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Unser Ensemble Valeriia Savinskaia

Valeriia Savinskaia

UNSER ENSEMBLE

Sie singt. Natürlich auf der Bühne. Bei Proben und im Repetitionszimmer. Sie singt daheim und auf Reisen. Aber auch ganz unabhängig von Oper und Konzert, wenn sie glücklich ist, wenn sich etwas Positives ereignet hat, wenn sie angespannt ist, verstimmt oder traurig, selbst wenn sie Fieber hat. Sollte aber gerade nichts davon der Fall sein, dann: einfach so. Und das ist bei Valeriia Savinskaia keine Berufskrankheit, es war von Anfang an so, jedenfalls soweit ihre Erinnerung zurückreicht. Genau genommen: damit hat es angefangen. Denn als sie mit vier Jahren, im Urlaub, wieder einmal sang (diesmal: russische Volkslieder), hörte eine bekannte Solistin zufällig zu und offenbarte der Mutter nicht nur eine große Zukunft ihrer Tochter, sondern wies sie auch gleich darauf an, dieses Talent entsprechend zu fördern. Mit der Folge, dass die musikinteressierten und stolzen Eltern

ihr Kind sogleich in den Chor und zum Klavierunterricht schickten; mit elf Jahren folgte dann der erste professionelle Gesangsunterricht, mit 16 ging sie an eine Hochschule, um dort nach vier Jahren ihren Abschluss – mit Bestnoten! – zu erhalten. Was aber jetzt? Savinskaia prüfte Alternativen und entschloss sich nach Wien zu reisen, um sich mit einem Studium am Konservatorium zu perfektionieren. Warum Wien? „Ganz einfach, weil es das Herz der Musik ist!“ Doch was auch immer geplant war, noch während des Studiums trat sie 2019 beim Belvedere-Wettbewerb an, weniger aus Gründen des unbedingten Gewinnen-Wollens, sondern mehr aus einem Hineinschnuppern-Wollen. Savinskaia erinnert sich an die Anmeldeformalitäten: „Ich sah all die Spalten und Felder, die auszufüllen waren: Bisherige Engagements? Bisher gesungene Rollen? und so

weiter. Bei mir blieb das alles leer, ich war ja noch ganz am Anfang – und so jung!“, lächelt sie. „Schon aus diesem Grund ging ich absolut nicht davon aus, eine Chance zu haben. Andere Kolleginnen und Kollegen hatten ja schon so viel vorzuweisen. Es war also mehr eine Sache des Ausprobierens.“ Nun, das Ausprobieren führte direkt zu einem ersten Platz bei einem der wichtigsten internationalen Wettbewerbe, ein Sieg, der die Sopranistin nach oben katapultierte – und das, noch bevor sie ihr Gesangsstudium in Wien vollendet hatte. Stolz? „Eigentlich bin ich sehr selbstkritisch“, meint sie. „Aber in Bezug auf meinen Wettbewerbsgewinn bin ich – zumindest in Teilen – stolz. Also: Es war ganz gut, bedenkt man mein Alter und meine Unerfahrenheit. Ich habe die Je veux vivre-Arie aus Gounods Roméo et Juliette gesungen, habe sie in sechs Wochen gelernt und hatte nur eine einzige Probe mit Orchester. Die Umstände betrachtend also ganz okay.“ Ganz okay: Eine der Bescheidenheit geschuldete Diminuierung, muss aus Gründen der objektiven Richtigstellung hinzugefügt werden.

Und nur wenig später, im September, trat sie dem Ensemble der Wiener Staatsoper bei und absolvierte in der Frau ohne Schatten unter Christian Thielemann ihren ersten Auftritt. Damit war sie, im Alter von nur 21 Jahren, genau dort gelandet, wohin sie sich stets gewünscht hatte: auf der großen Bühne. Anstrengung? Nervosität? Oder gar Angst? Nicht, wenn sie auf der Bühne steht. „Natürlich, bevor ich hinausgehe bin ich angespannt. Wobei es eher eine Konzentration auf den kommenden Auftritt ist. Da möchte ich einfach nicht abgelenkt werden und kann richtig unfreundlich werden – was mir immer sehr leid tut, aber ich bin einfach so fokussiert … Doch wenn ich erst einmal im Scheinwerferlicht stehe, fällt alles von mir ab.“ Genießerisches Augenverdrehen seitens der Sopranistin: „Ich liebe dieses Gefühl! Das Kommunizieren mit den Anwesenden. Die Emotionen, die entstehen. Die Spannung. Ich suche förmlich den Blickkontakt mit möglichst vielen im Zuschauerraum, ich will sie sehen, sie spüren, den Augenblick genießen. Wirklich: Ich bin verliebt in diese Momente!“ Und auch wenn – natürlich – die Musik im Vordergrund steht, ist es für Savinskaia

SERIE das „gesamte Paket“, das sie bewegt und begeistert. Also: Singen, spielen, Kostüm und Maske, Kollegen und Kolleginnen, der Raum, Text. „All das macht mich glücklich und lässt mich das Leben spüren“, beschreibt sie den Zauber der Bühne. „Bin ich erst einmal vor dem Vorhang, fühle ich mich einfach so lebendig!“ Um aber möglichst schnell in die richtige Stimmung für die Aufführung zu kommen, braucht es nicht nur Konzentration, sondern auch den Weg der optischen Selbstfindung. „Daher schminke ich mich vor Auftritten gerne selber, einfach, um in die Figur hineinzurutschen. Wenn ich das richtige Make up auftrage, verändert sich die Person im Spiegel förmlich vor meinen Augen. Eine Verwandlung von mir in den Bühnencharakter.“ Und doch drängt sich die Frage auf: Bei all dieser Begeisterung für die Bühne, all dieser Freude am Singen – gibt es nicht etwas, was der Sängerin am Beruf schwer fällt? Etwa das ewige Nicht-daheimSein? „Das erstaunlicherweise nicht, ich war immer schon jemand, der gerne reist, neue Länder und Städte kennenlernt. Was aber wirklich eine Herausforderung ist: dass man nie krank sein darf!“ Landet man mit nur 21 Jahren auf einer solchen ersten Bühne und locken Engagements in die weite Opernwelt – hat man nicht die Sorge vor einem etwaigen „zu früh“ von einzelnen Rollen, von einem „zu schnell“ der Karriere, einem „zu plötzlich“? „Natürlich,“ bekräftigt Savinskaia, „ich will ja nicht nur bis zu meinem 40. Geburtstag singen, sondern eine möglichst lange Zeit. Daher achte ich stets darauf, ob mir Partien leicht fallen, oder ob irgendeine Anstrengung spürbar ist. Fiordiligi in Così fan tutte zum Beispiel: sie fällt mir wunderbar leicht, wie von selbst. Micaëla in Carmen: ich kann sie singen, aber es fühlt sich nicht gut an – also warte ich noch ein paar Jahre. Ich habe ja noch viel Zeit.“ Viel Zeit für eine allmähliche, erfreuliche und schöne Karrierentfaltung, das wünscht man der Sängerin. Und viele Jahre einer ebenso schönen, langen Laufbahn. Was auch bedeutet, dass sich das Publikum am künstlerischen Heranwachsen und -reifen der jungen russischen Sopranistin erfreuen darf und ab nun für viele Jahre in die oben beschwärmte Kommunikation treten darf: Abend für Abend!

Oliver Láng Kate Pinkerton (Madama Butterfly) 2. März 2020 Giannetta (L’elisir d’amore) 24., 31. März 2020 Modistin (Der Rosenkavalier) 13., 16., 19. April 2020 Anna (Nabucco) 14., 17. Juni 2020

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