goldberg variationen
inhalt
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Über die heutige Vorstellung
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About today’s performance
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Tabula Rasa
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Schonungslose Schönheit Nastasja Fischer
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Why I choreograph Ohad Naharin
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Vom Nullpunkt Anne do Paço
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Szenenfotos
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Goldberg-Variationen
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Panorama des Lebens Anne do Paço
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Bach für den Tanz William Youn
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Über Tanz Heinz Spoerli
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»Zur Gemüths-Ergetzung« Sebastian Kiefer
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Satzfolge der Goldberg-Variationen
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Szenenfotos
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Ensemble & Biographien
T. S. ELIOTT
We shall not cease from exploration And the end of all our exploring Will be to arrive where we started And know the place for the first time. Wir lassen niemals vom Entdecken Und am Ende allen Entdeckens Langen wir, wo wir losliefen, an Und kennen den Ort zum ersten Mal.
Das Wiener Staatsballett ist Teil der Wiener Staatsoper und der Volksoper Wien.
goldberg variationen
Tabula Rasa Ohad Naharin Goldberg-Variationen Heinz Spoerli Premiere 27. April 2023 Wiener Staatsoper
über die heutige vorstellung
Schlicht Clavier-Übung betitelte Johann Sebastian Bach seine Goldberg-Variationen, »bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraenderungen [...]. Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung« – und komponierte ein Wunderwerk aus 30 Variationen, Kanons, einer Ouvertüre, einem Quodlibet sowie einer das Ganze rahmenden Aria und mehr: eine Art instrumentales »Welttheater«, heiter und tiefsinnig, tänzerisch und kantabel, versonnen und spielerisch. 1993 nahm der Schweizer Choreograph Heinz Spoerli die Herausforderung an, diesem Opus Summum der Klavierliteratur mit dem Tanz zu begegnen und eines seiner Signatur-Werke zu schaffen. Bachs Komposition bietet Spoerli den idealen Raum zur Entfaltung seiner »weiterentwickelten Neoklassik«: eine virtuose, von feiner Subtilität und Klarheit geprägte Tanzsprache, die nicht den Weg ins Abstrakte sucht, sondern auch ohne konkrete Geschichte etwas zu erzählen vermag. Entstanden ist ein aus dem Musizieren mit dem Körper sich aufbauendes Tanzdrama über den Menschen, seine Freuden und Ängste, Einsamkeiten und Lüste, Bindungen und Brüche, die Jugend und das Alter – ein 80-minütiges Panorama des Lebens. In der Neueinstudierung des Wiener Staatsballetts stehen Heinz Spoerlis GoldbergVariationen neben einer weiteren Erstaufführung in der Wiener Staatsoper: Ohad Naharins Tabula Rasa zur gleichnamigen Komposition von Arvo Pärt. Naharins Stücke sind Liebeserklärungen an den Körper in Bewegung voller Freiheit, Kraft, Erotik und Wildheit, aber auch Reinheit, Zartheit und Verletzlichkeit. Der Begriff »Tabula rasa« beschreibt einer antiken philosophischen Vorstellung folgend den Menschen als ein zunächst »unbeschriebenes Blatt«. Auf einem solchen zeichnet Naharin seine Erforschungen von Ich und Körper als berührende kinetisch-meditative Erfahrungen.
ÜBER DIE HEUTIGE VORSTELLUNG
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about today’s performance
Johann Sebastian Bach gave his Goldberg-Variationen the simple title Piano exercise, »consisting of an aria with various variations [...]. For connoisseurs for the refreshment of their spirits« – and composed a marvel of 30 variations, canons, an overture, a quodlibet as well as an aria framing the whole and more: a kind of instrumental »Welttheater«, cheerful and profound, dance-like and cantabile, pensive and playful. In 1993, Swiss choreographer Heinz Spoerli took up the challenge of meeting this Opus summum for the piano with dance and creating one of his major works. Bach’s composition offers Spoerli the ideal scope to develop his »extended neoclassicism«: a virtuosic language of dance characterised by subtlety and clarity which did not feel the need to pursue abstraction but was also capable of telling things without an explicit narrative. Goldberg-Variationen is a dance drama built out of music-making with the body about human beings, their joys and fears, loneliness and desires, allegiances and quarrels, youth and age – an 80-minute panorama of life. In the Vienna State Ballet’s production, Heinz Spoerli’s Goldberg-Variationen stand alongside another first performance at the Vienna State Opera: Tabula Rasa by Ohad Naharin to the eponymous piece by the composer Arvo Pärt. Naharin’s works are declarations of love to the body in movement full of freedom, strength, eroticism and wildness, but also of purity, tenderness and vulnerability. The term »tabula rasa« comes from an ancient philosophical idea and describes human beings as a »blank page«. Ohad Naharin takes one of these and writes on it his explorations of the self and the body in the form of touching, kinetic-meditative experiences.
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ABOUT TODAY’S PERFORMANCE
Goldberg-Variationen Arne Vandervelde, Davide Dato, Giorgio Fourés, Ensemble
tabula rasa Musik Tabula rasa. Doppelkonzert für zwei Violinen, Streichorchester & präpariertes Klavier von Arvo Pärt Choreographie, Bühne & Licht Ohad Naharin Musikalische Leitung Gerrit Prießnitz Kostüme Eri Nakamura Einstudierung Matan David Violinen Volkhard Steude & Raimund Lissy Klavier Asmir Jakupovic
URAUFFÜHRUNG 6. FEBRUAR 1986 PITTSBURGH BALLET THEATRE
OHAD NAHARIN
»Wir schalten die Lautstärke des Zuhörens auf unseren Körper ein, wir schätzen kleine Gesten, wir messen und spielen mit der Beschaffenheit unseres Fleisches und unserer Haut, wir können albern sein, wir können über uns selbst lachen. Wir verbinden uns mit dem Gefühl von ›viel Zeit‹, besonders wenn wir uns schnell bewegen. Wir lernen, unseren Schweiß zu lieben, wir entdecken unsere Leidenschaft für Bewegung und verbinden sie mit Anstrengung; wir entdecken sowohl das Tier, das wir sind, als auch die Kraft unserer Fantasie. Wir sind ›Kraftsportler*innen mit weichem Rückgrat‹.«
Ohad Naharin
schonungslose schönheit
NASTASJA FISCHER
Aus dem Ballettstudio erklingen ungewohnte Töne – statt Klaviermusik hört man in den Gängen Beats, Sounds und bekannte Melodien aus Popsongs. In dem Saal, aus dem diese Musik ertönt, findet eine Gaga-Class statt, um die Tänzer*innen des Wiener Staatsballetts auf die Proben von Tabula Rasa vorzubereiten. Die Tür ist fest verschlossen, zuschauen darf man bei diesem Training nicht, mitmachen oder draußen bleiben lautet die Devise. Die Spiegel, ein üblicherweise wichtiges Werkzeug im Ballett-Alltag, werden im Training sowie in den Proben mit Vorhängen verdeckt. Die Arbeit an einem Werk von Ohad Naharin hat ihre eigenen Gesetze. Der israelische Choreograph, einer der wichtigsten und innovativsten Tanzkünstler unserer Zeit, liebt die Freiheit in der Bewegung, ihre Explosivität, ihre Sinnlichkeit, ist dabei genauso unbestechlich wie leidenschaftlich. Die zunächst »streng« scheinenden Regeln schützen nicht nur Naharins Arbeit, sondern sind vielmehr Hilfsmittel, um mit den Tänzer*innen auf den Grund dessen zu gelangen, was den Choreographen interessiert und inspiriert: die Erforschung von Bewegung und die Suche nach wahrhaftem körperlichen Ausdruck. Diese künstlerisch-physische Recherche Naharins erstreckt sich mittlerweile über Jahrzehnte. Nach seinem Pflicht-Militärdienst in der israelischen Armee, wo er bereits in einer Art Unterhaltungsregiment agierte und eigens kreierte Tänze aufführte, begann er erst mit 22 Jahren im Jahr 1974 seine Tanzausbildung in der Schule der 1964 von der Mäzenin Batsheva de Rothschild gegründeten und von Martha Graham künstlerisch
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intensiv geprägten Batsheva Dance Company in Tel Aviv. Ein Aufenthalt in New York an der Juilliard School, Engagements bei Martha Graham und Maurice Béjart schlossen sich an. 1979 entstand die erste choreographische Arbeit für das Kazuko Hirabayshi Studio, weitere Kreationen in New York, in anderen Städten, für verschiedene Ensembles und die Batsheva Dance Company folgten. Bereits in diesen ersten Jahren schrieb der Kritiker Giora Manor begeistert über Naharin, für sein 1984 mit der Batsheva Dance Company aufgeführtes Werk Interim attestierte er ihm, ein Stück choreographiert zu haben, »in dem schier die ganze jüdische Geschichte über die Bühne tanzte«. 1990 wurde Naharin schließlich zum Direktor von Israels führender Tanzcompagnie Batsheva ernannt, die er bis 2018 leitete und der er bis heute als Hauschoreograph verbunden ist. Naharins visionäre und willensstarke Direktion hatte nicht nur für die Entwicklung des Ensembles, sondern auch für die internationale Sichtbarkeit des zeitgenössischen Tanzes in Israel eine enorme Bedeutung.
»Mit Gaga lernen wir, alte Ideen für neue und bessere aufzugeben.« OHAD NAHARIN
Mit dem Namen Naharin ist eine mutige choreographische Sprache, die sich in seinem umfangreichen Œuvre zeigt, verbunden. Radikal und martialisch-animalisch, aber auch sanft und fragil gestaltet sich die Tanzästhetik des Israeli – sie eint Schrecken und Schönheit, Lachen und Weinen auf schonungslose, unverwechselbare Art und Weise, pulsiert im Kollektiv, zeigt die Kraft und den Kampf des Individuums. Naharins Choreographien und seine Erwartungen an die Tänzer*innen sind dabei gleichermaßen kompromisslos. An die eigenen Grenzen gehen, Traditionen durchbrechen, den Körper ins Extreme treiben – die Tänzer*innen müssen nicht nur Leidenschaft und Lust an Bewegung empfinden, sondern sich ebenso mental wie physisch überwinden, die eigene Angst vor Unbekanntem und körperliche Müdigkeit zu akzeptieren und darüber hinauswachsen, um weiterzukommen, um jenen wahrhaften Moment in sich zu finden und offenzulegen, nach welchem Naharin sucht. Um seine Tänzer*innen dahinzubringen, sich ihm und seinen choreographischen Visionen vollends zu öffnen, die Kontrolle abzugeben, zu verlieren, ist die von ihm entwickelte Bewegungssprache Gaga ein entscheidendes Mittel. Über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten arbeitet Naharin nun bereits an dieser. Aufgrund einer schweren Rückenverletzung hat der Choreograph 1990 nach neuen Möglichkeiten gesucht, sich zu bewegen und besser mit seinen Tänzer*innen kommunizieren zu können. Heute ist Gaga in der allgemeinen und professionellen Auseinandersetzung mit Körper, Bewegung und Trainingsmethoden nicht mehr wegzudenken: »Die Sprache von Gaga entstand aus dem Glauben an die heilende, dynamische und sich ständig verändernde Kraft der Bewegung«, schreibt Naharin. Im Gaga-Training geht es um die Aktivierung des eigenen Körpers, bei welcher nicht nur Vergnügen und Freude an der Bewegung, sondern auch die spürbare Anstrengung ein entscheidendes Element 11
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ist, um den Körper zu beleben und zu stärken. Das visuelle und individuelle Fühlen der Anstrengung ist ein treibender Wirkstoff auch in Naharins kreativ-schöpferischer Arbeit: »Ich bin nicht an Technik interessiert und ich möchte nicht, dass die Tänzer*innen etwas aufgrund von Technik empfinden. Ich verlange von ihnen, dass sie die Anstrengung, die meiner Meinung nach eine der schönsten Dinge ist, nicht verbergen. […] Wer die Anstrengung verbirgt, tanzt nicht gut«, erläutert der Choreograph und verweist einmal mehr auf den Wunsch nach Offenheit und Aufrichtigkeit im Tänzer*innenkörper, die zum Ausdruck von physischer Leidenschaft und ungezähmter Kraft werden. »Connect to sensations« (»Verbinde dich mit deinen Empfindungen«) – ist eine elementare Anweisung einer Gaga-Class, die den Teilnehmenden ermöglichen soll, sich mit ihren Empfindungen, Emotionen und Bewegungen im Raum und im Leben zu koppeln, um ein Gefühl des Glücks wie auch der Belebung zu evozieren, welches dabei hilft, körperliche und mentale Herausforderungen zu überwinden. Die Arbeit an diversen körperlichen Empfindungen ist im Gaga-Training durchdrungen mit der Stimulation der eigenen Imagination durch die Vorgabe von Bildern und Assoziationen. Naharin fasst zusammen: »Es ist eine Methode, den einzelnen Tänzer mit der Bewegung in Verbindung zu bringen, indem er, ohne Spiegel, allein auf seinen Körper hört. Gaga ist eine Art Wahrnehmungsschule der Sinne. Die Tänzer*innen verknüpfen ihre technischen Fertigkeiten mit ihrer Vorstellungskraft und ihrer Leidenschaft für die Bewegung. In der Praxis geht es um Ausdauer, Kraft, Bewegungsökonomie, Feinheit und Explosivkraft. Vor allem geht es darum, den Schlüssel zu den eigenen, im Inneren verborgenen Schätzen zu finden.« Ob mit Amateur*innen oder professionell ausgebildeten Tänzer*innen, die GagaClass ist stets eine gemeinschaftliche Erfahrung, in der man auch aus bzw. mit der Gruppe Kraft schöpft. Begründend mit seinem Aufwachsen im Kibbutz Mizra schreibt Naharin dem Community-Gedanken und dem freudigen Empfinden der eigenen Körperlichkeit als geteilte Erfahrung eine immense Wichtigkeit zu: Das gegenseitige Unterstützen, der Austausch körperlichen Wissens und die Fähigkeit zuzuhören stehen dabei im Vordergrund. Der einzigartige Zugang zur Bewegung durch das Gaga-Training ermöglicht den Tänzer*innen auch eine andere Auseinandersetzung mit der choreographischen Sprache. Ein intensives Nach- bzw. Neudenken und Fühlen von Form und Struktur ist dabei ausschlaggebend und wird in Naharins Werken mit ebenjener brisanten Kraft des Körpers, die im Loslassen und Sich-Hingeben, Sich-Hineinwerfen entsteht, verbunden. Hochaufgeladene, energetisch-attackierende Momente sind in Naharins Choreographien genauso zu finden wie kleine, fast lautlose Gesten, und das zu einem vielfältigen musikalischen Soundtrack, den Naharin oftmals unter dem Pseudonym Maxim Waratt wie in Sadeh 21 auch selbst mixt. Eva-Elisabeth Fischer beschreibt seine Arbeiten entsprechend als »atmosphärisch ungemein dichte Gebilde, die sich völlig frei von jedweder Tanz-Ideologie und -Mode in starken Bildern entfalten.« Im 2009 uraufgeführten Hora erzählt Naharin so zu Kompositionen von Isao Tomita, der Klassiker mit Synthesizern neu interpretiert, vom Raum zwischen Fremdem und Vertrautem. In einer grün gestalteten Bühne – unabhängig von Zeit und Raum – unternehmen die Tänzer*innen den Versuch, eine neue Sprache, neue Bewegungscodes, die auch auf vertraute Körperzitate zurück-
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greifen, zu formulieren. Das laute, kraftvolle Echad mi yodea, welches ursprünglich Teil der 1990 entstandenen Choreographie Kyr war, zum gleichnamigen, am Pessach-Fest gesungenen Frage- und Antwort-Gesang, ist eine Signaturarbeit Naharins, bis heute präsent und weltweit mit verschiedenen Compagnien einstudiert, die in Bildern und Bewegungen die Erfahrungen jüdischer Vergangenheit und Gegenwart verschlüsselt, wilde Wut, aber auch die Kraft der Gemeinschaft thematisiert. Naharin’s Virus aus dem Jahr 2001 nach Peter Handkes Publikumsbeschimpfung wiederum ist ein abstraktes, explosionsgeladenes Werk, in welchem Gruppendrill und Hektik zu mildem Einklang und tänzerischer Utopie geraten – ein ästhetisch-virtuoses Manifest zu klassischer, arabischer und Techno-Musik, das auch an die politische Situation Israels und Palästinas erinnert, wenn die Tänzer*innen z.B. Schriftfragmente wie Arabic is legitimate auf Tafeln hinterlassen. Statements zu Politik und Ideologie sind für Naharin allerdings nur »Nebenprodukte« seiner künstlerischen Arbeit, konkrete Verweise auf jene verneint er. Vielmehr scheint die stets sinnliche und ungeschliffene, von der Kontrolle befreite Körperlichkeit der Tänzer*innen erste Inspiration für den Choreographen zu sein. Auch wenn die Körper und seine Kreationen Geschichten auf der Bühne erzählen können, ihnen Geschichten eingeschrieben sind, entfacht Naharin nur minimale Hinweise auf eine mögliche, zugrunde liegende Bedeutung dieser und keine konkreten Inhalte. Das Publikum soll in Naharins Werken stets eigene Interpretationen entdecken und nicht vorab durch Informationen zum Stück und zur Choreographie gedanklich geprägt werden.
»Die Entdeckung hat mit dem Tanz zu tun, nicht mit der Choreographie.« OHAD NAHARIN
Wenn man die Gaga-Bewegungssprache als Erforschung von Körper und Ich versteht, so ist Naharins Tabula Rasa ein Paradewerk, obwohl die Choreographie bereits 1986 – also vor der Entwicklung von Gaga – im Auftrag von Patricia Wilde für das Pittsburgh Ballet entstanden ist. Doch wie hat sie sich mit den Erfahrungen und Möglichkeiten der Gaga-Bewegungssprache verändert, weiterentwickelt? »Mit der stetigen Entwicklung von Gaga können wir den Bewegungen in Naharins älteren Arbeiten eine moderne Interpretation geben. Anstatt nur über die Form einer Bewegung nachzudenken, hat sich mit Gaga das Denken über das Empfinden einer Form, über die Dehnung, über Off-Balance weiterentwickelt und sensibilisiert. Die Bewegungsabläufe innerhalb der Choreographie von Tabula Rasa haben sich kaum geändert, aber der Zugang zu ihnen ist ein anderer«, erläutert Matan David, der das Werk mit den Tänzer*innen des Wiener Staatsballetts einstudiert. Für die Kreation hat Naharin in Arvo Pärts gleichnamiger Komposition eine kongeniale Partnerin gefunden: »Ich hörte, dass Arvo Pärt gerade eine neue Aufnahme mit dem Titel Tabula Rasa auf Vinyl herausgebracht hat, und ich ging in einen Plattenladen und kaufte das Vinyl. Es ist eines der erstaunlichsten Musikstücke, die ich kenne.« Die ruhige 13
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Dramatik, die Pärts Musik ausstrahlt, die Arbeit mit der Technik des Kanons, die unterschiedlichen rhythmischen Tempi, die auch die Zeit bzw. das Gefühl von Zeit intensiver erfahren lassen, bilden den Herzschlag für die Tänzer*innen – einen Herzschlag voller Vibration, voller Emotion und doch so minimalistisch und pur. Tabula Rasa ist ein leises, klein besetztes Werk, das mithilfe von Naharins reduktionistischer choreographischer Sprache zur meditativen Erfahrung für die Tänzer*innen wird. Wenn die Ausführung eines Pliés im Dehnen und Aushalten von Zeit geschieht oder sich die Tänzer*innen stetig in einer Linie durch den Bühnenraum bewegen, wird aber auch für die Zuschauer*innen das visuelle Erleben der Choreographie zu einer eindringlichen, kontemplativen Seherfahrung. Tabula Rasa ist im Äußeren ein mit Kanons, größeren Gruppenarrangements, aber auch mit Soli, Duetten und Trios strukturiertes, auf die Musik reagierendes Werk, das physisch höchst anspruchsvoll zwischen kraftvollen Sprüngen, schonungslosem Sich-auf-den-Boden-Werfen und innig-intimen Momenten zwischen den Tänzer*innen changiert. Im inneren Kern ist es aber genau jene sinnlichkörperliche Erfahrung, mal ganz individuell, mal als plurales Moment einer Gruppe, die Naharin fordert und erforscht. Als Tänzer*in »Tabula rasa« zu machen und an den Anfang zurückzugehen, auch dafür stehen Gaga und Naharin.
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JOHN LOCKE
»Nehmen wir also an, der Geist sei ein unbeschriebenes Blatt, ohne alle Schriftzeichen, frei von allen Ideen; wie werden ihm diese dann zugeführt? Wie gelangt er zu dem gewaltigen Vorrat, womit ihn die geschäftige, schrankenlose Phantasie des Menschen in nahezu unendlicher Mannigfaltigkeit beschrieben hat? Woher hat er all das Material für seine Vernunft und seine Erkenntnis? Ich antworte darauf mit einem einzigen Worte: aus der Erfahrung.«
Helen Clare Kinney
Alexandra Inculet, Jackson Carroll, Lourenço Ferreira
Jackson Carroll
Duccio Tarriello
why I ...
OHAD NAHARIN
Manchmal habe ich das Gefühl, dass mein Gehirn in Flammen steht, und die einzige Möglichkeit, das Feuer zu löschen, ist, von Choreographie zu träumen. Durch das Choreographieren komme ich an Orte, an denen ich noch nie war und von denen ich mir oft nicht einmal vorstellen konnte, dass es sie gibt. So wie sich die Menschen vor ein paar Jahrhunderten gefühlt haben mögen, als sie zu reisen begannen, ohne zu wissen, wohin es sie verschlagen würde. Die Liebe zur Bewegung war schon immer der Grund, warum ich tanze; zum Teil ist sie auch der Grund, warum ich choreographiere. Ich habe gelernt, dass es viel sinnvoller ist, auf den Körper zu hören, als ihm zu sagen, was er tun soll. Tanzen gibt uns ein großes Gefühl von Klarheit, Explosivität und Zartheit und erlaubt uns, weit über unsere gewohnten Grenzen hinauszugehen. All diese Dinge sind notwendige Zutaten, um einen guten Prozess im und außerhalb des Studios voranzutreiben. Choreographieren ermöglicht das Vergnügen, mit Tänzer*innen zu arbeiten: den Austausch, das Lehren, das Lernen, die Erkenntnis, dass ich mich nicht in meine Arbeit verlieben kann und sollte und dennoch von der Interpretation der Tänzer*innen begeistert und zu Tränen gerührt sein kann. Choreographieren bedeutet, das Privileg zu haben, sich klar und deutlich ausdrücken zu können, ohne sich erklären zu müssen. Ich liebe die Zeit, die ich in die Erarbeitung des Soundtracks für ein Stück investiere. Obwohl der Tanz nicht von der Musik abhängt, ermöglicht die Zeit, die man für die Erstellung dieser aufwendet, stundenlange »Meditationen«, in denen man von Ideen heimgesucht wird, ohne dass man sie erzwingen muss, während man das Verhältnis von Sehen und Hören erforscht. Ich liebe das hohe Maß an Intimität, das ich in einem Prozess mit den Menschen, mit denen ich arbeite, erreichen kann – es ist intensiver als in den meisten Beziehungen, die ich jemals außerhalb des Studios haben werde.
WHY I CHOREOGRAPH
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Ich mag das Nebenprodukt choreographischer Arbeit, das sich gegen konventionelle und konservative Politik und Theorien richtet, welche neue Lösungen und freies Denken blockieren. Ich liebe es, zu choreographieren, weil ich dabei meine Fähigkeiten, meine Leidenschaft und meine Fantasie in einen Topf werfen kann, und ich fühle mich dabei auch sexy. Während des Choreographierens schlafe ich besser. Ich liebe es, die verschiedenen Spielplätze für jeden Prozess mit ihren eigenen Codes und Regeln zu entdecken; dann liebe ich es, den Tänzer*innen die Codes und Regeln dieses neuen Spielplatzes beizubringen. Und noch mehr liebe ich es, wenn sie mir kurz darauf zeigen können, wie man ihn wirklich bespielt. Ich mag die Zeit der technischen Einrichtung, die Tage vor der Premiere, diesen letzten bedeutungsvollen Akt, das Werk auf die Bühne zu bringen, das großartige Gefühl, wenn ich die richtige Spannung zwischen allen Elementen in jedem Moment des Werks finde, und auch die Leichtigkeit, mit der ich beim erneuten Betrachten der Arbeit am nächsten Tag oft froh zugeben kann, dass ich falsch lag. Mir gefällt, wie sich der Prozess des Choreographierens noch lange nach der Premiere fortsetzt, wie der »Akt des physischen Verschwindens« einer Aufführung (nicht unbedingt aus unserem Gedächtnis) es ermöglicht, dass sie beim nächsten Mal anders erscheint.
... choreograph 21
WHY I CHOREOGRAPH
vom nullpunkt ANNE DO PAÇO
Fast alle Werke, die wir heute mit dem Namen Arvo Pärts verbinden, entstanden erst nach dem 40. Lebensjahr des 1935 im estnischen Paide geborenen Komponisten. Ausgebildet am Konservatorium Tallinn bei Heino Eller war Pärt von 1958 bis 1967 zunächst als Tonmeister beim estnischen Rundfunk tätig und stellte erste eigene Kompositionen vor, die nicht nur Einflüsse durch die Dodekaphonie und serielle Kompositionsweise zeigen, sondern auch avantgardistische Experimente waren bis hin zum fluxusartigen Happening. Seit seinem Bekenntnis zum Christentum mit dem Collagewerk Credo aus dem Jahr 1968 – im sowjetisch besetzten Estland ein offener Angriff auf das kommunistische Regime – machte er sich immer wieder zur Zielscheibe scharfer Kritik durch die Behörden und wurde mit Reise- und Aufführungsverboten bestraft. Nachdem er auf einer Tagung des estnischen Komponistenverbandes mit einer Langhaarperücke wie ein »heiliger Narr« verkleidet die offizielle Politik öffentlich angeprangert hatte, verließ Pärt 1980 seine Heimat. Über Israel kam er zunächst in Wien unter, wo sein Komponistenfreund Alfred Schnittke ihn unterstützte und Alfred Schlee ihn ohne Zögern in das Verlagsprogramm der Universal Edition aufnahm. Ein DAAD-Stipendium bewog ihn, sich 1982 schließlich in West-Berlin niederzulassen, wo er bis heute lebt. Doch nicht nur die politische Situation in seiner Heimat, sondern auch zentrale kompositorische Fragen hatten Pärt in den späten 1960er Jahren an Grenzen geführt, die ihn schließlich zu einem radikalen Bruch zwangen. Die Arbeit an Werken wie Collage zu B-A-C-H, Pro et Contra und vor allem dem Credo, in welchem er seriell-aleatorische Techniken und das C-Dur-Präludium aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier durch Collage eng und somit ad absurdum führte, hatte ihn in eine Sackgasse
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und zu der Erkenntnis gebracht, dass seine kreative Eigenleistung nahezu unbedeutend geworden war. Pärt zog sich aufs Land zurück und verstummte für mehrere Jahre, um schließlich aus dem Schweigen, Sich-Besinnen und einer intensiven Auseinandersetzung mit der Musik des Mittelalters und der frühen Renaissance – dem Gregorianischen Choral, der Schule von Notre Dame und der klassischen Vokalpolyphonie – neue Energien zu gewinnen. »Als ich zum ersten Mal Gregorianischen Gesang hörte«, berichtete er, »war das für mich wie ein Blitz auf dem nachtblauen Himmel. Man könnte fast sagen, dass alles, was ich seither komponiere, ein Widerschein jener blitzähnlichen Erkenntnis ist, dass nämlich die Wahrheit in ihrem Innersten von außergewöhnlicher Einfachheit ist.« Mit einem kleinen Klavierstück – Für Alina –, mit dem er 1976 in die Öffentlichkeit zurückkehrte, hatte Pärt zu sich selbst gefunden. Musik, in der er mit all seinen früheren Wurzeln brach, Musik, jenseits aller ästhetischen Grabenkämpfe der Avantgarde, wie aus der Zeit gefallen, Urbild, Archetypus und doch verblüffend neu und einzigartig: eine »Flucht in die freiwillige Armut«, bei der Pärt das »ganze moderne Arsenal« zurückließ und sich nur mit dem Nötigsten beschäftigte aus der Erkenntnis heraus, »dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Diesen Ton, die Stille oder das Schweigen« fand er beruhigend: »Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonqualität.«
»Wenn ich vom Schweigen spreche, dann meine ich jenes ›Nichts‹, aus dem Gott die Welt erschuf.« ARVO PÄRT ÜBER TABULA RASA
Die Frau des Komponisten, Nora Pärt, prägte – angeregt durch die an die Resonanz von Glocken erinnernde Klangwirkung der Dreiklangstöne – für diese Art des Komponierens den Stilbegriff »Tintinnabuli« (nach dem lateinischen »tintinnabulum« = Glöckchen). Den Kern dieses Stils, der – wenn auch in einer flexibleren und freieren Behandlung – bis heute für Pärts Schaffen verbindlich ist, bildet eine Kombination aus melodisch freien Stimmen, die alle Stufen der diatonischen Skala verwenden können, mit »Tintinnabuli«-Stimmen, die nur die sukzessiv erklingenden Töne eines Dreiklangs enthalten. Diese werden einer diatonischen Melodie als Vervielfachung ihrer Bewegung oder als harmonische Verfärbung hinzugefügt. Scheinbar vertraute Wendungen erscheinen auf diese Weise in neuer Beleuchtung. In der Querung der Horizontalen der Tonleiter und der Vertikalen des Dreiklangs stieß Pärt auf das Zeichen des Kreuzes – ein Tonsymbol, das ihn darin bestärkte, dass »hinter der Kunst, zwei, drei Noten zu kombinieren [...], ein kosmisches Geheimnis« liegen müsse. In der Stille fand Pärt den göttlichen Ursprung der Musik – aber auch den Ausdruck »göttlichen Schweigens«. Aus der Stille lauschte er seine Klänge heraus, um »die Stille (das Schweigen) mit Tönen zu füllen, die des vorangegangenen Schweigens (der Stille) würdig wären«. 23
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Nach dem Klavierstück Für Alina begann Pärt, seine neue Kompositionsweise auch auf größere Besetzungen und umfangreichere Formen anzuwenden – immer wieder quasi vom Nullpunkt, der unbeschriebenen Fläche eines leeren Blattes startend, wie es der Titel eines seiner Signaturwerke dieser Zeit umschreibt: Tabula rasa aus dem Jahr 1977. Sein Freund, der Dirigent Eri Klas, war auf Pärt mit der Bitte zugekommen, für ein Konzert mit Alfred Schnittkes Concerto Grosso Nr. 1 für zwei Violinen, Cembalo, präpariertes Klavier und Streichorchester ein neues Werk für ebendiese Besetzung zu komponieren. Pärt willigte ein, ließ allerdings das Cembalo weg und komponierte – mit seinem einfachen musikalischen System die alte polyphone Mehrstimmigkeit neu beleuchtend und die Form des barocken Doppelkonzerts reflektierend – eine zweiteilige Partitur, welche von den Musikerinnen und Musikern eine schutzlose, zutiefst demütige und von aller äußeren Virtuosität befreite Vertiefung verlangt. Die Mitglieder des Tallinner Kammerorchesters – allen voran die beiden Violinsolisten Gidon Kremer und Tatjana Grindenko, aber auch Alfred Schnittke, der das präparierte Klavier spielte – waren verblüfft: »Wir waren alle ein wenig überrascht von dem leeren Bild der Partitur«, verriet Kremer. »Es war alles tonal und so transparent. Es gab so wenige Noten.« Und auch das Publikum der Uraufführung am 30. September 1977 im Tallinner Polytechnischen Institut war sich schnell bewusst, dass es etwas Besonderes erlebte. Pärt berichtete: »Es war wunderbar. Es war so still, dass die Leute nicht atmen oder husten konnten, da es gestört hätte. Bei mir war es das gleiche Gefühl. Mein Herzschlag war so laut, dass ich dachte, alle könnten es hören.« Das musikalische Kernmaterial basiert im ersten Satz auf einem a-Moll-, im zweiten Satz auf einem d-Moll-Akkord. Zum reinen Streicherensemble addiert Pärt ein Klavier, dessen Klang durch eine Präparierung mit hinter den Dämpfern platzierten Metallschrauben manipuliert ist: Die frei schwingende der jeweils drei Saiten gibt die Tonhöhe an, die beiden weiteren Saiten erzeugen einen verfremdeten Klangfarbeneffekt. Beide Sätze – Ludus (Con moto) und Silentium (Senza moto) – sind im Tempo und der Atmosphäre kontrastierend angelegt. Ludus (lateinisch für »Spiel«) entfaltet sich in acht Variationen und einer Kadenz. Silentium (lateinisch für »Stille«) beruht auf einer Kanonstruktur, in der sich die verschiedenen Stimmen in unterschiedlichen rhythmischen Geschwindigkeiten bewegen – am schnellsten die Bassstimme, am langsamsten die erste Solovioline. Die musikalische Entwicklung findet durch winzigste Veränderungen statt, was zu jenem tranceartigen, allem realen Zeitempfinden enthobenen Charakter der Musik führt, zum anderen das Gehör für die Fein- und Schönheiten der Töne, der Dynamik und der Klangfarben in einer Weise schärft, als würde man diese wie unter einem Brennglas betrachten. Von der Idee einer Avantgarde, die das Fortschrittsmodell einer ständigen Weiterentwicklung voraussetzt, hat sich Pärt in einem Werk wie Tabula rasa weit entfernt, denn genau dieser Glaube war ihm abhandengekommen.
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ARVO PÄRT
»Bevor man etwas sagt, ist es vielleicht besser, nichts zu sagen. Meine Musik ist erst entstanden, nachdem ich eine ganze Weile geschwiegen habe, buchstäblich geschwiegen. [ … ] Im Idealfall ist eine stille Pause etwas Heiliges ... Wenn jemand der Stille mit Liebe begegnet, dann kann daraus Musik entstehen. Ein Komponist muss oft sehr lange auf seine Musik warten. Diese Art von erhabener Erwartung ist genau die Art von Pause, die ich so sehr schätze.«
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AUS DEN BRIEFEN
Andrés Garcia Torres, Duccio Tariello, Jackson Carroll, Hanno Opperman, Lourenço Ferreira
Sonia Dvořák, Andrés Garcia Torres
Hanno Opperman
Lourenço Ferreira, Alexandra Inculet, Ensemble
Andrés Garcia Torres, Fiona McGee, Duccio Tariello
Ensemble
Duccio Tariello, Helen Clare Kinney, Sonia Dvořák, Sveva Gargiulo
Andrés Garcia Torres, Fiona McGee, Alexandra Inculet, Hanno Opperman, Jackson Carroll
goldberg variationen Musik Goldberg-Variationen BWV 988 von Johann Sebastian Bach Choreographie & Kostüme Heinz Spoerli Bühne Florian Etti Licht Robert Eisenstein Einstudierung Arman Grigoryan & Chris Jensen Klavier William Youn
URAUFFÜHRUNG 7. MÄRZ 1993 BALLETT DER DEUTSCHEN OPER AM RHEIN DÜSSELDORF DUISBURG
HEINZ SPOERLI
»Bach befreit mich. Er öffnet mich, sodass ich als Choreograph mit ihm als Komponisten in einen ganz besonderen Dialog treten kann.«
Heinz Spoerli
panorama des lebens ANNE DO PAÇO
36 Menschen auf der Bühne. Regungslos stehen sie da, die Blicke in verschiedene Richtungen in die Ferne gewendet. Drei von ihnen halten sich die Hände vors Gesicht, wenn die Musik schließlich einsetzt, beginnen sie mit zunächst spärlichen, dann immer weiter in den Raum greifenden Bewegungen die hohe Konzentration und mit ihr die Versammlung aufzulösen und mehr: den Raum zu öffnen für ein vielfältiges tänzerisches Panorama zu den 30 von der berühmten Aria umschlossenen Goldberg-Variationen BWV 988 Johann Sebastian Bachs. In Soli, Pas de deux, Trios und nur selten größeren Ensembles entfaltet sich ein Tanz zwischen Männern und Frauen, Frauen und Frauen, Männern und Männern, die mal freundschaftliche Kumpel, mal Brüder und Schwestern, mal Liebende sind: »Es gibt Beziehungen, Verknüpfungen von Paaren, Trennungen, die wieder zu Neutralität führen. Wie im Leben, man lernt Menschen kennen, man distanziert sich wieder. Je älter und reifer man wird, desto mehr ändern sich An- und Einsichten«, so Heinz Spoerli im Gespräch mit Andrea Amort. Fünf Pas de deux bilden besondere Marksteine innerhalb der Dramaturgie: Ist die 5. Variation ein sportiv-distanzierter Tanz, in dem Mann und Frau nebeneinanderher agieren, so kommt es in der 11. Variation zu einer vorsichtigen Annäherung. Kulminationspunkte sind die Variationen Nr. 15, 21 und 25, zu denen Heinz Spoerli in drei großen lyrischen Szenen jeweils eine Tänzerin und einen Tänzer auf berührende Weise in die Tiefen menschlicher Beziehungen vordringen lässt. »Es ist ein Werk, das innerhalb meines Schaffenskanons eine wichtige Rolle einnimmt und mir damals auch für weitere Arbeiten Mut gemacht hat«, schätzt Heinz Spoerli seine 1993 für seine damalige Compagnie, das Ballett der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg, geschaffenen Goldberg-Variationen ein. Es folgten weitere Bach-Ballette für seine Zürcher Compagnie: ... und mied den Wind (1999) und In den Winden im Nichts (2003) zu je drei der sechs Suiten für Violoncello solo sowie Wäre heute morgen und gestern jetzt zu Bachs Magnificat BWV 243 und weiteren Instrumentalwerken Bachs, darunter das 2. Brandenburgische Konzert BWV 1047.
PANORAMA DES LEBENS
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Musik Johann Sebastian Bachs hatte bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert zahlreiche Choreographinnen und Choreographen zu Auseinandersetzungen angeregt. Nachdem ein 1913 von Vaslav Nijinsky zusammen mit Serge Diaghilew für die Ballets Russes skizzierter Entwurf nicht realisiert wurde, gilt Doris Humphreys Air for the G string aus dem Jahr 1928 zum Air aus der Orchestersuite BWV 1068 gemeinhin als die erste Bach-Choreographie, u. a. gefolgt von George Balanchines Concerto Barocco 1941, in dem die Strukturen der Musik aufs engste mit Balanchines choreographischer Körper-Raum-Komposition korrespondieren. Mit der Matthäus-Passion (1981) und zuletzt der h-Moll-Messe in dem abendfüllenden Stück Dona Nobis Pacem (2022) setzte sich John Neumeier auseinander und schuf zwei große Balletttheater – um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Erst in jüngerer Zeit gilt ein verstärktes Interesse von Tanzschaffenden auch den komplexen großen kammermusikalischen Zyklen, darunter Die Kunst der Fuge, zu der u.a. Martin Schläpfer 2002 ein abendfüllendes Ballett schuf, sowie die Goldberg-Variationen. Als erster Meilenstein in der Auseinandersetzung mit Bachs Clavier-Übung gelten The Goldberg Variations, die Jerome Robbins 1971 mit dem New York City Ballet auf die Bühne brachte – eine Hommage an Bach und Zeugnis von Robbins nicht abreißendem Erfindungsreichtum, in einer Neoklassik, die durch Zitate höfischer Bewegungsmuster ebenso angereichert ist, wie das Kostümbild mit Anklängen an die Bach-Zeit. Von ganz anderem Charakter sind die Improvisationen, die der amerikanische Bewegungsforscher und einer der Begründer der Methode der Kontaktimprovisation Steve Paxton, angeregt durch die Einspielung von Glenn Gould, als sich immer wieder veränderndes Work in Progress zwischen 1984 und 1992 auf die Bühne brachte und schließlich in einer finalen Aufzeichnung fixierte – eine der »geheimnisvollsten und tiefgründigsten« Auseinandersetzungen mit Bachs Partitur, so die New Yorker Tanzkritikerin Deborah Jowitt. Ein Jahr nach Heinz Spoerli ließ sich Joachim Schlömer 1994 in Weimar durch Bachs Clavier-Übung zu dem rituellen Tanztheater Und in der Ferne die Nacht inspirieren, 2005 brachte Marie Chouinard ihre »Übung der Freiheit« body_remix/gOLDBERG_vARIATIONS heraus, in der sie die Körper der Tänzerinnen und Tänzer durch Krücken, Rollwagen und Prothesen »erweiterte« und Bachs Komposition ebenfalls in der Einspielung von Glenn Gould durch Louis Dufort elektroakustisch manipulieren ließ. Einen äußerst dichten Dialog mit der originalen Partitur führte dagegen Anne Teresa De Keersmaeker, die bereits 2017 in ihrem Projekt Mitten wir im Leben alle sechs Suiten für Violoncello solo BWV 1007–1012 mit den Mitteln des Tanzes erforscht hatte, 2020 in dem von ihr selbst getanzten Solo Goldberg auf der Suche nach einer Form des Tanzes, die – wie Bachs Musik – »zur Anpassung und Flexibilität fähig ist und gleichzeitig einen unveränderlichen Kern beibehält«. Der Musikkenner und -freund bringt Bachs Goldberg-Variationen auf den ersten Blick eher nicht mit Ballett oder Tanz in Verbindung, ist der Abstraktionsgrad der einzelnen Stücke doch so hoch, dass sie dem Hörenden nichts Gegenständliches anbieten – ein Umstand, der – wie die wenigen aus einem inzwischen großen choreographischen Bach-Repertoire hervorgehobenen Beispiele zeigen – Tanzkünstler, die weniger an konkreten Narrativen als an den Erforschungen der Wechselwirkungen von Bewegung, Körper, Raum und Musik interessiert sind, inspiriert. 41
PANORAMA DES LEBENS
Als ein in seiner choreographischen Qualität, dramaturgischen Anlage wie auch großen Ensemblebesetzung weitdimensioniertes Ballett behaupten Heinz Spoerlis GoldbergVariationen in diesem Umfeld bis heute ihren zentralen Platz: »Das Ballett strahlt Kraft und Strenge aus [...]. Das Werk zeigt in seiner scheinbaren Geradlinigkeit Reife und hohe Reflexion«, schreibt der spanische Tanzkritiker Roger Salas. Nur wenigen Compagnien hat Heinz Spoerli seine Goldberg-Variationen, die nach der Düsseldorfer Uraufführung zwischen 1996 und 2012 auch zu einer festen Säule im Repertoire seines Zürcher Balletts wurden, anvertraut: 2001 dem Ballett der Deutschen Oper Berlin, 2012 dem Ballet du Rhin Straßburg sowie 2018 dem Ballett der Scala di Milano – im Design der Bühne und Kostüme immer wieder in leichten Varianten zu dem Uraufführungsentwurf von Keso Dekker. Für die Berliner Einstudierung zeichnete Hans Schavernoch für die Bühne und Claudia Binder für die Kostüme verantwortlich, für die Ballet du Rhin-Einstudierung hat sich Heinz Spoerli selbst des Designs der in vielen Farben leuchtenden, den Tänzerkörper modellierenden Leotards angenommen, so nun auch beim Wiener Staatsballett, wo wiederum sein langjähriger künstlerischer Partner Florian Etti den Raum entworfen hat. Analog zur stets live gespielten Musik strukturiert – ist ihm das Zusammenspiel zwischen den Tänzerinnen und Tänzern sowie einem Pianisten doch zentral –, entfaltet Heinz Spoerli seine Choreographie in immer neuen Tänzerkombinationen Szene für Szene zu Variation für Variation. Jeder einzelne Abschnitt ist als eine eigenständige Miniatur angelegt, jede Variation erhält ihren eigenen Raum – und fügt sich im Gesamten doch zu »einem choreographischen Bogen, der vom Anfang bis zu unserem Ende reicht«, so der Choreograph. Die Musik gibt Heinz Spoerli das Gerüst, den Rhythmus, das Tempo, ist Stimmung für einen Zyklus, der – ungeachtet einer der Abstraktion verpflichteten Dramaturgie – von menschlichen Beziehungen handelt. Hinter der differenzierten Korrespondenz von Bewegung und Musik im Raum öffnen sich Psychogramme, die von ausgelassener Lebensfreude und stiller Melancholie, sich messendem Miteinander oder Einsamkeit, Sehnsucht oder Schmerz erzählen – in den Bewegungen geprägt von einer großen Eleganz und Harmonie, aber auch einer virtuosen Athletik und einer ganz eigenen Komik, die den »Tanzmacher« – so die Bezeichnung, die sich Heinz Spoerli selbst gibt – als einen feinsinnigen Menschenbeobachter zeigen. Seine Bewegungssprache lässt sich als eine individuelle und doch strenge, auf dem variantenreich eingesetzten Vokabular der Danse d’école basierende Form der Neoklassik beschreiben, die nie auftrumpft, sondern, ohne der Musik sklavisch zu folgen, dieser in einer feinfühligen und doch freien Symbiose als gleichwertiger Partner oft kontrapunktisch geistvoll verflochten begegnet. Betont wird ein optisch klares Körperbild mit langen Linien und einer Phrasierung, die sich oft an die musikalische Linienführung hält. Mitbringen müssen die Tänzerinnen und Tänzer für diese äußert pure Choreographie, in der sich keiner verstecken kann – so Heinz Spoerli – »eine hervorragende, sehr feine Technik, Strahlkraft und ein gutes Gehör für Musik«. Der intensive Dialog zwischen Ausdruck, Musikalität und Tanztechnik ist essenziell für sein Musizieren mit dem Körper mit Bewegungen, die sich auf eine ganz eigene Weise in den Lauf der Musik hineindehnen.
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WILLIAM YOUN
»Die Goldberg-Variationen sind ein großer Tanz. Sie stehen im ¾-Takt, enthalten Tanzsätze wie die Sarabande, das Menuett, die Gigue, eine Polonaise – und es ist eine Musik voller Lebensfreude. Während der intensiven Proben für die Produktion des Wiener Staatsballetts habe ich sehr schnell gemerkt, dass sich das Stück für mich durch die Choreographie verändert. Ich meine damit nicht nur, dass das Tempo für die Tänzerinnen und Tänzer natürlich stabil sein muss. Darüber wird immer viel gesprochen, aber es geht noch um ganz anderes: Zum Beispiel darum, dass der Tanz die Stille, aus der Musik ja auch besteht, mit Bewegung füllt, also den »Takt der Stille« zählt, was dieser eine andere Bedeutung, aber auch eine andere Ästhetik gibt. Die Goldberg-Variationen für den Tanz zu spielen, heißt für mich deshalb auch ein anderes Zeitgefühl zu bekommen. Auf dem Konzertpodium kann ich über diese Fragen selbst bestimmen und tue das aus einer Vorstellung heraus, die ich aus dem langen Nachdenken über diese Musik entwickelt habe. Jetzt aber bin ich Teil einer Compagnie und ich spiele die GoldbergVariationen, wie wenn ich Kammermusik spiele. Es ist ein Dialog mit dem, was ich auf der Bühne sehe. Und was ich da sehe, sind nicht nur Menschen, die tanzen, sondern ich sehe Bachs Musik. Für mich haben die Goldberg-Variationen sehr viel mit Zeit zu tun, mit einem bestimmten Menschenbild. Jede Variation ist wie ein neuer Tag. Man selbst ist immer man selbst, aber jeder Tag bringt etwas Neues. Und ganz am Ende kehrt Bach mit der Wiederholung der Aria wieder an den Anfang zurück. Es ist dieselbe Musik und doch eine völlig verwandelte durch all das, was man über die 30 Variationen erlebt hat. Es ist eine Reise durch ein ganzes Leben – und das sehe ich auch in Heinz Spoerlis Choreographie.«
HEINZ SPOERLI
» Wer sich bewegt, drückt sich aus. Ohne Worte. Wer tanzt, erzählt eine Geschichte. Seine eigene. Verständlich für andere, über alle Sprachbarrieren hinweg. Tanz ist etwas Kosmopolitisches, etwas Multikulturelles. Er verbindet Völker und Menschen, schlägt Brücken zwischen Nationen und unterschiedlichen Mentalitäten. Überall auf der Welt wird getanzt. Aus Freude und Lebenslust. Manchmal auch, um Stress oder Trauer abzubauen. Tanzen bedeutet Loslassen und Einlassen gleichzeitig und lässt Menschen sich selbst anders erleben.
Ästhetik, Kraft, Schönheit, Sinnlichkeit und Harmonie finden Ausdruck im Tanz. Aber auch Trauer, Melancholie, Verzweiflung oder Hoffnung. Tanz ist für die volle Bandbreite der Gefühle ein Verstärker. Bewegung im Fluss der Musik – über den eigenen Körper erzeugt. Tanz ist in Menschen drin und bewirkt enorm viel. Weil beim Tanzen Gefühle und Körper eine Symbiose bilden, die ohne Worte auskommt und dennoch ihre eigene Sprache findet. Eine starke Sprache, die Geschichten erzählt. «
Masayu Kimoto
Géraud Wielick, Daniel Vizcayo
Giorgio Fourés, Masayu Kimoto, Francesco Costa
Hyo-Jung Kang
»zur gemüthsergetzung«
SEBASTIAN KIEFER
»Clavier Ubung / bestehend / in einer / ARIA / mit verschiedenen Verænderungen / vors Clavicimbal / mit 2 Manualen. / Denen Liebhabern zur Gemüths- / Ergetzung verfertiget von / Johann Sebastian Bach / Königl. Pohl. u. Churfl. Sæchsl. Hoff- / Compositeur, Capellmeister, u. Directore / Chori Musici in Leipzig.« So lautet der eigentliche Titel eines der bedeutendsten Variationszyklen der Klavierliteratur. Dass es der vierte Teil der Clavier-Übung ist, wird ebenso verschwiegen wie das Jahr der Drucklegung (1742). Die geläufige Bezeichnung Goldberg-Variationen beruht auf Johann Nikolaus Forkels Bericht über die Entstehung des Werkes in dessen 1802 veröffentlichter Schrift Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke: Der Heinrich Carl Reichsgraf von Keyserlingk, russischer Gesandter am kursächsischen Hof zu Dresden, hatte sich 1737 von dem hochmusikalischen Sohn eines Danziger Instrumentenbauers Johann Gottlieb Goldberg so beeindrucken lassen, dass er ihn bei Johann Sebastian Bach ausbilden ließ. Für die exorbitanten Fähigkeiten des hochbegabten, gerade einmal dreizehnjährigen jungen Mannes schrieb Bach wahrscheinlich seine – erst von der Nachwelt so genannten – Goldberg-Variationen. Weil seine Exzellenz kränkelte, habe sie – so Forkel – Bach wissen lassen, »daß er gern einige Clavierstücke für seinen Goldberg haben möchte, die so sanften und etwas muntern Charakters wären, daß er dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte. Bach glaubte, diesen Wunsch am besten durch Variationen erfüllen zu können. Aber so wie um diese Zeit alle seine Werke schon Kunstmuster waren, so wurden auch diese Variationen unter seiner Hand dazu. Auch hat er nur ein einziges Muster dieser Art geliefert. Der Graf nannte sie hernach
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nur seine Variationen. Er konnte sich nicht satt daran hören, und lange Zeit hindurch hieß es nun, wenn schlaflose Nächte kamen: Lieber Goldberg, spiele mir doch eine von meinen Variationen.« Zweifellos stand Bach in einer Dankesschuld gegenüber dem gräflichen Deputierten: Keyserlingk hatte Anteil daran, dass Bach 1736 der Titel des Hofkomponisten verliehen wurde. Möglicherweise hatte Bach seinem Wohltäter privatim die (überarbeitete?) Abschrift einer Sammlung überlassen, die zu ganz anderen Zwecken begonnen wurde – etwa, um seine Eignung als Hofkomponist zu beweisen. Für diese Version spricht, dass gleich die erste Variation, wiewohl titellos, eine Polonaise ist, ein von Bach sonst gemiedener Modetanz der Zeit. Da die Dresdner Kurfürsten jedoch seit 1697 zugleich Könige von Polen waren, liegt die Annahme nahe, die Goldberg-Variationen berücksichtigten auch diese Machtansprüche der sächsischen Regenten. Im Unterschied etwa zu Georg Friedrich Händel, Dietrich Buxtehude oder auch Johann Pachelbel hatte Bach zuvor eher selten Variationen geschrieben. Die Wiederaufnahme dieser Gattung ist auch im Zusammenhang mit der Vorliebe des späten Bach zu monothematischen Zyklen zu sehen, wie sie auch die Kanonischen Veränderungen über das Weihnachtslied »Vom Himmel hoch, da komm ich her«, das Musikalische Opfer und die Kunst der Fuge darstellen.
Zur Form Die Goldberg-Variationen sind als Aneinanderreihung von Gruppen zu je drei Variationen angelegt, deren erster Teil ein freies, mehrstimmiges Spielstück von meist tanzähnlichem Charakter bildet, worauf eine zweistimmige virtuose Variation und ein Kanon folgen. (Nur in der ersten Gruppe ist das Mittelstück an die erste Position gerückt.) Bach hat immer wieder zwischen einzelnen Variationen, aufeinanderfolgenden oder weit entfernten, Bezüge geschaffen, doch ließen sich einige erste und zweite Sätze einer Gruppe mit solchen aus anderen vertauschen, ohne dass der Gesamtentwurf gestört würde. Nur die jeweils dritten Sätze, die Kanons, folgen einer strengen Ordnung: Variation 3 ist ein Kanon im Einklang (die zweite Stimme folgt der ersten auf gleicher Tonhöhe nach), Variation 6 ein Kanon in der (großen) Sekunde, und so vergrößern sich die Intervallabstände der Themeneinsätze mit jeder dritten Variation stufenweise bis zum Kanon der (großen) None. Die Bassstimmen sind keine Kanonstimmen, sondern geben ein Fundament für das kanonische Spiel der Oberstimmen. Die Gattung des Kanons galt seit Jahrhunderten als reinste und höchste Form gelehrten Komponierens. In den Jahren ab etwa 1737 hat Bach sich im Zuge umfassender Studien im strengen Kontrapunkt diese schon kaum mehr lebendige Tradition (neu) angeeignet und in sein Schaffen integriert. In den Goldberg-Variationen finden sich nur frei und virtuos gehandhabte, teilweise auch mit Tanzcharakteren verbundene Intervallkanons. Lediglich Quart- und Quintkanon, die die Mitte der Oktave einschließen, und die sich daher in mancherlei Hinsicht spiegelbildlich komplementär zueinander verhalten, sind Umkehrungskanons (die zweite Stimme bringt die Umkehrung des Themas). 51
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Komplexere und reinere Formen hat Bach jedoch schon bald angestrebt: In einem erst 1975 wiederaufgefundenen Handexemplar Bachs hat er sich im Nachsatz »Verschiedene Canones über die ersten acht Fundamental=Noten vorheriger Arie« (also das Thema der Goldberg-Variationen) notiert. Sie sind ein wertvolles Zeugnis für Bachs Weg ins Spätwerk, zu den hochkomplexen Kanonischen Veränderungen über das Weihnachtslied »Vom Himmel hoch« und dem Musikalischen Opfer. Die Dreiergruppierung und die progressive Intervallordnung der Kanons sind das Strebewerk der Goldberg-Variationen. Die Gesamtproportion hat Bach jedoch durch eine Zweiteilung gewonnen: Variation 16 ist eine Ouvertüre im französischen Stil, die den zweiten Teil einleitet. Dadurch ergeben sich zwei Hälften zu je 15 Sätzen, die von dem am Anfang und Ende erscheinenden Thema, der Aria, umrahmt werden. Barocken Gepflogenheiten gemäß konnte man eine Zählung mit dem Thema oder mit der ersten Variation beginnen – die Anzahl der Sätze entspricht so der Anzahl der Takte des Themas, nämlich 2 x 16.
Thema, Aria und Bass Die Goldberg-Variationen sind dabei nicht in erster Linie Variationen der Aria, wie es der Titel nahelegen könnte, sondern Variationen über einer Basslinie, deren Gerüsttöne in jedem Satz erhalten bleiben. Ein besonderer Reiz besteht allerdings darin, dass das Bassthema nie ganz in seiner Urform und auch nie unbegleitet erscheint, das Thema also selbst bereits die erste Variation ist. Die Basslinie basiert auf einem tradierten, von Henry Purcell, François Couperin, Johann Christoph Bach u.a. gebrauchten standardisierten Improvisations- und Variationsmodell. Die Aria, also die sangbare, sarabandenartige Melodie darüber, findet sich bereits im Clavier-Büchlein für Anna Magdalena Bach von 1725, allerdings nachträglich – kaum vor 1740 – auf versehentlich leergebliebenen Seiten notiert. Sie ist in Kontur und Ornamentik so weit französischen Vorbildern angenähert, dass die Autorschaft Bachs schon mehrfach angezweifelt wurde. Wie sehr Bach auch immer vorhandene Muster adaptiert hat – sicher ist, dass die komplexe Endform des Stückes, eine bei aller kantablen Klarheit höchst vertrackte Kombination kleiner Varianten von überraschender Vielfalt, von Bach selbst stammt. Partikel dieser Melodie klingen in einigen Variationen versteckt an, in vielen, besonders den virtuosen zweistimmigen Sätzen, jedoch überhaupt nicht. Nur die beiden Sarabanden des Zyklus (Variation 13, 25), reich ornamentiert und von gewichtigem Ausdruck wie die gleichnamigen Tänze in Bachschen Suiten, nehmen die Aria unmittelbar wieder auf. Nr. 25, das zweite dieser Stücke, reichert die Chromatik der Fiorituren bis zum Äußersten an und ist von unerhörter harmonischer Kühnheit, dessen singuläre Dimension des Ausdrucks auch Ludwig van Beethoven erkannte und in seinen Diabelli-Variationen aufgriff. Ein weiteres Detail spricht für die Autorschaft Bachs an der Aria: Ihr Schluss verlässt den Sarabanden-Rhythmus und schließt in durchlaufenden kleinen Notenwerten, einfachen Umspielungsfiguren. Dieses Einmünden in pure Figuration wiederholt sich am Ende des gesamten Zyklus: Der nur zweistimmige Nonenkanon (Variation 27)
»ZUR GEMÜTHS-ERGETZUNG«
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MARTIN GECK
»In den Goldberg-Variationen wird die Instrumentalmusik flügge – musikästhetisch gesprochen: autonom. Sie ist nicht länger die kleine Schwester von Oper, Lied und Kantate, die bisher alles deutlicher zu sagen vermochten. Sie findet vielmehr zu einer Sprache, die ausdrücken kann, was sie will; die in Tiefen vorstößt, die der gesprochenen Sprache verschlossen bleiben; die sogar humorvoll, ironisch oder anzüglich werden, also ›double talk‹ sprechen kann.«
AUS DEN BRIEFEN
ist weitaus lockerer und lichter als alle vorangegangenen. Diese Auflockerung setzt sich in Variation 28 fort: Sie ist kein tanz- oder suitenähnlicher Satz, sondern eine Triller-Variation. Variation 29 bildet eine tokkatenartige, pianistisch brillante Stretta. Dann allerdings folgt mit Variation 30 keine weitere Steigerung und Auflösung in Virtuosität, sondern – ebenso überraschend wie humorvoll – ein Quodlibet, eine Art Stegreifmusik mit Zitation bekannter Melodien. Bach zitiert hier zwei Volksweisen, die er auch in der 1742 entstandenen Bauernkantate BWV 212 verwendet (»Ich bin so lang nicht bei dir gewest, ruck her, ruck her«; »Kraut und Rüben haben mich vertrieben / hätt die Mutter Fleisch gekocht, so wär’ ich länger blieben«), deren erste seinerzeit ein beliebter in strumentaler Kehraus von Tanzvergnügungen war. Doch hatte Bach auch strukturelle Gründe, sie hier aufzunehmen: Der stufenweise Aufstieg der Melodie ist die diminuierte Umkehrung des Ostinato-Beginns, seine Konturen ähneln überdies stark dem Beginn der Aria, und die zweite Volksmelodie kann als Kontrapunkt dieser ersten fungieren. So entsteht ein Schlussstück, das launig und leicht Abschied nimmt und doch zugleich gespickt ist mit kontrapunktischen Kniffen. Ob der Text »Ich bin so lang nicht bei dir gewest« auch eine augenzwinkernde Anspielung auf das Verschwinden der Aria-Melodie meint, die ja erst jetzt, nach dieser letzten Variation wiederkehrt, sei dahingestellt. Mit dieser verdichtenden Kombination von Spiel und höchster Gelehrsamkeit ist ein Abschluss geschaffen, wie ihn ein »gelehrter« Kanon, der der Architektur nach zu erwarten wäre, nicht hätte leisten können.
»ZUR GEMÜTHS-ERGETZUNG«
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Johann Sebastian Bach Aria mit 30 Veränderungen G-Dur BWV 988 Goldberg-Variationen
Aria Variatio 1 a 1 Clav. Variatio 2 a 1 Clav. Variatio 3 a 1 Clav. Canone all’Unisono Variatio 4 a 1 Clav. Variatio 5 a 1 ovvero 2 Clav. Variatio 6 a 1 Clav. Canone alla Seconda Variatio 7 a 1 ovvero 2 Clav. (Al tempo di Giga) Variatio 8 a 2 Clav. Variatio 9 a 1 Clav. Canone alla Terza Variatio 10 a 1 Clav. Fughetta Variatio 11 a 2 Clav. Variatio 12 a 1 Clav. Canone alla Quarta Variatio 13 a 2 Clav. Variatio 14 a 2 Clav. Variatio 15 a 1 Clav. Canone alla Quinta. Andante Variatio 16 a 1 Clav. Ouverture Variatio 17 a 2 Clav. Variatio 18 a 1 Clav. Canone alla Sesta Variatio 19 a 1 Clav. Variatio 20 a 2 Clav. Variatio 21 a 1 Clav. Canone alla Settima Variatio 22 a 1 Clav. (Alla breve) Variatio 23 a 2 Clav. Variatio 24 a 1 Clav. Canone all’Ottava Variatio 25 a 2 Clav. Adagio Variatio 26 a 2 Clav. Variatio 27 a 2 Clav. Canone alla Nona Variatio 28 a 2 Clav. Variatio 29 a 1 ovvero 2 Clav. Variatio 30 a 1 Clav. Quodlibet Aria da capo
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SATZFOLGE
Liudmila Konovalova, Marcos Menha
Olga Esina
Alexey Popov
Arne Vandervelde, Giorgio Fourés, Davide Dato
Davide Dato, Giorgio Fourés
Géraud Wielick, Daniel Vizcayo
Olga Esina, Brendan Saye
Masayu Kimoto
Alexey Popov, Claudine Schoch
Ensemble
ensemble & biographien
tänzerinnen & tänzer
Ioanna Avraam Erste Solotänzerin
Davide Dato Erster Solotänzer
Olga Esina Erste Solotänzerin
Kiyoka Hashimoto Erste Solotänzerin
Hyo-Jung Kang Erste Solotänzerin
Masayu Kimoto Erster Solotänzer
Liudmila Konovalova Erste Solotänzerin
Marcos Menha Erster Solotänzer
Ketevan Papava Erste Solotänzerin
Alexey Popov Erster Solotänzer
ENSEMBLE
70
Brendan Saye Erster Solotänzer
Claudine Schoch Erste Solotänzerin
Yuko Kato Senior Artist
Timoor Afshar* Solotänzer
Elena Bottaro Solotänzerin
Sonia Dvořák Solotänzerin
Alice Firenze Solotänzerin
Rebecca Horner Solotänzerin
Aleksandra Liashenko Solotänzerin
Eno Peci Solotänzer
Arne Vandervelde Solotänzer
Daniel Vizcayo Solotänzer
Géraud Wielick Solotänzer
Rashaen Arts Halbsolist
Natalya Butchko Halbsolistin
Jackson Carroll Halbsolist
Iliana Chivarova Halbsolistin
Calogero Failla Halbsolist
Lourenço Ferreira Halbsolist
Giorgio Fourés Halbsolist
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ENSEMBLE
Gaia Fredianelli Halbsolistin
Sveva Gargiulo Halbsolistin
Alexandra Inculet Halbsolistin
Gala Jovanovic Halbsolistin
Helen Clare Kinney Halbsolistin
François-Eloi Lavignac Halbsolist
Eszter Ledán Halbsolistin
Anita Manolova Halbsolistin
Tomoaki Nakanome Halbsolist
Duccio Tariello Halbsolist
Andrey Teterin Halbsolist
Zsolt Török Halbsolist
Benjamin Alexander Corps de ballet Staatsoper
Alisha Brach Corps de ballet Staatsoper
Marie Breuilles Corps de ballet Staatsoper
Victor Cagnin Corps de ballet Staatsoper
Laura Cislaghi Corps de ballet Staatsoper
Vanessza Csonka Corps de ballet Staatsoper
Giovanni Cusin Corps de ballet Staatsoper
Andrés Garcia Torres Corps de ballet Staatsoper
ENSEMBLE
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Javier González Cabrera Corps de ballet Staatsoper
Adi Hanan Corps de ballet Staatsoper
Trevor Hayden Corps de ballet Staatsoper
Isabella Knights Corps de ballet Staatsoper
Zsófia Laczkó Corps de ballet Staatsoper
Phoebe Liggins Corps de ballet Staatsoper
Gaspare Li Mandri Corps de ballet Staatsoper
Sinthia Liz Corps de ballet Staatsoper
Meghan Lynch Corps de ballet Staatsoper
Tatiana Mazniak Corps de ballet Staatsoper
Godwin Merano Corps de ballet Staatsoper
Katharina Miffek Corps de ballet Staatsoper
Igor Milos Corps de ballet Staatsoper
Kirill Monereo de la Sota Corps de ballet Staatsoper
Junnosuke Nakamura Corps de ballet Staatsoper
Laura Nistor Corps de ballet Staatsoper
Hanno Opperman Corps de ballet Staatsoper
Ella Persson Corps de ballet Staatsoper
Kristián Pokorný Corps de ballet Staatsoper
Nicola Rizzo Corps de ballet Staatsoper
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ENSEMBLE
Alaia Rogers-Maman Corps de ballet Staatsoper
Iulia Tcaciuc Corps de ballet Staatsoper
Helena Thordal-Christensen Corps de ballet Staatsoper
Gloria Todeschini Corps de ballet Staatsoper
Chiara Uderzo Corps de ballet Staatsoper
Céline Janou Weder Corps de ballet Staatsoper
Gabriele Aime Corps de ballet Volksoper
Dominika Ambrus Corps de ballet Volksoper
László Benedek Corps de ballet Volksoper
Vivian de Britto-Schiller Corps de ballet Volksoper
Nina Cagnin Corps de ballet Volksoper
Roman Chistyakov Corps de ballet Volksoper
Kristina Ermolenok Corps de ballet Volksoper
Tainá Ferreira Luiz Corps de ballet Volksoper
Riccardo Franchi Corps de ballet Volksoper
Kevin Hena Corps de ballet Volksoper
Tessa Magda Corps de ballet Volksoper
Dragos Musat Corps de ballet Volksoper
Keisuke Nejime Corps de ballet Volksoper
Aleksandar Orlić Corps de ballet Volksoper
ENSEMBLE
74
Matilda Poláková* Corps de ballet Volksoper
Olivia Poropat Corps de ballet Volksoper
Marie Ryba Corps de ballet Volksoper
Natalie Salazar Corps de ballet Volksoper
Francesco Scandroglio Corps de ballet Volksoper
Marta Schiumarini Corps de ballet Volksoper
Mila Schmidt Corps de ballet Volksoper
Gleb Shilov Corps de ballet Volksoper
Felipe Vieira Corps de ballet Volksoper
Martin Winter Corps de ballet Volksoper
Una Zubović Corps de ballet Volksoper
*Karenzvertretung
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ENSEMBLE
Foto © Florian Moshammer
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GERRIT PRIESSNITZ – Musikalische Leitung Tabula Rasa Der gebürtige Bonner Gerrit Prießnitz ist ein gefragter Gast am Pult verschiedener internationaler Orchester und Opernhäuser. Seine jüngsten Debüts beinhalteten u.a. das Seoul Philharmonic Orchestra, die Belgrader Philharmonie und die Filharmonie Brno. 2024 steht er erstmals am Pult der Staatsphilharmonie Nürnberg, der Bochumer Symphoniker und des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck. Gerrit Prießnitz absolvierte sein Studium mit Auszeichnung an der Universität »Mozarteum« Salzburg, gefolgt von einem Engagement am Theater Erfurt. Von 2006 bis 2023 war er der Volksoper Wien in wechselnden Funktionen verbunden und dirigierte dort ein breit gefächertes Repertoire von Mozart über Berlioz oder Strauss bis hin zu Britten, Henze, Trojahn und Glanert. 2018/19 war er zudem »Erster Ständiger Gastdirigent« des Theaters Chemnitz. Gastspiele führten Gerrit Prießnitz wiederholt an die Wiener Staatsoper, ins Concertgebouw Amsterdam, nach Japan und Südkorea, an die Hamburgische Staatsoper und die Oper Köln, zum Bruckner Orchester und ans Landestheater Linz, nach Luzern, Sofia, Bologna, Bari, Córdoba, zu den Seefestspielen Mörbisch und diversen deutschen Orchestern und Opernhäusern: darunter das MDR Sinfonieorchester Leipzig, die Bamberger Symphoniker, das Aalto Theater Essen, Münchner Rundfunkorchester, die Staatskapelle Halle, das Beethovenfest Bonn, Staatstheater Augsburg, Sinfonieorchester Wuppertal, die Württembergische Philharmonie Reutlingen, Norddeutsche Philharmonie Rostock, das Brandenburgische Staatsorchester oder die Dortmunder Philharmoniker. CD- und DVD-Produktionen liegen bei Sony Classical und Unitel vor. Seit Herbst 2017 hatte Gerrit Prießnitz einen Lehrauftrag für Oper an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK). Seit 2023 bekleidet er eine Professur am Institut für Musiktheater der Kunstuniversität Graz. Nach einer engen Zusammenarbeit mit dem Wiener Staatsballett an der Volksoper Wien kehrt er nun für die Tanzproduktion Tabula Rasa im Rahmen des Programms Goldberg-Variationen an die Wiener Staatsoper zurück.
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BIOGRAPHIEN
OHAD NAHARIN – Choreographie, Bühne & Licht Tabula Rasa Ohad Naharin, geboren im Kibbutz Mizra, begann 1974 seine Tanzausbildung bei der Batsheva Dance Company und wurde schließlich ihr Mitglied. Er tanzte auf Einladung Martha Grahams in deren New Yorker Ensemble, es folgten Engagements bei der Bat-Dor Dance Company und in Maurice Béjarts Ballet du XXième Siècle. 1979 kehrte er nach New York zurück und debütierte mit einer Choreographie für das Kazuko Hirabayshi Studio. Zwischen 1980 und 1990 präsentierte er seine Werke u.a. in New York und kreierte zahlreiche Stücke für die Batsheva und Kibbutz Contemporary Dance Company sowie das Nederlands Dans Theater. Zugleich arbeitete er – zusammen mit seiner ersten Frau Mari Kajiwara, die ihm bis zu ihrem Tod 2001 eine wichtige künstlerische Partnerin war – in New York mit einer Gruppe von Tänzer*innen an verschiedenen Projekten. Von 1990 bis 2018 war Ohad Naharin Künstlerischer Leiter der Batsheva Dance Company, der er nach wie vor als Hauschoreograph verbunden ist. Darüber hinaus präsentierten viele prominente Compagnien weltweit seine Werke, darunter das Ballet de l’Opéra de Paris, Ballet de l’Opéra de Lyon, Hubbard Street Dance Chicago, Alvin Ailey Dance Theater, Atlanta Ballet, Cedar Lake Contemporary Ballet New York, Les Grands Ballets Canadiens, Balé da Cidade de São Paulo, die Compañía Nacional de Danza, das NDT, Cullberg Ballet, Finnische Nationalballett, Königlich Dänische Ballett oder Ballett am Rhein. Mit Gaga entwickelte Ohad Naharin eine innovative Bewegungssprache, die heute nicht nur die wichtigste Trainingsmethode der Batsheva-Tänzer*innen ist, sondern weltweit gelehrt wird. Bereits seit Kindheitstagen auch musikalisch ausgebildet, ist das Zusammenwirken von Bewegung und Musik wesentlich für seine künstlerische Arbeit, die ihn immer wieder auch mit namhaften Musikern zusammenführt, darunter die israelische Rock-Gruppe The Tractor’s Revenge, Avi Belleli und Dan Makov, Ivri Lider und Grischa Lichtenberger. Unter dem Pseudonym Maxim Waratt komponierte er außerdem die Musik und Soundtracks zu mehreren Produktionen. Unter den zahlreichen Auszeichnungen, mit denen Ohad Naharin geehrt wurde, sind der Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres (1998), Israel Prize for dance (2005), EMET Prize (2009), Samuel H. Scripps American Dance Festival Award for Lifetime Achievement (2009), die Carina Ari Medaille und der Israel Ministry of Culture Award for Lifetime Achievement (2016). Ehrendoktorwürden wurden ihm vom Weizmann Institute of Science, der Hebrew University, der Juilliard School New York und der Ben Gurion University of the Negev verliehen.
BIOGRAPHIEN
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HEINZ SPOERLI – Choreographie & Kostüme Goldberg-Variationen Heinz Spoerli erhielt seine Ausbildung zum Tänzer bei Walter Kleiber, sein erstes Engagement führte ihn an das von Waclaw Orlikowsky geleitete Ballett am Theater seiner Heimatstadt Basel. Zwischen 1963 und 1973 tanzte er als Solist im Ballett der Bühnen der Stadt Köln unter Todd Bolender, im Royal Winnipeg Ballet, mit Les Grands Ballets Canadiens in Montreal, im Basler Ballett und Ballett des Grand Théâtre de Genève. Nach ersten choreographischen Arbeiten konnte er sich mit dem großen Erfolg seiner Uraufführung Le chemin 1972 am Grand Théâtre de Genève als Choreograph etablieren, in den folgenden Jahrzehnten aber auch als einer der prägenden Ballettdirektoren, der drei unverwechselbare Ensembles zu formen verstand, profilieren: Von 1973 bis 1991 leitete Heinz Spoerli das Basler Ballett, von 1991 bis 1996 das Ballett der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg, von 1996 bis 2012 war er Direktor und Chefchoreograph des Zürcher Balletts. Sein umfangreiches Œuvre spannt sich zwischen Neuinterpretationen klassischer Ballette wie La Fille mal gardée, Giselle, Coppélia, Romeo und Julia, Der Nussknacker, Schwanensee, Dornröschen, Cinderella, Don Quixote oder Raymonda sowie eigenen Kreationen wie Chäs, Miniaturen, Dead End, Loops, Josephslegende oder Goldberg-Variationen auf. Zu den bedeutendsten Werken seiner Zürcher Ära zählen … und mied den Wind, Approaching Clouds, In den Winden im Nichts, Allem nah, allem fern, moZART, Les débauches du rêve, Peer Gynt und Das Lied von der Erde. Als Gast war Heinz Spoerli u.a. an der Opéra de Paris, am Teatro alla Scala, in Berlin, Hongkong, Lissabon, Stockholm, Stuttgart und Graz tätig. Bei den Salzburger Festspielen gestaltete er 2012 einen Ballettabend und die Choreographie für Sven-Eric Bechtolfs Inszenierung von Strauss’ Ariadne auf Naxos in Koproduktion mit der Wiener Staatsoper. Heinz Spoerlis Beziehungen zu Wien reichen bis in die 1970er Jahre zurück, als er 1977 für das Wiener Ballettfestival Faschingsschwank aus Wien sowie die Choreographie zu einer Boccaccio-Produktion an der Volksoper kreierte. 1990 feierte sein Pulcinella in der Wiener Staatsoper sowie das Musical Freudiana mit seiner Choreographie im Theater an der Wien Premiere, für die Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker schuf er 1996 und 1998 die Tanzeinlagen. Mit dem Hans-Reinhart-Ring wurde Heinz Spoerli 1982 die damals höchste Theaterauszeichnung der Schweiz verliehen. Es folgten 1991 der Kunstpreis der Stadt Basel, 1995 der Jacob-Burckhardt-Preis, 2007 der Zürcher Kunstpreis, 2009 der Deutsche Tanzpreis und der Deutsche Kritikerpreis, 2012 der Zürcher Festspielpreis sowie der A Life for Dance Award des internationalen Ballettfestivals Miami. 79
BIOGRAPHIEN
MATAN DAVID – Einstudierung Tabula Rasa Matan David wurde in Rishon LeZion in Israel geboren und begann eine Ausbildung als Folklore-Tänzer, bevor er im Alter von 15 Jahren an die Thelma Yellin High School of the Arts wechselte. Weitere Studien führten ihn an die Bat-Dor Dance School sowie zum Juilliard Sommerprogramm. Nach einem ersten Engagement in das Batsheva – the Young Ensemble wurde er nach zwei Jahren Mitglied von Ohad Naharins Batsheva Dance Company, mit der er in den folgenden zehn Jahren in einigen von Naharins bedeutendsten Werken tanzte, darunter Three, MAX und The Hole. Von 2013 bis 2017 war Matan David Direktor von Batsheva – the Young Ensemble, das sich zu einer der bedeutendsten jungen Compagnien der Welt entwickelt hatte und 2013 von Israels Kulturminister zur »Besten Compagnie« gekürt wurde. Matan David erhielt im gleichen Jahr den Yair Shapira Award. Von Juli 2020 bis Dezember 2021 war er für die Probenleitung der Batsheva Dance Company verantwortlich. Heute studiert er Naharins Werke für namhafte Compagnien ein, darunter das Ballet de l’Opéra de Paris, Ballet du Rhin Straßburg, Norwegische Nationalballett, die Rambert Dance Company oder Gauthier Dance. Darüber hinaus qualifiziert seine intensive Auseinandersetzung mit Gaga Matan David zu einem der führenden Lehrer dieser Bewegungssprache Naharins.
ARMAN GRIGORYAN – Einstudierung Goldberg-Variationen Arman Grigoryan studierte von 1994 bis 2001 an der Armenian Ballet School, anschließend tanzte er für ein Jahr im Israel Ballet. 2002 wurde er Mitglied des Juniorballetts Zürich und zwei Jahre später des Balletts Zürich, wo er 2007 zum Ersten Solotänzer avancierte. In der Saison 2015/16 war Arman Grigoryan als Solist im Staatsballett Berlin engagiert. Er tanzte u.a. in Choreographien von Heinz Spoerli, William Forsythe, Mats Ek, Jiří Kylián, Nacho Duato, Ohad Naharin, Uwe Scholz, Mauro Bigonzetti, Martin Schläpfer, Christian Spuck, Jiří Bubeníček und Hans van Manen. Als Gasttrainer arbeitete er für den Bachelor Studiengang Contemporary Dance an der Zürcher Hochschule der Künste und an der Ballettschule Theater Basel. Für sein künstlerisches Schaffen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit den Goldmedaillen der Maia Arbatova International Ballet Competition (2002) und der International Ballet Competition Varna (2004), mit dem Preis der Heinz Spoerli Foundation (2008) und dem Les Étoiles Prix (2008) des Magazins Ballet 2000. Beim Prix de Lausanne zählte er 2002 zu den Finalisten.
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CHRIS JENSEN – Einstudierung Goldberg-Variationen Chris Jensen wurde in Los Angeles geboren und bei Albert Ruiz ausgebildet. Sein Tanzstudium setzte er an der School of American Ballet in New York fort. Engagements führten ihn an das Ballet du Grand Théâtre de Genève, Harkness Ballet New York, Nederlands Dans Theater sowie das Basler Ballett, dem er zwölf Jahre lang angehörte. Im Anschluss an seine aktive Tänzerkarriere arbeitete Chris Jensen als Assistent und Ballettmeister von Heinz Spoerli in Düsseldorf und Zürich und studierte zahlreiche Ballette des Choreographen u.a. mit den Compagnien in Basel, Düsseldorf, Graz, Helsinki, Hongkong, Berlin und Mailand ein.
ERI NAKAMURA – Kostüme Tabula Rasa Eri Nakamura, 1984 in Japan geboren, erhielt ihre Ausbildung zur Tänzerin an der Australian Ballet School in Melbourne. Von 2003 bis 2007 tanzte sie im Ballet de la Comunidad von Victor Ullate in Madrid und wechselte danach zu Les Grands Ballets Canadiens de Montréal. Von 2011 bis 2015 tanzte sie bei der Batsheva Dance Company und ist seit 2016 wieder Mitglied der Compagnie. Für Ohad Naharin entwarf sie die Kostüme für Werke wie Last Work, Venezuela, Yag, 2019 und nun für das Wiener Staatsballett Tabula Rasa.
FLORIAN ETTI – Bühne Goldberg-Variationen Florian Etti studierte Sprachen und Kunst an der Freien Universität und der Hochschule der Künste Berlin sowie Bühnenbild bei Rolf Glittenberg in Köln. Engagements als Bühnenbildner führten ihn seit 1986 an die Opernhäuser von Düsseldorf, Essen, Köln und Zürich, an die Berliner Schaubühne, das Wiener Burgtheater, Volkstheater und Theater in der Josefstadt sowie u.a. an die Theater von Basel, Bochum, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Köln, Malmö, Mannheim, Stuttgart und Zürich. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Regisseur und Schauspielintendanten Burkhard C. Kosminski. Außerdem arbeitete er mit Gabriele Jacobi, Werner Schroeter, Günter Krämer, Karin Beier, Sönke Wortmann, Anna Badora, Joachim Lux, Gustav Rueb, Georg Kohl, Anna Bergmann, Itay Tiran sowie dem Filmemacher und Autor Udi Aloni zusammen. Für den Choreographen Heinz 81
BIOGRAPHIEN
Spoerli kreierte er Bühnenbilder an der Deutschen Oper am Rhein sowie beim Zürcher Ballett u.a. für die Produktionen Le Sacre du printemps, Daphnis et Chloë, moZART, Peer Gynt, Lettres intimes, Der Tod und das Mädchen, Das Lied von der Erde, Don Juan und Till Eulenspiegel. Für Martin Schläpfer entstanden mehrere Räume und Kostümentwürfe, darunter Ein Deutsches Requiem, 7, Konzert für Orchester, Petite Messe solennelle, Schwanensee sowie an der Wiener Staatsoper die Uraufführungen 4 und Dornröschen. An der Volksoper Wien ist sein Bühnendesign zu Ein Deutsches Requiem zu sehen. Darüber hinaus widmet sich Florian Etti der digitalen Malerei. 2019 präsentierte er in der Einzelausstellung Florian Etti – Artificial Painting seine Werke im Münchner Künstlerhaus, 2020 folgte eine Ausstellung im Staatstheater Stuttgart, 2023 in Düsseldorf und erneut in München.
ROBERT EISENSTEIN – Licht Goldberg-Variationen Robert Eisenstein wurde in Wien geboren und ist seit 1996 an der Wiener Staatsoper beschäftigt. In seiner Laufbahn als Lichttechniker, Programmierer und seit 2014 als Beleuchtungsinspektor der Technischen Direktion wirkte er an über 200 Opern-, Ballett- und Kinderopern-Produktionen mit. 2007 absolvierte er an der Österreichischen Theatertechnischen Gesellschaft die Beleuchtungsmeisterprüfung. Von 1998 bis 2013 war er zudem im Beleuchtungsteam der Seefestspiele Mörbisch engagiert. Seit 2015 ist Robert Eisenstein neben der Betreuung hauseigener Produktionen für die lichttechnische Umsetzungen externer Veranstaltungen in der Wiener Staatsoper verantwortlich. Zu diesen zählten u.a. der Actionfilm Mission Impossible 5, das Jazz Fest Wien und Konzerte des Wiener Mozartorchesters. Internationale Erfahrungen sammelte er auf Gastspielen und Tourneen sowie durch die Kreation von Lightdesigns für das japanische Fernsehen NHK im Tokio Bunka Kaikan-Konzerthaus, für das Royal Opera House Muscat im Oman, die Hamburgische Staatsoper, das Centre Cultural Terrassa in Barcelona und das Slowakische Nationaltheater. Das Lightdesign für Sinfonie Nr. 15 in der Spielzeit 2020/21 war Robert Eisensteins erste Zusammenarbeit mit dem Choreographen Martin Schläpfer, es folgten sein Lichtentwurf für Marsch, Walzer, Polka (2021) sowie das Lightdesign zu Heinz Spoerlis Goldberg-Variationen (2023).
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VOLKHARD STEUDE – Violine Tabula Rasa Volkhard Steude, geboren 1971 in Leipzig, erhielt seinen ersten Violinunterricht mit fünf Jahren am Konservatorium in Cottbus. 1988 begann er sein Studium an der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« in Berlin bei Joachim Scholz und Prof. Werner Scholz. Er war mehrfacher Preisträger internationaler Wettbewerbe. 1993 wurde er Erster Konzertmeister des Gustav Mahler Jugendorchesters. Ab März 1994 setzte er sein Studium bei Prof. Alfred Staar in Wien fort. Im darauffolgenden November gewann Volkhard Steude im Alter von 23 Jahren das Konzertmeisterprobespiel für das Orchester der Wiener Staatsoper und ist dort seither engagiert. Seit 1998 ist er außerdem Konzertmeister der Wiener Philharmoniker. Mit diesen ist er immer wieder auch solistisch zu erleben unter der Leitung von Dirigenten wie u.a. Giuseppe Sinopoli, Daniel Barenboim, Tugan Sokhiev oder Andris Nelsons. Mit den Violinkonzerten von Beethoven, Mendelssohn, Mozart, Sibelius und Tschaikowski, von denen er einige auch live für Radiosendungen und/oder CD-Veröffentlichungen aufnahm, war er als Solist in Europa und in Japan zu erleben. Volkhard Steude spielt die ex Smith-Querson-Violine von Antonius Stradivarius (Cremona 1714), die ihm von der Österreichischen Nationalbank zur Verfügung gestellt wird.
RAIMUND LISSY – Violine Tabula Rasa Raimund Lissy wurde in Wien geboren, erhielt seinen ersten Violinunterricht im Alter von vier Jahren und studierte bei Thomas Kakuska an der Wiener Musikhochschule und bei Alfred Staar. Nach Engagements an der Arena di Verona wurde er 1988 Mitglied des Orchesters der Wiener Staatsoper sowie 1991 der Wiener Philharmoniker. Im selben Jahr übernahm er die Position des Stimmführers der 2. Geigen und wurde 1993 zu deren Vorgeiger ernannt. Seit 2013 ist Raimund Lissy außerdem in der Wiener Hofmusikkapelle engagiert. Neben solistischen Auftritten mit Orchester sowie in Sonatenprogrammen widmet er sich im Ensemble Wien intensiv der Kammermusik und konzertiert mit dieser Formation seit 1994 regelmäßig im Brahms-Saal des Musikvereins, in den Konzertsälen von New York, Toronto, Vancouver, Tokyo oder Paris sowie bei Festivals wie den Salzburger Festspielen oder Berliner Festwochen. 2008 gründete er das Lissy Quartett, weitere Kammermusikformationen Raimund Lissys sind das Ensemble VioLissymo und die Philharmonia Seconda. Eine umfangreiche Diskographie dokumentiert sein Schaffen. Ein besonderes Interesse Raimund Lissys gilt der Pflege und Erforschung des 83
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Werks des Violinvirtuosen und Komponisten Joseph Mayseder, was sich nicht nur in Aufführungen, sondern auch einem ORF-Film sowie der im Hollitzer Wissenschaftsverlag publizierten Biographie Virtuosität und Wiener Charme: Joseph Mayseder dokumentiert.
ASMIR JAKUPOVIC – Klavier Tabula Rasa Asmir Jakupovic, in Bosnien und Herzegowina geboren, erhielt seine Ausbildung an der Musikhochschule »Savo Balaban« in Prijedor, 2011/12 an der Abteilung für Musiktheorie der Universität von Banja Luka sowie seit 2012 an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw). Zudem studierte er Komposition bei Prof. Herbert Lauermann und Prof. Detlev Müller-Siemens, Musiktheorie bei Prof. Gesine Schröder, Orchestrierung bei Dr. Ertugrul Sevsay, besuchte Meisterklassen bei Gyula Fekete und Veli Matti Puumala, die ISA Sommerakademie bei Yann Robin und Francesco Filidei und arbeitete für Prof. Gerald Resch. Seit 2014 entstand eine Reihe von Kompositionen, die in Österreich, Ungarn, Bosnien, Kroatien, Deutschland und der Schweiz aufgeführt wurden. 2018 erhielt er den Förderpreis beim Kompositionswettbewerb der Kreisstadt Siegburg und einen Preis beim Prof. Dichler-Wettbewerb, 2020 war er Finalist beim Ö1 Jazzstipendium. Als Autor war Asmir Jakupovic für das Lexikon Orchester des Laaber-Verlags tätig und publizierte im Rahmen des Forschungsprojekts Compositrices et Interprètes des Französisch-deutschen Arbeitstreffens Wien eine Arbeit über Karrieren von Komponistinnen und Interpretinnen im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland. Zu wichtigen Projekten der vergangenen Jahre zählten außerdem 2015 der Contemporary Composition Workshop Vienna – Helsinki – Budapest sowie die Mitwirkung beim U Stream Fest der Ukrainischen Kulturtage Wien, 2015/16 das künstlerisch-wissenschaftliche Projekt »Grete Trakl – Schwester: Möndin.« Eine kontrafaktische Kompositionsgeschichte am Institut für Komposition und Elektroakustik der mdw sowie eine Forschungsreise nach Berlin, 2018 die Mitwirkung als Pianist bei Georg Nussbaumers Atlas der gesamten Musik und aller angrenzenden Gebiete im Rahmen von Wien Modern sowie 2019 eine Gemeinschaftskomposition bei einem Projekt über die Schönberg-Schülerin Natalie Prawossudowitsch. Seit der Spielzeit 2023/24 ist Asmir Jakupovic als Korrepetitor beim Wiener Staatsballett engagiert.
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WILLIAM YOUN – Klavier Goldberg-Variationen William Youn, 1982 in Korea geboren, zählt zu den renommiertesten Pianisten seiner Generation. Seine Ausbildung begann er in Seoul, mit 13 Jahren folgte der Wechsel in die USA ans New England Conservatory in Boston, mit 18 wurde er an der Musikhochschule Hannover in die legendäre Pianistenklasse von Karl-Heinz Kämmerling aufgenommen. Als Stipendiat der Piano Academy Lake Como arbeitete William Youn mit Künstlerpersönlichkeiten wie Dmitri Bashkirov, Andreas Staier, William Grant Naboré und Menahem Pressler zusammen. Heute konzertiert er von Berlin über Seoul bis New York mit Orchestern wie dem Cleveland Orchestra, den Münchner Philharmonikern, dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Belgischen Nationalorchester, dem Mariinsky Orchestra oder dem Seoul Philharmonic Orchestra auf wichtigen Konzertpodien wie die Wigmore Hall, das Konzerthaus Wien, die Elbphilharmonie Hamburg, der Pierre Boulez Saal und das Berliner Konzerthaus, die Tokyo Opera City Concert Hall, Alte Oper Frankfurt, deSingel Antwerpen, Walt Disney Hall Los Angeles und das Seoul Arts Center. Darüber hinaus ist William Youn regelmäßiger Gast renommierter Festivals, darunter das Menuhin Festival Gstaad, die Schubertiade Hohenems/Schwarzenberg, das MITO SettembreMusica, das Grafenegg Festival, Schleswig-Holstein Musik Festival, Rheingau Musik Festival, der Heidelberger Frühling, die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, das Mozartfest Würzburg, die Schwetzinger SWR Festspiele und das Davos Festival. Neben dem klassischen Flügel spielt William Youn auch vermehrt am Hammerflügel und widmet sich neben seinen solistischen Engagements vor allem der Kammermusik und dem Kunstlied. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn dabei mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer, der Klarinettistin Sabine Meyer, dem Cellisten Julian Steckel, den Geigerinnen Carolin Widmann und Veronika Eberle, dem Aris Streichquartett und Bariton Thomas Hampson. Von William Youn liegen zahlreiche, mehrfach ausgezeichnete CDVeröffentlichungen vor. Nach seinem bei Oehms Classics erschienenen Zyklus mit sämtlichen Klaviersonaten Mozarts, mehreren gemeinsamen Einspielungen mit Nils Mönkemeyer und seinem Solo-Album Schumann – Liszt – Schubert beendete William Youn im November 2022 seine Gesamtaufnahme aller Schubert-Klaviersonaten bei Sony Classical. Mit Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen gab William Youn sein Debüt an der Wiener Staatsoper.
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BIOGRAPHIEN
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impressum
Goldberg-Variationen Ohad Naharin / Heinz Spoerli Spielzeit 2023/24 HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Direktor & Chefchoreograph Wiener Staatsballett: Martin Schläpfer Kaufmännische Leiterin Wiener Staatsballett: Mag. Simone Wohinz Redaktion: Mag. Anne do Paço, Nastasja Fischer MA Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Bildkonzept Cover: Martin Conrads Layout & Satz: Mag.art. Anton Badinger, Wien Hersteller: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau AUFFÜHRUNGSRECHTE für die Choreographien Tabula Rasa © Ohad Naharin vertreten durch Gaga Movement Ltd, Tel Aviv Goldberg-Variationen © Heinz Spoerli für Tabula rasa von Arvo Pärt: © Universal Edition AG, Wien für Schott Music GmbH & Co. KG. Mainz TEXTNACHWEISE Über die heutige Vorstellung (ins Englische übertragen von David Tushingham) sowie die Texte von Nastasja Fischer, Anne do Paço und William Youn sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Nachdruck nur mit Genehmigung des Wiener Staatsballetts/Dramaturgie. Umschlagklappe: T. S. Eliot: Four Quartets. Vier Quartette. Engl./Dt. Übersetzt von Norbert Hummelt. Berlin 2015 / S. 8 zitiert nach: batsheva.co.il/en/gaga / S. 15 zitiert nach: John Locke: Versuch über den menschlichen Verstand. Bd. I. Hamburg 2000 / S. 20: Ohad Naharin: Why I choreograph. In: Dance Magazine 87/9, September 2013. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung durch Ohad Naharin & z.V.g vom Dance Magazine / S. 25 zitiert nach: Jeffers Engelhardt: Perspectives on Arvo Pärt after 1980. The Cambridge Companion to Arvo Pärt. Cambridge 2012 / S. 38: Heinz Spoerli während eines Gesprächs zur Wiener Einstudierung der Goldberg-Variationen / S. 44 zitiert nach: spoerli.ch / S. 50 ff.: aus Sebastian Kiefer: Johann Gottlieb Goldberg sowie Goldberg-Variationen (BWV 988).
In: Bach-Handbuch. Bd. 6: Das Bach-Lexikon. Hrsg. v. Michael Heinemann unter Mitarbeit v. Stephan Franke, Sven Hiemke & Hans-Joachim Hinrichsen. Laaber 22000 / S. 53: zitiert nach Martin Geck: Bach. Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg 2000. BILDNACHWEISE Cover: Cold Mountain © Michael Lange / Hartmann Books (mit freundlicher Genehmigung des Fotografen) / alle Probensaal- sowie die Szenenfotos von der Klavierhauptprobe am 22. April 2023 fotografierte © Ashley Taylor / S. 9, 78: © Ilya Melnikov / S. 39, 79: © Peter Schnetz / S. 68 bis 75, 84: © Andreas Jakwerth / S. 77: © Barbara Pállfy / S. 80 oben: Serghei Gherciu / S. 80 unten, 81 oben & unten, 83 oben: z.V.g. / S. 81 Mitte: © Eleonora Fridman / S. 82: © Michael Pöhn S. 83 unten: © Lois Lammerhuber / S. 85: © Irène Zandel Rechteinhaber, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgleichung um Nachricht gebeten.
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