ein verunglückter Wotan. Auch die Pantomime mit Medusa dürfte auf der Bühne unmöglich sein: bitte hier etwas anderes zu erfinden. Ich bin ab 16. in Kissingen. In Eile herzlich grüßend Ihr aufrichtig ergebener Dr. Richard Strauss

Richard Strauss an Joseph Gregor Bad Kissingen, 25. September 1935 Lieber Herr Gregor! Gestern erhielt ich von meinem Sohne erst die Nachricht, dass Ihre Sache seitens der Devisenstelle sich auf gutem Wege befindet und so darf ich hoffen, dass wir Sie bald ganz ganz zufriedenstellen können. Inzwischen habe ich mich noch intensiver mit Daphne beschäftigt und muss, entgegen der Meinung unsres Freundes, leider gestehn, dass, je öfter ich sie lese, sie mir desto weniger gefällt. Es ist ein völliges Nacheinander, keine Spur von irgend einer Schürzung des dramatischen Knotens, es fehlt vollständig eine große Auseinandersetzung zwischen Apollo, Leukippos und Daphne, in der Daphne ihre jungfräuliche Stellung beiden gegenüber ausdrücklich darlegt: Verehrung für den Gott, den sie ahnt, schwesterliche Liebe zum Freunde ihrer Jugend. Dies müsste eine Kleist’sche Szene werden, dunkel und geheimnisschwühl. Nichts darf hinter der Szene geschehn, auch nicht der Mord des Leukippos – die Katastrophe viel elementarer ohne die schulmeisterlichen Weltanschauungsbanalitäten des völlig überflüssigen Jupiter – kurz: das Ganze, wie es jetzt in nicht immer glücklich imitiertem Homerjargon nebeneinander sich abwickelt, lockt uns keine 100 Menschen ins Theater. Jedenfalls müssen wir uns noch ausführlichst darüber mündlich unterhalten. Vielleicht haben Sie die Güte, bis wir uns aussprechen, am andern Stück Änderungen vorzunehmen, die wir zuletzt besprochen haben. Theater und keine Literatur! Mit besten Grüßen Ihr stets ergebener Dr. Richard Strauss

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BR IEFE RU N D UM »DA PHN E«


Joseph Gregor an Richard Strauss Wien, 10. Oktober 1935 Hochverehrter, lieber Herr Doktor! Ich bin im Besitz Ihrer zwei letzten Briefe... Ich konnte mir auch nicht denken, dass alles, was ich in den vielen Monaten, vielfach unter Ihren Augen und mit Ihrem so wertvollen Rat und Ihren Anweisungen, gearbeitet habe, auf einmal wertlos sein sollte... Ich habe dieses Stück in einer wahren und echten Begeisterung geschrieben und es hat ebenso den begeisterten Beifall nicht nur unseres Freundes, sondern auch einer Reihe sehr ernster Menschen gefunden, die ich zu schätzen Anlass habe. Und da muss ich Ihnen sagen, dass Ihr Urteil, das mir nichts anderes darüber gesagt hat als: »Schlecht imitierter Homerjargon« und »Weltanschauungsbanalitäten« – mich aber schon sehr geschmerzt hat... Sie werden doch selbst nicht wollen, dass der Mensch, der mit Ihnen arbeitet, ein empfindungsloser, unkünstlerischer Patron ist. Joseph Gregor

Richard Strauss an Joseph Gregor Garmisch, 15. Oktober 1935 Lieber Herr Gregor! Es tut mir natürlich Leid, dass ich Ihnen weh getan habe: aber auch die Säge des Chirurgen schmerzt, wenn sie ohne Narkose arbeitet. Darum lassen Sie es sich nicht verdrießen, wenn ich Ihre Daphne in der jetzigen Form für unbrauchbar, vor allem für untheatralisch und kein Publikum der Welt interessierend halte… Vor allem seien Sie misstrauisch gegen diese gefährliche »Wahre und echte Begeisterung«, in der Sie das Stückchen geschrieben haben wollen. Solche Produkte halten weder dem nüchternen Kunstverstand stand, noch erwecken sie dieselben Empfindungen beim Zuhörer… Es fehlt der dramatische Brennpunkt… Dr. Richard Strauss Richard Strauss an Joseph Gregor Garmisch, 1. Jänner 1936 Lieber Herr Gregor! Prosit Neujahr! Daphne verspricht, wenn die beiden Hauptszenen gelingen, ausgezeichnet zu werden. Gratuliere! ... Arbeiten Sie jedenfalls weiter an Daphne! Mit besten Grüßen Ihr Dr. Richard Strauss JOSEPH GR EGOR U N D R ICH A R D ST R AUS S

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Richard Strauss an Joseph Gregor Garmisch, 13. Jänner 1936 Lieber Freund Gregor! Ich sende Daphne noch einmal zu sprachlicher Superrevision! Meine flüchtigen, durchaus nicht endgültigen und absolut maßgeblichen Korrekturen sollen Ihnen nur andeuten, was ich noch verbessert haben möchte. Mit schönsten Grüßen Ihr aufrichtig ergebener Dr. Richard Strauss

Richard Strauss an Joseph Gregor Genua, 29. Februar 1936 Lieber Freund Gregor! Um Ihre Arbeit zu erleichtern, habe ich nun brutal gestrichen, was mir heute schon entbehrlich scheint. Bestens grüßend Ihr Dr. Richard Strauss

Richard Strauss an Joseph Gregor Monte Carlo, 4. März 1936 Lieber Freund Gregor! Briefe und die angeblich gestrichene Daphne heute erhalten! Aber mein Lieber – da fehlt es noch weit zu einem brauchbaren Operntext – das ist Alles noch um die Hälfte zu lang. Wie immer nichts für ungut! Dr. Richard Strauss

Richard Strauss an Joseph Gregor Mailand, 12. März 1936 Lieber Herr Gregor! Ich bitte Sie nur, sich sofort mit Dr. Wallerstein in Verbindung zu setzen und mit ihm den Stoff neu zu arbeiten... In Eile herzlich grüßend Ihr Dr. Richard Strauss

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BR IEFE RU N D UM »DA PHN E«


Richard Strauss an Joseph Gregor Garmisch, 12. Mai 1937 Lieber Freund Gregor! Sonntag war Clemens Krauss hier und wir sind übereingekommen, dass nach Apollos Abgesang außer Daphne kein menschliches Wesen mehr auf der Bühne erscheinen darf, kein Peneios, keine Solostimmen – kein Chor – kurz kein Oratorium: alles wäre eine Abschwächung... Mit herzlichen Grüßen Ihr Dr. Richard Strauss

Richard Strauss an Joseph Gregor Meran, 28. März 1938 Lieber Freund Gregor! Sie besitzen doch eine Fotografie der Berninischen Daphne? Bitte schicken Sie dieselbe an Örtel nach Berlin. Ich möchte, dass dieselbe etwa in Medaillonform aufs Titelblatt der Partituren und des Textbuches kommt. Ich kann hier eine solche nicht rasch bekommen! Mit besten Gruß Ihr Dr. Richard Strauss

Richard Strauss an Joseph Gregor Garmisch, 23. Oktober 1938 Lieber Freund Gregor! Besten Dank für Ihr freundliches Telegramm. Daphne hat wunderbar gewirkt, bin selbst damit sehr zufrieden – und prachtvolle Aufführung! Dr. Richard Strauss

→ KS Johan Botha als Apollo, 2004

BR IEFE RU N D UM »DA PHN E«

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Margot Th. Brandlhuber

ES HÄTTE IHM UNGEMEIN GEFALLEN...

Der Musiksalon der Villa Stuck als Vorbild für das Bühnenbild der Oper Daphne


Es hätte Franz von Stuck ungemein gefallen, hätte er gewusst, dass seine Villa im Jahr 2004 Vorbild einer grandiosen Kulisse und sein Musiksalon zur Bühne der Strauss-Oper Daphne werden sollte. Damit vollendet sich sein Streben nach dem Lebensgesamtkunstwerk, die Vereinigung aller Künste einschließlich der Musik ist vollzogen, der Kreis ist geschlossen. München, 1866: Ganz in der Nähe der damaligen Prinzregentenstraße 4, noch vor den Toren der Stadt, war die Realisierung von Wagners Vision des Gesamtkunstwerks unter dem Primat der Musik durch den Bau eines gigantischen Festspielhauses für Ludwig II. gescheitert. Doch 1897 hat es Stuck dort als 34-jähriger Künstlerfürst, Maler, Graphiker und Bildhauer, geschafft: Seine antik anmutende Villa war ein Kosmos seiner geistigen Welten, persönliches Pantheon, Inkarnation seiner Selbst und vor allem farbig lodernde Inspira­ tionsquelle seines Schaffens; alles, was ein Künstlerhaus leisten konnte, weit über Repräsentation und Selbstdarstellung hinaus. Stuck vollzieht als Künstler einen kometenhaften Aufstieg, dabei sind die Vorzeichen nicht günstig, wird er doch als Sohn eines Müllers in Tettenweis bei Passau geboren. Aber Stuck fällt schon als Kind durch sein zeichnerisches Talent auf. Im Alter von 15 Jahren tritt er an die Münchner Kunstgewerbeschule über, wo er in allen Gattungen Zeichnen lernt, die Akademie besucht er nur sporadisch, gilt er doch schon jetzt als einer der führenden graphischen Künstler Deutschlands. Die Überraschung ist groß, als Stuck 1889 im Münchner Glaspalast mit 26 Jahren erstmals mit dem Wächter des Paradieses und zwei weiteren Gemälden als Maler auftritt. Er wird geehrt und verkauft das Bild für die enorme Summe von 60.000 Goldmark an einen belgischen Sammler. 1892 ist Stuck Gründungsmitglied und ein Jahr später Star der Münchner Secession, die mit dem internationalen Austausch guter Kunst und einem neuen künstlerischen Weltbild europaweite Attraktion auslöst. Als Vertreter des deutschen Symbolismus ist er ein Entdecker neuer Bildwelten und erfindet eine völlig neue Bildsprache, die von einem hohen Grad an künstlerischer Originalität durchdrungen ist. Das 1893 präsentierte Gemälde Die Sünde, femme fatale und biblische Eva zugleich, löste einen Skandal aus. Ein Zeitgenosse schrieb: »Der Ruhm des Bildes trieb uns durch die Säle« und seine schockierten Betrachter in die »Vereinzelung.« Die Vorliebe der Moderne galt der Archaik, der Erneuerung aus der griechischen Antike. Dort sahen die Kunstschaffenden das Potenzial, die Kraft der Erneuerung aus dem Ursprünglichen, Authentischen, Naturnahen, der Metamorphose, die wir in Stucks Bildkompositionen, Rilkes Archaischem Torso Apollos oder Olbrichs Wiener Secessionsgebäude finden. Die Antikenver­ ehrung ist es auch, die Stuck mit Richard Strauss verbindet. Die Entdeckung einer der »klassischen« Kunst Griechenlands vorgelagerten »archaischen« Kunst, und die besondere Würdigung gerade dieser Kunst vor Perikles nicht etwa als einer reinen »Vorläufer«-Kunst, sondern als Kunst aus eigenem Recht und Anspruch, führt zu einer Überhöhung des 55

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← München, Museum Villa Stuck, Orpheuswand, um 1898

Urtümlichen und Primitiven. Die Würdigung all dessen im Authentischen durchgeistert so unterschiedliche Bereiche wie die Archäologie, die Musik Strawinskis, den Primitivismus der Malerei, den Kult der Vorsokratiker in der Philosophie. Die Villa Stuck als Schöpfung des großen Creators der Kunst des 19. Jahrhunderts: Nach eigenen Entwürfen errichtete Stuck seine außergewöhnliche Künstlervilla, die in luxuriösen Rauminszenierungen Wohn- und Repräsentationsräume sowie ein großes Künstleratelier als »Weihestätte der Kunst« vereinte. Sie wurde von seinen Zeitgenossen als »moderne« Sensation gefeiert. Auf der Pariser Weltausstellung wurden die Möbel, die der Künstler eigens für seine Villa entworfen hatte, mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Vestibül, Empfangssalon, Musiksalon, Treppenhaus, Atelier und Skulpturengarten sind bis ins Detail vom Künstler selbst entworfen und als Meisterwerke der Raumkunst erhalten. Musik spielt eine bedeutende Rolle. Von dem durch Materialluxus und Goldmosaik betörenden Empfangssalon blickt man in den von Stuck ausgemalten Musiksalon, vermutlich von Mary von Stuck angeregt, einer ausgezeichneten Sängerin, die im privaten Rahmen in Gilbert und Sullivans Mikado auftrat. Der Musiksalon: »Der Charakter rechtfertigt es, wenn der Raum mit den stärksten farbigen Effekten ausgestattet ist; er ist eben nicht für den dauernden Aufenthalt berechnet; eine Zauberwelt der Farben soll der Scheinwelt der Töne als Hintergrund und Folie dienen.« Georg Habich beschreibt, der Empfangssalon öffne sich »bühnenartig zu einem polygonal abgeschrägten Raum, welcher der Musik geweiht ist. Hier steigern sich die Effekte magischer Licht- und Farbenwirkung bis nah an die Grenze des Theatralischen.« Der Rückgriff in der Daphne-Inszenierung an der Wiener Staatsoper hierauf kann nur als kongeniale Idee von Regisseur und Bühnenbildner bezeichnet werden. Aber mehr noch: Selbst im Stil der Bühnenbildentwürfe spiegelt Pet Halmen einen der Höhepunkte der zweiten Antikenmanie in Europa, dem Klassizismus, wider. Die Umrisslinienzeichnungen scheinen wie eine Hommage an die fantastischen Raumansichten des »Receuil des décorations interieurs« 1801 von Percier und Fontaine, den Hofarchitekten Napoleons und Erfindern des französischen Empirestils. Die Münchner Komposition: Stuck verstand es, mit einfachen Mitteln dem Raum eine betörende Lichtatmosphäre zu verleihen. Dazu trugen neben der leuchtenden Farbkomposition der Wandmalereien auch diverse Vorrichtungen bei, die es ermöglichten, das einfallende Licht und damit den gesamten Farb­raum durch einen zinnoberroten Seidenvorhang bis zur Bühnenhaftigkeit zu tönen. Wie in den beiden anderen Repräsentationsräumen durfte auch im Musiksalon der Antikenbezug nicht fehlen. Habich charakterisiert die theatralische Wirkung treffend mit »einem mystischen Halbdunkel, aus dessen Tiefe bunt bemalte Götterfiguren schier unheimlich hervorblicken.«

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E S H ÄT T E IHM U NGEMEIN GEFA LLEN...


Stuck pflegte nicht nur die Wirkung von Bild und Rahmen im Raum, sondern auch diejenige der Räume selbst wie ein Bild zu planen. Nicht umsonst war Stuck an der Münchner Akademie Professor für Komposition und nicht etwa für Malerei. Genau dieser kompositorischen Möglichkeiten bedient sich Stuck in einer eklektischen Verquickung von perspektivischer Architekturmalerei, Wandbildern, Plastiken und Möbeln zu einem geschlossenen Dekorations­ system. Die von Stuck eigenhändig eingefügten Gemälde evozieren die Sehnsucht nach einem dionysisch freien Leben im längst verlorenen Naturzustand. Das dionysische und apollinische Prinzip: Stuck reflektiert in seiner Gegenüberstellung des Hirtengottes Pan und des mythischen Sängers Orpheus auf den Hauptwänden des Musiksalons Nietzsches Manifest über die Polarität des dionysischen und apollinischen Prinzips, das eines der wichtigsten ästhetischen Theorien am Ende des 19. Jahrhunderts darstellt. Der OrpheusMythos handelt von der Macht der Musik über das menschliche Gemüt. Die Figur des Sängers erweckt nicht erst im Künstler Stuck die Sehnsucht nach einer fundamentalen Wirkung seiner Kunst auf den Menschen schlechthin, wie man sie im 19. Jahrhundert der Musik zuschrieb. Wenn Orpheus als Sohn des Apollon bezeichnet wurde, so wollte man damit die unmittelbare göttliche Herkunft seiner weithin berühmten Kunst andeuten. Die Wahl des Stoffes zielt auch auf eine Überhöhung des Künstlertums, die selbst den Geniebegriff übertrifft. Der Sternenhimmel: Nicht zuletzt öffnet Stuck mit den Mitteln der Malerei den Blick in den von Sternen glänzenden Nachthimmel, frei nach dem Vorbild römischer Wandmalerei, wie sie vor allem durch Beispiele aus Pompeji überliefert ist. Die Darstellung eines harmonisch klingenden Sternenhimmels folgt Vorstellungen des griechischen Philosophen Pythagoras von Samos (um 570 – nach 510 v. Chr.), Begründer der in humanistischen Kreisen weit verbreiteten Lehre von der Harmonie des Kosmos, deren Basis die Positionen der Planeten zwischen der Erde und der Sphäre der Fixsterne bilden. Zwischen den Umlaufbahnen der Planeten und den Klangverhältnissen in der Musik sahen er und seine Anhänger starke Analogien. Danach bewegen sich die Erde, der Mond und die Sonne, die fünf damals bekannten Planeten (Venus, Merkur, Mars, Jupiter und Saturn) sowie eine Gegenerde in konzentrischen Kreisen um das Zentralfeuer. Die Bewegung der Planeten erzeugt harmonisch abgestimmte Klänge. Allein Pythagoras soll die Gabe besessen haben, diese »Sphärenmusik« zu hören, die Harmonie im Wettgesang der Sphären und Gestirne, die auf Grundlage exakter Gesetze, Zahlen und Proportionen eine vollkommenere Musik als die irdische ergab. Noch Johann Wolfgang von Goethe (1759 – 1832) und der Ästhetik des 19. Jahrhunderts war der Zusammenhang von Architektur und Musik im Sinne von Architektur als »gefrorener«, steinerner Musik bekannt. Mondän und weltoffen war die Villa Stuck Magnet für Künstler von Alma Tadema bis Henry van de Velde und eines der Zentren kulturellen Lebens. Die zukünftige Alma Mahler besucht den Maler M A RGOT T H. BR A N DLH U BER

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und sein berühmtes Haus auf Empfehlung Gustav Klimts, dessen Landschaften und frühe Pastellporträts stark von Bildern beeinflusst sind, die Stuck in Ausstellungen der Münchner Secession im Wiener Künstlerhaus präsentierte und die bei Hugo von Hofmannsthal 1894 hymnische Anerkennung fanden. Die Villa Stuck zählt heute zu den bedeutendsten, existierenden Künstlervillen Europas. Neben Leighton House in London und dem Musée Gustave Moureau in Paris gehört sie zu den wenigen Orten, an denen sich Leben und Arbeit eines der Kunststars des ausgehenden 19. Jahrhunderts und Wegbereiters der Moderne in großer Dichte hautnah erfahren lässt.

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E S H ÄT T E IHM U NGEMEIN GEFA LLEN...


Günther Nenning

DAPHNE, EIN GROSSES KÜCHENGEWÜRZ

I Friedrich der Große verstieß seinen Hausphilosophen Voltaire, weil dieser des Königs Leibgericht kritisierte: Beinschinken, warm, in einem Bad aus Thymian, Wacholder und insbesondere Lorbeer. Daphne, laurus, Lorbeer – schreibt die moderne Gourmetkritikerin Dr. Ursula Winnington (Köchelei fürs Paradies, Klatschmohn Verlag, Rostock) – ist seit dreitausend oder mehr Jahren – »ein großes Küchengewürz«. »Daphne auf unseren Lippen garantiert uns eine Göttermahlzeit«, schreibt Winnington. Damit wechseln wir schon von der Gastronomie zur Mythologie. Apollo, ein Gourmet, der reihenweise Mädchen vernaschte, will Daphne als Götterspeise. Weil Daphne vor ihm flüchtet, wird sie in einen Lorbeerbusch verwandelt. Welch Glück für die morgen- und abendländische Küche. Richard Strauss bereitet sich Daphne als bekömmliches Altersgericht. Er → war 74, als die Oper uraufgeführt wurde, in Dresden 1938, ein Jahr noch bis Ausschnitt aus Giovanni zum Zweiten Weltkrieg, nein, keine zehn Monate. Strauss war unterwegs Lorenzo Apollo vom Liebäugeln mit den Nazis zur immer handfesteren Gegnerschaft. Das Berninis und Daphne, Rom, 1622/23 Publikum reagierte ehrfürchtig, aber nicht überschwänglich. GÜ N T HER N EN N ING

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Frau Winnington schreibt in ihrem Kochbuch: »Daphne besitzt einen eigenartigen Geschmack, bitter und aromatisch zugleich, es schmeckt etwas nach Muskatnuss, ein wenig nach der weichen Schale der Walnuss und ein bisschen nach Vanille. Zum Glück behält Daphne ihr Aroma auch im getrockneten Zustand. Falls es zu schwinden beginnt, kann man die Blätter fein mahlen und dadurch wiederbeleben.« Gar keine schlechte Rezension der Daphne und ihres Nachlebens. Vielleicht ein bisschen zu viel Vanille.

II Aber das Zuviel-Vanille kann man bequem von der Musik wegschieben auf das Konto des Librettisten. Strauss vertrug sich ja nie mit seinen Textern. Am ehesten noch mit dem geistverwandten Hofmannsthal, der ihm aber in jungen Jahren wegstarb (1929). Am zweitehesten mit Stefan Zweig, der ihm 1938 durch Emigration entzogen wurde. Am wenigsten mit Joseph Gregor. Hochgebil­det, feinsinnig, sachkundig, ihm demütig ergeben. Aber der Wiener Theater­historiker war ihm, typisch für Strauss, immer um ein bis zwei Oktaven zu anhänglich und zu begeistert. »Seien Sie«, putzte er ihn herunter, »misstrauisch gegen diese gefährliche ›wahre und echte Begeisterung‹ ... Solche Produkte halten weder dem nüchternen Kunstverstand stand, noch erwecken sie dieselben Empfindungen beim Zuhörer.« Strauss fand sich ab mit dem stets auf antikischen Stelzen daherkommenden Gregor. Verfuhr aber mit ihm voll bairischer Grobheit. Er ließ ihn drei Textver­ sionen anfertigen, und auch die dritte passte ihm nicht. Gregor musste stets zu Änderungen bereit sein. Strauss setzte ihn in den Oberstock seiner Villa in Garmisch, Gregor musste die Reinschrift der jeweils jüngsten Textversion Blatt für Blatt hinuntertragen zu Strauss ins Parterre, wo dann zügig Musik draus gemacht wurde. Gregor ließ sich von Strauss beschimpfen, er schreibe einen »schlecht imitierten Homer-Jargon« und »Weltanschauungsbanalitäten.« Das ist grob, aber wahr. Zum Genuss der Daphne gehört das Weghören vom Text. Jammerschade, dass Strauss, der doch zeitlebens viel las, nicht auf Ludwig Christoph Heinrich Hölty stieß (1748–1776). Apoll, der gern nach Mädchen schielte, Wie Dichter thun, sah einst im Thal, wo Schatten kühlte, Die Dafne ruhn. Er nahte sich mit Stuzertritten Mit Ach und Oh, GÜ N T HER N EN N ING

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Doch Dafne schnell mit Zefirschritten Dem Gott entfloh. Sie flog voraus; Apollo keuchte Ihr hizig nach, Bis er die Schöne fast erreichte Am Silberbach Und so weiter, leichtfüßig, ironisch, frivol, aber nicht zu sehr. Das wäre freilich eine ganz andere Daphne geworden.

III Es ist gar nicht wahr, was Strausso- und Nietzschologen gern behaupten: dass es in der Daphne um den unversöhnbaren Gegensatz ginge zwischen apollinisch und dionysisch. Hie hell, rein, keusch – hie Rausch, entfesselte Sinne, schwere Unsittlichkeit. So haarscharf ist der Unterschied nicht einmal bei Nietzsche, bei Strauss schon gar nicht. Bei Strauss ist nichts unvereinbar, alles versöhnlich. Er hat die SalomeElektra-Musik gemacht, wild, schwül, pervers und ein Welterfolg – er hat die Daphne-Musik gemacht, schlank, schmal, bukolisch und kein so großer Erfolg. Aber seinem Alter sehr angemessen, eine ehrliche Umkehr. Gar so keusch ist die Daphne-Musik auch nicht. An allen geeigneten Stellen bricht der jüngere sinnenfreundliche Strauss ohnehin durch und liefert den nötigen Kontrast zur Alterskeuschheit. Strauss bleibt Strauss. Und das ist gut so. Was heißt apollinisch gegen dionysisch? Bei Strauss ist nicht nur Dionysos dionysisch, sondern der nach Nietzsches Theorie so gegensätzliche, hell und reine Apoll ist ein ganz schön geiler Bock, ein Schürzen- und Nymphenjäger. Seinen Liebestönen nicht zu trauen, kann man Daphne nicht verargen. Daphne ist eine Figur von rührender Reinheit, ohne dass man weiß, wo sie das her hat. Ihre Reinheit ist aber überlagert von sinnlicher Attraktion: Nichts ist für den Erotiker erotischer als Reinheit. Die Sehnsucht des Erotomanen – und das ist dieser Apollo – geht nicht nach Ausschweifung, die übt er sowieso, sondern nach Reinheit. Zuletzt, und das hat seine Logik, umarmt er kein Mädchen, sondern einen Baum. Daphne entscheidet sich nicht nur nicht für den Dionysos-Rausch, sondern auch gegen die Apollo-Geilheit. Der Nachsteiger Apollo, eindeutig sexuell interessiert, nervt sie. Sie ist gegen die Männer und für die Bäume. Wenn man so will, eine aktuelle, grüne, umweltbewegte, feministische Figur. Sie erteilt ihre Absage an die Männer, einschließlich und insbesondere Göttermänner/Männergötter. Ich behaupte, dass der post-postmoderne Megatrend nach Sex und immer 63

DA PHN E , EIN GROS SE S K ÜCHENGEW Ü R Z



noch mehr Sex in Umkehr begriffen ist. Der heraufziehende neue Megatrend geht nach Non-Sex und Anti-Sex. Aus Überfütterung und draus entspringender Langeweile kriegen wir einen Daphne-Komplex. Das ist naturgemäß auch deshalb, weil die westliche Menschheit rapid überaltert und es satt hat, immer zu dürfen, zu sollen, zu müssen. Wir wollen unseren Frieden. Der Übersiebziger Strauss hat das komponiert so gut er konnte, und er konnte sehr gut. Als Strauss die Josephs Legende komponiert, 1914, 50-jährig in Saft und Kraft, ärgert er sich: »Der keusche Joseph selbst liegt mir nicht so recht, und was mich mopst, dazu finde ich schwer Musik. So ein Joseph, der Gott sucht, dazu muss ich mich höllisch zwingen.« Hofmannsthal redet ihm zu, er möge suchen und finden »in der reinsten Region Ihres Gehirns ... dort wo Aufschwung, reine, klare Gletscherluft ...« Da tut sich der 74-Jährige leichter, die Daphne kommt aus der reinsten Region seines Gehirns oder wo halt die Komponierlust und -wut angesiedelt ist. Und doch stimmt’s nicht mit der gletscherkühlen Reinheit, eigentlich ganz und gar nicht. Die Sinnenfreude verlässt den Salome-Meister nicht, sie wandelt sich nur. Der keusche Jochanaan, der keusche Joseph, erst recht die keusche Daphne – es sind Figuren, die nicht aus der faden Verweigerung leben. Sondern im Gegenteil: sind Lüstlinge der dritten Art. Nicht Mann und nicht Frau, sondern Sehnsüchtige nach viel stärkeren Reizen, als abgenudelte Erotik und Sex in Permanenz bieten können. In Worte lässt sich das nicht fassen, in Musik schon. Musica sola: Strauss ist der Komponist, dem keine Libretti genügen. Er landet, wo er hingehört: bei nichts als Musik. Seine Daphne-Keuschheit ist letzte Geilheit: Lust nach dem Paradies.

IV

← Andreas Schager als Apollo, 2017

Das ist der menschliche Lebenslauf: Seine Wahrheit besteht aus zwei Hälften, die selten zusammenpassen, am seltensten beim Genie. Zum Genie gehört das geheimnisvoll Unzusammenpassende, mit zwei Hälften kommt es gar nicht aus. Je mehr Richard-Strauss-Biographien, -Antigraphien, -Apologien geschrieben wurden, desto unerklärter blieb seine Größe. Also Bescheidenheit: Man landet bei der Lust, Widersprüche bestehen zu lassen. In der Nazizeit, zu der sich Richard Strauss zunächst relativ freundlich einstellte, dann aber immer feindseliger – kam es zur Doppelpremiere zweier Strauss-Opern, 1938, Friedenstag in München, Daphne in Dresden. Strauss wollte eine gleichzeitige Aufführung der beiden Einakter in München, das kam nicht zustande. Drei Monate nach dem Friedenstag in München gab es in Dresden die

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DA PHN E , EIN GROS SE S K ÜCHENGEW Ü R Z


gemeinsame Aufführung, erst Daphne, dann Friedenstag. Dann der Weltkrieg. Strauss hielt bald seinen Wunsch, die beiden Opern gemeinsam zu bringen, nicht mehr für so glücklich. Sie passen zusammen wie die Faust aufs Aug. Friedenstag endet zwar mit Frieden, ist aber bis dahin soldatisch und heroisch. Daphne ist von vornherein friedlich, voll Stille, Natur, Gewaltlosigkeit. Man kann auch meinen, die Faust aufs Aug passt ohnehin recht gut, man probiere nur. Was Strauss selber sich dachte, ist nicht erhebbar. Fest steht nur seine lebenslängliche Meinung: Mit Musik lasse sich alles sagen, insbesondere mit seiner Musik, Worte hingegen seien weniger geeignet, insbesondere die seiner Librettisten. Zusammengehöriges zu differenzieren, Widersprüchliches zu vereinen: Dafür ist Musik geeigneter als Sprache, Ton geschmeidiger als Text. Emil Cioran, der rumänische Nihilist, zitiert Nietzsches zärtlichen Satz: »Ich kann keinen Unterschied machen zwischen der Musik und den Tränen.« (Von Tränen und Heiligen, 1937) Der Gregor-Text ist zum Weinen, aber es sind nicht jene Tränen, die in der Strauss-Musik schimmern. Es gilt, was Cioran zum Nietzsche-Zitat hinzufügt: »Alle wahre Musik entspringt dem Weinen, weil sie aus der Sehnsucht nach dem Paradies hervorgeht.« Ob das für die frühere, wildere Strauss-Musik gilt, ist fraglich. Für Daphne gilt es. Strauss, nach allerhand Vor- und Zwischenfällen in seinem Leben und daraus gezogenen Schlussfolgerungen, möchte heim ins Paradies, zurück zur Natur, oder wie man’s halt nennen will. Das ist der Zusammenhang mit dem Friedenstag, wo noch die Soldaten lärmen und den Frieden fad finden. In Daphne herrscht der Friede im Lorbeerhain. Freilich nicht der reale Friede. Bald kommt der Zweite Weltkrieg. Kriegslorbeer, grausig verknüpft mit Massenmord. Strauss bleibt bairischer Realist, sein alleiniger Lebenszweck ist die Musik, aber in dieser vollzieht sich die Umkehr: Es wird Musik zum Weinen nach dem Paradies. Es ist nicht mehr weit bis zu den Vier letzten Liedern (1947). Das letzte der vier, nach Eichendorff: Wir sind durch Not und Freuden Gegangen Hand in Hand Vom Wandern ruhn wir nun Überm stillen Land. Oh weiter, stiller Friede! So tief im Abendrot! Wie sind wir wandersmüde – Ist dies etwa der Tod? Abermillionen Tote ohne Namen. Und der eigene Tod. Nichts mehr von den Tollheiten der Salome. Ces-Dur, ein jenseitiger Akkord. DA PHN E , EIN GROS SE S K ÜCHENGEW Ü R Z

→ Georg Zeppenfeld als Peneios, 2011

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Felix de Mendelssohn

TRIEB ODER TRAUMA?

Über die Ursachen des Tagtraums als Wunscherfüllungsphantasie


Der bewusste, oder besser gesagt, der halb bewusste Tagtraum ist von seinem Ablauf und von seinen Mechanismen her dem Nachttraum verwandt. Beide bedienen sich – wie übrigens auch die Dichtkunst – der Verschiebung, der Projektion, der Verkehrung ins Gegenteil, vor allem aber der Dramatisierung. Allein, der Tagtraum will immer gut ausgehen, was dem nächtlichen Alptraum oft nicht gelingt, und von der Dichtung je nach Intention gehandhabt wird. Nicht umsonst trägt die Oper Daphne den seltsam paradoxen Untertitel: Eine bukolische Tragödie. »Der Gegensatz zu Spiel ist nicht Ernst, sondern – Wirklichkeit«, schreibt Sigmund Freud 1908 in seinem kleinen Aufsatz Der Dichter und das Phantasieren, um später hinzuzufügen: » …was ein Verzicht zu sein scheint, ist in Wirklichkeit eine Ersatz- oder Surrogatbildung. So gibt auch der Heranwachsende, wenn er aufhört zu spielen, nichts anderes auf als die Anlehnung an reale Objekte; anstatt zu spielen phantasiert er jetzt. Er baut sich Luftschlösser, schafft das, was man Tagträume nennt.« Nur der Unbefriedigte phantasiert, meint Freud weiter, der Glückliche nie. Denn die unbefriedigten Wünsche sind die Triebkräfte der Phantasie – »jede einzelne Phantasie ist eine Wunscherfüllung, eine Korrektur der unbefriedigenden Wirklichkeit.« Wunscherfüllungen im Tagtraum sind immer entweder ehrgeiziger oder erotischer Natur. Freud unterstellt »dem jungen Weibe« fast ausschließlich nur die erotische Wunsch­erfüllung, dem jungen Mann hingegen traut er ebenso eigensüchtige wie erotische Wunschphantasien zu. Daphne jedoch ist zweifellos eine phallische junge Frau. Daran lässt die Baumsymbolik keinen Zweifel. Des Öfteren wird sie in der Oper mit der Göttin Diana (Artemis) verglichen, mit der einsam jagenden Schwester Apolls, ebenso wie dieser immer mit Pfeil und Bogen unterwegs. Doch während Apoll am Himmel umherschweift, streift Diana durch die Wälder auf Erden. Daphne selbst ist eine Tochter dieser Erde, denn ihre Mutter ist Gaea. (Ihr Vater Peneios, in der Oper zum bukolischen Fischer verkommen, war in der antiken Sage ein Fluss bzw. ein Flussgott in Thessalien). Daphnes Phantasien sind narzisstisch, ganz auf sich selbst und ihr eigenes Begehren fixiert. Unbewusst weckt sie das sinnliche Verlangen und die fast gewalttätige Zuneigung ihres jugendlichen Gespielen Leukippos, um ihn dann, in scheinbar unschuldiger Kindlichkeit, zurückzuweisen. Zwischen den Tagträumen der jugendlichen Hysterikerin, die ihre Sexualität dadurch zu sublimieren versucht, indem sie einer melancholischen Naturverliebtheit verfällt (so die konventionelle Lesart der Oper Daphne) und den Wunschvorstellungen einer »Hausfrau im Grünen«, die sich von ihrem Mann kaum noch begehrt weiß, ist der Übergang ein fließender. Ein aktueller Gegenpart zu Strauss’ Daphne ist jene Frau, die in Marianne Faithfulls fast schon klassischem Song The Ballad of Lucy Jordan porträtiert wird und die, gleich Daphne, glorreich im Wagen zum Himmel auffahren möchte. Hier wie dort sehnen sich die Frauen aus ihrer Vereinsamung heraus nach grenzenloser narzisstischer Freiheit. 69

FELI X DE MEN DELS SOHN


Daphnes Liebe zur Sonne und zum Sonnengott Apoll ist die kaum verhüllte erotische Liebe zum Vatergott. Für Apoll, wie für viele Liebhaber solch »schwieriger« Frauen, ist die ganze Geschichte bloß ein missglücktes, irgendwie beschämendes Abenteuer. Aber für Daphne ist der Hintergrund wie auch der schwebende Ausgang ihrer Inzestvorstellungen von geheimnisvoller Tragik und dem Hauch des Traumas behaftet. Sie kastriert den zu ihrem Lustgewinn herbeiphantasierten Verehrer Leukippos, lässt ihn seine Flöte zerschlagen, weil ihre eigentliche Liebe allein dem phantasmatischen Phallus gilt, dem »Meistersignifikanten« ( J. Lacan), der hiermit die erotisch-narzisstische Fixierung auf die Vaterimago markiert. Gleich danach singt Daphne: »Lass ruhen die Jahre,/Die Jahre der Kindheit,/Zum Vater lass’ mich ...« Ihr schwacher leiblicher Vater Peneios identifiziert sich selbst mit Apoll. Als er zu Beginn in einer Vision Phoibus Apollon auf dem Olymp erblickt, ermahnt ihn seine Frau Gaea: »Nach welchen Höhen/Willst Du noch steigen,/ Ewiger Träumer?« Peneios, der seine Frau hier pikanterweise als »Mutter« anspricht, beharrt aber auf seine Größenphantasie: »Gott war ich einst .../ Gott wie sie!« und erschrickt damit die Schäfer, die ihn sogleich ermahnen, Beschwörungen zu vermeiden. Seine Frau und seine Umgebung sehen in Peneios vielmehr eine banale, heruntergekommene Variante des Sonnengottes, mehr dem großsprecherischen, weinselig-leutseligen Gastwirt in einem eher vulgären ländlichen Fischlokal. Daphnes Inzestvorstellung erfährt eine Verschiebung, als sie die BruderSchwester-Beziehung mit Apoll phantasiert. Dem Gott kommt dies entgegen, denn was ihn mit seiner Schwester Artemis vor allem verbindet, ist das Bestehen auf absolute Freiheit und Unabhängigkeit. Etwas Ähnliches sucht Daphne wohl auch in dieser projektiven Verschmelzung mit Apoll, sie kann sich in keine Abhängigkeit von einem irdischen Mann begeben. Sie will selbst als Phallus, als Baumgöttin, in die Natur und in den Mythos eingehen. Warum aber dieser Diskurs über den Inzest, warum diese Interpretation, die im Drama eine Art tragischen Familienroman sieht? Woher die Berechtigung, in Daphnes Wunscherfüllungs-Tagtraum nicht nur ein triebgesteuertes Geschehen zu sehen, sondern einen traumatischen Hintergrund in ihrer Vorgeschichte zu suchen? Vielleicht, weil dem Schluss der Oper etwas Tragisches, Traumatisches anhaftet? Tagträume, schreibt Freud, verknüpfen immer alle drei Zeitdimensionen. Sie verweben das Vergangene, die Kindheitsphantasie, mit gegenwärtigem Geschehen und weisen stets auf eine Erfüllung in der Zukunft hin. Die psychoanalytische Theorie der Tagträume hat Ilse Grubrich-Simits in ihrer exzellenten Sigmund-Freud-Vorlesung Freuds Moses-Studie als Tagtraum 1991 weitergedacht. Freud schrieb sein Moses-Buch im Jahr 1938, im selben Jahr übrigens, in dem Strauss’ Daphne uraufgeführt wurde. Während Freuds Schrift von tiefer politischer Sorge um den mörderischen Antisemitismus der Nazis erfüllt ist und erst im englischen Exil erscheinen wird, kann sich Strauss FELI X DE MEN DELS SOHN

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den gänzlich apolitischen Tagträumen eines dionysisch-apollinisch bayerischen Musikgenies hingeben, der vom neuen Führer nichts fürchten muss, sondern sich vielmehr in dessen Gunst noch sonnen darf. Grubrich-Simits’ Analyse der Tagtraum­tätigkeit Freuds in seinen Arbeiten über die Moses-Figur veranlasst die Autorin zu der allgemeinen Annahme, bei der Genese von Tagträumen würden sich traumatische Ereignisse wiederholen. So weist sie zum Beispiel nach, wie stark Freud von der frühzeitigen Abwendung seiner Mutter beim Tod des kleinen Bruders Julius geprägt wurde. Immer wenn Freud sich seiner Moses-Thematik zuwandte – für ihn vielleicht die lebensbestimmende Tag­traum-Identifizierung schlechthin –, litt er gerade unter dem Eindruck eines rezenten Traumas. Zuerst war es der Bruch mit seinem Busenfreund Fliess, später dann der Bruch mit C. G. Jung und schließlich, im hohen Alter, die Bedrohung durch die Nazis und der Verlust der Heimat. Folglich fragt sich die Autorin, ob Freuds Theorie des Tagtraums, wie er sie in Der Dichter und das Phantasieren darlegt, nicht ergänzungsbedürftig sei. Wo Freud bloß die unbefriedigten Triebwünsche als Ursachen des Tagtraums gelten lässt, will sie auch die Auswirkungen eines früheren Traumas sehen, die bei aktuellen Anlässen immer wieder einen Anstoß für die Entstehung von Tagträumen bilden. Der anfängliche Verführungs- oder Vergewaltigungsphantasie durch Leukippos erscheint nun in diesem Licht als ein solcher Anlass, nämlich als die Wiederholung eines früheren Traumas. Obwohl Leukippos ein begnadeter Musiker ist, löst seine sinnliche Berührung in der Phantasie eine Art Abscheu in Daphne aus, die uns geradezu widernatürlich erscheinen muss. Ohne die Erklärung, dass sie die Wiederkehr von etwas Verdrängtem erleidet, müsste sie uns geradezu als anormal anmuten. Denn gleich nach dem Vorfall mit Leukippos will sie zu ihrem Vater eilen, den sie sich dann aber idealisiert als Sonnengott herbeisehnt. Erschrocken über den sich anbahnenden Inzest will sie den Gott nun wie einen ebenbürtigen Bruder lieben, als wäre sie in ihr eigenes, gott-männliches Spiegelbild verliebt. Apoll/Peneios, diese gespaltene inzestiöse Vaterfigur, tötet nun in seiner Eifersucht den Nebenbuhler und begeht damit genau jenen Lustmord, den Daphne am liebsten selbst an den zudringlichen Männern vollbringen würde. Sie muss erkennen, dass die unbewältigten Inzestwünsche immer in Mord und tödliche Erstarrung münden. Die antike Sage weiß allerdings auch von anderen Schlussvarianten zu berichten, etwa bei Apollodorus und bei Plutarch. Diesen zufolge ruft die Berg­nymphe Daphne in jenem Augenblick, in dem Apollo sie fängt, die Mutter Erde an, »die sie im letzten Moment nach Kreta hinwegzauberte, wo sie als Pasiphäe bekannt wurde. An ihrer Stelle ließ Mutter Erde einen Lorbeerbaum zurück, aus dessen Blättern Apollon sich zum Troste einen Kranz wand.« (Ranke-Graves, Griechische Mythologie: Quellen und Deutung, 1960). Die entscheidende Leerstelle in der Strauss-Oper – ähnlich wie in den meisten Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern – wird damit sichtbar: die 71

T R IEB ODER T R AUM A?



mangelhafte, gefühlsarme Mutter-Tochter-Beziehung. Singt ihr doch Gaea nach: »Bist du auch fern mir,/Daphne, Tochter:/Einst führen Götter/Dich wieder zurück,/Und wieder zur Erde!« Daphne, die sich anfangs nur mit dem imaginären väterlichen Phallus als Baum identifiziert und sich nur noch die Vereinigung mit eben jenem Vatergott ersehnt, endet aber genau wie Mama es sich gewünscht hat, wenn nicht in der Schwebe, dann als ein ausgewachsener phallischer Sprössling im Schoß von Mutter Erde. Daphnes Ende – wie eine Verkehrung ins Gegenteil und zugleich eine Apotheose ihres Beginns – wird somit zum »reinen« oder gereinigten, ökologischen Märchen. Der Tagtraum ist göttlich und groß, aber der Prozess der Individuation, und somit auch die Entwicklung eines politischen Bezugs zum Zeitgeschehen, werden beide hiermit umgangen, sie finden letztlich nicht statt.

← Meagan Miller als Daphne, 2017

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T R IEB ODER T R AUM A?


Andreas Láng

» DAPHNE « AN DER WIENER STAATSOPER Wie schon viele Jahre zuvor bei der Salome kam – im Gegensatz zu den meisten anderen Strauss-Werken – auch die Daphne erst mit einiger Verzögerung im Haus am Ring zur Aufführung. (In beiden Fällen fand die jeweilige österreichische Erstaufführung übrigens interessanterweise in Graz und nicht in Wien statt.) War es bei der Salome bekanntlich die offizielle Theaterzensur der im Untergang befindlichen Monarchie, die dem Werk den Zugang zur ersten Bühne des Landes vorerst verwehrte, können hinsichtlich der Ursachen für die Verspätung der Wiener Erstaufführung der Daphne nur Mutmaßungen angestellt werden. Der Strauss-Forscher Kenneth Birkin sieht eine mögliche Erklärung in der Dirigentenkonstellation an der Wiener Oper in der unmittelbaren Zeit vor dem »Anschluss«: Vor allem Felix von Weingartner (Direktor des Hauses 1935–1936) und Bruno Walter (de facto künstlerischer Leiter bis 1938) dürften als Antwort auf Strauss’ ehemalige Position als Präsident der Reichsmusikkammer im nationalsozialistischen Deutschland die Linie einer → Ricarda nicht ausgesprochenen Anti-Strauss-Kampagne verfolgt haben und damit KS Merbeth als weitere Strauss-Erstaufführungen am Haus hintangestellt haben. Ob dem Daphne, 2004 A N DR EAS LÁ NG

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wirklich so war, können nur weitere tiefer gehende Forschungen verifizieren oder falsifizieren. Tatsache ist auf jeden Fall, dass die Daphne-Erstaufführung an der Wiener Staatsoper erst knapp zwei Jahre nach der Dresdner Uraufführung, genauer am 24. April 1940 unter Rudolf Moralt (der das Werk schon in Graz erfolgreich aus der Taufe gehoben hatte), zustande kam – und das mit großem Triumph, wie einem Bericht in dem gleichgeschaltenen Neuen Wiener Tagblatt zu entnehmen ist: » ... Die Wiener Erstaufführung des Werkes ... stand auf höchster Stufe, ja, sie reiht sich würdig der besten Strauss-Einstudierungen der Wiener Staatsoper an: dem Rosenkavalier. Rudolf Moralt hat die klanglichen Feinheiten der Partitur, die naturhafte Abgeklärtheit und feinste seelische Regungen und Verwandlungen in einer meisterhaften Klangwelt verbindet, mit wachem Instinkt für ihre modern-empfindsame Transparenz gedeutet ... auf der Bühne dominierte die Schönheit; eine Stimme. Maria Reining sang die Daphne ... die Aufführung wurde mit einer begeisterten Anteilnahme aufgenommen, die den Ruf der Wiener Staatsoper als bedeutende Richard-Strauss-Bühne aufs neue bestätigte.« In den folgenden zwei Jahren stand Daphne immerhin elf Mal auf dem Spielplan – stets unter der Leitung von Moralt, allerdings in wechselnder Sängerbesetzung: So wurde die Titelpartie neben Maria Reining unter anderem auch von einem anderen großen Publikumsliebling verkörpert – von Maria Cebotari, die Partie des Leukippos von Josef Witt und Anton Dermota und die Rolle des Apollo von Karl Friedrich und Alf Rauch. Eine dieser Aufführungen besuchte Richard Strauss auch persönlich, um im Nachhinein ein eher kritisches Urteil über die interpretatorische Qualität des Gebotenen abzugeben. In einem Brief an Clemens Krauss schrieb er etwa: »An dieser Aufführung fiel mir ganz besonders an unseren Sängern auf, dass, ... wo sie Kantilenen zu singen glauben, der Vortrag selbst – ohne jede Akzentuierung – ein verständnisloses Absingen von Noten ist und selten der richtige Ausdruck des Stärkegrades der Singstimme gegenüber der führenden melodischen Stimme gefunden wird.« Ab 1943 stand dann auch in Wien der Daphne-Uraufführungsdirigent und Widmungsträger der Partitur am Pult – Karl Böhm. In diesen sieben letzten Aufführungen während des Zweiten Weltkrieges gab es auch weiterhin eine gewisse Fluktuation der Besetzungen (unter anderem Reining und Cebotari als Daphne, Dermota als Leukippos, Friedrich, Torsten Ralf und Horst Taubmann als Apollo). In den ersten Nachkriegsjahrzehnten folgten immer wieder kleinere Staatsopern-Aufführungsserien, zunächst – vor der Wiedereröffnung des zerstörten Hauses am Ring – im Ausweichquartier Theater an der Wien, dann fünf Mal im Jahr 1965 und schließlich noch weitere vier Mal im Jahr 1972. Eine dauerhafte Verankerung im Spielplan des Hauses gelang vorerst also offenbar nicht, auch wenn zumindest die musikalische Qualität und jene der Interpretation stets auf große Zustimmung stieß. Stellvertretend für viele positive ReA N DR EAS LÁ NG

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zensionen sei an dieser Stelle ausschnittsweise Franz Endlers Presse-Kritik der Premiere am 17. April 1965 wiedergegeben: »Als einziges Wiener Kulturinstitut wartete die Wiener Staatsoper am Ostersamstag mit einer Art von Premiere auf ... Karl Böhm ... schenkt nur noch einen Bruchteil seiner Zeit der Staatsoper. Wenn er jedoch anwesend ist, kommen die Liebhaber präzisest vorbereiteten Orchesterklangs und sorgfältigst einstudierter Ensembleleistungen auf ihre Kosten ... So also auch bei der Daphne diesmal ... Die szenische Realisation in der Staatsoper ist pompös und hektisch zugleich. Rudolf Heinrichs Dekors sind spürbar dem eisernen Vorhang des Hauses nachempfunden – der stete Lichtwechsel jedoch, der in dieser unnatürlichen Landschaft Leben schaffen soll, macht nervös ... Rudolf Hartmanns Inszenierung ... sorgt für edle Statik in der Exposition und erlaubt den Sängern später, nach eigener Persönlichkeit zu leiden und zu kämpfen. Hilde Güden also wirkt anfangs blass, wird jedoch zur faszinierenden Frauenfigur, wenn Apollo sie einmal umfangen hat ... James King und Fritz Wunderlich sind Apollo und Leukippos ... King, ein nun auch spielerisch locker gewordener und Wunderlich, ein intelligenter Sänger – also ein Ereignis ... Unnötig zu bemerken, dass die Philharmoniker unter Böhm alle Register ihrer Nuancierungskunst zeigen und das delikate Bild der Partitur in Glitzer und Glanz nachzeichnen.« Eine Änderung bezüglich der Aufführungsdichte brachte in Wien schließlich die Daphne-Neuproduktion aus 2004, die zu einem unbestreitbaren Erfolg auf allen Linien wurde – diesmal auch auf szenischem Gebiet. Die ästhetische und stimmige Inszenierung stammte von Nicolas Joel und dem ehemaligen Ponnelle-Mitarbeiter Pet Halmen. Mit viel Liebe hatten die beiden die der griechischen Mythologie entlehnte Handlung in das Ambiente der Münchner Fin-de-siècle-Villa Franz von Stucks eingewoben. In diesem Rahmen der imitierten Antike lässt sich nicht nur das Schicksal der schönen und einsamen Daphne erzählen, die ihre Erfüllung in der Einswerdung mit der Natur erfährt, sondern, quasi auf einer Metaebene, die alte Frage nach dem Primat des Apollinischen vor dem Dionysischen in der Kunst überprüfen. Dass die Geschichte zusätzlich als eine Art Tagtraum einer begehrenden jungen Frau gedeutet wird, deren Sinnlichkeit in der Realität keine Stillung findet, macht das Changierend-­Irrisierende der Strauss’schen Klangsprache auch optisch erfahrbar. Die Sänger, allen voran Ricarda Merbeth (Daphne), Michael Schade (Leukippos), Johan Botha (Apollo) und Dirigent Semyon Bychkov sorgten dafür, dass die Produktion zu einem musikalischen Höhepunkt wurde, der weit über die Grenzen hinausstrahlte: »Sternstunde nach 32 Jahren« titelte etwa der Kurier, von einem »triumphalen Premierenerfolg« sprach der Standard, von Jubel und Ovationen« die Kronenzeitung, »Sängerfest« hieß es in der APA, »Wiens Opernfreunde jubeln« in der Presse und die FAZ fasste den Erfolg wie folgt zusammen: »Die Aufführung gewinnt eine große Intensität auch dadurch, dass die musikalische Interpretation sich nahtlos mit der szenischen Darstellung verbindet.« 77

»DA PHN E« A N DER W IEN ER STA ATSOPER


Mit der Wiederaufnahme am 10. Dezember 2011 kehrte die Produktion nach vier Jahren Pause zurück in den Spielplan des Hauses. Für die erste Aufführungsserie wurde eine ganze Reihe an Rollendebüts aufgeboten. So etwa die in New York ausgebildete Sopranistin Meagan Miller, die sich in der Titelpartie dem Publikum der Wiener Staatsoper vorstellte. Oder Georg Zeppenfeld, der hier erstmals den Vater und personifizierten Flussgott Peneios gab. Dessen Bühnengattin, die Erdgöttin Gaea, sang Elisabeth Kulman, die damit nach der erfolgreichen Herodias ihre zweite große Strauss-Partie an der Staatsoper verkörperte. Und auch Simone Young, die hier zahlreiche Vorstellungen musikalisch betreut hatte, nahm sich erstmals im Haus am Ring dieses Werkes an. Lediglich in beiden männlichen Hauptrollen gab es ein Wiedersehen bzw. Wiederhören: Mit KS Johan Botha in der mörderisch schweren Partie des Apollo und KS Michael Schade in der nicht weniger schweren Rolle des Leukippos standen dieselben Tenöre auf der Bühne, wie schon bei der umjubelten Premiere sieben Jahre zuvor. In der Wiederaufnahme am 12. September 2023 sangen unter der Leitung von Sebastian Weigle Hanna-Elisabeth Müller (Daphne), David Butt Philip (Apollo), Daniel Jenz (Leukippos), Günther Groissböck (Peneios) und Noa Beinart (Gaea).

→ KS Michael Schade als Leukippos, KS Ricarda Merbeth als Daphne, 2004

»DA PHN E« A N DER W IEN ER STA ATSOPER

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Richard Strauss / Joseph Gregor

GIB MIR SIE WIEDER, DIE ICH GELIEBT UND TIEF BELEIDIGT, DIE SCHULDLOSE DAPHNE! DOCH NICHT ALS MENSCH MEHR, WIE ICH SIE SUCHTE IN MEINER VERBLENDUNG! ERFÜLL’ IHREN TRAUM, ERFÜLL’ IHRE LIEBE! UNVERWELKLICH, EWIG GRÜNEND LASS SIE AUFBLÜH’N IM KREIS IHRER FREUNDE, DER BLÜTENBÄUME, ZU UNSERN HÖH’N! Apollo


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UNSERE ENERGIE FÜR DAS, WAS UNS BEWEGT. Das erste Haus am Ring zählt seit jeher zu den bedeutendsten Opernhäusern der Welt. Als österreichisches und international tätiges Unternehmen sind wir stolz, Generalsponsorin der Wiener Staatsoper zu sein. Alle Sponsoringprojekte finden Sie auf: omv.com/sponsoring


Impressum Richard Strauss DAPHNE Spielzeit 2023/24 Wiederaufnahme am 12. September 2023 (Premiere der Produktion: 13. Juni 2004) HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Musikdirektor: Philippe Jordan Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Redaktion: Sergio Morabito, Andreas Láng, Oliver Láng, basierend auf dem Premieren-Programmheft 2004 Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Robert Kainzmayer Bildkonzept Cover: Martin Conrads, Berlin Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau TEXTNACHWEISE Sämtliche Beträge bis auf Über dieses Programmbuch entstammen dem Premierenprogrammheft 2004 bzw. dem Wiederaufnahmeprogrammheft 2011. Alle Texte, bis auf jene von Richard Strauss und Joseph Gregor, waren Originalbeiträge für die genannten Programmhefte. BILDNACHWEISE Coverbild: © Brooke DiDonato: Predicament I (2018) Seite 2, 3, 8, 9, 64, 67, 72: Michael Pöhn / Wiener Staatsoper GmbH Seite 18, 39, 53, 75, 79: Axel Zeininger / Wiener Staatsoper GmbH Seite 47: Staatliche Kunstsammlung Dresden Seite 23: Kunsthistorisches Museum Wien Lektorat: Martina Paul Nachdruck nur mit Genehmigung der Wiener Staatsoper GmbH / Dramaturgie Kürzungen werden nicht gekennzeichnet. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


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